Die Wertschöpfungskette Tourismus - Analyse und Anwendungsansätze für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit
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Die Wertschöpfungskette Tourismus Analyse und Anwendungsansätze für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit
Nachhaltiger und verantwortungsvoller Tourismus kann durch die Entwicklungszusammenarbeit als Instrument für eine nachhaltige Entwicklung vielfältig eingesetzt werden. Ein zentraler Ansatz, der in diesem Handbuch vorgestellt wurde, ist die aktive Gestaltung von Wertschöpfungsketten in Partnerdestinationen. Je mehr Geld Touristen ausgeben, und je mehr davon der Region bleibt, desto größer ist die regionale Wertschöpfung. Aus dieser einfachen Formel ergeben sich zwei grundsätzliche Strategien zur Förderung der regionalen Wertschöpfung durch Tourismus: die Steigerung touristischer Umsätze oder die Erhöhung des Anteils der regionalen Wertschöpfung an der Gesamtwertschöpfung. Beide Strategien eröffnen ein breites Spektrum an Möglichkeiten für EZ-Interventionen. Die Wertschöpfungskette Tourismus Analyse und Anwendungsansätze für Projekte der Entwicklungszusammenarbeit
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Sitz der Gesellschaft Bonn und Eschborn Friedrich-Ebert-Allee 32 + 36 53113 Bonn, Deutschland T +49 228 44 60-0 F +49 228 44 60-1766 E tourismus@giz.de I www.giz.de Verantwortlich: Sektorvorhaben „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ Autorin und Autor: Kai Partale (Benchmark Services) Layout: kippconcept, Bonn Fotonachweise: Awake Travel (S. 77); Green Star Hotel (S. 37); GIZ/Fotopool (S. 9, 10, 23, 25, 27, 31, 50, 51, 61, 63, 65, 78); GIZ/Laos (S. 5, 17, 21, 33, 41, 69); GIZ/Kirgisische Republik (S. 29, 73); GIZ/Lab of tomorrow; Istanbul Tourist Pass (S. 38); GIZ/Laos, Peter Livermore (Titel); Knärzje GmbH (S. 36); Mekong Moments (S. 39); Mosaic Centre (S. 75); Swiss Contact (S. 67); Tourism Advisory Board (S. 34); TUI Care (S. 35) URL-Verweise: Für Inhalte externer Seiten, auf die hier verwiesen wird, ist stets der jeweilige Anbieter verantwortlich. Die GIZ distanziert sich ausdrücklich von diesen Inhalten. Die GIZ ist für den Inhalt der vorliegenden Publikation verantwortlich. Bonn 2020
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Grundlagen: Wertschöpfungskette & Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Teil 1: Regionale Wertschöpfung als Zielgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Teil 2: Wertschöpfungskette: Was man wissen muss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Teil 3: Tourismus: Was man wissen muss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Teil 4: Wertschöpfungssystem Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Teil 5: Wertschöpfungsstrategien im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Leitfaden: Wertschöpfungskette im Tourismus anwenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Schritt 1: Wertschöpfungskette definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Schritt 2: Wertschöpfungsnetzwerke initiieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Schritt 3: Wertschöpfungskette analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Schritt 4: Ziele definieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Schritt 5: Lösungen entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Handlungsansatz: Lieferketten entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Impulse: Ausgewählte Anknüpfungspunkte für die EZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Impuls 1: DMO-Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Impuls 2: Integration von KMU in das touristische Wertschöpfungssystem . . . . . . . . . . . . . 68 Impuls 3: Kreislaufwirtschaft und Entrepreneurship . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Impuls 4: Entwicklung der Wertschöpfungskette nach ökologischen und soziokulturellen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Impuls 5: Förderung von Qualitätsinfrastruktur, Produktqualität und Innovation . . . . . . . . . 74 Impuls 6: Förderung der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 // 3
Organisationen der internationalen Entwicklungs- Wo aber liegen Ansatzpunkte für Interventionen zusammenarbeit (EZ) engagieren sich weltweit der EZ – mit ihren unterschiedlichen Projektkon- und auf vielfältige Weise für eine nachhaltige texten – um die regionale Wertschöpfung durch Entwicklung und lebenswerte Zukunft in Ent- den Tourismus zu fördern? wicklungs- und Schwellenländern (ESL). Je mehr Geld Touristen ausgeben, und je mehr davon Eine zentrale Zielgröße ihrer Arbeit in den Ziel- der Region bleibt, desto größer ist die regionale Wert- gebieten der EZ ist die Steigerung der regionalen schöpfung. Aus dieser einfachen Formel ergeben Wertschöpfung. sich zwei grundsätzliche Strategien zur Förderung der regionalen Wertschöpfung durch Tourismus: Das ist die Menge an Geld, die über Gewinne, die Steigerung touristischer Umsätze oder die Löhne, Gehälter und Steuern regionaler Unterneh- Erhöhung des Anteils der regionalen Wertschöp- men in der Region bleibt und dort einen Beitrag fung an der Gesamtwertschöpfung. Beide Strate- für Wohlstand und Lebensqualität leistet. In einem gien eröffnen ein breites Spektrum an Möglichkei- erweiterten Sinn bedeutet Wertschöpfung aber ten für EZ-Interventionen. Die richtigen Hebel zu auch, ökologische und soziokulturelle Werte zu finden, die zur Erreichung individueller Projekt- schaffen, z.B. durch den Schutz von Ressourcen ziele beitragen, ist dennoch nicht leicht. Hierzu oder die Integration benachteiligter Menschen in trägt auch die Tatsache bei, dass die Tourismus- den Arbeitsmarkt. branche aufgrund ihrer kleinteiligen Angebots- struktur und den Verflechtungen zu benachbarten Der Tourismus ist eine Branche mit besonderem Wirtschaftszweigen besonders komplex ist. Potenzial, regionale Wertschöpfung zu generieren und dadurch einen Beitrag zu einer nachhaltigen Ein wertvolles Hilfsmittel, um die vielschichtigen Entwicklung in ESL zu leisten. Strukturen und Prozesse der touristischen Leis- tungserstellung zu verstehen und um geeignete Denn: der Tourismus gehört nicht nur zu den Ansatzpunkte für konkrete Interventionen zu fin- größten Wirtschafts- und Wachstumsbranchen den, bietet das Konzept der Wertschöpfungskette. weltweit. Er ist zudem besonders beschäftigungs- intensiv und bietet Menschen unterschiedlicher Was bedeutet „Wertschöpfungskette“ in diesem Qualifikationsstufen eine Lebensgrundlage. Durch Zusammenhang konkret? Und wie unterstützt sie die intensive Verzahnung mit Nachbarbranchen, auf dem Weg zu mehr regionaler Wertschöpfung? wie zum Beispiel der Landwirtschaft oder dem Handwerk, können außerdem Multiplikatoreffekte Wertschöpfung ist nicht nur eine Zielgröße entstehen, die die lokale Wirtschaft ankurbeln. wirtschaftlicher Aktivitäten, sondern kann auch Auch hieraus ergeben sich tourismusinduzierte als Prozess verstanden werden, der sich entlang der Beschäftigungs- und Einkommenseffekte. gesamten Leistungserstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung vollzieht. Die Wertschöp- Die skizzierten Potenziale verdeutlichen die Rele- fungskette beschreibt diesen Prozess, in dem jede vanz des Tourismus als entwicklungspolitisches Tätigkeit Werte schafft, Ressourcen verbraucht Instrument für eine nachhaltige Entwicklung. und mit anderen Tätigkeiten verbunden ist. Die Wertschöpfungskette anzuwenden, bedeutet aller- Nahezu unabhängig davon, in welchem Hand- dings mehr als eine Beschreibung wertschöpfender lungsfeld eine EZ-Intervention verortet ist, und welche Partner involviert sind, kann eine gezielte Förderung der touristischen Entwicklung oder die Verzahnung von benachbarten Branchen mit dem Tourismus eine erhebliche Wirkung für die Zielregion entfalten. Die Förderung der regiona- len Wertschöpfung durch den Tourismus kann insofern eine sinnvolle Strategie im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sein. // 6
Tätigkeiten. Vielmehr geht es um eine systematische Ziele des Handbuchs Strukturierung des Wertschöpfungsprozesses, dessen Ein wichtiges Anliegen dieses Handbuchs ist es, Analyse und Bewertung unter bestimmten Gesichts- den Leser*innen einen Überblick über das touris- punkten sowie die Ableitung von Projekten und tische Wertschöpfungssystem sowie Einblicke in Maßnahmen, die auf definierte Ziele einzahlen. die Strukturen, Prozesse und Funktionsweise der So verstanden ist die Wertschöpfungskette ein Branche zu verschaffen. Gerade branchenfremden Managementinstrument, das dabei unterstützt, Verantwortlichen von EZ-Projekten soll hierdurch komplexe Prozesse und Strukturen zu verstehen der Einstieg in die Thematik erleichtert sowie eine und gezielt zu gestalten. Die Erhöhung der regio- Grundlage zur Identifizierung und Planung individu- nalen Wertschöpfung fungiert im vorliegenden Fall ell passender Interventionen mit Tourismusbezug als Zielgröße, die es durch Strategien, Projekte und geboten werden. Zusätzlich versetzt das Hand- Maßnahmen zu erreichen gilt, um damit überge- buch die genannten Zielgruppen in die Lage, das ordnete entwicklungspolitische Ziele zu erreichen. Konzept der Wertschöpfungskette anzuwenden, um den touristischen Wertschöpfungsprozess bzw. verbundene Wertschöpfungsprozesse (Lieferketten) im Sinne einer nachhaltigen entwicklungspoliti- Wertschöpfungskette in der EZ schen Intervention zu gestalten. Gerade in der EZ hat sich die Wertschöpfungs- kette zu einem wichtigen Konzept entwickelt, um wirtschaftliche Tätigkeiten und globale Wirt- Das Handbuch bietet schaftsbeziehungen zu analysieren und im Sinne einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung • eine kompakte Einführung in das Konzept der zu gestalten. Einen grundlegenden methodischen Wertschöpfungskette und dessen Übertragung Rahmen zur Anwendung der Wertschöpfungskette auf den Tourismus als entwicklungspolitisches bietet das Handbuch Value Links (vgl. GIZ 2018). Instrument, Die Grundgedanken und Eckpunkte von Value • einen Überblick über das touristische Wert- Links sind auch in diesem Handbuch leitend und schöpfungssystem sowie Einblicke in die werden in den folgenden Kapiteln auf den Touris- Strukturen, Prozesse und Funktionsweise der mus angewendet – aber auch vor dem Hintergrund Branche, der spezifischen Rahmenbedingungen der Branche • einen praxisorientierten Leitfaden zur Anwen- weitergedacht. dung der Wertschöpfungskette als Manage- mentinstrument im Kontext Entwicklungs- zusammenarbeit mit zahlreichen Tipps und Checklisten, Zielgruppen des Handbuchs • eine Vorstellung von Strategien zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung durch Touris- Das Handbuch richtet sich in erster Linie an mus sowie Mitarbeiter*innen der internationalen Entwick- • eine Ableitung möglicher Interventionsan- lungszusammenarbeit, die im Rahmen von sätze für relevante Problemstellungen in der Auslandsvorhaben Interventionen mit touristi- Entwicklungszusammenarbeit. schem Bezug planen und umsetzen. Aber auch die Verantwortlichen vor Ort erhalten eine praxisorien- tierte Hilfestellung zur Förderung der regionalen Wertschöpfung durch Tourismus. // 7
Aufbau des Handbuchs Wertschöpfungskette verstehen Grundlagen - Im ersten Kapitel wird zunächst regionale Wertschöp- fung als zentrale Zielgröße einer nachhaltigen Tourismusentwicklung und wichtiges Anliegen der EZ erläutert. Hierauf aufbauend werden die wichtigsten Informationen zum Konzept der Wertschöpfungskette und dessen Übertragung auf die spezifische Situation im Touris- mus zusammengefasst. Ein grundlegendes Modell des touristischen Wertschöpfungssystems wird vorgestellt und dessen Funktionsweise erläutert. Hieraus ergeben sich konkrete Strategien zur Steigerung der Wertschöpfung und Ansatzunkte für EZ-Interventionen. Wertschöpfungskette anwenden Leitfaden – Im zweiten Kapitel bietet das Handbuch eine praxiso- rientierte Anleitung zur Anwendung der Wertschöpfungskette als Managementinstrument im Tourismus. Das betrachtete Objekt ist das touristische Produkt, also die Reise in ein bestimmtes Zielgebiet mit all ihren Leistungsbausteinen vom Buchungssystem über den Trans- port bis zur Unterkunft, der Verpflegung und den Freizeitaktivitäten. Es geht also um eine systematische Analyse, Planung und Gestal- tung der touristischen Wertschöpfungskette. Der Leitfaden führt die Nutzer*innen in fünf Schritten durch einen Prozess, der darauf abzielt, die regionale Wertschöpfung zu erhöhen. Er unterstützt alle, die den Tourismus in ESL gezielt gestalten möchten. Akteure der Entwick- lungszusammenarbeit können den gesamten Prozess unterstützen oder punktuell Impulse setzen. Lieferketten entwickeln Handlungsansatz – Im dritten Kapitel geht es um die Verzahnung touristischer Leistungen und Anbieter mit Nachbarbranchen sowie die gezielte Entwicklung von Lieferketten. Ziel ist es, möglichst viele Leistungen, die zur Erstellung des touristischen Produktes benötigt werden, von regionalen und entwicklungspolitisch relevanten Produ- zenten zu beziehen. Die Herausforderung für Projekte der EZ besteht hier vor allem darin, unausgeschöpfte Potenziale für Geschäftsbezie- hungen zwischen Tourismusanbietern und Unternehmen von Nachbar- branchen zu identifizieren und zu erschließen. Wertschöpfung gezielt fördern Impulse – Im vierten Kapitel werden Vorschläge zur Gestaltung von Interventionen vorgestellt, die besondere Wirkungspotenziale versprechen. Sie setzen an den in Kapitel 1 vorgestellten Wertschöp- fungsstrategien an und berücksichtigen in ihrer Ausgestaltung die spezifischen Kompetenzen der EZ. // 8
Grundlagen: Wertschöpfungskette & Tourismus 1
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Teil 1: Regionale Wertschöpfung als Zielgröße Regionale Wertschöpfung ist eine zentrale Ziel- größe für eine nachhaltige Regionalentwicklung. Hinweis: Im Tourismus bilden Destinati- Tourismus bietet für entsprechende Projekte der onen den idealen Bezugsraum. Dies sind EZ viele sinnvolle Möglichkeiten und Ansatz- räumliche Einheiten, die aufgrund ihrer punkte. Regionale Wertschöpfung beschreibt Größe und Struktur das Potenzial haben, die Wertschöpfung, die in einem bestimmten im internationalen Wettbewerb wahrge- geografischen Gebiet generiert wird. Die Grenzen nommen zu werden und leistungsfähige dieses Gebiets sind individuell je nach Auftrag im Wirtschaftskreisläufe aufzubauen. Rahmen der EZ zu definieren. Sie können ein gan- zes Land umfassen, ein Teilgebiet oder auch einen grenzüberschreitenden Raum. Dimensionen nachhaltiger Wertschöpfung Unter Wertschöpfung wird üblicherweise eine ökonomische Zielgröße verstanden. Wirtschaftli- Hinweis: Dieses Verständnis korrespon- che Aktivitäten können aber auch ökologische und diert mit der Agenda 2030 für nachhaltige soziokulturelle Werte schaffen, wenn die wirt- Entwicklung der Vereinten Nationen aus schaftlichen Aktivitäten in die richtigen Bahnen dem Jahr 2015. Mit ihren 17 nach gelenkt werden. Regionale Wertschöpfung hat haltige Entwicklungszielen (Sustainable somit auch eine ökologische und eine soziokultu- Development Goals) ist die Agenda 2030 relle Dimension. das erste internationale Abkommen, in dem das Prinzip der Nachhaltigkeit In diesem Handbuch ist ein erweitertes Verständnis mit der Armutsbekämpfung sowie der von Wertschöpfung als ökonomische, ökologische ökonomischen, ökologischen und sozialen und soziale Wertschöpfung leitend. Entwicklung verknüpft wird. Sie bildet einen wichtigen Handlungsrahmen für Aktivitäten der internationalen Entwick- lungszusammenarbeit. // 10
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS 1. Ökonomische Dimension 3. Soziokulturelle Dimension Regionale Wertschöpfung im engen Sinne Wertschöpfung kann auch bedeuten, Werte für beschreibt wie oben benannt die Menge an Geld, die Gesellschaft zu generieren. Im Kontext einer die über Gewinne, Löhne, Gehälter und Steuern nachhaltigen Entwicklung in ESL bedeutet dies regionaler Unternehmen in der Region bleibt und vor allem, Verbesserungen im sozialen System zu dort einen Beitrag für Wohlstand und zur Redu- erreichen und die Lebensqualität der Menschen zu zierung von Armut leistet. Berechnet wird sie als verbessern, z.B. durch die wirtschaftliche Integra- Summe der Leistungen einer Region abzüglich der tion von armen und benachteiligten Menschen in Vorleistungen von außen. Dabei sind Unterneh- den Wertschöpfungsprozess. Der Tourismus bietet men aller Wertschöpfungsstufen zu berücksich- hier vielfältige Potenziale, z.B. weil er Menschen tigen. Im Tourismus sind dies nicht nur Touris- mit unterschiedlichsten Qualifizierungsniveaus musunternehmen im engen Sinne, wie vor allem Perspektiven bietet oder weil die Markteintrittsbar- Unterkunfts- und Verpflegungsbetriebe, sondern rieren für Gründer*innen eher niedrig sind. auch deren Lieferanten, wie z.B. Kapitalgeber, das Baugewerbe oder landwirtschaftliche Betriebe. 2. Ökologische Dimension Wichtig: Wertschöpfung leistet dann In einem erweiterten Sinn kann der Begriff Wert- einen Beitrag zur nachhaltigen Entwick- schöpfung auch für die Generierung positiver öko- lung in ESL, wenn ihre ökonomische, öko- logischer Wirkungen stehen. So kann und sollte logische und soziokulturelle Dimensionen der Tourismus auch zum Schutz der Biodiversität im Einklang miteinander betrachtet und beitragen. Denn die natürlichen Ressourcen einer gefördert werden. Im Wesentlichen sind Region – Landschaft, Vegetation, Artenvielfalt – die wertschöpfenden Tätigkeiten hierfür sind wichtige und damit schützenswerte Grundla- so zu gestalten, dass möglichst viele und gen des Tourismus. gerade benachteiligte Menschen an der generierten Wertschöpfung partizipieren Gleichzeitig geht es im Tourismus aber auch und gleichzeitig ökologische Belastun- darum, die mit der Reisetätigkeit verbundenen gen, die durch Wertschöpfungsprozesse ökologischen Belastungen zu minimieren. Zu entstehen, minimiert werden. diesen Belastungen zählen insbesondere D die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes sowie Eingriffe in (empfindliche) Ökosysteme und Flächenzerschneidung sowie Flächenver- siegelung durch Infrastrukturmaßnahmen, D die Zerstörung von Landschaft, Ressourcen- verbrauch und Emissionen durch Aktivitäten vor Ort (z.B. Müllproduktion, Zerstörung von Korallenriffen durch Taucher oder Verdrängen von Wildtieren aus ihrem Revier) sowie D der Energieverbrauch und Emissionen durch den Transport vor Ort, vor allem aber durch die An- und Abreise. // 11
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Übergeordnete Ziele einer nachhaltigen, wertschöpfenden Tourismusentwicklung Aus dem beschriebenen ganzheitlichen Verständnis von regionaler Wertschöpfung lassen sich drei kon- krete Ziele ableiten. Sie bilden einen grundsätzlichen Rahmen einer nachhaltigen, wertschöpfenden Tou- rismusentwicklung und sollten bei jeder EZ-Intervention leitend sein. Konkret benötigt werden sie, um einzelne wertschöpfende Tätigkeiten oder ganze Prozesse zielgerichtet zu gestalten (vgl. hierzu Leitfaden, Schritt 4: Ziele definieren). Ziel 1: Steigerung Die Förderung der regionalen Wertschöpfung im ökonomischen Sinne der ökonomischen Wertschöpfung stellt ein zentrales Ziel von EZ-Interventionen in der Wertschöpfungs- durch den Tourismus kette dar. Denn hieraus resultieren vielfältige positive Effekte für den Standort, wie vor allem Einkommenseffekte und Impulse für die Infrastrukturentwicklung. Ziel 2: Optimierung Die natürlichen Grundlagen des Tourismus, wie Landschaft, der ökologischen Effekte Vegetation und Artenvielfalt sind zu fördern und zu schützen. des Tourismus Die mit der Reisetätigkeit verbundenen Belastungen müssen gleich- zeitig minimiert werden. Ziel 3: Verbesserung Es gilt, die Potenziale zur Verbesserung der Lebensqualität möglichst soziokultureller Effekte vieler Menschen zu erschließen sowie mit dem Tourismus verbundene des Tourismus Risiken für das soziale System, wie z.B. Überfremdung oder Aus- beutung auf dem touristischen Arbeitsmarkt, zu minimieren. Hinweis: Die drei Ziele sind eng miteinander verzahnt und verstärken sich gegenseitig. Wird ökonomische Wertschöpfung durch die Integration regionaler Unternehmen in den Wert- schöpfungsprozess erreicht, werden z.B. gleichzeitig die Emissionen gemindert, die durch den Transport der Leistungen entstehen. Kommt die ökonomische Wertschöpfung über Löhne und Gehälter breiten Bevölkerungsschichten zugute, entsteht soziokulturelle Wertschöpfung. Umge- kehrt können Investitionen in ökologische Standards im Tourismus die Nachfrage nach einem Produkt erhöhen und die ökonomische Wertschöpfung steigern. // 12
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Teil 2: Wertschöpfungskette: Was man wissen muss Mit dem Begriff „Wertschöpfungskette“ werden unterschiedliche Inhalte verbunden. So beschreibt „Wertschöpfungskette“ einerseits den Wertschöpfungsprozess von Produkten oder auch Dienstleistungen und andererseits einen Managementansatz, der hilft, strategische Ziele systematisch zu erreichen. Diese strategischen Ziele können entsprechend der Ansätze der jeweiligen EZ-Projekte definiert werden. Das folgende Kapitel dient daher vor allem der Klärung und Abgrenzung des Begriffs. Wertschöpfungskette als Prozess Wertschöpfung ist ein Prozess, der sich entlang Wertschöpfungsprozesse sind meist komplex und der gesamten Leistungserstellung eines Produktes werden geprägt durch eine Vielfalt an Prozessen, vollzieht: von der Rohstoffgewinnung bis zum Akteuren und Interessen. Zu den Akteuren können Konsum durch die Endkunden und – idealerweise neben Unternehmen auch öffentliche oder zivil- – darüber hinaus bis zum Recyclen, Aufwerten gesellschaftliche Organisationen gehören, denen oder Wiederverwerten eines Produktes (vgl. Box im System wichtige Funktionen zukommen. So „Wertschöpfungskette und Kreislaufwirtschaft“, könnte bei dem dargestellten Beispiel eine Touris- S. 14). Die Wertschöpfungskette beschreibt diesen musorganisation den Bedarf an Möblierung vieler Prozess, in dem jede Tätigkeit Werte schafft, Unterkünfte bündeln, um eine regionale Produk- Ressourcen verbraucht und wiederum mit anderen tion wirtschaftlich tragfähig zu machen. Tätigkeiten verbunden ist. Das betrachtete Objekt einer Wertschöpfungskette ist immer ein Produkt oder eine Dienstleistung. Abb. 1 zeigt diesen Prozess am Beispiel Möbelproduktion für die Hotellerie. Abb. 1: Wertschöpfungskette am Beispiel Möbelproduktion für die Hotellerie Wertschöpfungsprozess allgemein Vorleistungen Primärproduktion Verarbeitung Handel Konsum Wertschöpfungsprozess Möbelproduktion – Aktivitäten Boden Setzlinge › Bewirtschaftung, Holzproduktion › Produktion von Möbeln › Verkauf › Möblierung Hotelerie Wertschöpfungsprozess Möbelproduktion – Akteure Landbesitzer, Forstwirtschaft Sägewerk, Groß- und Hotels Baumschule Schreiner Einzelhandel Unterstützende Institutionen, Ministerien, Behörden, Wirtschaftsverbände, Destination Managment Organisation // 13
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Box: Wertschöpfungskette und Kreislaufwirtschaft Kreislaufwirtschaft beschreibt ein regenerati- von Ressourcen, zu den Grenzen der Belastbarkeit ves System, in dem der Einsatz von Ressourcen des Ökosystems und zum Gedanken der Nachhal- sowie die Produktion von Abfall und Emissionen tigkeit. im Rahmen von Energie- und Materialkreisläufen minimiert werden. Verbindung von Kreislaufwirtschaft und Wertschöpfungskette Wichtige Ansatzpunkte einer Kreislaufwirtschaft Das Konzept der regionalen Wertschöpfung weist sind: große Schnittmengen mit dem der Kreislaufwirt- D der Einsatz nachwachsender Rohstoffe und schaft auf. Dies gilt vor allem, wenn unter Wert- regenerativer Energien, schöpfung neben dem ökonomischen Beitrag eines D eine langlebige Konstruktion von materiellen Wertschöpfungsprozesses auch seine ökologischen Gütern, Wirkungen betrachtet werden. Abb. 2 zeigt eine D die Instandhaltung und Reparatur dieser Übertragung der Prinzipien der Kreislaufwirtschaft Güter, auf die Wertschöpfungskette. D deren Wiederverwendung sowie D das Recycling von Produkten. Hinweis: Tourismus als entwicklungspo- Kreislaufwirtschaft ist der Gegenentwurf zur Line- litisches Instrument bietet erhebliche arwirtschaft, in der der Großteil der eingesetzten Potenziale zur Förderung von Kreislauf- Rohstoffe verarbeitet, verkauft, genutzt und dann wirtschaft (vgl. hierzu Impuls 3: Kreislauf- weggeworfen und nicht wiederverwertet wird. Dies wirtschaft und Entrepreneurship, S. 70) steht offenkundig im Widerspruch zur Endlichkeit Abb. 2: Kreislaufwirtschaft in der Wertschöpfungskette › Erhöhung der Langlebigkeit Veränderung von › Basis für Wiederverwertung schaffen Nutzungsmustern und › Abfall und Emissionen verhindern Geschäftsmodellen Vorleistungen Primärproduktion Verarbeitung Handel Konsum Reparieren Ressourceneinsatz reduzieren Wiederverwenden Ersetzen Aufwerten Recyclen // 14
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Wertschöpfungskette versus Wertschöpfungssystem Die Akteure der Wertschöpfungskette sind mit den Wertschöpfungsketten von Lieferanten verbunden, Hinweis: Während der Begriff „Wert- die durch unterschiedliche Produkte und Dienst- schöpfungskette“ den linearen Prozess leistungen den Wertschöpfungsprozess unterstüt- der Produktion eines Produktes oder zen. Im Tourismus beschreiben „Lieferketten“ den einer Dienstleistung beschreibt, charak- Wertschöpfungsprozess derjenigen Produkte und terisiert der Begriff Wertschöpfungssys- Dienstleistungen, die eingekauft werden müssen, tem ein komplexes System mit Verbin- um die Reise zu „produzieren“. Ansatzpunkte zur dungen zwischen Akteuren verschiedener Förderung der regionalen Wertschöpfung im Rah- Wertschöpfungsstufen. men von EZ-Projekten lassen sich sowohl in der Wertschöpfungskette finden als auch in den Liefer- ketten. Gemeinsam bilden sie ein Wertschöpfungs- system. Im Falle der Möbelproduktion benötigt der forstwirtschaftliche Betrieb zum Beispiel Kapital von einem Kreditinstitut, um Kettensägen von einem Maschinenbauunternehmen zu kaufen und wird eine Versicherung abschließen, die ihn bei Unfällen absichert. Diese direkten Lieferanten der Wertschöpfungskette bilden die sogenannte zweite Wertschöpfungsstufe. Abb. 3: Wertschöpfungssystem am Beispiel Möbelproduktion für die Hotellerie Wertschöpfungsprozess allgemein Vorleistungen Primärproduktion Verarbeitung Handel Konsum Wertschöpfungsprozess Möbelproduktion – Aktivitäten Boden Setzlinge › Bewirtschaftung, Holzproduktion › Produktion von Möbeln › Verkauf › Möblierung Hotelerie Wertschöpfungsprozess Möbelproduktion – Akteure } Unterstützende Institutionen, Ministerien, Behörden, Wirtschaftsverbände, DMO Wertschöpfungssystem Landbesitzer, Forstwirtschaft Sägewerk, Groß- und Hotels Baumschule Schreiner Einzelhandel Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten // 15
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Wertschöpfungskette als Managementinstrument Die Tätigkeiten innerhalb der Wertschöpfungs- kette und ihre Verknüpfungen untereinander Hinweis: Dem zielgerichteten Management lassen sich vor dem Hintergrund von Zielen und der Schnittstellen und der Beziehun- Strategien analysieren, bewerten und gestalten. gen innerhalb der Wertschöpfungskette So ist beispielsweise ein schonender Umgang mit kommt eine große Bedeutung zu. Denn Ressourcen ein wichtiges Ziel einer nachhaltigen erst im Zusammenspiel vieler verschie- Tourismusentwicklung. Mithilfe der Wertschöp- dener Handlungen entstehen effiziente fungskette lassen sich die Tätigkeiten innerhalb Prozesse, die auf definierte Ziele, wie die des Wertschöpfungsprozesses unter dem Gesichts- Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, punkt des Ressourcenverbrauchs analysieren, um einzahlen. Eine gezielte Gestaltung von Ansatzpunkte zur Reduzierung des Verbrauchs zu Wertschöpfungsketten trägt dazu bei, identifizieren und entsprechende Maßnahmen zu dass nicht nur einzelne Akteure, sondern ergreifen. So verstanden, ist die Wertschöpfungs- das System als Ganzes profitiert und kette weit mehr als ein Modell zur Strukturierung übergeordnete Ziele - insbesondere auch und Beschreibung von Prozessen. Sie ist ein Inst- entwicklungspolitisch relevante Ziele - rument, das Managementprozesse bzw. strategisch erreicht werden. geplante EZ-Projekte in allen Phasen unterstützt (vgl. Abb. 4). Abb. 4: So unterstützt die Wertschöpfungskette den Managementprozess Planungsphase Die Wertschöpfungskette unterstützt Durch die Bewertung der Ist-Situation Die erzielte Wirkung kann jederzeit dabei, die zentralen wertschöpfenden vor dem Hintergrund von Zielen und auf Grundlage aktueller Daten zum Prozesse zu strukturieren, die relevanten Stragegien können die richtigen Wertschöpfungsprozess (z.B. durch Akteure zu identifizieren und die Handlungsschwerpunkte (z.B. Tätig- ein regelmäßiges Monitoring des Leistungen im Prozess zielgerichtet keiten mit Potenzial zur Minderung Ressourceneinsatz) kontrolliert zu analysieren (z.B. Erfassung des von Ressourcenverbrauch) abgeleitet werden. Bei Bedarf lassen sich Ressourcenverbrauchs). und Maßnahmen geplant werden. Maßnahmen zur Korrektur und Steuerung der Entwicklung ableiten. Analysephase Kontrollphase // 16
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Teil 3: Tourismus: Was man wissen muss Tourismus ist ein Wertschöpfungssystem mit spezi- fischen Merkmalen und Rahmenbedingungen. Hinweis: Das touristische Produkt ist die Ein wesentlicher Baustein dieses Systems ist das Reise in ein bestimmtes Zielgebiet. Je touristische Produkt, das verkauft werden soll, um nach Reisemotiv, Reiseaktivitäten oder Wertschöpfung zu erzielen. auch Reiseziel lassen sich verschiedene Wer das touristische Wertschöpfungssystem gestal- Arten von Tourismusprodukten unter- ten, fördern und für eine nachhaltige Entwicklung scheiden, wie z.B. die Geschäfts- oder nutzen möchte, muss die verschiedenen Merkmale Erholungsreise, der Wander- Bade- oder des touristischen Produkts berücksichtigen, die Kultururlaub oder der Städte-, Land- im folgenden Kapitel vorgestellt werden. Eine oder Küstenurlaub. besondere Eigenschaft des Tourismus ist zudem seine besondere Eignung, regionale Wertschöpfung zu generieren. Die zentralen Faktoren, die hierzu beitragen, sind am Ende dieses Kapitels in der Box: Tourismus als Treiber der regionalen Wertschöp- fung zusammengefasst. // 17
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS 1. Das touristische Produkt ist ein Leistungsbündel Das touristische Produkt setzt sich aus zahlrei- chen Bausteinen und Teilleistungen zusammen, Was heißt das für die touristische die von vielen verschiedenen Akteuren erbracht Wertschöpfung? bzw. gestaltet werden. Die wichtigste Grund- Die touristische Wertschöpfung wird – lage der touristischen Leistungserstellung – und direkt oder indirekt - durch zahlreiche damit wichtig für die Wertschöpfung – bildet das und sehr verschiedene Akteure generiert. ursprüngliche Angebot einer Destination. Dazu Die Interessen dieser Akteure können gehören die natürlichen und soziokulturellen Res- sehr unterschiedlich sein. Während sourcen sowie die grundlegende Infrastruktur, wie Unternehmen Gewinne erzielen möch- z.B. die Energieversorgung. Auf ihnen basiert das ten, geht es öffentlichen Institutionen speziell für den Tourismus entwickelte abgeleitete um die Interessen der Bürger*innen und Angebot, z.B. das Gastgewerbe, die Gästeinforma- Naturschutzverbänden um den Schutz der tion, das touristische Transportwesen, Wanderwege natürlichen Ressourcen. Auch EZ-Pro- oder Events. jekte mit touristischem Bezug werden immer mit einer ausgeprägten Inter- essenvielfalt konfrontiert sein. Damit die touristischen Akteure langfristig wertschöpfend und zielgerichtet zusam- menwirken können, ist es wichtig, die verschiedenen Interessen zu berücksich- tigen und in Einklang zu bringen. Abb. 5: Dimensionen des touristischen Angebotes einer Destination Touristisches Angebot Ursprüngliches Angebot Abgeleitetes Angebot Natürliche Ressourcen Touristische Grundausstattung • Landschaft • Touristische Erschließung • Klima, Wetter • Touristische Wegenetze • Flora, Fauna • Besucherzentrum, Gästeinformation Soziokulturelle Ressourcen Touristische Dienstleistung • Baukulturelles Erbe • Beherbergung, Verpflegung • Brauchtum, Tradition • Reiseberatung, -organisation • Sprache, Mentalität • Touristisches Transportwesen Allgemeine Infrastruktur Freizeitangebote • Politik, Soziales, Bildung • Sportangebot • Ver- und Entsorgung • Kultur-, Bildungsangebote • Verkehrswesen • Gesundheits-, Wellnessangebote • Kommunikation • Events Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Freyer, W., 2015 // 18
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS 2. Das touristische Produkt ist eine Dienstleistung Beim größten Teil der touristischen Leistungs- erstellung handelt es sich um Dienstleistungen. Was heißt das für die touristische Dazu gehören zum Beispiel der Transport, die Wertschöpfung? Unterbringung oder die Erholungsmöglichkeiten. Dienstleistungen haben bestimmte Eigenschaften, >U no-actu-Prinzip: Der Wertschöp- die bei der Betrachtung von Wertschöpfungs- fungsprozess einer Dienstleistung prozessen eine Rolle spielen. Zum Beispiel fällt unterscheidet sich deutlich von dem bei einer Dienstleistung die Produktion zeitlich Prozess, den materielle Güter durchlau- mit ihrem Konsum zusammen. Durch dieses so fen. Insbesondere liegen touristisches genannte Uno-actu-Prinzip wird die Kundschaft Marketing und Vertrieb zeitlich vor der als „externer Faktor“ Teil der Leistungserstellung. Produktion. Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass Dienst- leistungen nicht gelagert werden können. > Integration des externen Faktors: Der Wertschöpfungsprozess ist nicht vollkommen planbar, da die Gäste an diesem mitwirken. Gäste können dabei tolerant und höflich sein oder auch fordernd und kritisch. Touristische Dienstleistungen sind deshalb immer individuelle Interaktionen. Hinzu kommt, dass die Gäste die Leistung subjektiv erleben. So ist ein Konzert, das man mit Kopfschmerzen erlebt, vermutlich weniger attraktiv. >N icht-Lagerfähigkeit: Wird eine Leistung nicht abgerufen, z.B. eine Übernachtung im Hotel, entsteht keine Wertschöpfung. Sowohl die touristische Leistungs- erstellung als auch das Marketing müssen deshalb auf eine optimale Auslastung vorhandener Kapazitäten hinwirken, z.B. indem besondere Ange- bote für die Nebensaison geschaffen werden. // 19
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS 3. Das touristische Produkt ist ein Leistungsprozess Aus Gästesicht lässt sich das touristische Leistungs- bündel als Prozess beschreiben, den Gäste auf ihrer Was heißt das für die touristische Wert- Reise durchlaufen. Dieser Prozess wird als „Custo- schöpfung? mer Journey“ bezeichnet. Sie lässt sich in Phasen und Teilschritte gliedern, in denen Gäste mit > T ouristische Wertschöpfung entsteht Leistungen der Destination in Kontakt kommen. durch die Vernetzung zahlreicher Diese Kontaktpunkte nennt man „Touchpoints“. Akteure und deren Leistungen. Damit Abb. 6 zeigt beispielhaft die Customer Journey ein bedürfnisgerechtes Gesamtangebot eines Wanderurlaubs. entsteht, müssen die Teilleistungen aufeinander abgestimmt werden und die Schnittstellen so gestaltet sein, dass Gäste sie – im Idealfall – gar nicht wahrnehmen. Der Koordination der Leis- tungsträger sowie dem Management der Schnittstellen kommt im Tourismus daher eine enorme Bedeutung zu – eine Aufgabe, die idealerweise leistungsfä- hige Tourismusorganisationen überneh- men. Die EZ kann jedoch unterstützen und Impulse setzen (vgl. hierzu Kap. 2). Abb. 6: Die Customer Journey - Beispiel Wanderurlaub Customer Journey planen, buchen an-/abreisen übernachten verpflegen versorgen mobil sein aktiv sein Phasen suchen, planen Details planen zur Unterkunft Wanderstöcke Informationen Wanderführer weg gelangen zum Wander- Wanderkarte Route finden organisieren aufmerksam übernachten Landschaft Restaurant ankommen ausleichen verpflegen Customer unterwegs besuchen gelangen anreisen erleben werden Gepäck buchen buchen kaufen Journey Teilschritte fte ün ze rk f e e r a n ite n et r rte ure te lte en s eb Un r v iten ta o eg ge chil ür T eis s-W s of e W int t ich e or h n h n n e r chk f oo rifte ice pme l M ng ng h p r en l ck ice ice e te dl e e sit e s s Ba r cia rbu v kt hu vic de i lin ogs a n mit a n e un a n hre ia eh e v e ge App a n ögl u p i h Au pun t Ge r s e r Se Equ Lu e To Ve sho W B uc ed Ou t s c E i ake W r -M se n, e E i s er po r fü t l rm W r fr rb r- rr Customer g e i r e- e t es ze ih tie ha de de de de de de sp ne hr sf sf rle sg pä ch nc td rv ug an an an fü an eb an nk ns PR On So Fa Journey Fl W W W W W Ei Tr Tr Tr Touchpoints // 20
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Box: Tourismus als Treiber regionaler Wertschöpfung Tourismus kann aus verschiedenen Gründen einen entscheidenden Beitrag zur regionalen Wertschöpfung und Entwicklung in ESL leisten – und ist deshalb ein wirkungsvolles Instrument für die EZ, um übergeordnete entwicklungspolitische Ziele zu erreichen. D Auch wenn die Reise vor allem im Zielge- D Tourismus schafft ortsgebundene Arbeits- biet stattfindet: Tourismus ist ein Exportgut, plätze, die nicht ins Ausland verlagert werden denn er bringt ausländische Währung ins können, und bietet Menschen unterschied- Inland. Für einen großen Teil aller Entwick- licher Qualifikationen sowie gerade auch lungsländer ist Tourismus der bedeutendste benachteiligten Bevölkerungsgruppen (z.B. Devisenbringer und damit ein essenzieller Frauen) Beschäftigung. volkswirtschaftlicher Pfeiler, der auch und gerade kleinen und mittleren Unternehmen D Tourismus bietet geringe Eintrittsbarrieren für Absatzchancen bietet. neue Anbieter und damit eine gute Ausgangs- position für die Gründung von touristischen D Aufgrund ihres Charakters als Querschnitts- Unternehmen, wie z.B. Restaurants und Cafés, branche profitieren nicht nur Unternehmen Führungen und Exkursionen oder die Veran- aus dem Gastgewerbe von touristischen staltung von Events. Umsätzen, sondern auch angrenzende Wirtschaftsbereiche wie der Einzelhandel, D Über Steuereinnahmen leistet der Tourismus Freizeitanbieter, Landwirtschafts- oder einen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Handwerksbetriebe. Hier liegt zugleich ein Haushalte und stimuliert Investitionen in die großes Potenzial zur Steigerung der regionalen örtliche Infrastruktur. Dies steigert nicht nur Wertschöpfung, indem regionale Unterneh- die touristische Angebotsqualität, sondern men in das touristische Wertschöpfungssystem auch die Lebensqualität der Bevölkerung. integriert werden. D Die Tourismusbranche ist geprägt durch eine große Anzahl klein- und mittelständischer Betriebe. Das bedeutet, dass zahlreiche Unter- nehmen von touristischen Umsätzen profi- tieren und eine große Breitenwirkung erzielt werden kann. // 21
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Teil 4: Wertschöpfungssystem Tourismus Der Tourismus ist ein besonders komplexes Wertschöpfungssystem. Es umfasst viele Prozesse zur Erstel- lung von Leistungen, die direkt oder indirekt Wertschöpfung generieren und durch zahlreiche Anbieter der Tourismusbranche sowie angrenzender Wirtschaftsbereiche in mehreren Wertschöpfungsstufen erbracht werden. Abb. 7 bietet einen Gesamtüberblick über die zentralen Elemente des Wertschöpfungs- systems Tourismus. Dieser soll Verantwortlichen von EZ-Projekten helfen, die Strukturen, Schnittstellen und Prozesse im touristischen Wertschöpfungssystem zu verstehen, um auf dieser Basis EZ-relevante Interventionen zu entwickeln und erfolgreich umzusetzen. Überblick: Zentrale Elemente des touristischen Wertschöpfungssystems Customer Journey als Grundstruktur telpunkt der Betrachtungen zu rücken. Aus diesem Grund orientiert sich das vorliegende Modell an Im Idealfall sind die Tätigkeiten und Prozesse im den zentralen Phasen der Customer Journey (vgl. touristischen Wertschöpfungssystem eng mitein- Kap. 1, Teil 3). Hinter jeder Phase stehen Leistun- ander verzahnt und schaffen im Ergebnis bedürf- gen, die Gäste auf ihrer Reise in Anspruch nehmen nisgerechte Reiseerlebnisse. Damit das in einer und Anbieter, die diese Leistungen erbringen. Jede wettbewerbsintensiven Branche wie dem Touris- Phase, jede Leistung, jeder Akteur kann im jeweili- mus gelingt, ist es sinnvoll, die Gäste in den Mit- gen EZ-Projektkontext relevant sein. Abb. 7: Überblick über das Wertschöpfungssystem Tourismus Quellgebiet ›‹ Zielgebiet Zielgebiet planen, buchen an-/abreisen übernachten verpflegen mobil sein versorgen erholen, aktiv sein Touristisches Wertschöpfungssystem Touristische Lieferkette Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten Lieferanten › › › › › › › › Wertschöpfungskette Reisveranstalter, Transport- Unterkunfts- Transport- Handel und Freizeit- Spezielle Gastronomie Reisebüros unternehmen betriebe unternehmen Dienstleister anbieter Anbieter Touristische Tourismusorganisation, DMO Lokale, regionale Gebietskörperschaften, Kulturinstitutionen, Naturschutzverbände Customer Akteure MIKROEBENE Akteure MESOEBENE Akteure MAKROEBENE Journey Direkte Wertschöpfung Unterstützung Grundlagen // 22
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Touristische Wertschöpfungskette Touristische Lieferketten Die touristische Wertschöpfungskette beschreibt Damit die touristischen Anbieter ihre Leistungen den Prozess der wertschöpfenden Tätigkeiten bei erstellen können, müssen sie viele verschiedene der Erstellung des touristischen Produkts, also Leistungen einkaufen, wie z.B. Wanderausrüs- z.B. einer Wanderreise. Gemeinsam bilden diese tung zum Verkauf im Einzelhandel. Auch diese Leistungen die erste Wertschöpfungsstufe. Produkte und Dienstleistungen durchlaufen Wertschöpfungsprozesse. Aus der Perspektive Funktionsebenen des Tourismus betrachtet sind dies Lieferketten. Innerhalb der touristischen Wertschöpfungskette Gemeinsam bilden sie weitere Wertschöpfungs- ist zwischen verschiedenen Funktionsebenen zu stufen, auf denen touristisch bedingte Umsätze unterscheiden: generiert werden. D Akteure der Mikroebene erzeugen durch ihre Leistungen unmittelbar Wertschöpfung, wie z.B. der Taxifahrer, der Gäste vom Hotel zum Hinweis: Auch Lieferketten beschreiben Startpunkt ihrer Wanderung bringt und hier- einen Prozess der Leistungserstellung durch Umsatz generiert. von der Rohstoffgewinnung bis zum D Akteure der Mesoebene unterstützen die Konsum des Produktes. Die Bezeich- Akteure der Mikroebene dabei, Wertschöp- nung „Lieferkette“ bringt die Perspektive fung zu generieren, z.B. durch übergreifende zum Ausdruck, aus der dieser Prozess Marketingaktivitäten. betrachtet wird - in unserem Fall näm- D Akteure der Makroebene stellen bestimmte lich die Perspektive der touristischen Grundfunktionen sicher, z.B. durch die Wertschöpfungskette im Kontext der EZ. Instandhaltung des Wanderwegenetzes. Die verschiedenen Elemente des touristischen Wertschöpfungssystems werden im Folgenden näher erläutert. // 23
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Funktionsebenen im touristischen Wertschöpfungsprozess Das touristische Produkt besteht aus verschiede- nen Arten von Leistungen und dahinterstehenden Akteuren. Im Hinblick auf ihre Funktionen im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses können die Mikroebene, die Mesoebene und die Makroebene unterschieden werden. Abb. 8: Funktionsebenen im touristischen Wertschöpfungsprozess Mikroebene: Funktionen, die unmittelbar zur touristischen Wertschöpfung beitragen › › › › › › Information, Unter- Lokaler Aktivitäts- Bündelung, Transport Verpflegung Versorgung bringung Tansport angebote Buchbarkeit Mesoebene: Unterstützende Funkionen, von denen alle profitieren Strategische Stakeholder Bereitstellung Professionalisierung Produktentwicklung Kommunikation Planung Management von Angeboten & Qualitäts- & Marken- & Vertrieb management erlebnisse Makroebene: Grundlegende Angebotselemente und Funktionen für den Tourismus Natürliche Soziokulturelle Allgemeine Touristische Grundlegende Rechtliche und Ressourcen Ressourcen Infrastruktur Erschließung touristische politische Infrastrukturen Rahmenbedingungen // 24
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Makroebene: die Grundlagen des Tourismus Die Makroebene umfasst grundlegende Angebotselemente und Funktionen als Voraussetzung, damit sich der Tourismus in der Region entwickeln kann. Zu den Funktionen der Makroebene und zu den Aufgabenträger auf der Makroebene sind häu- wichtigsten touristischen Angebotsbausteinen fig öffentliche Institutionen, die entsprechende überhaupt gehören die natürlichen und soziokultu- Aufgaben im Rahmen der Standort- bzw. Wirt- rellen Ressourcen einer Region: ihre Landschaft, schaftsförderung erfüllen, aber auch Vereine und das Klima, die Vegetation, das baukulturelle Erbe, Verbände, die sich für den Schutz und die Förde- Brauchtum und vieles mehr. Ihnen kommt im rung grundlegender Ressourcen einsetzen (z.B. Rahmen der Reiseentscheidung eine große Bedeu- Wirtschafts-, Naturschutz- oder Kulturverbände). tung zu. Die Aufgabe der EZ liegt hier insbesondere darin, die handelnden Akteure zu beraten und zu befähi- Wichtig ist zudem, dass die politischen und recht- gen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dies lichen Rahmenbedingungen existieren, um den Tou- erfolgt idealerweise auf der Grundlage von Daten rismus zu entwickeln. So wird ein Mindestmaß an und Fakten, die im Rahmen von Studien und Stabilität und Sicherheit benötigt, funktionsfähige Untersuchungen ermittelt werden. staatliche Instanzen sowie grundlegende Versor- gungsstrukturen (z.B. Elektrizität und Wasser). Wichtig: Alle genannten Angebote und Hierauf aufbauend bedarf es touristischer Basis- Funktionen sind notwendige Vorausset- infrastruktur, um Wertschöpfung zu generieren. zungen für den Tourismus und wirken Dazu gehören z.B. die Erschließung von Attrak- somit indirekt auf die Wertschöpfung einer tionspunkten, Wegenetze oder ein Besucherzent- Tourismusregion. Sie müssen bereitge- rum. halten, entwickelt und geschützt werden, damit sich wertschöpfende touristische Geschäftsmodelle in der Region entwi- ckeln können. // 25
GRUNDLAGE: WERTSCHÖPFUNGSKETTE & TOURISMUS Mesoebene: die gezielte Unterstützung des Tourismus Die Mesoebene umfasst übergreifende Unterstützungsfunktionen, die für alle Tourismusunternehmen wichtig sind, und die die vielfältigen Aktivitäten so steuern, dass sie einen Beitrag zur Erreichung der gesetzten Ziele leisten. Die Tourismusregion als Konglomerat zahlreicher Stakeholder-Management: Angesichts der Akteurs- Angebote und Akteure braucht Koordination und Interessenvielfalt im Tourismus kommt dem sowie verschiedene übergreifende Funktionen, Management der unterschiedlichen Stakeholder damit aus dem Nebeneinander von Angebotsbau- eine besondere Bedeutung zu. Hier geht es u.a. steinen kundenorientierte Gesamtprodukte entste- um deren Sensibilisierung und Mobilisierung für hen. Außerdem kann der Tourismus – mit seinen gemeinsame Ziele sowie den Austausch und Dialog vielfältigen Wirkungen – nur einen sinnvollen untereinander. Übergeordnet steht das Ziel, die Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten, Kräfte der vielfältigen Akteure der Region (touris- wenn er gezielt gesteuert wird. tische Unternehmen, Fachkräfte, Bewohner*innen, Verbände, öffentliche Institutionen etc.) in eine Für die Umsetzung der hierfür benötigten Unter- gemeinsame Richtung zu bündeln. Unter dem stützungsfunktionen existieren in der Praxis ver- Gesichtspunkt, demokratische Prozesse zu stärken, schiedene Modelle und Lösungen. Häufig sind die ist die Einbeziehung der relevanten Akteure ein Aufgaben bei Behörden angesiedelt. Marketing wichtiger Anspruch an Projekte der EZ und damit aktivitäten werden oft von privatwirtschaftlichen ein sinnvoller Anknüpfungspunkt für zu planende Vereinen (z.B. Hotelverbänden) übernommen. Interventionen. Vieles spricht dafür, die Funktionen der Meso- ebene bei einer schlagkräftigen Tourismusorganisa- Bereitstellung von Angeboten: Zum touristischen tion bzw. Destination Management Organisation Angebotsbündel gehören auch Leistungen, die die (DMO) zu bündeln. Projekte der EZ können die Gäste sich wünschen oder sogar verlangen, die den Funktionen der Mesoebene punktuell bei einzel- Anbietern jedoch keine Geschäftsgrundlage bieten, nen Aufgaben bzw. Prozessen unterstützen oder weil die Kund*innen nicht bereit sind, einen dem den Aufbau nachhaltiger touristischer Organisati- Aufwand angemessenen Preis zu bezahlen. Dazu onsstrukturen begleiten. Detaillierte und praxis- gehört z.B. die Gästeinformation. Diese erzeugt orientierte Informationen hierzu finden sich im für Gäste zwar einen unmittelbaren Wert, sie trägt Handbuch „Destinationsmanagement in Schwellen- jedoch nur indirekt zur Wertschöpfung bei, weil und Entwicklungsländern“ (GIZ 2019). den Kosten ihrer Erstellung keine Erlösfunktion gegenübersteht. Die dauerhafte Bereitstellung Die Mesoebene umfasst folgende Funktionen: entsprechender Angebote ist die Aufgabe lokaler Organisationen. Die EZ kann hier jedoch bei der Strategische Planung: Jede Tourismusregion Planung und initialen Umsetzung unterstützen. benötigt Ziele, Leitlinien und Strategien als Orientierung für die Akteure und als Rahmen der Professionalisierung und Qualitätsmanagement: touristischen Entwicklung. Idealerweise erfolgt die Wenn der Tourismus eine hohe Wertschöpfung strategische Planung datenbasiert und partizipativ, generieren soll, müssen Unternehmen aus der damit die Ergebnisse von allen getragen werden. Region in die Lage versetzt werden, sich über die Die Zielerreichung muss regelmäßig evaluiert und Angebotsqualität auf dem Markt zu positionieren die Strategie weiterentwickelt werden. Die EZ und kundenorientierte Angebote zu erstellen. kann den strategischen Planungsprozess sowohl Sonst laufen Anbieter schnell Gefahr, in einen bei der Schaffung von Datengrundlagen durch intensiven Preiswettbewerb zu geraten. Hier gilt es, Recherchen und eigene Untersuchungen unterstüt- durch Qualifizierungsangebote sowie eine systema- zen als auch bei der Durchführung von partizipati- tische Entwicklung und Sicherung von Qualität ven Prozessen sowie bei der Entwicklung effektiver die richtigen Impulse zu setzen. Aufgrund des Controllinginstrumente. Bildungsauftrags der EZ liegt gerade im Bereich Qualifizierung touristischer Fachkräfte ein wesent- licher Ansatzpunktpunkt für Interventionen. // 26
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