Die Zukunft der Ernährungswirtschaft - Wie essen wir 2030? - Cluster Ernährung

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Die Zukunft der
Ernährungswirtschaft
        Wie essen wir 2030?
Herausgeber:      Cluster Ernährung
     			               am Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn),
     			Kulmbach 2017
     			               Hofer Straße 20, 95326 Kulmbach

     E-Mail: 			ernaehrungscluster@kern.bayern.de
     Homepage: 		      www.cluster-bayern-ernaehrung.de

     Redaktion:		      Dr. Simon Reitmeier,
     			               Geschäftsführer des Cluster Ernährung am
     			               Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn), Kulmbach,
     			sowie Nora Börger

     Autoren:		
               ScMI AG, Paderborn 2017
                       www.scmi.de
                       Dr. Alexander Fink,
                       Mitglied des Vorstands der ScMI AG, Paderborn,
                       sowie Christian Michl

     Gestaltung: 		    Cube Werbeagentur GmbH, München 2017
     Druck: 			        Ernst Vögel GmbH, Stamsried
     Auflage: 		       1. Auflage, Oktober 2017

     			© Cluster Ernährung 2017

02
Die Themen im Überblick

 Vorwort                             04
Szenarioteam                         05
„Landkarte der Zukunft“              06
„Landkarte der Zukunft“: Szenarien   10
 Das Effizienz-Szenario              12
   Szenario 1

 Das Disruptions-Szenario            16
   Szenario 2

 Das Digitalisierungs-Szenario       20
   Szenario 3

 Das Export-Szenario                 24
   Szenario 4

 Das Global & Fair-Szenario          28
   Szenario 5

 Das Regionale Vielfalts-Szenario    32
   Szenario 6

 Das Verzichts-Szenario              36
   Szenario 7

 Das Versorgungs-Szenario            40
   Szenario 8

 Szenariobewertung                   44

                                          03
___ Vorwort

              Liebe Leserinnen und Leser,

              Vorhersagen, Vorausschauen und Vorausdenken sind von Grund auf unterschiedliche Heran-
              gehensweisen. Viele fragen nach der Zukunft, aber keiner kann mit Bestimmtheit sagen, was
              kommen mag. Ich maße mir nicht an, die Zukunft vorherzusagen. Und dennoch bin ich mir
              sicher, dass es ratsam ist, über die Zukunft nachzudenken.

              Trends verursachen Gegentrends. Zur Zeit „stehen die Sterne gut“ für regionale und qualitativ
              hochwertige Produkte, aber wird das auch langfristig so bleiben? Umbrüche charakterisieren
              eine unsichere Welt und nichts scheint von Dauer. Um zukünftig am Ball zu bleiben, müssen
              richtungsweisende Entscheidungen früh durchdacht und konsequent vorbereitet werden. Da-
              her habe ich für die „Zukunftstage Lebensmittel“ den Cluster Ernährung und das Kompetenz-
              zentrum für Ernährung (KErn) mit der Besetzung eines 17-köpfigen Expertengremiums be-
              auftragt, sich mit der Zukunft unserer Ernährungswirtschaft zu befassen. Dabei ging es mir
              nicht um die Entwicklung von Vorhersagen.

              Als Ernährungsminister möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, die Ernährungswirtschaft
              Bayerns in ihrer Zukunftsplanung zu unterstützen. Denn was sind die Auslöser zukünftiger
              Entwicklungen und wie verwendet man Zukunftsszenarien in der strategischen Planung? Mit
              unserer Arbeit zeigen wir Ihnen die Hintergründe, beleuchten Schlüsselfaktoren und analy-
              sieren Zusammenhänge.

              Die vorgestellten Szenarien sind daher eine strategische Vorausschau zu möglichen Zukünf-
              ten der Ernährungswirtschaft im Jahr 2030 – ein wirkungsvolles Werkzeug für Ihr Risiko- und
              Erfolgsmanagement im Unternehmen. Denken Sie mit mir in neuen Wegen. So gestalten Sie
              schon heute Ihre Zukunft.

              Ihr

              Helmut Brunner
              Bayerischer Staatsminister
              für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

04
Szenarioteam ___

Das Szenarioteam

Im Szenarioteam arbeiteten 14 Partnerunternehmen unter der methodischen Leitung der ScMI AG
zusammen. Nachfolgend sind die Unternehmen mit den beteiligten Personen genannt.

Bayerisches Staatsministerium                          Kulmbacher Brauerei AG
für Ernährung, Landwirtschaft                          Andreas Eßer
und Forsten                                            Leiter Marketing Kulmbacher Gruppe
Prof. Dr. Richard Balling
Leitung Referat Markt und Qualitätspolitik,
                                                       Molkerei Gropper
Pflanzliche Märkte
                                                       Christian Oppitz
Dr. Wolfram Schaecke
                                                       Geschäftsführer Marketing & Vertrieb
Leitung Referat Ressortforschung,
Innovationen

                                                       Heike Zeller

Landmetzgerei und                                      Expertin für Regionalität und

Eventhalle Strobel                                     Landwirtschaftskommunikation

Rüdiger Strobel
Geschäftsführer
                                                       Develey Senf&Feinkost
                                                       Aurelia Anschütz
Schweisfurth Stiftung                                  Leitung Zentrale Entwicklung R&D
Prof. Dr. Franz-Theo Gottwald
Geschäftsführer
                                                       Crusta Nova
                                                       Fabian Riedel
Raps GmbH & Co.KG                                      Geschäftsführer
Frank Kühne
Vorsitzender des Stiftungsvorstands
                                                       ScMI AG
der Adalbert-Raps-Stiftung
                                                       Dr. Alexander Fink
                                                       Mitglied des Vorstands
BESO & Partner                                         Christian Michl
Stephan Becker-Sonnenschein                            Senior Berater
Geschäftsführer

                                                       PEMA
AFC Consulting Group                                   Jürgen Ruckdeschel
Dr. Volker Ebert                                       Prokurist, Produktionsleitung
Direktor

                                                       Cluster Ernährung / KErn
Max Rubner-Institut                                    Dr. Simon Reitmeier
Dr. Dagmar Brüggemann                                  Geschäftsführer
Leitung Institut für Sicherheit und                    Nora Börger
Qualität bei Fleisch                                   Projektmanager

                                                                                                05
___ Landkarte der Zukunft

Die Landkarte
                        Szenarien sind Beschreibungen möglicher Entwicklungen. Sie bieten einen
                        Überblick, wie die Zukunft aussehen könnte. Daher lassen sie sich gut in
                        einer „Landkarte der Zukunft“ abbilden. Die Landkarte dient der Orientie-
                        rung auf dem Weg in die Zukunft.

                        Die vorliegende Zukunftslandkarte zeigt acht Szenarien, die jeweils auf 21
                        Schlüsselfaktoren aufsetzen, deren Entwicklungsmöglichkeiten jeweils noch
                        durch zwei oder mehr Dimensionen ausgedrückt wurden. Durch die Analyse
                        dieses komplexen Netzwerks wurden zunächst zwei Hauptachsen identifi-
                        ziert, die sich anhand von zwei Kernfragen erklären lassen.

                            Kernfrage 1:                             Kernfrage 2:

                        ?                                       ?
                             Wie stark greift die Politik in         Wie innovativ ist die Lebens-
                             das Lebensmittel­umfeld ein?            mittelwirtschaft?
                             Unterschieden werden dabei              Dabei weisen fünf Szenarien
                        zwei Seiten: Der untere Bereich         auf der rechten Seite der Landkar-
                        der Landkarte enthält Szenarien mit     te einen hohen Innovationsgrad auf,
                        einer geringen Bedeutung globa-         verbunden mit hoher Bedeutung
                        ler Umwelt- und Klimapolitik, einer     neuer Forschungsergebnisse, einem
                        geringen Regulierung der Agrar-         starken Einfluss der Digitalisierung
                        wirtschaft sowie einem weiter ge-       und einer zumindest ausgewogenen
                        stiegenen Verarbeitungsgrad der         Darstellung von Lebensmitteln in
                        Lebensmittelprodukte. Im oberen         den Medien. Dem stehen auf der lin-
                        Bereich haben Umwelt- und Klima-        ken Seite drei Zukunftsbilder gegen-
                        fragen deutlich an Gewicht gewon-       über, in denen verschiedene Inno-
                        nen, die Agrarwirtschaft ist stärker    vationsblockaden vorliegen – bspw.
                        reguliert und weniger verarbeitete      kritische Verbraucher und Medien
                        Lebensmittel haben einen stärkeren      oder mangelnde Umsetzung wissen-
                        Stellenwert gewonnen.                   schaftlicher Erkenntnisse.

06
Landkarte der Zukunft ___

der Zukunft
                            Aus der Verknüpfung dieser beiden Hauptachsen ergeben sich vier Quadran-
                            ten: Das Szenario 1 (unten links) beschreibt eine deregulierte Welt ohne sig-
                            nifikante Innovationen. Dem stehen rechts unten die Szenarien 2, 3 und 4 ge-
                            genüber, in denen ein dereguliertes Umfeld neue Entwicklungen ermöglicht.
                            In den Szenarien 5 und 6 (oben rechts) innoviert die Lebensmittelwirtschaft
                            innerhalb eines von der Politik stärker gestalteten Umfelds. Die Szenarien
                            7 und 8 beschreiben schließlich Welten, in denen stärkere Regulierung und
                            geringerer Innovationsgrad Hand in Hand gehen.

                                                                         REGULIERUNG

                                          R                                                              IR
                                                                                         06

                                                                 07
                                                                                                           05

                                          08
                           INNOVATIONS-

                                                                                                                              INNOVATION
                              BREMSE

                                                                                                                04
                                                                01                                03

                                          D                                         02
                                                                                                         ID
                                                                       DEREGULIERUNG

                                                                               01                                    05

R	
                                                                                    Effizienz-Szenario                    Global & Fair-Szenario
    Regulierung als Innovations- und Automatisierungsbremse                    02                                    06

D Kurzfristiges Gewinndenken verhindert Innovation im deregulierten Umfeld
                                                                                    Disruptions-Szenario                  Regionales Vielfalts-Szenario

IR	Innovation und Automatisierung im stärker regulierten Umfeld
                                                                               03                                    07
                                                                                    Digitalisierungs-Szenario             Verzichts-Szenario

ID	Innovation und Automatisierung im deregulierten Umfeld                     04
                                                                                    Export-Szenario
                                                                                                                     08
                                                                                                                          Versorgungs-Szenario

                                                                                                                                                          07
___ Landkarte der Zukunft

     WIE KÖNNTE EIN STÄRKER REGULIERTES UMFELD AUSSEHEN?
     Sieht man sich den Zukunftsraum näher an, lassen sich zwei weitere Kernfragen identifizieren:

          Kernfrage 3:                                                      Kernfrage 4:

     ?                                                              ?
          Wie stark prägen globaler Freihandel und Digita-                  Welche Bedeutung haben zukünftige Werte, Regio-
          lisierung die Lebensmittelwirtschaft?                             nalität und Qualität in der Lebensmittelwirtschaft?
          Hier sind es die Szenarien 1 bis 5, die einerseits                Hier weisen vor allem die Szenarien 5 bis 7 ein
     durch Freihandel und eine hohe Bedeutung internatio-           steigendes Verantwortungsbewusstsein der Bürger,
     naler Warenströme und andererseits durch einen hohen           eine hohe Wertgebundenheit des Kaufverhaltens und
     Automatisierungsgrad und eine starke Digitalisierung           eine hohe Bedeutung regionaler Produkte auf – ver-
     geprägt sind. Hinzu kommt in der Konsequenz eine hohe          bunden mit viel Zeit für Ernährung und höheren Her-
     Bedeutung des Exports für die deutsche Lebensmittel-           stellungskosten für Lebensmittel, also einer hohen
     wirtschaft. Dem stehen mit den Szenarien 6 bis 8 eher          Wertigkeit und Qualität.
     eingegrenzte und nur moderat digitalisierte Zukunfts-
     bilder gegenüber.

                                                  Vollständig

                             R                                                  IR
                                                regionalisierte
                                                  Strukturen
                                                                       06
                                              07
           Nationale und
       regionale Branchen-                                                         05
           strukturen in
        einem protektion-
         istischen Umfeld    08                                     Moralisch geprägter Konsum
                                                                     und regionale Produkte in
                                                                    einem globalen und digitali-
                                                                                                       01
                                                                           sierten Umfeld                   Effizienz-Szenario
                                                                                                       02
                                                                                                            Disruptions-Szenario

                                                                                      04               03

                                             01                               03                       04
                                                                                                            Digitalisierungs-Szenario

                                                                                                            Export-Szenario
                                                                                                       05
                                                    Vollständige                                            Global & Fair-Szenario
                                                   Globalisierung

                             D                                                  ID
                                                                                                       06
                                                                                                            Regionales Vielfalts-Szenario

                                                                  02                                   07
                                                                                                            Verzichts-Szenario
                                                                                                       08
                                                                                                            Versorgungs-Szenario

     Auf der Zukunftslandkarte ergeben sich durch Kombination der Kernfragen 3 und 4 vier neue
     Bereiche, mit denen sich die Innovationsprozesse in der Lebensmittelwirtschaft charakterisie-
     ren lassen: Die Szenarien 1 bis 4 sind – wie zuvor beschrieben – die Zukünfte mit einer hohen
     Deregulierung und einer durchgängig globalisierten Lebensmittelwirtschaft. Was aber geschieht
     in den vier anderen Welten? Vollständig regionalisierte Struk­turen liefern die Szenarien 6 und 7 –
     allerdings mit einem sehr unterschiedlichen Innovationsgrad. Im Szenario 5 hingegen setzen sich
     moralisch-geprägter Konsum und regionale Produkte auch in einem globalen und digitalisierten
     Umfeld durch. Dem steht mit dem Szenario 8 eine protektionistische Welt gegenüber, in der ein
     hoher politischer Einfluss vor allem mit macht- und interessenpolitischen Überlegungen zusam-
     mengeht, und in der sich nationale Branchenstrukturen erhalten oder neu ausprägen.

08
Landkarte der Zukunft ___

WIE KÖNNTE INNOVATION IN DER LEBENSMITTELWIRTSCHAFT AUSSEHEN?
Die beiden weiteren Kernfragen befassen sich in ihrem Kern mit der Frage, wie und in welcher
Richtung die Innovationen im Lebensmittelbereich erfolgen:

     Kernfrage 5:                                                    Kernfrage 6:

?                                                              ?
     In welchem Umfang führt individuelles Kunden-                   In welchem Umfang kann die Lebensmittelbranche
     verhalten zu marktgetriebener Innovation?                       Innovationen aus sich heraus vorantreiben?
     Die Szenarien 3 bis 6 sind von stark individuellen              Die Szenarien 2 bis 5 weisen starke Innovationen
Kundenbedürfnissen geprägt. Hier trägt Ernährung in            auf, die direkt von der Ernährungswirtschaft getrieben
starkem Umfang zur Persönlichkeitsentwicklung bei, wo-         werden – verbunden mit neuen Erfolgsfaktoren in einer
durch sich ein pluralistisches Kundenverhalten ausprägt.       weitgehend digitalisierten Branche.
In der Folge kommt es zu stark marktgetriebenen Innova-
tionen und einer Vielfalt von Lebensmittelprodukten.

                    R                    07
                                                                06

                                                Verbraucher- und markt-
                                                                            IR
                                                getriebene Innovation und      05
                                                Digitalisierungs-Nischen

                        08
                                 Moderate                    Breite Innovation                01
                              Innovation und                  mit disruptiver                        Effizienz-Szenario
                              Digitalisierung                 Digitalisierung                 02
                                                                                                     Disruptions-Szenario

                                                                                 04           03

                                        01                                03                  04
                                                                                                     Digitalisierungs-Szenario

                                                                                                     Export-Szenario
                                                  Branchengetriebene
                                                                                              05
                                                Innovation mit geringer                              Global & Fair-Szenario
                                                 Rücksicht auf Kunden

                    D                                                       ID
                                                                                              06
                                                                                                     Regionales Vielfalts-Szenario

                                                           02                                 07
                                                                                                     Verzichts-Szenario
                                                                                              08
                                                                                                     Versorgungs-Szenario

Auf der Zukunftslandkarte ergeben sich durch Kombination der Kernfragen 5 und 6 wiederum vier
Bereiche, mit denen sich die Innovationsprozesse in der Lebensmittelwirtschaft charakterisieren
lassen: Die Szenarien 1, 7 und 8 sind – wie zuvor beschrieben – die Zukünfte mit einem modera-
ten Innovationsgrad. Dem stehen mit den Szenarien 3, 4 und 5 drei Welten mit breiter Innovation
und disruptiver Digitalisierung gegenüber. Besondere Beachtung verdienen die beiden auf diese
Weise erkannten Sonderfälle: Das Szenario 2 beschreibt eine von Forschung und Industrie
geprägte Innovation mit wenig Rücksicht auf individuelle Kundenbedürfnisse, und das Szena-
rio 6 beschreibt eine Verbraucher- und marktgetriebene Innovation jenseits des Digitalisie-
rungs-Hypes.

                                                                                                                                 09
___ Landkarte der Zukunft

 8 Szenarien
     zur Zukunft der Ernährungswirtschaft

     Schließlich ergibt sich durch Kombination der sechs
     Kernfragen – ergänzt um die weiteren Schlüsselfakto-
                                                                                    Export-Szenario
     ren und Zukunftsprojektionen – eine Zukunftslandkarte                               Regionale
     mit acht deutlich voneinander abgrenzbaren Szenarien.                        Innovations-Champions
                                                                                  in einer vernetzten Welt

                                                                                      Neue Chancen für
                                                                                       den Mittelstand
                                                                                   Kleine und mittelstän-
                                             Disruptions-Szenario
                                                                                    dische Unternehmen
                                              Globale Brancheninno­
                                                                                   nutzen ihre Flexibilität
                                               vationen für rationale
                                                                                  und setzen sich auf den
                                              Ernährungsfortschritte
                                                                                 globalen Märkten vielfach
     Effizienz-Szenario                       Kein Schnick-Schnack                   gegen Große durch.
   Kurzfristiges Gewinn-                     Künstliche Lebensmittel
 streben befördert globale                   setzen sich in der Breite
                                           durch – Rationale Argumente
     Vereinheitlichung
                                            vor emotionalem Denken.
                                                                                                          04
Mit verbesserter Rezeptur
     Milking the cow –
Langfristige Innovationen
       unterbleiben.
                                                                        02

                               01
                                                                                                     03

                                                             Digitalisierungs-Szenario
                                                 Globaler Wandel der Märkte führt zu gefühlter Vielfalt

                                                                   Individuelle Vielfalt
                                                   Die globalen Lebensmittelkonzerne setzen immer
                                                  neue „Innovationen“ am Markt durch – Verbrauchern
                                                       erschließt sich eine neue Vielfalt bis hin zu
                                                          individualisierten Nahrungsmitteln.

10
Landkarte der Zukunft ___

                                                    Versorgungs-Szenario
                                                     Das Ende von Erlebnis-
                                                     und Werteorientierung

                                                       Regressives Umfeld
       Global & Fair-Szenario                       Versorungssicherheit wird
           Globale Warenströme                   zum zentralen Thema – Erlebnis
           hinter regionalen und                  und Werteorientierung rücken
          werthaltigen Produkten                       in den Hintergrund.

           Globale Wahrheiten
       Der Verbraucher bewegt sich
       in einer an Regionalität und            08
        Werten orientierten Welt –
        die allerdings von globaler
         Logistik gesteuert wird.
                                        07

     05
                                             Verzichts-Szenario
                                             Konsumverweigerung
                                             führt zu Vereinfachung

                                                Kollektive Moral

06                                          vor individueller Vielfalt
                                         Kritische Verbraucher setzen
                                          auf Direktvermarktung und
                                          Selbstversorgung – Vielfalt
Regionales Vielfalts-Szenario              und globale Innovationen
   Wertebewusste Verbraucher                verlieren an Bedeutung.
 treiben regionalisierte Angebote

           Das „neue Alte“
       Wiederentdeckung der
      traditionellen Werte und
Lebensmittel führt zu einer neuen
Vielfalt jenseits der Globalisierung.

                                                                                            11
___ Effizienz-Szenario

01                       Das Effizienz-Szenario
                         Kurzfristiges Gewinnstreben befördert globale Vereinheitlichung

                               2030. Die globale Lebensmittelwirt-         einem hohem Grad verarbeitet – Herkunft
                               schaft ist geprägt von überregionalen,      und Regionalität spielen eine untergeordnete
                               überwiegend global agierenden Kon-          Rolle. Die Konsumenten agieren häufig unre-
                         zernen mit starker Effizienz- und Gewinnori-      flektiert und beeinflussbar durch sensations-
                         entierung. In diesen Strukturen mit stabilen      getriebene Medien, wobei das Vertrauen in
                         Rohstoffpreisen kommt es zu einer starken         Lebensmittel zwar grundsätzlich gering ist
                         Vereinheitlichung der weltweiten Lebensmit-       – dies aber kaum zu Verhaltensänderungen
                         tel und somit zu einer Reduktion der globalen     führt. Sowohl Verbraucher als auch Ernäh-
                         Vielfalt von Rohstoffen und Produkten. Signifi-   rungswirtschaft präferieren den „Status Quo“.
                         kante Einschränkungen aus dem Bereich der
                         Umwelt- und Klimapolitik sind nicht zu er­                  Die deutsche Lebensmittelwirt-
                         warten – die gewinnorientierten Konzerne dik-               schaft ist geprägt durch eine hohe
                         tieren weitgehend die Regeln.                               Konzentration in nahezu allen Stu-
                                                                           fen der Wertschöpfungskette sowie eine
                               Auch die Gesellschaft orientiert sich in    starke Exportorientierung. In der Agrarwirt-
                               immer stärkerem Umfang an globalen          schaft führt dies – unterstützt durch eine
                               Standards und vor allem am Effizienz-       marktwirtschaftlich orientierte Agrarpolitik –
                         denken, was mit einer hohen Arbeitsbelastung      zu einer massiven Verringerung der Anzahl
                         und einer zunehmenden Mobilität verbunden         landwirtschaftlicher Betriebe. Lebensmittel-
                         ist. Dies lässt wenig Freiraum zur Entfal-        produktion erfolgt zunehmend in Konzern-
                         tung von Persönlichkeit und sorgt für ein         strukturen, über die sich Marktmacht aus-
                         angleichendes und primär preisgetriebenes         üben lässt und die Exportmöglichkeiten ver-
                         Konsumverhalten. Nahrungsaufnahme erfolgt         bessern. Im globalen Effizienzwettbewerb
                         häufig nebenbei und außer Haus, so dass           bleibt kaum noch Raum für wirkliche, struk-
                         Kochen kein soziales Element mehr ist, son-       turelle Innovationen – Forschung und Wis-
                         dern vielfach auf die „Energiezufuhr“ reduziert   senschaft bleibt vielfach ohne Wirkung auf
                         wird. Im Lebensmittelhandel dominieren die        die reale Branchenent­
                                                                                                wicklung. Dies zeigt
                         klassischen stationären Akteure, die sich auf     sich auch im Produk­tionsumfeld, wo Digitali-
                         eine hocheffiziente Logistik stützen, um mög-     sierung und Automatisierung zwar zu erheb-
                         lichst einfache Einkaufsprozesse zu gestalten,    lichen Effizienzgewinnen führen, sich neue
                         die durchaus digital begleitet sein können.       Geschäftsmodelle aber nur in einzelnen
                                                                           Nischen durchsetzen können. Digitale Ser-
                               Die Wahl der Produktionsorte von            vices werden zu einer Selbstverständlich-
                               Lebensmitteln orientiert sich vor allem     keit, ohne dass sich damit individuelle Wett-
                               an Kriterien wie Kosten und Prozess-        bewerbsvorteile erschließen lassen. Arbeits-
                         effizienz in einer globalen Wertschöpfungs­       kräfte stehen in der globalen Welt ausreichend
                         kette. Eine Vielzahl der Lebensmittel ist zu      zur Verfügung.

12
Effizienz-Szenario ___

Mit verbesserter Rezeptur

Milking the cash cow –
Langfristige Innovationen unterbleiben
Szenario tritt ein, wenn
kurzfristiges Gewinnstreben dominiert.

                                                            13
___ Effizienz-Szenario

01                       Das Effizienz-Szenario

                         Kurzfristiges Gewinnstreben
                         befördert globale Vereinheitlichung

             Schlüsselfaktor                             Szenario-Elemente

     1       Umwelt- & Klimapolitik /                    Geringe Bedeutung der globalen Umwelt- und
             Ressourcen & Rohstoffe                      Klimapolitik bei schwankenden Rohstoffpreisen

     2       Lebensstile & Werteentwicklung              Die Lebensstile und das damit einhergehende
                                                         Konsumverhalten in der Gesellschaft gleicht sich
                                                         an wobei Werte die Kaufentscheidung nicht maß-
                                                         geblich beeinflussen

     3       Mobilität & Freizeit                        Mobilität zunehmend
                                                         Freizeitanteil kann sowohl gering als auch hoch sein

     4       Innovation & Digitalisierung                Insgesamt moderate Digitalisierung der Ernährungs-
                                                         wirtschaft – kaum Möglichkeiten zur Differenzierung

     5       Essverhalten / Ernährungsgewohnheiten       Geringer Zeiteinsatz für Ernährung
                                                         ( = „Schmecken und Satt machen“)

     6       Kochgewohnheiten in privaten Haushalten /   Selbst zubereitete Nahrungsmittel werden
             Außer-Haus-Versorgung und Gastronomie       zunehmend außer Haus konsumiert

     7       Einkaufsverhalten der privaten Haushalte    Primär einfache Einkaufsprozesse bei geringer
                                                         Transparenz

     8       Verantwortungsbewusstsein der               Geringer Bedarf zur Veränderung von Nachhaltig-
             Konsumenten / Fair Trade                    keitsstandards bei geringem Grad individueller
                                                         Bedürfnisse

     9       Regionalität / Bedeutung der Herkunft       Geringe Bedeutung von Regionalität
             der Lebensmittel

     10      Qualität von Lebensmitteln / Lebens-        Vergebliche Suche nach qualitativer Orientierung
             mittelsicherheit / -kontrolle               führt zu geringem Vertrauen in Lebensmittel
                                                         (-sicherheit)

     11      Lebensmittelpreise / Zahlungsbereitschaft   Günstige Preise für Standard-Lebensmittel
             für Lebensmittel

14
Effizienz-Szenario ___

     Schlüsselfaktor                                  Szenario-Elemente

12   Lebensmittel in den Medien                       Medien haben Interesse an sensationsgetriebenen
                                                      Nachrichten

13   Globale Lebensmittel-Wertschöpfungskette         Gloable Lebensmittelwirtschaft führt zur Vereinheitli-
                                                      chung und reduziert so die Vielfalt von Lebensmitteln

14   Investitionsverhalten der Akteure in der         Globale Konzerne konzentrieren sich auf kurzfristige
     globalen Lebensmittelwirtschaft                  Dividenden – langfristige Innovationen werden eher
                                                      abgeblockt

15   Rolle & Struktur des Lebensmittelhandels         Dominante Rolle des klassischen stationären Lebens-
                                                      mittelhandels

16   Forschung und Wissenschaft bezüglich             Insgesamt geringe Veränderung der Ernährungswirt-
     Lebensmittel                                     schaft durch neue Forschungsergebnisse

17   Innovationen / Technologische Verfahren          Gering innovatives Umfeld – Verbraucher und Ernäh-
     in der Lebensmittel-Herstellung                  rungswirtschaft sperren sich gegen Innovationen

18   Produkte der Lebensmittelindustrie               Geringe Produktvielfalt bei hohem Grad der Verar-
                                                      beitung der Produkte

19   Struktur der deutschen Lebensmittel-             Zunehmend konzentrierte Lebensmittelbranche mit
     wirtschaft                                       hohen Exportanteil

20   Automatisierung der Arbeitskräfte in             Automatisierungsgrad der deutschen Lebensmittel-
     der Lebensmittelwirtschaft                       wirtschaft moderat
                                                      Verfügbarkeit von benötigten Arbeitskräften kann
                                                      sowohl eingeschränkt als auch hoch sein

21   Agrarwirtschaft in Deutschland                   Geringe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe bei
                                                      geringem Grad der Regulierung

        Charakteristische Projektion (kommt nur in diesem Szenario vor)
       Teilcharakteristische Projektion (kommt in dieser Stärke nur in diesem Szenario vor)

                                                                                                                 15
___ Disruptions-Szenario

02                         Das Disruptions-Szenario
                           Globale Brancheninnovationen für rationale Ernährungsfortschritte

                                  2030. Die globale Lebensmittelwirtschaft ist geprägt von disruptiven Technologien und
                                  neuen Geschäftsmodellen, mit denen international vernetzte, kapital- und dividendenge-
                                  triebene Konzerne massive Veränderungen in der Branche vorantreiben. Dabei spielen
                           regionale Marktspezifika oder nationale Regulierungen eine immer geringere Rolle, so dass es
                           zu einer starken Vereinheitlichung der weltweiten Lebensmittel und einem Rückgang der Pro-
                           duktvielfalt kommt – auch in Deutschland. Signifikante Einschränkungen aus dem Bereich der
                           Umwelt- und Klimapolitik sind nicht zu erwarten, auch weil die globalen Konzerne die Vorteile der
                           „neo-grünen Revolution“ herausstreichen und letztlich die globalen Regeln diktieren.

                                  Auch in der Gesellschaft haben Geschwindigkeit und Veränderungsdruck massiv zuge-
                                  nommen, was mit einer hohen Arbeitsbelastung und einer zunehmenden Mobilität ver-
                                  bunden ist. Dies lässt wenig Freiraum zur Entfaltung von Persönlichkeit und sorgt für ein
                           angleichendes und primär preisgetriebenes Konsumverhalten. Nahrungsaufnahme erfolgt häufig
                           nebenbei und außer Haus, so dass Kochen kein soziales Element mehr ist, sondern von den rati-
                           onal denkenden Verbrauchern vielfach auf die „Energiezufuhr“ reduziert wird. So verlagert sich
                           der Schwerpunkt vieler Innovationsprozesse vom Marketing zu neuen Technologien, die auf Basis
                           massiver Fortschritte in Forschung und Wissenschaft erschlossen werden. Dies wird auch da-
                           durch unterstützt, dass viele Medien Innovationen zunächst positiv gegenüberstehen und insofern
                           einen ergebnisoffenen Dialog über Lebensmittel ermöglichen.

                                    Die Standortentscheidungen der Konzerne orientieren sich neben Kriterien wie Kos-
                                    ten (bei schwankenden Rohstoffpreisen) und Prozesseffizienz in einer globalen Wert-
                                    schöpfungskette auch an den Rahmenbedingungen für Innovation – also vor allem den
                           Möglichkeiten, neue Technologien zu entwickeln. Viele Lebensmittel sind ohnehin zu einem
                           hohen Grad verarbeitet, und disruptive Innovationen setzen diesen Trend weiter fort. Herkunft
                           und Regionalität von Lebensmitteln spielen eine untergeordnete Rolle. Die Konsumenten
                           haben zwar nur ein begrenztes Vertrauen in die messbaren Kriterien der Lebensmittelsicherheit
                           – sehen aber vor allem die Vorteile der Neuerungen. Auch im Lebensmittelhandel setzen sich
                           im Sinne solcher Vereinfachungsstrategien klassische und einheitliche Bedürfnisse durch. Dies
                           nutzen stationäre Händler aus und sichern mit neuen Lieferservices ihre Marktposition ab.

                                    Die deutsche Lebensmittelwirtschaft ist geprägt durch eine hohe Automatisierung
                                    ebenso wie durch eine zunehmende Konzentration in nahezu allen Stufen der Wert-
                                    schöpfungskette und eine starke Exportorientierung. In der Agrarwirtschaft führt dies
                           – unterstützt durch eine marktwirtschaftlich orientierte Agrarpolitik – zu einer massiven Ver-
                           ringerung der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe. Lebensmittelproduktion erfolgt zunehmend
                           in Konzernstrukturen, die umfassender auf die neuen Innovationen reagieren oder diese selbst
                           vorantreiben können.

16
Disruptions-Szenario ___

Kein Schnick-Schnack

Künstliche Lebensmittel setzen
sich in der Breite durch – Rationale
Argumente vor emotionalem Denken

Szenario tritt ein, wenn
die Art des Essens sich grundsätzlich ändert.

                                                                     17
___ Disruptions-Szenario

02                         Das Disruptions-Szenario

                           Globale Brancheninnovationen
                           für rationale Ernährungsfortschritte

            Schlüsselfaktor                             Szenario-Elemente

     1      Umwelt- & Klimapolitik /                    Geringe Bedeutung der globalen Umwelt- und
            Ressourcen & Rohstoffe                      Klimapolitik bei schwankenden Rohstoffpreisen

     2      Lebensstile & Werteentwicklung              Die Lebensstile und das damit einhergehende Konsum-
                                                        verhalten in der Gesellschaft gleichen sich an wobei Wer-
                                                        te die Kaufentscheidung nicht maßgeblich beeinflussen

     3      Mobilität & Freizeit                        Geringer Freizeitanteil in der Gesellschaft bei
                                                        zunehmender Mobilität

     4      Innovation & Digitalisierung                Weitgehende Digitalisierung der Ernährungswirtschaft
                                                        lässt wenig Raum für Differenzierung - Wettbewerbs-
                                                        vorteile entstehen in anderen Bereichen

     5      Essverhalten / Ernährungsgewohnheiten       Geringer Zeiteinsatz für Ernährung
                                                        ( = “Schmecken und Satt machen“)

     6      Kochgewohnheiten in privaten Haushalten /   Starke Verlagerung des Ernährungsprozesses in
            Außer-Haus-Versorgung und Gastronomie       den öffentlichen Raum

     7      Einkaufsverhalten der privaten Haushalte    Primär einfach Einkaufsprozesse bei geringer
                                                        Transparenz

     8      Verantwortungsbewusstsein der               Geringer Bedarf zur Veränderung von Nachhaltigkeits-
            Konsumenten / Fair Trade                    standards bei geringem Grad individueller Bedürfnisse

     9      Regionalität / Bedeutung der Herkunft       Geringe Bedeutung von Regionalität
            der Lebensmittel

     10     Qualität von Lebensmitteln / Lebens-        Messbare Kriterien schaffen keine Orientierung
            mittelsicherheit / -kontrolle               und führen zu geringem Vertrauen in Lebensmittel
                                                        (-sicherheit)

     11     Lebensmittelpreise / Zahlungsbereitschaft   Günstige Preise für Standard-Lebensmittel
            für Lebensmittel

18
Disruptions-Szenario ___

     Schlüsselfaktor                                  Szenario-Elemente

12   Lebensmittel in den Medien                       Medien tragen zum intensiven ergebnisoffenen
                                                      Dialog über Lebensmittel bei

13   Globale Lebensmittel-Wertschöpfungskette         Gloable Lebensmittel-Wirtschaft führt zur
                                                      Vereinheitlichung und reduziert so die Vielfalt
                                                      von Lebensmitteln

14   Investitionsverhalten der Akteure in der         Globale Kapital- und Dividendengetriebene
     globalen Lebensmittelwirtschaft                  Konzerne treiben Innovationen in der
                                                      Lebensmittelwirtschaft

15   Rolle & Struktur des Lebensmittelhandels         Dominante Rolle des klassischen stationären
                                                      Lebensmittelhandels

16   Forschung und Wissenschaft bezüglich             Massive Fortschritte der Forschung werden im
     Lebensmittel                                     Dialog mit rationalen Verbrauchern erschlossen

17   Innovationen / Technologische Verfahren          Erhährungswirtschaft treibt Innovationen im
     in der Lebensmittel-Herstellung                  Ernährungsumfeld (angebotsgetrieben)

18   Produkte der Lebensmittelindustrie               Geringe Produktvielfalt bei hohem Grad der
                                                      Verarbeitung der Produkte

19   Struktur der deutschen Lebensmittel-             Zunehmend konzentrierte Lebensmittelbranche
     wirtschaft                                       mit hohen Exportanteil

20   Automatisierung der Arbeitskräfte in             Hoch automatisierter Lebensmittelwirtschaft stehen
     der Lebensmittelwirtschaft                       ausreichend Fachkräfte zur Verfügung

21   Agrarwirtschaft in Deutschland                   Geringe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe bei
                                                      geringem Grad der Regulierung

        Charakteristische Projektion (kommt nur in diesem Szenario vor)
       Teilcharakteristische Projektion (kommt in dieser Stärke nur in diesem Szenario vor)

                                                                                                                19
___ Digitalisierungs-Szenario

03                       Das Digitalisierungs-Szenario
                         Globaler Wandel der Märkte führt zu gefühlter Vielfalt

                                2030. Digitale Transformation ist zum      haltigkeitsstandards und ohne eine höhere
                                Leitmotiv der Wirtschaft geworden.         Bedeutung von Herkunft und Regionalität der
                                Dabei ist die globale Lebensmittel­wirt-   Lebensmittel.
                         schaft geprägt von international vernetzten,
                         kapital- und dividendengetriebenen Konzer-                 Produziert werden die Lebensmittel
                         nen, die – vielfach mit neuen Geschäftsmo-                 in einem globalen und hoch vernetz-
                         dellen – die Veränderungen in der Branche                  ten System. Digitale Innovationen prä-
                         vorantreiben. Signifikante Einschränkungen        gen alle Stufen der Wertschöpfungskette –
                         von Seiten der Umwelt- und Klimapolitik sind      von der Steuerung der Landwirtschaft über
                         nicht zu erwarten, denn die globalen Akteu-       hocheffizientes Prozessmanagement in der
                         re geben weitgehend die Regeln vor. Insge-        Lebensmittel-Herstellung bis zur breiten Ab­
                         samt ermöglicht die Digitalisierung nicht nur     lösung des stationären Lebensmitteleinzel-
                         massive Effizienzsprünge, sondern auch die        handels durch Online-Angebote. Ein weiterer
                         Berücksichtigung der spezifischen Anforde-        Treiber sind massive Fortschritte der For-
                         rungen immer kleinerer Kundengruppen bis          schung, die von der Ernährungswirtschaft um-
                         zur Losgröße 1, also individueller Nahrungs-      gesetzt werden. Dabei entwickeln die vielfälti-
                         mittel. Hohe Vielfalt sowie ein hoher Verarbei-   gen und weitgehend emotionalen Konsumen-
                         tungsgrad der Produkte prägen die Branche.        ten nur begrenztes Vertrauen in Lebensmittel,
                                                                           verschließen sich aber dennoch den Versu-
                                Die Digitalisierung hat auch in der        chungen der „bunten Erlebniswelten“ nicht.
                                vielfältigen und schnelllebigen Ge-
                                sellschaft zu deutlichen Veränderun-                  Die deutsche Lebensmittelwirt-
                         gen geführt: Lebensstile sind immer weiter                   schaft ist geprägt durch eine hohe
                         aus­
                            einandergedriftet, wobei sich die unter­                  Automatisierung und damit auch
                         schiedlichen Wertvorstellungen und Konsum-        durch eine Aufweichung der traditionellen
                         muster innerhalb der einzelnen Milieus eher       Stufen der Wertschöpfungskette: die Grenzen
                         verstetigen, wozu eine stark zerteilte Medi-      zwischen Agrarwirtschaft und Lebensmittel-
                         enlandschaft erheblich beiträgt. Statussym-       produktion werden unschärfer und die klas-
                         bole gewinnen nochmals an Bedeutung. Auch         sischen Handelsstufen verlieren mit dem
                         Ernährung dient dazu, seiner Persönlichkeit       Online-Boom an Bedeutung. Während derart
                         Ausdruck zu verleihen und sich abzugrenzen.       vertikal integrierte Konzerne im globalen
                         Dies erfolgt zunehmend auch durch selbst          Wettbewerb mithalten und erhebliche Ex-
                         „zubereitete“ Nahrungsmittel, die dann außer      portpotenziale erschließen, haben kleinere
                         Haus konsumiert werden. Allerdings bleibt die     Akteure in der Agrar- und Lebensmittel-
                         neue, bunte Lebensmittelwelt eher oberfläch-      wirtschaft nur selten eine Chance, sich attrak-
                         lich und Lifestyleorientiert, also ohne eine      tive Nischen zu sichern.
                         breite Veränderung von Qualitäts- und Nach-

20
Digitalisierungs-Szenario ___

                           EU
               UK

                    USA

Individuelle Vielfalt

Die globalen Lebensmittelkonzerne
setzen immer neue „Innovationen“ am
Markt durch – Verbrauchern erschließt
sich eine neue Vielfalt bis hin zu
individualisierten Nahrungsmitteln
Szenario tritt ein, wenn
jeder sein eigenes Essen komponiert.

                                                                  21
___ Digitalisierungs-Szenario

03                       Das Digitalisierungs-Szenario

                         Globaler Wandel der Märkte führt
                         zu gefühlter Vielfalt

             Schlüsselfaktor                             Szenario-Elemente

     1       Umwelt- & Klimapolitik /                    Geringe Bedeutung der globalen Umwelt- und
             Ressourcen & Rohstoffe                      Klimapolitik bei schwankenden Rohstoffpreisen

     2       Lebensstile & Werteentwicklung              Das Auseinanderdriften der Lebensstile und das damit
                                                         einhergehenden Konsumverhalten in der Gesellschaft
                                                         verstetigen sich wobei Werte die Kaufentscheidung
                                                         nicht maßgeblich beeinflussen

     3       Mobilität & Freizeit                        Mobilität zunehmend
                                                         Freizeitanteil kann sowohl gering als auch hoch sein

     4       Innovation & Digitalisierung                Neue Erfolgsfaktoren in einer weitgehend
                                                         digitalisierten Ernährungswirtschaft

     5       Essverhalten / Ernährungsgewohnheiten       Ernährung dient in hohem Umfang der Persönlich-
                                                         keitsbildung – allerdings bei geringem Zeiteinsatz

     6       Kochgewohnheiten in privaten Haushalten /   Selbst zubereitete Nahrungsmittel werden
             Außer-Haus-Versorgung und Gastronomie       zunehmend außer Haus konsumiert

     7       Einkaufsverhalten der privaten Haushalte    Einfachheit des Einkaufsprozesses gering
                                                         Transparenz beim Einkauf kann sowohl gering als
                                                         auch hoch sein

     8       Verantwortungsbewusstsein der               Befriedigung individueller Bedürfnisse ohne breiten
             Konsumenten / Fair Trade                    Bedarf zur massiven Veränderung von Nachhaltig-
                                                         keitsstandards

     9       Regionalität / Bedeutung der Herkunft       Geringe Bedeutung von Regionalität
             der Lebensmittel

     10      Qualität von Lebensmitteln / Lebens-        Vergebliche Suche nach qualitativer Orientierung führt
             mittelsicherheit / -kontrolle               zu geringem Vertrauen in Lebensmittel (-sicherheit)

     11      Lebensmittelpreise / Zahlungsbereitschaft   Herstellungskosten für Lebensmittel (= Wertigkeit /
             für Lebensmittel                            Qualität von Lebensmitteln) gering
                                                         Preisniveau sowie Zahlungsbereitschaft für Lebens-
                                                         mittel können sowohl gering als auch hoch sein

22
Digitalisierungs-Szenario ___

     Schlüsselfaktor                                  Szenario-Elemente

12   Lebensmittel in den Medien                       Starke Fragmentierung der Medienlandschaft

13   Globale Lebensmittel-Wertschöpfungskette         Gloable Lebensmittel-Wirtschaft erhöht die
                                                      Vielfalt von Lebensmitteln

14   Investitionsverhalten der Akteure in der         Globale Kapital- und Dividendengetriebene
     globalen Lebensmittelwirtschaft                  Konzerne treiben Innovationen in der Lebens-
                                                      mittelwirtschaft

15   Rolle & Struktur des Lebensmittelhandels         Breite Ablösung des stationären Handels
                                                      durch alternative Handelsformate (inkl.
                                                      Online-Handel)

16   Forschung und Wissenschaft bezüglich             Massive Fortschritte der Forschung
     Lebensmittel                                     werden von der Ernährungswirtschaft
                                                      erschlossen – Kunden reagieren lediglich
                                                      emotional drauf

17   Innovationen / Technologische Verfahren          Erhährungswirtschaftsgetriebene Innovation hoch
     in der Lebensmittel-Herstellung                  Marktgetriebene Innovation kann sowohl gering als
                                                      auch hoch sein

18   Produkte der Lebensmittelindustrie               Hohe Produktvielfalt bei hohem Grad der
                                                      Verarbeitung der Produkte

19   Struktur der deutschen Lebensmittel-             Zunehmend konzentrierte Lebensmittelbranche
     wirtschaft                                       mit hohen Exportanteil

20   Automatisierung der Arbeitskräfte in             Hoch automatisierter Lebensmittelwirtschaft
     der Lebensmittelwirtschaft                       stehen ausreichend Fachkräfte zur Verfügung

21   Agrarwirtschaft in Deutschland                   Geringe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe bei
                                                      geringem Grad der Regulierung

        Teilcharakteristische Projektion (kommt in dieser Stärke nur in diesem Szenario vor)

                                                                                                                  23
___ Export-Szenario

04                    Das Export-Szenario
                      Nationale Innovations-Champions in einer vernetzten Welt

                             2030.   Deregulierung     und    digitale   ein Minimum reduziert und ein immer größerer
                             Transformation prägen weite Teile des       Teil des Ernährungsprozesses verlagert sich
                             ökonomischen Umfeldes – so auch die         in den öffentlichen Raum, beispielsweise in
                      globale Lebensmittelwirtschaft. Dabei hat sich     die boomende Erlebnisgastronomie. Herkunft
                      allerdings gezeigt, dass Veränderungen nicht       und Regionalität von Lebensmittel spielen
                      zwingend von globalen Konzernen getrieben          allerdings nur für einzelne Bereiche eine grö-
                      werden müssen. Vielfach ist es kleinen und         ßere Rolle – insgesamt branchenwirksam sind
                      innovativen Mittelständlern gelungen, neue         sie nicht.
                      Geschäftsmodelle durchzusetzen oder sich
                      lukrative Nischen zu sichern. Vorteilhaft ist                   Produziert werden die nicht selten
                      für sie die immer stärkere Aufsplitterung der                   hochpreisigen Standard-Lebensmit-
                      Märkte, so dass sie sich auf einzelne globale                   tel in einem globalen und hoch ver-
                      Segmente konzentrieren und diese über ex-          netzten System. Die Produzenten sind meist
                      portorientierte Modelle erschließen können.        lokal verortet oder spezialisierte Akteure wie
                      Signifikante Einschränkungen sind weder von        kleine, landwirtschaftliche Betriebe, stark
                      Seiten der Umwelt- und Klimapolitik noch für       handwerklich      beziehungsweise    mittelstän-
                      den globalen Freihandel zu erwarten.               disch geprägte Produzenten oder speziali-
                                                                         sierte Online-Anbieter. All diese Akteure sind
                             In der Gesellschaft haben Geschwindig-      marktnah aufgestellt, verstehen die zukünfti-
                             keit und Veränderungsdruck ebenso zu-       gen Kundenanforderungen und können diese
                             genommen wie Individualisierung und         mit den Ergebnissen aus Forschung und Wis-
                      Konsumorientierung. Vielfalt und die perma-        senschaft verknüpfen. Insofern werden Inno-
                      nente Veränderung von Lebensstilen, Wertvor-       vationen von Verbrauchern und Ernährungs-
                      stellungen und Konsummustern führen zu im-         wirtschaft gemeinsam vorangetrieben.
                      mer neuen Trends, die von einer fragmentierten
                      Medienlandschaft befeuert werden und die sich                   Die deutsche Lebensmittelwirtschaft
                      auch auf Ess- und Kochgewohnheiten auswir-                      wird – ähnlich wie andere Branchen
                      ken. Ein großer Teil der von Lifestyle geprägten                – von einer mittelständischen Struk-
                      Gesellschaft nutzt das Essen, um seiner Per-       tur geprägt und gilt global als „Exportwelt-
                      sönlichkeit Ausdruck zu verleihen und um sich      meister“. Während andere Volkswirtschaften
                      von Anderen abzugrenzen. Dafür sind mehr und       auf Zentralisierung und Skalen­vorteile gesetzt
                      mehr Menschen bereit zu investieren – auch in      haben, konnten deutsche „Hidden Champions“
                      qualitativ hochwertige Lebensmittel. Allerdings    immer mehr Segmente erobern und die insge-
                      wird der eigene Zeiteinsatz für das Kochen auf     samt starke Wettbewerbsposition absichern.

24
Export-Szenario ___

Neue Chancen für den Mittelstand

Kleine und mittelständische Unternehmen
nutzen ihre Flexibilität und setzen sich auf den
globalen Märkten vielfach gegen Große durch
Szenario tritt ein, wenn
Flexibilität und Agilität vor Größe geht.

                                                              25
___ Export-Szenario

04                    Das Export-Szenario

                      Nationale Innovations-Champions in
                      einer vernetzten Welt

            Schlüsselfaktor                             Szenario-Elemente

     1      Umwelt- & Klimapolitik /                    Geringe Bedeutung der globalen Umwelt- und
            Ressourcen & Rohstoffe                      Klimapolitik bei schwankenden Rohstoffpreisen

     2      Lebensstile & Werteentwicklung              Das Auseinanderdriften der Lebensstile und des damit
                                                        einhergehenden Konsumverhalten in der Gesellschaft
                                                        verstetigt sich wobei Werte die Kaufentscheidung nicht
                                                        maßgeblich beeinflussen

     3      Mobilität & Freizeit                        Geringer Freizeitanteil in der Gesellschaft bei
                                                        zunehmender Mobilität

     4      Innovation & Digitalisierung                Neue Erfolgsfaktoren in einer weitgehend
                                                        digitalisierten Ernährungswirtschaft

     5      Essverhalten / Ernährungsgewohnheiten       Ernährung dient in hohem Umfang der Persönlich-
                                                        keitsbildung – allerdings bei geringem Zeiteinsatz

     6      Kochgewohnheiten in privaten Haushalten /   Starke Verlagerung des Ernährungsprozesses in den
            Außer-Haus-Versorgung und Gastronomie       öffentlichen Raum

     7      Einkaufsverhalten der privaten Haushalte    Primär komplexe Einkaufsprozesse bei hoher
                                                        Transparenz

     8      Verantwortungsbewusstsein der               Befriedigung individueller Bedürfnisse ohne breiten
            Konsumenten / Fair Trade                    Bedarf zur massiven Veränderung von Nachhaltig-
                                                        keitsstandards

     9      Regionalität / Bedeutung der Herkunft       Geringe Bedeutung von Regionalität
            der Lebensmittel

     10     Qualität von Lebensmitteln / Lebens-        Vertrauen in Lebensmittelsicherheit hoch
            mittelsicherheit / -kontrolle               Qualitätskriterien von Lebensmitteln können sowohl
                                                        eher quantitativ (hart) als auch qualitativ (weich) sein

     11     Lebensmittelpreise / Zahlungsbereitschaft   Akzeptanz hoher Preise für Standard-Lebensmittel
            für Lebensmittel

26
Export-Szenario ___

     Schlüsselfaktor                                   Szenario-Elemente

12   Lebensmittel in den Medien                        Starke Fragmentierung der Medienlandschaft

13   Globale Lebensmittel-Wertschöpfungskette          Globale Lebensmittelwirtschaft erhöht die Vielfalt
                                                       von Lebensmitteln

14   Investitionsverhalten der Akteure in der          Lokal und national verankerte Akteure treiben
     globalen Lebensmittelwirtschaft                   Innovationen in der Lebensmittelwirtschaft

15   Rolle & Struktur des Lebensmittelhandels          Breite Ablösung des stationären Handels
                                                       durch alternative Handelsformate (inkl.
                                                       Online-Handel)

16   Forschung und Wissenschaft bezüglich              Grad der Veränderung der Ernährungswirtschaft auf
     Lebensmittel                                      Basis neuer Forschungsergebnisse hoch
                                                       Verständnis und Wahrnehmung von Forschung und
                                                       Wissenschaft durch die Verbraucher kann sowohl
                                                       rational als auch emotional sein

17   Innovationen / Technologische Verfahren           Hoch innovatives Umfeld – Verbraucher und
     in der Lebensmittel-Herstellung                   Ernährungswirtschaft treiben Innovationen

18   Produkte der Lebensmittelindustrie                Hohe Produktvielfalt bei hohem Grad der
                                                       Verarbeitung der Produkte

19   Struktur der deutschen Lebensmittel-              Stark handwerklich / mittelständisch geprägte
     wirtschaft                                        Branche mit hohem Exportanteil

20   Automatisierung der Arbeitskräfte in              Hoch automatisierter Lebensmittelwirtschaft
     der Lebensmittelwirtschaft                        stehen ausreichend Fachkräfte zur Verfügung

21   Agrarwirtschaft in Deutschland                    Hohe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe bei
                                                       gerinem Grad der Regulierung

        Charakteristische Projektion (kommt nur in diesem Szenario vor)
        Teilcharakteristische Projektion (kommt in dieser Stärke nur in diesem Szenario vor)

                                                                                                                 27
___ Global&Fair-Szenario

05                     Das Global & Fair-Szenario
                       Globale Warenströme hinter regionalen und werthaltigen Produkten

                              2030. Das globale Umfeld ist geprägt                 Der Verarbeitungsgrad der Lebens-
                              von einer Auflösung der Grenzen und                  mittel steigt nicht mehr weiter an.
                              einem starken Austausch von Waren                    Ursprünglichkeit spielt für die Kon-
                       und Dienstleistungen, von Wissen und Kapital      sumenten zwar eine große Rolle, dennoch wer-
                       sowie von Personenfreizügigkeit. Daher wird       den globale Warenströme hinter regionalen
                       die globale Lebensmittelwirtschaft zuneh-         Produkten akzeptiert. Dies liegt vor allem an
                       mend von multinationalen Konzernen geprägt.       der Sicherstellung hoher Qualitätsstandards
                       Gleichzeitig haben Belange des Allgemein-         zu günstigen Preisen durch die Lebensmittel-
                       wohls wie Umwelt- und Klimaschutz oder die        wirtschaft – und an der nachhaltigen Gestal-
                       Bekämpfung von Hunger und Armut auf glo-          tung der Mobilitätssysteme. Ermöglicht wird
                       baler Ebene deutlich an Gewicht gewonnen.         diese Veränderung durch ein hochinnovatives
                       Insofern orientieren sich die Konzerne bei ih-    Umfeld, in dem die massiven Fortschritte aus
                       rem Handeln nicht allein an kurzfristigem Ge-     Forschung und Wissenschaft von der Ernäh-
                       winnstreben, sondern stellen langfristig und      rungswirtschaft erschlossen und den dafür of-
                       gesellschaftlich wirksame Innovationen in den     fenen Konsumenten emotional nahegebracht
                       Mittelpunkt.                                      werden. Der stationäre Einzelhandel über-
                                                                         nimmt zunehmend die Rolle eines „Guides“,
                              Individualität sowie Werteorientierung     der die Konsumenten bei ihren komplexen
                              sind in der modernen Gesellschaft kei-     Einkaufsprozessen unterstützt. Daher spielen
                              ne Gegensätze mehr. So entsteht eine       für ihn Wertorientierung, Glaubwürdigkeit und
                       Vielfalt von Lebensstilen, Wertvorstellungen      Transparenz eine große Rolle – unter Einbezug
                       und Konsummustern, die in der überwiegen-         eigener, digitaler Angebote und Services.
                       den Mehrzahl von einem „Wir-Denken“ und
                       hohem Verantwortungsbewusstsein geprägt                      Die   deutsche   Lebensmittelwirt-
                       sind. Unterschiedliche Lebensstile werden                    schaft ist zunächst direkt von der
                       gemeinhin als positiv wahrgenommen – was                     zunehmenden Regulierung betrof-
                       sich auch auf den Bereich der Ernährung           fen – also von neuen Standards in Umwelt-
                       überträgt. Die meisten Menschen sehen im          und Verbraucherschutz. Diese Vorgaben der
                       Essen weit mehr als die reine Nahrungsauf-        öffentlichen Hand sind allerdings so angelegt,
                       nahme: der Zeiteinsatz für Beschaffung, Zube-     dass sie traditionelle Strukturen nicht fest-
                       reitung und Verzehr ist hoch, Mahlzeiten wer-     legen, sondern gesellschaftlich gewünschte
                       den weiterhin gemeinschaftlich im engeren         Veränderungen stimulieren. Dabei kommt es
                       Lebensumfeld eingenommen, und gleichzeitig        sowohl in der Agrarwirtschaft als auch bei
                       wird das Essen genutzt, um eigener Individua-     der Lebensmittelproduktion zu erheblichen
                       lität und Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen.   Konzentrationsprozessen. Parallel werden die
                       Gefördert wird diese Entwicklung von Medien,      Möglichkeiten der Automatisierung in der Le-
                       die konstruktiv zu einem ergebnisoffenen Dia-     bensmittelwirtschaft konsequent genutzt.
                       log über Lebensmittel beitragen.

28
Global&Fair-Szenario ___

                           FA I R -
                           TRADE

                                      BIO

Globale Wahrheiten

Der Verbraucher bewegt sich in einer an
Regionalität und Werten orientierten Welt –
die allerdings von globaler Logistik gesteuert wird
Szenario tritt ein, wenn
Moral und Individualisierung zusammentreffen.

                                                                     29
___ Global&Fair-Szenario

05                     Das Global&Fair-Szenario

                       Globale Warenströme hinter regionalen
                       und werthaltigen Produkten

            Schlüsselfaktor                             Szenario-Elemente

     1      Umwelt- & Klimapolitik /                    Hohe Bedeutung der globalen Umwelt- und Klima-
            Ressourcen & Rohstoffe                      politik bei schwankenden Rohstoffpreisen

     2      Lebensstile & Werteentwicklung              Das Auseinanderdriften der Lebensstile und des damit
                                                        einhergehenden Konsumverhalten in der Gesellschaft
                                                        verstetigt sich verbunden mit einer starken Integration
                                                        von Werten in Kaufentscheidungen

     3      Mobilität & Freizeit                        Hoher Freizeitanteil in der Gesellschaft bei
                                                        abnehmender Mobilität

     4      Innovation & Digitalisierung                Neue Erfolgsfaktoren in einer weitgehend
                                                        digitalisierten Ernährungswirtschaft

     5      Essverhalten / Ernährungsgewohnheiten       Umfangreicher Zeiteinsatz für Ernährung zur
                                                        Persönlichkeitsbildung

     6      Kochgewohnheiten in privaten Haushalten /   Dominanz des klassischen Zubereitens und Essens
            Außer-Haus-Versorgung und Gastronomie       zu Hause

     7      Einkaufsverhalten der privaten Haushalte    Primär komplexe Einkaufsprozesse bei hoher
                                                        Transparenz

     8      Verantwortungsbewusstsein der               Stark steigender Anteil der Konsumenten setzt auf
            Konsumenten / Fair Trade                    nachhalitge Entwicklung bei gleichzeitiger Befriedi-
                                                        gung individueller Bedrüfnisse

     9      Regionalität / Bedeutung der Herkunft       Globale Warenströme hinter regionalen Produkten
            der Lebensmittel

     10     Qualität von Lebensmitteln / Lebens-        Qualitative Kriterien schaffen hohes Vertrauen in
            mittelsicherheit / -kontrolle               Lebensmittel(-sicherheit)

     11     Lebensmittelpreise / Zahlungsbereitschaft   Günstige Preise für qualitativ hochwertige,
            für Lebensmittel                            wertgeschätzte Lebensmittel

30
Global&Fair-Szenario ___

     Schlüsselfaktor                                   Szenario-Elemente

12   Lebensmittel in den Medien                        Medien tragen zum intensiven ergebnisoffenen Dialog
                                                       über Lebensmittel bei

13   Globale Lebensmittel-Wertschöpfungskette          Globale Lebensmittelwirtschaft erhöht die Vielfalt
                                                       von Lebensmitteln

14   Investitionsverhalten der Akteure in der          Globale Kapital- und Dividendengetriebene Konzerne
     globalen Lebensmittelwirtschaft                   treiben Innovationen in der Lebensmittelwirtschaft

15   Rolle & Struktur des Lebensmittelhandels          Dominante Rolle des klassischen stationären Lebens-
                                                       mittelhandels

16   Forschung und Wissenschaft bezüglich              Massive Fortschritte der Forschung werden von
     Lebensmittel                                      der Ernährungswirtschaft erschlossen – Kunden
                                                       reagieren lediglich emotional darauf

17   Innovationen / Technologische Verfahren           Hoch innovatives Umfeld – Verbraucher und
     in der Lebensmittel-Herstellung                   Ernährungswirtschaft treiben Innovationen

18   Produkte der Lebensmittelindustrie                Produktvielfalt hoch
                                                       Grad der Verarbeitung der Produkte und Anteil von
                                                       Convenience können sowohl hoch als auch gering sein

19   Struktur der deutschen Lebensmittel-              Zunehemend konzentrierte Lebensmittelbranche
     wirtschaft                                        mit hohem Exportanteil

20   Automatisierung der Arbeitskräfte in              Hoch automatisierter Lebensmittelwirtschaft
     der Lebensmittelwirtschaft                        stehen ausreichend Fachkräfte zur Verfügung

21   Agrarwirtschaft in Deutschland                    Geringe Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe bei
                                                       hohem Grad der Regulierung

        Charakteristische Projektion (kommt nur in diesem Szenario vor)
        Teilcharakteristische Projektion (kommt in dieser Stärke nur in diesem Szenario vor)

                                                                                                                   31
___ Regionales Vielfalts-Szenario

06                       Das regionale Vielfalts-Szenario
                         Wertebewusste Verbraucher treiben regionalisierte Angebote

                                    2030. Die auf Deregulierung und Auf­                Die Verbraucher sind bereit, für hoch-
                                    lösung der Grenzen basierende Glo­                  wertige und regionale Lebensmittel
                                    bali­sierung ist nicht mehr alternativ­             mehr zu bezahlen. Gleichzeitig wün-
                         los. Zwar besteht weiterhin und sogar noch           schen sie sich einen direkten Bezug zu Rohstof-
                         verstärkt eine internationale Zu­
                                                         sammenar-            fen und Herstellern, so dass der Verarbeitungs-
                         beit – beispielsweise im Umwelt- und Klima-          grad der Lebensmittel eher rückläufig ist und
                         schutz – aber gleichzeitig setzen sich protek-       sich vielerorts regionale oder lokale Logistiknet-
                         tionistische Tendenzen durch und es etab-            ze entwickeln. In diesem Umfeld hat es die (glo-
                         lieren sich immer mehr regionale und lokale          bale) Ernährungswirtschaft schwer, übergrei-
                         Wirtschaftsnetzwerke. Lokale Verbraucher mit         fende Neuerungen durchzusetzen. Stattdessen
                         ihren individuellen Bedürfnissen führen zu           treiben die lokalen Verbraucher über ihre Be-
                         einer regionalisierten Lebensmittelwirtschaft        dürfnisse die Branchenentwicklung an. Diesem
                         sowie zu einer Abkehr von globalen Standards         Umfeld hat sich auch die Ernährungsforschung
                         – und geben letztlich den Weg frei für eine          angepasst, in dem sie sich auf den Transfer
                         „neue alte Vielfalt“.                                übergeordneter wissenschaftlicher Erkennt-
                                                                              nisse in marktnahe Innovationen konzentriert.
                                    In der von Vielfalt geprägten Gesell-     Der stationäre Einzelhandel setzt ebenfalls auf
                                    schaft setzen sich Echtheit und Nach-     regionale Konzepte und profitiert von der hohen
                                    haltigkeit als Leit­
                                                       motive durch. Es       Bedeutung der kleinen, regionalen Anbieter.
                         entsteht eine Fülle von Lebensstilen, Wert-
                         vorstellungen und Konsummustern, die in der                    Die stark handwerklich und mittel-
                         überwiegenden Mehrzahl von einem „Wir-Den-                     ständisch geprägte deutsche Lebens-
                         ken“ und hohem Verantwortungsbewusstsein                       mittelwirtschaft konzentriert sich auf
                         geprägt sind. Entsprechende Entwicklungen            den nationalen Markt – Im- und Exporte spielen
                         finden sich auch in der Ernährung, wo „Regi-         eine geringere Rolle als früher. Insgesamt ist
                         onal als das neue Bio“ gilt. Die meisten Men-        die Veränderungsgeschwindigkeit allerdings be-
                         schen sehen im Essen weit mehr als die reine         grenzt, traditionelle Strukturen der Agrar- und
                         Nahrungsaufnahme: der Zeiteinsatz für Be-            Lebensmittelwirtschaft können sich in dem re-
                         schaffung, Zubereitung und Verzehr ist hoch,         lativ geschützten Umfeld festigen. Digitalisie-
                         Mahlzeiten werden weiterhin gemeinsam ein-           rung und Automatisierung sind zwar Bestandteil
                         genommen, und gleichzeitig wird das Essen            dieser Entwicklung, aber ohne starken Einfluss
                         genutzt, um eigener Individualität und Persön-       auf den Alltag. Wettbewerbsvorteile können nur
                         lichkeit Ausdruck zu verleihen. Gefördert wird       einzelne Nischenanbieter erschließen. Außerdem
                         diese Entwicklung durch Medien, die lokale Ge-       führt die Rückbesinnung auf nationale und regi-
                         gebenheiten aufgreifen und konstruktiv zu ei-        onale Wirtschaftsräume dazu, dass der Ernäh-
                         nem ergebnisoffenen Dialog über Lebensmittel         rungswirtschaft die benötigten Arbeitskräfte nicht
                         beitragen.                                           in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen.

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Regionales Vielfalts-Szenario ___

Das „neue Alte“

Wiederentdeckung der traditionellen
Werte und Lebensmittel führen zu einer
neuen Vielfalt jenseits der Globalisierung
Szenario tritt ein, wenn
Verbraucher auf regionale Produkte setzen.

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