Die SwissSkills 2018 als Sprungbrett? - Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen - Prof. Dr. Margrit Stamm
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Die SwissSkills 2018 als Sprungbrett? Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen Dossier Berufsbildung 20/1 Prof. Dr. Margrit Stamm Begabungsreserven in der Berufsbildung
-- 2 - - Swiss Education Prof. Dr. Margrit Stamm Professorin em. für Erziehungswissenschaften und Pädagogische Psychologie der Universität Fribourg Forschungsinstitut Swiss Education Aeschbachweg 12 CH-5000 Aarau 031 311 69 69 margrit.stamm@unifr.ch margritstamm.ch Die SwissSkills als Sprungbrett?
-3- Inhalt Vorwort ...................................................................................................................... - 5 - Ziele, Hintergründe und Einschränkungen des Dossiers ................................................... 7 Management Summary .................................................................................................. 9 Schlüsselbotschaften .................................................................................................... 12 Briefing Paper 1: Unsere SwissSkills-Studie «Die Top 200» ............................................ 16 Briefing Paper 2: Die SwissSkills-Studie 2018 ................................................................. 18 Briefing Paper 3: Wie viel Schulerfolg steckt hinter den Teilnehmenden? ..................... 21 Briefing Paper 4: Das Tor zu den SwissSkills .................................................................. 23 Briefing Paper 5: Wege an die Spitze ............................................................................. 25 Briefing Paper 6: Eine Typologie der Medaillengewinnerinnen und -gewinner ............... 27 Briefing Paper 7: Die SwissSkills als Sprungbrett? .......................................................... 30 Briefing Paper 8: Empfehlungen…………………………………………………………………………………….32 Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-- 4 - - Die SwissSkills als Sprungbrett?
-5- Vorwort In keinem anderen Bereich hat die Schweiz in schlecht. Und viele Befragte können auch mit Wettbewerben so viele Medaillen gewonnen keinem hohen Schulabschluss punkten. 51% wie in der Berufsbildung. Und letztes Jahr war haben nur einen mittleren, 19% sogar einen es wieder so weit: Unsere Delegation holte im niedrigen Abschluss. Empirisch gesichert ist russischen Kazan insgesamt 16 Medaillen. 1354 nun die Aussage, dass Schulnoten oder ein ho- junge Berufsleute aus 63 Staaten hatten in 56 her Schulabschluss wenig über das Entwick- Berufen um Medaillen gekämpft. Die Schweizer lungspotenzial eines jungen Menschen aussa- Bilanz ist wiederum eine Genugtuung für die gen. Die Befragten der SwissSkills 2018 – wie Berufsbildung, welche mit Attraktivitätsprob- schon der SwissSkills 2014 – sind das beste Bei- lemen und Schwierigkeiten zu kämpfen hat, spiel dafür. gute Lernende zu finden. Doch auch die inter- Sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie nationale Konkurrenz wird stärker, dies hat sich diejenigen, welche eine Medaille gewonnen gerade in Kazan gezeigt. haben, somit Glückspilze, denen alles in die Umso mehr erstaunt, dass Berufsmeisterschaf- Wiege gelegt worden ist? Wer so denkt, liegt ten bisher nur selten als Ausbildungselemente falsch. Der Weg zur Praktikerelite ist enorm für die berufliche Laufbahn genutzt werden zeitintensiv, entbehrungsreich und erfordert und Lehrlinge geschweige Jugendliche, die auf ein hohes persönliches Engagement. Für die der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind, Medaillengewinnerinnen und -gewinner trifft sie oft gar nicht kennen. Zwar sind seit 2014 dies in besonderem Ausmass zu. die SwissSkills eine bekannte Marke geworden, Die in diesem Dossier präsentierten Ergebnisse doch gerade in der akademischen Welt aus- sind für die Qualität, die Attraktivität und die serhalb der Berufsbildung weiss kaum jemand Zukunft der Berufsbildung bedeutsam. Wer ei- etwas über diese Praktikerelite. ne Berufslehre macht und sich dann auf eine Was steckt hinter den Teilnehmenden? Sol- Berufsmeisterschaft konzentriert und viel in- chen Fragen sind wir erstmals an den SwissSki- vestiert, hat die Karriere fast auf sicher. 85% lls 2014 nachgegangen. An den SwissSkills 2018 der Befragten sind überzeugt, dass der Nutzen hat der Verein SwissSkills zusammen mit Fran- der Teilnahme an den SwissSkills 2018 wie er- ziska Templer und Larissa Kalisch erneut eine wartet ausfiel oder sogar deutlich höher. Befragung bei den Teilnehmenden durchge- Die SwissSkills-Teilnehmenden, insbesondere führt, in identischer Form wie 2014, jedoch mit auch die Erstplatzierten, sind besondere Wer- verkleinertem Fragebogen und weiteren Frage- bebotschafterinnen und -botschafter. Mit ih- stellungen. rem Erfolg können sie zu wichtigen Modellen Die SwissSkills sind ein Sprungbrett für die Be- für junge Menschen – und auch für ihre Eltern rufskarriere, gerade auch für so genannte Spät- – werden, die sich überzeugen lassen, dass die zünder. Männer finden sie vor allem wegen der berufliche Grundbildung ihnen Vieles ermög- Möglichkeit zum Wettkampf attraktiv, Frauen licht. Dass sie z.B. eines Tages auch einmal da- eher wegen dem Teamerlebnis. Die Vorberei- stehen können, wo diese jungen Berufsleute tung erweist sich als besonders wichtiger Erfolgs- heute stehen. faktor. Je intensiver sie ist, desto höher wird die Chance auf eine Medaille. Aarau, im Frühling 2020 Dies sind hervorstechende Ergebnisse der Un- tersuchung. Wer es an die Spitze seiner Be- rufsbranche schafft, ist in der obligatorischen Schule (Sek I) längst nicht immer ein guter Prof. Dr. Margrit Stamm Schüler oder eine gute Schülerin gewesen. Ein Professorin em. der Universität Fribourg Swiss Education Bern Viertel war lediglich mittelmässig oder gar Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-6- Die SwissSkills als Sprungbrett?
-7- Ziele, Hintergründe und Einschränkungen des Dossiers Das Dossier ist den SwissSkills 2018 gewidmet. Bei der Lektüre ist Folgendes zur Kenntnis zu Es baut auf dem Dossier «Die Top 200 des be- nehmen: ruflichen Nachwuchses» auf (17/1), das den ⚫ dass sich das Dossier ausschliesslich auf ersten SwissSkills von 2014 gewidmet war. Die die Daten abstützt, die im Bericht von nachfolgend dargestellten Ergebnisse basieren Franziska Templer zusammengestellt sind auf der Befragung der Teilnehmenden durch und die sich auf unseren Fragebogen von den Verein SwissSkills im Herbst 2018 und 2016 beziehen; 2019. ⚫ dass es sich durchgehend um selbstbe- richtete Daten der Teilnehmenden han- Die Ergebnisse lassen nicht nur einen Vergleich delt; mit den Daten unserer SwissSkills-Studie von 2014 (Stamm, 2017) zu, sondern führen uns ⚫ dass die Interpretationen meine persönli- vor allem auch zu einem neuen Verständnis che Ansicht darstellen und von Interpre- tationen des Vereins SwissSkills abwei- dessen, was hinter beruflicher Leistungsexzel- chen können. lenz steckt, wie sie aussieht und wie sie entwi- ckelt werden kann. Und vor allem stellen die Folgende Dossiers können gratis von der Daten die beeindruckende Wirksamkeit der Website heruntergeladen werden: SwissSkills unter Beweis. Die beiden Studien ⚫ Talentmanagement in der beruflichen sind die ersten dieser Art in der Schweiz. Grundbildung. Dossier 12/2. Universität Fribourg: Departement Erziehungswissen- Die Befunde der beiden Studien unterstrei- schaften. chen, dass Berufswettbewerbe ein besonders ⚫ Migranten mit Potenzial. Begabungsreser- wichtiges Förderinstrument sind, sowohl für ven in der Berufsbildung ausschöpfen. die Attraktivität der Berufsbildung inklusive Dossier 12/4. Bern: Forschungsinstitut die Berufsorientierung als auch für die Förde- Swiss Education. rung der Leistungsexzellenz und Karriereent- ⚫ Lehrlingsmangel. Strategien für die Rekru- wicklung junger Menschen. Sie sind aber auch tierung des Nachwuchses. Dossier 13/2. die beste Werbung Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. ⚫ für die Berufsbildung generell und spezi- ⚫ Nur (k)eine Berufslehre. Eltern als Rekru- fisch für die Anwerbung eines geeigneten tierungspool. Dossier 14/4. Bern: For- schungsinstitut Swiss Education. Nachwuchses; ⚫ Praktische Intelligenz: Ihre missachtete ⚫ für die Motivierung von Berufsfachschulen Rolle in der beruflichen Ausbildung. Dossi- und Betrieben, dass sich ein Engagement er 15/2. Bern: Forschungsinstitut Swiss für die besondere Förderung leistungs- Education. starker Berufslernender und damit des Fachkräftenachwuchses langfristig aus- ⚫ Die Top 200 des beruflichen Nachwuchses: Was hinter Medaillengewinnern an Be- zahlt; rufsmeisterschaften steckt. Dossier 17/1. ⚫ und Informations- resp. Überzeugungs- Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. grundlage für Eltern, die ihren Nachwuchs ⚫ Die Berufslehre hat ein Geschlecht. Wes- eigentlich lieber im Gymnasium sehen halb es weibliche Talente schwer haben. würden; Unter Mitarbeit von Dr. Michael Nieder- hauser. Dossier 18/1. Bern: Forschungs- Das Dossier ist wie folgt aufgebaut: Briefing institut Swiss Education. Paper 1 und 2 geben einen kurzen Überblick über die beiden Studien. Briefing Paper 3 bis 7 ⚫ Top und Flop an der Lehrabschlussprü- fung. Qualifikationsverfahren unter der präsentieren die wichtigsten Ergebnisse. In Lupe. Dossier 19/1. Aarau: Forschungs- Briefing Paper 8 werden ein paar Empfehlun- institut Swiss Education. gen formuliert. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-8- Die SwissSkills als Sprungbrett?
-9- Management Summary Briefing Paper 1: Unsere SwissSkills-Studie Die Studie basiert auf einer zweimaligen On- «Die Top 200» linebefragung der Teilnehmenden, d.h. unmit- Will man eine Praktikerelite fördern, muss der telbar nach der Meisterschaft im Herbst 2018 Fokus in erster Linie auf intrinsisch motivierte sowie im Herbst 2019. Sie wurde von Dr. Fran- junge Berufsleute gesetzt werden, die eine ziska Templer und Msc Lisa Kalisch im Auftrag hochstehende, d.h. anstrengungsorientierte des Vereins SwissSkills durchgeführt. Die Be- Ausbildung erhalten. Berufswettbewerbe sind fragung erreichte eine Rücklaufquote von hierfür ein ideales Feld für die Entwicklung 68.6% (2018; N=632) resp. 38.4% (2019; von Leistungsexzellenz. N=354). Briefing Paper 1 Seite 16 Das Alter der Befragten schwankt zwischen 19 In unserer Studie «Die Top 200» haben wir die und 26 Jahren. Die Sprachregionen sind sehr Medaillengewinnerinnen und -gewinner der ungleichmässig vertreten. Weitaus am meisten SwissSkills 2014 nach den Hintergründen be- Befragte stammen aus der deutschsprachigen fragt, welche sie an die Spitze ihrer Branche ge- (84%), 14.6% aus der französischsprachigen führt hatten. Die Untersuchungsergebnisse las- und lediglich 1.4% aus der italienischsprachigen sen sich zu fünf Hauptaussagen verdichten: Schweiz. ⚫ Ein gutes Drittel der Medaillengewinnerin- In der Stichprobe sind 184 Medaillengewinne- nen und -gewinner hat es vom mittelmässi- rinnen und -gewinner vertreten (76.6% Män- gen Sek I-Schüler an die Leistungsspitze der ner, 23.4% Frauen). Mit Fokus auf die Ge- Berufsbildung gebracht. schlechterquote sind die Goldmedaillengewin- ⚫ Der Weg an die Spitze war für die Befragten nerinnen nahezu gleich erfolgreich wie die überaus zeitintensiv und entbehrungsreich. Goldmedaillengewinner (34.9% vs 35.5%). Sil- Vieles kam zu kurz, insbesondere auch das bermedaillen haben sie sogar deutlich öfters Privatleben. gewonnen (46.5% vs 32.6%), lediglich in den ⚫ Während dem Wettkampf hat es den Be- Bronzemedaillen werden sie von ihren Kollegen fragten am meisten Mühe bereitet, stress- «geschlagen» (18.6% vs 31.9%). resistent zu sein, das Selbstvertrauen zu behalten und Durchhaltevermögen zu zei- Briefing Paper 3: Wieviel Schulerfolg gen. steckt hinter den Teilnehmenden? ⚫ Das Umfeld spielte als Motivationsfaktor Grundlegend ist die Frage nach der schuli- eine zentrale Rolle, vor allem Betriebe, Be- schen Herkunft und dem Schulerfolg in der rufsfachschullehrkräfte und Familie (insbe- Sekundarstufe I: Woher kommen die Teil- sondere die Mutter). nehmenden und welche Merkmale zeichnen ⚫ Die Medaille war ein Tor zur Berufskarrie- sie aus? re, hat doch mehr als die Hälfte einen mar- Briefing Paper 3 Seite 21 kanten beruflichen Aufstieg zu verzeichnen oder Weiterbildungen in Angriff genom- Die Daten der neuen Studie bestätigen weitge- men, teilweise auch ein Studium an einer hend diejenigen unserer «Top 200»-Studie: Hochschule oder Universität. 51% verfügen über einen mittleren (Sek B), 19% einen bescheidenen (Sek C) und 29% ei- Briefing Paper 2: Die SwissSkills-Studie nen hohen Schulabschluss (Sek A). 25% be- 2018 zeichnen sich in der Rückschau als mittelmässi- Die SwissSkills 2018 bieten wiederum ein ge oder schlechte, 75% als gute Schülerinnen ideales Feld, um Spitzenleistungen genauer zu oder Schüler. untersuchen und sie mit unseren «Top 200» - Ergebnissen zu vergleichen resp. empirisch Somit lässt sich die Aussage empirisch legiti- abzusichern. mieren, dass die Berufsausbildung für etwa ei- Briefing Paper 2 Seite 18 nen Viertel der Befragten zur zweiten Chance Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-10- geworden ist, die sie auch gepackt und es zu ten. Die lange Vorbereitungszeit und die priva- den Besten ihres Fachbereichs geschafft haben. ten wie auch beruflichen Verzichte (Lohnaus- Gleichzeitig wird deutlich, dass für einen be- fall, Wochenendarbeit etc.) bilden konzentrier- merkenswerten Anteil der Befragten (ca. 29%) te Phasen der Mehrfachbelastung, die heraus- auf Grund ihrer Schulleistungen auch das Gym- fordernd waren. nasium als Ausbildungsalternative möglich ge- Auch die Wege an die Spitze sind von Ge- wesen wäre, sie jedoch den berufsbildenden schlechtsunterschieden gepflastert. Frauen be- Weg gewählt haben. richten über alle Antwortmöglichkeiten hin- Briefing Paper 4: Das Tor für die SwissSki- weg, häufiger als die Männer auf vieles verzich- lls tet und grössere Belastungsgefühle zu erlebt haben. Eine zweite Frage beleuchtet die Motive, wel- che hinter der Anmeldung zu den SwissSkills Auf die Frage nach den wichtigsten Erfolgsfak- stecken: Warum haben die Befragten an den toren während der Meisterschaft nennt fast SwissSkills teilgenommen, und wer oder was die Hälfte die persönliche Tagesform, während hat sie zur Anmeldung motiviert? etwa ein Drittel den Grund in den optimalen Briefing Paper 4 Seite 23 Wettbewerbsbedingungen sieht. Lediglich ein Viertel schreibt ihren Erfolg der guten Vorbe- Ausschlaggebend für eine Anmeldung an die reitung zu. Die Vorbereitungszeit erweist sich SwissSkills sind in der Tendenz eher persönli- aber als besonders wichtiger Faktor: Wer sich che Motive (allen voran das Berufsinteresse) intensiver vorbereitet, hat höhere Chancen auf als äussere Motive (Information, Besuch von einen Medaillenplatz. Veranstaltungen). Am weitaus wichtigsten ist das Interesse am Berufsfeld, gefolgt vom Briefing Paper 6: Eine Typologie der Me- Wunsch, den Teamgeist erleben zu wollen, die daillengewinnerinnen und -gewinner Teilnahme mit besseren Zukunftschancen ver- Die vierte Frage konzentriert sich auf die Fra- binden zu können und sich messen zu wollen. ge, welche Merkmale Teilnehmende von Me- Von grossem Interesse sind die Geschlechtsun- daillengewinnerinnen und -gewinnern unter- terschiede in der Einschätzung der anmel- scheidet und welche Profile diese Erstplatzier- dungsrelevanten Motive. Männer setzen in ih- ten vorweisen. ren Anmeldemotiven andere Prioritäten als Briefing Paper 6 Seite 27 Frauen, d.h. ihr Hauptmotivator ist vor allem In Bezug auf die schulische Herkunft E gibt es die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu mes- keine Unterschiede zwischen den beiden sen. Frauen setzen hingegen eher auf das ge- Gruppen: Auch Erstplatzierte haben teilweise meinsame Erlebnis im Team. Gleiches gilt auch lediglich mittlere oder tiefe Sek I-Abschlüsse, für die Personen, welche für eine Anmeldung und manche waren auch schlechte Schüler ge- ausschlaggebend waren: Für Frauen ist die wesen. Deshalb gilt die Aussage auch für diese Mutter eine besonders wichtige Person, für Untersuchung erneut, dass eine berufliche Männer Ausbildende im Betrieb sowie Berufs- Grundbildung eine zweite Chance sein kann, fachschullehrkräfte. die bis zur Leistungsspitze führt. Von besonde- Briefing Paper 5: Der Weg an die Spitze rer Bedeutung für einen Medaillengewinn ist aber die Vorbereitungszeit und -qualität. Die Die dritte Frage beschäftigt sich mit den We- übrigen drei Unterscheidungsmerkmale (hohe gen, die zum Erfolg an den SwissSkills führen. Einschätzung des Nutzens der SwissSkills, Wie gross war ihr Aufwand für diese Leistung, und wie erklären sie ihren Erfolg? Wichtigkeit der Teilnahme für die berufliche Entwicklung sowie Pläne für eine Berufsmaturi- Briefing Paper 5 Seite 25 tät oder ein Studium dürften wohl (auch) mit Der Weg an die Spitze ist kein Spaziergang. Die dem Medaillengewinn zusammenhängen. Liste der Entbehrungen und Hürden, welche Anhand einer Clusteranalyse konnten drei Ty- die Befragten berichten, ist lang und vermittelt pen von Erstplatzierten eruiert werden: «Die eindrücklich, welchen Herausforderungen sie erfolgshungrigen Strategen», «die zukunftsori- sich während der Vorbereitung stellen muss- Die SwissSkills als Sprungbrett?
-11- entierten Konkurrenten» und «die exper- Im abschliessenden Briefing Paper werden vier tiseorientierten Neugierigen». Empfehlungen formuliert. Die erste Empfeh- lung betrifft die Rekrutierungspraxen bei der Briefing Paper 7: Die SwissSkills als Suche nach «guten» Lernenden. Diese muss Sprungbrett? Auswirkungen und Nutzen wegkommen vom alleinigen oder zumindest der Teilnahme sehr starken Fokus auf Schulniveau und Noten Die fünfte Frage betrifft Auswirkungen und Nutzen der Teilnahme: Was brachte der Meis- und sich stärker auf überfachliche Kompeten- terschaftserfolg den Befragten für die weitere zen konzentrieren. Die zweite Empfehlung Laufbahn? Wie beurteilen sie den persönli- schlägt einen Einbau der «SwissSkills» in Pro- chen Nutzen? zesse der beruflichen Orientierung vor. Tatsa- che ist, dass Spitzenleistungen nicht von einem Briefing Paper 7 Seite 30 Tag auf den anderen entstehen, sondern in ei- Im Urteil der Befragten ist die Teilnahme an nem langsam fortschreitenden Prozess. Die den SwissSkills ein grosser Erfolg, der viele po- Förderung von Leistungsexzellenz braucht des- sitive Auswirkungen auf die Berufslaufbahn halb eine Entwicklungsperspektive. Die dritte hat. Für 41% fällt die Bilanz wie erwartet aus. Empfehlung basiert auf der Erkenntnis, dass 44% bezeichnen sie etwas oder viel grösser als der Weg an die SwissSkills mit einem grossen erwartet. Die Teilnahme hat ihnen unter ande- Vorbereitungsaufwand und mancher persönli- rem weitere Auszeichnungen und einen mar- chen Verzichtsleistung verbunden ist. Es kanten Aufstieg auf eine höhere oder sogar lei- braucht deshalb Massnahmen, welche diesen tende Funktion gebracht. Zudem haben 60% entbehrungsreichen Weg honorieren und neue Weiterbildungen in Angriff genommen, dadurch auch Anreize für junge Talente bieten. teilweise auch ein Studium an einer Hochschu- Die vierte Empfehlung betrifft die Erkenntnis le oder Universität. der enorm hohen Bedeutung des Elternhauses, Im Rückblick ist für die Befragten der Vergleich sowohl im Hinblick auf die Anmeldung als auch mit anderen Berufsleuten der Branche (31%) die Begleitung während der Vorbereitung. Der am wichtigsten, gefolgt von der Herausforde- Fokus auf die Arbeit mit Müttern und Vätern rung, neue Kompetenzen entwickeln zu müs- beim Aufbau der Praktikerelite muss deshalb sen (28%) sowie vom Umstand, ein fachliches zum Ziel haben, ihre bedeutsame Rolle als be- Feedback zu bekommen (21%) sowie der Mög- rufliche Weichensteller und Motivatoren zu in- lichkeit, ein berufliches Netzwerk aufbauen zu tegrieren. Die vierte Empfehlung betrifft können (20%). schliesslich die systematische Vertiefung des Ambassadorenprogramms, welches der Verein Briefing Paper 8: Vier Empfehlungen SwissSkills bereits lanciert hat und damit auf einem guten Weg ist. Die Modell- und Vorbild- Um die SwissSkills in ihrem berufspädagogi- wirkung ehemaliger Medaillengewinnerinnen schen und pädagogisch-psychologischen Wert angemessen zu würdigen und sie als Instru- und -gewinner resp. Teilnehmenden kann nicht ment zur Förderung der Leistungsexzellenz genug gewürdigt werden. weiterzuentwickeln, braucht es gezielte Mas- snahmen. Der Verein SwissSkills hat in dieser Hinsicht bereits grundlegende Arbeit geleistet. Briefing Paper 8 Seite 32 Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
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-13- Schlüsselbotschaften Briefing Paper 1: Unsere SwissSkills-Studie ⚫ Frauen berichten durchgehend, häufiger «Die Top 200» als die Männer auf vieles verzichtet und grössere Belastungsgefühle erlebt zu ha- ⚫ Die Untersuchungsergebnisse unserer «Top ben. 200»-Studie werden mit gewissen Abwei- chungen in der neuen SwissSkills- ⚫ Die Vorbereitungszeit erweist sich als be- Untersuchung von 2018 repliziert. sonders wichtiger Faktor: Wer sich intensi- ver vorbereitet, hat höhere Chancen auf ⚫ Der geringe Schulerfolg, die zeitintensive einen Medaillenplatz! Vorbereitung, die grosse Bedeutung des Umfelds sowie der grosse selbstberichtete Briefing Paper 6: Eine Typologie der Me- Nutzen der Teilnahme sind der gemeinsame daillengewinnerinnen und -gewinner Nenner der beiden Untersuchungen. ⚫ Auch Erstplatzierte weisen teilweise eine Briefing Paper 2: Die SwissSkills-Studie mittlere oder eher bescheidene schulische 2018 Herkunft auf. ⚫ An der SwissSkills-Studie 2018 beteiligten ⚫ Medaillengewinnerinnen und -gewinner sich N=632 Personen (2018) resp. N=354 zeichnen sich durch eine besonders inten- Personen (2019). sive Vorbereitungszeit aus. ⚫ Das Alter der Befragten schwankte zwi- ⚫ Es lassen sich drei Typen von Erstplatzier- schen 19 und 26 Jahren. Die Sprachregio- ten unterscheiden: «Die erfolgshungrigen nen sind sehr ungleichmässig vertreten. Strategen», «die zukunftsorientierten Kon- Deutschsprachige Schweiz: 84%; Roman- kurrenten» und «die expertiseorientierten die: 14.6%; italienischsprachige Schweiz: Neugierigen». 1.4%. Briefing Paper 7: Die SwissSkills als Briefing Paper 3: Wieviel Schulerfolg Sprungbrett? Auswirkungen und Nutzen steckt hinter den Teilnehmenden? der Teilnahme ⚫ Gemessen am Teilnahmeerfolg an den ⚫ Im Urteil der Befragten ist die Teilnahme SwissSkills 2018 ist die Berufsausbildung an den SwissSkills ein grosser Erfolg, wel- für etwa einen Viertel der Befragten zur cher viele positive Auswirkungen auf die zweiten Chance geworden. Berufslaufbahn hat. ⚫ Mehr als ein Viertel der Befragten hätte ⚫ Die Bilanz fällt für die Teilnehmenden gut aufgrund ihrer Schulleistungen auch das aus. 44% bezeichnen sie etwas oder viel Gymnasium als Ausbildungsalternative grösser als erwartet. Br wählen können. Briefing Paper 8: Empfehlungen Briefing Paper 4: Das Tor an die SwissSkills ⚫ Empfehlung 1: Stärkere Ausrichtung der ⚫ Ausschlaggebend für eine Anmeldung an Rekrutierungsverfahren von Auszubilden- die SwissSkills sind eher persönliche Moti- den auf überfachliche Kompetenzen an- ve als äussere Motive. statt lediglich auf Schulnoten. ⚫ Es gibt deutliche Geschlechtsunterschiede ⚫ Empfehlung 2: Einbau der «SwissSkills» in in den anmeldungsrelevanten Motiven. Prozessen der beruflichen Orientierung Männer setzen vor allem auf das Motiv des ⚫ Empfehlung 3: Würdigung des Vorberei- Wettbewerbs, Frauen eher auf das ge- tungsaufwands durch die Betriebe meinsame Erlebnis im Team. ⚫ Empfehlung 3: Integration der Arbeit mit Briefing Paper 5: Der Weg an die Spitze Eltern in den Aufbau der Praktikerelite (als Weichensteller und Motivatoren) ⚫ Der Weg an die Spitze ist anforderungsin- tensiv, v.a. im Hinblick auf die Vorberei- ⚫ Empfehlung 4: Systematische Vertiefung tung und die Bereitschaft, Kontakte im so- des Ambassadorenprogramms zialen Umfeld zu reduzieren. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
Begabungsreserven in der Berufsbildung
-15- Die SwissSkills als Sprungbrett? Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen Dossier Berufsbildung 20/1 Prof. Dr. Margrit Stamm Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-16- Briefing Paper 1: Unsere SwissSkills-Studie «Die Top 200» Der Drang, sich auszuzeichnen – den Körper zu Familien der Mittelschicht, 15% aus Aka- stählern, den Geist zu trainieren und Technolo- demikerfamilien. 36% der Befragten haben gien erfolgreich zu entwickeln – hat Menschen einen mittleren, 20% einen bescheidenen schon immer herausgefordert. Auch Kinder und 44% einen hohen Schulabschluss. Zu- dem waren sie in der Oberstufe (Sek I), bei und Jugendliche demonstrieren ihre Hingabe weitem nicht immer gute Schülerinnen und für Exzellenz, zeigen Anstrengung und Investi- Schüler. Jede dritte Person bezeichnet sich tionswille, um ihre Ziele zu erreichen – wenn im Rückblick als lediglich mittelmässig oder ihre Motivation nicht unterdrückt oder fremd- gar schlecht in den schulischen Leistungen. gesteuert wird. ⚫ Der harte Weg zum Erfolg: Der Weg an die Leistungswettbewerbe, die allerdings freiwilli- Spitze war für die Teilnehmenden überaus ger Art sein müssen (Stamm, 2017b), gelten zeitintensiv und entbehrungsreich. In der deshalb als Förderinstrument, um die berufli- Vorbereitungszeit kam vieles zu kurz. Über 85% der Befragten haben sich auch wäh- che Entwicklung und damit die Leistungsexzel- rend den Wochenenden vorbereitet. Für lenz zu unterstützen. 31% durfte dies nicht während der Arbeits- zeit geschehen, weshalb rund 43% Ferien- Grundlagen unserer Studie tage bezogen oder gar unbezahlte Ferien Für die vom Forschungsinstitut Swiss Education im Ausmass von einem Monat bis über ein finanzierte und vom Schweizerischen Arbeitge- halbes Jahr machten. Es erstaunt deshalb nicht, dass ein Viertel (24%) über Lohnein- berverband sowie von Bildung Detailhandel bussen berichtet. Auch soziale Kontakte lit- Schweiz mit einem Geldbetrag unterstützte ten während der Vorbereitungszeit. Studie, wurden im Sommer 2016 200 Männer und Frauen befragt, welche an den SwissSkills ⚫ Die grösste Hürde: sich selbst organisieren 2014 oder an einer anderen Berufsmeister- und an sich glauben: Um an die Leistungs- spitze zu gelangen, braucht es spezifische schaft («EuroSkills», «WorldSkills») einen der Persönlichkeitsmerkmale. Dazu gehören drei ersten Plätze belegt hatten. Untersucht ehrgeizig und selbstständig sein, präzise wurden die Hintergründe, welche diese Berufs- arbeiten können, Ausdauer und Disziplin leute an die Spitze geführt haben. Die Studien- haben, aber auch ein hohes Ausmass an teilnehmenden (zwischen 19 und 26 Jahre alt) überfachlichen Kompetenzen wie Stressre- beantworteten einen Online-Fragebogen, der sistenz, Selbstvertrauen, Durchhaltever- Erkenntnisse darüber liefert, was hinter ihren mögen etc. Spitzenleistungen steckt, welche Rolle das Um- ⚫ Betriebe, Berufsfachschulen – und Eltern: feld spielte und wie sich der Erfolg auf ihre be- die wichtigsten Unterstützungssysteme: rufliche Laufbahn auswirkte. Persönlichkeitsmerkmale der Top 200 und ihre intrinsische Motivation sind zwar be- Die Untersuchung räumt mit mindestens zwei deutsamer als alle anderen Faktoren. Vorurteilen auf: Erstens waren die Medaillen- Trotzdem spielt das Umfeld als Motivati- gewinnerinnen und -gewinner während der ob- onsfaktor eine ganz zentrale Rolle, vor al- ligatorischen Schulzeit keinesfalls immer gute lem Betriebe, Berufsfachschullehrkräfte, Schüler mit einem anforderungshohen Schul- Experten und Familie. Gerade Betriebe so- abschluss. Zweitens war es auch nicht nur «das wie überbetriebliche Kurse (Üks), Ausbil- dungszentren und Berufsfachschulen sind goldene Händchen», das sie an die Spitze der in der Vorbereitung auf den Wettbewerb Berufsbildung geführt hat (Stamm, 2017a). zentrale Faktoren. Die Hauptergebnisse ⚫ Die absolut wichtigsten Unterstützungs- personen – sowohl bei der Motivierung für ⚫ Vom mittelmässigen Sek I-Schüler zu den die Teilnahme als auch bei der Wettbe- Top 200: Die Top 200 stammen zu 64% aus sozial einfach gestellten und zu 22% aus Die SwissSkills als Sprungbrett?
-17- werbsvorbereitung – sind die Eltern, vorab Weiterführende Literatur die Mutter. Stamm, M. (2017a). Der harte Weg nach oben. ⚫ Die Erstplatzierung als Tor zur herausra- Was hinter den Besten unseres beruflichen genden Berufskarriere: Im Urteil der Top Nachwuchses steckt. Aargauer Zeitung / Die 200 ist die Teilnahme an der Berufsmeis- Nordwestschweiz, 06.02., 16. terschaft ein grosser Erfolg, welcher viele Stamm, M. (2017b). Die Top 200 des beruflichen positiven Auswirkungen auf die Berufslauf- Nachwuchses: Was hinter Medaillengewinnern bahn hat. Für 66% ist der Nutzen viel grös- an Berufsmeisterschaften steckt. Dossier 17/1. ser als erwartet, für mehr als 30% so wie Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. erwartet. Der Erfolg hat 32% der Befragten weitere Auszeichnungen und 57% einen Stamm, M. (2018). Berufsmeisterschaften als Ex- markanten beruflichen Aufstieg gebracht. zellenzförderung. Begabt & exzellent, 1, 41-45. Etwas mehr als ein Drittel (35%) sind be- Templer, F. (2020). Bericht zur Teilnehmenden- reits in einer leitenden Position. Zudem befragung SwissSkills 2018. Bern. haben mehr als 80% neue Weiterbildungen in Angriff genommen, teilweise auch ein Studium an einer Hochschule oder Univer- sität. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-18- Briefing Paper 2: Die SwissSkills-Studie 2018 Die SwissSkills bieten ein ideales Feld, um Spit- nehmenden anhand von drei Merkmalskate- zenleistungen genauer zu untersuchen. Dies gorien beschrieben und diskutiert werden war die Hauptmotivation für unsere Studie können. Personenmerkmale (Motivation, An- «Die Top 200» gewesen. Das Gleiche gilt für strengung und Begabung, Stressresistenz, die SwissSkills-Studie 2018, die der Verein Fleiss), Kontextmerkmale (Unterstützung, Ein- SwissSkills durchgeführt und die Daten von Dr. flüsse, Wettbewerbsbedingungen) sowie Franziska Templer und Msc Lisa Kalisch hat Merkmale der Herkunft inklusive Noten, aufbereiten und auswerten lassen. In diesem Schulabschluss sowie Vorbereitung auf den und den folgenden Briefing Papers diskutiere Wettkampf. Im Ergebnis führen diese drei ei- ich die aus meiner persönlichen Sicht wichtigs- nander überlappenden Merkmalsbereiche ten Ergebnisse, die auf den mir zur Verfügung idealtypisch zu einer guten Platzierung oder gestellten Daten basieren. sogar zu einem Medaillenrang. Dieser Erfolg hat wiederum bestimmte Folgewirkungen auf Modell und Fragestellungen ihre weitere Laufbahn. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses der Auf dieser Basis interessieren folgende Fragen: SwissSkills-Studie steht die Untersuchung der ⚫ Woher kommen die Teilnehmenden und Faktoren, welche die Teilnehmerinnen und welche Merkmale zeichnen sie aus? Teilnehmer charakterisieren und der damit verbundene Erfolg an den Meisterschaften in- ⚫ Warum haben die Befragten an den klusive dessen Auswirkungen. Das Arbeitsmo- SwissSkills teilgenommen, und wer oder was hat sie zur Anmeldung motiviert? dell in Abbildung 1 bildet diese Annahme ab. ⚫ Wie gross war ihr Aufwand für diese Leis- Wir gehen davon aus, dass Leistungsexzellenz, tung und wer hat sie dabei unterstützt? operationalisiert als Platzierung, das Ergebnis Wie erklären sie ihren Erfolg? eines multifaktoriellen Bedingungsgefüges ist. ⚫ Was brachte ihnen der Meisterschaftser- Die drei Kreise verdeutlichen, dass die Teil- folg für die weitere Laufbahn? Personmerkmale Herkunft Motivation Vorbereitung Anstrengung * Schulabschluss Stressresistenz* Noten Fleiss Soziale Herkunft* Teilnehmende Teil- nehmende Kontextmerkmale Platzierung Unterstützung Einflüsse Wettbewerbsbedingungen Auswirkungen und Nutzen Abbildung 1: Das theoretische Arbeitsmodell der SwissSkills-Studie 20181 1 Die mit (*) gekennzeichneten Faktoren wurden in der vorliegenden Studie nicht erhoben. Die SwissSkills als Sprungbrett?
-19- Methode (28%) vertreten. Dieses Verhältnis repräsentiert Die Studie basiert auf einer zweimaligen On- aber ziemlich genau die Geschlechterverteilung linebefragung der Teilnehmenden, d.h. unmit- von allen Teilnehmenden der SwissSkills 2018: telbar nach der Meisterschaft im Herbst 2018 71.1% Männer und 28.9% Frauen. sowie im Herbst 2019. Der Fragebogen enthält Die Sprachregionen sind sehr ungleichmässig geschlossene (Antworten zum Anklicken) und vertreten. Weitaus am meisten Befragte stam- offene Fragen (eigene Formulierung). Zudem men aus der deutschsprachigen (84%), 14.6% konnten die Befragten in zwei offenen Fragen aus der französischsprachigen und lediglich ihre persönlichen Erfahrungen schildern. 1.4% aus der italienischsprachigen Schweiz. Stichprobe Medaillen und Geschlecht Die Befragung von 2018 erreichte eine Rück- In der Stichprobe sind 184 Medaillengewinne- laufquote von 68.6% (N=632), diejenige von rinnen und -gewinner vertreten (76.6% Männer, 2019 eine Rücklaufquote von 38.4% (N=354). 23.4% Frauen). Verglichen mit der Grundge- Das Alter der Befragten schwankte zwischen 19 samtheit (N=222 Medaillen), in der 73% Medail- und 26 Jahren. Über die Hälfte war zum Zeit- len an Männer und 27% an Frauen verteilt wur- punkt der Befragungen zwischen 20 und 24 Jah- den, haben sich 83% an der Befragung beteiligt. re alt, gut 43% zwischen 16 und 19 Jahre. Nur Tabelle 1 gibt Auskunft über die Verteilung der 3.5% waren älter als 25 Jahre. In der Stichprobe 184 Medaillen nach Geschlecht sowie der Me- sind deutlich mehr Männer (72%) als Frauen daillenquote nach Geschlecht. Tabelle 1: Verteilung der Medaillen unter den Befragten Männer Frauen Total Männer Frauen Total Männer Frauen Basis = N Medaillen der Basis: N Medaillen pro Befragten Geschlecht (N=184) (*N=141 M., N=43 F.) Gold 50 15 65 27% 8.2% 35.3% 35.5% 34.9% Bronze 45 8 53 24.5% 4.3% 28.8% 31.9% 18.6% Silber 46 20 66 25.0% 10.9% 35.9% 32.6% 46.5% Total 141 43 184 76.6% 23.4% 100.0% 100.0% 100.0% *M.= Männer; F.=Frauen ⚫ Medaillen nach Geschlecht (am Beispiel der reicher als die Frauen. Mit Blick auf die Ge- Goldmedaillen): In der Stichprobe finden schlechterquote sind die Goldmedaillengewin- sich von den insgesamt N=184 Medaillen 65 nerinnen nahezu gleich erfolgreich wie die Personen mit einer Goldmedaille (35.5% al- Goldmedaillengewinner (34.9% vs 35.5%. Sil- ler Medaillen in der Stichprobe). Die Gold- medaillen gingen an 27.2% an Männer und bermedaillen haben sie sogar deutlich öfters an 8.2% Frauen. gewonnen (46.5% vs 32.6%), lediglich in den Bronzemedaillen werden sie von ihren Kollegen ⚫ Medaillenquote nach Geschlecht (am Bei- «geschlagen» (18.6% vs 31.9%). spiel der Goldmedaillen): 141 Männer und 43 Frauen haben eine Medaille gewonnen Vertretene Ausbildungsberufe Die 15 Frauen, die eine Goldmedaille ge- wonnen haben, machen 34.9% aller Frauen Die 74 beteiligten Ausbildungsberufe sind alle in in der Stichprobe aus, die 50 Männer mit der Stichprobe vertreten. Nach Branche gebün- Goldmedaille einen Anteil von 35.5% aller delt sind die meisten Befragten aus der Branche Männer. Technische Berufe (27.2%) sowie Architektur Diese Unterscheidung ist für die Interpretation und Baugewerbe (20.9%) Die Einteilung der zentral: Betrachtet man nur die absoluten Zah- Ausbildungsberufe in die Branchen erfolgte len, sind die Männer insgesamt dreimal erfolg- nach dem Lehrstellenbarometer. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-20- Tabelle 2: Ausbildungsberufe nach Branche Weiterführende Literatur (N=632) Stamm, M. (2017). Die Top 200 des beruflichen Branche Anteil Nachwuchses: Was hinter Medaillengewinnern an Berufsmeisterschaften steckt. Dossier 17/1. Druck, Design und Kunstgewerbe 2.4% Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. Gesundheits- und Sozialwesen 4.1% Verkauf 7.1% Verarbeitendes Gewerbe 7.8% Informatik 9.0% Landwirtschaft 9.7% Dienstleistungen 11.9% Architektur und Baugewerbe 20.9% Technische Berufe 27.2% Total 100.0% Die SwissSkills als Sprungbrett?
-21- Briefing Paper 3: Wieviel Schulerfolg steckt hinter den Teilnehmenden? «Die SwissSkills haben mein Leben verändert.» (Teilnehmerin, 21 J.). In diesem Briefing Paper werden die schulische halb sie als besonders aussagekräftig gelten Herkunft und der Schulerfolg in der Sekundar- können: Es ist eine empirische Tatsache, dass stufe I der Teilnehmerinnen und Teilnehmer es junge Menschen auch mit einem lediglich unter die Lupe genommen. Verschiedene unse- bescheidenen Schulabschluss zu den Schweizer rer bisherigen Studien (z.B. Begabung und Leis- Berufsmeisterschaften schaffen oder sogar ei- tungsexzellenz in der Berufsbildung, Stamm et ne Medaille gewinnen. al., 2009; SwissSkills-Studie, Stamm, 2017) ha- Damit stellt sich auch die Frage, wie sich die Be- ben die bemerkenswerte Erkenntnis zutage ge- fragten im Rückblick als Schülerinnen und Schü- fördert: dass leistungsstarke Lehrlinge oft aus ler der Sekundarstufe I einschätzen. Abbildung 3 relativ einfachen Familien stammen und nicht verdeutlicht, dass sich drei Viertel ein «gute bis besonders erfolgreiche Schülerinnen oder sehr gut» geben würden, 22% ein «mittelmäs- Schüler gewesen waren. Inwiefern sind solche sig» und 3% ein «ungenügend. Insgesamt be- Erkenntnisse auch in der SwissSkills 2018- zeichnet somit im Rückblick jede vierte befragte Untersuchung zu finden? Person ihre Schulleistungen als «mittelmässig» Schulische Herkunft und Noten oder «schlecht». Ferner haben während der ob- ligatorischen Schulzeit 13% einmal ein Schuljahr Zunächst ist die Frage nach dem Niveau des repetiert, und 3% ein Schuljahr übersprungen. Schulabschlusses von Interesse. Im Hinblick auf Fast identische Ergebnisse finden sich in unserer den Lehrlingsmangel beklagen viele Betriebe, SwissSkills-Studie (2014). dass sie nicht genügend gute Auszubildende mit einem hohen Schulabschluss finden. Abbil- dung 2 stellt diese Klage in ein anderes Licht. Abbildung 3: Schulnoten in der Sekundarstufe I Fazit Abbildung 2: Niveaus der Schulabschlüsse auf Auf der Basis dieser Daten zur schulischen Her- Sekundarstufe I kunft und zum Schulerfolg kann davon ausge- 50% der Befragten haben in der Oberstufe gangen werden, dass die Berufsausbildung für (Klasse 7, 8 und 9) der Sekundarstufe I eine Se- etwa einen Viertel der Befragten zur zweiten kundarschule mit mittlerem Anforderungsni- Chance geworden ist, die sie auch gepackt und veau (B) besucht, 29% einen Schultyp mit ei- es zu den Allerbesten ihres Fachbereichs ge- nem hohen Anforderungsniveau (A) und 19% schafft haben. Gleichzeitig wird deutlich, dass einen Schultyp mit tiefem Anforderungsniveau. für einen bemerkenswerten Anteil der Befrag- Im Vergleich zu unserer SwissSkills-Studie von ten (ca. 29%) auf Grund ihrer Schulleistungen 2014 (Stamm, 2017) sind diese Ergebnisse ähn- auch das Gymnasium als Ausbildungsalternati- lich (Sek A: 28%; Sek B: 54%, Sek C: 18%), wes- Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-22- ve möglich gewesen wäre, sie jedoch den be- gendlicher im Schweizer Berufsbildungssystem. rufsbildenden Weg gewählt haben. Schlussbericht zuhanden der Berufsbildungsfor- schung des BBT. Fribourg: Departement für Er- Weiterführende Literatur ziehungswissenschaften. Stamm, M., Niederhauser, M. & Müller, R. Stamm, M. (2017). Die Top 200 des beruflichen (2009). Begabung und Leistungsexzellenz in der Nachwuchses: Was hinter Medaillengewinnern Berufsbildung. Eine empirische Studie zu den an Berufsmeisterschaften steckt. Dossier 17/1. Ausbildungsverläufen besonders befähigter Ju- Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. Die SwissSkills als Sprungbrett?
-23- Briefing Paper 4: Das Tor für die SwissSkills «Die SwissSkills waren ein geniales Erlebnis und förderten mich persönlich enorm.» (Teilnehmer, 21 J.) Briefing Paper 3 hat verdeutlicht, dass lange sechs abgefragten Motive sind diese Unter- nicht alle jungen Spitzenberufsleute, welche an schiede signifikant (*). Beide äusseren Motive den SwissSkills 2018 teilgenommen haben, ei- sind für Frauen deutlich wichtiger als für Män- nen sehr gut bepackten Rucksack aus der Se- ner (Informationen OdA [MW: 2.4 vs. 2.2] so- kundarstufe I in die berufliche Ausbildung mit- wie Veranstaltungen an denen Talente des ei- gebracht hatten. Offenbar haben recht viele ih- genen Berufes vorgestellt werden [MW: 2.2 vs. re Potenziale erst in der Berufslehre so entwi- 1.9]), während bei den inneren Motiven der ckelt, dass die SwissSkills eine Option wurden. Wettbewerb, d.h. die Möglichkeit, sich mit an- Deshalb sind folgende Fragen zentral: Warum deren messen zu können, für die Männer am haben sie sich angemeldet? Wer war dafür anspornendsten ist [MW: 3.0 vs. 2.6]. Frauen ausschlaggebend? Dieses Briefing Paper be- melden sich häufiger als Männer aus der Moti- richtet darüber. vation an, mit Gleichgesinnten zusammen zu sein und Teamgeist erleben [MW: 3.3 vs. 2.9] Die wichtigsten Motive zur Anmeldung zu können. Um zu erfahren, welche Motive für eine An- meldung ausschlaggebend waren, wurden den Teilnehmenden sechs Antwortmöglichkeiten vorgelegt: Äussere Motive ⚫ Information oder Werbung durch einen Be- rufsverband/OdA2 ⚫ Besuch von Veranstaltungen, an denen Ta- lente meines Berufsbereichs vorgestellt wurden. Innere Motive ⚫ Mein Interesse am Berufsfeld ⚫ Mich mit anderen messen zu wollen ⚫ Aussicht auf bessere Arbeitschancen für die Zukunft ⚫ Mit Gleichgesinnten zusammen sein und Teamgeist erleben können In Abbildung 4 sind die Motive dargestellt und nach Geschlecht differenziert. Ein erster Blick in das Diagramm verdeutlicht, dass die äusse- Abbildung 4: Motive zur Anmeldung, differen- ren Motive für die Befragten weniger wichtig ziert ach Geschlecht (Mittelwerte: MW) sind als die persönlichen Motive. Am weitaus wichtigsten ist das Interesse am Berufsfeld, ge- Motivierende Personen folgt von Teamgeist erleben wollen, die Über- Auch das Umfeld hat einen entscheidenden zeugung mit einer Teilnahme bessere Zu- Einfluss auf die Anmeldung. In Abbildung 5 ist kunftschancen zu haben und sich messen zu dargestellt, wie oft eine Person resp. eine Per- wollen. sonengruppe als zu den drei wichtigsten Moti- Von grossem Interesse sind allerdings die Ge- vatoren gehörend bezeichnet wurde. In der schlechtsunterschiede in der Einschätzung der Abbildung zeigen sich einerseits erwartete, an- anmeldungsrelevanten Motive. In vier der dererseits eher unerwartete Ergebnisse, diffe- renziert nach Geschlecht. 2 Die Rolle der Berufsfachschule wurde leider nicht erfragt. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-24- Somit spielt das Elternhaus eine wichtige Rolle für den Anmeldungsentscheid. Für Männer sind Väter und Mütter gleichermassen wichtig (je 38%), währendem die Väter für Frauen we- niger entscheidend sind als die Mütter (34% resp. 61%). Dieses Ergebnis ist nicht erstaun- lich, hat sich dies doch schon bei der letzten SwissSkills-Studie (Stamm, 2017) sowie unse- ren früheren Studien herausgestellt (zusam- menfassend: Stamm, 2013; 2014). Fazit Ausschlaggebend für eine Anmeldung an die SwissSkills sind in der Tendenz eher innere Mo- tive (allen voran das Berufsinteresse) als äusse- re Motive (Information, Besuch von Veranstal- tungen). Auffallend sind die Geschlechtsunter- schiede. Männer setzen in ihrem Anmeldever- Abbildung 5: Zentrale Personen für die Anmel- fahren andere Prioritäten als Frauen, d.h. dung, differenziert nach Geschlecht Hauptmotivator ist vor allem die Möglichkeit, sich im Wettbewerb zu messen, währendem Betrachtet man zunächst lediglich die Länge Frauen eher auf das gemeinsame Erlebnis im der Balken, werden die – erwarteten – Ergeb- Team setzen. Gleiches gilt auch für die Perso- nisse schnell ersichtlich: Der betriebliche Aus- nen, welche für eine Anmeldung ausschlagge- bildner resp. die betriebliche Ausbildnerin ist bend waren: Für Frauen ist die Mutter eine be- eine der drei wichtigsten Personen beim Teil- sonders wichtige Person, für Männer Ausbil- nahmeentscheid, gefolgt von den Lehrperso- dende im Betrieb sowie Berufsfachschullehr- nen aus der Berufsfachschule. Eher unerwartet kräfte. ist die Tatsache, dass die Eltern so weit vorne in der Liste anzutreffen sind. Weiterführende Literatur Werden die Ergebnisse nach Geschlecht diffe- Stamm, M. (2013). Lehrlingsmangel. Strategien für die Rekrutierung des Nachwuchses. Dossier renziert, ergeben sich bedeutsame Unterschie- 13/2. Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. de. Für Frauen sind Mutter (61%) und betrieb- liche Ausbildnerinnen und -ausbildner (49%) Stamm, M. (2014). Nur (k)eine Berufslehre. El- besonders wichtige motivierende Personen. tern als Rekrutierungspool. Dossier 14/4. Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. Letzteres trifft besonders für die Männer zu (59%), ebenso sind es Lehrpersonen der Be- Stamm, M. (2017). Die Top 200 des beruflichen rufsschule oder überbetrieblicher Kurse (48%). Nachwuchses: Was hinter Medaillengewinnern Im Mittelfeld liegen für beide Geschlechter Kol- an Berufsmeisterschaften steckt. Dossier 17/1. legen und Kolleginnen resp. Freundinnen und Bern: Forschungsinstitut Swiss Education. Freunde sowie Chefin oder Chef (Betriebslei- tung, zwischen 24% und 37%). Die SwissSkills als Sprungbrett?
-25- Briefing Paper 5: Wege an die Spitze «Einmal im Team, immer im Team!» (Teilnehmer, 21 J.) In diesem Briefing Paper geht es um die Frage, le (BMS) belastend. Etwas über 12% haben ei- wie die Wege zur Meisterschaft ausgesehen ne Lohneinbusse zugunsten der Vorbereitung haben. Wie haben sich die Teilnehmenden in Kauf genommen. Knapp 16% der Befragten vorbereitet? Wie erklären sie ihren Erfolg? geben jedoch an, dass gar nichts zu kurz ge- kommen sei. Die SwissSkills2018: Eine Meisterschaft, die auch Verzicht erfordert In geschlechtsspezifischer Perspektive (hier nicht dargestellt) fällt vor allem auf, dass die Obwohl die beeinflussenden Anmeldefaktoren Frauen über alle Antwortmöglichkeiten hinweg eindrücklich sind und die intrinsische Motivati- häufiger als die Männer auf anderes verzichtet on der Befragten hoch ist, erweist sich der Weg und deutlich grössere Belastungsgefühle erlebt zum Erfolg in der Selbsteinschätzung der Beef- haben. ragten als hart. Davon zeugen sowohl die zeitli- chen Aufwendungen als auch die Entbehrun- Tabelle 3 verdeutlicht, wie gross die aufge- gen, welche die Teilnehmenden während der wendete Zeit für die Vorbereitung in der Vorbereitungszeit auf sich genommen haben. Selbstwahrnehmung für Männer und Frauen war. Stichprobe Frauen Männer N=581 N=165 N=416 M 57.4 69.5 52.6 Md 30.0 30.0 52.6 SD 88.5 115.0 75.1 Min. 1 1 1 Max. 960 960 640 M=Mittelwert; Md=Median; SD=Standardabweichung3 Tabelle 3: Selbstberichtete Vorbereitungszeit in Stunden Im Durchschnitt haben sich die Befragten 57.4 Stunden für den Wettbewerb vorbereitet. Auch Abbildung 6: Verzicht und Belastung während hier zeigt sich wiederum ein Geschlechtergra- Vorbereitung (Mehrfachantworten) ben: Frauen wendeten durchschnittlich 69.5 Stunden auf, während es bei den Männern le- Abbildung 6 verdeutlicht, wie Verzicht und Be- diglich 52.6 Stunden waren. lastung in der Vorbereitungszeit wahrgenom- men worden sind. 64% haben sich auch an Einschränkend müssen allerdings die grossen Wochenenden den Vorbereitungen gewidmet, Differenzen zwischen dem Mittelwert und dem insbesondere jene, die sich nicht während der Median (Md) sowie die recht hohen Stan- Arbeitszeit vorbereiten durften (35%). Ein- dardabweichungen (SD) berücksichtigt werden. schneidend war zudem für 25% der teilweise Dies bedeutet, dass die selbstberichteten Un- Verzicht auf Freizeit und Hobby und für 25% terschiede im Vorbereitungsaufwand sowohl die Tatsache, dass sie Ferientage beziehen mussten. Auch die sozialen Beziehungen wie 3 Der Median sagt aus, welcher Aufwand die 50%-Grenze ist, Familie (24%) oder Freunde/Freundinnen d.h. 50% haben mehr Zeit und 50% weniger Zeit aufgewen- (21%) kamen zu kurz. Für 20% war zudem der det. Die Standardabweichung gibt Auskunft über die Homogenität des Zeitaufwandes. Ist er ähnlich oder gleichzeitige Besuch der Berufsmaturitätsschu- schwankt er stark? Um dies festzustellen, braucht es eine Berechnung zur Streuung der Daten. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-26- innerhalb als auch zwischen den Geschlechtern sichtlich. Die Männer schreiben ihren Erfolg markant sind. deutlicher als die Frauen der Tagesform zu (49% vs 44%) und deutlich seltener der guten Das Herzstück des Erfolgs Vorbereitung (21% vs 28%). Viele Teilnehmende berichten über den Diese Ergebnisse entsprechen den Erkenntnis- Druck, während der Berufsmeisterschaft, sen der Attributionsforschung (Lazarus, 2007). Durchhaltevermögen entwickeln zu müssen. Demnach erklären Männer ihre Erfolge bevor- Unter Erfolgsdruck zu arbeiten und unter zugt mit ihrer Begabung, Frauen hingegen mit Dauerbeobachtung zu stehen ist für sie neu Anstrengung oder Zufall. Andererseits werden und besonders herausfordernd. Misserfolge vom männlichen Geschlecht eher Somit ist nachvollziehbar, dass 47% auf die mit Zufall begründet, vom weiblichen Ge- Frage nach den wichtigsten Erfolgsfaktoren schlecht vor allem mit mangelnder Fachkompe- während der Meisterschaft die persönliche Ta- tenz. gesform nennen, während 30% den Grund in den optimalen Wettbewerbsbedingungen se- Fazit hen. Nur 23% schreiben ihren Erfolg der guten Der Weg an die Spitze ist kein Spaziergang. Vorbereitung zu. Die Liste der Entbehrungen und Herausforde- rungen ist lang und vermittelt eindrücklich, welchen Herausforderungen sich die Teil- nehmerinnen und Teilnehmer vor dem Wett- kampf stellen mussten. Die Vorbereitungszeit und die privaten wie auch beruflichen Ver- zichte (Lohnausfall, Wochenendarbeit etc.) bilden konzentrierte Phasen der Mehrfachbe- lastung, die auch herausfordernd sind. Vor diesem Hintergrund kann die Bedeutung die- ses Unterstützungsnetzwerks nicht über- schätzt werden. Weiterführende Literatur Lazarus, S. (2007). Motivation und Leistung. Die Abbildung 7: Erklärung des persönlichen Er- Bedeutung von Bewertung, Attribution und folgs, differenziert nach Geschlecht Zielorientierung. Universität München: Disser- tation. Differenziert man diese Ergebnisse nach Ge- schlecht, wird die Kluft in Abbildung 7 offen- Die SwissSkills als Sprungbrett?
-27- Briefing Paper 6: Eine Typologie der Medail- lengewinnerinnen und -gewinner «Ich würde es toll finden, wenn man weiterhin etwas vom Sieg hat.» (Teilnehmer, 23 J.) Die Personen, welche eine Medaille gewonnen haben, sind die Besten der Besten. Die Exper- tiseforschung spricht in diesem Zusammen- hang von Leistungsexzellenz oder Könner- schaft. Deshalb ist von Interesse, wer diese Erstplatzierten sind, was sie auszeichnet und inwiefern sie sich von den übrigen Teilnehme- rinnen und Teilnehmern unterscheiden. In die- sem Briefing Paper werden die wichtigsten Er- gebnisse dargestellt. Fünf Unterscheidungsmerkmale Erstplatzierte unterscheiden sich von den übri- gen Teilnehmenden in den folgenden fünf Merkmalen signifikant: ⚫ Aufgewendete Stunden für die Vorberei- tung ⚫ Optimale Vorbereitung als Hauptgrund für den Erfolg ⚫ Hohe positive Einschätzung des Nutzens der Meisterschaftsteilnahme ⚫ Wichtigkeit der Teilnahme für die persönli- Abbildung 8: Vorbereitungsaufwand, differen- che berufliche Entwicklung ziert nach Medaillengewinn und Teilnahme ⚫ Pläne in Richtung Berufsmatura und/oder Studium. Ein wichtiges Signal: Die Ähnlichkeiten von Offenbar spielt die optimale Vorbereitung für Erstplatzierten und übrigen Teilnehmenden die Erstplatzierten eine besonders wichtige Personen, die eine Medaille gewonnen haben, Rolle. In Abbildung 8 werden deshalb die Er- unterscheiden sich in ihrer Selbsteinschätzung gebnisse zum Vorbereitungsaufwand, differen- weder in der Schullaufbahn noch in den Schul- ziert nach Geschlecht, dargestellt. leistungen. Dieses wichtige Ergebnis lässt den Im Vergleich zu den übrigen Teilnehmenden Schluss zu, dass auch Erstplatzierte zu einem (M=46.9, SD=72.8) haben sich Erstplatzierte län- nicht kleinen Anteil lediglich einen Sek B- oder ger und intensiver vorbereitet (M=69.4, Sek C-Abschluss vorweisen können und lange SD=91.4). Insgesamt machen die Unterschiede nicht immer gute Noten hatten. fast zwei Wochen aus4. Somit gilt: Wer sich in- Auch im Hinblick auf die Erklärung des eigenen tensiver vorbereitet, hat höhere Chancen auf ei- Erfolgs, auf Verzicht und Belastung während der nen Medaillenplatz. Vorbereitung oder auf die Motive, welche für die Anmeldung entscheidend waren, gibt es keine überzufälligen Unterschiede. Das ist ein wichti- ges Signal für die Qualität der Berufsmeister- schaften: Es ist weder das Glück noch das Motiv oder die Belastung, welche zu einer Medaille führen, sondern in erster Linie die Anzahl der 4 Ein binäre logistische Regressionsanalyse zeigt, dass die Anzahl Vorbereitungsstunden und die Vorbereitung als Vorbereitungsstunden den Medaillengewinn vorhersagen (Exp(B)=1.00, p=.002). Ganzes. Teilnehmende, Erfolg, Auswirkungen
-28- Die feinen Unterschiede zwischen den ne Strategie, weshalb diese Gruppe als «Er- Medaillengewinnerinnen und -gewinnern folgshungrige Strategen» etikettiert werden. Obwohl sich die Befragten auf dem Weg zum Fast 60% geben ferner an, sie seien positiv Wettkampf in vielerlei Hinsicht ähnlich sind, gibt überrascht vom Nutzen der SwissSkills, der für es deutliche Unterschiede zwischen ihnen. Dies sie grösser oder viel grösser sei, als sie erwartet verdeutlicht die Clusteranalyse5 in Abbildung 9. hätten. (N=99; 68 Männer, 31 Frauen). Zur Clusterung Typ 2: Die zukunftsorientierten Konkurrenten wurden die folgenden vier Variablen verwendet: (32%) Zwei innere Motive für die Anmeldung Typ 2 (N=21 Männer, 11 Frauen) fällt im Ver- ⚫ Sich mit anderen messen wollen gleich zu den beiden anderen Typen durch den ⚫ Die Erwartung, bessere berufliche Aussich- am stärksten ausgeprägten Wunsch, sich an ten zu haben der Berufsmeisterschaft mit anderen messen zu können. Dazu kommen die Absicht, die Teil- Zwei Gründe für die Teilnahme ⚫ Erfolg haben wollen nahme für die zukünftige Berufskarriere nutzen ⚫ Neue Dinge lernen wollen zu wollen und Neues lernen zu können. Darauf basierend bekommt dieser Typ die Bezeich- Auf diese Weise liessen sich drei Typen unter- nung «Die zukunftsorientierten Konkurrenten». scheiden. Abbildung 9 zeigt die drei Profile an- Durchschnittlich wurden 72.6 Stunden für die hand z-standardisierter Werte. Vorbereitungszeit investiert, was einem mittle- ren Wert entspricht. Mit 35% beurteilt diese Gruppe den Nutzen grösser oder viel grösser als sie erwartet hat. Typ 3: Die expertiseorientierten Neugierigen (28%) Wer zu diesem Typ gehört (N=20 Männer, 8 Frauen), hat sich zur Meisterschaftsteilnahme entschieden, weil er oder sie etwas Neues ler- nen will. Im Vergleich zu den erfolgshungrigen Strategen und den zukunftsorientierten Kon- kurrenten stehen alle drei anderen Motive deutlich im Hintergrund. Mit 85.7 Stunden ha- ben sich Angehörige dieses Typs weitaus am in- tensivsten vorbereitet. Weil eine intensive Vorbereitung als wesentliches Merkmal auf Abbildung 9: Die drei Typen dem Weg zur Expertise gilt und die Lernneugier besonders hervorsticht, werden sie «die exper- Typ 1: Die erfolgshungrigen Strategen (39%) tiseorientierten Neugierigen» genannt. Mit Erstplatzierte dieses Typs (N=27 Männer, 23 78.5% ist diese Gruppe auch weitaus am Frauen) haben sich für eine Teilnahme ent- stärksten und positivsten vom Nutzen der schieden, einzig weil sie Erfolg haben wollten. SwissSkills überzeugt. Alle drei anderen Motive, insbesondere das Motiv, etwas Neues lernen zu wollen, standen Fazit nicht in ihrem Fokus. Erstaunlicherweise ist die Viele würden wahrscheinlich erwarten, dass Vorbereitungszeit dieses Typs mit 63.6 Stunden sich Personen, die eine Medaille gewonnen gegenüber den beiden anderen Clustern am haben, von den anderen Teilnehmenden vor al- niedrigsten. In Kombination mit dem deutli- lem in ihrer schulischen Laufbahn unterschei- chen Erfolgsstreben wirkt ihr Verhalten wie ei- den. Dem ist aber nicht so. Auch Erstplatzierte haben teilweise lediglich mittlere oder tiefe 5 Empirisches Analyseverfahren, das eine Menge von Merk- Sek I-Abschlüsse, und manche waren auch malen in Gruppen («Cluster») unterteilt. Die Säulen der ein- schlechte Schüler gewesen. Deshalb gilt die zelnen Typen in stehen für die vier ausgewählten Merkmale. Dargestellt ist jeweils die Abweichung vom durchschnittli- Aussage auch für diese Untersuchung, dass ei- chen Wert für die ganze Gruppe (Nulllinie) anhand standar- disierte Werte (Z-Transformation). ne berufliche Grundbildung eine zweite Chance Die SwissSkills als Sprungbrett?
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