Die Verpflichtungen der Regierung erneut unter die Lupe genommen - VIER JAHRE SPÄTER
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# 4#250 2 01 2| 2S |U PB PE LI LÉ AMGEEN TD EDSE ALK‘ AT KU TE UL LE L| L | VIER JAHRE SPÄTER Die Verpflichtungen der Regierung erneut unter die Lupe genommen
In der Aktuell-Ausgabe vom Januar noch einmal durchzugehen, indem wir 2019 hatten wir für sie das „Regie- uns genauer ansehen, was die Regierung rungsprogramm unter die Lupe im Vergleich zu ihren damaligen Ankündi- genommen“. Der Koalitionsvertrag, gungen tatsächlich umgesetzt hat – und der Ende 2018 zwischen den poli- was nicht! tischen Parteien DP, LSAP und déi Dies auch, um die Regierung daran zu erin- Gréng geschlossen worden war nern, was sie in den kommenden Monaten und die blau-rot-grüne Koalition noch umsetzen muss, wenn sie sich an ihre um weitere fünf Jahre verlängerte, Zusagen von 2018 halten will. Die Lese- wurde in diesem Beitrag im Hinblick rinnen und Leser, die unser Dossier mit auf den Forderungskatalog des der Analyse von 2019 vergleichen möchten, OGBL analysiert. finden diese in der Aktuell-Ausgabe Natürlich nicht das gesamte Regie- 1/2019 (weiterhin hier online verfügbar: 2 rungsprogramm, aber einige Kapitel, bit.ly/3P8dHeC). Viel Spaß beim Lesen! die für die gewerkschaftliche Arbeit N°5 2022 - DOSSIER besonders wichtig sind: Lohnpolitik, Steuerpolitik, Familienpolitik, Sozialver- sicherung und Gesundheit, Arbeit und Beschäftigung, Wohnen, Mobilität. Anhand der verschiedenen Kapitel analysierte der OGBL die Ankündigungen der Regierung aus drei Blickwinkeln: 1) Werden die sozialen Ungleichheiten in Luxemburg verringert oder werden sie weiter zunehmen? 2) Wird der Sozialstaat gestärkt oder geschwächt? 3) Berücksichtigt die Regierung die Interessen der Arbeitnehmer, der Pensionierten und ihrer Familien im Rahmen 1) der bereits begonnenen Digitalisierung der Gesellschaft und der Wirtschaft, und 2) des klimapoliti- schen und des ökologischen Wandels, den es zu bewältigen gilt und den der OGBL unterstützt? Weniger als ein Jahr vor den Parla- mentswahlen, deren Termin gerade bestätigt wurde – nämlich der 8. Oktober 2023 –, erschien es uns interessant, auf unsere Übung von 2019 zurückzu- kommen und die verschiedenen Kapitel
1 Index Lohnpolitik 2018 hatte sich die Regierung in ihrem Koaliti- onsprogramm ausdrücklich dazu verpflichtet, die Indexierung der Löhne und Renten nicht anzu- tasten. Damals begrüßte der OGBL selbstver- ständlich diese Verpflichtung. Es handelte und handelt sich für den OGBL um eine rote Linie, die nicht überschritten werden darf. Folglich erlebte der OGBL das Jahr 2022 als einen großen Verrat seitens der Regierung. Im vergangenen März, genau zu dem Zeitpunkt, als die Menschen es am dringendsten brauchten, beschloss die Regie- rung nämlich, den Index massiv zu manipulieren. strukturelle Erhöhung des sozialen Mindest- lohns um 10%, d.h. eine Erhöhung des Brutto- betrags um 10%. Für den OGBL war diese von der Regierung 2019 vorgenommene Erhöhung des Mindestlohns trotz allem ein erster Schritt in die richtige Richtung, dem jedoch ein zweiter, wenn nicht sogar ein dritter Schritt hätte folgen müssen, um das 10%-Ziel zu erreichen. Leider hat die Regierung seither keine weiteren Schritte unternommen. Dabei geht es hier um die Umverteilung des von den Arbeitnehmern erwirtschafteten Reichtums in einem Land, in dem die Ungleichheiten in den letzten Jahren Wäre es dabei geblieben, wäre das Indexsystem ständig zugenommen haben. bis 2024 manipuliert worden, und zwar durch Für umfassende Verhand- Verschiebungen von Indextranchen und mit dem lungen für den gesamten Risiko, dass eine oder sogar mehrere Tranchen endgültig verloren gegangen wären. Nur dank öffentlichen Sektor der Opposition und der Entschlossenheit des 3 Der OGBL hatte bedauert, dass die Regierung OGBL hat die Regierung im September letzten seine Forderung, im Rahmen der Lohnver- N°5 2022 - DOSSIER Jahres endlich einen Rückzieher gemacht. Der handlungen des öffentlichen Dienstes mehr Index funktioniert nun wieder normal, aber, Repräsentativität einzuführen und diese auf alle die Verschiebung der Juli-Tranche auf den nichtkommerziellen öffentlichen Dienste auszu- 1. April 2023, d. h. ein realer Kaufkraftverlust, hat weiten, nicht in ihr Programm aufgenommen hat. die Arbeitnehmer bereits zu einem Zeitpunkt Denn obwohl der OGBL und dies noch mehr seit getroffen, als die Inflation in die Höhe schnellte, der Integration der FNCTTFEL in vielen Sektoren und hinterlässt ohne Zweifel einen sehr bitteren des öffentlichen Dienstes die repräsenta- Nachgeschmack. tivste Gewerkschaft ist(also einschließlich der Sozialer Mindestlohn Beschäftigten des Staates und der Gemeinden, der Krankenhäuser, der Sozial- und Erziehungs- Die Regierung hatte in ihrem Programm ange- dienste, des Hochschulwesens und der öffentli- kündigt, dass sie den sozialer Mindestlohn um chen Forschung sowie der Eisenbahnen), bleibt 100 Euro netto pro Monat erhöhen wolle. Das er derzeit immer noch von den Verhandlungen hat sie 2019 auch getan. Wie der OGBL jedoch über das Gehälterabkommen für den öffentli- bereits damals bemerkte, ist diese Maßnahme chen Dienst ausgeschlossen. bei weitem nicht ausreichend. Zunächst einmal muss man wissen, dass diese Erhöhung um 100 Vom Ergebnis des Gehälterabkommens hängt Euro in Wirklichkeit auf verschiedenen Mecha- jedoch die Lohnentwicklung in der großen nismen beruhte: (1) die reguläre Anpassung des Mehrzahl dieser Sektoren statt. In Erwartung Mindestlohns um 1,1%, die ohnehin am 1. Januar einer Neuorganisation dieser Verhandlungen, 2019 fällig war, (2) die Steuerbefreiung des um sie zu globalen Lohnverhandlungen für den Mindestlohns (eine Maßnahme, die der OGBL im gesamten öffentlichen Sektor zu machen, hat Übrigen forderte) und (3) die tatsächliche Erhö- der OGBL Ende Oktober dennoch seinen Forde- hung des Bruttobetrags in der Größenordnung rungskatalog an den Minister des öffentlichen von 0,9%. Es ist also zu betonen, dass der Anteil Dienstes, Marc Hansen, im Hinblick auf die der realen Erhöhung des Mindestlohns durch den Verhandlungen des neuen Lohnabkommens, die Arbeitgeber nur 0,9% des Bruttolohns betrug. in Kürze beginnen sollen, übermittelt, wobei er Zur Erinnerung: Der OGBL forderte damals (und erneut darauf bestand, in diese Verhandlungen daran hat sich bis heute nichts geändert) eine integriert zu werden.
2 Steuerpolitik Der im Regierungsprogramm von 2018 enthaltene Abschnitt „Steuern“ war wahrscheinlich der, den der OGBL am kritischsten beurteilte. E warnte Anfang 2019, dass ohne einen grundlegenden Kurswechsel in der Steuerpolitik das Risiko groß sei, dass die Ungleichheiten im Land weiter zunehmen würden. Der OGBL warnte vor einer Fortsetzung der geplanten Steuersenkungen für Unternehmen, deren Steuerlast im Vergleich zu der der natür- Tripartite beschlossen wurden oder nicht), wissen wir Ende 2022 nicht viel mehr darüber. Das Ziel der Individualisierung wird zwar ausgegeben, aber wie dieses Ziel erreicht werden soll, ohne dass es Verlierer gibt, bleibt weiterhin undurch- sichtig. Damals wie heute ist für den OGBL ausgeschlossen, dass die niedrigen und mittleren Einkommen stärker zur Kasse gebeten werden. Vielmehr bedarf es einer Revision der Tabelle, die auf zusätzliche lichen Personen immer geringer wurde. Steuererleichterungen für diese Perso- Andererseits beklagte der OGBL, dass die nengruppen abzielt und gleichzeitig die Regierung keine Antwort auf die Wieder- Progressivität der Besteuerung durch herstellung der Steuergerechtigkeit die Einführung zusätzlicher Stufen am zwischen denen, die ihr Einkommen aus oberen Ende des Tarifs erhöht. Schließlich ihrer Arbeit beziehen, und denen, die Kapi- hat die Tatsache, dass das Regierungs- 4 taleinkommen beziehen, geben würde. programm nicht die Wiedereinführung Der OGBL warnte die Regierung auch eines Mechanismus zur automatischen N°5 2022 - DOSSIER davor, nicht weiter zum Steuerdumping in Anpassung der Tabelle an die Inflation Europa beizutragen, indem sie eine Politik vorgesehen hat, um das Phänomen der verfolgt, die auf die Nivellierung der Steu- „kalten Progression“ zu neutralisieren, zu ersätze nach unten und auf die Ausnut- einem schleichenden Anstieg der steuer- zung von „Steuerschlupflöchern“ setzt. lichen Belastung geführt, insbesondere Vier Jahre später muss man feststellen, für die unteren und mittleren Gehälter. dass kein grundlegender Kurswechsel Während die Regierung versprach keine stattgefunden hat. Die von der Regierung allgemeinen Steuererhöhungen durchzu- angekündigte große Steuerreform hat führen, sind die Steuern in Wirklichkeit nicht stattgefunden. Das Ungleichgewicht seit dem durch dieses Phänomen stark zwischen Arbeits- und Kapitaleinkommen gestiegen, was zu einem Kaufkraftverlust besteht ebenso fort wie der Trend, dass die für alle kleinen und mittleren Einkommen Besteuerung natürlicher Personen einen geführt hat. Mit dem Resultat Anfang immer größeren Anteil an der Gesamt- 2023 um 18,9% niedriger ist als er es sein steuerlastgegenüber der Besteuerung von müsste. Alles deutet daraufhin, dass 2023 Unternehmensgewinnen einnimmt. die 20% überschritten werden. Die Regie- rung muss endlich handeln, und zwar nicht Natürliche Personen erst nach den Wahlen! Anfang 2019 stellte der OGBL fest, dass die angekündigte große Reform auf der Steuerkredite Ebene der geplanten Individualbesteue- Seit dem Koalitionsvertrag hat die Regie- rung der natürlichen Personen relativ rung vor allem im Steuerbereich gehan- nebulös blieb. Da diese Reform auf die delt, indem sie den neuen Steuerkredit für lange Bank geschoben wurde, zunächst Bezieher des sozialen Mindestlohn ab dem wegen der Pandemie, dann wegen der Steuerjahr 2019 eingeführt bzw. andere Energiekrise, dann wegen der zusätzli- Steuerkredite erhöht hat, wie kürzlich chen Belastung der öffentlichen Finanzen den Steuerkredit für Alleinerziehende. Im durch die verschiedenen Maßnahmen Allgemeinen waren dies aber keine Verbes- zur Bewältigung dieser Krise ob in der serungen für die Haushalte, sondern
kompensierten andere Maßnahmen der Unternehmen sind. Im Zusammenhang „Talenten“ eine Senkung der Steuerschwelle Regierung für weniger begünstigte Bevöl- mit Covid-19 und später der Energiekrise für die Inanspruchnahme der „Impatriates“- kerungsgruppen. So die Erhöhung des Steu- kamen die Unternehmen in den Genuss Regelung an. Diese Maßnahme kommt also erkredits für Arbeitnehmer und des Steuer- zahlreicher Hilfen. Der OGBL hatte nichts zu den im Koalitionsvertrag vorgesehenen kredits für Rentner, um die Einführung der gegen diese Hilfen einzuwenden, solange Maßnahmen hinzu, obwohl noch keine CO2-Steuer zu kompensieren, oder die den sie dazu beitrugen, Arbeitsplätze zu sichern Bilanz über die Auswirkungen dieser Steu- Steuerkredit Energie, die die Indexmani- und die Wirtschaftstätigkeit aufrechtzu- ervorteile gezogen wurde. pulation und die Erhöhung der CO2-Steuer erhalten. Nun gibt es aber auch Betriebe, ausgleichen soll. Der OGBL widersetzt sich die von den aufeinanderfolgenden Krisen Finanztransaktionen und nicht der Logik von Steuerkrediten, die profitiert haben und/oder weiter profi- digitale Wirtschaft tatsächlich zu einer Senkung der Steuerlast tieren. In diesem Zusammenhang ist der Anfang 2019 hatte der OGBL die Position der auf die Niedriglöhne oder sogar die mitt- OGBL der Meinung, dass über eine Besteu- Regierung bedauert, die sich explizit gegen leren Löhne beitragen können. Ein allge- erung der „Überprofite“ diskutiert werden die europaweite Einführung einer Finanz- meines Problem bleibt jedoch – wie bei den muss, sei es durch die Einführung einer transaktionssteuer aussprach. Der OGBL Tabellen im Allgemeinen – das Fehlen eines Sonderabgabe und/oder einer zusätz- hatte auch die abwartende Haltung der Mechanismus zur Anpassung der Beträge lichen Stufe bei der Solidaritätssteuer. Regierung gegenüber den EU- und OECD- und der Bezugsschwellen der Steuerkre- Gewinnbringende Unternehmen müssen Ländern in Bezug auf die Besteuerung der dite an die Preisentwicklung. Damit ist ihren fairen Anteil zur Finanzierung der digitalen Wirtschaft bedauert. Da die Regie- bereits vorprogrammiert, dass diese Steu- staatlichen Maßnahmen beitragen, die rung ihre Haltung in dieser Hinsicht nicht ergutschriften immer weniger wert sein zur Bewältigung der verschiedenen Krisen geändert hat, gilt die Warnung des OGBL werden. Eine Anpassung des Steuerkredits erforderlich sind. Die nationale Solidarität an die Regierung, sich nicht an einem der sollte auch bei jeder weiteren Erhöhung muss in beide Richtungen gehen. 5 größten Probleme, mit denen Europa derzeit der CO2-Steuer vorgesehen werden. So ist zu kämpfen hat, nämlich dem Steuerdum- Kapitaleinkommen N°5 2022 - DOSSIER derzeit nicht klar, wie die Erhöhungen bei ping, schuldig zu machen, nach wie vor. der Einführung der CO2-Steuer kompen- Bei der Veröffentlichung des Koalitions- siert werden sollen, wenn der Steuerkredit abkommens hatte der OGBL den Willen Mehrwertsteuer Energie am 31. März 2023 ausläuft. der Regierung begrüßt, das Regime der Der OGBL hatte begrüßt, dass die Regie- „Stock Options“ abzuschaffen, was eine rung sich verpflichtet hatte, die Mehr- Besteuerung der seiner Forderungen war. Diese Regelung wertsteuer, diewie alle Konsumsteuern Unternehmen wurde tatsächlich zum 1. Januar 2021 eine sozial ungerechte Steuer ist, nicht Während die angekündigte Reform auf abgeschafft. Es muss daran erinnert weiter zu erhöhen, sondern die Besteue- Ebene der natürlichen Personen immer werden, wie seinerzeit bereits der OGBL, rung bestimmter Produkte zu überprüfen. noch auf sich warten lässt, wurde die dass es viele andere Formen von Kapi- Im Jahr 2019 wurden Frauenhygiene- im Regierungsprogramm vorgesehene taleinkommen gibt, die nach wie vor viel produkte tatsächlich auf den superredu- weitere Senkung der Gewinnsteuer für weniger besteuert werden als Einkommen zierten Satz von 3% gesetzt und der Satz Unternehmen (-1 Prozentpunkt auf dem aus Arbeit. Über die Stock Options hinaus auf elektronische Publikationen wurde „taux d’affichage“und Ausweitung des muss die Gleichbehandlung von Kapital- ebenfalls gesenkt. Am 1. Januar 2023 Anwendungsbereichs des niedrigeren und Arbeitseinkommen auf allen Ebenen werden infolge des Tripartite-Abkommens Satzes von 15%) ab dem Steuerjahr 2019 eingeführt werden. von 2022 konsequentere Maßnahmen in umgesetzt. Der OGBL hatte diese zweite Kraft treten, die der Forderung des OGBL „Talent attraction“ Senkung scharf kritisiert und insbeson- nach einer Beeinflussung der Preisstei- dere das vorgebrachte Argument in Frage Der OGBL hatte sich auch gegen die Schaf- gerungen Rechnung tragen. So werden gestellt, wonach diese Maßnahmen ange- fung neuer Steuervorteile ausgesprochen, alle Mehrwertsteuersätze, mit Ausnahme sichts des Auftretens der künftigen BEPS- um sogenannte „junge Talente“ anzu- des superreduzierten Satzes, für das Jahr Regelung notwendig seien. Tatsächlich ziehen oder um leitende Positionen in den 2023 um ein Prozent gesenkt. Definitiv war das „BEPS“-Argument bereits ange- Betrieben zu begünstigen. Er wies damals wird die Mehrwertsteuer auf die Repa- führt worden, um die Steuersenkungen zu darauf hin, dass es keine seriösen Studien ratur von Haushaltsgeräten sowie auf den rechtfertigen, von denen die Unternehmen oder Analysen gebe, die solche Initiativen Verkauf, die Vermietung und die Reparatur im Rahmen der Steuerreform von 2017 rechtfertigen würden. Im Rahmen der von Fahrrädern, einschließlich Elektrofahr- profitiert hatten. Selbst Ende 2022 wissen Vorstellung des Haushaltsplans für 2023 rädern, gesenkt. Der superermäßigte Satz wir immer noch nicht wirklich, wie groß kündigte die Finanzministerin außerdem wird auf die Lieferung von Solarmodulen die Auswirkungen auf luxemburgische als neue Maßnahme zur Anwerbung von und deren Installation angewendet werden.
3 Familienpolitik Familienzulagen Im Regierungsprogramm wurde angekün- digt, dass gegen Ende der Legislaturperiode die Familienleistungen wieder indexiert werden sollten, wenn auch ohne Aufholen des mittlerweile erfolgten Wertverlusts. Die Regierung hat diese Maßnahme tatsäch- lich zum 1. Januar 2022 rückwirkend zum 1. Oktober 2021 in Angriff genommen, also früher als im Regierungsprogramm vorge- sehen. Der OGBL begrüßt selbstverständ- lich diese mehr als notwendige Anpassung Grenzgänger berücksichtigt zu haben, die in Luxemburg arbeiten und deren Situa- tion als Grenzgänger es ihnen gerade nicht erlaubt, in den Genuss der Sachleistungen zu kommen. Grenzgänger sind im Übrigen immer noch Gegenstand einer anderen Diskriminierung im Bereich des Kinder- geldes. Trotz eines Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union, in dem Luxem- burg aus diesem Grund verurteilt wurde, verweigert der Staat weiterhin die Gewäh- rung von Kindergeld außerhalb des natio- nalen Hoheitsgebiets, wenn der Grenz- des Kindergeldes, nachdem dieses seit gänger, der Kindergeld für ein in seinem 2006 desindexiert war. Haushalt lebendes Kind beantragt, nicht Abgesehen davon hatte sich die Regie- der gesetzliche Elternteil ist. Diese Unter- 6 rung im Rahmen des Abkommens vom 28. scheidung wird im Inland nicht angewandt November 2014 bereits verpflichtet, die und stellt somit sehr wohl eine Diskriminie- N°5 2022 - DOSSIER Geldleistungen nicht nur zu reindexieren, rung aufgrund des Wohnortes dar. sondern sie auch an die Entwicklung des Medianlohns anzupassen. Dieser letzte Für den OGBL ist es inakzeptabel, dass der Punkt wurde nicht eingehalten. Auch hat Staat neue Diskriminierungen gegenüber die Regierung ausschließlich das Kinder- den Grenzgängern, die ebenfalls einen geld reindexiert, obwohl damals alle großen Beitrag zu den Steuereinnahmen Familienleistungen visiert waren. Der Luxemburgs leisten, aufrechterhält OGBL unterstreicht zudem, dass diese und schafft. Maßnahmen schon viel früher hätten Elternurlaub umgesetzt werden müssen. Aus diesem Grund fordert der OGBL eine sofortige Die Regierung hatte eine Bewertung des Mindestaufwertung aller Familienleis- Elternurlaubs angekündigt. Heute ist tungen um 7,7%, die der Preisentwicklung bekannt, dass die Ergebnisse dieser Studie seit 2014 (dem Jahr, in dem das Abkommen nun bis 2024 erwartet werden. Die Regie- zwischen Regierung und Gewerkschaften rung hatte auch bereits die Idee geäußert, geschlossen wurde) Rechnung trägt. eine zusätzliche Periode des Elternurlaubs einzuführen, die jedoch nicht entschädigt Das Regierungsprogramm sah ebenfalls werden könnte. Der OGBL betonte, dass vor, die Familienleistungen in Form von eine solche Maßnahme unweigerlich zu Naturalleistungen stärker zu fördern, also einer Diskriminierung zwischen denen auf Kosten der Geldleistungen, wie der führen würde, die sich einen solchen OGBL bereits 2018 unterstrich. Und genau Elternurlaub leisten könnten, weil sie das hat die Regierung getan, indem sie über ein ausreichend hohes Einkommen während der Schulzeit sowohl die Maisons- verfügen, und denen, die sich dies finan- relais als auch die dort servierten Mahl- ziell nicht leisten könnten. Sollte diese zeiten sowie die Schulbücher in der Sekun- Option gewählt werden, plädiert der darstufe kostenlos machte. OGBL für differenzierte Lösungen, die Der OGBL begrüßt diese Maßnahmen, wirft eine Entschädigung für Geringverdiener der Regierung jedoch vor, nicht die 212.000 vorsehen.
Recht des Arbeitnehmers eingeführt wird, vom Arbeitnehmer nicht einer Antwort auf eine parlamentarische auf Wechsel in eine verlangt werden kann, dass er die Zustim- Anfrage teilte die Familienministerin nun mung seines Arbeitgebers hat, um davon mit, dass die Ergebnisse dieser Evaluie- Teilzeitarbeit profitieren zu können. rung gegen Ende des ersten Halbjahres Der OGBL hatte die Absicht der Regierung 2023 vorgelegt werden sollen. Für den Der OGBL möchte auch darauf hinweisen, positiv bewertet, ein Recht für Arbeit- OGBL wäre es, abgesehen von der Höhe dass eine solche Maßnahme nicht als eine nehmer einzuführen, das ihnen erlaubt, für dieses Einkommens, die zu niedrig ist, Art Gegenleistung im Rahmen der Arbeits- eine bestimmte Dauer Teilzeit zu arbeiten notwendig, die Anzahl der potentiellen zeitdiskussion betrachtet werden kann. Begünstigten auszuweiten. Des Weiteren und später wieder auf Vollzeit umzu- Weitere angekündigte fordert der OGBL, dass der REVIS systema- steigen. Es muss festgestellt werden, dass Maßnahmen tisch jedes Mal angepasst wird, wenn der die Regierung auf diesem Gebiet nichts gesetzliche Mindestlohn angepasst wird. unternommen hat. Der OGBL unterstützt REVIS: Die Regierung hatte 2018 ange- weiterhin diesen Vorschlag, betont jedoch kündigt, dass sie eine Evaluierung des Übergang vom Berufsleben zur Rente: Das erneut, dass es sich hier um ein Recht Einkommens zur sozialen Eingliederung Regierungsprogramm sah vor, den Über- handelt und dass, falls und wenn dieses (REVIS, früher RMG) durchführen werde. In gang zwischen Arbeitsleben und Rente zu verbessern. Der OGBL stellt fest, dass 7 bislang keine Initiativen in diese Richtung unternommen wurden. N°5 2022 - DOSSIER Teuerungszulage: Die Regierung hatte sich 2018 verpflichtet, die Teuerungszu- lage anzupassen. Es dauerte jedoch bis 2020 und dem Ausbruch der Pandemie, bis die Regierung tatsächlich handelte. So verdoppelte die Regierung 2020 den Betrag der Zulage. Eine Maßnahme, die der OGBL selbstverständlich begrüßte. Für 2021 entschied sich die Regierung dann, die 100%ige Erhöhung nicht fortzusetzen, sondern den Betrag der Zulage auf ein Niveau anzupassen, das einer Erhöhung von 10% im Vergleich zum Betrag von 2019 entspricht. Für den OGBL ist diese Aufwertung angesichts des Kaufkraftver- lustes, den die Bezieher der Zulage für teure Lebenshaltungskosten seit 2009, als die letzte Anpassung vor der Pandemie erfolgte, kumuliert haben, immer noch unzureichend, dies insbesondere und im aktuellen Kontext einer akuten Kauf- kraftkrise. In diesem Zusammenhang fordert der OGBL eine Wiederholung der Maßnahme von 2020, eine Erweite- rung des Kreises der Nutznießer sowie die Einführung eines Mechanismus zur Anpassung der Teuerungszulage an die Preisentwicklung.
4 Soziale Sicherheit und Gesundheit Renten In ihrem Koalitionsprogramm hatte sich die Regierung verpflichtet, das Rentensystem zu erhalten und keine Verschlechterungen vierung der negativen Maßnahmen, die in der überflüssigen Reform von 2012, gegen die er sich gewehrt hatte, vorge- sehen waren, nämlich die Abschaffung der Jahresendprämie und des Renten- bei den Leistungen vorzunehmen. Der ajustement, beibehielt, falls das Niveau OGBL begrüßte damals diese Tatsache. der Einnahmen des Rentensystems unter Es handelte sich hierbei um eine seiner das Niveau der Ausgaben fallen sollte. Der roten Linien, die die Regierung nicht über- OGBL spricht sich nämlich formell gegen schreiten durfte. Die Regierung hat sich die Aktivierung dieser Maßnahmen aus und bislang an ihre Verpflichtung gehalten. plädiert, falls nötig, für eine Erhöhung der Der OGBL sah es hingegen sehr kritisch, Beiträge anstelle einer Verschlechterung 8 dass das Regierungsprogramm die Akti- der Leistungen.
Schließlich, obwohl der OGBL die im Koali- Es ist jedoch beschämend, dass die bereits haben könnte, wenn nicht bald eine Initia- tionsprogramm angekündigte Diskussion, 2017 beschlossenen Verbesserungen im tive ergriffen wird. nach alternativen Einnahmequellen zur Bereich der zahnärztlichen Leistungen langfristigen Absicherung des Rentensys- heute immer noch nicht in Kraft sind, mit Verallgemeinertes Dritt- tems zu suchen, sehr positiv bewertete, Ausnahme derer, die die Erstattung der zahlersystem muss man feststellen, dass eine solche zweiten Zahnentkalkung betrifft. Vor vier Jahren beklagte der OGBL einen Diskussion nicht eingeleitet wurde. mangelnden Voluntarismus seitens der Fallpauschalensystem Regierung in Sachen verallgemeinertes Pflegeversicherung Der OGBL lehnte die Einführung eines Drittzahlersystem (Tiers payant géné- Die Auswertung der Reform der Pflegever- Fallpauschalensystem im Krankenhaus- ralisé). Die Regierung plante nämlich, über sicherung von 2018, wie sie im Regierungs- sektor, wie es im Regierungsprogramm dessen Einführung im Dialog mit den Sozi- programm festgehalten wurde, hat zu angedeutet wurde, strikt ab. Die Erfah- alpartnern zu diskutieren, doch wie nicht 9 keinen Änderungen des Systems geführt. rungen aus dem Ausland haben gezeigt, anders zu erwarten war, lehnte die Ärzte- Der OGBL stellt jedoch eine Verschlechte- dass ein solches System die Leistungen schaft dies vehement ab. N°5 2022 - DOSSIER rung der Leistungen fest. Eine Reihe von nicht verbessert, sondern im Gegenteil die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals Auch wenn die Einführung des verallge- Begünstigten konnte in den letzten Jahren meinerten Drittzahlersystems aktuell nicht nicht alle ihnen zustehenden Leistungen in verschlechtert. mehr auf der Tagesordnung steht, gibt Anspruch nehmen, was hauptsächlich auf Fallpauschalen im Krankenhaussektor es einen kleinen Fortschritt in Form der einen Personalmangel in den Pflegehäu- scheint für die Regierung heute kein sofortigen Direktzahlung, die im Jahr 2023 sern zurückzuführen ist. Diese Betriebe Thema mehr zu sein, und das ist auch gut in Kraft treten soll. Nach diesem Prinzip haben jedoch die entsprechenden so. Stattdessen bewegt man sich immer muss ein Patient, der in Zukunft zu seinem Beträge für die Pflegeleistungen, die sie mehr in Richtung eines Tarifsystems mit Arzt geht, nur noch seinen Eigenanteil an erbringen sollten, erhalten und müssen Pauschalbeträgen (Beispiel: IRM). Für den den Gesundheitskosten bezahlen, während diese Vorschüsse nun zurückzahlen. OGBL ist es hier wichtig, dass die entspre- der von der CNS übernommene Teil der Nach Ansicht des OGBL ist die Logik der chenden Leistungen weiterhin im Kran- Kosten direkt an den Arzt gezahlt wird. Das Pauschalen, auf der das System der Pfle- kenhaus erbracht werden. bedeutet, dass die Patienten nicht mehr geversicherung beruht, nicht angemessen das gesamte Arzthonorar vorstrecken und ermöglicht es nicht, die Qualität der Arbeitsmedizin und dann auf die Erstattung durch die Leistungen zu messen. Der OGBL plädiert Der OGBL hatte begrüsst, dass die Regie- CNS warten müssen, was derzeit mehrere für einen effizienteren Mechanismus zur rung im Rahmen ihres Koalitionspro- Wochen dauern kann. Qualitätskontrolle. gramms eine Reform der Arbeitsmedizin vorsieht. Der OGBL forderte in diesem Nomenklatur der Leis- Zusammenhang die Schaffung eines tungen der CNS einheitlichen Dienstes der Arbeitsmedizin Der OGBL begrüßte den erklärten Willen und wollte auch die Diskussion über dessen der Regierung in ihrem Programm, die Finanzierungsmodus eröffnen. Vier Jahre Nomenklatur der Leistungen der CNS zu später muss man leider feststellen, dass überarbeiten. Er blieb jedoch vorsichtig, die Regierung in dieser Hinsicht überhaupt da die Details noch nicht bekannt waren. nichts unternommen hat. Die Nomenklatur befindet sich derzeit Der OGBL zeigt sich im Übrigen sehr noch in der Überarbeitung und der OGBL besorgt über den Mangel an Arbeitsmedizi- trägt aktiv zu diesen Diskussionen bei. nern im Land, der bald dramatische Folgen
5 Arbeit und Beschäftigung Anlässlich der Veröffentlichung des Koali- tionsabkommens Ende 2018 begrüßte der OGBL, dass die damals neue Regierung auf eine Reihe von Forderungen einging, die der OGBL im Bereich des Arbeitsrechts erhoben hatte, dessen Schutzfunktion im Übrigen im Regierungsprogramm explizit hervorgehoben worden war. Die Regierung betonte zudem die Bedeutung des Sozial- dialogs und wies auf den Willen der Regie- rung hin, den Ständigen Ausschuss für Arbeit und Beschäftigung (CPTE) aufzu- abgedeckt werden, ausgibt. In der luxem- burgischen Privatwirtschaft fallen jedoch nur etwa 50 % der Beschäftigten unter den Geltungsbereich. Es ist an der Zeit zu handeln, nicht erst nach den Wahlen! Weiterbildung Nach der Veröffentlichung des Koalitions- abkommens im Jahr 2018 begrüßte der OGBL den Willen der Regierung, ein echtes „Recht auf Weiterbildung“ zu schaffen. Die Regierung sprach insbesondere von der werten. Leider muss man feststellen, dass Einführung von „Weiterbildungsschecks“ viele der angekündigten Gespräche nicht oder „Weiterbildungskonten“. In diesem stattgefunden haben und man keineswegs Punkt muss man auch feststellen, dass von einer Stärkung des CPTE sprechen die Fortschritte in diesem Bereich bisher kann, der zunächst (2019) massiv von der eher gering waren, trotz der Tatsache, dass 10 UEL angegriffen wurde und 2021 nicht dieses Thema nicht nur auf CPTE-Ebene, einmal die gesetzlich vorgeschriebenen sondern auch im Rahmen eines „Skillsdësch“, N°5 2022 - DOSSIER drei jährlichen Sitzungen abhielt. Sowohl 2019 als auch 2020 fanden zwei der drei Sitzungen im Dezember statt, nur um die gesetzliche Vorgabe zu erfüllen! Und 2022 trat der CPTE zwar dreimal zusammen, behandelte aber als einziges Thema die beruflichen Weiterbildung, ohne dass diese Diskussionen bislang mit konkreten Ergebnissen abgeschlossen wurden. Kollektivverträge Die Regierung hatte angekündigt, Kollek- tivverträge in Luxemburg stärker fördern zu wollen. Die Regierung hatte eine Stär- kung des entsprechenden Gesetzes in Aussicht gestellt. Es muss festgestellt werden, dass nicht einmal der Hauch einer Diskussion darüber stattgefunden hat, obwohl es in der Tat höchste Zeit ist, die Gesetzgebung über Kollektivverträge an die heutige Wirtschaftswelt anzupassen, mit dem Ziel, den Geltungsbereich der Kollektivverträge weiter auszudehnen und mehr Arbeitnehmern die Möglich- keit zu geben, von einem Kollektivvertrag abgedeckt zu werden. Hinzu kommt, dass die Europäische Union im Rahmen der Mindestlohnrichtlinie ein Ziel von 80% der Arbeitnehmer, die von Kollektivverträgen
der von der Tripartite im Juli 2020 einge- Prekäre Arbeitsverträge Rückgriff auf prekäre Verträge anstelle richtet wurde, ausführlich diskutiert wurde. von unbefristeten Arbeitsverhältnissen Diese Arbeiten sind noch nicht abge- Die im Regierungsprogramm angekündigte weiterhin rasant an. Seit 2003 ist die Zahl schlossen, ebenso wie eine Studie der OECD Grundsatzdiskussion über neue Formen der prekären Arbeitsverträge unter den zum Thema „Skills“. Während sich die Regie- prekärer Arbeit (befristete Verträge, ansässigen Arbeitnehmern im Alter von 15 rung gemeinsam mit den Gewerkschaften Scheinselbstständigkeit, Leiharbeit) bis 64 Jahren um mehr als 190% gestiegen. der Forderung der Arbeitgeber widersetzt im Ständigen Ausschuss für Arbeit und Es ist daher höchste Zeit, das Arbeitsrecht hatte, bis zur Veröffentlichung der OECD- Beschäftigung hat bis heute nicht statt- zu stärken, um sicherzustellen, dass unbe- Studie keine Maßnahmen in diesem Bereich gefunden. Das einzige Thema, das im CPTE fristete Arbeitsverträge die Norm bleiben zu ergreifen, ist dies in der Praxis dennoch angesprochen wurde, war das der Leih- und nicht zur Ausnahme werden. geschehen. Die einzige konkrete Initia- arbeitnehmer, aber diese Diskussion wurde tive ist das Projekt „Skillsplang“, das an die nicht weiterverfolgt. Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit „Digital Skills Bridge“ von 2018 anknüpft das Phänomen der Scheinselbstständig- Der OGBL hatte sich kritisch gegenüber und auf den letzten beiden Sitzungen des keit, insbesondere in Bezug auf Plattform- den im Regierungsprogramm geäußerten CPTE diskutiert wurde. Auch wenn dieses arbeiter, wurden bislang nicht angekündigt, Absichten geäußert, die Bedingungen Projekt einige positive Akzente enthält (die lediglich die Arbeitnehmerkammer hat für den Bezug von Arbeitslosengeld Betonung von Prävention und Prospektive einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu verschärfen. Letztendlich wurde in entspricht den Gewerkschaftsvorschlägen vorgelegt. Während prekäre Arbeitsverhält- dieser Legislaturperiode keine Ände- zur Einführung eines betrieblichen Sozial- nisse also keine Priorität für die Regierung rung der Bedingungen vorgeschlagen. audits), ist es mit einem Startbudget von 3 zu sein scheinen – in einigen Fällen hat sie Der OGBL kann dies nur begrüßen, da Millionen Euro äußerst unambitioniert und den Rückgriff auf solche Verträge sogar eine solche Maßnahme neue Situationen lässt – zumindest in den bisher vorgelegten erleichtert, insbesondere im Zusammen- extremer Prekarität geschaffen hätte. Auf 11 Versionen – die Komponente des Sozialdia- hang mit der Aufnahme und Betreuung der anderen Seite wurde jedoch die im logs völlig außen vor. ukrainischer Flüchtlinge –, wächst der N°5 2022 - DOSSIER Koalitionsvertrag angekündigte Möglich- keit, bei Kündigung des Arbeitnehmers unter bestimmten Bedingungen Arbeits losengeld zu erhalten, ebenfalls nicht eingeführt. Arbeitszeitorganisation Der OGBL hatte sich zwar mehr Fort- schritte bei der Arbeitszeitverkürzung erhofft, doch die Tatsache, dass die Regie- rung in ihrem Programm, mit dem sie auf die Wünsche der Patronate reagierte, betonte, dass das bestehende PAN-Gesetz den Unternehmen bereits genügend Flexi- bilität biete, indem es auf die Möglich- keiten der Aushandlung von Kollektivver- trägen mit den Gewerkschaften verwies, wertete der OGBL a priori als positiv. Dies hinderte die Regierung jedoch nicht daran, auf dem Höhepunkt der Covid-19-Pan- demie in bestimmten Schlüsselsektoren bis zu 12 Stunden Arbeit pro Tag und bis zu 60 Stunden Arbeit pro Woche zu erlauben (die Liste der Schlüsselsektoren wurde mehrfach geändert). Der OGBL nahm daran Anstoß, und die Tatsache, dass beim zweiten Gesetz, das dies nur im Pflege- sektor erlaubte, die Umsetzung mangels Einigung zwischen den Sozialpartnern auf
der Strecke blieb, ohne dass der Sektor Anschluss an das Dreiertreffen im Juli enthält, nicht ganz zufriedenstellend, zusammengebrochen wäre, zeigt, dass 2020 aufgenommen. Die UEL hingegen da die Beweislast (im Gegensatz zu es fraglich ist, ob diese Maßnahme wirk- wollte eine Diskussion auf einen Zeit- sexueller Belästigung) weiterhin allein lich notwendig war. Auf jeden Fall erhöhte punkt „nach der Pandemie“ verschieben. beim Opfer liegen wird. Darüber hinaus sie den Druck auf die betroffenen Arbeit- Letztendlich bekam sie Recht, denn wurde der Gesetzentwurf ohne jegliche nehmer, die durch die Unsicherheiten und obwohl im November und Dezember 2020 Diskussion mit den Sozialpartnern vorge- den Stress, die mit der Pandemie einher- tatsächlich Diskussionen im CPTE geführt legt, obwohl diese diesbezüglich eine gehen, bereits angeschlagen waren. wurden, ließ der Arbeitsminister diesen branchenübergreifende Vereinbarung Debatten keine konkreten Vorschläge für unterzeichnet haben. Das Thema der Arbeitszeitverkürzung Gesetzesänderungen folgen. Dies, obwohl wurde erst kürzlich vom Arbeitsminister Teilweiser Ruhestand die Diskussionen in der Tat zu einer Annä- wieder auf die Tagesordnung gesetzt, der herung in einigen Punkten geführt hatten Im Gegensatz zu den Ankündigungen im eine Studie zu diesem Thema in Auftrag und eine Einigung nicht unwahrscheinlich Regierungsprogramm wurde den Sozial- gab. Das bedeutet letztlich, dass vor den gewesen wäre, wenn die Verhandlungen partnern kein Gesetzentwurf über ein Parlamentswahlen keine Fortschritte bei weitergeführt worden wären. Der OGBL Recht auf eine Kombination von Teilrente der Arbeitszeit zu erwarten sind, auch fordert daher eine rasche Wiederauf- und Teilzeitarbeit vorgelegt. Es sei darauf wenn die Initiative, das Thema erneut auf nahme der Diskussionen. hingewiesen, dass ein solches Recht die Tagesordnung zu setzen, zu begrüßen ist. Fortschritte bei der Arbeitsorgani- Weitere Maßnahmen wurden angekün- bereits in der Vereinbarung zwischen der sation und der Vereinbarkeit von Privat- digt, insbesondere um die Rechte der Regierung und den drei national reprä- und Berufsleben wurden vielmehr von Arbeitnehmer im Falle eines Konkurses sentativen Gewerkschaften aus dem Jahr den Sozialpartnern erzielt, die eine neue zu stärken und ein neuer Gesetzesentwurf 2014 vorgesehen war! 12 branchenübergreifende Vereinbarung sollte bezüglich des Schutzes und der Arbeitsbedingungen der älteren Arbeit- Wiedereinglierung über Telearbeit geschlossen haben und N°5 2022 - DOSSIER zu einem gemeinsamen Vorschlag gelangt nehmer eingebracht werden. Letztendlich Wie im Koalitionsvertrag angekündigt, sind, um die Einhaltung des Rechts auf wurde in beiden Punkten keine Gesetzes- wurden die Rechtsvorschriften über die Abschalten in das Arbeitsrecht zu integ- initiative ergriffen. Wiedereingliederung punktuell ange- rieren (die zweite Vereinbarung muss noch passt. Dennoch wirft das geltende Recht vom Gesetzgeber umgesetzt werden). Mobbing weiterhin eine Reihe von Problemen auf, Wie in ihrem Programm angekündigt, hat insbesondere in Bezug auf die Warte- 26. Urlaubstag die Regierung tatsächlich einen Gesetz- zeitentschädigung, die Wartezeitver- Der OGBL hatte Anfang 2019 die Einfüh- entwurf zum Thema Mobbing vorgelegt. gütung, die Pauschalentschädigung und rung eines 26. gesetzlichen Urlaubstages, Dieser Gesetzentwurf ist jedoch, auch die Ausgleichszulage. Eine umfassendere neben der Schaffung eines zusätzlichen wenn er punktuelle Verbesserungen Reform steht weiterhin aus. Feiertages, begrüßt. Diese Maßnahme war eine erste Antwort der Regierung auf seine Forderung nach einer sechsten Woche gesetzlichen Urlaubs. Der OGBL hält weiterhin an dieser Forderung fest, die bislang zu 20% erfüllt wurde. Schutz der Arbeitsplätze Das Regierungsprogramm sah eine Verschärfung der Rechtsvorschriften über die Aufrechterhaltung der Beschäf- tigung vor. Darüber hinaus kündigte es Gespräche im Rahmen des CPTE über eine Anpassung der Gesetzgebung zu Sozialplänen an, um die Möglichkeiten zur Umgehung der Aushandlung eines Sozialplans zu verringern. Die Diskus- sionen wurden schließlich auf ausdrück- lichen Wunsch der Gewerkschaften im
Wohnen Im Gegensatz zu anderen Kapiteln, kann man den Eindruck kriegen, dass die Regie- rung die Aufgaben die sie sich im Koali- tionsabkommen gegeben hat, tatsächlich in Angriff genommen hat. Angesichts des seit vielen Jahren bestehenden Notstands im Bereich Wohnen war es auch höchste Zeit zu handeln. So wurden gerade mehrere Gesetzesinitiativen angekündigt. 6 nach sogar noch verschlimmern. Und das in einer Situation, in der dies bereits die Sorge ist, die die luxemburgische Bevöl- kerung am meisten beschäftigt, wie der kürzlich von RTL und TNS/ILRES durch- geführte „Politmonitor“ gezeigt hat. Die Frage des erschwinglichen Zugangs zu Wohnraum bleibt auf jeden Fall eines der wichtigsten Themen in den kommenden Leider kann man nicht sagen, dass sie Monaten und sicherlich auch im bevorste- alle in die richtige Richtung gehen, einige henden Wahlkampf. werden die Situation unserer Meinung Grundsteuer 13 Im Januar 2019 begrüßte der OGBL die N°5 2022 - DOSSIER Ankündigung der Regierung, endlich gegen die Bodenspekulation kämpfen zu wollen. Der OGBL war jedoch schon damals der Meinung, dass das, was die Regierung in diesem Bereich plante, nicht ausreichend sei und bemängelte insbe- sondere die fehlende Progressivität bei der Grundsteuer und der Besteuerung auf die Zurückbehaltung von Grundstücken und auf Gebäude, die allein zu Spekula- tionszwecken leer stehen. Der kürzlich vorgelegte Gesetzentwurf geht leider immer noch nicht auf die diesbezüglichen Kritikpunkte des OGBL ein. Zwar sieht die Regierung einen Steuerfreibetrag auf selbstbewohntem Wohneigentum (ohne es jedoch vollständig von der Steuer zu befreien), doch macht sie keinen Unter- schied zwischen einem Haushalt, der eine zweite Wohnung besitzt, die später für seine Kinder bestimmt ist, und einem Spekulanten, der hundert Wohnungen besitzt. Der OGBL sieht die einzige wirk- same Methode, um die Bodenspekulation zu bekämpfen, darin, die Grundsteuer und die Besteuerung von leerstehenden Wohnungen und Grundstücken progressiv zu gestalten, nach dem Motto: Je mehr man besitzt, desto mehr muss man zahlen.
Hinzu kommt, dass die vorgesehene neue Ersterwerb, Sanierungs- und Renovie- Gesetzgebung erst im Jahr 2037 ihre rungsarbeiten volle Wirkung entfalten wird, während Im Jahr 2019 hatte der OGBL positiv der Wohnungsnotstand bereits heute bewertet, dass die Regierung plante, die herrscht. Der OGBL hofft, dass der Geset- Möglichkeit, im Rahmen von Sanierungs- zesentwurf noch verbessert wird, bevor er arbeiten mit ökologischer Zielsetzung in der Abgeordnetenkammer zur Abstim- einen Kredit zum Nulltarif aufnehmen zu mung kommt. können, generell einzuführen. Letztend- Mietvertrag lich ersetzte die Regierung diesen Begriff durch die Einführung einer Zinssubven- Im Koalitionsvertrag sah die Regierung tion für Klimadarlehen, die mit dem Gesetz nur begrenzte Maßnahmen im Bereich des vom 8. Juni 2022 eingeführt wurde. Der Mietvertrags vor, nämlich die Ergänzung OGBL bedauert diese Kehrtwende und der Gesetzgebung um Bestimmungen zur bedauert vor allem das Fehlen von sozi- Untermiete und zu Wohngemeinschaften. alen Kriterien in der Materie. Ohne soziale Letztendlich wurden diese Punkte in dem Staffelung und Vorfinanzierungsmöglich- im Juli 2020 eingereichten Gesetzesent- keit bleiben die Sanierungsarbeiten weit- wurf Nr. 7642 angesprochen, der jedoch gehend auf Haushalte mit wohlhabendem viel weiter geht und eine umfassendere Hintergrund beschränkt. Reform des Mietvertrags umfasst. Der Des Weiteren hatte der OGBL die Absicht 14 OGBL fand den Entwurf nichtsdesto- trotz unzureichend, insbesondere weil der Regierung begrüßt, den Steuerkredit N°5 2022 - DOSSIER bezüglich der Eintragungsgebühren für der Entwurf die seit den 1950er-Jahren einen ersten Immobilienerwerb („Bëllegen geltende Schwelle von 5% des inves- Akt“) zu erhöhen. Letztendlich wurde die tierten Kapitals als Obergrenze für die diesbezügliche Gesetzgebung jedoch nicht Mietpreise unverändert übernahm, obwohl geändert. Ebenso bleibt die Obergrenze diese Schwelle schon lange nicht mehr der für die Inanspruchnahme des stark redu- Realität entspricht. Der OGBL bestand also zierten Mehrwertsteuersatzes bei 50.000 auf einer Überarbeitung des Gesetzesent- €, obwohl die Regierung die Möglichkeit wurfs. Tatsächlich wurden im Oktober einer Erhöhung dieser Schwelle prüfen 2022 Änderungen in den Gesetzesentwurf wollte. Diese Schwelle liegt angesichts aufgenommen, doch leider schlägt die der Entwicklung der Immobilienpreise Regierung zwar eine Senkung des Prozent- weit unter dem, was in Betracht gezogen satzes des investierten Kapitals vor, revi- werden müsste. diert aber gleichzeitig grundlegend die Berechnungsmethode, um dieses Kapital Sozialer Wohnraum zu reevaluieren. In der Praxis bedeutet Im Koalitionsvertrag ging die Regie- dies nichts anderes als eine Orientierung rung von der Feststellung aus, dass „das an den Marktpreisen. Es ist praktisch das Angebot an Sozialwohnungen und preis- Gegenteil einer echten Deckelung der günstigen Wohnungen ebenfalls weit Mietpreise, da die neue Berechnungs- hinter dem Bedarf zurückbleibt, insbeson- methode es tatsächlich ermöglicht, zahl- dere bei Mietwohnungen“. Es muss festge- reiche Mieten im Vergleich zur aktuellen stellt werden, dass dies vier Jahre später Situation potenziell stark zu erhöhen, immer noch so ist, und dass ein großer insbesondere bei älteren Gebäuden. Für Nachholbedarf besteht. Auch hier ist die den OGBL ist die neue Formel nicht haltbar. Regierung hinter den im Koalitionsvertrag Der Begriff des investierten Kapitals muss festgelegten Ambitionen zurückgeblieben. durch einen mehrdimensionalen Ansatz ersetzt werden, der insbesondere auch die Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der Einkommen berücksichtigt.
7 Mobilität und Klima Im Rahmen seiner Analyse des Regie- rungsprogramms Anfang 2019 hatte der OGBL zunächst daran erinnert, dass er die globalen Klimaziele eindeutig unterstützt und selbstverständlich alle Initiativen zur Reduzierung der CO2-Emissionen, insbe- sondere im Bereich der Mobilität, begrüßt. Er warnte jedoch und tut dies auch weiterhin vor neuen sozialen Spaltungen, die sich aus ökologischen Maßnahmen port kostenlos zu machen, was ab dem 28. Februar 2020 auch tatsächlich umgesetzt wurde. Der OGBL bestand jedoch darauf, dass die Investitionen in die Infrastruk- turen den politischen Ambitionen entspre- chen müssten, was in seinen Augen offen- sichtlich nicht der Fall war. Auch wenn erhebliche Investitionen in den Ausbau des öffentlichen Transports notwendig waren, muss man feststellen, dass diese ergeben könnten, die die Interessen der Investitionen noch weiter verstärkt Arbeitnehmerschaft nicht berücksich- werden müssen, damit alle Arbeitnehmer tigen. Der ökologische Übergang, für den auf den öffentlichen Transport zurück- der OGBL eintritt, muss mit dem Schutz greifen können, um in akzeptabler Zeit zu der Interessen und Bedürfnisse der Arbeit- ihrem Arbeitsplatz zu gelangen und somit nehmer und ihrer Familien einhergehen. nicht gezwungen sind, ihr Privatfahr- 15 zeug zu nehmen. Dies erfordert auch eine CO2-Steuer verstärkte Zusammenarbeit mit der Groß- N°5 2022 - DOSSIER Die CO2-Steuer wurde ab dem 1. Januar region und eine Ausweitung des kosten- 2021 eingeführt, obwohl sie nicht explizit losen öffentlichen Verkehrs bis zu den im Regierungsprogramm vorgesehen ersten Bahnhöfen und Haltestellen über war, das sich mehr vage damit begnügte, die Grenzen hinweg. eine Verringerung der „Abhängigkeit der Fahrtkostenpauschale öffentlichen Finanzen von den Mitteln aus dem Treibstoffverkauf durch konti- In seiner Analyse des Regierungspro- nuierliche Maßnahmen“ zu beschwören. gramms nahm der OGBL Anstoß an Der OGBL war nicht gegen die Einführung der Absicht, die Steuerbefreiung der der neuen Steuer, bestand jedoch darauf, pauschalen Fahrtkosten abzuschaffen dass diese neue indirekte Steuer von sozi- oder zu verschlechtern. Denn dies wäre alen Maßnahmen begleitet wird, die ihre nichts anderes als ein Kaufkraftverlust Auswirkungen auf die unteren und mitt- für alle Arbeitnehmer gewesen, unab- leren Einkommen neutralisieren. Nach hängig vom Verkehrsmittel, das sie Ansicht des OGBL erfüllt die Erhöhung der benutzen, um zur Arbeit zu fahren. Es Steuergutschrift dieses Ziel nur teilweise, würde sich nicht um eine umweltfreund- zumal eine Anpassung an eine weitere liche, sondern ausschließlich um eine Steuererhöhung derzeit nicht vorgesehen unsoziale Maßnahme handeln. Letztend- ist. Der OGBL sprach sich auch gegen lich blieb aufgrund der Opposition des die Neutralisierung der neuen Steuer im OGBL die Regelung zur Steuerbefreiung Preisindex aus, eine weitere Maßnahme, der pauschalen Fahrtkosten unverändert die im Regierungsprogramm nicht ange- bestehen. kündigt war. Kostenloser öffentlicher Transport Der OGBL hatte den Vorschlag der Regie- rung unterstützt, den öffentlichen Trans-
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