Die Tabakproduktrichtlinie und ihre Umsetzung in Österreich
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Eingereicht von Nina Wiesmayr Angefertigt am Institut für Europarecht Beurteiler Assoz. Univ.-Prof. Dr. Franz Leidenmühler August 2016 Die Tabakproduktrichtlinie und ihre Umsetzung in Österreich Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magistra der Rechtswissenschaften im Diplomstudium Rechtswissenschaften JO HA NN ES K EPLER U NIV ER SITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch. Linz, August 2016
I. EINLEITUNG 2 II. DIE NEUE TABAKPRODUKTRICHTLINIE 2014/40 4 A. Regelungsgegenstände der RL 4 1. Tabakerzeugnisse 4 a. Inhaltsstoffe und Emissionen 5 b. Kennzeichnung und Verpackung 6 c. Tabak zum oralen Gebrauch, Fernabsatz und neuartige Tabakerzeugnisse 10 d. Rückverfolgbarkeit und Sicherheitsmerkmale 11 2. Elektronische Zigaretten und pflanzliche Raucherzeugnisse 12 B. Zuständigkeit der Union 14 1. Rechtsgrundlage 14 2. Subsidiarität 16 3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 17 C. Tabakproduktrichtlinie im Zusammenhang mit den Grundrechten 19 1. Eigentumsfreiheit 20 a. Schutzbereich 20 b. Eingriff 20 c. Rechtfertigung 22 2. Meinungs-‐ und Informationsfreiheit 23 a. Schutzbereich 23 b. Eingriff 24 c. Rechtfertigung 25 3. Unternehmerische Freiheit 25 a. Schutzbereich 25 b. Eingriff 26 c. Rechtfertigung 26 D. Wirtschaftliche Folgen der neuen RL 27 III. TABAKPOLITIK IN ÖSTERREICH 29 A. Rechtliche Grundlagen 29 1. Tabakgesetz 29 a. Begrenzung, Messung und Kontrolle des Schadstoffgehalts von Tabakerzeugnissen 29 b. Warnhinweise 30 c. Erhebung und Überwachung des Schadstoffgehalts 34 2. Tabakmonopolgesetz 35 a. Handel mit Tabakerzeugnissen 36 b. Monopolverwaltungsgesellschaft m.b.H. 36 B. Nichtraucherschutz in Österreich 38 1. Geltende Rechtslage – Gastronomie 38 2. Ausblick – Generelles Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018 41 IV. ANHANG: WARNHINWEISE 43 V. LITERATURVERZEICHNIS 47 VI. MATERIALIENVERZEICHNIS 49 1
I. Einleitung „Ein leidenschaftlicher Raucher, der immer wieder von der Bedeutung der Gefahr des Rauchens für seine Gesundheit liest, hört in den meisten Fällen auf - zu lesen.“ (Sir Winston Churchill, britischer Politiker und Schriftsteller) In der Europäischen Union sterben ca. 700.000 Menschen jährlich an den Folgen des Rauchens. Damit ist der blaue Dunst verantwortlich für zahlreiche (vermeidbare) Krankheiten und Todesfälle in der EU.1 Vor allem junge Leute beginnen immer früher zu rauchen: 70% vor dem 18. und 94% vor dem 25. Lebensjahr.2 Um dieser Gefahr Rechnung zu tragen, bedarf es gesetzlicher Regelungen, um den Tabakkonsum einzudämmen bzw auf die schädliche Wirkung dieses Genussmittels hinzuweisen. Auf nationaler Ebene ist das Tabakgesetz3 aus dem Jahre 1995 einschlägig. Mehrmals novelliert, bildet es die Basis für weitere Verordnungen, welche die Tabakpolitik in Österreich regeln sollen. Der Handel mit Tabakwaren wird im Tabakmonopolgesetz festgelegt. Dieses Gesetz normiert das Tabakhandelsmonopol in Österreich.4 Auf Unionsebene wurde bereits im Jahr 2001, mit der Erlassung der Tabakrichtlinie5, der erste Schritt in Richtung Regulierung des Tabakmarktes gesetzt. Ziel dieser Richtlinie war es, durch Harmonisierung der Vorschriften 1 Vgl Borg, Spiel, Satz und Sieg – für die neue Tabakproduktrichtlinie, EuZW 2014, 321. 2 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 3 Bundesgesetz über das Herstellen und das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und den Nichtraucherschutz (Tabakgesetz), BGBl 431/1995 idF BGBl 12/2014. 4 Vgl Bundesgesetz, mit dem das Tabakmonopol neu geregelt wird (Tabakmonopolgesetz 1996 – TabMG 1996), BGBl 830/1995 idF BGBl 105/2014. 5 Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, ABl L 194/26. 2
bezüglich der Herstellung, der Aufmachung und des Verkaufs von Tabakerzeugnissen das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes und die Ausübung der Warenverkehrsfreiheit zu gewährleisten. Seitdem sind einige Jahre vergangen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Marktentwicklungen machen es daher erforderlich, die bislang geltende Richtlinie zu erneuern und zu ergänzen.6 Am 29. April 2014 wurde daher die neue Tabakproduktrichtlinie erlassen und im Amtsblatt der Europäischen Union kundgemacht. Sie ist bis 2016 innerstaatlich umzusetzen. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den wesentlichen Regelungen der neuen Tabakproduktrichtlinie und welche Auswirkungen diese auf den europäischen Binnenmarkt sowie auf die österreichische Tabakpolitik hat. 6 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 2. 3
II. Die neue Tabakproduktrichtlinie 2014/40 Die wissenschaftlichen Entwicklungen und die Veränderungen auf den Märkten machen es erforderlich, die Richtlinie 2001/37/EG aufzuheben und durch die neue Tabakproduktrichtlinie zu ersetzen. 7 Die Mitgliedstaaten müssen daher ihre nationalen Regelungen über Tabakwaren innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der neuen Tabakproduktrichtlinie anpassen.8 A. Regelungsgegenstände der RL Schwerpunkte der neuen Richtlinie sind ein besseres Funktionieren des europäischen Binnenmarktes und die Gewährleistung eines hohen Maßes an Gesundheitsschutz.9 Die wesentlichen Änderungen bzw Neuerungen werden in diesem Kapitel näher ausgeführt. 1. Tabakerzeugnisse Der Begriff „Tabakerzeugnis“ wird in Art 2 Abs 4 der Richtlinie näher definiert. Darunter versteht man ein Erzeugnis, „das konsumiert werden kann und das, auch teilweise, aus genetisch verändertem oder genetisch nicht verändertem Tabak besteht.“10 Dazu zählen Zigaretten, Drehtabak, Pfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, nicht zum Rauchen bestimmter Tabak, E-Zigaretten und pflanzliche 7 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/1. 8 Vgl Europäisches Parlament, Tabakproduktrichtlinie: Parlament handelt, um junge Menschen vom Rauchen abzuhalten, http://www.europarl.europa.eu/news/de/news- room/content/20140221IPR36632/html/Tabakrichtlinie-Parlament-handelt-um-junge-Menschen-vom- Rauchen-abzuhalten (11.01.2015). 9 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 10 Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/10. 4
Raucherzeugnisse.11 Beim Rauchen werden ca. 4800 Substanzen inhaliert, wobei 250 davon sogar krebserregend und giftig sind.12 a. Inhaltsstoffe und Emissionen Die Höchstmenge für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid wurde aus der Richtlinie 2001/37/EG übernommen, es dürfen daher folgende Emissionswerte nicht überschritten werden (Art 3 Abs 1): • 10 mg Teer pro Zigarette • 1 mg Nikotin pro Zigarette • 10 mg Kohlenmonoxid pro Zigarette Gemäß Art 4 Abs 1 werden die Schadstoffe anhand der sogenannten ISO- Normen gemessen. Diese Messungen werden von Laboren vorgenommen, welche in den Mitgliedstaaten zugelassen sind und von diesen überwacht werden.13 Art 5 der Richtlinie sieht ein einheitliches Meldesystem für Inhaltsstoffe und Emissionen vor. Hersteller und Importeure von Tabakerzeugnissen werden angehalten, Berichte über die verwendeten Inhaltsstoffe den Mitgliedstaaten vorzulegen.14 Zusätzlich zu diesen Meldepflichten wird es eine Prioritätenliste geben, in welche häufig verwendete Substanzen aufgenommen werden (Art 6).15 11 Vgl Europäische Kommission, Tabakerzeugnisse, http://ec.europa.eu/health/tobacco/products/index_de.htm (05.02.2015). 12 Vgl Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, Rauchen, https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/basisinfo-rauchen.html (05.02.2015). 13 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/13. 14 Vgl Europäische Kommission, Tabakerzeugnisse, http://ec.europa.eu/health/tobacco/products/index_de.htm (05.02.2015). 15 Vgl Europäisches Parlament, Tabakproduktrichtlinie: Parlament handelt, um junge Menschen vom Rauchen abzuhalten, http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20140221IPR36632/html/Tabakrichtlinie- Parlament-handelt-um-junge-Menschen-vom-Rauchen-abzuhalten (11.01.2015). 5
Art 7 verbietet das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen mit charakteristischen Aromastoffen, wie zB Vitamine, Koffein, Taurin oder Frucht- und Schokoladenaromen. Hintergrund ist, dass, vor allem bei jungen Menschen, nicht der Eindruck entstehen soll, dass Rauchen einen gesundheitlichen Nutzen hätte oder stimulierend auf den Körper wirke.16 Bei Mentholzigaretten ist eine Übergangsfrist von vier Jahren vorgesehen, dh ab Mai 2020 ist auch dieser Aromastoff verboten. Zigarren, Zigarillos und rauchlose Erzeugnisse sind von diesem Verbot nicht betroffen. Zucker, welcher für die Herstellung von Tabakerzeugnissen unerlässlich ist, darf weiterhin verwendet werden.17 b. Kennzeichnung und Verpackung Nach der geltenden Rechtslage (RL 2001/37/EG) müssen 30% der Vorder- und 40% der Rückseite von Tabakwaren mit Warnhinweisen versehen sein. 18 Gemäß dieser Richtlinie sind textliche Warnhinweise verpflichtend, 19 bildliche Warnhinweise hingegen optional anzubringen. Rumänien, Großbritannien, Belgien, Malta, Frankreich, Dänemark, Litauen, Spanien, Ungarn und Irland verwenden bereits Bildwarnhinweise auf ihren Zigarettenverpackungen.20 Die neue Tabakproduktrichtlinie sieht nun vor, dass 65% der Vorder- und der Rückseite mit einem kombinierten Warnhinweis (Bild und Text) beschriftet 16 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 6. 17 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 18 Vgl Schroeder, Vom Brüsseler Kampf gegen den Tabakrauch – 2.Teil, EuZW 2001, 490. 19 Vgl Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen, ABl L 194/30. 20 Vgl British American Tobacco Germany, Verpackung, http://www.bat.de/group/sites/BAT_7TYF37.nsf/vwPagesWebLive/DO94QCVW?opendocument&SKN=1 (06.02.2015). 6
werden sollen. 21 Gemäß Art 9 müssen auch 50% der Schmalseiten von Zigarettenverpackungen mit Warnhinweisen bedeckt sein.22 Die Richtlinie sieht zwei Arten von Warnhinweisen vor: Art 9 normiert die allgemeinen Warnhinweise. In Zukunft müssen daher alle Zigarettenpackungen mit folgenden Hinweisen ausgestattet sein: • „Rauchen ist tödlich – hören Sie jetzt auf.“ oder • „Rauchen ist tödlich“ Es liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten, welcher Warnhinweis verwendet wird. Der allgemeine Warnhinweis muss so platziert werden, dass dieser sofort ins Auge sticht. Zusätzlich muss auch folgende Informationsbotschaft auf Verpackungen aufscheinen: • „Tabakrauch enthält über 70 Stoffe, die erwiesenermaßen krebserregend sind.“ Die kombinierten Warnhinweise bestehen aus: • einem textlichen Warnhinweis mit einem dazu passenden Farbfoto • Informationen über Raucherentwöhnungsprogramme23 Die Bilder sollen den Zweck einer abschreckenden Wirkung gegenüber dem Konsumenten erfüllen.24 21 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 22 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/18. 23 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/19. 7
Die textlichen Warnhinweise werden im Anhang 1 der Richtlinie festgelegt: 1) Rauchen verursacht 9 von 10 Lungenkarzinomen. 2) Rauchen verursacht Mund-, Rachen- und Kehlkopfkrebs. 3) Rauchen schädigt Ihre Lunge. 4) Rauchen verursacht Herzanfälle. 5) Rauchen verursacht Schlaganfälle und Behinderungen. 6) Rauchen verstopft Ihre Arterien. 7) Rauchen erhöht das Risiko, zu erblinden. 8) Rauchen schädigt Zähne und Zahnfleisch. 9) Rauchen kann Ihr ungeborenes Kind töten. 10) Wenn Sie rauchen, schaden Sie Ihren Kindern, Ihrer Familie, Ihren Freunden. 11) Kinder von Rauchern werden oft selbst zu Rauchern. 12) Das Rauchen aufgeben – für Ihre Lieben weiterleben. 13) Rauchen mindert Ihre Fruchtbarkeit. 14) Rauchen bedroht Ihre Potenz. Beide Gesundheitswarnungen, textliche und bildliche, werden spätestens im Mai 2016 65% der Fläche von Zigarettenverpackungen ausmachen. Bis dorthin muss die neue Tabakproduktrichtlinie in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Für rauchlose Tabakerzeugnisse, Zigarren und Pfeifentabak wurden die Bestimmungen der Richtlinie 2001/37/EG übernommen. Gerechtfertigt wird diese Ausnahme mit dem Argument, dass solche Tabakwaren eher von einem älteren Klientel konsumiert werden und der Schwerpunkt der neuen Richtlinie vorwiegend auf dem jungen Publikum liegt.25 24 Vgl British American Tobacco Germany, Verpackung, http://www.bat.de/group/sites/BAT_7TYF37.nsf/vwPagesWebLive/DO94QCVW?opendocument&SKN=1 (06.02.2015). 25 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 7. 8
26 Abbildung 1: Beispiel für künftige Zigarettenpackungen Nach Art 14 der Richtlinie müssen Zigarettenpackungen quaderförmig sein und mindestens einen Inhalt von 20 Zigaretten aufweisen. 27 Daher sind zukünftig sogenannte Lippenstift-Verpackungen für Slim-Zigaretten, welche vor allem weibliche Verbraucherinnen ansprechen, verboten.28 Ein Spielraum bleibt hingegen den Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Einführung von Einheitsverpackungen (sog „plain packaging“). Beim plain packaging ist die Aufmachung der Tabakprodukte neutral, dh es scheint kein Markenlogo auf, lediglich Warnhinweise sind auf der Außenfläche abgedruckt. Es steht den Mitgliedstaaten frei, Regelungen bezüglich Einheitsverpackungen zu treffen, die Maßnahmen müssen aber dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienen und verhältnismäßig sein. Des weiteren darf der freie Warenverkehr nicht eingeschränkt werden.29 Kritik zum Thema „plain packaging“ wird von Seiten der Tabakindustrie laut. Es handle sich dabei um einen Eingriff in das Markenrecht und der illegale Handel mit gefälschten Produkten könnte in die Höhe schießen. 30 In Australien und in vielen Staaten Südamerikas sind solche 26 Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 27 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/22. 28 Vgl Borg, Spiel, Satz und Sieg – für die neue Tabakproduktrichtlinie, EuZW 2014, 321. 29 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 30 Vgl Verband der Cigarren- und Pfeifenhändler Österreichs, EU-Tabakprodukt-Richtlinie, http://www.vcpoe.at/vcpoe-diskussions-foren/18/news-forum/view/3436 (07.02.2015). 9
Einheitsverpackungen bereits im Umlauf.31 In der neuen Richtlinie ist eine solche Standardisierung jedoch nicht vorgesehen. c. Tabak zum oralen Gebrauch, Fernabsatz und neuartige Tabakerzeugnisse Wie auch schon die Richtlinie 2001/37/EG verbietet auch Art 17 der neuen Richtlinie den Verkauf von Tabak zum oralen Gebrauch innerhalb der EU, mit Ausnahme von Schweden. Typisches Beispiel für Tabak zum oralen Gebrauch ist schwedischer „Snus“. Snus ist feuchter Tabak, abgepackt in kleinen Portionssäckchen, der unter die Ober- oder Unterlippe geschoben wird. Die Nikotinaufnahme erfolgt über die Schleimhaut, dabei wird Snus weder gekaut noch geschluckt.32 Dem Vorschlag zur Richtlinie 2014/40 ist zu entnehmen, dass es nicht in Erwägung gezogen wird, das bestehende Verbot aufzuheben. Das hat auch der EuGH, in der Rechtssache Arnold André GmbH & Co. KG gegen Landrat des Kreises Herford, bestätigt. In seinem Urteil wird auf die gesundheitsschädigende Wirkung und die große Gefahr der Abhängigkeit bei Tabak zum oralen Gebrauch hingewiesen. Diese Aspekte haben auch heute noch ihre Gültigkeit. 33 Art 18 der Richtlinie enthält eine Ermächtigung der Mitgliedstaaten, den grenzüberschreitenden Verkauf von Tabakwaren zu verbieten. Machen sie von diesem Recht Gebrauch, dürfen Produkte im betreffenden Mitgliedstaat nicht im Fernabsatz an Konsumenten verkauft werden. 31 Vgl Shmatenko, Verfassungsmäßigkeit von Einheitsverpackungen (Plain Packaging) bei Zigaretten, http://www.academia.edu/2625046/Verfassungsm%C3%A4%C3%9Figkeit_von_Einheitsverpackungen_ Plain_Packaging_bei_Zigaretten (07.02.2015). 32 Vgl Suchtprävention Jugendrotkreuz, Informationsblatt zu „Snus“, http://www.kontaktco.at/shop/pdf/109-22.pdf (07.02.2015). 33 Vgl EuGH Rs C-434/02, Arnold André GmbH & Co. KG gegen Landrat des Kreises Herford, Slg 2004, I-11825, Rz 4ff. 10
Ist hingegen der grenzüberschreitende Fernabsatz in einem Mitgliedstaat erlaubt, so müssen sich Tabakhändler bei der zuständigen Behörde ihres Mitgliedstaates registrieren lassen.34 Zusätzlich ist ein Altersüberprüfungssystem vorgesehen, damit das vorgeschriebene Mindestalter für Verbraucher kontrolliert werden kann. Neuartige Tabakerzeugnisse müssen nach Art 19 der Richtlinie 6 Monate vor dem beabsichtigten Verkaufsstart bei der zuständigen Behörde im Mitgliedstaat gemeldet werden.35 Den Inhalt dieser Meldung regelt Art 19 Abs 1 lit a-c.36 Unter neuartigen Tabakerzeugnissen versteht man Produkte, die weder Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen, Pfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Schnupftabak, Kautabak noch Tabak zum oralen Gebrauch sind und die erst nach dem Inkrafttreten der Richtlinie zum Verkauf angeboten werden.37 d. Rückverfolgbarkeit und Sicherheitsmerkmale Gemäß Art 15 und 16 der Richtlinie müssen Tabakerzeugnisse mit einem individuellen Erkennungsmerkmal (näher geregelt in Art 15 Abs 2) und einem fälschungssicheren Sicherheitsmerkmal (sichtbar und unsichtbar) ausgestattet sein, welche unablösbar, unverwischbar und unverdeckt auf jeder Packung platziert werden müssen.38 Dem Verbraucher soll hiermit die Möglichkeit eröffnet werden, Tabakprodukte auf ihre Echtheit zu überprüfen 34 Vgl Wirtschaftskammer Österreich, Tabakerzeugnisrichtlinie, https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/sparte_iuc/Werbung-und- Marktkommunikation/TabakerzeugnisRL_Maerz_2014.pdf (07.02.2015). 35 Vgl Europäische Kommission, Tabakerzeugnisse, http://ec.europa.eu/health/tobacco/products/index_de.htm (05.02.2015). 36 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/25. 37 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 10. 38 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/23. 11
und dem Handel mit illegalen Raucherzeugnissen soll durch ein einheitliches Rückverfolgungssystem ein Riegel vorgeschoben werden.39 2. Elektronische Zigaretten und pflanzliche Raucherzeugnisse Einen weiteren Schwerpunkt der neuen Richtlinie bildet die Regulierung von 40 elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten). Hierbei handelt es sich um Produkte, welche nikotinhaltige Flüssigkeiten (sog „Liquids“) enthalten. Diese werden erhitzt und der daraus entstehende Dampf wird wie normaler Tabakrauch vom Konsumenten inhaliert.41 Es gibt verschieden Arten von E- Zigaretten:42 - Einwegprodukte - Nachladen mittels Einwegkartuschen - Nachladen mittels Nachfüllbehälter 43 Abbildung 2: Elektronische Zigarette 39 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 40 Vgl Borg, Spiel, Satz und Sieg – für die neue Tabakproduktrichtlinie, EuZW 9/2014, 322. 41 Vgl Gesundheitsportal Österreich, Die E-Zigarette – neues Übel oder Alternative zu Tabak?, http://gesund.co.at/e-zigarette-uebel-oder-alternative-zu-tabak-26081/#e-zigarette (09.02.2015). 42 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 43 Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 12
In den Mitgliedstaaten gelten E-Zigaretten entweder als Arzneiprodukte oder als Tabakerzeugnisse.44 Fallen sie unter die Kategorie Tabakwaren, müssen die in Art 20 der Richtlinie normierten Vorschriften eingehalten werden: • Nachfüllbehälter dürfen höchstens ein Volumen von 10 ml bzw Einwegkartuschen höchstens ein Volumen von 2 ml umfassen. • Die Flüssigkeit darf höchstens einen Nikotingehalt von 20 mg/ml aufweisen. • Auch bei E-Zigaretten dürfen keine Zusatzstoffe wie etwa Vitamine, Taurin, Koffein oder Farbstoffe verwendet werden. • E-Zigaretten müssen in Zukunft kinder- und manipulationssicher sein. • Jede Packung muss einen Beipackzettel enthalten. Dieser hat Informationen hinsichtlich des Herstellers, Angaben über mögliche gesundheitliche Auswirkungen und Gebrauchs- und Aufbewahrungsanweisungen, zu enthalten. Auch die E-Zigaretten müssen mit einem gesundheitsbezogenen Warnhinweis versehen werden: • „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht. Es wird nicht für den Gebrauch durch Nichtraucher empfohlen.“ oder • „Dieses Produkt enthält Nikotin: einen Stoff, der sehr stark abhängig macht“ Des weiteren ist auch die Werbung für E-Zigaretten verboten.45 44 Vgl Europäisches Parlament, Tabakproduktrichtlinie: Parlament handelt, um junge Menschen vom Rauchen abzuhalten, http://www.europarl.europa.eu/news/de/news- room/content/20140221IPR36632/html/Tabakrichtlinie-Parlament-handelt-um-junge-Menschen-vom- Rauchen-abzuhalten (11.01.2015). 45 Vgl Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG, ABl L 127/27. 13
Die Hersteller von E-Zigaretten müssen den Mitgliedstaaten jährlich über Verkaufszahlen, Konsumentenverhalten sowie aktuelle Marktentwicklungen Bericht erstatten.46 Auch die Verpackung von pflanzlichen Raucherzeugnissen muss gem Art 21 der Richtlinie mit einem Warnhinweis versehen werden: • „Das Rauchen dieses Produkts schädigt Ihre Gesundheit.“ Pflanzliche Raucherzeugnisse enthalten keinen Tabak und werden auf Basis von Früchten, Kräutern oder Pflanzen hergestellt.47 B. Zuständigkeit der Union 1. Rechtsgrundlage Art 114 Abs 1 AEUV bildet die Rechtsgrundlage für die Erlassung der neuen Tabakproduktrichtlinie. Auf dessen Grundlage ist die Union dazu ermächtigt, „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts zum Gegenstand haben“ zu setzen. 48 Solche Maßnahmen ergehen meist in Form von Richtlinien und müssen, nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, die Beseitigung von Hindernissen im Binnenmarkt zum Gegenstand haben.49 Daraus ergibt sich keine allgemeine Kompetenz der Union zur Regelung des Binnenmarktes. 46 Vgl Europäische Kommission, Fragen & Antworten: Neue Regelungen für Tabakerzeugnisse, , http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14-134_de.htm (05.02.2015). 47 Vgl Wirtschaftskammer Österreich, Tabakerzeugnisrichtlinie, https://www.wko.at/Content.Node/branchen/oe/sparte_iuc/Werbung-und- Marktkommunikation/TabakerzeugnisRL_Maerz_2014.pdf (07.02.2015), 8. 48 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht8, Rz 1219. 49 Vgl Leidenmühler, Europarecht, 145f. 14
Der EuGH prüft daher, • ob Hindernisse für den freien Warenverkehr und spürbare Wettbewerbsverzerrungen bestehen und • ob die Maßnahme zur Überwindung solcher Hemmnisse beiträgt.50 Im Bereich des Gesundheitsschutzes geht die Union gem Art 114 Abs 3 AEUV von einem hohen Schutzniveau aus. Hierbei muss auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Entwicklungen in diesem Bereich Bedacht genommen werden.51 Vor allem junge Menschen sollen, nach der Zielrichtung der neuen Richtlinie, geschützt werden.52 Bei eingehendem Studium des Richtlinienvorschlags entsteht jedoch der Eindruck, dass das Ziel der Richtlinie nicht der Abbau von Binnenmarkthindernissen ist, sondern der Schutz der Menschen vor Krankheiten und Tod durch die Folgen des Tabakkonsums. Das WHO- Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs, welches für alle Mitgliedstaaten und die Europäische Union verbindlich ist, sieht vor, dass solche Schutzmaßnahmen von den Mitgliedstaaten zu erlassen sind.53 Auch gem Art 168 Abs 7 AEUV liegt die Kompetenz zur Erlassung von Vorschriften zur „Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie die Organisation und Bereitstellung von Gesundheitsdiensten und medizinischer Versorgung“ bei den Mitgliedstaaten.54 Aufgrund der fehlenden Kompetenz kann die Union die Richtlinie nur auf Art 114 AEUV stützen, um somit das Harmonierungsverbot des Art 168 AEUV zu umgehen. Der EuGH hat diese Diskrepanz aufgegriffen und in seinem Urteil Bundesrepublik Deutschland gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union festgelegt, dass die Union auch dann die volle Kompetenz zur Binnenmarktharmonisierung hat, wenn den 50 Vgl Schroeder, Grundkurs Europarecht, 334. 51 Vgl Leidenmühler, Europarecht, 147. 52 Vgl Borg, Spiel, Satz und Sieg – für die neue Tabakproduktrichtlinie, EuZW 2014, 322. 53 Vgl Di Fabio, Gesundheitsschutz durch paraprohibitive Produktregulierung – Rechtsgutachten zur Novelle der Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG, http://www.verband-rauchtabak.de/wp- content/uploads/2015/01/Gutachten-Di-Fabio-final.pdf (09.12.2015), 18f. 54 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl C 326/123. 15
getroffenen Maßnahmen auch gesundheitspolitische Bedeutung zukommt55 und die Union bei Erlassung solcher Harmonisierungsvorschriften durch diese Aspekte maßgeblich geleitet wurde.56 Dem Vorschlag zur neuen Tabakproduktrichtlinie ist zu entnehmen, dass Art 114 AEUV auf mehreren Ebenen eine geeignete Rechtsgrundlage zur Harmonisierung des Binnenmarktes bildet. Erstens sollen, aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Angaben der Schadstoffgehalte und die Größe der Warnhinweise auf Tabakerzeugnissen angeglichen werden. Zweitens sollen mit der neuen Richtlinie Regelungen geschaffen werden, welche der Beseitigung von Hindernissen im freien Warenverkehr dienen sollen. Drittens sollen durch die Angleichung bestehende Binnenmarktvorschriften nicht umgangen werden. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen im Zusammenhang mit dem System der Rückverfolgbarkeit, für Regelungen hinsichtlich der Anbringung von Sicherheitsmerkmalen und für Maßnahmen in Bezug auf den grenzüberschreitenden Fernabsatz. All diese Punkte sollen dem illegalen Handel mit Tabakprodukten Einhalt gebieten und einen funktionierenden Binnenmarkt gewährleisten.57 2. Subsidiarität Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip ist in Art 5 Abs 3 AEUV geregelt. Es besagt, dass die Union in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig werden darf, sofern die angestrebten Ziele von 58 den Mitgliedstaaten nicht besser verwirklicht werden können. Das Subsidiaritätsprinzip beinhaltet somit zwei Voraussetzungen: 55 Vgl EuGH Rs C-380/03, Bundesrepublik Deutschland gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Slg 2006, I-11573, Rn 39. 56 Vgl Di Fabio, Gesundheitsschutz durch paraprohibitive Produktregulierung – Rechtsgutachten zur Novelle der Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG, http://www.verband-rauchtabak.de/wp- content/uploads/2015/01/Gutachten-Di-Fabio-final.pdf (09.12.2015), 20. 57 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 12. 58 Vgl Leidenmühler, Europarecht, 39. 16
• eine optimale Zielerreichung durch die Mitgliedstaaten ist nicht gewährleistet, • die Ziele sind hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser auf Unionsebene zu verwirklichen. Beide Voraussetzungen sind kumulativ zu erfüllen.59 Auch bei der neuen Tabakproduktrichtlinie kommt Art 5 Abs 3 AEUV zur Anwendung. Unterschiedliche Regelungen in den Mitgliedstaaten führen zu einer Beeinträchtigung des Binnenmarktes, weshalb die Union hier einen großen Handlungsbedarf sieht. Dieses Problem wird anhand der unterschiedlichsten Maßnahmen hinsichtlich des Fernabsatzes von Tabakerzeugnissen sichtbar. Für einen Mitgliedstaat ist es schwierig, den Internetvertrieb zu regeln, wenn dieser Handel in einem anderen Mitgliedstaat gar nicht normiert bzw nicht erlaubt ist. Eine einheitliche Regelung seitens der Union erscheint hier klar von Vorteil.60 3. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Mit dem Subsidiaritätsprinzip ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eng verbunden. Dieser ist in Art 5 Abs 4 EUV festgehalten.61 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besagt, dass die Maßnahmen der Union nicht das erforderliche Maß überschreiten dürfen. Des Weiteren müssen die Regelungen geeignet und erforderlich sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Bei mehreren geeigneten Mitteln ist jenes zu wählen, dass die mitgliedstaatliche Kompetenz am wenigsten beschränkt.62 59 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht8, Rz 166. 60 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 12f. 61 Vgl Leidenmühler, Europarecht, 38. 62 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht8, Rz 174f. 17
Dem Vorschlag zur neuen Tabakproduktrichtlinie ist zu entnehmen, dass die Maßnahmen der Union dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht widersprechen und daher die Interessen der Mitgliedstaaten nicht 63 beeinträchtigt werden. Kritik kommt von Seiten der Tabakindustrie. Bei der neuen RL steht nicht mehr die Konsumenteninformation im Vordergrund, sondern eine generelle Verminderung der Attraktivität von Tabakerzeugnissen. In Bezug auf plain packaging bzw auf Bildwarnhinweise existieren keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, die belegen, dass solche Maßnahmen das Rauchverhalten beeinflussen oder den Einstieg in die Sucht, insbesondere für junge Menschen, verhindern.64 Auch in Ländern, welche bereits Bildwarnhinweise auf Tabakprodukten platziert haben, zeigt sich keine Reduzierung des Tabakwarenabsatzes.65 Als gelindere Mittel werden zB vermehrte Aufklärung in Schulen und strengere Kontrollen im Zusammenhang mit gesetzlichen Abgabeverboten von Tabakwaren an Jugendliche angeführt. Auch hinsichtlich des Verbots von Zusatzstoffen äußert die Tabakindustrie ihre Bedenken. Auch zu diesem Thema gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, dass Zusatzstoffe den Rauchstart erleichtern bzw das Suchtverhalten verstärken. 66 Gerade der Einsatz von Zusatzstoffen macht es den Herstellern möglich, sich von anderen Mitbewerbern hinsichtlich des 63 Vgl Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie, des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen, http://ec.europa.eu/health//tobacco/docs/com_2012_788_de.pdf (05.02.2015), 13. 64 Vgl Deutscher Zigarettenverband, Rechtliche Grenzen der Überarbeitung der EU- Tabakproduktrichtlinie, https://www.zigarettenverband.de/pos-data/page_img/Themen/TPD/2011-10- 10_TPD_Rechtspositionen.pdf (12.3.2015). 65 Vgl Bundesverband der Zigarrenindustrie, Positionspapier des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie zur Evaluierung Tabakprodukt-Richtlinie, http://www.zigarren- verband.de/bdz/images/stories/pdf/bdz_positionspapier_tpd.pdf (12.3.2015). 66 Vgl Deutscher Zigarettenverband, Rechtliche Grenzen der Überarbeitung der EU- Tabakproduktrichtlinie, https://www.zigarettenverband.de/pos-data/page_img/Themen/TPD/2011-10- 10_TPD_Rechtspositionen.pdf (12.3.2015). 18
Geruchs und Geschmacks von Tabakwaren, zu unterscheiden. 67 Es wird auch argumentiert, dass Zigaretten mit Zusatzstoffen genauso schädlich sind wie Zigaretten ohne Zusatzstoffe.68 All diese Ausführungen verletzen, nach Meinung der Tabakindustrie, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. C. Tabakproduktrichtlinie im Zusammenhang mit den Grundrechten Durch die Erlassung der neuen Tabakproduktrichtlinie werden mehrere Grundrechte berührt. Die Grundrechte sollen vor Eingriffen des Staates in die Sphäre der Rechtsunterworfenen schützen.69 Die Rechtsquellen werden in Art 6 EUV angeführt: die Grundrechte-Charta der EU (GRC), die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Bei letzterem handelt es sich um Grundrechte, welche sich aus dem Vergleich der verschiedenen Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten ergeben.70 Im folgenden Kapitel sollen die Regelungen über die kombinierten Warnhinweise und das Verbot charakteristischer Aromen für Tabakwaren auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundrechten geprüft werden. Diese beiden Bestimmungen in der neuen Tabakproduktrichtlinie stellen einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Tabakunternehmen dar und bedürfen daher einer näheren Betrachtung.71 67 Vgl Bundesverband der Zigarrenindustrie, Positionspapier des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie zur Evaluierung Tabakprodukt-Richtlinie, http://www.zigarren- verband.de/bdz/images/stories/pdf/bdz_positionspapier_tpd.pdf (12.3.2015). 68 Vgl Deutscher Zigarettenverband, Rechtliche Grenzen der Überarbeitung der EU- Tabakproduktrichtlinie, https://www.zigarettenverband.de/pos-data/page_img/Themen/TPD/2011-10- 10_TPD_Rechtspositionen.pdf (12.3.2015). 69 Vgl Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht8, Rz 653. 70 Vgl Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2, Rz 1/23. 71 Vgl Di Fabio, Gesundheitsschutz durch paraprohibitive Produktregulierung – Rechtsgutachten zur Novelle der Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG, http://www.verband-rauchtabak.de/wp- content/uploads/2015/01/Gutachten-Di-Fabio-final.pdf (09.12.2015), 69. 19
1. Eigentumsfreiheit a. Schutzbereich Die Unverletzlichkeit des Eigentums ist in Art 17 GRC, Art 5 EMRK und in Art 1 1.ZPEMRK geregelt. Die Lehre und Judikatur gehen von einem weiten Eigentumsbegriff aus und verstehen als „Eigentum“ alle vermögenswerten Privatrechte. 72 Der Schutzbereich des Art 17 GRC umfasst nicht nur das Sacheigentum, sondern auch nichtkörperliche Gegenstände, wie etwa das Marken- und Patentrecht. Auch die Wahrung von vermögenswerten Geschäftsgeheimnissen ist in Art 17 GRC miteingeschlossen.73 b. Eingriff Eingriffe in die Eigentumsfreiheit können auf zwei Arten erfolgen: Entweder durch Entziehung des Eigentums (Enteignung), oder in Form einer Eigentumsbeschränkung. Bei der Enteignung kommt es zu einer Vermögensverschiebung, dh das Recht an einer Sache wird dem Eigentümer entzogen und auf eine andere Person oder Körperschaft übertragen. Bei der sogenannten „de-facto-Enteignung“ kommt es zwar zu keiner formellen Eigentumsübertragung, jedoch wird eine zweckmäßige Nutzung des Eigentums durch hoheitliche Anordnungen unterbunden.74 Da der EuGH einen engen Enteignungsbegriff anwendet, kommt es in der Praxis häufiger zu Eigentumsbeschränkungen. Ähnlich wie bei der de-facto- Enteignung wird in diesen Fällen eine bestimmte Nutzung des Eigentums vorgeschrieben bzw verboten. Eingriffe in die Eigentumsfreiheit dürfen nur unter gewissen Voraussetzungen erfolgen: In Bezug auf die Tabakproduktrichtlinie dürfen Maßnahmen nur in die Eigentumsfreiheit eingreifen, wenn das angestrebte Ziel im Interesse der 72 Vgl Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2, Rz 8/1ff. 73 Vgl Di Fabio, Gesundheitsschutz durch paraprohibitive Produktregulierung – Rechtsgutachten zur Novelle der Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG, http://www.verband-rauchtabak.de/wp- content/uploads/2015/01/Gutachten-Di-Fabio-final.pdf (09.12.2015), 70f. 74 Vgl Hengstschläger/Leeb, Grundrechte2, Rz 8/6. 20
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