Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität - IMPULS 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen - Agora ...

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Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität - IMPULS 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen - Agora ...
Ein Gebäudekonsens
für Klimaneutralität
10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum
und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen

IMPULS
Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität - IMPULS 10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen - Agora ...
Ein Gebäudekonsens
für Klimaneutralität

IMPRESSUM
IMPULS                                              DANKSAGUNG

Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität             Für wertvolle Kommentare und die tatkräftige
                                                    Unterstützung bedanken möchten wir uns bei
10 Eckpunkte wie wir bezahlbaren Wohnraum           Dr. Matthias Deutsch, Shirin Langer und
und Klimaneutralität 2045 zusammen erreichen        Dr. Barbara Saerbeck (Agora Energiewende).

ERSTELLT VON

Agora Energiewende
Anna-Louisa-Karsch-Straße 2 | 10178 Berlin
T +49 (0)30 700 14 35-000                                          Unter diesem QR-Code steht
F +49 (0)30 700 14 35-129                                          diese Publikation als PDF zum
www.agora-energiewende.de                                          Download zur Verfügung.
info@agora-energiewende.de

PROJEKTLEITUNG

Alexandra Langenheld
alexandra.langenheld@agora-energiewende.de

AUTOREN

Georg Thomaßen, Alexandra Langenheld,
Dr. Patrick Graichen (Agora Energiewende)

Dr. Martin Pehnt, Uta Weiß, Mandy Werle
(ifeu - Institut für Energie- und Umweltforschung
Heidelberg)

                                                    Bitte zitieren als:
Satz: Agora Energiewende                            Agora Energiewende (2021): Ein ­Gebäude­konsens
Korrektorat: infotext                               für Klimaneutralität. 10 Eckpunkte wie wir bezahl­
Titelbild: © Sonja - stock.adobe.com                baren Wohnraum und Klimaneutralität 2045
                                                    zusammen erreichen.
217/08-I-2021/DE
Version: 1.0, Juni 2021                             www.agora-energiewende.de
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Liebe Leserin, lieber Leser,                            für eine soziale Wärmewende in Richtung Klima-
                                                        neutralität; einen Deal, auf den sich Wirtschaft,
der Handlungsdruck im Gebäudesektor ist gewaltig        Mieter:innen, Staat und Zivilgesellschaft verständi-
– und die Politik hat jahrelang weggeschaut.            gen können.

Trotz Corona hat der Gebäudesektor 2020 als einzi-      Wir haben uns daher gefragt, wie ein bedachter
ger Sektor sein Klimaziel nicht erfüllt. Hinzu kommt    Konsens aussehen könnte, der Kosten und Nutzen
nun das neue, ambitionierte 2030-Klimaziel von          über alle betroffenen Gruppen ausgeglichen verteilt.
65 Prozent Treibhausgasminderung. Das Ziel der          Mit unseren 10 Eckpunkten für einen Gebäudekon-
Klimaneutralität 2045 verlangt einen tiefgreifenden     sens legen wir ein konkretes Maßnahmenpaket vor,
Infrastruktur- und Technologiewandel. Gleichzeitig      um sicherzustellen, dass sowohl bezahlbarer, ener-
erschwert es die angespannte Lage in vielen städti-     getisch sanierter Wohnraum für alle Einkommens-
schen Mietmärkten, den Klimaschutz ambitioniert         gruppen bereitgestellt als auch spätestens 2045
voranzutreiben.                                         Klimaneutralität erreicht wird.

Die von der Bundesregierung zu Beginn der Legisla-      Ich wünsche eine angenehme Lektüre!
tur angekündigte Gebäudekommission ist nicht
zustande gekommen – ein schweres politisches            Dr. Patrick Graichen
Versagen. Klar ist: Es braucht zügig einen Fahrplan     Direktor Agora Energiewende

10 Eckpunkte für einen klimaneutralen Gebäudekonsens:

                                                                                                           3
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Inhalt
Zehn Eckpunkte für einen klimaneutralen Gebäudekonsens:                                   3

Warum ein gesellschaftlicher Konsens über einen klimaneutralen Gebäudebestand
notwendig ist                                                                            6

Eckpunkt 1: Die soziale Wärmewende braucht einen ausgewogenen Instrumentenmix            9
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                       10

Eckpunkt 2: CO2-Preis stetig erhöhen und Strompreise senken                              12
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                       13

Eckpunkt 3: Intelligent Fordern: Ordnungsrechtliche Standards an Klimaneutralität 2045
ausrichten                                                                               14
     a.   Der Einbau von Gas- und Ölheizkesseln ist mit dem Ziel Klimaneutralität
          2045 nicht vereinbar                                                           14
     b.   Fördern UND Fordern                                                            15
     c.   Die Gebäudestandards auf Klimaneutralität 2045 ausrichten                      15
     d.   Was wir jetzt tun müssen                                                       16

Eckpunkt 4: Umfassend Fördern: Förderprogramme mit 12 Milliarden Euro p. a. aus-
statten und Erfüllung des Ordnungsrechts bezuschussen                                    17
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                       17

Eckpunkt 5: Vermieter-Mieter-Dilemma durch Einführung von Warmmieten auflösen            19
     a.   Ausgestaltungsoptionen eines Warmmietenmodells                                 19
     b.   Verteilung der CO2-Kosten in Mietverhältnissen                                 20
     c.   Wie betten sich Warmmieten in die deutsche Diskussion um Klimaschutz im
          Mietmarkt ein?                                                                 21
     d.   Was wir jetzt tun müssen                                                       22

                                                                                          4
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Eckpunkt 6: Verbindliche kommunale Wärmeplanung flächendeckend umsetzen               24
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                    26

Eckpunkt 7: Grüne Fern- und Nahwärme ausbauen und klimaneutral ausgestalten           27
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                    27

Eckpunkt 8: Wärmekunden vor den Kosten der Wasserstoff-Markteinführung schützen       29
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                    30

Eckpunkt 9: Solar auf die Dächer: Prosumer- und Mieterstrom-Regelungen vereinfachen   31
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                    32

Eckpunkt 10: Der Booster für Sanierung: Durch serielle Sanierung und einen Pakt für
Zukunftshandwerk Kosten senken und Kapazitäten erhöhen                                33
     a.   Was wir jetzt tun müssen                                                    33

Fazit                                                                                 36

Referenzen                                                                            38

                                                                                       5
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Warum ein gesellschaftlicher Konsens                    muss endlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
über einen klimaneutralen Gebäude-                      begriffen werden. Umso länger wir warten, desto
bestand notwendig ist                                   größer das Risiko sozialer Verwerfungen und höhe-
                                                        rer Kosten.
Der Handlungsdruck im Gebäudesektor ist gewaltig
– sowohl im Hinblick auf sein Klimaschutzpotenzial      Die für die vergangene Legislatur ursprünglich ver-
als auch hinsichtlich der vielerorts angespannten       einbarte Gebäudekommission hatte zur Aufgabe, ein
Mietmärkte: Klimaneutralität bis spätestens zum         Maßnahmenbündel zur Erreichung der Klimaziele
Jahr 2045 bedeutet für die verbleibenden knapp          im Gebäudesektor zu erarbeiten und einen Ausgleich
25 Jahre im Kern nichts weniger als ein tiefgreifen-    der verschiedenen Interessen, vor allem zwischen
der Infrastruktur- und Technologiewandel (Agora         Vermietenden und Mietenden, herbeizuführen so-
Energiewende, 2021a). Die Generationengerechtig-        wie die Aufgabe des Staates im Kontext Klimaziel-
keit verlangt außerdem, dass schon heute ambitio-       erfüllung genauer zu definieren. Bedauerlicherweise
nierte Reduktionen erzielt werden, und die Verant-      wurde diese Kommission abgesagt, sodass die ver-
wortung nicht auf die kommenden Generationen            gangenen vier Jahre von Stillstand geprägt waren.
abgewälzt wird.                                         Den Akteuren fehlt bis heute die notwendige
                                                        Planungssicherheit für große und zukunftsfähige
Diese Herausforderung kann nur gelingen, wenn wir       Investitionen. Ebenso wenig wurde das Thema
Kosten und Nutzen über alle betroffenen Gruppen         Bereitstellung von bezahlbarem, energetisch sanier-
ausgeglichen verteilen und insbesondere das Mie-        ten Wohnraum für alle Einkommensgruppen ange-
ter-Vermieter-Dilemma auflösen – Klimaschutz            gangen.

                                                                                                         6
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Damit in der nächsten Legislaturperiode endlich          Gleichzeitig ist auch die Akteurslandschaft im Ge-
-Bewegung in den Gebäudesektor kommt, braucht es         bäudebereich deutlich heterogener als in den ande-
zügig einen Fahrplan für eine sozial- und klimaver-      ren Sektoren: Neben den Bewohner:innen – den
trägliche Fortentwicklung des Gebäudebereichs, der       Mieter:innen und den selbstnutzenden Eigentü-
eine ausgeglichene Verteilung von Kosten und Nut-        mer:innen – betreffen die hier getroffenen Entschei-
zen über alle Interessensgruppen berücksichtigt.         dungen Genossenschaften, große Unternehmen, pri-
(Bau-, Wohnungs- und Energie-)Wirtschaft, Mie-           vate Vermieter und Vermieterinnen sowie große und
ter:innen, Staat und Zivilgesellschaft müssen sich       kleine Energieversorger. Deshalb benötigt es jetzt ei-
auf einen gemeinsamen Weg der Zielerreichung ver-        nen breiten Konsens darüber, wie Klimaneutralität
ständigen können, der als Prämisse einen klima-          im Gebäudesektor bis spätestens 2045 erreicht wer-
neutralen Gebäudebestand bis 2045 anerkennt und          den kann. Dieser Gebäudekonsens muss die Interes-
den Rahmen für die Formulierung eines konkreten          sen und Bedürfnisse aller betroffenen Akteure in den
Maßnahmenpaketes bildet. Die vorliegenden Eck-           Blick nehmen: Eine breite Akzeptanz des Maßnah-
punkte für einen Gebäudekonsens stellen den Aus-         menpaketes ist die Grundvoraussetzung, um zu-
gangspunkt für eine soziale Wärmewende dar. Jede         künftig die Klimaschutzziele im Gebäudesektor sozi-
weitere Verzögerung verteuert das Erreichen des          alverträglich und generationengerecht zu erreichen.
Klimaschutzziels und erhöht das Risiko sozialer Ver-
werfungen. Es ist jetzt an der Zeit, eine transparente   Zum einen muss ein solcher Konsens den sozialen
und verlässliche Zielstrategie vorzugeben, die Pla-      Frieden wahren, indem Privatleute vor finanzieller
nungssicherheit für zukunftsfähige Investitionsent-      Überforderung geschützt werden. Neben den selbst-
scheidungen ermöglicht und Fehlallokationen mit          nutzenden Eigentümer:innen, die sich eine Sanie-
Lock-in-Effekten vermeidet.                              rung auch leisten können müssen, betrifft dies vor
                                                         allem die Miethaushalte, die etwa die Hälfte der Be-
Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Auf-        völkerung ausmachen. Mieter:innen haben so gut
gabe, so auch die Dekarbonisierung des deutschen         wie keinen Einfluss auf die Wärmeversorgung ihrer
Gebäudebestands. Denn so gut wie jeder und jede          Wohnung. Gleichzeitig haben sie im Fall einer Sa-
Bundesbürger:in sind betroffen, sei es als Mieter:in     nierung mit deutlich höheren Mieten zu rechnen, da
oder als Eigentümer:in. Wenn eine sozialverträgliche     die Sanierungskosten durch die Modernisierungs-
Wärmewende unabdingbar für das Gelingen der              umlage umgelegt werden. Eine Wärmewende, die die
Energiewende ist, müssen die Maßnahmen, um Kli-          Kosten der Transformation primär auf die Mieter:in-
maneutralität im Gebäudebereich zu erreichen,            nen überwälzt, wird scheitern, da sie gerade ein-
wohlüberlegt ausgewählt werden, denn sie haben           kommensschwachen Haushalten mehr abverlangen
eine weiter reichendere Dimension als in allen ande-     wird, als diese tragen können.
ren Sektoren. Eine halbherzige und unausgeglichene
Herangehensweise, die in den Folgejahren umso            Gleichzeitig muss ein gesellschaftlicher Konsens be-
härtere Maßnahmen nach sich zieht, um die Klima-         rücksichtigen, dass Vermieter:innen sich nur dann
schutzziele zu erreichen, wirkt sich direkt auf alle     zu proaktiven Akteuren entwickeln können, wenn
Bürger:innen aus, indem sie die volkswirtschaftli-       die Gebäudesanierung auch wirtschaftlich darstell-
chen Kosten erhöht und soziale Ungleichgewichte          bar ist und sich finanziell lohnt. Wie für jedes andere
verschärft. Zusätzlich werden nachfolgende Genera-       Unternehmen müssen Wohnungsunternehmen die
tionen übermäßig belastet und zukünftig in ihren         Gewinnerwartung ihrer Anleger und Anlegerinnen
Grundrechten eingeschränkt.                              erfüllen und haben dementsprechende Anforderun-
                                                         gen an ihre Investitionen. Auch kann die Vollsanie-
                                                         rung des Gebäudebestands nicht darauf basieren,

                                                                                                               7
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

dass private Vermietende auf ihre Rendite verzich-
ten. Hier muss gelten, was im Stromsektor schon
längst etabliert ist, dass nämlich diejenigen, die in
neue Technologien investieren, damit auch eine
auskömmliche Rendite erwirtschaften dürfen. Dar-
über hinaus wäre die Konsequenz einer Klima-
schutzpolitik, die das Problem allein mit Verpflich-
tungen und Zwang lösen will, wohl, dass zahlreiche
Mietwohnungen in Privateigentum umgewandelt
werden, sobald sich die Vermietung durch die anfal-
lenden Kosten nicht mehr rentiert.

Zuletzt muss eine erfolgreiche Gebäudepolitik, die
eine soziale Wärmewende zum Ziel hat, sicherstel-
len, dass Fehlanreize und Hindernisse ökonomischer
und regulatorischer Art aufgelöst werden, damit die
Transformation so reibungslos wie möglich verlau-
fen kann. Denn für jede Tonne CO2, die nicht einge-
spart wird, obwohl sie günstig zu haben wäre, muss
eine teurere Option gezogen werden (Ifeu et al.,
2018). Durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz
(BEHG) wird diese zusätzliche Kostenbelastung breit
über die gesamte Bevölkerung gestreut, was das
Risiko mit sich bringt, die niedrigeren Einkommens-
gruppen besonders zu belasten.

                                                                             8
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Eckpunkt 1:                                              erforderlichen Ersatzes lediglich eine alte durch eine
Die soziale Wärmewende braucht einen                     neue mit fossilen Brennstoffen betriebene Heizung
ausgewogenen Instrumentenmix                             ausgetauscht wird. Diese werden dann aber in spä-
                                                         teren Zeiten, wenn eine freie Preisbildung am Markt
Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)          stattfindet, Zertifikate binden, oder müssen durch
hat die Bundesregierung einen generellen Rahmen          Preisspitzen aus dem Markt gedrängt werden.
etabliert, der bei konsequenter Umsetzung garantie-
ren kann, dass der Gebäudesektor bis spätestens          Weiterhin wirkt eine CO2-Bepreisung am besten auf
2045 klimaneutral wird. In diesem Fall wird der          möglichst kompletten Märkten. Der Wärmemarkt
Zertifikatepreis immer so weit in die Höhe schießen,     besteht aber aus zwei recht verschiedenen Markt-
bis ein Akteur die notwendige CO2-Minderung er-          segmenten: dem dezentralen Heizungsmarkt und
bringt. Gleiches gilt für eine potenzielle Erweiterung   den zentralisierten Wärmenetzen. Ein dekarboni-
des EU-ETS, die den Gebäudesektor miteinschließt.        sierter Gebäudesektor wird auf zentrale sowie
                                                         dezentrale Technologien setzen müssen, um das
Auch wenn im BEHG einige Anpassungen – gerade            Ziel-niveau zu erreichen. Wenn die Dekarbonisie-
im Hinblick auf das ambitioniertere Ziel von minus       rung allerdings nur über den CO2-Preis gesteuert
65 Prozent im Jahr 2030 – notwendig sein werden,         wird, droht die netzgebundene Wärme weniger aus-
hat die Situation im Wärmesektor mit der Einfüh-         gebaut zu werden als es volkswirtschaftlich opti-
rung des Zertifikatehandels eine neue Qualität:          miert geboten wäre. Denn ein Eigentümer kann sich
Anstelle der Frage, ob Klimaneutralität im Gebäude-      zwar individuell für eine Wärmepumpe oder eine
sektor erreicht werden wird, tritt die Frage, wie dies   Biomasseheizung entscheiden. Er hat aber keinen
geschehen soll, ohne die eigene Bevölkerung über-        Einfluss auf die Planung eines Wärmenetzes, selbst
mäßig zu belasten. Denn eine Dekarbonisierung mit        wenn diese Lösung in dem relevanten Gebiet die
der Brechstange CO2-Preis allein, ohne weitere flan-     kostengünstigste Option wäre. Der Ausbau der Wär-
kierende Maßnahmen, wird gerade im Gebäudebe-            menetze ist einer der Blöcke mit dem größten Ver-
reich zu massiven finanziellen Zusatzbelastungen         meidungspotenzial im unteren Kostensegment des
der Bevölkerung führen. Denn im Wärmemarkt               Gebäudesektors (mit etwa 40 Euro/t CO2, Abbildung
existieren vielfältige nicht monetäre Hemmnisse, die     3) (BCG und Prognos, 2018). Dementsprechend groß
den Preis massiv nach oben treiben, wenn sie nicht       ist auch die Rolle der Wärmenetze, wenn es um
individuell in den Blick genommen werden.                Klimaneutralität im Gebäudesektor geht. Eine kos-
                                                         tenoptimierende Transformation führt dazu, dass
Das beginnt damit, dass gerade private Gebäude-          26 Prozent der Haushalte und 33 Prozent der Gewer-
und Wohnungseigentümer:innen oft keine umfas-            beflächen durch Wärmenetze beheizt werden (Agora
sende Kenntnis darüber haben (können), welche Im-        Energiewende, 2021a).
plikationen die Entscheidung für eine energetische
Modernisierung und der Einbau einer bestimmten           Ähnliche Ineffizienzen existieren auf dem Miet-
Heizungstechnologie im Kontext der Klimaziele, und       markt: Die geltende Regelung besagt, dass die Heiz-
daher den mit der Entscheidung verbundenen Folge-        kosten beim Mieter oder der Mieterin verbleiben.
kosten, haben können. Gerade in Zeiten, in denen der     Diese können Emissionen allerdings nur reduzieren,
Ausstoß von CO2 nur gering bepreist wird – wie in        aber nicht komplett vermeiden, ohne auf das Heizen
der Periode bis 2025, in der ein Preispfad im BEHG       zu verzichten. Vermieter:innen, wiederum haben
festgeschrieben ist – kann es vorkommen, dass            durch die CO2-Kosten keinen höheren Anreiz, auf
Eigentümer:innen weiterhin CO2-intensive Heizun-         eine klimaneutrale Wärmeversorgung umzustellen,
gen einbauen, weil unter Druck im Augenblick des         da diese auf ihre Einkünfte aktuell keinen direkten

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Einfluss hat (Agora Energiewende und Universität         Infrastrukturmaßnahmen, die nicht einfach von Ge-
Kassel, 2020). Ergo werden Mieter:innen zusätzlich       bäudeeigentümern vorgenommen werden können.
belastet, ohne dass sie adäquate Maßnahmen an der        Im ersteren Fall können Mindestanforderungen für
Hand hätten, um durch CO2-Reduktion darauf rea-          die ineffizientesten Gebäude ohne Zusatzbelastun-
gieren zu können. Denn der Hebel der Mietenden,          gen Abhilfe schaffen, denn die Maßnahmen rechnen
weniger zu heizen, ist vergleichbar gering und kann      sich bereits. Der zweite Fall verdeutlicht die Rele-
niemals zu CO2-Neutralität auf dem Mietmarkt füh-        vanz von übergeordneter Planung. Eine ver-
ren, da der Verbrauch natürlich nicht auf null           pflichtende kommunale Wärmeplanung kann über-
gesenkt werden kann.                                     greifende Aspekte berücksichtigen, die über die
                                                         einzelnen Objekte hinaus gehen, und so – im Sinne
Klar ist, ambitionierte Klimaschutzziele im Gebäu-       einer Gesamtsteuerung – eine Transformation vo-
desektor müssen weiter vorangetrieben werden – es        rantreiben, die das Zielbild im Blick behält und Fehl-
geht jetzt ausschließlich um das „Wie“: Um zügig auf     allokationen vermeidet.
Zielpfad einzuschwenken, muss die Politik jetzt da-
für sorgen, dass zusätzlich zur Notwendigkeit eines      Ein Transformationspfad, der auf einen ambitionier-
bis 2025 steigenden CO2-Preises die erforderlichen       ten Ausbau von Wärmepumpen in Kombination mit
Kurskorrekturen möglichst reibungsfrei erreicht          einer angemessenen Gebäudeeffizienz setzt, ist
werden. Dies bedeutet in erster Linie Hemmnisse          volkswirtschaftlich am vorteilhaftesten (Ifeu et al.,
und Ineffizienzen abzubauen, die durch die Struktur      2018). Die Vermeidungskosten, die mit dem Einbau
des Gebäudesektors bestehen. Denn verschwendete          einer Wärmepumpe und der Verbesserung der Ge-
Einsparpotenziale belasten direkt die Allgemeinheit,     bäudedämmung assoziiert sind, vergegenwärtigen
da sich die CO2-Vermeidung dann in höhere Preis-         allerdings, dass diese aktuell noch nicht betriebs-
segmente verlagert mit der Folge sozialer Härten.        wirtschaftlich darstellbar sind, auch nicht unter An-
                                                         nahme der CO2-Preise, die in den nächsten Jahren zu
Unsere 10 Eckpunkte für einen Gebäudekonsens bil-        erwarten sind. Dies gilt insbesondere in Zeiten sin-
den den Rahmen für einen konkreten Maßnahmen-            kender Gaspreise. Das liegt darin begründet, dass die
katalog, der die gesamte Vermeidungskostenkurve          Preise für Zertifikate noch auf absehbare Zeit unter
adressiert (Abbildung 3), um zukünftig die Ziele so-     den realen Schadenskosten liegen werden (Agora
zialverträglich zu erreichen. Die soziale Wärme-         Energiewende, 2020; Ifeu et al., 2018). Die Politik
wende braucht einen ausgewogenen Instrumenten-           muss zukünftig konsequent das gesellschaftliche
mix, es gibt keine Silver Bullet. Die marktnahen         Interesse in den Blick nehmen und die Wirtschaft-
Potenziale können durch die CO2-Bepreisung geho-         lichkeit der Maßnahmen an den Schadenskosten von
ben werden, wenn die Akteure durch entsprechende         195 Euro/t CO2 orientieren.
Preiselastizitäten empfänglich hierfür sind. Hier be-
steht die Aufgabe der Politik darin, die Ineffizienzen
aufzulösen, die beispielsweise durch das Vermieter-      a. Was wir jetzt tun müssen
Mieter-Dilemma entstehen, damit die vorhandenen
wirtschaftlichen Potenziale genutzt werden können.       → Die politischen Rahmenbedingungen werden auf
                                                           das Ziel Klimaneutralität 2045 ausgerichtet.
In den Bereich der wirtschaftlichen Potenziale, die        Ein verlässliches Zielbild und ein hierzu passen-
noch nicht ausgeschöpft wurden, fallen zum einen           der Instrumentenmix sind die Voraussetzung für
Maßnahmen, die trotz bestehender Wirtschaftlich-           Planungssicherheit, zukunftsfähige Investitionen
keit dennoch durch die Eigentümer:innen noch nicht         und somit die soziale Wärmewende.
umgesetzt wurden, aber auch langlebige

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

→ Nicht monetäre Markthemmnisse und Ineffizi-              Transformation durch eine attraktive, an Kli-
  enzen werden abgebaut und die Wirkung des                maneutralität ausgerichtete Förderung voran.
  CO2-Preises wird gestärkt. Dies betrifft bei-
  spielsweise das Mieter-Vermieter-Dilemma,             → Um den Schlüsseltechnologien für das Gelingen
  welches es aufzulösen gilt.                             einer sozialen Wärmewende zum Durchbruch zu
                                                          verhelfen, müssen generell Kapazitäten geschaf-
→ Wo Märkte versagen, schafft eine intelligente           fen und Kosten gesenkt werden. Ein Pakt für
  Planung Abhilfe. Der netzgebundenen Wärme-              Zukunftshandwerk steigert Ausbildungsqualität
  versorgung wird durch eine verpflichtende Wär-          des Handwerks und die Zahl der Handwerker.
  meplanung flächendeckend zum Durchbruch                 Durch technologische Lösungen, wie auch die in-
  verholfen.                                              dustrielle Sanierung, werden Innovationspoten-
                                                          ziale ausgeschöpft.
→ Die Kosten der Transformation werden gerecht
  und sozial ausgewogen verteilt, sodass jeder Ak-
  teur sie gut stemmen kann. Wo soziale Härten
  drohen, federt der Staat diese durch eine gezielte
  Unterstützung ab. Darüber hinaus treibt er die

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Eckpunkt 2:                                               Die jährlich steigenden Fixpreise, von 25 Euro/t CO2
CO2-Preis stetig erhöhen und                              im Jahr 2021 bis auf 55 Euro/t CO2 im Jahr 2025, rei-
Strompreise senken                                        chen jedoch bei Weitem nicht aus, um diesen Effekt
                                                          zu erbringen und Klimaneutralität 2045 zu errei-
Eine starke CO2-Bepreisung muss ein Kernelement           chen. Denn, anders als in Schweden, haben zum
der Dekarbonisierungsstrategie im Gebäudesektor           Beispiel Wärmepumpen gegenüber dezentralen Gas-
sein. Die Wirksamkeit zeigt sich in Schweden, wie in      kesseln in Deutschland noch keine Kostenparität
Abbildung 4 zu sehen ist: In der Zeit seit 2000, in der   erreicht (Thomaßen u. a., 2021). Dies liegt zum gro-
die schwedische CO2-Steuer von 40 Euro/t CO2 auf          ßen Teil auch daran, dass – anders als in anderen
ihren aktuellen Satz angehoben wurde, hat sich die        Ländern – der Ausbau Erneuerbarer Energien über
Zahl der Haushalte versechsfacht, die mit einer           die EEG-Umlage finanziert wird, die den Strom ver-
Wärmepumpe beheizt werden (auf knapp 35 Prozent           teuert, somit aber auch einen Wettbewerbsnachteil
der Haushalte im Jahr 2015). In derselben Zeit san-       für Wärmepumpen darstellt.
ken die CO2-Emissionen um 95 Prozent (EU-
Kommission, 2018).                                        Da die Einnahmen des BEHG zur Senkung der EEG-
                                                          Umlage vorgesehen sind, bietet sich hier die Mög-
Durch den Emissionshandel hat die Bundesregie-            lichkeit, zwei Markthemmnisse gleichzeitig zu ad-
rung den generellen Rahmen etabliert, um durch am-        ressieren und somit den Schlüsseltechnologien einer
bitionierte CO2-Preise hohe Emissionsreduktionen          sozialen Wärmewende zum Durchbruch zu verhel-
zu erreichen und auf den Zielpfad einzuschwenken.         fen: Durch die Erhöhung der CO2-Preise im BEHG

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

wird der CO2-Ausstoß im Gebäudesektor pönalisiert.
Dies korrigiert die ökonomische Schieflage im Hin-
blick auf die Wirtschaftlichkeit von Klimaschutz-
technologien. Erfolgt die CO2-Preis-Rückerstattung
gleichzeitig über den Strompreis und wird durch die
erhöhten Einnahmen die EEG-Umlage abgesenkt,
werden Schlüsseltechnologien, wie die Wärme-
pumpe gleichzeitig attraktiver. Dies kommt auch
generell allen Haushalten zugute, da sie über die
reduzierten Stromkosten entlastet werden.

Wichtig ist, den Handel mit Emissionszertifikaten
behutsam freizugeben. Denn die aktuellen Erfahrun-
gen mit dem Europäischen Emissionshandel zeigen,
dass der Preis beispielsweise durch Spekulationen in
die Höhe getrieben werden kann. Da praktisch jeder
Bürger und jede Bürgerin von den Zertifikatepreisen
direkt betroffen ist, ist besondere Vorsicht geboten,
um zu verhindern, dass es zu sozialen Schieflagen
kommt. Ein Hochschnellen des Preises, weit über die
wirklichen Vermeidungskosten, könnte die Akzep-
tanz der Bevölkerung gegenüber diesem Instrument
drastisch reduzieren.

a. Was wir jetzt tun müssen

→ Der Fixpreis im BEHG wird bis 2025
  kontinuierlich auf 80 Euro/t CO2 gesteigert.

→ Im Jahr 2025 gilt ein Preiskorridor mit
  80 Euro/t CO2 sowie ein Höchstpreis. Dieser
  Höchstpreis wird in den darauffolgenden Jahren
  jährlich erhöht, sodass der Spielraum für die freie
  Preisbildung schrittweise erweitert wird.

→ Durch die Einnahmen wird die EEG-Umlage auf
  null abgesenkt. Das reduziert die Stromkosten,
  ist sozial und verhilft Wärmepumpen auch in
  Deutschland zum endgültigen Durchbruch.

                                                                             13
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Eckpunkt 3:                                             50 Jahre erneuert. Da wir innerhalb von knapp
Intelligent Fordern: Ordnungsrechtliche                 25 Jahren Klimaneutralität erreichen wollen, ist klar,
Standards an Klimaneutralität 2045                      dass jede Sanierung, die heute erfolgt, zielkonform
ausrichten                                              sein muss. Gerade mit Blick auf die Gebäudehülle ist
                                                        somit jede vorgenommene Maßnahme, die unterhalb
Heutige ordnungsrechtliche Verpflichtungen zur          des Zielstandards bleibt, eine Fehlinvestition, denn
Sanierung, insbesondere die „Nachrüstpflichten“ im      sie muss vor Ablauf der Abschreibungszeit erneuert
Gebäudeenergiegesetz, schreiben diejenigen Maß-         werden.
nahmen vor, die schon wirtschaftlich sind, aber den-
noch nicht ausgeführt werden. Das Gebot der Klima-
neutralität im Gebäudebestand verlangt aber eine        a. Der Einbau von Gas- und Ölheizkesseln ist
höhere Geschwindigkeit und Wirksamkeit von                 mit dem Ziel Klimaneutralität 2045 nicht
Maßnahmen. Jede Gelegenheit zur energetischen              vereinbar
Verbesserung von Gebäuden sollte genutzt werden;
zugleich müssen zusätzliche Anlässe zur Sanierung       Das trifft ebenso auf den Einbau einer Heizung zu,
geschaffen werden.                                      die mit fossilen Brennstoffen betrieben wird. Das
                                                        Einbauverbot von Ölheizkesseln ist ein erster
Gerade im Gebäudesektor ist die Gefahr hoch, dass       Schritt, der jedoch nicht ausreicht. Der Gasheiz-
günstige Potenziale und „Möglichkeitsfenster“ für       kessel muss folgen, wie auch die jüngsten Berech-
eine Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung ver-      nungen der Internationalen Energieagentur (IEA)
schenkt werden. Mit fossilen Brennstoffen betrie-       zeigen, die den Stopp fossil betriebener Heizungen
bene Heizungen werden im Augenblick des Defektes        weltweit ab dem Jahr 2025 für notwendig hält (IEA,
oftmals lediglich durch eine neuere Anlage auf Basis    2021).
desselben Energieträgers ersetzt, weil keine Vorbe-
reitung auf eine Umstellung in Richtung Erneuer-        Andere europäische Nachbarn sind hier bereits wei-
bare Energien stattgefunden hat. Die neue Gebäu-        ter: Dänemark hat schon seit 2016 ein weitgehendes
deförderung innerhalb der Bundesförderung für           Einbauverbot für Öl- und Gasheizkessel. In den
effiziente Gebäude (BEG) und im Steuersystem sowie      Niederlanden ist der Einbau in Neubauten verboten,
die langfristig zu erwartenden Preispfade für fossile   während der Ausstieg aus fossilem Gas in großem
Brennstoffe zeichnen bereits ein Umlenken in eine       Maßstab vorangetrieben wird (vgl. Eckpunkt 6).
dekarbonisierte Wärmeversorgung vor. Dennoch:           Österreich wiederum verbietet nicht nur den Neu-
Eigentümer:innen könnten sich durch die derzeit         einbau fossil betriebener Kessel ab 2022, sondern
noch vorgesehene mäßige CO2-Preisentwicklung bis        auch den generellen Weiterbetrieb von Ölheizkes-
2025 blenden lassen und Heizungen einbauen, die in      seln ab dem Jahr 2035 und von Gasheizkesseln ab
der Zeit danach extreme Mehrkosten verursachen.         dem Jahr 2040 (Gaul, 2021).
Dieses Umlenken muss daher durch weitere Maß-
nahmen wirksam verstärkt werden.                        Das Ziel Klimaneutralität verlangt nun auch das glei-
                                                        che Maß an Entschlossenheit von der deutschen
Auf das Ziel Klimaneutralität ausgerichtete Stan-       Politik, weswegen der Neueinbau von Gas- und Öl-
dards sind somit sowohl im Interesse der Eigentümer     heizkesseln ab dem Jahr 2024 weitgehend verboten
als auch der Allgemeinheit. Eine Heizung, die in        werden sollte. In den Fällen, in denen keine klima-
Deutschland eingebaut wird, wird normalerweise          freundliche Alternative zur Verfügung steht, wird
erst nach über 20 Jahren wieder ausgetauscht. Die       dies durch Ausnahmeregelungen ergänzt.
Dämmung einer Hausfassade wird sogar erst alle

                                                                                                             14
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

b. Fördern UND Fordern                                   interpretiert wurde, wird somit neu gedacht. Dies ist
                                                         die Grundvoraussetzung für die Festschreibung
Prinzipiell muss sich die Wirtschaftlichkeit jeder       ambitionierterer Standards und somit das Gelingen
Maßnahme an den CO2-Schadenskosten von aktuell           einer sozialen Wärmewende.
195 Euro/tCO2 bemessen, denn dies sind die Kosten,
die die Volkswirtschaft schon heute zu tragen hat        Darauf aufbauend wird der Einbau neuer mit fossi-
(UBA, 2020). Da sich dies betriebswirtschaftlich         len Brennstoffen betriebenen Kesseln zukunftsnah
nicht unbedingt rechnet, ist es erforderlich, dass der   unterbunden und die Fördermittel für entspre-
Staat einspringt und die Mehrkosten durch eine           chende, auf fossilen Brennstoffen beruhenden Tech-
auskömmliche Förderung ausgleicht. Längerfristig         nologien ausnahmslos gestrichen. Dies entlastet das
sinkt der Förderbedarf, denn mit Blick auf die Ver-      Emissionsbudget im BEHG und das Haushaltsbudget
meidungskosten im BEHG (vgl. Abbildung 3) ist es         des Staates. Im Neubau wird der Einbau von Öl- und
durchaus realistisch, dass die Zertifikate Preise sich   Gasheizkesseln ab 2024 verboten, denn hier gibt es
langfristig an den Schadenskosten orientieren.           schon heute Alternativen mit hohen Marktanteilen,
                                                         die klimaneutral betrieben werden können. Für Ein-
Als Grundvoraussetzung muss somit gelten, dass           und Zweifamilienhäuser im Bestand gibt es mit der
auch gefördert werden kann, was gefordert ist. Für       Wärmepumpe ebenfalls eine Lösung, die technisch
die erfolgreiche Bewältigung der Herausforderung,        gut realisierbar ist. Das Gleiche gilt für Mehrfamili-
die die Energiewende im Gebäudebestand darstellt,        enhäuser in Gebieten, in denen Wärmenetze verfüg-
ist es notwendig, dass der Staat auf der einen Seite     bar sind. Für diese Bestandsgebäude wird ebenfalls
ambitionierte Maßnahmen fordern darf, deren              ein Einbaustopp für Öl- und Gasheizkessel ab 2024
Durchführung aber auch durch finanzielle Mittel er-      erlassen.
möglicht. Hierfür muss die Bundeshaushaltsordnung
nicht einmal geändert werden. Denn wenn es um
weiterführende Interessen geht, ist ein Fördern trotz    c.   Die Gebäudestandards auf Klimaneutralität
Verpflichtung möglich. Dies trifft beispielsweise             2045 ausrichten
dann zu, wenn das Interesse besteht, dass Maßnah-
men die Verpflichteten wirtschaftlich weniger be-        Um den Energieverbrauch der Gebäude zu reduzie-
lasten sollen oder geringere/keine sozial problemati-    ren, müssen ambitionierte, an Klimaneutralität aus-
sche Folgelasten nach sich ziehen.                       gerichtete Standards für die Gebäudehülle und den
                                                         Einsatz solarer Energie im Neubau festgeschrieben
Damit wird das Prinzip der Wirtschaftlichkeit, wel-      werden. Im Neubau wird ein Standard als Niedrigst-
ches für die Festlegung eines Standards erforderlich     energie-Gebäudestandard etabliert, der sich am
ist, neu interpretiert: Wirtschaftlichkeit sollte zu-    KfW-40-Standard orientiert. Für Bestandsgebäude
künftig zunächst auf volkswirtschaftlicher Ebene         werden die in der europäischen Renovation Wave
und in Verbindung mit dem Klimaneutralitätsziel          angekündigten Mindestenergiestandards (Minimum
gedacht werden, um das gesellschaftliche Interesse       Performance Standards – MEPS) umgesetzt, indem
widerzuspiegeln. Durch die Aufstockung der För-          die schlechtesten Gebäude innerhalb eines ange-
dervolumen für die zielkonformen Standards ist an-       messenen Zeitraums durch Maßnahmen an der
schließend das Delta zur Betriebswirtschaftlichkeit      Gebäudehülle und der Heizungsoptimierung „fit für
auszugleichen.                                           Erneuerbare“ gemacht werden müssen oder aus
                                                         einer Liste an Modernisierungsmaßnahmen eine
Das Prinzip Fördern und Fordern, welches im Ge-          Mindestanzahl umgesetzt wird (ifeu, 2021; ifeu et al.,
bäudebereich bisher eher als Fördern oder Fordern        2021). Als Zielmarke wird Klimaneutralität auch für

                                                                                                             15
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

den Gebäudebestand im Gebäudeenergiegesetz fest-           können, die aktuell nicht von der betriebswirt-
geschrieben.                                               schaftlichen Seite abgedeckt sind. Die Förders-
                                                           ätze werden so angepasst, dass sie die Differenz-
Bei der Ausgestaltung von MEPS ist zu beachten:            kosten abdecken.

→ Durch den Bezug auf die ineffizientesten Ge-          → Als energetische Anforderung für Neubauten
  bäude werden besonders die Gebäude adressiert,          wird ab 2024 das Niveau „Effizienzhaus 40“ fest-
  bei denen eine energetische Sanierung besonders         geschrieben. Für wesentliche Umbauten von Be-
  wirtschaftlich ist.                                     standsgebäuden werden erhöhte energetische
→ Durch eine kluge Ausgestaltung der Sanierungs-          Anforderungen festgelegt; auszutauschende Bau-
  anforderungen und Flexibilisierungsoptionen,            teile sollen dem Zielniveau des Effizienzhauses
  beispielsweise eine Ersatzabgabe und Härtefall-         70 entsprechen.
  regelungen, sowie durch eine langfristige stufen-
  weise Ausgestaltung bestehen unterschiedliche         → Der Einbau von Öl- und Gasheizkesseln wird ab
  Wege, die MEPS einzuhalten. Dazu sind vor allem         2024 im Neubau verboten. Dies gilt auch für den
  die entsprechenden Triggerpunkte zu nutzen,             Bestand, wenn Wärmenetze oder andere klima-
  etwa der Eigentumsübergang von Gebäuden                 freundliche Alternativen vorhanden sind. Die
  durch Verkauf und Vererbung oder der Ersatz             Förderung für mit fossilen Brennstoffen betrie-
  eines Kessels mit fossilen Brennstoffen. Auf die-       benen Heizungen wird sofort ausgesetzt. In Son-
  sen Zeitpunkt müssen sie vorbereitet werden             derfällen werden Ausnahmen zugelassen.
  („EE Fitness“) (ifeu 2021).
→ Da sich die Einstufung von Gebäuden insbeson-         → Für die schlechtesten Bestandsgebäude, bei de-
  dere am Energieausweis messen wird, ist dieser          nen die Sanierung besonders wirtschaftlich ist,
  rechtssicher weiterzuentwickeln. Für den Voll-          werden die in der Renovation Wave angekündig-
  zug der MEPS müssen die Energieausweise der             ten Mindestenergiestandards umgesetzt, durch
  Gebäude in einer Datenbank hinterlegt sein.             Flexibilitätsoptionen ergänzt und sozialpolitisch
→ Die entstehenden Sanierungskosten müssen för-           abgefedert.
  derfähig sein und mit anderen Instrumenten so-
  zialpolitisch abgefedert werden, um Auswirkun-
  gen auf den Mietmarkt abzudämpfen.

d. Was wir jetzt tun müssen

→ Das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Standards im
  Gebäudeenergiegesetz wird gesellschaftlich kon-
  zipiert und am Klimaneutralitätsziel sowie an
  den realen Schadenskosten von 195 Euro/t CO2
  ausgerichtet.

→ Damit diese Anforderungen von Gebäudebesit-
  zenden umgesetzt werden können, wird das
  Prinzip Fördern UND Fordern etabliert, sodass
  auch ambitioniertere Standards gefordert werden

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Eckpunkt 4:                                               ausdrücklich Teil der Förderkulisse sein, um die zu-
Umfassend Fördern: Förderprogramme                        sätzlichen Kosten aufzufangen und die betriebswirt-
mit 12 Milliarden Euro p. a. ausstatten                   schaftlichen Vollkosten der Wärmebereitstellung
und Erfüllung des Ordnungsrechts                          abzudecken. Dies beinhaltet sowohl die Erhöhung
bezuschussen                                              der Standards im Bestand sowie im Neubau als auch
                                                          die Sanierungsmaßnahmen, die durch die Einfüh-
Für einen klimaneutralen Gebäudesektor sind drei          rung von MEPS notwendig werden.
Strategien zentral: (1) energetische Sanierung, (2)
Wärmepumpen massiv steigern und (3) grüne Fern-           Die Kosten für den Klimaschutz sind die Gleichen,
beziehungsweise Nahwärme in Innenstädten. Wäh-            egal welcher Akteur sie zu tragen hat. Insofern hat
rend der Endenergiebedarf um ein Drittel sinken           die Art und Weise der Kostenverteilung und Höhe
muss, werden 100 Prozent der Wärme klimaneutral           der Förderung einen großen Einfluss darauf, wie ge-
bereitgestellt. Dafür ist neben ambitionierten, an Kli-   recht und sozialverträglich die Transformation des
maneutralität ausgerichteten Gebäudestandards der         Gebäudesektors vollzogen wird. Ist das Fördervolu-
Einbau von sechs Millionen Wärmepumpen bis                men zu gering und wird das Delta zur Wirtschaft-
2030 erforderlich. Der Anteil der Haushalte, die an       lichkeit nicht geschlossen, ist es denkbar, dass
die Fernwärme angeschlossen sind, muss in diesem          Mieter:innen übermäßig belastet werden, wenn
Zeitraum um 50 Prozent gesteigert werden. Wäh-            Vermieter:innen die Kosten an sie weiterreichen. Ist
renddessen müssen die Fernwärmenetze dekarboni-           dies andererseits gesetzlich unterbunden, drohen
siert werden (Agora Energiewende, 2020). An den           andere negative Folgewirkungen, wie ein erhöhtes
Kosten müssen alle betroffenen Gruppen gerecht und        Maß an Umwandlungen von Mietwohnungen in
sozialverträglich beteiligt werden.                       Eigentumswohnungen oder schlicht Stillstand, weil
                                                          keine auskömmlichen Renditen erwirtschaftet wer-
Es gibt drei Parteien, zwischen denen die Kosten für      den können. Selbst wenn rechtliche Verpflichtungen
den Klimaschutz im Gebäudesektor aufgeteilt wer-          existieren, droht ein Kontrolldefizit, da der Staat mit
den müssen: Die Gebäudebesitzer:innen, die Bewoh-         der Überprüfung bei knapp 20 Millionen Häusern
ner:innen (die identisch mit den Besitzer:innen sein      überfordert sein dürfte. Insofern ist eine angemes-
können) sowie der Staat (ifeu, 2019). Während die         sene Beteiligung des Staates elementar, um die
Verantwortung der ersten beiden Akteure unmittel-         Akzeptanz der Maßnahmen zu sichern. Außerdem
bar einleuchtend ist, da sie die Gebäude bewirt-          senkt er mit zusätzlichen Maßnahmen die Emissio-
schaften und/oder bewohnen, leitet sich die Verant-       nen im BEHG und somit auch den Zertifikatepreis,
wortung des Staates aus dem gesamtgesellschaft-           da weniger Emissionsminderungen direkt über die
lichen Interesse am Klimaschutz ab.                       CO2-Bepreisung erbracht werden müssen.

Praktisch bedeutet dies, dass der Staat die Differenz
zwischen betriebs- und volkswirtschaftlichem              a. Was wir jetzt tun müssen
Optimum durch Förderung schließen muss. Auch
beinhaltet dies, dass eine Erhöhung des Ambitions-        → Das Prinzip Fördern UND Fordern wird etabliert
niveaus, wie sie im letzten Jahr auf deutscher wie          und die Fördersätze werden so angepasst, dass
auch europäischer Ebene erfolgt ist, mit einer Aus-         sie das Delta zur Wirtschaftlichkeit überbrücken.
weitung der Fördermittel einhergehen muss. Auch
die Einhaltung von ausgeweiteten ordnungsrechtli-         → Für die Förderung von klimaneutralem Neubau
chen Verpflichtungen, die über das hinausgeht, was          und Gebäudesanierung wird das Fördervolumen
ohnehin schon wirtschaftlich ist, muss zukünftig            der bereits deutlich weiterentwickelten BEG im

                                                                                                               17
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

   Bundeshaushalt verstetigt und auf 12 Milliar-
   den erhöht. Die Einhaltung der gesetzlichen An-
   forderungen ist zukünftig ausdrücklich Teil der
   Förderkulisse.

→ Dabei werden die Fördersätze für die Gebäude-
  hülle von 20 auf 30 Prozent gesteigert und eine
  differenzierte Förderung wird implementiert, die
  – abhängig vom Mietniveau, vom Anteil einkom-
  mensschwacher Haushalte oder anderer,
  beispielsweise von der Kommune definierter
  Indikatoren – eine zusätzliche Förderung für
  Gebäude in „schwierigen Lagen“ ermöglicht.

→ „Flaschenhälse“ werden spezifisch adressiert,
  zum Beispiel durch mehr Personal bei den
  Bewilligungsbehörden.

→ Die Biomasseförderung wird zurückgefahren.
  Denn das Potenzial an nachhaltiger Biomasse ist
  begrenzt und wird perspektivisch in anderen
  Sektoren, wie der Industrie, benötigt.

                                                                             18
Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Eckpunkt 5:                                             zumindest die Betriebskosten der Wohnung
Vermieter-Mieter-Dilemma durch                          verringern.
Einführung von Warmmieten auflösen
                                                        Eine sozialverträgliche Wärmewende im Gebäude-
Mehr als 40 Prozent der Deutschen wohnen zur            sektor muss deswegen die Mieter:innen vor finanzi-
Miete. Um den Klimaschutz im Mietmarkt voranzu-         eller Überforderung schützen und gleichzeitig bei
treiben, müssen die Anreize bei den Vermieter:innen     den Vermieter:innen effiziente Anreize setzen, im
ansetzen, da diese die Investitionsentscheidungen in    besten Fall wie bei selbstnutzenden Eigentümer:in-
neue Heizungen oder Gebäudeeffizienz treffen.           nen. Denn diese sind weitestgehend empfänglich für
                                                        Preissignale durch eine CO2-Bepreisung, da sie für
Auf dem Mietmarkt ist in den letzten Jahren eine        die Heizkosten selbst aufkommen. Nach diesem
Situation entstanden, die den Eindruck erweckt hat,     Ansatz lässt sich das Mieter-Vermieter-Dilemma
dass Klimaschutz zwangsläufig auf Kosten des sozi-      auflösen.
alen Friedens ginge. Dies geht darauf zurück, dass
die Modernisierungsumlage aktuell der wichtigste        Dies kann dadurch erreicht werden, dass Wohnraum
Refinanzierungsmechanismus für energetische             zukünftig warm vermietet wird, sprich die Heizkos-
Sanierungen auf dem Mietmarkt ist. Dieses Instru-       ten in den Mieten mitenthalten sind. In diesem Fall
ment erlaubt Vermieter:innen, die Miete innerhalb       haben Vermieter:innen den Anreiz, ihre Heiz- und
eines bestimmten Rahmens zu erhöhen, wenn sie           CO2-Kosten zu reduzieren, denn die Miete wird im
eine Modernisierung vornehmen. In diesem Fall           Falle einer Sanierung nicht angepasst. Jede Kosten-
führen energetische Sanierungen zu einer Mehrbe-        reduktion generiert so monatlich ein zusätzliches
lastung der Mieter:innen, weswegen hier tatsächlich     Einkommen, welches zur Refinanzierung der Maß-
von einem gewissen Gegensatz zwischen Mieter-           nahme genutzt werden kann. Je höher die CO2-
schutz und Klimaschutz gesprochen werden kann.          Preise steigen, desto mehr Maßnahmen werden
Dieser Gegensatz entsteht allerdings nur aus der        wirtschaftlich. Auf diese Weise kann sich auch auf
aktuellen Regulierung heraus. Kontrovers ist darüber    dem Mietmarkt eine neue Dynamik durch das BEHG
hinaus, dass die Mietaufschläge sich nicht danach       entfalten.
richten, ob die energetische Qualität der Wohnung
verbessert wurde, sondern sich rein aus der Höhe
der Investition ergeben, beziehungsweise aus der        a. Ausgestaltungsoptionen eines Warmmieten-
gesetzlich vorgeschriebenen Kappungsgrenze.                modells

Die CO2-Bepreisung durch den Zertifikatehandel          Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, Warmmieten
droht folglich eine bereits angespannte Situation       zu implementieren:
weiter zu verschärfen, denn nach der aktuellen
Gesetzeslage belasten die CO2-Kosten zunächst ein-      → pauschale Warmmieten
mal nur die Mieter:innen. Damit werden die Neben-       → Warmmieten mit Temperaturfeedback
kosten für diese erhöht, was gerade in städtischen
Gebieten mit hohen Kaltmieten und Wohnungs-             Beide Ansätze können nebeneinander ermöglicht
knappheit zu bedenklichen Zusatzbelastungen für         werden, sodass man Vermieter:innen die Entschei-
die niedrigeren Einkommensgruppen führen kann.          dung für den einen oder den anderen Ansatz über-
Dadurch, dass die Mieterhöhung nicht an eine            lässt. Dies entspricht dem Stand der Dinge auf dem
Heizkosteneinsparung gebunden ist, haben die            schwedischen Mietmarkt.
Mieter:innen nicht einmal die Garantie, dass sich

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Pauschale Warmmieten bedeuten, dass es einen            Warmmietensystem profitieren in erster Linie die
festgesetzten Betrag gibt, den der Mieter oder die      Vermieter:innen durch die Maßnahmen. Auf diese
Mieterin monatlich überweist, und der die Heizkos-      Weise lässt sich das soziale Dilemma auflösen, durch
ten miteinschließt. Diese Variante der Warmmieten       das die Mieter:innen sowohl von steigenden CO2-
ist einfach umzusetzen und ist in Schweden die vor-     Preisen als auch von Sanierungsmaßnahmen finan-
herrschende Art zu mieten. Sie setzt allerdings         ziell belastet werden.
voraus, dass die EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED)
angepasst wird (Agora Energiewende, 2021b), denn
diese fordert aktuell eine verbrauchsbasierte Ab-       b. Verteilung der CO2-Kosten in
rechnung, die die Grundlage der Heizkostenabrech-          Mietverhältnissen
nung bilden muss (Becker Büttner Held, 2020). Dar-
über hinaus schmälern pauschale Warmmieten den          Der Mechanismus der Warmmieten muss immer im
Anreiz der Mieter:innen, sparsam mit Heizenergie        Kontext der CO2-Bepreisung gesehen werden. Allein
umzugehen. Damit können sie zu einem gewissen           werden Warmmieten keine großen Sanierungsim-
Rebound-Effekt führen, indem Mieter:innen auf ihr       pulse auslösen, da klimaneutrale Alternativen aktuell
Komfortniveau heizen (Agora Energiewende und            oft nicht wirtschaftlich sind. In Kombination mit der
Universität Kassel, 2020). Wie das Beispiel Schwe-      CO2-Bepreisung ergibt sich hingegen ein wirksamer
den zeigt, scheint dieser Rebound-Effekt ambitio-       Hebel, der die Kosten von mit fossilen Brennstoffen
nierten Klimaschutzbemühungen allerdings nicht          betriebenen Heizungen und klimaneutraler Techno-
substanziell im Wege zu stehen (vgl. Eckpunkt 2).       logien nach und nach angleicht.

Alternativ können Warmmieten mit Temperatur-            Es ist weiterhin relevant, wer die Kosten für die CO2-
feedback eingeführt werden, die sich dadurch aus-       Zertifikate trägt. Die Bundesregierung hat zuletzt
zeichnen, dass sie gleichzeitig den Klimaschutzan-      eine 50/50-Aufteilung der CO2-Kosten zwischen
reiz für die Mieter:innen erhalten: Anstatt einer       Mieter:innen und Vermieter:innen beschlossen
Pauschalmiete zahlen sie für eine bestimmte Tempe-      (BReg, 2021). Für die Profitabilität von Sanierungen
ratur in der Wohnung und haben somit den Anreiz,        ist tatsächlich eher nebensächlich, ob die Warmmie-
wenig zu verbrauchen, während Vermieter:innen           tensätze bei steigenden CO2-Preisen angepasst wer-
dafür belohnt werden, wenn sie die gewünschte           den dürfen oder nicht. Denn die Marge, die sich mit
Temperatur möglichst klimafreundlich und mit we-        einer Sanierung erzielen lässt, ist dieselbe, egal ob die
nig Energieverbrauch zur Verfügung stellen können.      Mieter:innen oder die Vermieter:innen die CO2-
Dieses Modell wird ebenfalls in Schweden von eini-      Kosten zahlen. Dennoch setzen unterschiedliche
gen Wohnungsunternehmen angewandt (Boverket,            Ausgestaltungen verschiedene Anreize:
2015). Eine Implementierung im geltenden deut-
schen Rechtsrahmen ist prinzipiell möglich (Becker      Gesetzt den Fall, dass die Mieten nicht angepasst
Büttner Held, 2020). Dennoch sollte die EED ent-        werden dürfen, wird das Einkommen der Vermie-
sprechend geändert werden, damit die Tempera-           ter:innen durch die steigende CO2-Bepreisung
turerfassung vereinfacht über Thermostate erfolgen      schrittweise geschmälert. Sobald sie ihre Heizkosten
kann (Agora Energiewende, 2021b).                       durch eine Maßnahme reduzieren können, steigt die
                                                        Marge, die mit der Miete erzielt wird, sprunghaft.
Im Zuge einer Implementierung müsste selbstver-         Falls von nun an beim Heizen kein CO2 mehr ausge-
ständlich die Modernisierungsumlage so angepasst        stoßen wird, bleibt in der Zukunft die Marge kon-
werden, dass diese für energetische Sanierungen         stant (ceteris paribus).
keine Anwendung mehr finden kann. Denn in einem

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Agora Energiewende | Ein Gebäudekonsens für Klimaneutralität: 10 Eckpunkte

Sollte es erlaubt sein, die Mieten so anzupassen, dass   Besitzer:innen von Häusern der Energieklassen G
Vermieter:innen für die kompletten CO2-Kosten            und H hingegen sollen die vollen CO2-Kosten tragen.
kompensiert werden, so würden die CO2-Preise nur         Für die dazwischenliegenden Energieklassen teilen
die Mieter:innen belasten, so wie es aktuell noch der    sich Vermieter:innen und Mieter:innen die Kosten
Fall ist. Für Vermieter:innen erhöhte sich die erziel-   in unterschiedlichen Verhältnissen (dena, 2021). In
bare Marge mit steigenden CO2-Preisen und ist in         eine ähnliche Stoßrichtung geht der Vorschlag des
beiden Fällen dieselbe. Da Vermieter:innen aller-        Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immo-
dings nicht negativ von der CO2-Bepreisung beein-        bilienunternehmen (GdW), nach dem Mieter:innen,
flusst werden, haben sie aktuell keinen dringenden       die in einem Haus der Energieklassen C und besser
Grund zu sanieren, denn ihr Einkommen bleibt kon-        wohnen, 100 Prozent der CO2-Kosten übernehmen
stant. Vielmehr könnte sich sogar der Anreiz erge-       sollten. In schlechter sanierten Gebäuden würde
ben, auf höhere CO2-Preise zu warten. Da die Miete       hingegen maximal eine 50/50-Aufteilung infrage
mit den CO2-Preisen ansteigen würde, wäre auch           kommen (GdW, 2021).
der monatliche Gewinn bei hohen CO2-Preisen am
höchsten. Die Profitabilität von Sanierungen bleibt      Beide Vorschläge hätten den Effekt, dass ein Haus-
somit zwar die gleiche, allerdings könnte eine Rege-     besitzer oder eine Hausbesitzerin, dessen Gebäude
lung, die die CO2-Kosten bei den Mieter:innen be-        einen hohen Dämmstandard erreicht, keinerlei An-
lässt, dafür sorgen, dass Vermieter:innen Sanierun-      reiz hätte, die restlichen Emissionen auf null zu sen-
gen herauszögern, um die Miete zu erhöhen.               ken. Mieter:innen hingegen müssten immer noch für
                                                         die CO2-Emissionen durch das Heizen aufkommen,
                                                         ohne dass sie darauf adäquat reagieren können. Eine
c.   Wie betten sich Warmmieten in die                   CO2-Bepreisung hat allerdings als vorrangiges Ziel
     deutsche Diskussion um Klimaschutz                  die Reduktion des CO2-Ausstoßes, welcher durch
     im Mietmarkt ein?                                   den Heiztechnologiewechsel mit einem Schlag auf
                                                         null gesenkt werden kann. Dieser Anreiz muss auch
Es werden bereits verschiedene Vorschläge disku-         für Gebäudebesitzer:innen weiter gelten, die einen
tiert, wie das Mietrecht in Deutschland neugeordnet      hohen Dämmstandard erreichen. Denn selbst ein
werden kann, sodass Vermieter:innen durch CO2-           hochgradig gedämmtes Haus ist klimaschädlich,
Preise einen Anreiz erhalten, ihre Gebäude zu sanie-     wenn es mit einem Öl- oder Gaskessel beheizt wird.
ren. Die Aufteilung der CO2-Kosten und die Ausge-
staltung der Modernisierungsumlage müssen hier als       Ein weiterer Vorschlag ist das Drittelmodell von
kommunizierende Röhren gesehen werden. Sinkt die         BUND, dem Deutschen Mieterbund und dem Deut-
Anreizwirkung des einen Instruments, muss das an-        schen Naturschutzring, welches vom ifeu Institut
dere entsprechend angepasst werden, sodass die           ausgestaltet und parametrisiert wurde (ifeu, 2019).
notwendige Anreizwirkung erbracht wird.                  Dieses sieht vor, dass die Modernisierungsumlage
                                                         auf 1,5 Prozent abgesenkt wird und Vermieter:innen
Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) hat in          fortan die deutlich zu erhöhenden Fördermittel be-
diesem Kontext vorgeschlagen, dass sich die Umla-        halten können. Diese mussten bisher in Form gerin-
gefähigkeit der CO2-Kosten nach dem energetischen        gerer Mieten an den Mieter oder die Mieterin wei-
Zustand des Gebäudes richtet. In Mietsgebäuden, die      tergereicht werden. Auf diese Weise würde sich eine
in die Energieklasse B oder höher eingeordnet wer-       De-facto-Modernisierungsumlage von 3 Prozent
den, sollen die Mieter:innen komplett die CO2-           ergeben (ifeu, 2019).
Kosten tragen, da hier der Vermietende schon viel in
die Qualität des Gebäudes investiert hat.

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