Direkte Demokratie - Entwicklung und Gren- zen der Volksgesetz-gebung in Österreich - JKU ePUB

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Eingereicht von
                                        Mario Christian Kopp

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                                        Institut für Verwaltungsrecht
                                        und Verwaltungslehre

                                        Beurteiler / Beurteilerin
                                                     in   in
                                        Univ.-Prof. Dr. Katharina
                                        Pabel

Direkte Demokratie -                    Jänner 2019

Entwicklung und Gren-
zen der Volksgesetz-
gebung in Österreich

Diplomarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades

Magister der Rechtswissenschaften
im Diplomstudium

Rechtswissenschaften

                                         JO HA NN ES KEPLER
                                         U NI V ER S I T ÄT L I NZ
                                         Altenberger Straße 69
                                         4040 Linz, Österreich
                                         www.jku.at
                                         DVR 0093696
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel
nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche
kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument
identisch.

Wien, 23.01.2019

Unterschrift

Anmerkung

Aufgrund der leichteren Lesbarkeit wird in der nachstehenden Arbeit auf die Ver-
wendung weiblicher Formen verzichtet. Soweit personenbezogene Bezeichnun-
gen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sich diese auf Frauen und
Männer in gleicher Weise. Folglich sind sämtliche personen- und funktionsbezo-
genen Bezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen.

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Inhaltsverzeichnis
1.     EINLEITUNG                                                        6

2.     GESETZGEBUNGSVERFAHREN                                            9
2.1. GRUNDSÄTZLICHES                                                     9
2.2. MITWIRKUNG DER BÜRGER AN DER GESETZGEBUNG                           9
2.2.1. VOLKSBEGEHREN                                                    10
2.2.2. VOLKSABSTIMMUNG                                                  14
2.2.3. VOLKSBEFRAGUNG                                                   19

3.     AUSBAU DER ELEMENTE DER DIREKTEN DEMOKRATIE                      23
3.1. MÖGLICHE MODELLE                                                    23
3.1.1. VERPFLICHTENDE VOLKSABSTIMMUNG NACH VORANGEGANGENEN VOLKSBEGEHREN 23
3.1.2. „DEMOKRATIEPAKET 2013“                                            26
3.1.3. „REGIERUNGSPROGRAMM 2017-2022“                                    28
3.1.4. DIREKTE DEMOKRATIE IN DEN BUNDESLÄNDERN                           30

4.     KONTROLLE DER VOLKSGESETZGEBUNG                                  39

5.     RECHTSPOLITISCHE BEWERTUNG                                       43
5.1. FUNKTIONEN DIREKTER DEMOKRATIE                                     43
5.1.1. INNOVATIVE ODER KONSERVIERENDE FUNKTION                          43
5.1.2. LEGITIMATIONS- UND ENTLASTUNGSFUNKTION                           44
5.1.3. MOBILISIERUNG FÜR/GEGEN REGIERUNGSPOLITIK                        45
5.1.4. AGENDA-SETTING                                                   45
5.1.5. ERLASSUNG VON GESETZEN                                           46
5.2. DYSFUNKTIONEN DER DIREKTEN DEMOKRATIE                              46
5.2.1. GEFÄHRDUNG VON MINDERHEITEN- UND GRUNDRECHTEN                    46
5.2.2. INANSPRUCHNAHME DURCH POLITISCHE PARTEIEN                        47
5.2.3. VERZÖGERUNG UND LANGSAMKEIT                                      48
5.2.4. FEHLENDE VERANTWORTLICHKEIT DER ABSTIMMENDEN                     48
5.2.5. FEHLENDES SACHWISSEN DER BÜRGER                                  49
5.3. MÖGLICHE GRENZEN                                                   49
5.3.1. WORÜBER SOLLTE NICHT ABGESTIMMT WERDEN DÜRFEN?                   50
5.3.2. SCHWIERIGKEITEN SOLCHER BESCHRÄNKUNGEN                           52

6.     E-VOTING                                                         54
6.1.    GRUNDSÄTZLICHES                                                 54
6.2.    MÖGLICHE UMSETZUNG VON E-VOTING IN ÖSTERREICH                   57

7.     SCHLUSSBEMERKUNG                                                 60

8.     LITERATURVERZEICHNIS                                             63

Jänner 2019                             Mario Christian Kopp                  3/67
Abkürzungsverzeichnis

Abs               Absatz
Art               Artikel
BGBl              Bundesgesetzblatt
BMI               Bundesministerium für Inneres
BPräs             Bundespräsident
BR                Bundesrat
BReg              Bundesregierung
B-VG              Bundes-Verfassungsgesetz
bzw               beziehungsweise
dh                das heißt
EuGH              Europäischer Gerichtshof
f                 folgende
ff                fortfolgende
gem               gemäß
gg                gegen
GOGNR             Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Natio-
                  nalrates 1975
GP                Gesetzgebungsperiode
hL                herrschende Lehre
Hrsg              Herausgeber
idF               in der Fassung
Lfg               Lieferung
L-VG              Landesverfassungsgesetz
lit               littera
LT                Landtag
NÖ LV             Niederösterreichische Landesverfassung 1979
NR                Nationalrat
NRWO              Nationalrat-Wahlordnung 1992
oa                oben angeführt
Oö L-VG           Oberösterreichisches Landesverfassungsgesetz 1991
Red               Redaktion
Rz                Randzahl
s                 siehe

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Slbg L-VG     Salzburger Landesverfassungsgesetz 1999
Stmk L-VG     Steiermärkisches Landesverfassungsgesetz 2010
TLO           Tiroler Landesordnung 1989
ua            und andere
VAbstG        Volksabstimmungsgesetz 1972
VBefrG        Volksbefragungsgesetz 1989
Vbg LV        Verfassungsgesetz über die Verfassung des Landes
              Vorarlberg 1999
VfGH          Verfassungsgerichtshof
Vgl           vergleiche
VfSlg         Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüs-
              se des VfGH
VoBeG         Volksbegehrengesetz 2018
WEviG         Wählerevidenzgesetz 2018
w.o.          weiter oben
WRV           Die Verfassung des Deutschen Reichs 1919
w.u.          weiter unten
Z             Ziffer

Jänner 2019                  Mario Christian Kopp                   5/67
1. Einleitung
Das Kernstück einer jeden demokratischen Verfassung ist die Herrschaft des
Volkes. So heißt es in Art 1 B-VG1 „Österreich ist eine demokratische Republik.
Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Diese Volksherrschaft kann in Form der indirek-
ten oder direkten Demokratie umgesetzt werden. Die österreichische Bundes-
verfassung bekennt sich zur repräsentativen Demokratie, welche aber durch
drei Elemente der direkten Demokratie ergänzt wird. Dabei handelt es sich um
das Volksbegehren, die Volksabstimmung und die Volksbefragung. Allerdings
ermöglicht keines dieser drei Instrumente eine Gesetzgebung durch das Volk
entgegen den Willen des Parlamentes.2

Seit jeher wird über den Ausbau der Elemente der direkten Demokratie bzw der
Schaffung einer Volksgesetzgebung diskutiert. In den letzten Jahren verstärkt
sich diese Forderung zunehmend. Ein Grund hierfür ist mit Sicherheit der Ver-
trauensverlust in die politischen Parteien und deren Entscheidungsträger. Dies
wird auch aus den tendenziell sinkenden Wahlbeteiligungen ersichtlich. Viele
Menschen im Land denken, dass ihre Stimme nicht die nötige Gewichtung hat,
um bei wichtigen Entscheidungen mitentscheiden oder etwas verändern zu
können.

Es gab in den vergangenen Legislaturperioden der österreichischen Bundesre-
gierung immer wieder Bestrebungen, die direkte Demokratie auszubauen. So
wurde im Juni 2013 ein Reformvorhaben unter dem Namen „Demokratiepaket
2013“ ausgearbeitet und in Begutachtung gegeben.3 Dies wurde aber nach den
Neuwahlen zum Nationalrat im September 2013 wieder verworfen.

Auch im Regierungsprogramm der seit Dezember 2017 im Amt befindlichen
Regierungskoalition zwischen ÖVP und FPÖ scheint der Ausbau der direktde-
mokratischen Elemente wieder auf. Im Besonderen forderten die Verantwortli-
chen der FPÖ im Wahlkampf zur Nationalratswahl immer wieder die Stärkung

1
  Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl 1930/1, zuletzt idF BGBl I 22/2018.
2                                                                                                       7
  Berka, Verfassungsrecht: Grundzüge des österreichischen Verfassungsrechts für das juristische Studium
(2018) Rz 636.
3
  Gamper, Parlamentarische Rechtsetzung und direkte Demokratie: Verfassungsrechtliche Grenzen in Lien-
bacher/Pürgy (Hrsg), Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise (2014) 118.

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und Weiterentwicklung der direktdemokratischen Elemente. Hierfür wird sehr
gerne auf unser Nachbarland Schweiz verwiesen. Sie gelten als Vorreiter in
Sachen Mitwirkung des Volkes an der politischen Entscheidungsfindung.

Es stellt sich daher die Frage, ob eine Umsetzung der direkten Demokratie am
Modell der Schweiz, der Bundesländer oder anderer bereits vorhandener Vor-
schläge überhaupt in Österreich möglich ist.

Aber als erstes muss die Frage beantwortet werden, ob der Ausbau der direk-
ten Demokratie überhaupt notwendig ist, oder ob die in der Verfassung nieder-
geschriebenen Elemente bereits ausreichen. Hierfür werden zuerst die längst
zur Verfügung stehenden Elemente beleuchtet.

In weiterer Folge wird zu klären sein, auf welche Art und Weise die Elemente
sinnvoll erweitert bzw welche neuen Modelle in die Verfassung eingeführt wer-
den können. Dafür werden bereits vorhandene Modelle in den Bundesländern,
den Nachbarländern, aber auch die in den letzten Jahren bereits ausgearbeite-
ten Vorschläge von verschiedenen Institutionen und Personen geschildert und
bewertet. Darauf aufbauend wird zu beurteilen sein, ob es sich bei der Einfüh-
rung der Modelle um eine Gesamt- oder Teiländerung der Bundesverfassung
handelt.

Im darauffolgenden Kapitel wird auf die mögliche Kontrolle der verschiedenen
Modelle eingegangen. Es wird erörtert, ob die Prüfung von Gesetzesvorschlä-
gen des Volkes vor oder nach der Abstimmung zu erfolgen hat. Des Weiteren
wird abzuklären sein, welche Institution am besten für die Kontrolle geeignet
scheint und somit auch zuständig sein sollte.

Nachdem die rechtliche Sicht aufgearbeitet wurde, wird der Autor noch auf die
rechtspolitischen Ansichten des Ausbaus der direkten Demokratie eingehen.
Es wird versucht, die Frage zu beantworten welche Funktionen die direkte De-
mokratie aus Sicht der Politiker, aber auch der Bürger einnimmt. Hierfür wer-
den noch einmal die zuvor ausgeführten Modelle durchdiskutiert. Darauf auf-
bauend wird auch auf die möglichen Grenzen, welche der direkten Demokratie
gesetzt werden sollten, eingegangen.
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Zum Schluss werden noch Möglichkeiten aufgezeigt, wie man die Zugänglich-
keit zu Volksabstimmungen erleichtern könnte, um das Interesse und die Un-
terstützung dafür zu steigern. Ein erster Schritt in Richtung e-Voting wurde be-
reits getan, indem es ermöglicht wurde, ein Volksbegehren auch auf elektroni-
schem Weg zu unterstützen. Hier werden die Gelegenheiten einer elektronisch
unterstützten Stimmabgabe, die Umsetzung und die dadurch entstehenden
Probleme näher beleuchtet.

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2. Gesetzgebungsverfahren

2.1. Grundsätzliches
Im System der repräsentativen Demokratie ist das bedeutendste Organ der Ge-
setzgebung der Nationalrat. Dieser erlässt in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat
die einfachen Bundesgesetze und die Bundesverfassungsgesetze.4 Im B-VG sind
vier Arten der Gesetzesinitiative geregelt: die Regierungsvorlage der Bundesregie-
rung, welche am häufigsten zu Gesetzesbeschlüssen führt, Anträge von Mitglie-
dern des NR, Gesetzesanträge des BR oder einem Drittel seiner Mitglieder. Diese
Wege der Gesetzgebung sollen aber nicht Thema der vorliegenden Arbeit sein.
Den Hauptkern der Arbeit sollen die bereits vorhandenen Elemente der direkten
Demokratie und die mögliche Entwicklung der Volksgesetzgebung, im Besonderen
die Attraktivierung des Volkbegehrens, der vierten Möglichkeit der Gesetzesinitia-
tive, bilden.5

2.2. Mitwirkung der Bürger an der Gesetzgebung
Die repräsentative Demokratie wird durch drei Elemente der direkten Demokratie
ergänzt, welche den Bürgern die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Staatswillens-
bildung bieten. Im B-VG wurden das Volksbegehren, die Volksabstimmung und
die Volksbefragung als direktdemokratische Elemente verwirklicht. Allerdings gibt
es keine Möglichkeit für die Bürger, ohne das Parlament ein Gesetz zu erlassen.
Auf Grund des Gesetzgebungsmonopols des Parlamentes liegt es letztendlich
immer noch in der Hand des Parlaments, ob die Gesetzesinitiative der Bürger in
einem Gesetz mündet oder ob das Volk über einen Gesetzesbeschluss abstim-
men darf.6

In weiterer Folge werden jetzt die bereits vorhandenen Elemente im B-VG näher
beleuchtet. Zuerst wird der Autor auf das vermutlich wichtigste und auch am meis-
ten angewendete Instrument, das Volksbegehren, eingehen.

4                       7
  Berka, Verfassungsrecht Rz 512.
5                                    11
  Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht (2016) Rz 424 ff.
6                         7
  Berka, Verfassungsrecht Rz 635 f.
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2.2.1. Volksbegehren

Gem Art 41 Abs 2 B-VG ist das Volksbegehren systematisch gesehen eine Form
der Gesetzesinitiative des Volkes. Sinn des Volksbegehrens soll sein, dass dem
Volk die Möglichkeit gegeben wird, gegenüber dem Parlament seine politischen
Interessen kundzutun.7

Die Bestimmung des Art 41 Abs 3 B-VG regelt, dass die einfachgesetzliche Aus-
gestaltung mittels Bundesgesetz zu erfolgen hat. Hierfür wurde durch den Bun-
desgesetzgeber das Volksbegehrengesetz 20188 erlassen.9 Einfachgesetzliche
Bestimmungen zur Regelung des Volksbegehrens findet man aber auch in ande-
ren einfachen Gesetzen.10

Wie bereits oben ausgeführt handelt es sich beim Volksbegehren um eine Sonder-
form der Gesetzesinitiative, dh es soll dadurch ein Gesetzgebungsakt des NR in
Gang gesetzt werden. Gegenstand kann die Erlassung eines neuen, die Änderung
oder Aufhebung eines bestehenden Bundesgesetzes sein.11

Das Volksbegehren ist somit das einzige der drei Instrumente der direkten Demo-
kratie, welches den stimmberechtigten Bürgern die Möglichkeit gibt, sich an der
Gesetzgebung zu beteiligen. Es soll ein Gegenstück zu der, durch die Parteien,
beherrschten Politik darstellen und den Bürgern die Chance geben, die von den
Parteienvertretern nicht ausreichend gewürdigten Themen vorzubringen.

Da ein Volksbegehren den NR lediglich zur Behandlung des vorgebrachten Anlie-
gens zwingt, er aber frei entscheiden kann, ob er die Gesetzesinitiative weiterver-
folgt oder wieder verwirft, hat ein Volksbegehren weniger eine rechtliche, als eine
politische Bedeutung.12

Volksbegehren, die von einer hohen Anzahl von Bürgern unterstützt werden, ha-
ben ein erhebliches politisches Gewicht und können somit von den Abgeordneten

7
  Bußjäger, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht Art 41 B-VG (6.
Lfg 2010) Rz 46.
8
  Volksbegehrengesetz 2018 (VoBeG), BGBl I 106/2016 zuletzt idF BGBl I 32/2018.
9                                                           11
  Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht (2015) Rz 442.
10
   Merli in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungs-
recht II/1 Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 2.
11
   Bußjäger, Art 41 B-VG (6. Lfg 2010) Rz 51.
12
   Merli, Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 9 f.
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und politischen Parteien nicht ohne weiteres ignoriert werden.13 Des Weiteren er-
zeugen Volksbegehren eine länger andauernde Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit,
weil sich die Berichterstattung von der Einleitungsphase bis zur Behandlung im
Parlament erstreckt. Somit haben die Bürger mehr Zeit, sich mit dem politischen
Thema auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung darüber zu bilden.
Aber vor allem werden durch ein Volksbegehren Stellungnahmen der politischen
Parteien provoziert und darin müssen sie sich für oder gegen die vorgebrachte
Angelegenheit aussprechen.14

Für ein erfolgreiches Volksbegehren ist eine bestimmte Anzahl von Stimmberech-
tigten erforderlich, die den Antrag unterstützen. Man benötigt für ein positives
Volksbegehren entweder 100.000 Unterschriften von Stimmbürgern oder je ein
Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder.15

Das VoBeG gliedert das Volksbegehren in drei Verfahrensabschnitte: in das Ein-
leitungsverfahren, das Eintragungsverfahren und das Ermittlungsverfahren.16

Das Einleitungsverfahren
Die Initiatoren haben zuerst einen Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens an
das BMI zu stellen. Berechtigt zum Einbringen und zur Unterstützung des Antra-
ges sind gem § 3 Abs 2 VoBeG alle in einer Wählerevidenz einer Gemeinde ein-
getragenen Personen, die zum Nationalrat aktiv wahlberechtigt17 sind. Der Antrag
muss von mindestens einem Promille (derzeit 8401 Unterschriften) der österrei-
chischen Wohnbevölkerung unterstützt werden.18

Es gibt zwei Möglichkeiten für die Abgabe der Unterstützungserklärung. Zum ei-
nen in jeder beliebigen Gemeinde persönlich in Form eines Formulars, zum ande-
ren besteht seit 01.01.2018 die Gelegenheit, seine Unterstützungserklärung auch
via Internet mit Hilfe der elektronischen Signatur abzugeben. Dh die Abgabe der

13
   Bußjäger, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht Art 41 B-VG (3.
Lfg 2004) Rz 48.
14
   Merli,) Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999 Rz 10.
15                                              7
   Art 41 Abs 2 B-VG, Berka, Verfassungsrecht Rz 637.
16                                      11
   Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht Rz 443.
17
   Art 26 Abs 1,5 B-VG, wahlberechtigt ist jeder, der am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet hat und nicht
vom Wahlrecht ausgeschlossen wurde.
18
   Bußjäger, Art 41 B-VG (3. Lfg 2004) Rz 58 ff.
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Unterschrift ist nicht mehr an den Inlandswohnsitz geknüpft und somit ist es auch
für Auslandsösterreicher kein Problem mehr, ein Volksbegehren zu unterstützen.19

Das Volksbegehren kann sowohl in Form eines Gesetzesantrages, welcher einen
ausgearbeiteten Regelungstext und eine Aufforderung an das Parlament, den
Entwurf als Bundesgesetz zu erlassen, enthalten muss oder aber auch als bloße
Anregung vorgebracht werden.20 Der VfGH hielt in der VfSlg 18.029/2006 fest,
dass diese Anregung den Inhalt des beabsichtigten Gesetzesvorschlages zumin-
dest grob erkennen lassen und sich auf die Erlassung eines Bundesgesetzes be-
ziehen muss.21 Seit der Einführung der Möglichkeit der formlosen Anregung im
Jahr 1988, wurden fast alle Volksbegehren auf diese Weise eingebracht. Eigent-
lich wäre es als Weiterentwicklung der direkten Demokratie gedacht gewesen,
allerdings hatte es genau das Gegenteil bewirkt, denn das Volksbegehren als Ge-
setzesinitiative wurde dadurch entwertet und ist zu einer Art besseren Petition ver-
kümmert.22

Inhaltlich sind dem Volksbegehren keine Grenzen gesetzt. Es kann alles zum
Thema eines Volksbegehrens gemacht werden, das durch Bundesgesetz geregelt
werden kann. Vor allem weil es sich dabei um einen unverbindlichen Antrag han-
delt, bedarf es keiner inhaltlichen Einschränkung. Einzige Einschränkungen sind
die Volksbegehren zur Erlassung des Bundesfinanzgesetzes und solche, die nati-
onalsozialistische Wiederbetätigung zum Ziel haben.23

Das BMI hat innerhalb von drei Wochen mittels Bescheid darüber zu entscheiden,
ob die formellen Voraussetzungen für den Antrag zur Einleitung des Volksbegeh-
rens vorliegen oder nicht.24 Wie bereits oben ausgeführt, sind die inhaltlichen Vo-
raussetzungen nicht von Relevanz und obliegen deshalb auch nicht der Prüfung
für die Zulässigkeit des Antrages.

19                                                                                           7
   proLIBIRIS Verlagsgesellschaft (Hrsg), Bundes-Verfassungsgesetz: Text Materialien Judikatur (2017) 142,
https://www.bmi.gv.at/411/start.aspx (Stand: 12.12.2018).
20
   Merli, Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 21 f.
21
   VfSlg 18.029/2006; Konrath, Das Demokratiepaket 2013 in Baumgartner (Hrsg), Jahrbuch des Öffentlichen
Rechts 2013 (2014) 352.
22
   Öhlinger, Braucht Österreich mehr direkte Demokratie? ÖJZ 2014, 1064.
23
   Merli, Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 17 ff.
24
   Bußjäger, Art 41 B-VG (3. Lfg 2004) Rz 60.
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Das Eintragungsverfahren
Wird dem Antrag stattgegeben, hat der Bundesminister für Inneres eine achttägige
Eintragungsfrist, einen Stichtag für die Stimmberechtigten festzulegen und dies
auf der Amtstafel des BMI und im Internet zu verlautbaren25.26 Stimmberechtigt ist,
wer am letzten Tag des Eintragungszeitraumes das Wahlrecht zum Nationalrat
besitzt.

Sofern die Unterstützung nicht im Internet abgegeben wird, ist die Gemeinde im
übertragenen Wirkungsbereich Eintragungsbehörde. Die Unterstützungserklärun-
gen, welche bereits im Eintragungsverfahren abgegeben wurden, werden für die
erforderlichen 100.000 Unterschriften angerechnet.27

Das Ermittlungsverfahren
Nach Ablauf der achttägigen Eintragungsfrist beginnt das Ermittlungsverfahren.
Dieses wird durch die Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich, die Bezirks-
wahlbehörden und die Bundeswahlbehörde durchgeführt. Ob das Volksbegehren
ausreichend unterstützt wurde, ist am Ende durch die Bundeswahlbehörde festzu-
stellen und auf der Amtstafel des BMI und im Internet zu verlautbaren28.29

Hat das Volksbegehren die erforderliche Schwelle von 100.000 Unterschriften der
Stimmberechtigten erreicht bzw überschritten oder wurde es von einem Sechstel
der Stimmberechtigten dreier Bundesländer unterstützt, so hat die Bundeswahlbe-
hörde das Begehren dem NR zur Behandlung vorzulegen. Den NR trifft aber we-
der die Pflicht einen entsprechenden Gesetzesbeschluss zu fassen, noch kann er
an der Erlassung eines Gesetzes, welches dem Volksbegehren widerspricht, ge-
hindert werden, er muss lediglich über den Gesetzesantrag beraten.30

Die Vorgehensweise für die Behandlung eines Volksbegehrens im NR regelt das
Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrates31. Darin ist geregelt, dass das Volks-
begehren in der Tagesordnung Vorrang vor allen anderen Verhandlungsgegen-

25
   § 14 Abs 3 VoBeG.
26
   Merli, Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 37.
27
   https://www.bmi.gv.at/411/start.aspx (Stand: 26.07.2018).
28                                                                                  3
   § 14 Abs 3 VoBeG; Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht II (2014) Rz 21.062.
29
   Bußjäger, Art 41 B-VG (3. Lfg 2004) Rz 62.
30                                      11
   Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht Rz 443.
31
   Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 - GOGNR)
BGBl 410/197 zuletzt idF BGBl I 41/2016.
Jänner 2019                                        Mario Christian Kopp                                  13/67
ständen hat. Das Volksbegehren muss einem Ausschuss zur Vorberatung zuge-
wiesen werden, dieser hat sodann innerhalb von einem Monat tätig zu werden.
Spätestens nach weiteren vier Monaten ist dem Plenum Bericht zu erstatten.32 Der
Bericht an das Plenum ist schließlich an den Bevollmächtigten des Volksbegeh-
rens zuzustellen und im Amtsblatt der Wiener Zeitung zu veröffentlichen.33

Trotz allem ist das Volksbegehren in der Form, die das Bundesverfassungsgesetz
für die Umsetzung für Bundesgesetze vorsieht, noch weiter ausbaufähig. Dies zei-
gen viele Vorschläge und Anträge im Laufe der Zeit, welche allerdings bis jetzt alle
erfolglos blieben.34 Zu den genaueren Ausführungen darüber siehe unten.

Aber auch die Ergebnisse der bereits durchgeführten Volksbegehren lassen da-
rauf schließen, dass in der Praxis der Gesetzesinitiative durch das Volk keine gro-
ße Bedeutung zukommt. Im Jahr 1964 wurde das erste Volksbegehren durchge-
führt, seit diesem Zeitpunkt kam es zu 41 weiteren. Davon führten fünf zwar nicht
direkt durch das Volksbegehren, aber über andere Weise zur Erlassung eines
Bundesgesetzes.35

2.2.2. Volksabstimmung

Bei der Volksabstimmung wird noch vor der Beurkundung durch den Bundesprä-
sidenten über einen Gesetzesbeschluss des NR durch das Volk abgestimmt.36 Die
Volksabstimmung wird durch Entschließung des BPräs auf Vorschlag der BReg
angeordnet.37 Zuvor hat der BPräs den Vorschlag auf das Vorliegen der Voraus-
setzungen nach Art 43 und 44 B-VG zur Durchführung der Volksabstimmung zu
überprüfen. Ist der Vorschlag nicht rechtmäßig, so hat der BPräs die Volkabstim-
mung abzulehnen, ansonsten hat er sie anzuordnen.38 Die Entschließung, welche
das Referendum anordnet, ist mit dem Abstimmungsdatum im BGBl zu verlautba-
ren.39

32
   Merli, Art 41/2 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 58 f.
33
   Bußjäger, Art 41 B-VG (3. Lfg 2004) Rz 67.
34
   Bußjäger, Art 41 B-VG (3. Lfg 2004) Rz 47.
35
   https://www.bmi.gv.at/411/Alle_Volksbegehren_der_zweiten_Republik.aspx,
http://www.demokratiezentrum.org/themen/direkte-demokratie/direkte-demokratie-auf-
bundesebene/volksbegehren.html (Stand: 26.07.2018), in weiterer Folge durch den Autor ergänzt.
36                          7
   Berka, Verfassungsrecht Rz 638.
37
   Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Staatsrecht Rz 21.078.
38
   Merli, Art 45, 46 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 12.
39
   § 2 Abs 2 VAbstG, Bußjäger, (6. Lfg 2010) Art 46 B-VG Rz 67.
Jänner 2019                                         Mario Christian Kopp                         14/67
Die Entscheidung des Volkes ist bindend, dh wird der Gesetzesbeschluss durch
die Mehrheit der abgegebenen Stimmen befürwortet, hat in weiterer Folge die Be-
urkundung und Kundmachung zu erfolgen. Stimmt die Mehrzahl des Volkes aller-
dings dagegen, gilt das Gesetzgebungsverfahren als beendet. Allerdings steht
einem neuerlichen und gleichen Gesetzesbeschluss des NR ohne Durchführung
einer Volksabstimmung nichts im Weg.40

Für die Gültigkeit der Volksabstimmung sieht das Verfassungsgesetz keine Min-
destanzahl an abgegebenen Stimmen und auch keine Stimmpflicht vor. Somit
kann auch eine kleine Minderheit der Stimmberechtigten über eine Volksabstim-
mung entscheiden.41

Die Funktion eines Gesetzesreferendums ist vor allem die Bestätigung und Entlas-
tung der Regierungsmehrheit in strittigen Sachfragen. Es sollen Diskussionen über
ein Gesetzesvorhaben beendet werden, indem der Wille des Volkes zum Aus-
druck gebracht wird.42

Stimmberechtigt sind bei der Volksabstimmung alle, die am Tag der Abstimmung
das aktive Wahlrecht zum Nationalrat43 besitzen. Der amtliche Stimmzettel hat die
Frage zu enthalten, ob der Gesetzesbeschluss Rechtskraft erlangen soll sowie
zwei Kreise mit den Ankreuzungsmöglichkeiten „Ja“ oder „Nein“.44 Die einfachge-
setzliche Ausgestaltung zu Art 43 B-VG erfolgte im Volksabstimmungsgesetz
197245, welches aber weitgehend auf die NRWO verweist.46

Die Bundesverfassung kennt vier Formen der Volksabstimmung. In den Artikeln
43 und 44 B-VG werden die fakultative Abstimmung über einfache Bundesgesetze
und Bundesverfassungsgesetze und die obligatorische Abstimmung bei einer Ge-
samtänderung der Bundesverfassung unterschieden.47 Der Vollständigkeit halber
wird in diesem Zusammenhang noch auf den Art 60 Abs 6 B-VG hingewiesen,

40
   Bußjäger, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht Art 43 B-VG Rz
(11. Lfg 2013) 9.
41
   Merli, Art 45, 46 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 26.
42
   Merli, Art 43 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 8.
43
   Art 26 Abs 1,5 B-VG.
44
   § 9 Abs 2 VAbstG; Bußjäger, Art 46 B-VG (11. Lfg 2013) Rz 10.
45
   Volksabstimmungsgesetz 1972 (VAbstG), BGBl 79/1973 zuletzt idF BGBl I 32/2018.
46                                       11
   Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht Rz 444.
47                                       11
   Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht Rz 444.
Jänner 2019                                        Mario Christian Kopp                                    15/67
welcher die Volksabstimmung zur Absetzung des Bundespräsidenten vorsieht,48
worauf aber in dieser Arbeit nicht näher eingegangen wird.

2.2.2.1. Fakultatives Gesetzesreferendum
Nach Art 43 B-VG kann jeder Gesetzesbeschluss des NR, dh ein Beschluss über
die Erlassung eines neuen, die Aufhebung oder die bloße Änderung eines gelten-
den Bundesgesetzes, nach Abschluss des Verfahrens im BR Gegenstand einer
Volksabstimmung sein.49 Bei einem fakultativen Gesetzesreferendum kann nur
über den gesamten Gesetzesbeschluss abgestimmt werden. Wie bereits oben
ausgeführt, kann der Gesetzesbeschluss nur beurkundet und kundgemacht wer-
den, wenn die Abstimmung positiv verläuft.50

Die fakultative Volksabstimmung kann nur durchgeführt werden, wenn sie der NR
mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschließt oder die Mehrheit
der Abgeordneten des NR diese außerhalb einer Sitzung begehrt. Der Beschluss
und das Verlangen können bis zur Beurkundung erfolgen bzw kundgetan wer-
den.51

Dieses fakultative Gesetzesreferendum ist aber für die Praxis von sehr geringer
Relevanz, dies kann man daraus schließen, dass es erst einmal zur Anwendung
kam. Im Jahr 1978 wurde im Zuge des Baus des Atomkraftwerkes Zwentendorf
und des dafür gefassten einfachen Gesetzesbeschlusses zur Inbetriebnahme des
Kraftwerkes das Volk befragt.52

2.2.2.2. Fakultatives Verfassungsreferendum
Neben dem fakultativen Gesetzesreferendum gibt es auch das fakultative Verfas-
sungsreferendum. Der Unterschied dabei ist, dass hier über teiländernde Verfas-
sungsbestimmungen abgestimmt wird. Es muss in diesem Fall nicht über den ge-
samten Gesetzesbeschluss abgestimmt werden, sondern lediglich über die be-
troffene Verfassungsbestimmung.53

48                                                          11
   Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht        Rz 626.
49
   Merli, Art 43 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 11.
50
   Bußjäger, Art 43 B-VG (11. Lfg 2013) Rz 4.
51
   Bußjäger, Art 43 B-VG (11. Lfg 2013) Rz 6.
52
   Merli, Art 43 B-VG (1. Lfg 1999) Rz 10.
53
   Bußjäger, Art 43 B-VG (11. Lfg 2013) Rz 4.
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Die Volksabstimmung über eine Teiländerung der Bundesverfassung wird, wie
auch die über eine Gesamtänderung, in Art 44 Abs 3 B-VG geregelt. Die fakultati-
ve Volksabstimmung hat bei einem teiländernden Verfassungsgesetzesbeschluss
zu erfolgen, wenn ein Drittel der Mitglieder des NR oder des BR dies verlangen.54

Zum Begriff der Teiländerung der Bundesverfassung ist zu sagen, dass dieser am
besten negativ abzugrenzen ist. Jede Änderung der Bundesverfassung, welche
keine Gesamtänderung darstellt, ist als Teiländerung anzusehen.55 Für eine Tei-
länderung der Verfassung ist lediglich eine 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stim-
men im NR und die Bezeichnung als Verfassungsgesetz nötig.56 Bezüglich der
Ausführungen zur Gesamtänderung wird auf das obligatorische Verfassungsrefe-
rendum w.u. verwiesen.

Von dieser Form der Volksabstimmung wurde in der Geschichte des Bundesver-
fassungsgesetzes noch nicht Gebrauch gemacht.

2.2.2.3. Obligatorisches Verfassungsreferendum
Bei der Gesamtänderung der Bundesverfassung ist, anders als bei einer Teilände-
rung, eine Volksabstimmung in jedem Fall zwingend notwendig. Somit muss man
sich die Frage stellen, ab wann die Grenzen zur Gesamtänderung, in diesem Fall
durch den Ausbau der direktdemokratischen Elemente, überschritten wird.57

In der Verfassung ist der Begriff der Gesamtänderung nicht ausdrücklich geregelt,
deshalb bedarf es einer rechtlichen Auslegung des Begriffes.58

Der VfGH hat in seinem Erkenntnis VfSlg 2455/1955 bereits angeführt, dass es
sich bei einer Gesamtänderung der Verfassung um eine solche Veränderung han-
deln muss, bei der einer der leitenden Grundsätze der Bundesverfassung berührt
wird. Der VfGH sah damals das demokratische, das rechtsstaatliche und das bun-
desstaatliche Prinzip als ein solches an.59

54                                                                    3
   Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht II Rz 21.078.
55
   Rill/Schäffer/Rill, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar. Bundesverfassungsrecht Art 44 B-
VG (14. Lfg 2014) Rz 4.
56                             7
   Berka, Verfassungsrecht Rz 111.
57
   Rill, Möglichkeiten und Grenzen des Ausbaus direkt-demokratischer Elemente in der österreichischen Bun-
desverfassung (1987) 6.
58                             7
   Berka, Verfassungsrecht Rz 112.
59
   VfSlg 2455/1955.
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Über diese drei hinaus besteht des Weiteren eine grundsätzliche Einigung, dass
auch das republikanische, das liberale Grundprinzip und die Gewaltentrennung zu
den Baugesetzen gehören.60

Eine Gesamtänderung der Verfassung ist im Einzelnen anzunehmen, wenn ein
Grundprinzip aufgehoben, neu geschaffen, oder strukturell verändert wird und
schließlich bei der Aufhebung des Art 44 Abs 3 B-VG.61

Aber nicht jede Verfassungsänderung, die eines dieser Grundprinzipien betrifft,
entspricht einer Gesamtänderung. Es muss sich um eine wesentliche Modifikation
der zu einem Grundprinzip zusammengefassten Norm62 handeln. Um dies etwas
besser zu veranschaulichen wird der Autor ein kurzes Beispiel für eine Gesamtän-
derung vorbringen. Eine Gesamtänderung der Verfassung würde vorliegen, wenn
man die Wahlen zum Nationalrat nur mehr alle acht Jahre durchführen würde, weil
dadurch der Wille des Volkes über die regelmäßige Änderung der politischen
Macht verloren ginge. Allerdings wäre es noch keine Gesamtänderung, wenn man
die Perioden zur Wahl auf drei Jahre verkürzen würde. Die Feststellung ist nicht
immer ganz leicht, aus diesem Grund muss immer im Einzelnen betrachtet wer-
den, ob eine Gesamtänderung vorliegt oder nicht.63

Ob durch den Beschluss eines Bundesverfassungsgesetzes eine Gesamtände-
rung der Verfassung vorliegt und deshalb eine zwingende Volksabstimmung ab-
gehalten werden muss, entscheidet zunächst der NR.64

Die Literatur vertritt die Meinung, dass wenn dem Bundespräsidenten ein Geset-
zesbeschluss vorgelegt wird, bei dem er feststellt, dass es sich um eine Gesam-
tänderung der Verfassung handelt, er auf die BReg einzuwirken hat, damit diese
ihm einen Vorschlag für die Anordnung einer Volksabstimmung unterbreitet. Der
Bundespräsident hätte somit auch eine Volksabstimmung anzusetzen, wenn von
Seiten des NR oder des BR diese nicht verlangt wurde.65

60
   Rill/Schäffer/Rill, Art 44 B-VG (14. Lfg 2014) Rz 40.
61
   Mayer, Verfassungsfragen der direkten Demokratie, in FS Schambeck (1994) 517 f.
62                             7
   Berka, Verfassungsrecht Rz 119.
63                             7
   Berka, Verfassungsrecht Rz 119.
64
   Bußjäger, Art 46 B-VG (11. Lfg 2013) Rz 6.
65
   Mayer, Verfassungsfragen 517.
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Der Beitritt zur Europäischen Union 1995 stellte eine Gesamtänderung der Ver-
fassung dar und ist bislang der einzige Gesetzesbeschluss, bei dem es zu einem
obligatorischen Verfassungsreferendum kam.66

2.2.3. Volksbefragung

Die Volksbefragung ist das jüngste Element der direkten Demokratie in der Bun-
desverfassung, da in der Stammfassung lediglich das Volksbegehren und die
Volksabstimmung vorgesehen waren. Die Volksbefragung wurde mit der B-VG
Novelle BGBl 685/1988 in die Bundesverfassung mit aufgenommen.67

Die verfassungsrechtliche Grundlage für die Volksbefragung findet sich in Art 49b
B-VG und regelt den Gegenstand, das Verfahren zur Auslösung einer Volksbefra-
gung, die Fragestellung, die Stimmberechtigung und die Rechtswirkung der
Volksbefragung. Die Durchführung der Volksbefragung wird durch die Art 45 und
46 B-VG näher geregelt.

Die einfachgesetzlichen Bestimmungen, welche die Volksbefragung näher regeln,
finden sich vor allem im Volksbefragungsgesetz68, der Nationalrats-Wahlordnung69
und anderen einfachen Gesetzen.70

Die Volksbefragung ist eine Möglichkeit für die Parlamentsmehrheit, die wahlbe-
rechtigten Bürger zu deren politischen Willen und ihrer Meinung zu einer Angele-
genheit von grundsätzlicher Bedeutung zu befragen.71 Sie ähnelt somit der Volks-
abstimmung, jedoch gibt es auch mehrere wesentliche Abweichungen. Man kann
die Volksbefragung als „weiche Form der Erkundung des Bürgerwillens“ anse-
hen.72

Bei der Volksbefragung wird im Vorfeld über ein zukünftiges, politisches Vorhaben
befragt, wogegen bei einer Volksabstimmung über das Inkrafttreten eines bereits

66
   https://www.parlament.gv.at/PERK/VERF/GRUND/ (Stand: 26.07.2018).
67
   Thienel, Verfassungsfragen der Volksbefragung nach Art 49b B-VG, JRP 2000 329.
68
   Volksbefragungsgesetz 1989 (VBefrG), BGBl 356/1989 zuletzt idF BGBl I 32/2018.
69
   Nationalrats-Wahlordung 1992 (NRWO), BGBl 471/1992 zuletzt idF BGBl I 32/2018.
70
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 2.
71                                                                3
   Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht II Rz 21.085.
72
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 7.
Jänner 2019                                        Mario Christian Kopp             19/67
beschlossenen Gesetzes abgestimmt wird. Es geht also nur mehr um die Frage,
ob der politischen Entscheidung zugestimmt wird oder nicht.73

Ein weiterer Unterschied ist, dass Volksabstimmungen nach Art 44 Abs 3 B-VG
auch obligatorisch stattfinden können, im Gegensatz dazu können Volksbefragun-
gen nur von der Mehrheit des Nationalrates angeordnet werden. Auch liegt die
konkrete Fragestellung im Ermessen der Mehrheit, sie ist nicht rechtlich vorgege-
ben, wie bei der Volksabstimmung. 74

Eine Volksbefragung darf nach Art 49b Abs 1 B-VG nur zu „einer Angelegenheit
von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Regelung
die Bundesgesetzgebung zuständig ist“, durchgeführt werden. „Wahlen oder An-
gelegenheiten, über die ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden
hat, können nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein“.75

„Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung“ sind der Literatur zu Folge nur
Fragen von staatspolitischer Bedeutung oder solche, die ein Wesenselement des
politischen Systems betreffen. Allerdings ist Thienel der Meinung, dass diese Aus-
legung zu eng getroffen ist und man diese Regelung so verstehen muss, dass ei-
ne Volksbefragung nur auf wichtige allgemeine Fragen und nicht auf Detailfragen
gerichtet sein kann.76

Die Frage nach einer „gesamtösterreichischen Bedeutung“ heißt, dass keine Fra-
gen von regionaler oder lokaler Bedeutung gestellt werden dürfen. Enger noch, es
müssen immer alle Bundesländer betroffen sein oder die Angelegenheit muss
Auswirkungen auf den gesamten Staat haben.77

Schwieriger und umfangreicher auszulegen ist die Formulierung der „Angelegen-
heiten, zu deren Regelung der Bundesgesetzgeber zuständig ist“. Allerdings wür-
de eine genaue Ausführung zu diesem Thema den Rahmen dieser Arbeit über-
steigen.78

73
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 7 f.
74
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 7 f.
75
   Art 49b Abs 1 B-VG.
76
   Thienel, JRP 2000, 329.
77
   Thienel, JRP 2000, 329.
78
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 17.
Jänner 2019                                    Mario Christian Kopp                  20/67
Die Volksbefragung ist nach Antrag von mindestens fünf Mitgliedern des NR oder
der BReg nach der Vorbereitung im Hauptausschuss von der einfachen Mehrheit
des NR zu beschließen.79 Daneben kann auch jeder Ausschuss einen Antrag auf
Durchführung einer Volksbefragung stellen, wenn sie im Zusammenhang mit einer
in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Angelegenheit steht.80

In weiterer Folge ist die Volksbefragung durch den BPräs auf Vorschlag der BReg
anzuordnen.81 Stimmberechtigt sind alle, die am Stichtag das aktive Wahlrecht
zum Nationalrat besitzen.82 Eine Pflicht zur Abgabe seiner Stimme besteht nicht.83

Bei einer Volksbefragung gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Fragestellung auszu-
sehen hat. Zum einen ist eine Frage vorzulegen, welche mit „Ja“ oder „Nein“ zu
beantworten ist, zum anderen sind zwei verschiedene Lösungsvorschläge anzu-
führen, zwischen denen sich die Stimmberechtigten entscheiden können.84 Somit
muss eine Volksbefragung die Möglichkeit bieten, zwischen zwei Möglichkeiten zu
wählen.85

Die Fragen müssen so gestellt werden, dass daraus der freie Wille des abstim-
menden Volkes zum Ausdruck kommt.86 In der Entscheidung VfSlg 15.816/2000
erkannte der VfGH zwar über eine Volksbefragung auf Landesebene, allerdings ist
das Erkenntnis auch auf die Bundesebene übertragbar. Der VfGH erklärte die
Fragestellung der Volksbefragung für unzulässig, weil sie suggestiv und nicht klar
formuliert wurde.87

Suggestivfragen sind nach Meinung des VfGH nicht geeignet, den politischen Wil-
len der abstimmenden Bevölkerung widerzuspiegeln, da die Fragestellung mani-
pulativ ist und dadurch dem Volk eine bestimmte Antwort nahegelegt wird.88

79                                     11
   Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht Rz 445.
80
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 31.
81                                      11
   Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht Rz 445.
82
   Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Staatsrecht Rz 21.085.
83
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 43.
84
   Thienel, JRP 2000, 329.
85
   Thienel, JRP 2000, 336.
86
   Art 49b B-VG Merli, (1. Lfg 1999) Rz 24.
87
   VfSlg 15.816/2000; Art 49b B-VG Merli, (1. Lfg 1999) Rz 24.
88
   Thienel, JRP 2000, 336.
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Das Gebot der Klarheit verlangt, dass die Frage nicht zu kompliziert, verwirrend
oder inkonsistent gestellt wird, damit das abstimmende Volk leicht erkennen kann,
wofür oder wogegen sie stimmen.89

Die Volksbefragung wird wie schon die Volksabstimmung durch eine unbedingte
Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen entschieden. Allerdings gibt es recht-
lich gesehen nichts zu entscheiden, da eine Volksbefragung keine bindende Wir-
kung für das Parlament oder die Regierung hat. Sie ist zwar dem NR und der
BReg von der Bundeswahlbehörde vorzulegen, das Ergebnis muss aber nicht
einmal formal behandelt werden. Als einziges Ergebnis bleibt die politische Wir-
kung, welche aber auch erst von Bedeutung ist, wenn ausreichend Stimmberech-
tigte an der Befragung teilgenommen haben.90

Sobald das Ergebnis der Volksbefragung feststeht, hat die Bundeswahlbehörde
dieses auf der Amtstafel des BMI und im Internet zu verlautbaren.91

Die erste und bis jetzt auch einzige Volksbefragung auf Bundesebene wurde im
Jänner 2013 zum Thema der Wehrpflicht durchgeführt. Somit hat auch dieses In-
strument der direkten Demokratie in der Praxis keine große Bedeutung.92

89
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 26.
90
   Merli, Art 49b B-VG (5. Lfg 2002) Rz 43 ff.
91
   § 15 VBefrG.
92                          7
   Berka, Verfassungsrecht Rz 639.
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3. Ausbau der Elemente der direkten Demokratie
Der Wunsch nach Reformen der direkten Demokratie ist immer wieder Thema in
Österreich, insbesondere wenn die repräsentative Demokratie Schwächen auf-
zeigt bzw die Volksvertretung von den Bürgern als kraftlos wahrgenommen wird.
Meist sind solche Vorschläge zur Erweiterung der direkten Demokratie ein Nach-
weis für Probleme im Gesamtsystem.93 In den letzten Jahren gab es eine Fülle an
Vorschlägen der einzelnen Parteien, aber auch von Bürgerinitiativen wurden An-
regungen für den Ausbau vorgebracht.

Deshalb wird der Autor in diesem Kapitel versuchen, einige bereits vorgeschlage-
ne, aber auch Modelle aus dem Ausland für die Erweiterung der direktdemokrati-
schen Instrumente herauszuarbeiten und näher zu beleuchten. In weiterer Folge
wird auch darauf eingegangen werden, ob es sich um eine Teil- oder Gesamtän-
derung der Bundesverfassung handelt und damit eine Volksabstimmung für die
Einführung verpflichtend wäre.

3.1. Mögliche Modelle
3.1.1. Verpflichtende Volksabstimmung nach vorangegangenen Volksbe-
              gehren

Wenn man von einer Schwäche des Volksbegehrens sprechen kann, dann ist es
die Tatsache, dass die wenigsten zu einer tatsächlichen Erlassung eines Geset-
zes führen. Dies ist auch oft der Grund, dass die Volksbegehren meist wenig Un-
terstützung erhalten. Die Initiative „Mein OE“ und auch andere Initiatoren haben
deshalb Vorschläge vorgebracht, um das Volksbegehren zu attraktivieren und
dadurch das Interesse daran zu erhöhen. 94

3.1.1.1. Ausgestaltung der Vorschläge
Über ein Volksbegehren, das eine bestimmte Anzahl an Unterstützungserklärun-
gen erhält und vom NR innerhalb einer angemessenen Frist nicht oder nicht aus-
reichend in der Form eines Gesetzesbeschlusses umgesetzt wird, soll verpflich-
tend eine Volksabstimmung abgehalten werden. Die Initiative „Mein OE“ hat diese

93
   Merli, Grundsätzliche Aspekte der direkten Demokratie – das Beispiel Volksbegehren in ÖJK (Hrsg), Direkte
Demokratie (2014) 15.
94
   Öhlinger, Grenzen der direkten Demokratie aus österreichischer Sicht in Balthasar/Bußjäger/Poier (Hrsg),
Herausforderung Demokratie: Themenfelder: Direkte Demokratie, e-Democracy und übergeordnetes Recht
(2014) 52 f.
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erforderliche Zahl an Unterstützungen mit 300.000 Stimmberechtigten angesetzt.
Es gibt aber andere Vorschläge von Initiatoren, bei denen die Unterstützungsan-
zahl zwischen 100.000 und 650.000 liegt.95

Ziel dieser Entwürfe soll nicht sein, dass über jede von den Bürgern eingebrachte
Gesetzesinitiative eine Volksabstimmung abgehalten wird, sondern dass sich das
Parlament intensiver mit den Gesetzesvorschlägen der Bevölkerung auseinander-
setzt. Durch die Einbeziehung der Initiatoren bei der Befassung mit dem Geset-
zesantrag können so auch Lösungen für einen Gesetzesbeschluss gefunden wer-
den, mit dem beide Seiten einverstanden sind.96 Ein solch ähnliches System wur-
de bereits in mehreren deutschen Bundesländern umgesetzt, aber dazu näher
w.u.

Drei-Stufen-Modell deutscher Bundesländer
Diese oa Vorschläge dürften durch das Drei-Stufen-Modell, welches in 12 deut-
schen Bundesländern vorgesehen ist, inspiriert worden sein.97 Eine Einführung auf
Bundesebene gibt es jedoch noch nicht.98

Bei der ersten Stufe handelt es sich um das neu eingeführte Instrument der Volks-
initiative bzw des Bürgerantrags. Die Initiative dient dazu, dem Landtag den
Volkswillen, ohne gleich ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, näher zu brin-
gen. Somit kann die Volksinitiative als ausformulierter Gesetzesentwurf, aber auch
als formloser Antrag eingebracht werden.99 Die Stimmen können formlos, dh auch
auf der Straße abgeben werden und die Anzahl der zu erbringenden Stimmen va-
riiert von Land zu Land. Somit gleicht die erste Stufe weitestgehend dem österrei-
chischen Volksbegehren.100

Wird vom zuständigen Landtag in weiterer Folge kein entsprechendes Gesetz er-
lassen, kann der Initiator die Durchführung eines Volksbegehrens beantragen,

95
    Öhlinger, Direkte Demokratie und BürgerInnenbeteiligung in der österreichischen Bundesverfassung –
unter Berücksichtigung aktueller Gesetzesinitiativen in Bußjäger/Balthasar/Sonntag (Hrsg), Direkte Demokra-
tie im Diskurs (2014) 119 f.
96
   Öhlinger, Grenzen 53.
97
   Decker, Sachunmittelbare Demokratie auf der Ebene der Länder in Neumann/Renger (Hrsg), Sachunmittel-
bare Demokratie im interdisziplinären und internationalen Kontext 2009/2010. Deutschland, Lichtenstein,
Österreich, Schweiz und Europa (2012) 32, Öhlinger, ÖJZ 2014,1064..
98                           2
   Kost, Direkte Demokratie (2013) 57; Öhlinger, ÖJZ 2014,1064.
99                           2
   Kost, Direkte Demokratie (2013) 58.
100
    Öhlinger, ÖJZ 2012, 1057, Öhlinger, ÖJZ 2014,1064.
Jänner 2019                                          Mario Christian Kopp                                     24/67
welches bei der erforderlichen Unterstützung zu einer Volksabstimmung führen
kann.101

Kommt es nach dem erfolgreichen Volksbegehren ebenfalls zu keiner Einigung
zwischen dem Landtag und den Initiatoren, kommt es in der dritten Stufe zu einer
Volksabstimmung über das Volksbegehren. Geht die Abstimmung für das Begeh-
ren positiv aus, ist das Gesetz vom Landtag zu erlassen.102

Auch wenn man meinen könnte, dass es dadurch zu sehr vielen Volksabstimmun-
gen kommen könnte, beweist das Beispiel Deutschland das Gegenteil. Diese qua-
lifizierten Volksbegehren haben eine bestimmte Vorwirkung, wodurch der Landtag
bemüht ist, eine Einigung mit den Initiatoren zu finden, um so eine Volksabstim-
mung zu vermeiden. Die Volksabstimmung soll nur eine Ausnahme bilden und als
Sanktion für eine mangelhafte Auseinandersetzung mit der Volksinitiative und dem
Volksbegehren angesehen werden.103

3.1.1.2. Gesamtänderung?
Die Umsetzung einer der oa Vorschläge würde eine Gesetzgebung ohne Einbin-
dung des Parlaments ermöglichen. Dh, dass dadurch ein Gesetz auch gegen den
Willen der Mehrheit des NR auf direktdemokratischen Weg erlassen werden kann.
Das Volk erhält dadurch ein Instrument zur selbstständigen Erlassung von Geset-
zen und dies würde dem derzeit vorherrschenden repräsentativ-demokratischen
Prinzip widersprechen.104

Aus Sicht des VfGH handelt es sich um eine reine Volksgesetzgebung, somit um
eine Gesamtänderung der Verfassung und es müsste eine verpflichtende Volks-
abstimmung abgehalten werden.105 In welchen Fällen es zu einer Gesamtände-
rung der Bundesverfassung kommt, wurde bereits w.o. ausführlich behandelt und
deshalb wird auf diese Ausführungen verwiesen.

101                        2
    Kost, Direkte Demokratie (2013) 59 f.
102                                                  2
    Öhlinger, ÖJZ 2014,1064, Kost, Direkte Demokratie (2013) 61 f.
103
    Öhlinger, ÖJZ 2012, 1057.
104
    Öhlinger, Grenzen 50 f.
105
    VfSlg 16.241/2001.
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Die übergeordnete Position des Parlaments bei der Bundesgesetzgebung ist ein
zentrales Element des demokratischen Prinzips und soll, auch durch den Verfas-
sungsgesetzgeber, nicht ohne weiteres verändert werden.106

Die Einführung des deutschen Modells würde für Österreich nach der derzeitigen
Rechtsprechung des VfGH eine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstel-
len, und somit müsste für die Einführung eine verpflichtende Volksabstimmung
stattfinden. In diesem Fall würde das Volk die Gesetzgebungskompetenz des NR
umgehen und dadurch selbst Gesetze erzeugen. Die Gesetze würden zwar immer
noch durch den NR erlassen werden, jedoch ist der NR nicht mehr frei in seinem
Handeln, denn das Gesetz und dessen Inhalt werden dem NR vorgeschrieben,
und dies widerspricht dem repräsentativ-demokratischen Prinzip.

3.1.2. „Demokratiepaket 2013“

In der 24. Gesetzgebungsperiode wurden unter dem Titel „Demokratiepaket“ viele
Vorschläge zum Ausbau der direktdemokratischen Instrumente diskutiert. Aller-
dings konnte bis zum Ende der GP das Paket nicht mehr umgesetzt werden. Es
gab zwar im Regierungsprogramm der 25. GP ein Bekenntnis die Vorschläge und
Stellungnahmen weiterzubearbeiten,107 jedoch kam es bis dato zu keiner Umset-
zung der darin ausgearbeiteten Empfehlungen.

3.1.2.1. Volksbefragung über ein erfolgreiches Volksbegehren
Im Jänner 2013 wurde ein Initiativantrag im NR eingebracht, der sich auf eine
Bürgeranfrage im NR beschränkte.108 Im Juni wurde ein gesamtändernder Abän-
derungsantrag gestellt, welcher den bereits eingebrachten Antrag im Gesamten
ersetzen sollte. Die wesentlichste Änderung bestand darin, dass die Bürgeranfra-
ge gestrichen wurde, und stattdessen eine zwingende Volksbefragung bei erfolg-
reichem Volksbegehren und der Nichtumsetzung durch den NR vorgeschlagen
wurde.109 Diese Kombination hat eine Ähnlichkeit mit der bereits angeführten
Kombination aus Volksbegehren und Volksabstimmung, allerdings entstehen in

106
    Öhlinger, Grenzen 50.
107
    Konrath, Demokratiepaket 346.
108
    Gamper, Rechtsetzung 119.
109
    Konrath, Demokratiepaket 351.
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diesem Fall keine rechtlichen Verbindlichkeiten durch die Volksbefragung.110
Dadurch bleibt die letzte Verantwortung zur Erlassung eines Gesetzes restlos
beim NR.111

Der im Gesetzesentwurf enthaltene Art 49c Abs 1 B-VG definierte eine neue Ka-
tegorie eines Volksbegehrens, und zwar ein qualifiziert unterstütztes Volksbegeh-
ren. Eine solche qualifizierte Unterstützung lag bei einem Volksbegehren gerichtet
auf ein einfaches Bundesgesetz bei einer Beteiligung von 10 % der Stimmberech-
tigten vor. Sollte ein Bundesverfassungsgesetz erlassen werden, benötigte man
die Unterstützung von 15 % der Wahlberechtigten, damit ein qualifiziertes Volks-
begehren vorliegt.

Der NR hätte dann die Wahl zwischen drei Möglichkeiten, das Volksbegehren zu
behandeln. Zum einen könnte der NR das qualifiziert unterstütze Volksbegehren
unverändert beschließen und nach den allgemeinen Regeln des Gesetzgebungs-
verfahrens beenden. 112

Zum anderen könnte der NR einen gültigen Gesetzesbeschluss fassen, welcher
bloß unwesentlich vom eingebrachten Volksbegehren abweicht. In diesem Fall
müsste diese Abweichung vom NR mittels Beschluss festgestellt werden.113 Die
Formulierung „bloß unwesentlich“ wurde von vielen Seiten kritisiert, da es sich um
eine sehr unbestimmte Formulierung handelte und es viele Entscheidungen des
VfGH brauchen würde, um den Begriff zu präzisieren.114 Schon eine geringfügige
Abänderung des Wortlautes der Gesetzesinitiative stellt nach der Rechtsprechung
des VfGH bereits eine wesentliche Abweichung dar.115

Diese beschlussmäßige Feststellung hätte durch den Bevollmächtigten und zwei
Stellvertreter vor dem VfGH bestritten werden können, wenn ihrer Meinung nach
eine Volksbefragung zulässig gewesen wäre.116

110
    Gamper, Rechtsetzung 119.
111
    Öhlinger, ÖJZ 2014, 1065.
112
    Konrath, Demokratiepaket 371.
113
    Gamper, Rechtsetzung 119.
114
    Öhlinger, ÖJZ 2014, 1065.
115
    VfSlg 19.644.
116
    Konrath, Demokratiepaket 368 ff.
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Die dritte Möglichkeit wäre die Ablehnung des Gesetzesantrages durch den NR.
Stellt die Bundeswahlbehörde in weiterer Folge fest, dass eine Volksbefragung
zulässig wäre, müsse diese verpflichtend durchgeführt werden.117

Auch verbessert sollte die parlamentarische Behandlung von Volksbegehren wer-
den, um dadurch den Austausch mit den Initiatoren zu verbessern. Es sollte das
Volksbegehren in zwei „Volksbegehren-Sitzungen“ behandelt werden, in denen
der Bevollmächtigte bzw zwei Stellvertreter das Recht haben, eine einleitende
Stellungnahme und eine Wortmeldung in der Debatte abzugeben.118

3.1.2.2. Gesamtänderung?
Bei diesem Modell würde es zu keiner Gesamtänderung der Bundesverfassung
kommen, weil das Modell der repräsentativen Demokratie nicht wesentlich geän-
dert werden würde. Es wird in keinem Fall die Entscheidungsmacht des Parla-
ments ausgeschalten und somit wird das demokratische Grundprinzip der Verfas-
sung nicht wesentlich verändert. Selbst wenn das Volksbegehren nicht umgesetzt
werden würde und die Volksbefragung zu Gunsten des Volksbegehrens ausfällt,
bliebe die letzte Entscheidung, ein Gesetz zu erlassen, immer in der Kompetenz
des Parlaments.

Der NR kann durch dieses Modell rechtlich nicht dazu gezwungen werden, einen
dementsprechenden Gesetzesbeschluss zu fassen. Aus rechtspolitischer Sicht
könnte es dem Parlament natürlich schwer fallen, dem Druck, der durch die zu-
stimmende Volksbefragung entsteht, standzuhalten, aber dazu näher w.u.119

3.1.3. „Regierungsprogramm 2017-2022“

Im neuen Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP und FPÖ ist ebenfalls ein
Vorschlag zur Stärkung und Erweiterung der direkten Demokratie angeführt. Es
wird darauf hingewiesen, dass die Möglichkeiten zur direkten Mitwirkung an politi-

117
    Eberhard, Parlamentarische Rechtsetzung und direkte Demokratie: Ausgestaltungsmöglichkeiten in Lien-
bacher/Pürgy (Hrsg), Parlamentarische Rechtsetzung in der Krise (2014) 134 ff.
118
    Konrath, Demokratiepaket 368 f.
119
    Gamper, Rechtsetzung 122.
Jänner 2019                                         Mario Christian Kopp                                   28/67
schen Entscheidungsprozessen in Österreich zu schwach ausgeprägt sind. Des-
halb sollen die direktdemokratischen Elemente schrittweise ausgebaut werden.120

3.1.3.1. Weiterentwicklung des Volksbegehrens
Als ersten Punkt führt die neue Bundesregierung die Weiterentwicklung des
Volksbegehrens an. Hier wird angeführt, dass 100.000 Wahlberechtigte eine „ech-
te“ Gesetzesinitiative starten können, welche einer Regierungsvorlage oder einem
Initiativantrag einer Partei gleichgestellt ist und auch dieselben parlamentarischen
Spielregeln gelten.121

Erste Änderungen sollen sein, dass das Volksbegehren in einer eigenen Sitzung
im Ausschuss und im Plenum des NR behandelt wird. Des Weiteren wird dem Ini-
tiator des Volksbegehrens ein Rederecht im Nationalrat und damit eine Live-
Übertragung im Fernsehen zugesichert. Zusätzlich soll eine Stellungnahmepflicht
des zuständigen Ministers und eine verpflichtende Ausschussbegutachtung von
konkreten Gesetzesvorschlägen eingeführt werden.122

3.1.3.2. Verpflichtende Volksabstimmung
Als weiterer Schritt zur Stärkung der direkten Demokratie soll im Jahr 2022 die
Durchführung einer verpflichtenden Volksabstimmung beschlossen werden, wenn
das eingebrachte Volksbegehren nicht vom Parlament umgesetzt wird. Dh, wenn
ein Volksbegehren in Form eines Gesetzesantrages von mindestens 900.000
Stimmberechtigten unterstützt wurde und das Parlament den Antrag nicht ent-
sprechend umgesetzt hat, ist ein verpflichtendes Referendum über das Volksbe-
gehren abzuhalten.123 Somit ähnelt dieses Instrument stark dem Vorschlag der
Initiatoren „Mein OE“, lediglich die Zahl der abgegebenen Unterstützungserklärun-
gen ist höher.

Damit das durchgeführte Referendum Gültigkeit erlangt, müssen mindestens 1/3
der stimmberechtigten Bevölkerung daran teilnehmen. Wird der Gesetzesantrag

120
    Bundeskanzleramt (Red), Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022 (2017) 19.
121
    Bundeskanzleramt (Red), Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022 (2017) 19.
122
    Bundeskanzleramt (Red), Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022 (2017) 19 f.
123
    Bundeskanzleramt (Red), Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017-2022 (2017) 20.
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