Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)

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Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
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Die Wiedervereinigung der Netze
in Europa, Deutschland und Thüringen
(Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
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    Die Wiedervereinigung der Netze
    in Europa, Deutschland und Thüringen
    (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
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    Inhaltsverzeichnis
     5   0 Einführung                                                      102   5 Das Gastnetz in der DDR und die Entwicklung mit der Wende
                                                                           102   Gasversorgung Thüringen im Zeichen der Wiedervereinigung
     7   1 Trennung des Deutschen Verbundnetzes und die Zeit bis zur       102   Für Thüringen ist die Gasversorgung des Raumes Sonneberg
           Wiedervereinigung                                                       von Interesse
     7   Beginn des Verbundnetzes                                          103   1990 – Jetzt kommt Erdgas!
    10   Trennung des Verbundnetzes in Ost und West                        106   Erdgasleitung Hessen (Vitzeroda)–Thüringen–Sachsen
    13   Stromlieferung von Ost nach West                                  107   STEGAL (Sächsisch-Thüringische Erdgasleitung)
    25   Elektrische Wiedervereinigung                                     107   Regionale Erdgasleitungen
    34   Quellenverzeichnis                                                108   Strukturelle Änderungen in der Gasversorgung
                                                                           109   Erdgasumstellung
    38   2 Netztechnische Maßnahmen zur Wiedervereinigung des              110   Quellenverzeichnis
             Verbundnetzes in Deutschland
    38   Ohne Trennung keine Wiedervereinigung – ein kurzer Überblick      114   6 Die kommunikationstechnische Wiedervereinigung
    40   „Elektrische Annäherung“ in der 2. Hälfte der 1980er Jahre                Deutschlands
    44   Netztechnische Vorbereitungen zum DVG/UCPTE-Anschluss ab          114   Einführung und Konzeption
             1990                                                          118   Die Nachrichtenanlagen der DDR Ende 1989: auf dem Niveau
    47   Realisierung der Kuppelleitungen bis 1995                                 eines Entwicklungslandes
    48   Schaltfolge der Elektrischen Wiedervereinigung am 13. September   130   Das Vereinigungswerk startete bereits vor der politischen Wieder-
             1995 ...                                                              vereinigung
    48   ... und die „Ost-Erweiterung des UCPTE-Netzes“ am 18. Oktober     140   Das Programm „Aufbau Ost“
             1995                                                          161   „Aufbau Ost“: Technologie-Treiber für den Westen
    50   Zusammenfassung                                                   163   Zusammenfassung
    53   Quellenverzeichnis                                                165   Quellenverzeichnis

    56   3 Die Wiedervereinigung des Deutschen Verbundnetzes               174   Autorenverzeichnis
    74   Quellenverzeichnis

    78   4 Entwicklung des Bahnstromnetzes in Deutschland
    78   Die Entwicklung des elektrischen Streckennetzes
    82   Die Netzentwicklung bis 1945
    86   Der Neuanfang nach Kriegsende 1945
    89   Demontagen im Netz
    89   Neubeginn in der DDR nach 1950
    94   Energieerzeugung im Ostnetz bis 1990
    94   Das dezentrale Bahnenergienetz der DR
    95   Das Zusammenwachsen der getrennten Netze
    99   Quellenverzeichnis
Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
4                                                                                                                                                        5

                                                                   Einführung
                                                                   Axel-Rainer Porsch und Walter Schossig,
                                                                   AK Stromgeschichte Thüringens der TEAG Thüringer Energie, VDE Thüringen

                                                                   Am 13.09.1995 kam es nach einer über         Auch ist dieses Umspannwerk für das
                                                                   40-jährigen Trennung des Verbundnetzes       110-kV-Netz der TEAG Thüringer Energie
                                                                   sowie bereits am 14.03.1995 nach einer       AG ein wichtiger Knotenpunkt. Durch
                                                                   50-jährigen Trennung des Bahnnetzes          den Ausbau der fluktuierenden Energien
                                                                   zur Elektrischen Wiedervereinigung           (Wind, Photovoltaik) nimmt die Bedeutung
                                                                   Deutschlands.                                ständig zu.

                                                                   Dies veranlasste die TEAG als kommunaler     Dieses Umspannwerk ist eine Basis für
                                                                   Stromversorger Thüringens – dem Land mit     die TEAG Thüringer Energie AG, um eine
                                                                   dem größten Anteil an der Grenze DDR/        sichere und stabile Energieversorgung
                                                                   BRD – zur Erarbeitung dieser Broschüre.      in Thüringen zu gewährleisten.

                                                                   In einer virtuellen Veranstaltung des VDE-
                                                                   Ausschusses Geschichte der Elektrotechnik
                                                                   berichten am 17.12.2020 Zeitzeugen der
                                                                   Betreiber vom Verbund-, Verteilungs- und
                                                                   Bahnnetz über Beginn, Trennung und
                                                                   Wiedervereinigung, ergänzt durch einen
                                                                   Beitrag über die Kommunikationstechnik.
                                                                   Nach einem Überblick über die Entstehung
                                                                   des Verbundnetzes in Deutschland, der
                                                                   Trennung des Netzes und die Entwicklung
                                                                   in West- und Osteuropa werden die Aktivi-
                                                                   täten zur Wiedervereinigung in Erinnerung
                                                                   gebracht. Der Vorgang der Netzparallel-
                                                                   schaltung und des Kommunikationsnetzes
                                                                   nach der Wende werden dargestellt.

                                                                   Thüringen spielt bei der Wiedervereini-
                                                                   gung der Netze zwischen den beiden
                                                                   deutschen Staaten und Europa keine
                                                                   unwesentliche Rolle, denn im Umspann-
                                                                   werk Erfurt-Vieselbach kreuzen sich zwei
                                                                   transeuropäische Höchstspannungs-
                                                                   Verbundleitungen (von Nord nach Süd
110-kV-Leitung Wolkramshausen (Thüringen)–Neuhof (Niedersachsen)   und von Ost nach West).
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                                                       Trennung des Deutschen Verbundnetzes und die Zeit
                                                       bis zur Wiedervereinigung
                                                       Walter Schossig, AK Stromgeschichte Thüringens der TEAG Thüringer Energie,
                                                       VDE Thüringen

                                                       Abstract
                                                       1995 kam es nach einer 40-jährigen Tren-
                                                       nung des Verbundnetzes sowie nach einer
                                                       50-jährigen Trennung des Bahnnetzes zur
                                                       Elektrischen Wiedervereinigung. Erinnert
                                                       wird an die Entstehung des Verbund­
                                                       netzes, die Abtrennung Westberlins und
                                                       der Verbindungsleitungen DDR–BRD,
                                                       die Entwicklung in Ost und West sowie
                                                       die Parallelschaltung.

                                                       Schlüsselwörter
                                                       Wiedervereinigung, Verbundnetz, Bahn-
                                                       netz, Stromexport

                                                       Beginn des Verbundnetzes
                                                       Die Entwicklung von der ortsgebundenen
                                                       Versorgung zur Überlandversorgung – sie
                                                       fiel in die Zeit etwa von der Jahrhundert-   Oskar von Miller (1855–1934)
                                                       wende bis zum Beginn des Ersten Welt-
                                                       krieges – war durch die staatliche Zerris-
                                                       senheit gehemmt. Nach der Errichtung der     Gesellschaft AG (ThELG), Gotha und der
                                                       Mittelspannungsnetze machte sich nach        Preußischen Elektrizitätswerk A.-G. kam es
                                                       dem Ersten Weltkrieg deren Verknüpfung       1925 zum Bau einer 60-kV-Kuppelleitung
                                                       durch Hochspannungsleitungen dringend        zwischen dem KW Breitungen (Thüringen)
                                                       notwendig. Dem diente das Reichsgesetz       und dem KW Borken (Hessen). Ein Jahr
                                                       von 1919, welches das Reich ermächtigte,     später erfolgt mit der Inbetriebnahme der
                                                       das Eigentum oder das Recht der Ausnut-      100-kV-Leitung Jena–Zeitz–Böhlen die An-
                                                       zung von Anlagen, welche zur Fortleitung     bindung Thüringens an Sachsen. In Berlin
                                                       mit 50 kV und mehr bzw. Erzeugung mit        wurden 1930 durch Oskar von Miller, dem
                                                       Leistungen von 5 MW und mehr, zu über-       Gründer des Bayernwerkes und des Deut-
                                                       nehmen.                                      schen Museums in München, in einem von
                                                                                                    der Reichsregierung in Auftrag gegebenen
                                                       Gemäß einem Vertrag von 1924 zwischen        Gutachten erste Pläne für ein europäisches
Aufteilung Deutschlands in die Besatzungszonen, 1945   der Thüringer Elektrizitäts-Lieferungs-      Verbundnetz vorgelegt. Am 17. April 1930
Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
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                                             Inbetriebnahme der 110-kV-Leitung
                                             ­Neuhaus–Kulmbach den Stromaustausch
                                              zwischen Thüringen und Bayern. Verhand-
                                              lungen im Jahre 1939 zwischen der Elek-
                                              trowerke A.-G. Berlin (EWAG) und der BAG
                                              über den künftigen Strombezug gingen
                                              davon aus, dass aus einer voraussichtlich
                                              im Oktober 1940 fertig gestellten 220-kV-
                                              Leitung Dieskau (bei Halle)–­Ludersheim
                                              (bei Nürnberg)–Linz (Ober­österreich)
                                              Strom für die BAG bereitgestellt wird.

                                             Im Oktober 1939 schlugen die Elektro-
                                             werke A.-G. in einer Denkschrift vor, in
                                             Deutschland ein reichseigenes 220-kV-
                                             Hochspannungs-Freileitungsnetz aufzu-
                                             bauen. Planmäßig ging dann auch 1940
                                             die 220-kV-Leitung Dieskau–Rempten-
                                             dorf–Ludersheim bei Nürnberg bis zur
Bild 1: 220-kV-Reichssammelschiene, 1941     ­österreichischen Grenze nach St. Peter
                                              bei Braunau am Inn als 220-kV-Reichs­
                                              sammelschiene in Betrieb.
fahren nach dem Konzept „Verbundwirt-
schaft“ von Arthur Koepchen, RWE, die        Ab April 1941 bezog die BAG Braun-
Steinkohlenkraftwerke im Ruhrgebiet, die     kohlenstrom der Elektrowerke A.-G. über
Braunkohlenkraftwerke im Kölner Raum,        die 220-kV-Doppelleitung Remptendorf
darunter das Goldenbergwerk, 500 MW,         (Thüringen)–Ludersheim (Bayern). Im
und die Wasserkraftwerke im Schwarzwald      darauffolgenden Dezember ist durch diese
am Hochrhein sowie in den Alpen, zu-         220-kV-Nord-Süd-Leitung das mittel-
sammen 230 MW, zum ersten Mal parallel.      deutsche Braunkohlengebiet mit den
Über eine 800 km lange 220-kV-Leitung des    bayrischen und österreichischen Wasser-
RWE ist das rheinisch-westfälische Indus-    kraftwerken verbunden (Bild 1).
triegebiet mit den Voralpen verbunden [1].
                                             1943 wird die Verbindung Mitteldeutsch-
Nachdem 1936 ein Übereinkommen der           land im Raum Magdeburg gebaut. Bild 2
Bayernwerk A.-G. (BAG) mit der Thürin-       zeigt das 220/110-kV-Netz von Mitglieds-
genwerk A.-G. über eine gegenseitige         unternehmen der im Jahre 1948 als ein-
Stromlieferungshilfe getroffen wurde,        getragener Verein gegründeten Deutschen
­ermöglichte bereits ein Jahr später die     Verbundgesellschaft (DVG) [6].

                                             Bild 2: 220/110-kV-Netz Deutschland, 1948
Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
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                                                                                                                                    Die Grenze zwischen Ostzone und West-
                                                                                                                                    zone verläuft mitten durch das Versor-
                                                                                                                                    gungsgebiet. In der Zeit nach 1950 wird
                                                                                                                                    das Verhältnis der beiden Teile Deutsch-
                                                                                                                                    lands immer schlechter, die Differenzen
                                                                                                                                    verschärfen sich – von ostdeutscher Sei-
                                                                                                                                    te kommt es zu einer folgenreichen und
                                                                                                                                    desaströsen Aktion.

                                                                                                                                    Es ist der 27. Mai 1952. Bis jetzt erhält
                                                                                                                                    die Landeselektrizität Fallersleben ihren
                                                                                                                                    Strom vorwiegend aus dem ostseits der
SMAD verhängt eine Blockade aller Landverbindungen über Straßen, Schienen- und Wasser-                                              Zonengrenze gelegenen Kraftwerk Harbke.
wege von und zu den drei Westsektoren Berlins, 24.06.1948                                                                           An diesem Dienstag, mitten in der Nacht
                                                                                                                                    um 2:30 Uhr, werden die per Vertrag
                                                                                                                                    garantierten Stromlieferungen aus Mittel-
                                                                                                                                    deutschland eingestellt, ohne Vorwarnung.
Trennung des Verbundnetzes                   Am 5. März 1952 veranlasst die DDR-­        Karte und Zeitzeugenbericht, 1952          Als erstes schaltet man die Anlagen ab.
in Ost und West                              Regierung die Abtrennung Westberlins                                                   In den folgenden Stunden werden von
                                             innerhalb von wenigen Stunden sowie                                                    östlicher Seite entlang der niedersächsi-
Mit der Kapitulation des Deutschen           die Unterbrechung der Elektroenergie­                                                  schen Grenze 36 Hoch- und Mittel­
­Reiches und dem Wirksamwerden des           lieferung aus dem KW Breitungen zum         werden von östlicher Seite entlang der     spannungsfreileitungen durchtrennt
 Potsdamer Abkommens beginnt die             Überlandwerk Rhön (ÜWR) ohne Vor-           niedersächsischen ­Grenze 36 Freileitun-   und demontiert. 120 Ortschaften sind
 ­unterschiedliche Entwicklung in den ein-   ankündigung. Auch die Landeselektri­zität   gen durchtrennt und demontiert, sodass     ohne Strom.
  zelnen Besatzungszonen [2]. Dies führt     Fallersleben bezog vorwiegend ihren         120 Ortschaften ohne Strom sind [12].
  im April 1946 im UW Remptendorf            Strom vom ostseits der Zonengrenze
  (Thüringen) zur Demontage der Abgänge      ­gelegenen KW Harbke. Am Dienstag,          1954 erfolgt die Trennung des DDR-­
  Haupt- und Regeltransformator 1 und         27. Mai 1952, wird um 2:30 Uhr ebenfalls   Verbundnetzes vom BRD-Netz, indem
  der Leitung 298 nach Dieskau im Rahmen      ohne Vorwarnung die Stromlieferung         die 110-kV-Leitung Hagenow–Boizen-
  der Reparationsleistungen.                  eingestellt. In den folgenden Stunden      burg–Bleckede vor der Elbkreuzung
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     Bild 3: Auszug aus der „HNA“, 18.04.1984

     ­ urchschnitten und die 110-kV-Leitung
     d                                            aus dem Steinkohlenkraftwerk Dolna
     KW Harbke–UW Helmstedt sowie die             Odra südlich von Stettin (PL) und dem
     220-kV-Leitung Magdeburg–Helmstedt           Kernkraftwerk Kaliningrad (Königsberg
     jeweils vor der Grenze unterbrochen          UdSSR), die vermutlich auch für die
     ­wurden. Außerdem wurde die „220-kV-         DDR-Wirtschaft von großem Nutzen
      Reichssammelschiene“ beim UW Rempten-       gewesen wären, scheiterten an der
      dorf getrennt. Das BRD-Netz wurde 1951      Regierung der DDR. So kam es schließ-
      Bestandteil der Union für die Koordinie-    lich durch Winterauswirkungen am
      rung der ­Erzeugung und des Transportes     Neujahrstag 1979 um 15:04 Uhr zur
      elektrischer Energie (UCPTE) und das DDR-   „Schwarz­schaltung“ Thüringens.
      Netz 1962 Teil der Vereinigten Energie­
      systeme (VES) „Frieden“ des Ostblockes.     Stromlieferung von Ost nach West
                                                  Im Gegensatz zu dieser großen Linie
     Zwei zwischenzeitliche Projekte aus          ­wurde die Stromlieferung von Thüringen
     dem Jahre 1973 und 1974 über den              in die damalige BRD nie ganz unterbro-
     Strombezug Westberlins und der BRD            chen (Bild 3) [8].

     Deutsches Hochspannungsnetz, 1950
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Inbetriebnahme 2 x 4 MVA 30/10-kV-UW   UW Katharinenberg
Wanfried

                                                                               Zeitungsartikel vom 21.10.1980

                                                                               Zurückzuführen ist dies auf einen Vertrag   genommen werden, blieben diese Leitun-
                                                                               des Herrn von Scharfenberg aus dem Jahre    gen für den „Energieexport“ bestehen.
                                                                               1913 über Lieferung von Strom von den
                                                                               Wasserkraftwerken Falken (Thüringen) und    Durch das Energiekombinat Erfurt (EKE)
                                                                               Wanfried (Hessen) zur ÜLZ Mühl­hausen.      wurden 1970 und 1980 zwei 30-kV-Leitun-
                                                                               Daraus wurde später ein Liefer- und         gen vom UW Katharinenberg (Thüringen)
                                                                               Rückliefervertrag mit den „Werramühlen      zum EW Wanfried (Hessen) errichtet
                                                                               ­Wanfried“. Die Überlandzentrale (ÜLZ)      (Bild 4).
                                                                                Mühlhausen betrieb über die Landes­
                                                                                grenzen Thüringen–Hessen die 10-kV-        Im Harz versorgte die EV Bleicherode die
                                                                                Leitungen Döringsdorf–Spinnhütte–          Licht- und Kraftwerke Harz (LKH) und
                                                                                Wanfried sowie Großburschla–Alten-         das Stadtwerk Bad Sachsa. Diese waren
                                                                                burschla und das Elektrizitätswerk (EW)    ebenfalls schon vor 1945 Kunden der
                                                                                ­Wanfried die 10-kV-­Leitung Wanfried–     ÜLZ Bleicherode. Die Versorgung erfolgte
                                                    Bild 4:                      Falken–Mihla.                             nun vom UW Klettenberg (Bild 6 zeigt
                                                    Distanzschutz RD10, EAW,                                               den Schutzrelaisplan) und vom EW Ellrich
                                                    UW Katharinenberg,         Als 1952/53 die grenzüberschreitenden       über 10 bzw. 15 und später 20 kV. Im
                                                    30-kV-Leitung Wanfried     Stromversorgungsleitungen außer Betrieb     EW Ellrich wird 1983 zur Verbesserung
Die Wiedervereinigung der Netze in Europa, Deutschland und Thüringen - (Strom, Bahn, Gas, und Telekommunikation)
16                                                                                                                                                                             17

Bild 7: 110-kV-Doppelleitung Wolkramshausen–Neuhof                                        Bild 8: UW Wolkramshausen, 110-kV-Schaltfeld Neuhof 1

der Spannungsverhältnisse (Bild 5) extra    Typ 1TT6328, 10 kV und 1494 U/min, der        Roteshütte (Thüringen) nach Hessen und        ­ aben und zum anderen war wegen der
                                                                                                                                        h
ein 23,24…20…16,76/20-kV-Regeltrans­        Firma Siemens (Bild 9), aufgestellt, um die   von der Station Wustung bei Liebau (der       für die DDR sehr wichtigen Devisen eine
formator, Typ TDL 2 500, TuR, 10 MVA,       Frequenzschwankungen (s. Bild 10) des         Ort Liebau wurde 1975 im Rahmen der           hohe Versorgungszuverlässigkeit gefor-
Ya0(d), zur Speisung von Röseberg (BRD)     osteuropäischen Netzes auszugleichen.         „Grenzsicherung“ liquidiert) nach Bayern      dert. Die über das BRD-Gebiet verlaufende
in Betrieb genommen.                        Für den Endausbau waren insgesamt             sowie von Potsdam zu einer Pumpstation        110-kV-Doppelleitung vom UW Rempten-
                                            5 Umformer geplant.                           in Westberlin.                                dorf (Thüringen) nach Neuhaus/Schier-
Mit steigender Leistung wurde zusätzlich                                                                                                schnitz (Thüringen) musste stillgelegt
vom UW Wolkramshausen (Thüringen)           Darüber hinaus ist lediglich noch bekannt,    Diese sogenannte „Westversorgung“ be­saß      und durch eine neu zu bauende 110-kV-
zum UW Neuhof (Niedersachsen) im Jahre      dass eine aus der Vorkriegszeit stammen-      für die DDR-Wirtschaft eine hohe Priorität.   Doppelleitung Taubenbach–Sonneberg
1985 eine 110-kV-Doppelleitung errichtet    de 15-(später 20-)kV-Leitung im Harz von                                                    1980 ersetzt werden. Zur Verbesserung
(Bild 7 und 8) und beim LKH in Neuhof ein   Benneckenstein, Energiekombinat Magde­        Zum einen durften Fehler im BRD-Netz          der Versorgung wurde automatische
Frequenzumrichter, bestehend aus zwei       burg, nach Hohegeiß (LKH) in Niedersach-      keine Auswirkungen auf das DDR-Netz           Spannungsregelung SR166 und Umschalt
Asynchronmotoren 5,2 MW, Typ 1TF6328        sen speiste. Des Weiteren gab es noch
und Asynchrongeneratoren von je 5 MW,       einige 0,4-kV-Verbindungen, wie von
                                                                                          nächste Seite Bild 6: Schutzrelaisplan Westversorgung Klettenberg/Bad Sachsa
18                                19

               1974
               1974 Inbetriebnahme
                    Inbetriebnahme 3030
                    Klettenberg
                    Klettenberg zur
                                zur sog
                                    sog
                    „Westversorgung“
                    „Westversorgung“ vv
                    Sachsa
                    Sachsa

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                                                                                                   UCPTE-Frequenz             VES-Frequenz

     Karte Grenzgebiet mit EW Ellrich             Bild 10: Tagesdiagramm des Frequenzverlaufs aus dem Jahr 1993

                                                  automatik RUmN+Rü, BRA, im UW Kletten-
                                                                                                   Jahr           Energielieferung
                                                  berg und Spannungsregler SR180, BRA, im
                                                                                                   1951                      ca. 38 GWh
                                                  EW Ellrich eingebaut.
                                                                                                   1952                      ca. 15 GWh
                                                  Da Material in der DDR immer einen Eng-          1955                      ca.15 GWh
                                                  pass darstellte, wurde extra eine Stör­          1960                      ca. 20 GWh
                                                  reserve für die Westversorgung vorge­
                                                                                                   1970                      ca. 34 GWh
                                                  halten. Die Entwicklung der Energieliefe-
                                                  rungen vom Energiekombinat Erfurt (EKE)          1980                      ca. 70 GWh
                                                  in die Bundesrepublik Deutschland von            1986                  ca. 170 GWh
                                                  1951 bis 1989 zeigt Tabelle 1.                   1989                  ca. 175 GWh

                                                                                               Tabelle 1: Lieferung EKE an BRD

     Bild 5: Typenschild, Regeltrafo EW Ellrich   nächste Seite Bild 9: Übersichtsschaltplan Frequenzumformer 1, UW Neuhof
22                                                        23

                                       PREAG-Netz 60 kV

     DDR-Netz 20 kV   LKH-Netz 20 kV
24                                                                                       25

                                                              HGK

     Geplante Hochspannungs-Gleichstrom-Kupplung Wolmirstedt, Verbundnetz Elt (VNE)

     Elektrische Wiedervereinigung                Während die Hochspannungs-Gleich-
     Am 7. März 1988 wurde eine „Vereinba-        strom-Kupplung (HGK) durch die Wende
     rung zur Regelung grundsätzlicher Fragen     gegenstandslos und dessen Bau abge-
     zur Lieferung und zur Übertragung von        brochen wurde, stellte die 380-kV-Leitung
     Elektroenergie sowie zur Schaffung der       eine wichtige Verbindung für die Ankop-
     dafür notwendigen technischen Voraus-        pelung des DDR-Netzes und später auch
     setzungen“ abgeschlossen. PreussenElek-      des Netzes der CENTREL-Staaten (Polen,
     tra, BEWAG und die DDR-Außenhandels-         Tschechien, Slowakei, Ungarn) an das
     gesellschaft INTRAC unterzeichneten am       UCPTE-Netz dar.
     21. April 1988 den Vertrag über den Bau
     einer 380-kV-Leitung Helmstedt–Wolmir-       Als erster Teilabschnitt des im März 1988
     stedt bei Magdeburg–Berlin (West) und        geschlossenen Vertrages geht am 3. Okto­
     der Einrichtung einer Hochspannungs-         ber 1989 die 380-kV-Leitung Helmstedt–
     Gleichstrom-Kupplung in Wolmirstedt zur      Wolmirstedt zunächst mit 220 kV für einen
     Kupplung mit dem 220-kV-Netz der DDR.        Richtbetrieb aus der BRD in die DDR in

     Bild 11: Deutsches Verbundnetz, 50 Hz, Stand 01.01.1996 (Quelle DVG, mod.)
26                                                                                                                               27

                                            Bild 12: Leitungen der Wiedervereinigung, Nähe Gotha, 380 kV, 50 Hz und 110 kV, 16 ⅔ Hz

                                            Betrieb. Nach den 1989 und 1990 eingetre-     DVG/UCPTE-Netz“ aus [3][7]. 1992 erfolgt
                                            tenen Veränderungen war elektrische Leis-     die Inbetriebnahme des neuen Leistungs-
                                            tung im VEAG-Netz frei und diese Leitung      Frequenz-Reglers Simatic-S5-Konfigu-
                                            wurde unter Einbeziehung eines Systems        ration mit Bedien- und Anzeigesystem
                                            der 380-kV-Leitung Ragow–Wolmirstedt          Coros [10] und im Dezember 1993 sind die
                                            für einen 220-kV-Richtbetrieb von Blöcken     Voraus­setzungen in den Kraftwerken der
                                            des KW Lübbenau in Richtung Helmstedt         VEAG, so u. a. Regelfähigkeit nach UCPTE-
                                            benutzt. Dabei wurden die beiden Syste-       Anforderungen und 520 MW Primär- und
                                            me der Leitung Ragow–Wolmirstedt mit          380 MW Sekundärregelleistung, für die
                                            unterschiedlichen Frequenzverläufen be-       Parallelfahrweise mit dem UCPTE-Netz
                                            trieben und es konnten Schwebungen auf       ­abgeschlossen.
                                            dem 220-kV-System festgestellt werden.
                                                                                         Das VES-Netz zerfällt 1993 durch ungenü-
                                            Im August 1990 wurde der Stromvertrag        genden und unkontrollierten Leistungs-
                                            zwischen der DDR, der Treuhandanstalt,       ausgleich in drei Teile, das Verbundsystem
                                            der PreussenElektra, der RWE und der         von Ungarn, Polen, Rumänien, Slowakei,
                                            BAG abgeschlossen. Bereits im Oktober/       Tschechien und Teilnetz der Westukraine
                                            November 1990 arbeitet die VEAG ein          (Burshtyn Island) sowie der VEAG, das Ver-
                                            „Arbeitsprogramm zur Vorbereitung und        bundsystem von Bulgarien, der Ukraine
                                            Aufnahme des Verbundbetriebs mit dem         und einem Teil Russlands und das Vereinig-

     380-kV-Leitung Helmstedt–Wolmirstedt
28                                                                                                                                                                                29

                                                                                                                                         Am Mittwoch, dem 13. September 1995,
                                                                                                                                         wird um 9:31 Uhr die Inselschaltung des
                                                                                                                                         VEAG-Netzes hergestellt. Um 9:34 Uhr
                                                                                                                                         wird die Parallelschaltung über die 380-kV-
                                                                                                                                         Leitung Helmstedt–Wolmirstedt im UW
                                                                                                                                         Helmstedt durch Einschaltung des 380-kV-
                                                                                                                                         Kuppelschalters mit dem UCPTE-Netz
                                                                                                                                         vorgenommen. (Am 01.07.1999 wurde das
                                                                                                                                         UCPTE-Netz in das UCTE-Netz umbenannt
                                                                                                                                         und ist heute Bestandteil des ENTSO-E-
                                                                                                                                         Netzes.) Danach erfolgte die Einschaltung
                                                                                                                                         der 380-kV-Verbindung Mecklar–Viesel-
                                                                                                                                         bach und der mit 220 kV betriebenen
                                                                                                                                         380-kV-Leitung Redwitz–Remptendorf.

Bild 13: VEAG-Steuerstelle in Berlin                                                                                                     Somit war die „Elektrische Wiederver-
                                                                                                                                         einigung Deutschlands“ vollzogen. Bild 13
                                                                                                                                         zeigt die zentrale Steuerstelle der VEAG in
                                                                                                                                         Berlin und Bild 14 die Schutztafeln im UW
te Verbundsystem von Russland mit einem       und umfangreichen Regelversuchen sowie                                                     Remptendorf, 220(380)-kV-Abgang Red-
Teil der Ukraine. Am 01.02.1995 erfolgt die   Nachrüstung von Frequenzsteuereinrich-         Offizielle Beendigung des 40-jährigen       witz 253 und 254.
Aufnahme des Dauerbetriebes des Projek-       tungen in den Kraftwerken der Vereinigten      Inselbetriebes von Westberlin;
tes „Wartenkomplex HSL“ und „Meldebild“       Energiewerke AG (jetzt Lausitz Energie         v. l. Prof. Dr. Dietmar Winje, Dr. Klaus    Fünf Wochen später folgen die CENTREL-
bei der VEAG, Berlin [9].                     Kraftwerke AG) waren die Voraussetzungen       ­Bechthold und Regierender Bürgermeister    Staaten. Vorausgegangen waren am 29./
                                              für die Parallelschaltung gegeben (Bild 11).    von Berlin Eberhard Diepgen                30.09.1993 Testversuche zum Parallelbe-
Auf den Tag genau 51 Jahre nach der           Die Leitung Siems–Göries im Norden war                                                     trieb und im Mai 1994 eine durchgängige
ersten Leitung zwischen Bayern und            für später geplant und ist inzwischen am                                                   Inbetriebnahme der Primärregelung in
Mitteldeutschland geht schließlich am         18.12.2012 als 380-kV-Nordleitung zwi-         UW Reuter–UW Teufelsbruch (BEWAG)–          den Kraftwerken von CENTREL und VEAG.
20.12.1991 die 380-kV-Verbindung              schen Schwerin und Hamburg in Betrieb          UW Wolmirstedt (VEAG) eine stabile Ver-     In der Sitzung der UCPTE-Ad-hoc-Gruppe
­Redwitz–Remptendorf (zunächst nur            gegangen.                                      bindung in Betrieb genommen. Damit war      Ost/West-Verbundbetrieb ­(„Exekutivkreis“)
 mit 220 kV) in Betrieb.                                                                     der über 40 Jahre dauernde Inselbetrieb     zu Fragen des Anschlusses des CENTREL-
                                              Am 01.12.1992 wurde in Berlin über 110-kV-     von West-Berlin ohne Kupplung zum VE-       an das UCPTE-Netz am 13.05.1994 wird
Mit der Fertigstellung der drei               Kabel vom UW Jägerstraße (Otto-Nuschke-        AG-Netz offiziell beendet.                  als Ziel der Parallelschaltung noch das
380-kV-­Verbindungsleitungen                  Straße) zum UW Mitte eine Verbindung                                                       Jahr 1997 angestrebt. Vom 15.–29.09.1995
• Helmstedt (Niedersachsen)–                  zwischen Ost- und Westberlin geschaffen.        Der Bau der 380-kV-Leitung Mecklar–­       führen die CENTREL-Partner erfolgreich
  Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt)                Damit wurde der 40 Jahre dauernde Insel-        Vieselbach hatte sich auf hessischem Ge-   den mit der UCPTE vereinbarten Be-
• Mecklar (Hessen)–Vieselbach                 betrieb Westberlins aufgehoben und eine         biet erheblich verzögert. Am 08.09.1995    triebsversuch „Inselbetrieb“ durch. Die
  (Thüringen) und                             Kupplung mit dem osteuropäischen Netz           konnte schließlich das unter Spannung      Vollversammlung der UCPTE stimmt am
• Redwitz (Bayern)–Remptendorf                geschaffen. Am 07.12.1994 wurde dann            setzen dieser Leitung mit Prüfung der      28.09.1995 dem Anschluss des CENTREL-
  (Thüringen)                                 über die fertiggestellte 380-kV-Leitung        ­Phasengleichheit erfolgen.                 Netzes zu. Bereits am 18.10.1995 um
30                                                                                                                                                                      31

Bild 14: Schutz UW Remptendorf, Abg. Redwitz 253/254, Hauptschutz Distanzrelais PD551
mit AWE-Zusatz RM1-80, AEG und Reserveschutz Leitungsdiff. 7SD512 mit Signalübertra-
gungsgerät SWT2000D, Siemens

12:30 Uhr wird eine probeweise Parallel-    ost-Europa-Netzzone im Jahr 2004 ein
schaltung des CENTREL-Netzes mit dem        synchrones 50-Hz-System, dem heutigen
UCPTE-Netz über die 380-kV-Leitungen        Verbundnetz Regional Group Continental
Röhrsdorf, VEAG–Hradec, CEZ (CZ) und        Europe, RG CE, der ENTSO-E betrieben.
Kiesdorf–Mikulowa (PL) sowie die 220-kV-    Des Weiteren gehören dazu die Netze von
Leitungen Vierraden–Krajnik (PL) und spä-   Marokko, Algerien und Libyen (1997) und
ter Umgehungsschiene GKK Etzenricht mit     Türkei (2010) als weit über die Grenzen
Zuschaltung in Hradec (CZ) vorgenommen.     der ENTSO-E hinausgehender synchroner
Somit wird von Spanien bis Polen und nach   Frequenzbereich (Trans European Synchro-
der Resynchronisierung der UCTE-Süd-        nously Interconnected System/TESIS).

                                                                                        18.12.2012 Vollendung der Elektrischen Wiedervereinigung Deutschlands mit der
                                                                                        Inbetriebnahme der 380-kV-Nordleitung zwischen Schwerin und Hamburg
32                                                                                     33

Als weitere Stütze dienen die HGÜ-Ver-      zwischen alten und neuen Bundeslän-
bindungen zur skandinavischen RG Nordic     dern die Versorgungszuverlässigkeit im
„BALTIC CABLE“ (D–S), „KONTEK“ (D–DK),      110-kV-Bahnnetz weiter gesteigert. Bei
„SKAGERRAK“ (DK–N) und „SWEPOL“             der Trassenauswahl wurde dem Prinzip
(S–PL) sowie die Ärmelkanalverbindung       entsprochen, Energieversorgungslei-
(F–UK) zur RG UK. Die bisher dem Ener-      tungen zu bündeln. Die 110-kV-Bahn-
gieaustausch Ost–West dienenden GKK         stromleitungen verlaufen – soweit mög-
Etzenricht (D–CZ), Dürnrohr (A–CZ) und      lich – parallel zur 380-kV-Drehstromlei-
Wien-Südost (A–H) gingen außer Betrieb.     tung (Bild 12) und an der Landesgrenze
                                            Hessen–Thüringen sogar auf einem ge-
Die beiden deutschen Bahnverwaltungen       meinsamen Gestänge. Mit dem Verbund
vereinbarten am 30.03./26.04.1990 in kür-   der Österreichischen Bundesbahnen stellt
zester Zeit Verbindungen zwischen beiden    das 110-kV-Netz DB/ÖBB auf Grund der
110-kV-Bahnstromnetzen zu schaffen [11].    Stromkreislänge von 21.000 km und der
                                            flächenmäßigen Ausdehnung das größte,
Die Parallelschaltung der 110-kV-16 ⅔ -     gelöscht betriebene Hochspannungsnetz
Hz-Bahnnetze der ehemaligen Deutschen       der Welt dar.
Bundesbahn (BRD), DB und der ehemali-
gen Deutschen Reichsbahn (DDR), DR,         Ein sicherer und zuverlässiger Betrieb
war schon am 14.03.1995 um 15:06 Uhr        eines Verbundnetzes ist vom korrekten
über die Leitung Lehrte (Niedersachsen)–    und konformen Zusammenspiel aller
Heeren (Sachsen-Anhalt) erfolgt. Der ­      Übertragungsnetzbetreiber abhängig.
erste Synchronisierversuch war bereits      Spezielle Vorkehrungen, Spielregeln und
um 13:28 Uhr gelungen [4][5].               Schutzmechanismen dienen dazu, dass
                                            eine K­ askadierung von Großstörungen
Damit waren erstmalig nach ebenfalls        vermieden wird. Der ENTSO-E-Verbund
50 Jahren der Trennung die 110-kV-Bahn-     ermöglicht einen wirtschaftlichen Netz­
energienetze wieder verbunden (Bild 15).    betrieb und bildet somit das Rückgrat
Die Inbetriebnahme der Bahnstromlei-        für eine zuverlässige Versorgung. Die
tung von der thüringischen Landesgrenze     Deutschen Übertragungsnetzbetreiber
bei Eisenach bis nach Bebra erfolgte am     sind zusammen mit ihren europäischen
29.02.1996 und am 23.06.2001 wurde          Partnern der Garant dafür.
mit der dritten Leitung Saalfeld–Weimar

                                            Bild 15: 110-kV-Bahnnetz, 16 ⅔ Hz,
                                            Stand 01.09.1996 [5]
34                                                                                         35

           Quellenverzeichnis
[1]  Schnug, A.; Fleischer, L.: Bausteine für Stromeuropa. Eine Chronik des elektrischen
     Verbunds in Deutschland. 50 Jahre Deutsche Verbundgesellschaft.
     Deutsche Verbundgesellschaft e. V., Heidelberg 1999
[2] Wessel, H.A. (Hrsg.), Glaunsinger, W.; Elsner, M.; Döring, P.; Horstmann, T.;
     Trocka-Hülsken, I.; Herzig, T.; Seifert, P.; Pundt, H.; Swietly,cE.A. u. a.:
     Demontage, Enteignung, Wiederaufbau. Teil 2, Ausg. 2002, Band 17,
     Geschichte der Elektrotechnik, VDE Verlag GmbH, Berlin Offenbach
[3] Tillmann, H.-B.: Anschluß des VEAG-Netzes sowie des CENTREL-Netzes an das
     UCPTE-Verbundnetz. VDI Berichte Nr. 1245 (1996), S. 317–329
[4] Jergas, E.; Schaarschmidt,J.: Bahnenergie-Hochspannungsnetz der Deutschen Bahn.
     Elektrische Bahnen eb 93(1995)9/10,300–302
[5] Nießen, M.; Schaarschmidt,J.: Elektrischer Betrieb bei der Deutschen Bahn im Jahre
     1996. Elektrische Bahnen eb 95(1997)1/2,3–11
[6] Lehmhaus, F.: Von Miesbach-München 1882 zum Strom-Verbundnetz.
     Deutsches Museum Abhandlungen und Berichte 51(1983)3, R. Oldenburg Verlag,
     München 1983
[7] VEAG verbindet: Elektrische Wiedervereinigung 1995. VEAG Vereinigte Energie­
     werke AG, Berlin, VEAG II/95
[8] Neuhaus, S.; Rauchhaus, H.; Schossig, W.: Die Rolle Thüringens bei der elektrischen
     Vereinigung, Trennung und Wiedervereinigung Deutschlands. In:
     Strom ohne Grenzen, S. 123–197, Reihe Geschichte der Elektrotechnik,
     Bd.23, Berlin • Offenbach, VDE VERLAG, 2008
[9] Berndt, D.; Fährmann, G.; Benke, H.-W.; Specht, B.; Scheibner, G.; Röllinger, H.;
     Blotevogel, K.; Monschau, H.; Zwerschke, F.: Erneuerte Leittechnik der Veag-
     Hauptschaltleitung/Lastverteilung im Dauerbetrieb. Elektrizitätswirtschaft
     95(1996)21, S. 1385–1397
[10] Berndt, D.; Penner, W.: Neuer Leistungs-Frequenz-Regler beim ÜNB Vattenfall
     Europa Transmission. ew 104(2005)7, S. 20–25
[11] Baselt, U.; Dolniczek, P.; Grimmrath, H.; Gruner, W.; Höregott, D.; Hubrich, W.:
     Bahnstromleitungen für den Zusammenschluß der beiden deutschen Bahnstrom-
     netze. Elektrische Bahnen 93(1995)9/10, 303–314
[12] 1906 • 1972 • 2012: IMMER VOLLER ENERGIE!
     FEAG – FALLERSLEBER ELEKTRIZITÄTS-AKTIENGESELLSCHAFT, Wolfsburg 2012,
     https://www.feag-fallersleben.de/chronik.html
36                                                                                        37

380/110-kV-Umspannwerk Altenfeld, 50Hertz/TEAG, u. a. Einspeisepunkt vom PSW Goldisthal
38                                                                                                                                                                                   39

Netztechnische Maßnahmen zur Wiedervereinigung                                                                                             In den 1970er Jahren erfolgte ein ver-
des Verbundnetzes in Deutschland                                                                                                           stärkter 380-kV-Netzausbau. Damit konnte
                                                                                                                                           ein weiträumiger Leistungstransport
Textfassung des Vortrages von Dr. Frank Berger und Harald Radtke anlässlich
                                                                                                                                           von Kraftwerken (KW) an den Braunkohle-
der virtuellen VDE-Jubiläums-Veranstaltung am 17.12.2020
                                                                                                                                           lagerstätten zu den entfernten Industrie-
                                                                                                                                           gebieten realisiert werden. Das 220-kV-
Abstract                                      den geneigten Leser nachfolgend zu                                                           Netz trug allerdings unverändert die Haupt-
Skizziert werden durchgeführte Unter-         einem kleinen historischen Spaziergang                                                       last der regionalen „Versorgung“ über die
suchungen und daraufhin eingeleitete          ein. Dazu wurden sieben Meilensteine zur                                                     Doppelumspannung von 380/220 kV zur
netztechnische Maßnahmen in der öffent-       gemeinsamen Erkundung ausgewählt.                                                            220/110 kV; erst ab 1977 erfolgte die erste
lichen Stromversorgung, um die in den                                                                                                      380/110-kV-Direktabspannung.
1950er Jahren in Deutschland entstandenen     Ohne Trennung keine Wieder-
drei, voneinander getrennten 50-Hertz-        vereinigung – ein kurzer Netzrückblick                                                       In den 1980er Jahren wurde die zuneh-
Synchrongebiete mit jeweils unterschied-      Wer die historische Dimension der vor                                                        mende Mangelverwaltung gerade auch in
licher Philosophie der Frequenzregelung       einem Vierteljahrhundert stattgefundenen                                                     der Stromwirtschaft deutlich sichtbar:
wieder zu vereinen.                           Wiedervereinigung im öffentlichen Strom-       Bild 1: 220-kV-Reichssammelschiene der        Stagnation des KW-Ausbaus, insbesondere
                                              versorgungsnetz Deutschlands erfassen          Elektrowerke mit Trennstellen von 1954        durch zeitlichen Verzug beim Ausbau
Beschrieben wird auch, wie sich in den        und nachvollziehen möchte, sollte sich                                                       des Kernkraftwerks (KKW) in Lubmin und
1980er Jahren weiter verschärfende Eng-       zunächst mit der diesem Prozess voraus-                                                      beim KKW-Neubau in Stendal sowie stark
pässe in der Stromerzeugung förderlich        gegangenen Trennung der Netze und den          220-kV-Netzes infolge stark wachsender        rückläufige Neubau-km beim Freileitungs-
auf die politische Bereitschaft Ostdeutsch-   sich anschließenden unterschiedlichen          Stromnachfrage, beginnendem Ausbaus           zubau. Ende 1989 existierten schließlich
lands auswirkten, eine gewisse „elektrische   Entwicklungen befassen.                        von Kraftwerksleistung mit Blockgrößen        rd. 4.310 km 380-kV- und rd. 6.415 km
Annäherung“ zum Westen zuzulassen und                                                        ab 50 MW und der Vorbereitung des inter-      220-kV-Stromkreise (davon rd. 680 km
so bereits vor dem Mauerfall – natürlich      So bildete die in den 1930er Jahren schritt-   nationalen Verbundbetriebs.                   380-kV-Stromkreise mit 220-kV-Betrieb).
ungewollt – einen Baustein zur elektrischen   weise entstandene 220-kV-Reichssammel-
Wiedervereinigung beizutragen.                schiene einen Grundstein für das ostdeut-      1960 startete der Verbundbetrieb zu den       Erzeugungsseitig wurden u. a. folgende
                                              sche Übertragungsnetz und „markierte“          östlichen Nachbarn mit Inbetriebnahme         „Westimporte“ getätigt, um den Erzeu-
Und ferner wird gezeigt, dass die Über-       bereits zwei der heutigen Kuppelleitungen      der 220-kV-Kuppelleitungen Zwönitz–           gungsmangel abzumildern: 1987 Inbetrieb-
tragungsnetzbetreiber in Deutschland fest     zwischen Ost und West. Die Herausbildung       Vyskow (ab 1963 Hradec, Tschechien) und       nahme Gasturbinen-KW (GTKW) Thyrow I
im Verbund mit den europäischen Nach-         eines ostdeutschen Verbundnetzes startete      Berzdorf (Hagenwerder)–Mikulowa (Polen).      (4x 37 MW), 1989 GTKW Thyrow II (4x
barn stehen.                                  nach 1945 mit lediglich 245 Trassen-km         Ende der 1960er Jahre war der 220-kV-         38 MW) und 1990/91 GTKW Ahrensfelde
                                              220-kV-Leitungen von Magdeburg bis             Netzausbau weitgehend abgeschlossen           (4x 38 MW) – als heute unvorstellbare
Schlüsselwörter                               Remptendorf. 1954 verlor dieser Leitungs-      und es hatte sich ein „echtes“, vermaschtes   Besonderheit alle drei in Eigentum und
Zusammenführung von Frequenzgebieten,         zug mit der elektrischen Trennung zwischen     Verbundnetz herausgebildet. Mit großer        Regie des damaligen Verbundnetzes!
netztechnische Maßnahmen in Verbund-          Ost und West gänzlich seine Verbund-           Weitsicht wurden in den 1960er Jahren
netzen, Vorbereitung auf Synchronan-          fähigkeit (Bild 1). Überdies war das Strom-    neue Leitungen bereits teilweise für den      Und am 3. Oktober 1989, genau ein Jahr
schluss                                       netz Westberlins bereits 1952 von ost-         380-kV-Betrieb ausgelegt und zunächst         vor der politischen Wiedervereinigung
                                              deutscher Seite aus getrennt worden.           mit 220 kV betrieben, um so auf höhere        Deutschlands, wurde mit einem 220-kV-
Gern laden die Autoren, als Zeitzeugen                                                       Transportaufgaben, resultierend aus der       Richtbetrieb, d. h. die gerichtete Aufschal-
und Mitwirkende an der Vorbereitung der       Ab Mitte der 1950er Jahre erfolgte dann        Einbindung größerer Kraftwerksblöcke          tung von im Netz A galvanisch getrennter
elektrischen Wiedervereinigung beteiligt,     ein stärkerer Ausbau des ostdeutschen          (210 MW und 500 MW), vorbereitet zu sein.     KW-Leistung auf ein zum Netz A nicht
40                                                                                                                                                                                    41

frequenzsynchrones Netz B über ebenfalls        besuch von Erich Honecker bei Helmut         Voraussetzungen“ und am 21. April 1988          lieferungen zur Abmilderung der
separierte Stromkreise, die neu errichtete      Kohl in Bonn war offenbar der Boden dafür    ein „Vertrag über die Errichtung einer          chronischen Energieknappheit und
380-kV-Leitung Helmstedt (BRD)–Wolmir-          bereitet worden, dass es zu Verhandlun-      Elektroenergieübertragungseinrichtung“          Einnahme von Devisen für den Strom-
stedt (DDR) in Betrieb genommen (siehe          gen zwischen der PreussenElektra Aktien-     (EEÜE), ein „Vertrag über die Lieferung und     transit BRD–Westberlin,
nächster Abschnitt).                            gesellschaft (PE), der Berliner Kraft- und   die Übertragung von Elektroenergie“ und       • Bewag: Beendigung der seit 1952
                                                Licht (Bewag)-Aktiengesellschaft und dem     ein „Vertrag über die Instandhaltung der        bestehenden „Strominsel Westberlin“
„Elektrische Annäherung“ in der                 Kombinat Verbundnetze Energie (KVE)          Elektroenergieübertragungseinrichtung           (verbunden mit hohen Kosten inkl. der
2. Hälfte der 1980er Jahre                      kommen konnte. Damit das sogenannte          und die Betriebsführung bei der Lieferung       damals höchsten Strompreise im Bundes-
Vorstehend beschriebene Erzeugungseng-          „staatliche Außenhandelsmonopol“ ein-        und bei der Übertragung von Elektro-            gebiet und Vermeidung des notwendi-
pässe im Osten einerseits, der dem West-        gehalten wurde, fungierte jedoch nicht das   energie“ geschlossen.                           gen Retrofits alter bzw. des Baus neuer
berliner Inselbetrieb innewohnende Bedarf       KVE, sondern die DDR-Außenhandelsge-                                                         KW (inkl. Smog-Reduzierung)).
nach schnell aktivierbarer Regelleistung        sellschaft Intrac als Vertragspartner.       Dieses Vertragspaket (Bild 2) umfasste:
und freie Erzeugungskapazitäten im Westen                                                    1. Bau, Betrieb und Instandhaltung einer      Geplante Kosten und avisierte Inbetrieb-
andererseits führten zu der Überlegung,         So wurde am 7. März 1988 eine „Verein-          380-kV-Doppelleitung von Helmstedt         nahme:
ob denn daraus, wie es heute heißt, eine        barung zur Regelung grundsätzlicher             (BRD) über Wolmirstedt (DDR) nach          • über 300 Mio. DM für „die neue 200 km
win-win-Situation für alle Partner entwickelt   Fragen zur Lieferung und zur Übertragung        Teufelsbruch (Westberlin),                   lange Stromtrasse von Helmstedt über
werden kann. Mit dem im September 1987          von Elektroenergie sowie zur Schaffung       2. Bau, Betrieb und Instandhaltung einer        Magdeburg nach West-Berlin“
stattgefundenen innerdeutschen Staats-          der dafür notwendigen technischen               Hochspannungs-Gleichstrom-Kupplung           (© Der Spiegel, Nr. 5/1988),
                                                                                                (HGK) in Wolmirstedt zur Kopplung mit      • rund 80 Mio. DM für die 380-kV-Frei-
                                                                                                dem asynchronen 220-kV-Netz der DDR          leitung Teufelsbruch–Reuter der Bewag
                                                                                                inkl.                                        (© Prof. D. Winje, Elektrizitätswirtschaft,
                                                                                             3. Stromlieferungen an die DDR.                 Jg. 93 (1994)) und
                                                                                                                                           • geplante Inbetriebnahme 1991/92.
                                                                                             Welche Ziele bzw. Vorteile hatten die
                                                                                             Vertragspartner bzw. „Betroffenen“            Doch die Umsetzung dieses Vertragspake-
                                                                                             im Blick?                                     tes sollte sich – glücklicherweise – anders
                                                                                             • PE: Absatz von Überkapazitäten im           gestalten; die Ereignisse des 9. November
                                                                                               Erzeugungsbereich,                          1989 und des 3. Oktober 1990 zeigten
                                                                                             • DDR: Sicherung zusätzlicher Strom-          nachhaltige Wirkungen (Bild 3):

Bild 2: Übersicht über die Elektroenergieübertragungseinrichtung EEÜE
                                                                                             Bild 3: 380-kV-Leitung Helmstedt–Wolmirstedt und bilaterale 220-kV-Richtbetriebe (Netz-
                                                                                             kartendarstellung in Rot: 380 kV, Grün: 220 kV, Rot/Grün: 220-kV-Betrieb)
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Am 3.10.1989 erfolgte die Inbetriebnah-        einer „elektrischen“ Wiedervereinigung
me der 380-kV-Leitung Helmstedt–Wol-           ausgeräumt und eine Gleichstrom-Kurz-
mirstedt, die den 220-kV-Richtbetrieb          kupplung somit obsolet.
West–Ost nach Wolmirstedt ermöglichte
(1). Ab dem 2.11.1990 folgte bis 1995 der      Zum Zeitpunkt des Baustopps war die
einsystemige 220-kV-Richtbetrieb Ost–          Stromrichterhalle im Rohbau fertiggestellt.
West über rd. 260 km mit bis zu 500 MW         Die Anlagenteile – ohne die Stromrichter-
aus dem KW Lübbenau II über Ragow und          transformatoren (Einphaseneinheiten)–
Wolmirstedt nach Helmstedt (2+1).              wurden zum Aufbau der Gleichstrom-
                                               Kurzkupplung (GKK) Etzenricht (Bayern-
Mit der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen    werk AG) für die Kopplung mit dem
Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion        zunächst noch asynchronen tschechischen
wurde auch auf ostdeutscher Seite der          Netz verwendet (Bild 4).
Weg für einen Baustopp der 600-MW-HGK                                                        Bild 5: Prinzipbild des Bewag-Verbundanschlusses 1994
Wolmirstedt freigemacht. Mit der nun           Westberlin musste aber auf seinen
absehbaren politischen Wiedervereinigung       leistungsstarken Anschluss noch etwas
Deutschlands wurden letzte Zweifel an          warten, weil genehmigungsrechtliche           Auflagen zur Verkabelung im weiter-          Beendigung des seit dem 5. März 1952
                                                                                             führenden Leitungszug von Teufelsbruch       bestehenden „elektrischen Inselnetz-
                                                                                             nach Reuter zur Verzögerung und damit        betriebes“ von (West-)Berlin (Bild 6).
                                                                                             zu Kostensteigerungen um 385 Mio. DM         Zugleich wurde damit die ab dem 1. De-
                                                                                             gegenüber der o. g. ursprünglichen Frei-     zember 1992 bestehende 110-kV-Not-
                                                                                             leitungsplanung führten (Bild 5).            verbindung (300 MW) zwischen dem ehe-
                                                                                                                                          maligen Ost- und Westteil von Berlin –
                                                                                             Am 7. Dezember 1994 erfolgte schließlich     durch diese war der ehem. Westteil Berlins
                                                                                             die Inbetriebnahme der rd. 140 km langen     übrigens ab diesem Tag frequenzsynchron
                                                                                             380-kV-Leitung Wolmirstedt–Teufels-          mit dem VEAG- und CENTREL-Netz ver-
                                                                                             bruch und damit die formale und offizielle   bunden – abgelöst.

Bild. 4: Gleichstrom-Kurzkupplung Etzenricht                                                 Bild 6: Das Ende der Strominsel (West-)Berlin/Bewag am 7. Dezember 1994
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Netztechnische Vorbereitungen zum            gesprächen kam, wie viele Kuppelleitungen
DVG/UCPTE-Anschluss ab 1990                  es für eine elektrische Wiedervereinigung
Bei diesem Meilenstein wollen wir keines-    wohl bräuchte und welche Umspannwerke
wegs das gesamte „Arbeitsprogramm zur        damit zu verbinden wären. So traf man
Vorbereitung und Aufnahme des Verbund-       sich am 27. Dezember 1989 im damaligen
betriebes mit dem (DVG)/UCPTE-Netz“ der      Ostberliner Palasthotel, um solche Fragen
VENAG vom Okt./Nov. 1990 (Bild 7) behan-     zu erörtern. Im Ergebnis dieses Termins
deln, sondern uns ausschließlich mit den     lag somit bereits Ende Dezember 1989
unter dem dort aufgeführten Cluster (3)      ein eher „erfahrungs- als leistungsfluss-
„Schaffung der netztechnischen Vorausset-    basierter“ Masterplan mit insgesamt vier
zungen im (VENAG) VEAG-Netz zur Auf-         Ost-West-Kuppelleitungen (Bild 8),
nahme des DVG/UCPTE-Verbundbetriebes“        jeweils in Ausführung als 380-kV-Doppel-
zusammengefassten Aufgaben befassen.         freileitung, vor:

Unmittelbar betroffen vom „Ost-West-         1. (Krümmel (PE)–) Lübeck/Siems (PE)
Strombrückenschlag“ waren die benach-           –Görries (KVE)–Güstrow (KVE),
barten und geografisch angrenzenden          2. Helmstedt (PE)–Wolmirstedt (KVE)
Unternehmen PE, Bayernwerk AG (BAG),            (–Teufelsbruch (Bewag)),
Bewag und KVE bzw. (VENAG) VEAG.             3. Mecklar (PE)–Vieselbach (KVE) und
                                             4. Redwitz (BAG)–Remptendorf (KVE).
Aufgrund des im vorangegangenen Kapitel
skizzierten Projekts EEÜE verwundert es      Mit diesem Masterplan im Kopf, wurde in
wohl nicht, dass es angesichts der sich      das Jahr 1990 gestartet. Es wurde auch
dabei herausgebildeten Arbeitskontakte       schnell klar, dass ein solcher Synchron-
zwischen PE, Bewag und KVE alsbald nach      anschluss nicht überdimensioniert sein
dem Mauerfall zu ersten Sondierungs-         dürfte (Bild 9).

                                                                                         Bild 8: Kuppelleitungsprojekte der elektrischen Wiedervereinigung

Bild 7: Arbeitsprogramm der elektrischen Wiedervereinigung
46                                                                                                                                                                                     47

Unter dem koordinierenden Dach der          • Untersucht wurden dabei der Wirk- und        Varianten der Anschaltung des VEAG-
Deutschen Verbundgesellschaft (DVG) –         Blindleistungsaustausch und Spannungs-       Netzes an das DVG-Netz (z. B. kurzfristig
da vorgenannte Verbundunternehmen             haltung/Blindleistungshaushalt.              möglicher 220-kV-Betrieb der Kuppel-
allesamt Mitgliedsunternehmen der DVG         Im Ergebnis wurden Netzausbaumaß-            leitung Redwitz–Remptendorf und
waren – konnten nun gemeinsame netz-          nahmen identifiziert, u. a.                  erst mittelfristig darstellbarer 380-kV-
technische Analysen mit Expertengruppen     → Einsatz von Blindleistungskompen-            Betrieb). Dabei wurden definierte Netz-
                                              sationsspulen insbesondere im last-          lasten für das VEAG- (13 GW) und DVG-
                                              schwachen nördlichen Bereich des             Gebiet (60 GW) mit Null-Austauschsaldo
                                              VEAG-Netzes zur anteiligen Kompen-           zwischen beiden sowie Bewag-Bezug
                                              sation der kapazitiven Ladeleistung des      von DVG (0,25 GW) angesetzt.
                                              380/220-kV-Netzes (ca. 5.000 Mvar)         • Als kritischer Fehlerfall wurde ein
                                              aufgrund der besonders kritischen            3-poliger Kurzschluss auf einem 380-kV-
                                              Spannungshaltung in Schwachlastzeiten,       Stromkreis Preilack–Streumen unmittel-        Bild 10: Ergebnisse der Stabilitätsanalysen
                                            → massiver Ausbau der (wirksamen)              bar vor dem UW Streumen (vgl. Bild 8)
                                              Kompensationsleistung von rd. 320 Mvar       mit einer Fehlerklärungszeit von 180 ms
                                              (1990) auf rd. 1.600 Mvar (1995), was        (für die Stabilität ungünstig lange Zeit-        und
                                              einer Steigerung des Kompensations-          dauer – bedingt durch den technischen         2. die für 380 kV errichtete und seit Dezem-
                                              grades auf rd. 35 % (1995) entspricht.       Stand der Schalter und des Schutzes)             ber 1991 mit 220-kV-Richtbetrieb nutz-
                                                                                           identifiziert.                                   bare Kuppelleitung Remptendorf–
                                            Kurzschluss                                  • Die Ergebnisse der Stabilitätsuntersuch-         Redwitz.
                                            • Stationäre Analysen für unterschiedliche     ungen, die das Vorhandensein der 380-
                                              Szenarien der Erzeugungsentwicklung in       kV-Doppelleitung Mecklar–Vieselbach           Nach vielfältigen Erörterungen im Kreise
                                              perspektivisch geplanten Ausbauständen.      als Dreh- und Angelpunkt der elekt-           der Mitglieder der DVG und unter Ein-
                                            • Untersucht wurden die Auswirkungen           rischen Wiedervereinigung eindeutig           beziehung von externem Sachverstand
Bild. 9: Kuppelleitungen VEAG 1990:           erhöhter Kurzschlussstrombeanspru-           herausstellen, sind in Bild 10 dargestellt;   (insbesondere RWTH Aachen) zeichnete
Bestand nach PL und CZ (Nr. I - V) sowie      chung auf die Kurzschlussfestigkeit der      oben ohne (= Instabilität) und unten          sich ab,
Planung (Nr. 1 - 4)                           Schaltanlagen in den direkt betroffenen      mit Doppelleitung Mecklar–Vieselbach          • dass mit diesen zwei Kuppelleitungen
                                              Kuppelpunkten und denen im „elektri-         (= Stabilität).                                  allein keine elektrische Wiedervereini-
                                              schen“ Nahbereich. Im Ergebnis wurde                                                          gung vollzogen werden konnte,
aus den Häusern PE, BAG und (VENAG)           keine Überschreitung der Kurzschluss-      Realisierung der Kuppelleitungen                • dass die dritte Kuppelleitung Mecklar –
VEAG verabredet und durchgeführt werden.      festigkeit in den relevanten Schalt-       bis 1995                                           Vieselbach dafür unabdingbar ist und
Folgende Untersuchungen standen dabei         anlagen festgestellt.                      Wie stellte sich die Situation ab Ende             auch nur unter der Voraussetzung aus-
insbesondere im Fokus.                                                                   1991 dar?                                          reichend ist,
                                            Stabilität                                                                                   • dass die CENTREL-Länder (Polen, Tsche-
Leistungsfluss                              • Dynamische Analysen zur Ermittlung der     Es waren zunächst nur zwei der vier                chien, Slowakei und Ungarn) ebenfalls
• Stationäre Analysen für verschiedene        Ausgleichsvorgänge im Netz der VEAG        geplanten Doppelleitungen potenziell               an das UCPTE-Netz angeschlossen
  Austauschszenarien auf den Kuppel-          und in den Netzen der Nachbarn (Erwei-     verfügbar (Bild 11):                               werden. Die ansonsten nötige vierte
  leitungen infolge unterschiedlicher         terung der Expertengruppe um die           1. Die für 380 kV errichtete und seit Oktober      Kuppelleitung wird in diesem Fall quasi
  Last- und Erzeugungsentwicklung in          RWTH Aachen, Prof. Haubrich).                 1989 mit 220-kV-Richtbetrieb nutzbare           durch das synchronisierende Moment
  perspektivisch geplanten Ausbau-          • Analyse 3-poliger Kurzschlüsse an ver-        Kuppelleitung Helmstedt–Wolmirstedt             der CENTREL-Netzanbindung ersetzt.
  ständen, als (n-0)- und (n-1)-Analysen.     schiedenen Fehlerorten für verschiedene
48                                                                                                                                                        49

                                              Schaltfolge der Elektrischen Wieder-
                                              vereinigung am 13. September 1995 …
                                              Nachfolgend zeigt Bild 13 die Abfolge der
                                              Schalthandlungen am Tag der elektrischen
                                              Wiedervereinigung von der Trennung vom
                                              CENTREL-Verbund (oberes Bild) über den
                                              kurzzeitigen und für das VEAG-Netz erst-
                                              maligen Inselbetrieb (mittleres Bild) zum
                                              DVG/UCPTE-Verbund (unteres Bild).

                                              Die Basis für die unmittelbare Ausführung
                                              der elektrischen Wiedervereinigung bildete
                                              dabei das „Technische(s) Programm zur
                                              Aufnahme des Verbundbetriebes mit dem
                                              DVG/UCPTE-Netz“.

Bild 11: Verfügbare Kuppelleitungen           … und die „Ost-Erweiterung des UCPTE-
VEAG–DVG Ende 1991                            Netzes“ am 18. Oktober 1995
                                              Diese Erweiterung wurde technisch und
                                              organisatorisch ab 1992 vorbereitet.

Nachfolgend wird auf die weiteren Schritte    Die CENTREL-Gründung erfolgte am
zur Realisierung der Kuppelleitungen, von     2. Oktober 1992 mit dem Ziel der Heraus-
denen, neben den beiden gemäß Bild 11,        lösung der Netze aus dem VES-Verbund
bis 1995 nur noch die Leitung Mecklar–        (UPS/IPS) und dem Synchronanschluss an
Vieselbach (Bild 12 oben) fertiggestellt
werden konnte, nicht näher eingegangen.
Die Leitung Krümmel–Lübeck/Siems–
Güstrow (Bild 12 unten) wurde nach Um-
planung erst Ende 2012 im Abschnitt
Görries–Krümmel in Betrieb genommen,
was im Abschnitt Güstrow–Görries bereits
1996 erfolgte. Es bleibt aber jetzt schon
einmal festzustellen, dass es fünf Jahre
dauerte, bis die elektrische Wiedervereini-
gung der politischen Wiedervereinigung
folgen konnte. Das waren zwar drei Jahre                                                    Bild 13: Abfolge der Schalthandlungen am 13. September 1995
mehr als ursprünglich geplant, aber an-
gesichts heutiger langwieriger Genehmi-
gungsverfahren jedoch immer noch ein          Bild 12: Kuppelleitung Mecklar – Vieselbach
recht sportliches und erfolgreich abge-       und Leitung Görries – Krümmel
schlossenes Unterfangen.
50                                                                                                                                                                                 51

Bild 14: Verbundanschluss von CENTREL an UCPTE

                                                                                         Bild 15: VEAG – 1995 an der Nahtstelle europäischer Verbundsysteme
das UCPTE-Netz (Bild 14). Zunächst wurde   Der Maßnahmenkatalog wurde mit und
die Realisierungsdauer der durchzufüh-     von den Übertragungsnetzbetreibern in
renden Maßnahmen mit ≥ 1997 einge-         Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn        tung der elektrischen Wiedervereinigung.      Transmission befindet sich in zentraler
schätzt. Der Umfang dieser Maßnahmen       zügig abgearbeitet, sodass bereits fünf       Die bekannten Vorteile eines elektrischen     Lage im ENTSO-E-Verbund in den Regio-
resultierte aus dem Maßnahmenkatalog       Wochen nach dem VEAG-Verbundan-               Verbundbetriebes dokumentierten sich in       nalgruppen "Baltic Sea" und "Continental
für die Vorbereitung des Synchronan-       schluss an das UCPTE-Netz auch der CEN-       der jeweiligen Zusammenarbeit der Ver-        Central East".
schlusses („Catalogue of Measures“) und    TREL-Verbundanschluss am 18. Oktober          bundunternehmen in Ost (VES/IPS) und
sah zusammengefasst folgende Aktivi-       1995 erfolgen konnte.                         West (UCPTE). Mit den politischen Umwäl-      … by the way:
täten vor:                                                                               zungen der 1990er Jahre änderte sich auch     Und das UW Wolmirstedt wird mit
• Machbarkeitsstudie,                      Zusammenfassung                               die Zusammensetzung der europäischen          dem AC/DC-Konverter für die geplante
• verbundübergreifende Stabilitätsstudie   Der Vortrag spannte über mehrere Jahr-        Verbundsysteme.                               2.000-MW-HGÜ-Verbindung „SuedOst-
  (unter Obhut der DVG in Heidelberg),     zehnte einen weiten Bogen vom Ende                                                          Link“ nach Isar (Landshut) in 2025 – nach
• Studie im Rahmen PHARE-C zur Vorbe-      des innerdeutschen Verbundbetriebes als       Die europäische Einbindung des ostdeut-       mehr als 30 Jahren – nun endlich seine
  reitung des CENTREL-Anschlusses durch    Folge der politisch vollzogenen Ost-West-     schen Verbundnetzes der ehem. VEAG            Drehstrom-Gleichstrom-Umwandlungs-
  BAG, PE, Verbundplan (AT) und VEAG,      Teilung bis zur elektrischen Wiedervereini-   zum Zeitpunkt der elektrischen Wiederver-     station erhalten!
• Lastverteilerschulungen,                 gung in Folge der politischen Wiederver-      einigung zeigt Bild 15. Die heutige 50Hertz
• Inselbetriebsversuch und                 einigung Deutschlands. Den Schwerpunkt
• versuchsweiser Probebetrieb.             bildete dabei die netztechnische Vorberei-    Nachtrag für Interessierte:
                                                                                         1) Elektrische Wiedervereinigung – VEAG verbindet, Video 9:53 min
                                                                                            https://www.youtube.com/watch?v=E7aT7kRPza8
                                                                                         2) The Power Island (Bewag), Video 14:59 min
                                                                                            https://www.youtube.com/watch?v=v2DrazDwweI
52                                                                                   53

                                                 Quellenverzeichnis
                                       Bild- und Textmaterial 50Hertz Transmission

Bild 16: Regional Groups der ENTSO-E
54                                     55

220/110-kV-UW Erfurt-Nord, VEAG/TEAG
56                                                                                                                                                                                               57

Die Wiedervereinigung des Deutschen Verbundnetzes
Hans-Bernd Tillmann

So begann es vor vielen, vielen Jahren ...    darauf zurückzuführen, dass man die elek-
                                              trischen Lasten der Verbraucher auf die
Oskar von Miller (1855–1935) kann man         vorhandenen elektrischen Erzeuger (Kraft-
als einen der Erfinder der Lastverteilung     werke) über ein Übertragungs-Verteilungs-
bezeichnen. Er war ein Vertreter einer        netz verteilte.
flächendeckenden Stromversorgung zu
rentablen und verbraucherfreundlichen         Den dem Bayernwerk zugrunde liegenden
Preisen. Miller beschäftigte sich insbeson-   Gedanken eines Energieverbundes auf
dere mit Fragen der Erzeugung, Übertra-       Länderebene entwickelte v. Miller 1930 in
gung und Verteilung von Elektroenergie.       einem von der Reichsregierung in Auftrag
Die Gründung der Lastverteilung in Karls-     gegebenen Gutachten zu einer einheit-
feld ging insbesondere auf seine Initiative   lichen Elektrizitätsversorgung des Deut-
zurück. Der Begriff „Lastverteilung“ ist      schen Reiches weiter.

                                                                                          Bild 2: Band 1 der Reihe „Musterbetriebe deutscher Wirtschaft“ (1928; 1. Ausgabe)
                                                                                          Autor: Dr.-Ing. R. Hamburger

                                                                                                     Die leitungsgebundene Stromversorgung               Länge rd. 50 km
                                                                                                     und damit die Aufgaben der Lastverteilung         • die 1928 erfolgte Gründung der Aktien-
                                                                                                     haben sich seit dieser Zeit territorial, natio-     gesellschaft für deutsche Elektrizitäts-
                                                                                                     nal und international in großen Schritten           wirtschaft durch die EWAG, Preussen-
                                                                                                     weiterentwickelt. Aufgabe der Lastvertei-           Elektra und das Bayernwerk (München)
                                                                                                     lung wurde es auch, die Netze zu überwa-            mit Sitz Berlin. Sie wird als Vorläufer der
                                                                                                     chen und zu steuern.                                bis 2001 bestehenden Deutschen Ver-
                                                                                                     Die Entwicklung wurde u. a. geprägt durch:          bundgesellschaft betrachtet.
                                                                                                     • die 1892 erfolgte Gründung der Elektro-         • die 1923 erfolgte Inbetriebnahme der
                                                                                                       werke A.G. (später BEWAG)                         ersten in Deutschland mit 220 kV betrie-
                                                                                                     • die 1912 erfolgte Inbetriebnahme der              bene Freileitung von Ronsdorf nach Let-
                                                                                                       ersten europäischen 110-kV-Leitung                mathe (Verbindung der mitteldeutschen
Bild 1: ost- und mitteldeutsches 110-kV-Netz im Jahr 1928                                              von Lauchhammer nach Riesa (Sachsen),             und niederrheinischen Braunkohle)
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