Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität - IMPULS 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen - Agora ...
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Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen IMPULS
Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität IMPRESSUM IMPULS DANKSAGUNG Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität Für wertvolle Kommentare und die tatkräftige Unterstützung bedanken möchten wir uns bei 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum Dr. Matthias Deutsch, Shirin Langer und und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen Dr. Barbara Saerbeck (Agora Energiewende). ERSTELLT VON Agora Energiewende Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin T +49 (0)30 700 14 35-000 Unter diesem QR-Code steht F +49 (0)30 700 14 35-129 diese Publikation als PDF zum www.agora-energiewende.de Download zur Verfügung. info@agora-energiewende.de PROJEKTLEITUNG Alexandra Langenheld alexandra.langenheld@agora-energiewende.de AUTOREN Georg Thomaßen, Alexandra Langenheld, Dr. Patrick Graichen (Agora Energiewende) Dr. Martin Pehnt, Uta Weiß, Mandy Werle (ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg) Bitte zitieren als: Satz: Agora Energiewende Agora Energiewende (2021): Ein Gebäudekonsens Korrektorat: infotext für Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahl Titelbild: © Sonja - stock.adobe.com baren Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen. 217/08-I-2021/DE Version: 1.0, Juni 2021 www.agora-energiewende.de
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Liebe Leserin, lieber Leser, für eine soziale Wärmewende in Richtung Klima- neutralität; einen Deal, auf den sich Wirtschaft, der Handlungsdruck im Gebäudesektor ist gewaltig Mieter:innen, Staat und Zivilgesellschaft verständi- – und die Politik hat jahrelang weggeschaut. gen können. Trotz Corona hat der Gebäudesektor 2020 als einzi- Wir haben uns daher gefragt, wie ein bedachter ger Sektor sein Klimaziel nicht erfüllt. Hinzu kommt Konsens aussehen könnte, der Kosten und Nutzen nun das neue, ambitionierte 2030-Klimaziel von über alle betroffenen Gruppen ausgeglichen verteilt. 65 Prozent Treibhausgasminderung. Das Ziel der Mit unseren 10 Eckpunkten für einen Gebäudekon- Klimaneutralität 2045 verlangt einen tiefgreifenden sens legen wir ein konkretes Maßnahmenpaket vor, Infrastruktur- und Technologiewandel. Gleichzeitig um sicherzustellen, dass sowohl bezahlbarer, ener- erschwert es die angespannte Lage in vielen städti- getisch sanierter Wohnraum für alle Einkommens- schen Mietmärkten, den Klimaschutz ambitioniert gruppen bereitgestellt als auch spätestens 2045 voranzutreiben. Klimaneutralität erreicht wird. Die von der Bundesregierung zu Beginn der Legisla- Ich wünsche eine angenehme Lektüre! tur angekündigte Gebäudekommission ist nicht zustande gekommen – ein schweres politisches Dr. Patrick Graichen Versagen. Klar ist: Es braucht zügig einen Fahrplan Direktor Agora Energiewende 10 Eckpunkte für einen klimaneutralen Gebäudekonsens: 3
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Inhalt Zehn Eckpunkte für einen klimaneutralen Gebäudekonsens: 3 Warum ein gesellschaftlicher Konsens über einen klimaneutralen Gebäudebestand notwendig ist 6 Eckpunkt 1: Die soziale Wärmewende braucht einen ausgewogenen Instrumentenmix 9 a. Was wir jetzt tun müssen 10 Eckpunkt 2: CO2-Preis stetig erhöhen und Strompreise senken 12 a. Was wir jetzt tun müssen 13 Eckpunkt 3: Intelligent Fordern: Ordnungsrechtliche Standards an Klimaneutralität 2045 ausrichten 14 a. Der Einbau von Gas- und Ölheizkesseln ist mit dem Ziel Klimaneutralität 2045 nicht vereinbar 14 b. Fördern UND Fordern 15 c. Die Gebäudestandards auf Klimaneutralität 2045 ausrichten 15 d. Was wir jetzt tun müssen 16 Eckpunkt 4: Umfassend Fördern: Förderprogramme mit 12 Milliarden Euro p. a. aus- statten und Erfüllung des Ordnungsrechts bezuschussen 17 a. Was wir jetzt tun müssen 17 Eckpunkt 5: Vermieter-Mieter-Dilemma durch Einführung von Warmmieten auflösen 19 a. Ausgestaltungsoptionen eines Warmmietenmodells 19 b. Verteilung der CO2-Kosten in Mietverhältnissen 20 c. Wie betten sich Warmmieten in die deutsche Diskussion um Klimaschutz im Mietmarkt ein? 21 d. Was wir jetzt tun müssen 22 4
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Eckpunkt 6: Verbindliche kommunale Wärmeplanung flächendeckend umsetzen 24 a. Was wir jetzt tun müssen 26 Eckpunkt 7: Grüne Fern- und Nahwärme ausbauen und klimaneutral ausgestalten 27 a. Was wir jetzt tun müssen 27 Eckpunkt 8: Wärmekunden vor den Kosten der Wasserstoff-Markteinführung schützen 29 a. Was wir jetzt tun müssen 30 Eckpunkt 9: Solar auf die Dächer: Prosumer- und Mieterstrom-Regelungen vereinfachen 31 a. Was wir jetzt tun müssen 32 Eckpunkt 10: Der Booster für Sanierung: Durch serielle Sanierung und einen Pakt für Zukunftshandwerk Kosten senken und Kapazitäten erhöhen 33 a. Was wir jetzt tun müssen 33 Fazit 36 Referenzen 38 5
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Warum ein gesellschaftlicher Konsens muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe über einen klimaneutralen Gebäude- begriffen werden. Umso länger wir warten, desto bestand notwendig ist größer das Risiko sozialer Verwerfungen und höhe- rer Kosten. Der Handlungsdruck im Gebäudesektor ist gewaltig – sowohl im Hinblick auf sein Klimaschutzpotenzial Die für die vergangene Legislatur ursprünglich ver- als auch hinsichtlich der vielerorts angespannten einbarte Gebäudekommission hatte zur Aufgabe, ein Mietmärkte: Klimaneutralität bis spätestens zum Maßnahmenbündel zur Erreichung der Klimaziele Jahr 2045 bedeutet für die verbleibenden knapp im Gebäudesektor zu erarbeiten und einen Ausgleich 25 Jahre im Kern nichts weniger als ein tiefgreifen- der verschiedenen Interessen, vor allem zwischen der Infrastruktur- und Technologiewandel (Agora Vermietenden und Mietenden, herbeizuführen so- Energiewende, 2021a). Die Generationengerechtig- wie die Aufgabe des Staates im Kontext Klimaziel- keit verlangt außerdem, dass schon heute ambitio- erfüllung genauer zu definieren. Bedauerlicherweise nierte Reduktionen erzielt werden, und die Verant- wurde diese Kommission abgesagt, sodass die ver- wortung nicht auf die kommenden Generationen gangenen vier Jahre von Stillstand geprägt waren. abgewälzt wird. Den Akteuren fehlt bis heute die notwendige Planungssicherheit für große und zukunftsfähige Diese Herausforderung kann nur gelingen, wenn wir Investitionen. Ebenso wenig wurde das Thema Kosten und Nutzen über alle betroffenen Gruppen Bereitstellung von bezahlbarem, energetisch sanier- ausgeglichen verteilen und insbesondere das Mie- ten Wohnraum für alle Einkommensgruppen ange- ter-Vermieter-Dilemma auflösen – Klimaschutz gangen. 6
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Damit in der nächsten Legislaturperiode endlich Gleichzeitig ist auch die Akteurslandschaft im Ge- -Bewegung in den Gebäudesektor kommt, braucht es bäudebereich deutlich heterogener als in den ande- zügig einen Fahrplan für eine sozial- und klimaver- ren Sektoren: Neben den Bewohner:innen – den trägliche Fortentwicklung des Gebäudebereichs, der Mieter:innen und den selbstnutzenden Eigentü- eine ausgeglichene Verteilung von Kosten und Nut- mer:innen – betreffen die hier getroffenen Entschei- zen über alle Interessensgruppen berücksichtigt. dungen Genossenschaften, große Unternehmen, pri- (Bau-, Wohnungs- und Energie-)Wirtschaft, Mie- vate Vermieter und Vermieterinnen sowie große und ter:innen, Staat und Zivilgesellschaft müssen sich kleine Energieversorger. Deshalb benötigt es jetzt ei- auf einen gemeinsamen Weg der Zielerreichung ver- nen breiten Konsens darüber, wie Klimaneutralität ständigen können, der als Prämisse einen klima- im Gebäudesektor bis spätestens 2045 erreicht wer- neutralen Gebäudebestand bis 2045 anerkennt und den kann. Dieser Gebäudekonsens muss die Interes- den Rahmen für die Formulierung eines konkreten sen und Bedürfnisse aller betroffenen Akteure in den Maßnahmenpaketes bildet. Die vorliegenden Eck- Blick nehmen: Eine breite Akzeptanz des Maßnah- punkte für einen Gebäudekonsens stellen den Aus- menpaketes ist die Grundvoraussetzung, um zu- gangspunkt für eine soziale Wärmewende dar. Jede künftig die Klimaschutzziele im Gebäudesektor sozi- weitere Verzögerung verteuert das Erreichen des alverträglich und generationengerecht zu erreichen. Klimaschutzziels und erhöht das Risiko sozialer Ver- werfungen. Es ist jetzt an der Zeit, eine transparente Zum einen muss ein solcher Konsens den sozialen und verlässliche Zielstrategie vorzugeben, die Pla- Frieden wahren, indem Privatleute vor finanzieller nungssicherheit für zukunftsfähige Investitionsent- Überforderung geschützt werden. Neben den selbst- scheidungen ermöglicht und Fehlallokationen mit nutzenden Eigentümer:innen, die sich eine Sanie- Lock-in-Effekten vermeidet. rung auch leisten können müssen, betrifft dies vor allem die Miethaushalte, die etwa die Hälfte der Be- Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Auf- völkerung ausmachen. Mieter:innen haben so gut gabe, so auch die Dekarbonisierung des deutschen wie keinen Einfluss auf die Wärmeversorgung ihrer Gebäudebestands. Denn so gut wie jeder und jede Wohnung. Gleichzeitig haben sie im Fall einer Sa- Bundesbürger:in sind betroffen, sei es als Mieter:in nierung mit deutlich höheren Mieten zu rechnen, da oder als Eigentümer:in. Wenn eine sozialverträgliche die Sanierungskosten durch die Modernisierungs- Wärmewende unabdingbar für das Gelingen der umlage umgelegt werden. Eine Wärmewende, die die Energiewende ist, müssen die Maßnahmen, um Kli- Kosten der Transformation primär auf die Mieter:in- maneutralität im Gebäudebereich zu erreichen, nen überwälzt, wird scheitern, da sie gerade ein- wohlüberlegt ausgewählt werden, denn sie haben kommensschwachen Haushalten mehr abverlangen eine weiter reichendere Dimension als in allen ande- wird, als diese tragen können. ren Sektoren. Eine halbherzige und unausgeglichene Herangehensweise, die in den Folgejahren umso Gleichzeitig muss ein gesellschaftlicher Konsens be- härtere Maßnahmen nach sich zieht, um die Klima- rücksichtigen, dass Vermieter:innen sich nur dann schutzziele zu erreichen, wirkt sich direkt auf alle zu proaktiven Akteuren entwickeln können, wenn Bürger:innen aus, indem sie die volkswirtschaftli- die Gebäudesanierung auch wirtschaftlich darstell- chen Kosten erhöht und soziale Ungleichgewichte bar ist und sich finanziell lohnt. Wie für jedes andere verschärft. Zusätzlich werden nachfolgende Genera- Unternehmen müssen Wohnungsunternehmen die tionen übermäßig belastet und zukünftig in ihren Gewinnerwartung ihrer Anleger und Anlegerinnen Grundrechten eingeschränkt. erfüllen und haben dementsprechende Anforderun- gen an ihre Investitionen. Auch kann die Vollsanie- rung des Gebäudebestands nicht darauf basieren, 7
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte dass private Vermietende auf ihre Rendite verzich- ten. Hier muss gelten, was im Stromsektor schon längst etabliert ist, dass nämlich diejenigen, die in neue Technologien investieren, damit auch eine auskömmliche Rendite erwirtschaften dürfen. Dar- über hinaus wäre die Konsequenz einer Klima- schutzpolitik, die das Problem allein mit Verpflich- tungen und Zwang lösen will, wohl, dass zahlreiche Mietwohnungen in Privateigentum umgewandelt werden, sobald sich die Vermietung durch die anfal- lenden Kosten nicht mehr rentiert. Zuletzt muss eine erfolgreiche Gebäudepolitik, die eine soziale Wärmewende zum Ziel hat, sicherstel- len, dass Fehlanreize und Hindernisse ökonomischer und regulatorischer Art aufgelöst werden, damit die Transformation so reibungslos wie möglich verlau- fen kann. Denn für jede Tonne CO2, die nicht einge- spart wird, obwohl sie günstig zu haben wäre, muss eine teurere Option gezogen werden (Ifeu et al., 2018). Durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) wird diese zusätzliche Kostenbelastung breit über die gesamte Bevölkerung gestreut, was das Risiko mit sich bringt, die niedrigeren Einkommens- gruppen besonders zu belasten. 8
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Eckpunkt 1: erforderlichen Ersatzes lediglich eine alte durch eine Die soziale Wärmewende braucht einen neue mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizung ausgewogenen Instrumentenmix ausgetauscht wird. Diese werden dann aber in spä- teren Zeiten, wenn eine freie Preisbildung am Markt Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) stattfindet, Zertifikate binden, oder müssen durch hat die Bundesregierung einen generellen Rahmen Preisspitzen aus dem Markt gedrängt werden. etabliert, der bei konsequenter Umsetzung garantie- ren kann, dass der Gebäudesektor bis spätestens Weiterhin wirkt eine CO2-Bepreisung am besten auf 2045 klimaneutral wird. In diesem Fall wird der möglichst kompletten Märkten. Der Wärmemarkt Zertifikatepreis immer so weit in die Höhe schießen, besteht aber aus zwei recht verschiedenen Markt- bis ein Akteur die notwendige CO2-Minderung er- segmenten: dem dezentralen Heizungsmarkt und bringt. Gleiches gilt für eine potenzielle Erweiterung den zentralisierten Wärmenetzen. Ein dekarboni- des EU-ETS, die den Gebäudesektor miteinschließt. sierter Gebäudesektor wird auf zentrale sowie dezentrale Technologien setzen müssen, um das Auch wenn im BEHG einige Anpassungen – gerade Ziel-niveau zu erreichen. Wenn die Dekarbonisie- im Hinblick auf das ambitioniertere Ziel von minus rung allerdings nur über den CO2-Preis gesteuert 65 Prozent im Jahr 2030 – notwendig sein werden, wird, droht die netzgebundene Wärme weniger aus- hat die Situation im Wärmesektor mit der Einfüh- gebaut zu werden als es volkswirtschaftlich opti- rung des Zertifikatehandels eine neue Qualität: miert geboten wäre. Denn ein Eigentümer kann sich Anstelle der Frage, ob Klimaneutralität im Gebäude- zwar individuell für eine Wärmepumpe oder eine sektor erreicht werden wird, tritt die Frage, wie dies Biomasseheizung entscheiden. Er hat aber keinen geschehen soll, ohne die eigene Bevölkerung über- Einfluss auf die Planung eines Wärmenetzes, selbst mäßig zu belasten. Denn eine Dekarbonisierung mit wenn diese Lösung in dem relevanten Gebiet die der Brechstange CO2-Preis allein, ohne weitere flan- kostengünstigste Option wäre. Der Ausbau der Wär- kierende Maßnahmen, wird gerade im Gebäudebe- menetze ist einer der Blöcke mit dem größten Ver- reich zu massiven finanziellen Zusatzbelastungen meidungspotenzial im unteren Kostensegment des der Bevölkerung führen. Denn im Wärmemarkt Gebäudesektors (mit etwa 40 Euro/t CO2, Abbildung existieren vielfältige nicht monetäre Hemmnisse, die 3) (BCG und Prognos, 2018). Dementsprechend groß den Preis massiv nach oben treiben, wenn sie nicht ist auch die Rolle der Wärmenetze, wenn es um individuell in den Blick genommen werden. Klimaneutralität im Gebäudesektor geht. Eine kos- tenoptimierende Transformation führt dazu, dass Das beginnt damit, dass gerade private Gebäude- 26 Prozent der Haushalte und 33 Prozent der Gewer- und Wohnungseigentümer:innen oft keine umfas- beflächen durch Wärmenetze beheizt werden (Agora sende Kenntnis darüber haben (können), welche Im- Energiewende, 2021a). plikationen die Entscheidung für eine energetische Modernisierung und der Einbau einer bestimmten Ähnliche Ineffizienzen existieren auf dem Miet- Heizungstechnologie im Kontext der Klimaziele, und markt: Die geltende Regelung besagt, dass die Heiz- daher den mit der Entscheidung verbundenen Folge- kosten beim Mieter oder der Mieterin verbleiben. kosten, haben können. Gerade in Zeiten, in denen der Diese können Emissionen allerdings nur reduzieren, Ausstoß von CO2 nur gering bepreist wird – wie in aber nicht komplett vermeiden, ohne auf das Heizen der Periode bis 2025, in der ein Preispfad im BEHG zu verzichten. Vermieter:innen, wiederum haben festgeschrieben ist – kann es vorkommen, dass durch die CO2-Kosten keinen höheren Anreiz, auf Eigentümer:innen weiterhin CO2-intensive Heizun- eine klimaneutrale Wärmeversorgung umzustellen, gen einbauen, weil unter Druck im Augenblick des da diese auf ihre Einkünfte aktuell keinen direkten 9
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Einfluss hat (Agora Energiewende und Universität Infrastrukturmaßnahmen, die nicht einfach von Ge- Kassel, 2020). Ergo werden Mieter:innen zusätzlich bäudeeigentümern vorgenommen werden können. belastet, ohne dass sie adäquate Maßnahmen an der Im ersteren Fall können Mindestanforderungen für Hand hätten, um durch CO2-Reduktion darauf rea- die ineffizientesten Gebäude ohne Zusatzbelastun- gieren zu können. Denn der Hebel der Mietenden, gen Abhilfe schaffen, denn die Maßnahmen rechnen weniger zu heizen, ist vergleichbar gering und kann sich bereits. Der zweite Fall verdeutlicht die Rele- niemals zu CO2-Neutralität auf dem Mietmarkt füh- vanz von übergeordneter Planung. Eine ver- ren, da der Verbrauch natürlich nicht auf null pflichtende kommunale Wärmeplanung kann über- gesenkt werden kann. greifende Aspekte berücksichtigen, die über die einzelnen Objekte hinaus gehen, und so – im Sinne Klar ist, ambitionierte Klimaschutzziele im Gebäu- einer Gesamtsteuerung – eine Transformation vo- desektor müssen weiter vorangetrieben werden – es rantreiben, die das Zielbild im Blick behält und Fehl- geht jetzt ausschließlich um das „Wie“: Um zügig auf allokationen vermeidet. Zielpfad einzuschwenken, muss die Politik jetzt da- für sorgen, dass zusätzlich zur Notwendigkeit eines Ein Transformationspfad, der auf einen ambitionier- bis 2025 steigenden CO2-Preises die erforderlichen ten Ausbau von Wärmepumpen in Kombination mit Kurskorrekturen möglichst reibungsfrei erreicht einer angemessenen Gebäudeeffizienz setzt, ist werden. Dies bedeutet in erster Linie Hemmnisse volkswirtschaftlich am vorteilhaftesten (Ifeu et al., und Ineffizienzen abzubauen, die durch die Struktur 2018). Die Vermeidungskosten, die mit dem Einbau des Gebäudesektors bestehen. Denn verschwendete einer Wärmepumpe und der Verbesserung der Ge- Einsparpotenziale belasten direkt die Allgemeinheit, bäudedämmung assoziiert sind, vergegenwärtigen da sich die CO2-Vermeidung dann in höhere Preis- allerdings, dass diese aktuell noch nicht betriebs- segmente verlagert mit der Folge sozialer Härten. wirtschaftlich darstellbar sind, auch nicht unter An- nahme der CO2-Preise, die in den nächsten Jahren zu Unsere 10 Eckpunkte für einen Gebäudekonsens bil- erwarten sind. Dies gilt insbesondere in Zeiten sin- den den Rahmen für einen konkreten Maßnahmen- kender Gaspreise. Das liegt darin begründet, dass die katalog, der die gesamte Vermeidungskostenkurve Preise für Zertifikate noch auf absehbare Zeit unter adressiert (Abbildung 3), um zukünftig die Ziele so- den realen Schadenskosten liegen werden (Agora zialverträglich zu erreichen. Die soziale Wärme- Energiewende, 2020; Ifeu et al., 2018). Die Politik wende braucht einen ausgewogenen Instrumenten- muss zukünftig konsequent das gesellschaftliche mix, es gibt keine Silver Bullet. Die marktnahen Interesse in den Blick nehmen und die Wirtschaft- Potenziale können durch die CO2-Bepreisung geho- lichkeit der Maßnahmen an den Schadenskosten von ben werden, wenn die Akteure durch entsprechende 195 Euro/t CO2 orientieren. Preiselastizitäten empfänglich hierfür sind. Hier be- steht die Aufgabe der Politik darin, die Ineffizienzen aufzulösen, die beispielsweise durch das Vermieter- a. Was wir jetzt tun müssen Mieter-Dilemma entstehen, damit die vorhandenen wirtschaftlichen Potenziale genutzt werden können. → Die politischen Rahmenbedingungen werden auf das Ziel Klimaneutralität 2045 ausgerichtet. In den Bereich der wirtschaftlichen Potenziale, die Ein verlässliches Zielbild und ein hierzu passen- noch nicht ausgeschöpft wurden, fallen zum einen der Instrumentenmix sind die Voraussetzung für Maßnahmen, die trotz bestehender Wirtschaftlich- Planungssicherheit, zukunftsfähige Investitionen keit dennoch durch die Eigentümer:innen noch nicht und somit die soziale Wärmewende. umgesetzt wurden, aber auch langlebige 10
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte → Nicht monetäre Markthemmnisse und Ineffizi- Transformation durch eine attraktive, an Kli- enzen werden abgebaut und die Wirkung des maneutralität ausgerichtete Förderung voran. CO2-Preises wird gestärkt. Dies betrifft bei- spielsweise das Mieter-Vermieter-Dilemma, → Um den Schlüsseltechnologien für das Gelingen welches es aufzulösen gilt. einer sozialen Wärmewende zum Durchbruch zu verhelfen, müssen generell Kapazitäten geschaf- → Wo Märkte versagen, schafft eine intelligente fen und Kosten gesenkt werden. Ein Pakt für Planung Abhilfe. Der netzgebundenen Wärme- Zukunftshandwerk steigert Ausbildungsqualität versorgung wird durch eine verpflichtende Wär- des Handwerks und die Zahl der Handwerker. meplanung flächendeckend zum Durchbruch Durch technologische Lösungen, wie auch die in- verholfen. dustrielle Sanierung, werden Innovationspoten- ziale ausgeschöpft. → Die Kosten der Transformation werden gerecht und sozial ausgewogen verteilt, sodass jeder Ak- teur sie gut stemmen kann. Wo soziale Härten drohen, federt der Staat diese durch eine gezielte Unterstützung ab. Darüber hinaus treibt er die 11
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Eckpunkt 2: Die jährlich steigenden Fixpreise, von 25 Euro/t CO2 CO2-Preis stetig erhöhen und im Jahr 2021 bis auf 55 Euro/t CO2 im Jahr 2025, rei- Strompreise senken chen jedoch bei Weitem nicht aus, um diesen Effekt zu erbringen und Klimaneutralität 2045 zu errei- Eine starke CO2-Bepreisung muss ein Kernelement chen. Denn, anders als in Schweden, haben zum der Dekarbonisierungsstrategie im Gebäudesektor Beispiel Wärmepumpen gegenüber dezentralen Gas- sein. Die Wirksamkeit zeigt sich in Schweden, wie in kesseln in Deutschland noch keine Kostenparität Abbildung 4 zu sehen ist: In der Zeit seit 2000, in der erreicht (Thomaßen u. a., 2021). Dies liegt zum gro- die schwedische CO2-Steuer von 40 Euro/t CO2 auf ßen Teil auch daran, dass – anders als in anderen ihren aktuellen Satz angehoben wurde, hat sich die Ländern – der Ausbau Erneuerbarer Energien über Zahl der Haushalte versechsfacht, die mit einer die EEG-Umlage finanziert wird, die den Strom ver- Wärmepumpe beheizt werden (auf knapp 35 Prozent teuert, somit aber auch einen Wettbewerbsnachteil der Haushalte im Jahr 2015). In derselben Zeit san- für Wärmepumpen darstellt. ken die CO2-Emissionen um 95 Prozent (EU- Kommission, 2018). Da die Einnahmen des BEHG zur Senkung der EEG- Umlage vorgesehen sind, bietet sich hier die Mög- Durch den Emissionshandel hat die Bundesregie- lichkeit, zwei Markthemmnisse gleichzeitig zu ad- rung den generellen Rahmen etabliert, um durch am- ressieren und somit den Schlüsseltechnologien einer bitionierte CO2-Preise hohe Emissionsreduktionen sozialen Wärmewende zum Durchbruch zu verhel- zu erreichen und auf den Zielpfad einzuschwenken. fen: Durch die Erhöhung der CO2-Preise im BEHG 12
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte wird der CO2-Ausstoß im Gebäudesektor pönalisiert. Dies korrigiert die ökonomische Schieflage im Hin- blick auf die Wirtschaftlichkeit von Klimaschutz- technologien. Erfolgt die CO2-Preis-Rückerstattung gleichzeitig über den Strompreis und wird durch die erhöhten Einnahmen die EEG-Umlage abgesenkt, werden Schlüsseltechnologien, wie die Wärme- pumpe gleichzeitig attraktiver. Dies kommt auch generell allen Haushalten zugute, da sie über die reduzierten Stromkosten entlastet werden. Wichtig ist, den Handel mit Emissionszertifikaten behutsam freizugeben. Denn die aktuellen Erfahrun- gen mit dem Europäischen Emissionshandel zeigen, dass der Preis beispielsweise durch Spekulationen in die Höhe getrieben werden kann. Da praktisch jeder Bürger und jede Bürgerin von den Zertifikatepreisen direkt betroffen ist, ist besondere Vorsicht geboten, um zu verhindern, dass es zu sozialen Schieflagen kommt. Ein Hochschnellen des Preises, weit über die wirklichen Vermeidungskosten, könnte die Akzep- tanz der Bevölkerung gegenüber diesem Instrument drastisch reduzieren. a. Was wir jetzt tun müssen → Der Fixpreis im BEHG wird bis 2025 kontinuierlich auf 80 Euro/t CO2 gesteigert. → Im Jahr 2025 gilt ein Preiskorridor mit 80 Euro/t CO2 sowie ein Höchstpreis. Dieser Höchstpreis wird in den darauffolgenden Jahren jährlich erhöht, sodass der Spielraum für die freie Preisbildung schrittweise erweitert wird. → Durch die Einnahmen wird die EEG-Umlage auf null abgesenkt. Das reduziert die Stromkosten, ist sozial und verhilft Wärmepumpen auch in Deutschland zum endgültigen Durchbruch. 13
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Eckpunkt 3: 50 Jahre erneuert. Da wir innerhalb von knapp Intelligent Fordern: Ordnungsrechtliche 25 Jahren Klimaneutralität erreichen wollen, ist klar, Standards an Klimaneutralität 2045 dass jede Sanierung, die heute erfolgt, zielkonform ausrichten sein muss. Gerade mit Blick auf die Gebäudehülle ist somit jede vorgenommene Maßnahme, die unterhalb Heutige ordnungsrechtliche Verpflichtungen zur des Zielstandards bleibt, eine Fehlinvestition, denn Sanierung, insbesondere die „Nachrüstpflichten“ im sie muss vor Ablauf der Abschreibungszeit erneuert Gebäudeenergiegesetz, schreiben diejenigen Maß- werden. nahmen vor, die schon wirtschaftlich sind, aber den- noch nicht ausgeführt werden. Das Gebot der Klima- neutralität im Gebäudebestand verlangt aber eine a. Der Einbau von Gas- und Ölheizkesseln ist höhere Geschwindigkeit und Wirksamkeit von mit dem Ziel Klimaneutralität 2045 nicht Maßnahmen. Jede Gelegenheit zur energetischen vereinbar Verbesserung von Gebäuden sollte genutzt werden; zugleich müssen zusätzliche Anlässe zur Sanierung Das trifft ebenso auf den Einbau einer Heizung zu, geschaffen werden. die mit fossilen Brennstoffen betrieben wird. Das Einbauverbot von Ölheizkesseln ist ein erster Gerade im Gebäudesektor ist die Gefahr hoch, dass Schritt, der jedoch nicht ausreicht. Der Gasheiz- günstige Potenziale und „Möglichkeitsfenster“ für kessel muss folgen, wie auch die jüngsten Berech- eine Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung ver- nungen der Internationalen Energieagentur (IEA) schenkt werden. Mit fossilen Brennstoffen betrie- zeigen, die den Stopp fossil betriebener Heizungen bene Heizungen werden im Augenblick des Defektes weltweit ab dem Jahr 2025 für notwendig hält (IEA, oftmals lediglich durch eine neuere Anlage auf Basis 2021). desselben Energieträgers ersetzt, weil keine Vorbe- reitung auf eine Umstellung in Richtung Erneuer- Andere europäische Nachbarn sind hier bereits wei- bare Energien stattgefunden hat. Die neue Gebäu- ter: Dänemark hat schon seit 2016 ein weitgehendes deförderung innerhalb der Bundesförderung für Einbauverbot für Öl- und Gasheizkessel. In den effiziente Gebäude (BEG) und im Steuersystem sowie Niederlanden ist der Einbau in Neubauten verboten, die langfristig zu erwartenden Preispfade für fossile während der Ausstieg aus fossilem Gas in großem Brennstoffe zeichnen bereits ein Umlenken in eine Maßstab vorangetrieben wird (vgl. Eckpunkt 6). dekarbonisierte Wärmeversorgung vor. Dennoch: Österreich wiederum verbietet nicht nur den Neu- Eigentümer:innen könnten sich durch die derzeit einbau fossil betriebener Kessel ab 2022, sondern noch vorgesehene mäßige CO2-Preisentwicklung bis auch den generellen Weiterbetrieb von Ölheizkes- 2025 blenden lassen und Heizungen einbauen, die in seln ab dem Jahr 2035 und von Gasheizkesseln ab der Zeit danach extreme Mehrkosten verursachen. dem Jahr 2040 (Gaul, 2021). Dieses Umlenken muss daher durch weitere Maß- nahmen wirksam verstärkt werden. Das Ziel Klimaneutralität verlangt nun auch das glei- che Maß an Entschlossenheit von der deutschen Auf das Ziel Klimaneutralität ausgerichtete Stan- Politik, weswegen der Neueinbau von Gas- und Öl- dards sind somit sowohl im Interesse der Eigentümer heizkesseln ab dem Jahr 2024 weitgehend verboten als auch der Allgemeinheit. Eine Heizung, die in werden sollte. In den Fällen, in denen keine klima- Deutschland eingebaut wird, wird normalerweise freundliche Alternative zur Verfügung steht, wird erst nach über 20 Jahren wieder ausgetauscht. Die dies durch Ausnahmeregelungen ergänzt. Dämmung einer Hausfassade wird sogar erst alle 14
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte b. Fördern UND Fordern interpretiert wurde, wird somit neu gedacht. Dies ist die Grundvoraussetzung für die Festschreibung Prinzipiell muss sich die Wirtschaftlichkeit jeder ambitionierterer Standards und somit das Gelingen Maßnahme an den CO2-Schadenskosten von aktuell einer sozialen Wärmewende. 195 Euro/tCO2 bemessen, denn dies sind die Kosten, die die Volkswirtschaft schon heute zu tragen hat Darauf aufbauend wird der Einbau neuer mit fossi- (UBA, 2020). Da sich dies betriebswirtschaftlich len Brennstoffen betriebenen Kesseln zukunftsnah nicht unbedingt rechnet, ist es erforderlich, dass der unterbunden und die Fördermittel für entspre- Staat einspringt und die Mehrkosten durch eine chende, auf fossilen Brennstoffen beruhenden Tech- auskömmliche Förderung ausgleicht. Längerfristig nologien ausnahmslos gestrichen. Dies entlastet das sinkt der Förderbedarf, denn mit Blick auf die Ver- Emissionsbudget im BEHG und das Haushaltsbudget meidungskosten im BEHG (vgl. Abbildung 3) ist es des Staates. Im Neubau wird der Einbau von Öl- und durchaus realistisch, dass die Zertifikate Preise sich Gasheizkesseln ab 2024 verboten, denn hier gibt es langfristig an den Schadenskosten orientieren. schon heute Alternativen mit hohen Marktanteilen, die klimaneutral betrieben werden können. Für Ein- Als Grundvoraussetzung muss somit gelten, dass und Zweifamilienhäuser im Bestand gibt es mit der auch gefördert werden kann, was gefordert ist. Für Wärmepumpe ebenfalls eine Lösung, die technisch die erfolgreiche Bewältigung der Herausforderung, gut realisierbar ist. Das Gleiche gilt für Mehrfamili- die die Energiewende im Gebäudebestand darstellt, enhäuser in Gebieten, in denen Wärmenetze verfüg- ist es notwendig, dass der Staat auf der einen Seite bar sind. Für diese Bestandsgebäude wird ebenfalls ambitionierte Maßnahmen fordern darf, deren ein Einbaustopp für Öl- und Gasheizkessel ab 2024 Durchführung aber auch durch finanzielle Mittel er- erlassen. möglicht. Hierfür muss die Bundeshaushaltsordnung nicht einmal geändert werden. Denn wenn es um weiterführende Interessen geht, ist ein Fördern trotz c. Die Gebäudestandards auf Klimaneutralität Verpflichtung möglich. Dies trifft beispielsweise 2045 ausrichten dann zu, wenn das Interesse besteht, dass Maßnah- men die Verpflichteten wirtschaftlich weniger be- Um den Energieverbrauch der Gebäude zu reduzie- lasten sollen oder geringere/keine sozial problemati- ren, müssen ambitionierte, an Klimaneutralität aus- sche Folgelasten nach sich ziehen. gerichtete Standards für die Gebäudehülle und den Einsatz solarer Energie im Neubau festgeschrieben Damit wird das Prinzip der Wirtschaftlichkeit, wel- werden. Im Neubau wird ein Standard als Niedrigst- ches für die Festlegung eines Standards erforderlich energie-Gebäudestandard etabliert, der sich am ist, neu interpretiert: Wirtschaftlichkeit sollte zu- KfW-40-Standard orientiert. Für Bestandsgebäude künftig zunächst auf volkswirtschaftlicher Ebene werden die in der europäischen Renovation Wave und in Verbindung mit dem Klimaneutralitätsziel angekündigten Mindestenergiestandards (Minimum gedacht werden, um das gesellschaftliche Interesse Performance Standards – MEPS) umgesetzt, indem widerzuspiegeln. Durch die Aufstockung der För- die schlechtesten Gebäude innerhalb eines ange- dervolumen für die zielkonformen Standards ist an- messenen Zeitraums durch Maßnahmen an der schließend das Delta zur Betriebswirtschaftlichkeit Gebäudehülle und der Heizungsoptimierung „fit für auszugleichen. Erneuerbare“ gemacht werden müssen oder aus einer Liste an Modernisierungsmaßnahmen eine Das Prinzip Fördern und Fordern, welches im Ge- Mindestanzahl umgesetzt wird (ifeu, 2021; ifeu et al., bäudebereich bisher eher als Fördern oder Fordern 2021). Als Zielmarke wird Klimaneutralität auch für 15
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte den Gebäudebestand im Gebäudeenergiegesetz fest- können, die aktuell nicht von der betriebswirt- geschrieben. schaftlichen Seite abgedeckt sind. Die Förders- ätze werden so angepasst, dass sie die Differenz- Bei der Ausgestaltung von MEPS ist zu beachten: kosten abdecken. → Durch den Bezug auf die ineffizientesten Ge- → Als energetische Anforderung für Neubauten bäude werden besonders die Gebäude adressiert, wird ab 2024 das Niveau „Effizienzhaus 40“ fest- bei denen eine energetische Sanierung besonders geschrieben. Für wesentliche Umbauten von Be- wirtschaftlich ist. standsgebäuden werden erhöhte energetische → Durch eine kluge Ausgestaltung der Sanierungs- Anforderungen festgelegt; auszutauschende Bau- anforderungen und Flexibilisierungsoptionen, teile sollen dem Zielniveau des Effizienzhauses beispielsweise eine Ersatzabgabe und Härtefall- 70 entsprechen. regelungen, sowie durch eine langfristige stufen- weise Ausgestaltung bestehen unterschiedliche → Der Einbau von Öl- und Gasheizkesseln wird ab Wege, die MEPS einzuhalten. Dazu sind vor allem 2024 im Neubau verboten. Dies gilt auch für den die entsprechenden Triggerpunkte zu nutzen, Bestand, wenn Wärmenetze oder andere klima- etwa der Eigentumsübergang von Gebäuden freundliche Alternativen vorhanden sind. Die durch Verkauf und Vererbung oder der Ersatz Förderung für mit fossilen Brennstoffen betrie- eines Kessels mit fossilen Brennstoffen. Auf die- benen Heizungen wird sofort ausgesetzt. In Son- sen Zeitpunkt müssen sie vorbereitet werden derfällen werden Ausnahmen zugelassen. („EE Fitness“) (ifeu 2021). → Da sich die Einstufung von Gebäuden insbeson- → Für die schlechtesten Bestandsgebäude, bei de- dere am Energieausweis messen wird, ist dieser nen die Sanierung besonders wirtschaftlich ist, rechtssicher weiterzuentwickeln. Für den Voll- werden die in der Renovation Wave angekündig- zug der MEPS müssen die Energieausweise der ten Mindestenergiestandards umgesetzt, durch Gebäude in einer Datenbank hinterlegt sein. Flexibilitätsoptionen ergänzt und sozialpolitisch → Die entstehenden Sanierungskosten müssen för- abgefedert. derfähig sein und mit anderen Instrumenten so- zialpolitisch abgefedert werden, um Auswirkun- gen auf den Mietmarkt abzudämpfen. d. Was wir jetzt tun müssen → Das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Standards im Gebäudeenergiegesetz wird gesellschaftlich kon- zipiert und am Klimaneutralitätsziel sowie an den realen Schadenskosten von 195 Euro/t CO2 ausgerichtet. → Damit diese Anforderungen von Gebäudebesit- zenden umgesetzt werden können, wird das Prinzip Fördern UND Fordern etabliert, sodass auch ambitioniertere Standards gefordert werden 16
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Eckpunkt 4: ausdrücklich Teil der Förderkulisse sein, um die zu- Umfassend Fördern: Förderprogramme sätzlichen Kosten aufzufangen und die betriebswirt- mit 12 Milliarden Euro p. a. ausstatten schaftlichen Vollkosten der Wärmebereitstellung und Erfüllung des Ordnungsrechts abzudecken. Dies beinhaltet sowohl die Erhöhung bezuschussen der Standards im Bestand sowie im Neubau als auch die Sanierungsmaßnahmen, die durch die Einfüh- Für einen klimaneutralen Gebäudesektor sind drei rung von MEPS notwendig werden. Strategien zentral: (1) energetische Sanierung, (2) Wärmepumpen massiv steigern und (3) grüne Fern- Die Kosten für den Klimaschutz sind die Gleichen, beziehungsweise Nahwärme in Innenstädten. Wäh- egal welcher Akteur sie zu tragen hat. Insofern hat rend der Endenergiebedarf um ein Drittel sinken die Art und Weise der Kostenverteilung und Höhe muss, werden 100 Prozent der Wärme klimaneutral der Förderung einen großen Einfluss darauf, wie ge- bereitgestellt. Dafür ist neben ambitionierten, an Kli- recht und sozialverträglich die Transformation des maneutralität ausgerichteten Gebäudestandards der Gebäudesektors vollzogen wird. Ist das Fördervolu- Einbau von sechs Millionen Wärmepumpen bis men zu gering und wird das Delta zur Wirtschaft- 2030 erforderlich. Der Anteil der Haushalte, die an lichkeit nicht geschlossen, ist es denkbar, dass die Fernwärme angeschlossen sind, muss in diesem Mieter:innen übermäßig belastet werden, wenn Zeitraum um 50 Prozent gesteigert werden. Wäh- Vermieter:innen die Kosten an sie weiterreichen. Ist renddessen müssen die Fernwärmenetze dekarboni- dies andererseits gesetzlich unterbunden, drohen siert werden (Agora Energiewende, 2020). An den andere negative Folgewirkungen, wie ein erhöhtes Kosten müssen alle betroffenen Gruppen gerecht und Maß an Umwandlungen von Mietwohnungen in sozialverträglich beteiligt werden. Eigentumswohnungen oder schlicht Stillstand, weil keine auskömmlichen Renditen erwirtschaftet wer- Es gibt drei Parteien, zwischen denen die Kosten für den können. Selbst wenn rechtliche Verpflichtungen den Klimaschutz im Gebäudesektor aufgeteilt wer- existieren, droht ein Kontrolldefizit, da der Staat mit den müssen: Die Gebäudebesitzer:innen, die Bewoh- der Überprüfung bei knapp 20 Millionen Häusern ner:innen (die identisch mit den Besitzer:innen sein überfordert sein dürfte. Insofern ist eine angemes- können) sowie der Staat (ifeu, 2019). Während die sene Beteiligung des Staates elementar, um die Verantwortung der ersten beiden Akteure unmittel- Akzeptanz der Maßnahmen zu sichern. Außerdem bar einleuchtend ist, da sie die Gebäude bewirt- senkt er mit zusätzlichen Maßnahmen die Emissio- schaften und/oder bewohnen, leitet sich die Verant- nen im BEHG und somit auch den Zertifikatepreis, wortung des Staates aus dem gesamtgesellschaft- da weniger Emissionsminderungen direkt über die lichen Interesse am Klimaschutz ab. CO2-Bepreisung erbracht werden müssen. Praktisch bedeutet dies, dass der Staat die Differenz zwischen betriebs- und volkswirtschaftlichem a. Was wir jetzt tun müssen Optimum durch Förderung schließen muss. Auch beinhaltet dies, dass eine Erhöhung des Ambitions- → Das Prinzip Fördern UND Fordern wird etabliert niveaus, wie sie im letzten Jahr auf deutscher wie und die Fördersätze werden so angepasst, dass auch europäischer Ebene erfolgt ist, mit einer Aus- sie das Delta zur Wirtschaftlichkeit überbrücken. weitung der Fördermittel einhergehen muss. Auch die Einhaltung von ausgeweiteten ordnungsrechtli- → Für die Förderung von klimaneutralem Neubau chen Verpflichtungen, die über das hinausgeht, was und Gebäudesanierung wird das Fördervolumen ohnehin schon wirtschaftlich ist, muss zukünftig der bereits deutlich weiterentwickelten BEG im 17
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Bundeshaushalt verstetigt und auf 12 Milliar- den erhöht. Die Einhaltung der gesetzlichen An- forderungen ist zukünftig ausdrücklich Teil der Förderkulisse. → Dabei werden die Fördersätze für die Gebäude- hülle von 20 auf 30 Prozent gesteigert und eine differenzierte Förderung wird implementiert, die – abhängig vom Mietniveau, vom Anteil einkom- mensschwacher Haushalte oder anderer, beispielsweise von der Kommune definierter Indikatoren – eine zusätzliche Förderung für Gebäude in „schwierigen Lagen“ ermöglicht. → „Flaschenhälse“ werden spezifisch adressiert, zum Beispiel durch mehr Personal bei den Bewilligungsbehörden. → Die Biomasseförderung wird zurückgefahren. Denn das Potenzial an nachhaltiger Biomasse ist begrenzt und wird perspektivisch in anderen Sektoren, wie der Industrie, benötigt. 18
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Eckpunkt 5: zumindest die Betriebskosten der Wohnung Vermieter-Mieter-Dilemma durch verringern. Einführung von Warmmieten auflösen Eine sozialverträgliche Wärmewende im Gebäude- Mehr als 40 Prozent der Deutschen wohnen zur sektor muss deswegen die Mieter:innen vor finanzi- Miete. Um den Klimaschutz im Mietmarkt voranzu- eller Überforderung schützen und gleichzeitig bei treiben, müssen die Anreize bei den Vermieter:innen den Vermieter:innen effiziente Anreize setzen, im ansetzen, da diese die Investitionsentscheidungen in besten Fall wie bei selbstnutzenden Eigentümer:in- neue Heizungen oder Gebäudeeffizienz treffen. nen. Denn diese sind weitestgehend empfänglich für Preissignale durch eine CO2-Bepreisung, da sie für Auf dem Mietmarkt ist in den letzten Jahren eine die Heizkosten selbst aufkommen. Nach diesem Situation entstanden, die den Eindruck erweckt hat, Ansatz lässt sich das Mieter-Vermieter-Dilemma dass Klimaschutz zwangsläufig auf Kosten des sozi- auflösen. alen Friedens ginge. Dies geht darauf zurück, dass die Modernisierungsumlage aktuell der wichtigste Dies kann dadurch erreicht werden, dass Wohnraum Refinanzierungsmechanismus für energetische zukünftig warm vermietet wird, sprich die Heizkos- Sanierungen auf dem Mietmarkt ist. Dieses Instru- ten in den Mieten mitenthalten sind. In diesem Fall ment erlaubt Vermieter:innen, die Miete innerhalb haben Vermieter:innen den Anreiz, ihre Heiz- und eines bestimmten Rahmens zu erhöhen, wenn sie CO2-Kosten zu reduzieren, denn die Miete wird im eine Modernisierung vornehmen. In diesem Fall Falle einer Sanierung nicht angepasst. Jede Kosten- führen energetische Sanierungen zu einer Mehrbe- reduktion generiert so monatlich ein zusätzliches lastung der Mieter:innen, weswegen hier tatsächlich Einkommen, welches zur Refinanzierung der Maß- von einem gewissen Gegensatz zwischen Mieter- nahme genutzt werden kann. Je höher die CO2- schutz und Klimaschutz gesprochen werden kann. Preise steigen, desto mehr Maßnahmen werden Dieser Gegensatz entsteht allerdings nur aus der wirtschaftlich. Auf diese Weise kann sich auch auf aktuellen Regulierung heraus. Kontrovers ist darüber dem Mietmarkt eine neue Dynamik durch das BEHG hinaus, dass die Mietaufschläge sich nicht danach entfalten. richten, ob die energetische Qualität der Wohnung verbessert wurde, sondern sich rein aus der Höhe der Investition ergeben, beziehungsweise aus der a. Ausgestaltungsoptionen eines Warmmieten- gesetzlich vorgeschriebenen Kappungsgrenze. modells Die CO2-Bepreisung durch den Zertifikatehandel Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, Warmmieten droht folglich eine bereits angespannte Situation zu implementieren: weiter zu verschärfen, denn nach der aktuellen Gesetzeslage belasten die CO2-Kosten zunächst ein- → pauschale Warmmieten mal nur die Mieter:innen. Damit werden die Neben- → Warmmieten mit Temperaturfeedback kosten für diese erhöht, was gerade in städtischen Gebieten mit hohen Kaltmieten und Wohnungs- Beide Ansätze können nebeneinander ermöglicht knappheit zu bedenklichen Zusatzbelastungen für werden, sodass man Vermieter:innen die Entschei- die niedrigeren Einkommensgruppen führen kann. dung für den einen oder den anderen Ansatz über- Dadurch, dass die Mieterhöhung nicht an eine lässt. Dies entspricht dem Stand der Dinge auf dem Heizkosteneinsparung gebunden ist, haben die schwedischen Mietmarkt. Mieter:innen nicht einmal die Garantie, dass sich 19
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Pauschale Warmmieten bedeuten, dass es einen Warmmietensystem profitieren in erster Linie die festgesetzten Betrag gibt, den der Mieter oder die Vermieter:innen durch die Maßnahmen. Auf diese Mieterin monatlich überweist, und der die Heizkos- Weise lässt sich das soziale Dilemma auflösen, durch ten miteinschließt. Diese Variante der Warmmieten das die Mieter:innen sowohl von steigenden CO2- ist einfach umzusetzen und ist in Schweden die vor- Preisen als auch von Sanierungsmaßnahmen finan- herrschende Art zu mieten. Sie setzt allerdings ziell belastet werden. voraus, dass die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) angepasst wird (Agora Energiewende, 2021b), denn diese fordert aktuell eine verbrauchsbasierte Ab- b. Verteilung der CO2-Kosten in rechnung, die die Grundlage der Heizkostenabrech- Mietverhältnissen nung bilden muss (Becker Büttner Held, 2020). Dar- über hinaus schmälern pauschale Warmmieten den Der Mechanismus der Warmmieten muss immer im Anreiz der Mieter:innen, sparsam mit Heizenergie Kontext der CO2-Bepreisung gesehen werden. Allein umzugehen. Damit können sie zu einem gewissen werden Warmmieten keine großen Sanierungsim- Rebound-Effekt führen, indem Mieter:innen auf ihr pulse auslösen, da klimaneutrale Alternativen aktuell Komfortniveau heizen (Agora Energiewende und oft nicht wirtschaftlich sind. In Kombination mit der Universität Kassel, 2020). Wie das Beispiel Schwe- CO2-Bepreisung ergibt sich hingegen ein wirksamer den zeigt, scheint dieser Rebound-Effekt ambitio- Hebel, der die Kosten von mit fossilen Brennstoffen nierten Klimaschutzbemühungen allerdings nicht betriebenen Heizungen und klimaneutraler Techno- substanziell im Wege zu stehen (vgl. Eckpunkt 2). logien nach und nach angleicht. Alternativ können Warmmieten mit Temperatur- Es ist weiterhin relevant, wer die Kosten für die CO2- feedback eingeführt werden, die sich dadurch aus- Zertifikate trägt. Die Bundesregierung hat zuletzt zeichnen, dass sie gleichzeitig den Klimaschutzan- eine 50/50-Aufteilung der CO2-Kosten zwischen reiz für die Mieter:innen erhalten: Anstatt einer Mieter:innen und Vermieter:innen beschlossen Pauschalmiete zahlen sie für eine bestimmte Tempe- (BReg, 2021). Für die Profitabilität von Sanierungen ratur in der Wohnung und haben somit den Anreiz, ist tatsächlich eher nebensächlich, ob die Warmmie- wenig zu verbrauchen, während Vermieter:innen tensätze bei steigenden CO2-Preisen angepasst wer- dafür belohnt werden, wenn sie die gewünschte den dürfen oder nicht. Denn die Marge, die sich mit Temperatur möglichst klimafreundlich und mit we- einer Sanierung erzielen lässt, ist dieselbe, egal ob die nig Energieverbrauch zur Verfügung stellen können. Mieter:innen oder die Vermieter:innen die CO2- Dieses Modell wird ebenfalls in Schweden von eini- Kosten zahlen. Dennoch setzen unterschiedliche gen Wohnungsunternehmen angewandt (Boverket, Ausgestaltungen verschiedene Anreize: 2015). Eine Implementierung im geltenden deut- schen Rechtsrahmen ist prinzipiell möglich (Becker Gesetzt den Fall, dass die Mieten nicht angepasst Büttner Held, 2020). Dennoch sollte die EED ent- werden dürfen, wird das Einkommen der Vermie- sprechend geändert werden, damit die Tempera- ter:innen durch die steigende CO2-Bepreisung turerfassung vereinfacht über Thermostate erfolgen schrittweise geschmälert. Sobald sie ihre Heizkosten kann (Agora Energiewende, 2021b). durch eine Maßnahme reduzieren können, steigt die Marge, die mit der Miete erzielt wird, sprunghaft. Im Zuge einer Implementierung müsste selbstver- Falls von nun an beim Heizen kein CO2 mehr ausge- ständlich die Modernisierungsumlage so angepasst stoßen wird, bleibt in der Zukunft die Marge kon- werden, dass diese für energetische Sanierungen stant (ceteris paribus). keine Anwendung mehr finden kann. Denn in einem 20
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte Sollte es erlaubt sein, die Mieten so anzupassen, dass Besitzer:innen von Häusern der Energieklassen G Vermieter:innen für die kompletten CO2-Kosten und H hingegen sollen die vollen CO2-Kosten tragen. kompensiert werden, so würden die CO2-Preise nur Für die dazwischenliegenden Energieklassen teilen die Mieter:innen belasten, so wie es aktuell noch der sich Vermieter:innen und Mieter:innen die Kosten Fall ist. Für Vermieter:innen erhöhte sich die erziel- in unterschiedlichen Verhältnissen (dena, 2021). In bare Marge mit steigenden CO2-Preisen und ist in eine ähnliche Stoßrichtung geht der Vorschlag des beiden Fällen dieselbe. Da Vermieter:innen aller- Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immo- dings nicht negativ von der CO2-Bepreisung beein- bilienunternehmen (GdW), nach dem Mieter:innen, flusst werden, haben sie aktuell keinen dringenden die in einem Haus der Energieklassen C und besser Grund zu sanieren, denn ihr Einkommen bleibt kon- wohnen, 100 Prozent der CO2-Kosten übernehmen stant. Vielmehr könnte sich sogar der Anreiz erge- sollten. In schlechter sanierten Gebäuden würde ben, auf höhere CO2-Preise zu warten. Da die Miete hingegen maximal eine 50/50-Aufteilung infrage mit den CO2-Preisen ansteigen würde, wäre auch kommen (GdW, 2021). der monatliche Gewinn bei hohen CO2-Preisen am höchsten. Die Profitabilität von Sanierungen bleibt Beide Vorschläge hätten den Effekt, dass ein Haus- somit zwar die gleiche, allerdings könnte eine Rege- besitzer oder eine Hausbesitzerin, dessen Gebäude lung, die die CO2-Kosten bei den Mieter:innen be- einen hohen Dämmstandard erreicht, keinerlei An- lässt, dafür sorgen, dass Vermieter:innen Sanierun- reiz hätte, die restlichen Emissionen auf null zu sen- gen herauszögern, um die Miete zu erhöhen. ken. Mieter:innen hingegen müssten immer noch für die CO2-Emissionen durch das Heizen aufkommen, ohne dass sie darauf adäquat reagieren können. Eine c. Wie betten sich Warmmieten in die CO2-Bepreisung hat allerdings als vorrangiges Ziel deutsche Diskussion um Klimaschutz die Reduktion des CO2-Ausstoßes, welcher durch im Mietmarkt ein? den Heiztechnologiewechsel mit einem Schlag auf null gesenkt werden kann. Dieser Anreiz muss auch Es werden bereits verschiedene Vorschläge disku- für Gebäudebesitzer:innen weiter gelten, die einen tiert, wie das Mietrecht in Deutschland neugeordnet hohen Dämmstandard erreichen. Denn selbst ein werden kann, sodass Vermieter:innen durch CO2- hochgradig gedämmtes Haus ist klimaschädlich, Preise einen Anreiz erhalten, ihre Gebäude zu sanie- wenn es mit einem Öl- oder Gaskessel beheizt wird. ren. Die Aufteilung der CO2-Kosten und die Ausge- staltung der Modernisierungsumlage müssen hier als Ein weiterer Vorschlag ist das Drittelmodell von kommunizierende Röhren gesehen werden. Sinkt die BUND, dem Deutschen Mieterbund und dem Deut- Anreizwirkung des einen Instruments, muss das an- schen Naturschutzring, welches vom ifeu Institut dere entsprechend angepasst werden, sodass die ausgestaltet und parametrisiert wurde (ifeu, 2019). notwendige Anreizwirkung erbracht wird. Dieses sieht vor, dass die Modernisierungsumlage auf 1,5 Prozent abgesenkt wird und Vermieter:innen Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) hat in fortan die deutlich zu erhöhenden Fördermittel be- diesem Kontext vorgeschlagen, dass sich die Umla- halten können. Diese mussten bisher in Form gerin- gefähigkeit der CO2-Kosten nach dem energetischen gerer Mieten an den Mieter oder die Mieterin wei- Zustand des Gebäudes richtet. In Mietsgebäuden, die tergereicht werden. Auf diese Weise würde sich eine in die Energieklasse B oder höher eingeordnet wer- De-facto-Modernisierungsumlage von 3 Prozent den, sollen die Mieter:innen komplett die CO2- ergeben (ifeu, 2019). Kosten tragen, da hier der Vermietende schon viel in die Qualität des Gebäudes investiert hat. 21
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