DIGITAL ANERKANNT Möglichkeiten und Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung von in MOOCs erworbenen Kompetenzen - Hochschulforum Digitalisierung
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Arbeitspapier Nr. 34 | Juni 2018 Nummer 34 | Juni 2018 DIGITAL ANERKANNT Möglichkeiten und Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung von in MOOCs erworbenen Kompetenzen Florian Rampelt, Hannes Niedermeier, Ronny Röwert, Laura Wallor, Christian Berthold
Arbeitspapier Nr. 34 | Juni 2018 Nummer 34 | Juni 2018 DIGITAL ANERKANNT Möglichkeiten und Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung von in MOOCs erworbenen Kompetenzen Autorin und Autoren: Florian Rampelt Stifterverband Hannes Niedermeier Kiron Open Higher Education Ronny Röwert Kiron Open Higher Education Laura Wallor CHE Consult Dr. Christian Berthold CHE Consult
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt HOCHSCHULFORUM DIGITALISIERUNG DAS HOCHSCHULFORUM DIGITALISIERUNG Das Hochschulforum Digitalisierung (HFD) bildet als deutschlandweite Plattform und Think-Tank den Rahmen, um über die vielfältigen Einflüsse der Digitalisierung auf die Hochschulen und insbesondere auf die Hochschullehre zu diskutieren. Das Hochschul- forum unterstützt Hochschulen bei der strategischen Verankerung der Digitalisierung sowie deren Nutzung in der Lehre und entwickelt gemeinsam mit ihnen zukunftswei- sende Szenarien für Hochschulen in der digitalen Welt. Das Hochschulforum Digitalisierung wurde 2014 gegründet. Es ist eine gemeinsame Initiative des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft mit dem CHE Centrum für Hochschulentwicklung und der Hochschulrektorenkonferenz. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Weitere Informationen zum Hochschulforum Digitalisierung finden Sie unter https://hochschulforumdigitalisierung.de.
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt INHALT INHALT VORWORT............................................................................................................................... 1 ZUSAMMENFASSUNG ........................................................................................................... 2 1. EINFÜHRUNG ................................................................................................................... 3 1.1 Relevanz des Themas ............................................................................................... 3 1.2 Anerkennung und Anrechnung ............................................................................... 5 2. DIE DIGITALISIERUNG ALS AKTIONSFELD IM KONTEXT VON ANERKENNUNG UND ANRECHNUNG ........................................................................................................ 7 3. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN & VERFAHRENSGRUNDLAGEN ............... 11 3.1 Anerkennung (hochschulischer Bereich) ............................................................. 11 3.2 Anrechnung (ausserhochschulischer Bereich).................................................... 12 4. PRAXISBEISPIELE IM DIGITALEN KONTEXT (NATIONAL & INTERNATIONAL) ..... 16 4.1 Anerkennung und Hochschulkooperationen........................................................ 16 4.1.1 Pauschale Anerkennung von MOOCs in Deutschland ........................... 18 4.1.2 Plattformkooperationen in Deutschland .................................................. 19 4.1.3 Internationale Hochschulkooperationen (Virtual Exchange bzw. Mobility) ...................................................................................................... 21 4.2 Vergabe von Leistungspunkten im Rahmen der Kooperation von MOOC- Anbietern mit Hochschulen.................................................................................... 23 4.3 Pauschale Anrechnung von MOOCs für immatrikulierte Studierende ausserhalb von Kooperationen.................................................................................................. 26 4.4 Anrechnung von vor dem Studium digital erworbenen Kompetenzen .............. 27 5. QUALITÄTSSICHERUNG............................................................................................... 30 5.1 Transparenz und zentrale Kriterien ....................................................................... 30 5.2 Externe Qualitätssicherung von MOOCs bzw. MOOC-Plattformen .................... 32 6. EMPFEHLUNGEN .......................................................................................................... 34 6.1 Empfehlungen für Hochschulen ............................................................................ 34 6.2 Empfehlungen für Studierende .............................................................................. 38 6.3 Empfehlungen für Anbieter von MOOCs............................................................... 39 6.4 Empfehlungen für die Bildungspolitik................................................................... 40 GLOSSAR.............................................................................................................................. 42 LITERATUR IMPRESSUM
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt VORWORT VORWORT Außerhochschulisch erworbene Kompetenzen verdienen Anrechnung auf ein akademisches Studium. Diese Forderung schlug sich bereits im Jahr 2002 in einem wegweisenden Beschluss der Kultusministerkonferenz nieder. Obwohl schon seit damals offiziell bis zur Hälfte eines Studiengangs entsprechend ersetzt werden dürfen, tat sich das deutsche Hochschulsystem mit der Anrechnung individuell erlangter Kompetenzen lange sehr schwer. Spätestens mit dem Aufkommen von Massive Open Online Courses (MOOCs) und anderen Formen digitaler Bildungsangebote hat die Diskussion über die Möglichkeiten – und auch die Risiken – einer Öffnung von Hochschulbildung jedoch neuen Schwung bekommen. Die globale Produktion digitaler Kursangebote wächst weiterhin konstant, die Formate differenzieren sich zunehmend aus und die virtuelle Mobilität nimmt zu. Der Übergang zwischen hochschulischen und außer- hochschulischen Bildungsangeboten erscheint dabei immer fließender und eine Einordnung digitaler Kurse in traditionelle Raster fällt nicht immer leicht. Die vorliegende Überblicksstudie soll Antworten auf diese Unsicherheiten geben und die aktuell bestehenden Anrechnungs- und Anerkennungsoptionen und -wege für digitale Lernformate aufzeigen und sortieren. Sie ist als Teil des durch die Bertelsmann Stiftung geförderten Projekts „From Camp to Digital Campus“ der Bildungsorganisation Kiron Open Higher Education entstanden und wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Hochschulforum Digitalisierung (HFD) umgesetzt. Ergänzt wurde die Studie durch eine umfassende Recherche von Beispielen guter Praxis durch CHE Consult. Unser Dank gilt neben den Autor/-innen insbesondere auch den Mitgliedern der durch die HRK koordinierten HFD-Arbeitsgruppe „Anerkennung und Anrechnung digitaler Lehrformate“ für ihre konstruktiven Anregungen. Die Studie untersucht sowohl allgemeingültige Grundlagen der Anerkennung und Anrechnung im Hochschulbereich als auch deren konkrete Bedeutung und Umsetzungslogiken für digitale Lehr- und Lernszenarien. Das Arbeitspapier soll damit eine praxisorientierte Orientierung und Hilfestellung im Umgang mit der Anerkennung und Anrechnung von MOOCs an Hochschulen bieten. Darüber hinaus wird durch eine Vielzahl an spannenden Beispielen klar aufgezeigt, was unter den richtigen Rahmenbedingungen alles möglich ist. Diese Rahmenbedingungen gilt es entsprechend zu stärken, um hochwertigen Onlinekursen die Anerkennung zu geben, die sie verdienen. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre! Ralph Müller-Eiselt Oliver Janoschka Senior Expert, Taskforce Digitalisierung Leiter der Geschäftsstelle des HFD Bertelsmann Stiftung Stifterverband 1
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt ZUSAMMENFASSUNG ZUSAMMENFASSUNG Der digitale Wandel bietet Hochschulen die Chance, zentralen Herausforderungen besser als bisher zu begegnen, sei es durch Öffnung für neue Zielgruppen, individuelle Studienvorberei- tung oder die Unterstützung von flexibleren Bildungsbiographien und -bedarfen. Gerade Mas- sive Open Online Courses (MOOCs) haben in den vergangenen Jahren eine intensive Diskus- sion über Potenziale und Risiken digitaler Ansätze angestoßen. Es wurden neue Modelle des digitalen Kompetenzerwerbs in Verbindung mit der Vergabe von Leistungspunkten (Credit Points) entwickelt. Dies hat auch Fragen zur Passung von Prozessen, Standards und Quali- tätssicherungsmaßnahmen im Kontext digitaler Lehr- und Lernszenarien neu aufgeworfen. Die vorliegende Überblicksstudie bestätigt, dass die Rahmenbedingungen und Prozesse, die in den vergangenen Jahrzehnten mit einem Fokus auf „analoge Räume“ für den Europäischen Hochschulraum geschaffen wurden, grundsätzlich auch auf digital erworbene Kompetenzen anwendbar sind. Die Qualitätssicherungsinstrumente, die vor allem im Rahmen des Bologna- Prozesses definiert wurden, bieten darüber hinaus Möglichkeiten, durch eine Neuinterpretation klare Prozesse hinsichtlich der Anrechnung und Anerkennung von digital erworbenen Leistun- gen herbeizuführen. Dies wird im Rahmen der Studie sowohl allgemein konzeptionell hergelei- tet als auch anhand von konkreten Beispielen guter Praxis umsetzungsorientiert illustriert. Eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote, Verbünde und Kooperationsprojekte hat bereits erfolg- reich Anerkennungs- und Anrechnungsoptionen für MOOCs in der Praxis aufzeigen können. In der Gesamtschau zeigt sich aber auch, dass die Anerkennung und Anrechnung von digital erworbenen Kompetenzen trotz des hohen Engagements einzelner Akteure vielerorts nicht klar geregelt ist. Bedenken gegenüber der Digitalisierung und institutionelle Unsicherheiten kristal- lisieren sich dabei oftmals besonders in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Qualitätssicherung heraus. Über eventuell zusätzlich notwendige Standards, etwa zur Durchführung von Prüfungen in digitalen Kontexten, besteht keine Einigkeit. Auf Basis der Ana- lysen und bestehender Beispiele guter Praxis erarbeitet diese Überblicksstudie Empfehlungen für zentrale Stakeholdergruppen im Umgang mit digitalen Lehr- und Lernszenarien (Hochschu- len, Studierende, MOOC-Anbieter und Bildungspolitik). Alle Beteiligten sollten die bereits vor- handenen Möglichkeiten besser nutzen, um den digitalen Wandel qualitätsorientiert mitzuge- stalten und hierfür auch Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung nutzen. Digitale Ange- bote sollten durch verbesserte Instrumente und Prozesse die ihnen zustehende Anerkennung erhalten und durch gezielte Anreizmechanismen sowie zentrale Infrastrukturen die gemein- same Nutzung und Produktion qualitativ hochwertiger Kursangebote gefördert werden. 2
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 1. EINFÜHRUNG 1. EINFÜHRUNG 1.1 RELEVANZ DES THEMAS Im Zuge des Bologna-Prozesses wurde das Hochschulsystem grundlegend reformiert. Auf eu- ropäischer Ebene wurden vergleichbare Studienstrukturen (Bachelor und Master), gemein- same Standards und Richtlinien zur Qualitätssicherung (Standards und Leitlinien für die Qualitätssicherung im Europäischen Hochschulraum, ESG) sowie Transparenzinstrumente (Diploma Supplement und ECTS1) und Qualifikationsrahmen (EQF)2 geschaffen. Diese Maßnahmen sollen zur besseren Vergleichbarkeit von Bildungssystemen, zur Öffnung von Hochschulen und einer verstärkten Mobilität von Studierenden führen. Unterstützt wurden diese Prozesse durch weitere Vereinbarungen wie die Lissabon-Strategie und auf institutionel- ler Ebene neben den Hochschulen auch durch für relevante Aspekte wie Anerkennungsfragen verantwortliche Einrichtungen, wie z. B. die nationalstaatlichen Einrichtungen des ENIC- NARIC-Netzwerkes3 und Projekte wie „nexus“ der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).4 Um den steigenden Studierendenzahlen gerecht zu werden und etwa auch Herausforderungen der Arbeitswelt 4.0 zu begegnen, kooperieren immer mehr Hochschulen mit nichthochschuli- schen Einrichtungen. Gradverleihende Hochschulen lagern ganze Studiengänge oder Teile davon an Bildungsträger außerhalb der Hochschule aus oder rechnen außerhochschulisch erworbene Kompetenzen pauschal an (Wissenschaftsrat, 2017). Die Öffnung der Hochschule für nicht-traditionelle Studierende wurde in diesem Kontext besonders durch die Anrechenbarkeit beruflicher Qualifikationen gefördert und vor allem die Bundes- bzw. Bund-Länder-Programme „Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hoch- schulstudiengänge“ (ANKOM) und „Aufstieg durch Bildung“ haben unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zahlreiche Standards und Beispiele 1 European Credit Transfer and Accumulation System. 2 European Qualifications Framework. 3 Das ENIC-NARIC-Netzwerk ist ein Zusammenschluss nationaler Äquivalenzzentren, die die Um- setzung der Lissabon-Konvention unterstützen und Mobilität von Studierenden, Dozierenden so- wie Forschenden fördern sollen. „Die Stellen im Netzwerk informieren sich gegenseitig über ihre Bildungssysteme und dienen als Ansprechpartner für Probleme, die sich bei der Bewertung von ausländischen Qualifikationen ergeben können. Auf gemeinsamen Konferenzen beraten sie über Fragen der Anerkennung, die von übergeordnetem Interesse sind.“ Verfügbar unter https://www.kmk.org/themen/anerkennung-auslaendischer-abschluesse.html. 4 https://www.hrk-nexus.de/. 3
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 1. EINFÜHRUNG guter Praxis entwickeln können.5 Obwohl viele solcher Maßnahmen grundsätzlich dazu beige- tragen haben, die Anerkennung und Anrechnung von Kompetenzen über Hochschul- und Ländergrenzen hinweg prinzipiell zu vereinfachen, und Regelungen hierzu in den letzten Jahren auch zum verpflichtenden Bestandteil von Akkreditierungsverfahren wurden (Akkredi- tierungsrat, 2014), fehlen an vielen Hochschulen nach wie vor klare Umsetzungsstrategien. Auch begriffliche sowie verfahrensrechtliche Unterscheidungen bleiben im Diskurs oft unscharf. Die fehlende Institutionalisierung und Verstetigung vieler Projektmaßnahmen zur Verbesserung der Situation hat eine nachhaltige Breitenwirkung und Vereinheitlichung von Verfahren unabhängig von Land und Einrichtung deutlich erschwert (HRK, 2017). Die sogenannte „digitale Bildungsrevolution“ hat zusätzlich zu dieser Situation weitere Klärungsbedarfe und Unsicherheiten an Hochschulen mit sich gebracht. Grenzen zwischen formalen und non-formalen Angeboten verwischen insbesondere in digitalen Lehr- und Lern- szenarien zunehmend. Frühzeitig wurden mit dem Aufkommen von MOOCs auch in Europa Möglichkeiten einer Einbettung offener digitaler Lernformate in akkreditierte Studiengänge und damit verbundene Anerkennungsfragen diskutiert (Hochschulforum Digitalisierung, 2016). Weltweit kann trotz eines Abflachens des Hypes um MOOCs eine Vielzahl solcher Onlinekurse in Verbindung mit Leistungspunkten und einer möglichen Anerkennung bzw. Anrechnung an einer Hochschule absolviert werden.6 In mehr als der Hälfte der Mitgliedsländer des Europäi- schen Hochschulraums bieten Hochschulen eigene MOOCs an (European Commission, EACEA & Eurydice, 2018) und auch virtuelle Mobilität gewinnt zunehmend an Relevanz. Die vorliegende Überblicksstudie soll für in digitalen Bildungskontexten erworbene Kompeten- zen zentrale Fragestellungen, Möglichkeitsräume und Ansätze aus der Praxis skizzieren. Ziel ist es dabei, nicht nur Rahmenbedingungen und Bedingungszusammenhänge bei Anerken- nungs- und Anrechnungsverfahren zu beleuchten, sondern insbesondere auch über die Iden- tifizierung von Beispielen auf nationaler und internationaler Ebene die gängige Praxis in Bezug auf digital erworbene Kompetenzen zu untersuchen und dabei eine Vielfalt von Handlungs- möglichkeiten aufzuzeigen. Im Anschluss daran werden Empfehlungen für Hochschulen, Studierende, Anbieter von MOOCs und die Bildungspolitik formuliert. Diese zeigen basierend auf einem besseren Verständnis der Möglichkeiten einer qualitätsgesicherten Anerkennung und Anrechnung online erworbener Kompetenzen konkrete Handlungsmöglichkeiten auf. 5 Weitere Informationen unter https://www.wettbewerb-offene-hochschulen-bmbf.de/. 6 Die Website Class Central listet alleine 370 MOOCs von 49 Hochschulen auf (Shah, 2018c). 4
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 1. EINFÜHRUNG 1.2 ANERKENNUNG UND ANRECHNUNG Bei Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung handelt es sich im Grundsatz um Mechanis- men zur Berücksichtigung und Bewertung der Vergleichbarkeit von Systemen sowie der an verschiedenen Institutionen und in unterschiedlichen Lernszenarien erworbenen Kompeten- zen. Der „gerechte[n] Anerkennung von Vorbildungen (prior learning)“ (KMK, 2008, S. 1) wird gerade im Europäischen Hochschulraum eine große Bedeutung zugewiesen. Die in Deutsch- land hierfür bestehende Besonderheit einer begrifflichen Differenzierung zwischen „Anerken- nung“ und „Anrechnung“ geht dabei nicht nur mit klaren verfahrensrechtlichen Unterschieden, sondern auch mit der stetigen Notwendigkeit einer ebenso klaren begrifflichen Festlegung ein- her. Im Folgenden soll daher kurz skizziert werden, welches begriffliche Verständnis von An- erkennung und Anrechnung dieser Überblicksstudie zugrunde liegt (siehe auch Abbildung 1).7 Von Anerkennung spricht man in Deutschland im Kontext von Leistungen, die an einer Hoch- schule erbracht wurden, also bei hochschulisch erworbenen Kompetenzen. „Anerkennung hochschulisch erworbener Kompetenzen bezieht sich […] auf Kompetenzen oder Qualifikationen, die an Hochschulen erbracht wurden und mit dem Ziel der Fortsetzung des Studiums in einem anderen Studiengang oder an einer anderen Hochschule anerkannt werden sollen“ (HRK, 2017, S. 6). Grundprinzip der insbesondere auf der Lissabon-Konvention8 basierenden Anerkennungs- regeln ist die „Anerkennung als Regelfall und die Begründungspflicht bei Versagung der Aner- kennung“ (Akkreditierungsrat, 2013) mit dem Konzept des wesentlichen Unterschieds als Grundlage. Dies bedeutet, dass nur bei Feststellung eines wesentlichen Unterschieds eine Anerkennung versagt werden soll. Die Beweislast liegt dabei bei der anerkennenden Hoch- schule („Beweislastumkehr“). Anerkennungsverfahren greifen dabei sowohl bei Fragen des Zugangs zur Hochschulbildung als auch der Anerkennung von Studienzeiten und abgeschlos- senen Qualifikationen. Sie sind vom Umfang her nicht beschränkt. Anrechnung hingegen bezieht sich auf alle außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen. In der Regel werden damit meist berufliche Kompetenzen verbunden, die bei der Aufnahme eines Studiums angerechnet werden (Themengruppe Curriculum Design & Qualitätsentwick- lung, 2016). Der Begriff der Anrechnung greift aber im Grundsatz auch bei anderen non-formal erbrachten Leistungen oder informell erworbenen Kompetenzen und kann allgemein auf 7 In Kapitel 3 wird dies dann weiter ausdifferenziert. 8 Das „Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der eu- ropäischen Region“ wurde nach Ausarbeitung durch den Europarat und die UNESCO seit 1997 von über 50 Staaten unterzeichnet und besitzt seit 2007 auch Rechtsgültigkeit in Deutschland. 5
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 1. EINFÜHRUNG nicht- bzw. außerhochschulische Kontexte bezogen werden. „Sie hat [damit; Anm. d. Verf.] einen zentralen Stellenwert für die Öffnung der Hochschulen für nicht-traditionelle Studieren- dengruppen“ (HRK, 2017, S. 7). Bei Verfahren der Anrechnung außerhochschulisch erworbe- ner Kompetenzen gilt das Prinzip der Gleichwertigkeit von Inhalt und Niveau, die anhand der Lernergebnisse überprüft wird. Die Beweislast liegt dabei bei den Antragstellenden, nicht bei der möglicherweise anrechnenden Hochschule. In den meisten Bundesländern können durch Anrechnungen maximal 50% der in einem Studiengang zu erbringenden Leistungen durch außerhochschulisch erworbene Kompetenzen ersetzt werden (Wissenschaftsrat, 2017). Abbildung 1: Unterscheidung Anerkennung und Anrechnung (Quelle: eigene Darstellung) 6
2. DIE DIGITALISIERUNG ALS AKTIONSFELD IM KONTEXT VON ANERKENNUNG UND ANRECHNUNG Vor dem Hintergrund der Digitalisierung gewinnen Fragen nach der Anerkennung und Anrechnung von in unterschiedlichen Bildungskontexten erworbenen Kompetenzen weiter an Bedeutung. Digitales Lehren und Lernen wird immer mehr zu einem integralen Bestandteil des Studiums (HFD, 2016; European Commission, EACEA & Eurydice, 2018), aber auch der All- tagsrealität von Menschen, denen verstärkt auch außerhalb formaler Institutionen zu ihrem Lerninteresse passende Bildungsangebote zur Verfügung stehen (Schmid, Zimmermann, Baeßler & Freitag, 2018). Dies geschieht über YouTube-Videos, Lernplattformen oder -apps und zahlreiche weitere Formate. Besondere Verbreitung und Aufmerksamkeit sowohl für den Hochschul- als auch den Weiterbildungssektor erhielten in den vergangenen Jahren MOOCs. Diese kontrovers diskutierte Form digitaler Bildungsangebote muss selbst als „vielschichtiges Phänomen“ (Brown, 2018) betrachtet werden, das sehr unterschiedliche Grade der Offenheit, didaktische Ansätze9, Geschäftsmodelle und Zielgruppen umfasst (Bates, 2015; Hood & Little- john, 2016). MOOCs dienen daher für dieses Arbeitspapier als ein Sammelbegriff für verschie- dene, potenziell für eine große Anzahl von Nutzer/-innen verfügbare Onlinekurse. Aus den USA stammend, hat sich die Produktion, Bereitstellung sowie Nutzung von MOOCs in den letzten Jahren global verbreitet. Immer öfter gibt es auch staatlich initiierte Plattformen wie FUN in Frankreich und auch in Deutschland wird eine Plattform für die Hochschullehre diskutiert (Schmid et al., 2018). Einige Einrichtungen von deutschen Hochschulen betreiben bereits eigene Plattformen (z. B. oncampus der Fachhochschule Lübeck10 oder openHPI des Hasso-Plattner-Instituts der Universität Potsdam11). Daneben führen den englischsprachigen Markt die nordamerikanischen Plattformen Coursera und edX an (Shah, 2018a). Auch diese werden von Hochschulen unterstützt bzw. wurden aus Hochschulen heraus gegründet. Dass eine Beschäftigung mit MOOCs bzw. potenziell skalierbaren Onlinekursen auch über einen ersten Hype hinaus von hoher Relevanz ist, zeigen beispielhaft Diskurse im Kontext des Hochschulforums Digitalisierung (2016), der EADTU (Jansen & Konings, 2017, 2018), der Europäischen Kommission (Witthaus et al., 2016; Colucci et al., 2017; Innamorato dos Santos, 9 Eine übliche Unterscheidung ist dabei etwa die zwischen xMOOCs und cMOOCs, darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Ansätze und Typologien (vgl. u. a. Hood & Littlejohn, 2016). 10 Weitere Informationen unter https://oncampus.de/. 11 Weitere Informationen unter https://open.hpi.de/. 7
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 2. DIGITALISIERUNG ALS AKTIONSFELD IM KONTEXT VON ANERKENNUNG & ANRECHNUNG 2018) im europäischen Kontext, sowie etwa von UNESCO und Commonwealth of Learning (2016) im globalen Kontext. Das Hochschulforum Digitalisierung beschäftigte sich bereits in mehreren Arbeitsgruppen unter anderem auch mit Anerkennungs- und Anrechnungsfragen in Bezug auf digitale Lehr- und Lernangebote.12 Regelungen und Verfahren zur Anerkennung und Anrechnung betreffen im Grundsatz gleich- ermaßen konventionelle Präsenz- wie digitale Angebote. Bei Onlinekursen sind jedoch einige Besonderheiten zu berücksichtigen, die je nach Auslegung Einschränkungen mit sich bringen. Die große Verbreitung und die Vielzahl an Anbietern von Onlinekursen aus unterschiedlichen Ländern und Bildungssystemen tragen ebenso zu Schwierigkeiten einer gesicherten Qualitäts- kontrolle bei wie die oft frei zugängliche Nutzung und fehlende bzw. nicht einheitliche Identitäts- oder Prüfungskontrolle. Zudem steht zur Diskussion, dass die stellenweise neuartige didakti- sche Gestaltung von Onlinekursen und das Onlinenutzerverhalten neuer Qualitätsmaßstäbe bedarf (Hood & Littlejohn, 2016). MOOCs haben hinsichtlich Anerkennungs- und Anrechnungs- fragen dabei den Vorteil, dass sie oft von Hochschulen produziert werden, auch wenn sie auf nichthochschulischen Plattformen angeboten werden. Im Unterschied zur Anrechnung berufli- cher Kompetenzen ist hier teilweise also bereits ein hochschulischer Rahmen gegeben. MOOC-Anbieter und Hochschulen sprechen gewissermaßen zumindest teilweise die gleiche Sprache, wodurch die Anerkennung und Anrechnung wesentlich erleichtert werden könnte. Dennoch bestehen bisher keine klaren Regelungen zur Anrechnung und Anerkennung von in digitalen Bildungskontexten erworbenen Kompetenzen, der Diskurs beschränkt sich oft noch zu stark auf den analogen Raum und eine systematische Übertragung der dort etablierten Ver- fahren erfolgt nicht. Darüber hinaus sind den handelnden Akteuren, v. a. auf Fachbereichs- ebene, oftmals zu wenige Referenzfälle bekannt. Dies bedeutet, dass Lernende, die Kennt- nisse und Fähigkeiten online erwerben, sowohl formal als auch non-formal oft nicht sicher sein können, dass ihre Leistungen auch entsprechend von einer Hochschule anerkannt oder auf ihr Studium angerechnet werden (McGreal, Conrad, Murphy, Witthaus & Mackintosh, 2014). Während die Anerkennung von digital erbrachten Studienleistungen, die im Rahmen eines ei- genen Studiengangs der anerkennenden Hochschule angeboten werden, meist unproblema- tisch ist, ist die Anerkennung und Anrechenbarkeit externer Onlinekurse bzw. MOOCs oftmals ungeklärt, besonders wenn es sich um frei verfügbare Formate handelt. MOOCs gelten vieler- orts als non-formale Lehr- bzw. Lernleistungen, auch wenn sie von Hochschullehrenden pro- duziert, durchgeführt und betreut werden. Da MOOCs nach wie vor zumindest in der Grundform 12 U. a. in der HFD-Themengruppe „Curriculum Design & Qualitätsentwicklung“ (2016-2017) sowie der HFD-Ad-Hoc-AG „Anerkennung und Anrechnung digitaler Lehrformate“ (2017-2018). 8
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 2. DIGITALISIERUNG ALS AKTIONSFELD IM KONTEXT VON ANERKENNUNG & ANRECHNUNG offen, das heißt für alle frei zugänglich und auf nichthochschulischen Plattformen angeboten werden, ist ihre Integration in den hochschulinternen Studienbetrieb nicht immer einfach. Ge- rade im internationalen Kontext wird dies aber verstärkt durch bildungspolitische Stakeholder (UNESCO & CoL, 2016) und Hochschulleitungen (Jansen & Konings, 2017) zumindest im Prin- zip befürwortet, in Deutschland scheinen Akteure hier noch skeptischer zu sein (Jungermann & Wannemacher, 2015). Schwierigkeiten bei der Anrechnung außerhochschulischen digitalen Lernens ergeben sich be- sonders auch dadurch, dass einige Anbieter lediglich eine Teilnahmebescheinigung vergeben. Hilfreich für eine einfache Anerkennung ist ein verifiziertes Zertifikat, das ECTS-Punkte aus- weist und durch eine akkreditierte Hochschule ausgestellt wird (Jansen & Konings, 2017). Doch selbst, wenn MOOCs von einer Hochschule produziert und zertifiziert werden, ist die Anerken- nung oder Anrechnung nicht immer garantiert. So stellte beispielsweise die Österreichische Universitätskonferenz in Bezug auf die Anerkennung von MOOCs in Österreich bereits 2014 klar, dass im Falle von Onlinekursen, die nicht direkt von der teilnahmebestätigenden Hoch- schule, sondern durch einen nichthochschulischen Anbieter (z. B. Coursera oder edX) ange- boten werden, durch die Anmeldung zu einem MOOC lediglich ein Rechtsverhältnis zwischen den Kursteilnehmenden und dem Anbieter entsteht, nicht aber zwischen den Kursteilnehmen- den und der Hochschule. „Die Universität scheint zwar auf der Teilnahmebestätigung auf, dies reicht aber nicht aus, um die Prüfung als an einer Universität abgelegt zu qualifizieren“ (Öster- reichische Universitätskonferenz, 2014). Ähnliche Skepsis ist auch in Deutschland zu finden, sodass eine Anerkennung von MOOCs als hochschulische Leistung meist nur dann erfolgt, wenn es sich um eigene oder von kooperierenden Hochschulen produzierte MOOCs handelt. Eine weitere Besonderheit in Bezug auf MOOCs im Vergleich zu anderen Onlinekursangebo- ten besteht darin, dass sie im Sinne ihres (auch nur noch teilweise verfolgten) Ansatzes einer theoretisch unbegrenzten Verfügbarkeit unabhängig von Zeit und Ort im Regelfall ausschließ- lich online stattfinden und es sich nicht um Blended-Learning-Konzepte handelt, bei denen die Qualitätssicherung durch die Präsenzbestandteile (insbesondere Präsenzprüfungen) gewähr- leistet werden kann.13 Zentrale Herausforderungen im Hinblick auf digitale Studienangebote bestehen also in der Qualitätssicherung von Kursinhalten einerseits und Prüfungen anderer- seits. Es gibt bereits Projekte, die sich mit der Frage beschäftigen, wie digitale Lehr- bzw. Lern- formate gestaltet sein müssen, damit diese Qualitätsstandards entsprechen. Hervorzuheben 13 Einige MOOC-Anbieter (z. B. RWTH Aachen) kombinieren ihren MOOC daher optional mit einer Präsenzprüfung, um die Anerkennung zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. 9
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 2. DIGITALISIERUNG ALS AKTIONSFELD IM KONTEXT VON ANERKENNUNG & ANRECHNUNG sind hier u. a. OERTest14, TeSLA,15 E-xcellence des EADTU-Verbundes16 und SEQUENT17. Bei vielen Verantwortlichen herrscht dennoch Skepsis, ob und wie digitale Formate in gleicher Weise Kompetenzen vermitteln können wie klassische Lehrveranstaltungen. Auch technische Lösungen zur Identitätskontrolle und Prüfungsaufsicht werden von Hochschulen oft nicht ak- zeptiert und bringen zudem rechtliche Einschränkungen mit sich (Forgó, Graupe & Pfeiffen- bring, 2016), sodass oft eine spätere Präsenzprüfung an einer Hochschule gefordert wird, wenn digital erworbene Kompetenzen anerkannt und angerechnet werden sollen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass bereits existierende Mechanismen und Be- schlüsse, die die Studierendenmobilität und die Öffnung der Hochschule unterstützen sollen, wie beispielsweise Verfahren zur Anrechnung von beruflichen Kompetenzen, digitale Leistun- gen nicht explizit mit einbeziehen und ein „implizites Mitdenken“ nicht ausreichend scheint, um Unsicherheiten abzubauen und Verfahrensklarheit zu schaffen. So finden sich in den Anerken- nungs- und Anrechnungsrichtlinien nur selten konkrete Aussagen in Bezug auf digital erwor- bene Kompetenzen. In den bisherigen Beschlüssen der Kultusministerkonferenz (KMK, 2002, 2008) zu Fragen der Anrechnung sind digitale Lehr- und Lernszenarien bisher nicht explizit aufgeführt und auch in der aktuellen Musterrechtsverordnung zum Studienakkreditierungs- staatsvertrag fehlen entsprechende Hinweise (KMK, 2017). In der aktuellen KMK-Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ sind trotz der Nennung von Open Educational Resources (OER), MOOCs und Fragen der Qualitätssicherung Empfehlungen zur Anrechnung von außerhoch- schulisch in digitalen Lehr- und Lernszenarien erworbenen Kompetenzen nicht enthalten (KMK, 2016). Hinzu kommt, dass auch allgemein bei bereits klar geregelten Anrechnungsver- fahren von den „Möglichkeiten [oft; Anm. d. Verf.] eher zurückhaltend bzw. noch nicht Ge- brauch“ (KMK, 2008, S. 3) gemacht wird. Es ist damit eine Unsicherheit an und für Hochschulen festzustellen, die zu einem Mangel an stringenter Beratung und Informationen über Anrech- nungs- bzw. Anerkennungsmöglichkeiten für Studierende sowohl seitens der MOOC-Anbieter als auch der Hochschulen führt (Witthaus et al., 2016). 14 Weitere Informationen unter http://edunetworks.ugr.es/oertest/. 15 Weitere Informationen unter http://tesla-project.eu/. 16 Weitere Informationen unter http://e-xcellencelabel.eadtu.eu/. 17 Weitere Informationen unter https://sequent-network.eu/. 10
3. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN & VERFAHRENSGRUNDLAGEN 3.1 ANERKENNUNG (HOCHSCHULISCHER BEREICH) Die Anerkennung von Leistungen, die an einer anderen Hochschule erbracht worden sind, ist durch die Lissabon-Konvention geregelt, die in Deutschland im Jahr 2007 in Kraft getreten ist. Der Hochschulausschuss der Kultusministerkonferenz (KMK) bekräftigt dabei auch, „[…] dass die wechselseitige Anerkennung von Modulen bei Hochschul- und Studiengangwechsel nach Maßgabe der Regelungen der Lissabon-Konvention gleichermaßen für an in- und ausländischen Hochschulen abgeschlossene Module gilt“ (Akkreditierungsrat, 2013). Viele Hochschulen haben bereits Maßnahmen im Sinne der Lissabon-Konvention ergriffen, mitunter mangelt es jedoch an Ressourcen, Kenntnis und Akzeptanz. Auch europaweit wird wiederholt festgestellt, dass es trotz weitgehend vorhandener Regulierungen in der operativen Umsetzung an der Wahrung von Prinzipien guter Anerkennungspraxis mangelt (European Commission, EACEA & Eurydice, 2018). Bei Anerkennungsverfahren soll es sich laut Lissabon-Konvention nicht um eine Gleichwertig- keitsprüfung handeln. Vielmehr muss im Sinne einer Beweislastumkehr dargelegt werden, dass ein wesentlicher Unterschied hinsichtlich der erworbenen und der vorgesehenen Kompe- tenzen besteht, wenn Leistungen nicht anerkannt werden. Die Hochschule müsste also die wesentlichen Unterschiede beweisen. Im Zweifel muss anerkannt werden. Eine Begründung für wesentliche Unterschiede kann z. B. vorliegen, wenn die Qualität der ausstellenden Institu- tion oder des Programms bezweifelt wird (dies betrifft vor allem Einrichtungen außerhalb des Europäischen Hochschulraums, auch wenn diese im Prinzip gleichbehandelt werden müssen). Darüber hinaus können Niveauunterschiede zu einer Ablehnung der Anerkennung führen. Die Anerkennung von hochschulischen Leistungen ist eng mit der Kooperationstiefe von Hoch- schulen verknüpft und erstreckt sich hinsichtlich des Formalisierungsgrades über ein Spektrum von Einzelfallentscheidungen auf Antrag der Studierenden bis hin zu integrierten internationa- len Studiengängen mit Doppelabschluss (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Anerkennungsmodelle (Quelle: eigene Darstellung) 11
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 3. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Eine pauschale Anerkennung kann erfolgen, wenn Hochschulen eng kooperieren und verbind- liche Vereinbarungen (auf Studiengangs-, Fakultäts- oder gesamtinstitutioneller Ebene) abschließen. Auch gemeinsame Studienprogramme sind möglich – wie beispielsweise der berufsbegleitende Masterstudiengang Elektromobilität der Hochschulföderation SüdWest, bestehend aus den Hochschulen Aalen, Esslingen, Heilbronn, Mannheim, Ravensburg-Wein- garten, Reutlingen und der Hochschule der Medien Stuttgart. Ein Beispiel für einen Doppel- abschluss ist der Studiengang B. Sc. „International Management Double Degree“ (IMX) der Hochschule Reutlingen. 3.2 ANRECHNUNG (AUSSERHOCHSCHULISCHER BEREICH) Außerhalb des Hochschulbereiches erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten können auf ein Hochschulstudium angerechnet werden (siehe 1.2), dürfen laut KMK-Beschluss aber im Re- gelfall nur maximal 50 Prozent des Studiums ersetzen (KMK, 2002). In allen Fällen, in denen Teile eines Studiums, das zu einem Hochschulabschluss führt, durch nicht- bzw. außerhoch- schulische Leistungen ersetzt werden sollen, entscheidet die Hochschule in eigener Zustän- digkeit über die Anrechnung (KMK, 2008). Sie prüft dazu, ob und in welchem Umfang die au- ßerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten nach Niveau und In- halt den zu ersetzenden Teilen des Studiums gleichwertig sind (KMK, 2008). Im Unterschied zur Anerkennung liegt die Beweislast der Gleichwertigkeit der erbrachten Leistungen nicht bei der Hochschule, sondern bei den Antragstellenden, die ihre Leistungen entsprechend klar do- kumentieren sollten (vgl. hierzu auch die Empfehlungen in Kapitel 6.2). Die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kompetenzen ist in allen Landeshochschul- gesetzen vorgesehen, Unterschiede gibt es jedoch in der Formulierung und Konkretisierung dieser Regelung. Während einige Landeshochschulgesetze angeben, dass außerhochschu- lisch erworbene Leistungen angerechnet werden können, wenn sie gleichwertig sind (Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sach- sen, Sachsen-Anhalt und Thüringen), formulieren andere Bundesländer die Anrechnung als Mussregelung, wenn Gleichwertigkeit vorliegt (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bre- men, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein). In beiden Fällen bleibt es jedoch Auf- gabe der Studierenden, diese Gleichwertigkeit nachzuweisen. Als einziges Bundesland weicht Bremen von der Formulierung der Gleichwertigkeit ab und nennt als Bedingung, dass keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Bis auf Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und 12
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 3. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Sachsen ist der Anrechnungsumfang in allen Landeshochschulgesetzen auf 50 Prozent der nachzuweisenden Kompetenzen beschränkt (Wissenschaftsrat, 2017, S. 32). Anrechnungsverfahren lassen sich grundsätzlich in drei verschiedene Typen einteilen: indivi- duelle Anrechnung, pauschale Anrechnung und sogenannte Sonderfälle (siehe Abbildung 3). Abbildung 3: Anrechnungsmodelle (Quelle: Hanft, Brinkmann, Gierke & Müskens, 2014, S. 4) Die individuelle Anrechnung ist ein einzelfallbezogenes Verfahren, bei dem einzelne Studien- leistungen angerechnet werden. In diesem Fall ist es die Aufgabe der Studierenden, die An- rechnung zu wünschen sowie die nötigen Unterlagen zu beschaffen, aus denen ersichtlich wird, welche Kompetenzen erworben wurden (Müskens & Eilers-Schoof, 2014). Bei der pauschalen Anrechnung werden bestimmte Module oder Abschnitte eines Studiums, die an festgelegten nichthochschulischen Einrichtungen erbracht wurden, garantiert angerech- net. Dazu werden einmalig die Lernergebnisse und das Niveau der Angebote verglichen (Äqui- valenzvergleich bzw. Äquivalenzabgleich) (Müskens & Eilers-Schoof, 2014). So findet bei- spielsweise eine pauschale Anrechnung der Vortragsreihe „Innovationsmanagement“, ange- boten durch die TransMIT GmbH18, im Umfang von 5 ECTS-Punkten auf das „Grundlagen- und Übersichtsmodul“ des Weiterbildungsmasters „Innovationsmanagement“ der Technischen 18 Die TransMIT GmbH wurde von der Technischen Hochschule Mittelhessen, der Justus-Liebig-Uni- versität Gießen und der Philipps-Universität Marburg 1996 gemeinsam mit regionalen Partnern gegründet. Weitere Gesellschafter sind neun regionale Sparkassen und Volksbanken und die IHK. Gießen-Friedberg. Die TransMIT-Akademie führt Weiterbildungsveranstaltungen zu neuen Tech- nologien und Entwicklungen durch. 13
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 3. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN Hochschule Mittelhessen statt (Gerich et al., 2015).19 In diesem Sinne ist es auch möglich, die Ergebnisse einer solchen Äquivalenzprüfung auf alle Studiengänge einer Disziplin auszuweiten und allgemeine Anrechnungsempfehlungen auszusprechen. Ein Beispiel dafür ist die Initiative „Offene Hochschule Niedersachsen“.20 Der Wissenschaftsrat (2017) stuft pauschale Anrech- nungsverfahren als unbedenklich ein, sofern die außerhochschulischen Leistungen nicht mehr als 50 Prozent der für ein Hochschulstudium erforderlichen Leistungen ausmachen und das Verfahren auf einer zuverlässigen Äquivalenzprüfung besteht. Er warnt jedoch davor, dass bei zu umfangreicher und unspezifischer Anrechnung außerhochschulischer Kenntnisse und Fähigkeiten keine Gewährleistung für ausreichende Kompetenzen bestehe. Bei dem dritten Anrechnungstyp handelt es sich gewissermaßen um Sonderfälle, bei denen Studiengangsmodule oder -abschnitte mittels Kooperationsvereinbarungen an nichthochschu- lische Einrichtungen ausgelagert werden. Dies sind beispielsweise Duale oder Franchise-Stu- diengänge. Bei Dualen Studiengängen sind Praxiseinsätze in Unternehmen fest ins Hochschul- studium integriert, fachwissenschaftliche Inhalte werden jedoch ausschließlich von der Hoch- schule vermittelt. Franchise-Studiengänge werden in diesem Kontext verstanden als von ex- ternen Partnern durchgeführte Studienprogramme in Kooperation mit einer gradverleihenden Hochschule. Die gradverleihende Hochschule hat die Kontrolle über den Verlauf des Studiums und die Erbringung von Studien- und Prüfungsleistungen, kann z. B. auch Prüfungen abneh- men. Die Studierenden sind in der Regel an der gradverleihenden Hochschule immatrikuliert. Die gegenwärtig mehrdeutige und zum Teil unübersichtliche Interpretationslage zu Franchise- Studiengängen manifestiert sich durch die Positionen der relevanten wissenschaftspolitischen Akteure. Während die KMK (2008) in einem Beschluss innerstaatliches Franchising bzw. die Auslagerung und Durchführung von Teilen des Studienprogramms an eine nichthochschuli- sche Einrichtung explizit der (pauschalen) Anrechnung außerhochschulisch erworbener Kennt- nisse und Fähigkeiten zuschreibt, sieht die HRK Franchising und Anrechnung als unterschied- liche Konzepte an. Laut HRK unterscheidet sich das Franchising von der Anrechnung von Stu- dien- und Prüfungsleistungen, da die Leistungen zwar vom Franchisenehmer erbracht werden, die gradverleihende Hochschule jedoch Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung, die Qualifika- tion des Lehrpersonals und für die Qualitätssicherung macht (HRK, 2013). Das heißt, die 19 Vgl. PO Innovationsmanagement berufsbegleitend 2015, Version 1, § 2 Abs. 3. Verfügbar unter https://www.thm.de/site/en/studium/sie-studieren/pruefungsordnung/wissenschaftliches-zentrum- duales-hochschulstudium-studium-plus/pruefungsordnungen/innovationsmanagement-master-be- rufsbegleitend.html. 20 Weitere Informationen unter http://www.uni-oldenburg.de/anrechnungsprojekte/anrechnungsemp- fehlungen/. 14
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 3. RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN franchisegebende Hochschule trägt zu jeder Zeit die Verantwortung für die Einhaltung der aka- demischen Standards. Der Wissenschaftsrat spricht von studiengangsbezogenen Kooperatio- nen, zu denen er das Franchising hochschuleigener Studiengänge, die Validierung von Curri- cula anderer Einrichtungen, die systematische Anrechnung außerhochschulisch erworbener Qualifikationen sowie die Externenprüfung21 zählt (Wissenschaftsrat, 2017). Erschwerend kommt hinzu, dass die Hochschulgesetzgebungen der Bundesländer sich in ihren Regelungen zu Franchise-Studiengängen und zu Externenprüfungen unterscheiden. Der Wissenschaftsrat äußert sich zudem kritisch zu Franchise- und Validierungsmodellen in Verbindung mit anderen nichthochschulischen Bildungsträgern: „Aufgrund des nicht hochschulförmigen institutionellen Rahmens wecken diese Modelle erhebliche Zweifel an der Qualität und Gleichwertigkeit der dort durch- geführten Studiengänge. Mit Blick auf validierte Programme nichthochschuli- scher Bildungsträger sind diese Bedenken grundsätzlicher Natur und können nicht durch Maßnahmen der Qualitätssicherung behoben werden“ (Wissen- schaftsrat, 2017, S. 13). Sowohl das Auslagern von Teilen eines Studiums an nichthochschulische Einrichtungen als auch eine Externenprüfung würden nicht den Anforderungen an ein Hochschulstudium ent- sprechen. Die fehlenden Merkmale eines Hochschulstudiums könnten auch nicht durch umfas- sende Maßnahmen zur Qualitätssicherung behoben werden (Wissenschaftsrat, 2017). Der Wissenschaftsrat stimmt mit der HRK darin überein, dass Lehrinhalte, die im Rahmen von Franchise- und Validierungsmodellen vermittelt wurden, „grundsätzlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Anrechnung außerhochschulischer Kenntnisse und Fähigkeiten behandelt werden sollten“ (Wissenschaftsrat, 2017, S. 16). Die in diesem Abschnitt aufgezeigten rechtlichen Rahmenbedingungen beziehen sich, wie bereits erläutert, grundsätzlich gleichermaßen auf Präsenz- und Onlineangebote. Die rasanten Entwicklungen im digitalen Bereich stellen Hochschulen jedoch vor neue Herausforderungen, transparente und bedarfsgerechte Verfahren und Möglichkeiten der organisationalen und strukturellen Einbettung zu schaffen. Im Folgenden sollen daher verschiedene Ansätze zur Anerkennung- und Anrechnung von digitalen Lehrformaten im Allgemeinen und MOOCs im Speziellen anhand von konkreten Beispielen aus der Praxis aufgezeigt werden. 21 Externenprüfung bedeutet, dass die gradverleihende Hochschule Personen zu Hochschulprüfun- gen zulässt, die sich autodidaktisch oder mit (kostenloser bzw. kostenpflichtiger) Unterstützung Dritter auf diese Prüfungen vorbereitet haben, ohne jemals an der betreffenden Hochschule immatrikuliert gewesen zu sein. 15
4. PRAXISBEISPIELE IM DIGITALEN KONTEXT (NATIONAL & INTERNATIONAL) Obwohl die Unterscheidung zwischen einerseits Anerkennung aus dem hochschulischen und andererseits Anrechnung aus dem außerhochschulischen Bereich konzeptionell klar abgrenzbar scheint, wird im Umgang mit digitalen Lehrformaten – und ganz besonders mit MOOCs – eine große Bandbreite an Formaten sowie Anrechnungs- bzw. Anerkennungs- szenarien ersichtlich, die sich nicht immer eindeutig zuordnen lassen. Dies zeigt einerseits den Spielraum, den Hochschulen im Umgang mit innovativen Lehr- und Lernformaten haben, andererseits aber auch, wie schwer es ist, klare Regeln und Standards zu setzen und Interpre- tationsspielräume zu vermeiden. Entsprechend ist das folgende Kapitel in drei Bereiche aufge- teilt: Anerkennung, Anrechnung und Mischszenarien. Die Auswahl an Beispielen ist dabei keineswegs als erschöpfend zu betrachten, soll aber einen ersten Überblick ermöglichen. 4.1 ANERKENNUNG UND HOCHSCHULKOOPERATIONEN Die Anerkennung von digitalen Studienleistungen, die an der eigenen Hochschule erbracht worden sind, ist in der Regel unproblematisch. Wenn eine Hochschule ganze Studiengänge im Onlineformat oder digitale Formate (z. B. MOOCs) im Rahmen eines Präsenzstudiengangs anbietet und dies auch zum Teil der normalen Akkreditierungsverfahren macht, ist die Qualität des Angebots bereits gewährleistet. Der Akkreditierungsrat hat bereits 2007 in einer Handrei- chung der damaligen „AG Fernstudium und E-Learning“ klargestellt, dass die allgemeinen Kri- terien entsprechend genügen. Seitdem hat sich besonders mit dem Aufkommen von MOOCs die offene Zurverfügungstellung von einzelnen, hochschuleigenen Online-Kursen aber erwei- tert und ausdifferenziert.22 Beispielsweise kann man auf der Plattform oncampus der Fach- hochschule Lübeck offene Kurse absolvieren und teils in Verbindung mit unterschiedlichen Prüfungsformaten Hochschulzertifikate erwerben, unabhängig vom Immatrikulationsstatus. Im Rahmen des nwsMOOC zu Netzwerksicherheit23 konnten sowohl Studierende als auch Berufs- tätige bzw. andere Interessierte mit einer Präsenzprüfung an unterschiedlichen Standorten 5 ECTS mit einem offiziellen Hochschulzertifikat der FH Lübeck erlangen und potenziell an einer anderen Hochschule anerkennen lassen (Lorenz, 2018). An der RWTH Aachen können 22 Der Akkreditierungsrat ist zur weiteren Arbeit an solchen Fragestellungen u. a. auch in der HFD- Arbeitsgruppe „Anerkennung und Anrechnung digitaler Lehrformate“ vertreten. 23 Weitere Informationen unter https://pmooc.oncampus.de/loop/Netzwerksicherheit. 16
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 4. PRAXISBEISPIELE IM DIGITALEN KONTEXT (NATIONAL & INTERNATIONAL) Studierende im Rahmen von Piloten z. B. in der „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre“ während des Semesters entweder die reguläre Vorlesung oder den entsprechenden MOOC besuchen, die Prüfung wird von allen Studierenden in Präsenz absolviert (Rampelt, Nieder- meier, Suter, Fitter, Bleyder & Dörich, 2018b). Oft ist bei MOOC-Anbietern jedoch keine klare Einbettung in akkreditierte Studiengänge ersichtlich oder Hochschulen produzieren zwar MOOCs, deren Lehr- und Lerninhalte aus Vorlesungen in akkreditierten Studiengängen stammen, stellen diese aber nur als außercurri- culares Angebot zur Verfügung, geben kein offizielles Hochschulzertifikat aus (sondern z. B. nur ein nicht-formales Zertifikat der MOOC-Plattform und ermöglichen selbst hochschulintern keine Anerkennung (insbesondere ohne Präsenzprüfung). Besonders schwierig wird es hinsichtlich der Anerkennung als hochschulische Leistung auch bei externen MOOCs, selbst wenn diese von einer anderen Hochschule angeboten bzw. Teilnahme und Prüfungsleistung durch eine Hochschule zertifiziert werden. Obwohl die Aner- kennung von Leistungen, die an einer anderen Hochschule erbracht worden sind (egal ob digital oder analog) grundsätzlich durch die Lissabon-Konvention geregelt ist, bleiben Hoch- schulleitungen in Deutschland skeptisch, wie eine im Auftrag der Expertenkommission For- schung und Innovation (EFI) durchgeführte Studie von Jungermann und Wannemacher (2015) verdeutlicht. Nur 34 Prozent der antwortenden Hochschulleitungen sind dafür, dass MOOCs von anderen Hochschulen generell anerkennbar sein sollten, 51 Prozent sind unentschlossen und 15 Prozent dagegen. Dies zeigt eine andere Tendenz auf als Ergebnisse im europäischen Kontext: In einer Studie der EADTU sprechen sich über 70 Prozent der befragten Hochschulen grundsätzlich für eine Anerkennung von MOOCs anderer Hochschulen aus, sofern diese über ausgewiesene Kreditpunkte verfügen (Jansen & Konings, 2017). Diejenigen Hochschulen, die bereits MOOCs anbieten, sind dabei im Vergleich eher bereit, MOOCs mit Credits anzuerken- nen (Jansen & Schuwer, 2015). Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass mit steigender Zahl der Hochschulen, die MOOCs anbieten, auch die Bereitschaft der Hochschulen zur Anerken- nung von MOOCs im Allgemeinen sowie speziell als Hochschulleistungen mit den entspre- chenden Verfahrensregeln steigt und dass europäische Impulse eine wichtige Vorbildfunktion für Entwicklungen an deutschen Hochschulen haben könnten. Von deutschen Hochschulleitungen wird vor allem die Authentifizierung von Prüfungsleistun- gen als problematisch angesehen (Jungermann & Wannemacher, 2015). Zum einen muss eine Authentifizierung bzw. Identitätsprüfung derjenigen erfolgen, die die Prüfung ablegen. Zum an- deren muss auch bei Onlineprüfungen eine Prüfungsaufsicht gewährleistet sein. Obwohl sich 17
Arbeitspapier Nr. 34 – Digital anerkannt 4. PRAXISBEISPIELE IM DIGITALEN KONTEXT (NATIONAL & INTERNATIONAL) diese Probleme bereits technisch lösen lassen (z. B. durch Identitätsprüfung per Webcam, Analyse des Tippverhaltens und Videoaufzeichnung sowie Überwachung des Monitors wäh- rend der Prüfung), fordern viele Hochschulen eine zusätzliche Präsenzprüfung. Es gibt ver- schiedene Anbieter, die Services für die Identitätskontrolle und die virtuelle Prüfungsaufsicht (Virtual Proctoring) bereitstellen (z. B. proctorU24 oder ProctorExam25). Laut Forgó et al. (2016) verletzt diese Vorgehensweise jedoch das „Recht des Prüflings auf informationelle Selbstbe- stimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG“ (S. 12), wenn Onlineproctoring als einzi- ges Prüfungsformat implementiert wird und Studierende somit keine andere Möglichkeit haben, als dem Proctoring zuzustimmen. 4.1.1 Pauschale Anerkennung von MOOCs in Deutschland An deutschen Hochschulen sind nach wie vor nur wenige Beispiele zur formalisierten bzw. pauschalen Anerkennung einzelner MOOCs an der eigenen Hochschule oder über Partner- schaften zu identifizieren. Neben dem bereits genannten Beispiel der FH Lübeck konnten etwa an der Goethe-Universität Frankfurt Lehramtsstudierende 2 ECTS-Punkte für die Teilnahme an einem MOOC (OPCO12) im Rahmen eines Medienkompetenz-Zertifikats in Kombination mit dem Besuch eines begleitenden Tutoriums erwerben.26 Der OPCO12 wurde gemeinsam von der Goethe-Universität Frankfurt, e-teaching.org und dem Multimedia Kontor Hamburg veranstaltet. Studierende der Universität Regensburg konnten für den gleichen MOOC ECTS- Punkte erhalten, wenn sie zusätzlich an einem begleitenden Seminar teilnahmen und eine Studienleistung (Hausarbeit) erbrachten. Mitunter schließen sich Hochschulen auch zusammen, um gemeinsame offene Onlinekurse zu entwickeln. Ein Beispiel für eine gemeinsame Onlinelehrveranstaltung ist der Saxon (+ Siegen) Open Online Course (SOOC). Im Rahmen des SOOC131427 war es möglich, in ausgewählten Modulen der Technischen Universität Dresden, der Technischen Universität Chemnitz und der Universität Siegen ECTS-Punkte für die Teilnahme zu erwerben. Sowohl OPCO12 und SOOC1314 beschäftigten sich thematisch mit E-Learning-Formaten. Auch die Universitäten der TU9-Allianz haben in einer Pilotphase von 2014 bis 2015 gemein- sam MOOCs angeboten. Die MOOCs aus dem Themenfeld der Ingenieurwissenschaften wur- den in Zusammenarbeit von je mindestens zwei TU9-Standorten kooperativ entwickelt sowie hergestellt und konnten dann an allen anderen Standorten genutzt werden. Bei erfolgreicher 24 Weitere Informationen unter https://www.proctoru.com/. 25 Weitere Informationen unter https://www.proctorexam.com/. 26 Weitere Informationen unter http://opco12.de/willkommen-zum-opencourse-trends-im-e-teaching/. 27 Weitere Informationen unter https://www.sooc1314.de/. 18
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