"Dischkurieren . über die alte und neue Heimat für Sudetendeutsche und Neugierige! - Sudeten-Bayern

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"Dischkurieren . über die alte und neue Heimat für Sudetendeutsche und Neugierige! - Sudeten-Bayern
„Dischkurieren“
      . . . über die alte und neue Heimat
    für Sudetendeutsche und Neugierige!

                 Kloster Plass bei Pilsen,
              Deckengemälde im Konventbau
                             Mai 2020

    Sudetendeutsche Landsmannschaft . Landesgruppe Bayern e.V.
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"Dischkurieren . über die alte und neue Heimat für Sudetendeutsche und Neugierige! - Sudeten-Bayern
Inhaltsverzeichnis
Kulturbrief der Landesgruppe Bayern zu Pfingsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
Fleischerei – Gastwirtschaft – Eisenbahn – und eine böhmische Familie
von Musikanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 – 8
Das Böhmische Trio von Burglengenfeld. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Das verhunzte Pfingsten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 – 11
Die Kuchenrandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 – 13
Der Räuber Hotzenplotz und die Stadt
gleichen Namens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 – 19
Die Poststempel von Hotzenplotz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Kochkreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Ortsgruppe Roth. . . . . . 21 – 23
Gebet einer Mutter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

Impressum
„Dischkurieren“ bedeutet im weitesten Sinne reden, unterhalten; das Wort ist im Dialekt gebräuchlich, findet sich aber auch
bei Schriftstellern, wie Ödön von Horváth;

Ausgabe 3
    Herausgeber: Sudetendeutsche Landsmannschaft, Landesgruppe Bayern e.V
     Hochstraße 8, 81669 München, Tel.: 089/48000346, Geschaeftsstelle@sudeten-by.de
     Verantwortlich: Margaretha Michel, Comeniusstraße 40, 91257 Pegnitz, mail@familie-michel.net

Bildnachweis/Herkunftsnachweis:
Seite 1: Kloster Plass bei Pilsen, Deckengemälde im Konventbau, später bis 1945 im Privatbesitz der Familie Metternich.
Die Anlage mit Brauerei und zwei hervorragenden Gastronomiebetrieben wird zur Zeit renoviert.
Seite 2: Schreiben des Landesobmanns Steffen Hörtler
Seite 4 – 8: Text Margaretha Michel mit Unterstützung von Rosemarie Dvořák-Kraus
Seite 1/4/5/6/7/9/11/24 Bilder: M. Michel
Seite 21-23 Text und Bilder Hannelore Heller
Seite 14: Bilder aus Wikipedia
Rückseite: Bild aus dem Kloster Ossegg; Aufnahme beim Seminar von Dr. Boldt, 2004; das Kloster liegt am Südhang des
Erzgebirges. Es ist ein historisch und künstlerisch wertvolles Baudenkmal und relativ leicht erreichbar.

Der Text von Maria Schulze-Kroiher aus dem Böhmerwald mit freundlicher Genehmigung von Alfred Kipplinger, Bezirks-
obmann von Unterfranken.

Der Text von Frau Pietschmann mit freundlicher Genehmigung ihrer Tochter Monika Bayer.

Gestaltung: hadlich-art, Sonnige Lehne 3, 95466 Weidenberg, design@hadlich-art.de;
Brigitt Hadlich ist Künstlerin und Designerin und Trägerin des Sudetendeutschen Kulturpreises für Bildende Kunst. Sie lei-
tet ehrenamtlich das Glas-Knopf-Museum in Weidenberg. Ihre Eltern (Glasmacher) stammen aus der Region Gablonz.

Texte und Bilder können mit Quellenangabe für landsmannschaftliche Zwecke verwendet werden.
Die Texte und Bilder von Dr. Piwernetz dürfen nur mit Genehmigung des Verfassers verwendet werden.

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"Dischkurieren . über die alte und neue Heimat für Sudetendeutsche und Neugierige! - Sudeten-Bayern
Kulturbrief der Landesgruppe Bayern
                         zu Pfingsten
„Dischkurieren über die alte und neue Heimat“ – Unter diesem Motto präsentiert unsere Landes-
kulturreferentin Margaretha Michel nun schon zum dritten Mal unseren Kulturbrief.

Dischkurieren – was ist das eigentlich? Ganz einfach – reden, schwätzen, ratschen. Wie für so viele Be-
griffe gibt es auch dafür so viele verschiedene in den vielfältigen Regionen, in denen Deutsche zu Hau-
se waren und sind. Reden über den Alltag, das Leben mit seinen Feiertagen, was man kocht und backt,
wie man sich kleidet, welche Lieder wann und wo gesungen werden.

Davon ist auch diesmal die Rede. In diesen Tagen zu Pfingsten ist seit der Vertreibung traditionell der
größte „Dischkurier-Stammtisch“ unserer Volksgruppe – der Sudetendeutsche Tag. Doch ausgerechnet
75 Jahre nach der Vertreibung, dieser menschengemachten Tragödie, hat uns und die gesamte Mensch-
heit ein schwerer Schicksalsschlag getroffen. Ein neues Virus hat dafür gesorgt, dass das gesellschaft-
liche und wirtschaftliche Leben weitgehend zum Stillstand gekommen ist. Auch wenn langsam vieles
wieder zum Laufen kommt sind Großveranstaltungen dieser Größenordnung noch nicht wieder mög-
lich. Deswegen möchten wir Ihnen, liebe Landsleute und Freunde unserer Volksgruppe, mit diesem
Heft ein bisschen Kultur nach Hause bringen. Ich freue mich, dass sich eine Reihe von Landsleuten mit
Beiträgen an der Gestaltung dieses Heftes beteiligt hat. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Mein großer Dank gilt aber auch allen, die in den letzten schweren Wochen dazu beigetragen haben,
dass auch in Zeiten der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen unsere Volksgruppe in ihrer breiten
Vielfalt in regem Austausch blieb. Sie haben in der „Sudetendeutschen Zeitung“ Berichte verfasst, sind
über die elektronischen Medien präsent gewesen oder haben einfach nur mal angerufen, gefragt, wie es
geht, wo kann man helfen. Gerade in solchen Krisensituationen lernt man Menschlichkeit kennen. Un-
sere Volksgruppe erweist sich auch in dieser Ausnahmesituation in jederlei Hinsicht als stark!

Hoffen wir gemeinsam, bald wieder zu unserem vielfältigen Vereinsleben zurückkehren zu können
und zusammen nicht nur in Bayern, sondern auch in der alten Heimat in Böhmen, Mähren, Sudeten-
Schlesien und überall in Europa und auf der Welt, wo es unsere Landsleute auch hin verstreut hat, uns
zu treffen und unsere starken Traditionen weiterleben zu lassen.

In diesem Sinne verbleibe ich in landsmannschaftlicher Verbundenheit,
Ihr Steffen Hörtler, Landesobmann Bayern der Sudetendeutschen Landsmannschaft

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"Dischkurieren . über die alte und neue Heimat für Sudetendeutsche und Neugierige! - Sudeten-Bayern
Fleischerei – Gastwirtschaft – Eisenbahn – und eine
böhmische Familie von Musikanten
von Margaretha Michel, mit Unterstützung von Rosemarie Kraus-Dvořák

Slonitz, Blick aus dem Dvořákmuseum zur Barockkirche von Slonitz

Nördlich von Prag befindet sich eine Hochfläche,            noch hat), konnten diese Fleischer und Gastwirte
die sich zu den Tälern von Eger, Elbe und Mol-              mit Musik die Gäste unterhalten.
dau leicht absenkt. Nur am Rande gibt es Berge,
wie den Říp oder Georgsberg und weit am Hori-               František Dvořák wurde am 19. 9. 1814 in Dřinov
zont die Vulkane des Böhmischen Mittelgebirges.             unweit von Slonitz (Zlonice) geboren. Seine Frau
Das Gebiet ist geprägt von Landwirtschaft, Hop-             Anna Zdeňková stammte aus Uhy westlich von
fen, Obst und Zuckerrübe – heute auch Mais-                 Welwarn (Velvary). Sie war 6 Jahre jünger. Ge-
anbau. Etwas südwestlich von Prag entstand bei              heiratet wurde 1840 im nahegelegenen Chržín
Kladno die Poldihütte; Eisenerz- und Steinkohle-            und nicht unweit davon befindet sich Mühlhau-
vorkommen machten es möglich.                               sen (Nelahozeves). Dort liegt an der Moldau auch
                                                            das mächtige Schloss der Familie Lobkowitz, wo
Seinen Lebensunterhalt zu verdienen war so um               der Vater von Ehefrau Anna Verwalter war. Anna
1850 nicht immer einfach. Aber die Dvořáks,                 Zdeňek arbeitete dort ebenfalls vor der Hochzeit.
auch Dworschaks genannt, hatten meist Fleischer
gelernt und dazu machten sie Musik. Da jede                 Das Paar Frantisek und Anna pachteten die Gast-
gute Gastwirtschaft häufig auch eine angeschlos-            wirtschaft mit Fleischerei gegenüber dem Schloss
sene Fleischerei besaß (und manchmal heute                  (möglicherweise eine Übernahme vom Vater des

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"Dischkurieren . über die alte und neue Heimat für Sudetendeutsche und Neugierige! - Sudeten-Bayern
Ehemannes). In dem Haus wurde der erste Sohn                  brachten große Opfer, um die Ausbildung zu er-
Antonin geboren, der später Weltruhm erlangte.                möglichen.

Die Moldau fließt östlich vom Schloss und dem                 Antons Bruder František Serafin wurde 17 Mo-
heutigen Museum vorbei. Fast parallel zu ihr ver-             nate nach ihm geboren, wie die fünf weiter fol-
laufen die Schienen der Eisenbahn, deren Bau                  genden Kinder ebenfalls in Mühlhausen. Nur die
den jungen Anton Dvořák so begeisterte. Sein                  beiden jüngsten Töchter kamen in Slonitz zur
Leben lang spielte das Interesse an Eisenbahnen               Welt, wo man später jeweils nacheinander zwei
für ihn und möglicherweise für seine Brüder eine              Gastwirtschaften mit Fleischerei gepachtet hat-
wichtige Rolle.                                               te. Franz/František lernte Fleischer wie der Vater.
                                                              Hier muss man wissen, dass im alten Österreich
Anton/Antonin war sehr musikalisch begabt, er                 die Fleischer auch ein halbes Jahr als Koch bezie-
arbeitete natürlich zuhause im Betrieb mit – hat              hungsweise im Service arbeiten mussten. Dieser
aber das Fleischerhandwerk anscheinend nicht                  František musste sich dann Arbeit suchen und
professionell erlernt. Er nahm als Jugendlicher               wurde angestellt bei der Eisenbahn „Bodenbach-
noch Musikunterricht und spielte in Kirchen, auf              Dux“ als Partieführer und leitete die Eisenbahn-
Festen und in Gaststätten bis ihm der Vater auf               kantine beim Bau der Strecke von Bodenbach
Bitten seiner Lehrer schließlich ein Studium der              über Teplitz nach Hof. Franz kam so auch nach
Musik in Prag erlaubte. Dort wohnte er bei einer              Kulm (Chlumec) bei Aussig (Ústí nad Labem)
Cousine des Vaters, aber die Mitglieder der Fami-             und lernte dort seine Frau Helena Watzke ken-
lie – so auch der etwas jüngere Bruder František–             nen, deren Eltern eine Zimmermannswerkstatt
                                                              betrieben. Am 31. 1. 1871 wurde geheiratet.

Orgel der Kirche von Kulm bei Aussig. Hier spielten schon mehrere Mitglieder der Kulmer Familie Dvořák.

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Das Paar zog mit den Eisenbahnbauern weiter.        Wie schon der Großvater erlernte Helenes Sohn
In Oberleutensdorf wurde am 2.3.1874 ein Jun-       Franz verschiedene Instrumente, aber für eine
ge geboren, ebenfalls František/Franz genannt.      fundierte musikalische Ausbildung fehlte das
Schließlich bezog man Quartier in Hof/Moschen-      Geld. Franz ging in die Schuhmacherlehre und
dorf in Bayern, wo das jüngste Dvořákkind Josef     nebenbei machte er viel Musik.
zur Welt kam. Der elfjährige Sohn Franz, der nun
auch mit in Moschendorf lebte, ging nach Hof in     1938 kam Chlum zum Deutschen Reich. Der ers-
die katholische Kirche zum Geigenunterricht. Er     te Sohn auch ein Franz geriet in die Fänge der
war ebenfalls hochmusikalisch begabt. Im Üb-        Gestapo und verstarb im März 1945 an den Fol-
rigen wurde der Bruder Karl/Karel von Anton         gen seiner Haft in Bautzen. 1945 wurde Vater
und Franz in Eger mit Eva Koch aus Königsberg       Franz als Neffe des berühmten Musikers Anton
an der Eger getraut. Karl war auch 1874 Taufpate    Dvořák von den Russen hoch geachtet. Er hät-
von Sohn Franz Karl.                                te sogar bleiben können, aber nicht Enkelin und
                                                    Schwiegertochter. So ging er mit in den Trans-
1882 war die Großmutter Anna in Kladno ge-          port über das Lager Schöbritz bei Aussig nach
storben. Die Familie Franz und Helene Dvořák        Eichhof bei Pasewalk in die SBZ. Sein zweiter
ziehen nach Böhmen zurück in die Heimat. Der        Sohn Josef wurde aus der amerikanischen Gefan-
Großvater ebenfalls František genannt, arbeitete    genschaft entlassen und kam nach Schwürbitz bei
nur noch als Zitherlehrer und wird vom zweiten      Lichtenfels. Er hatte aber bloß einen Wohnraum
Sohn Franz und Schwiegertochter Helene aufge-       und konnte nur Frau Antonie und Tochter Rose-
nommen. Es scheint ein gutes Verhältnis gewesen     marie zu sich holen. September 1949 gelang es
zu sein. Der Großvater versteht sich ausgezeich-    dem Sohn die Eltern ebenfalls zu sich übersiedeln
net mit der deutschen Schwiegertochter.             zu lassen.

Währenddessen hält Antonins Familie mehr Ab-        Das weitere Schicksal ist im Artikel im Lichten-
stand. Der berühmte Musiker bestellt seine Ge-      felser Volksblatt vom Anfang März 1964 be-
schwister nach Prag auf den Bahnhof, um Ge-         schrieben.
schenke zu übergeben.
                                                    Verstorben ist Franz Dvorak in Burgkunstadt
Das Zusammenleben in der Familie von Franz          am 30.3. 1965.
und Helene erfuhr einen Riss, als Franz/František
der Ehemann von Helene und Bruder des Musi-
kers an den „Schwarzen Blattern“, den Pocken am
23.2.1888 in Letky starb. Er war nur 45 Jahre alt
geworden.

Seine Frau versucht zuerst im Raum Welwarn zu
bleiben, aber es fehlte an Geld. Den Schwieger-
vater konnte sie aus finanziellen Gründen nicht
mehr weiter bei sich behalten. Er wäre gerne bei
der Schwiegertochter und den Enkeln geblieben.
Der alte Mann weint bitterlich. Er musste zu sei-
nen Töchtern. Helene zog zurück in ihre Heimat
                                                    Grabstein vom Stammvater Frantisek – Gedenkstein und
nach Kulm, wo sie bei ihren Brüdern finanzielle     Ort des Grabes wurden verändert.
Unterstützung fand.                                 Das Grab der Mutter Anna in Kladno ist unbekannt.

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Stammbaum
I.   Dvořák, František
     * 19. 9. 1814 in Dřinov bei Slonitz (Zlonice) = 28. 3. 1894 in Welwarn (Velvary)
     Zdeňková, Anna
     *1820 in Uhy bei Welwarn (Velvary), verh. 17. 11. 1840 in Chržín bei Welwarn (Velvary)
     = 15. 12. 1882 in Kladno, wohnhaft u.a. Mühlhausen (Nelahozeve), Slonitz (Zlonice) und Kladno

II. Dvořák, Antonin (1. Sohn)
     *8. 9. 1841 Mühlhausen (Nelahozeves) = 1. 5. 1904 in Prag

II. Dvořák, František Serafin (2. Sohn)
     *3. 2. 1843 Mühlhausen (Nelahozeves) = 23. 2. 1888 in Letky
     Watzke, Helena
     *1842 in Kulm (Chlumec )bei Aussig, verh. 31. 1. 1871 in Kulm, wohnhaft u.a. in Mühlhausen,
     Kulm, Oberleutensdorf, Hof - Oberfranken = 23. 3. 1914 Kulm,

III. Dvořák, František (Franz)
     *2. 3. 1874 in Oberleutensdorf (Litvinov), wohnhaft u. a. in Hof, Kulm, SBZ, Schöbritz/Michelau
     = 30. 3. 1965 in Burgkunstadt
     Rosenkranz, Anna
     *20. 11. 1876 in Ebersdorf (Harbatice), [Vater Arbeiter im Kohleschacht],
     verh. 31. 10. 1900 in Kulm = 11. 5. 1959 in Burgkunstadt

IV. Dvořák, Josef
     *2. 8. 1904 in Kulm 32 = 24. 2. 1996 in Wolfsloch, Gemeinde Hochstadt
     Hebeda, Antonie
     *22. 2. 1907 in Kulm 74, [Vater aus Kvaň bei Pilsen], verh. 14. 9. 1940 in Kulm
     = 6. 6. 1963 Burgkunstadt

V. Dworschak, Rosemarie
     *12. 11. 1941 in Kulm 32
     Kraus, Johann Wendelin
     *29. 7. 1938 in Wolfsloch Gmd. Wolfsloch,
     verh. 21. 5. 1972 Wolfsloch,
     = 28. 3. 2013 in Wolfsloch
     3 Kinder, 6 Enkelkinder

                                                             Rosemarie Kraus-Dvořák in Kulm bei Freunden,
                                                                             im Garten der Pension Richter

                                                                                                         7
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Das Böhmische Trio von Burglengenfeld
von Rosa Mehringer und Dr. Sigrid Ullwer-Paul, SL Kreisgruppe Burglengenfeld/Städtedreieck
Das Trio stellt sich vor: Rosa Mehringer, Han-             Bezirksversammlungen in Regensburg waren wir
nelore Götz und die Akkordeonspielerin Mari-               dabei. Ebenso singt es regelmäßig bei der gut be-
anne Fuchs.                                                suchten jährlichen Landesfrauentagung in Re-
                                                           gensburg. Darüber hat sich die Kreisvorsitzende
Rosa Mehringer, wurde im ehemaligen Pössig-                und Landesfrauenreferentin besonders gefreut. In
kau, Kreis Bischofteinitz 1940 geboren und ist seit        der näheren Umgebung ist das Trio überdies bei
20 Jahren Mitglied bei der SL Kreisgruppe Burg-            Musikantentreffen, in Seniorenheimen und Ge-
lengenfeld/Städtedreieck. Da bei den Monatstref-           burtstagen zu hören. Beim Treffen der „Dringe-
fen das Singen nicht fehlen durfte, gründete sie           bliebenen“ und Vertriebenen im böhmischen Bi-
zusammen mit Wilhelmine Herrmann (früher                   schofteinitz hat es auch schon gesungen.
Weißensulz) und Hannelore Götz, Akkordeon-
spielerin, ein Trio. Zufällig hatte Frau Mehringer         Der Komponist und Förderpreisträger für Musik
auch ein Liederbuch von Erhard Nowak gefun-                der Sudetendeutschen Landsmannschaft Andre-
den. Hannelore Götz, geboren in Bayern, ist seit           as Mehringer, geboren 1975, Sohn von Rosa und
12 Jahren Mitglied bei der SL Burglengenfeld, ob-          Josef Mehringer, ist seit mehreren Jahren mit der
wohl ihre Eltern aus Oppeln, Schlesien stammen.            Landsmannschaft verbunden. Mehrere Bearbei-
Da Mina Herrmann leider inzwischen verstorben              tungen für das „Böhmische Trio“ stammen aus
ist, wurde Marianne Fuchs, geboren 1957, als Er-           seiner Feder. Seine neue Komposition „Willkom-
satz gewonnen. Sie ist seit Anfang 2018 auch Mit-          men daheim“ wurde von diesem Trio bei der Er-
glied der SL. Ihr Vater stammt aus Wundingrün,             öffnung der Sudetendeutschen Heimatstube im
Kreis Falkenau, Egerland.                                  Oktober 2017 uraufgeführt.

Bei den Veranstaltungen der SL im Bereich Burg-            2019 produzierte er zusammen mit dem „Böhmi-
lengenfeld tritt das Trio des Öfteren auf. Es spielte      schen Trio“ eine CD-Aufnahme mit traditionel-
aber auch beim Sudetendeutschen Tag in Augs-               len böhmischen Liedern.
burg, beim Heimattreffen in Weiden und bei den

Rosa Mehringer, Hannelore Götz und die Akkordeonspielerin Marianne Fuchs.

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Das verhunzte Pfingsten
von Ilse Pietschmann

Jeder, der wie ich zwei Schwestern hat, weiß aus      Aus der allerobersten Kammer hörten wir die
Erfahrung, dass die albernen Weiber es andau-         Große, die Hedy, bis herunter räsonieren: „Schon
ernd mit der Ordnung halten. Wenn wir zwei Bu-        wieder liegt alles rum. Keiner räumt seine Klei-
ben nicht gleich alles auf den Platz legten, schrie   dung auf. Alles, was jetzt rumliegt, wird wegge-
schon eine: „Könnt ihr euere Sachen nicht auf-        worfen. Denen werde ich es schon zeigen, egal so
räumen! Ihr lasst alles so stehn und liegen, wie es   schlampig darf man nicht zu sein!“Und wirklich,
euch aus den Händen fällt! Nichts als Ärger hat       aller Papierkram kam in den großen Kohlenkas-
man mit euch Buben!“ So ging das alle Tage und        ten vor dem gekachelten Küchenofen. Uns zum
wir hatten das Getue oft bis oben rauf satt.          Trotz hatte Hedy auch ein Pulvertütchen erwischt
                                                      und weggebracht. Uns genierte das Gezeter nicht
Da in unserer Familie vom Großvater bis zum           mehr, das ging vorbei wie ein Gewitter und zum
Vater, jeder ein Jäger war und diese ihre Patronen    Schluss hatten sich die Beiden noch jedes Mal be-
selber machten, lag allerhand Pulver und Zube-        ruhigt.
hör im Pulverschränkchen am obersten Boden.
Natürlich in Schubkästen eingeschlossen. Da-          Zeitig früh, es war Pfingstsonntag, kamen schon
zumal war noch kein Gedanke an die heutigen           die ersten Kirchgänger und setzten sich rein in
neumodischen Gewehre mit allen Raffinessen.           die Gaststube. Die Mutter im Sonntagsstaate war
Die Erzeugung der Patronen ging so vor sich: In       gerade dabei, im Küchenofen Feuer zu machen.
die Patronenhülse kam ein Maaß Schwarzpulver,         weil es ja besonders geschwind gehen sollte, hatte
darauf ein Pfropfen und auf den Pfropfen noch         sie sich nicht erst die Lüsterschürze umgebunden.
Schroth und danach noch ein Blättchen Pappde-         Das war ein großer Fehler, wie sich bald heraus-
ckel. Zu guter Letzt wurde die Patrone mit einem      stellen sollte. Rasch, wie unsere Mutter immer
kleinen Maschinchen gefalzt und fertig war sie.       war, erwischte sie das alte Papierzeug aus dem
Wir Kinder guckten ganz andächtig zu, wenn ein        Kohlenkasten und stopfte alles, was drin lag, ins
paar Patronen fabriziert wurden.                      Ofenloch und hielt das Zündholz dran. Erst kam
                                                      ein elender Faucher, dann ein mordsmäßiger
Am Boden auf dem Pulverschränkchen standen            Knall, dass die Fensterscheiben klirrten, danach
noch verschiedene Tüten mit Pulver. Jeder von         ein Krach, als wenn ein Blitz eingeschlagen hätte.
uns wusste genau, an diesen Sachen darf sich nie-     Darauf folgte ein schreckliches Geschrei und La-
mand vergreifen, sonst setzt es was!                  mento.

Aber die Mädel hatten manchmal so ihren eige-         Wir Buben waren im Handumdrehen aus den
nen Kopf. – Es war kurz vor Pfingsten, die Feier-     Betten. In Windeseile sausten wir die Treppe hin-
tage nahten. Meine zwei Schwestern fingen mit         unter und in die Küche.
der üblichen Putzerei und Fegerei an. Wie über-       Der Anblick war haarsträubend! So was Schreck-
all, machten diese in ihrer übertriebenen Rein-       liches hatten wir noch nie gesehen! Unsere Mut-
lichkeit und Ordnungsliebe vor nichts Halt. Kein      ter stand wie eine Walküre vor dem Ofen. Die
ruhiges Fleckchen war mehr im ganzen Hause.           blonden Haare und die Augenbrauen waren ganz
Aus jeder Ecke wurden wir Buben von den zwei          versengt, die Wimpern und das Weiße aus den
Besen schwingenden Drachen mit Seifenwasser           Augen hatten eine Farbe und sonst war das gan-
und Wurzelbürste verjagt.                             ze Gesicht kohlrabenschwarz vom Rauch. Das
                                                      gute, mit glänzenden Pailletten bestickte schöne

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„Schwarzseidene“ war auf einmal vorn sehr de-               Das mochte der so übel zugerichteten Mutter in
koltiert. Die Pailletten lagen in der ganzen Küche          die falsche Kehle geraten sein. Sie kam mit der
verstreut herum, als wenn es dieselben geregnet             hocherhobenen Kohlenschaufel geradewegs auf
hätte. Der große Krach, das waren die eisernen              uns zu: „Da seid ihr zwei Sappermenter, ihr elen-
Ofenplatten, die hatten sich regelrecht gebogen             digen sicher wieder daran schuld. Am Ende
und waren in die Höhe gegangen. Der Knall kam               habt ihr das ausgeheckt! Na, ich erwisch euch
von dem Pulvertütchen, welches die Hedy aus                 schon noch!“
lauter Ordnungswut mit in den Papierkram ge-
stopft hatte. Zum großen Glück war nicht mehr               Wir hatten uns blitzartig verdünnisiert, diesmal
viel Pulver drin gewesen. Dass nicht alles hin              waren wir wirklich nicht schuld an dem Feuer-
war, kam davon, dass Mutter beim Einheizen, das             werk. Doch die Dresche blieb nicht aus. Aber
Ofen- und das Aschetürchen offengelassen hatte.             diesmal hatte man die Unschuldigen erwischt
                                                            und uns das ganze Pfingsten verpatzt. Die Weibs-
Die Küche füllte sich mit den ersten Gästen, die            bilder wurden auch tüchtig ausgeschimpft und
ganz erschrocken herumstanden und dumme                     verdonnert.
Gesichter machten.
                                                            Eine ganze Weile war nun wieder Ruhe, was das
Mein Bruder Peppi und ich, wir standen in einer             Aufräumen anbelangte. Vielleicht war auch nie-
Ecke und konnten uns vor Lachen nicht mehr                  mand mehr an die Pulvertütchen gegangen, weil
halten wir quiekten hellelaut und mussten uns               der Vater gesagt hatte: „Wer da nochmals dran-
den Bauch halten.                                           langt, den erschieß ich, verstanden!“

                                                            Anmerkungen:
                                                            Lüster (von franz. lustre = Oberflächenglanz) ist
                                                            ein glänzender Stoff.

                                                            Für das Gewebe wird Baumwolle als Kette ver-
                                                            wendet. Der Schuss kann aus Kammgarn, Mo-
                                                            hair oder Alpaka bestehen. Lüster wurde früher
                                                            vor allem für Oberbekleidung, insbesondere für
                                                            Jacken, Schürzen und Schuluniformen verwen-
                                                            det. Marcel Pagnol etwa berichtet in seinen Kind-
                                                            heitserinnerungen, die Schüler hätten im Gym-
                                                            nasium einen schwarzen Lüsterkittel über der
                                                            Straßenkleidung tragen müssen.
                                                            (Quelle Wikipedia).

                                                            Die Knallerei war früher ein üblicher Spaß und
                                                            hängt mit der Vertreibung von bösen Geistern
                                                            zusammen. Heute wird es zu Sylvester stark über-
                                                            trieben. Patronen selber herzustellen, ist aber
                                                            nicht nur verboten, sondern sehr gefährlich, da
                                                            man die Mengen nie genau abschätzen kann.
Alter Sesselofen aus Nordböhmen (Foto von 1975), wie er
auch in der Küche des Wirtshauses gestanden haben könnte.

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Die Kuchenrandel
     von Ilse Pietschmann

     Als die Hille-Frieda den Bezirksrichter
     Worsch heiratete, sollte ich hinüber gra-
     tulieren gehn, wie das so Brauch war. Eine
     Glückwunschkarte und ein kleines Ge-
     schenk musste ich mitnehmen. Das mach-
     te ich mit Vorliebe. Bei mancher Hochzeit
     war ich schon bis ins Oberdorf gerannt,
     gab meine Gratulation ab und trat mit ei-
     nem Fuß auf den anderen. Na, die werden
     mich doch nicht vergessen haben? Oder
     geben die mir heute kein einziges Streiferl
     Kuchen? Der Kuchen war ja die Hauptsa-
     che für uns Kinder. Dafür liefen wir schon
     ein großes Stückl Weges.

     Bei der Hille-Hochzeit stand ich also bei
     der Brautmutter in der Küche rum mit
     meiner Gratulation und wartete auf den
     erhofften Kuchen. Wie große Wagenräder
     lagen die Kuchen auf dem Tische, große
     Klecksel-, Streusel, Quark- und Pflaumen-

12
12
kuchen, auch Doppelkuchen waren da-
bei. Meine Augen gingen mir über und im
Munde lief mir schon das Wasser zusam-        Die Braut in Ihren Hochzeitsstaate mein-
men. Die Köchin, der Geizkragen, gab mir      te: „Rudi, hat dir wohl unser Kuchen
aber nur lauter abgeschnittene Randel,        nicht geschmeckt, dass du hier die Ran-
eine ganze Hocke voll nur lauter Kuchen-      del hinlegst?“ Ich sagte drauf: „Nein,
randel. Ich war so verdattert, dass ich die   nein, ich hab doch gar keinen Kuchen ge-
Hocke erwischte und schleunigst sah, dass     kriegt, nur lauter Kuchenrandel hat mir
ich rauskam.                                  die Köchin gegeben, nicht ein Stückchen
                                              richtigen Kuchen!“ Da lachte die gan-
Draußen packte mich erst die helle Wut!       ze Gesellschaft helllaut und ich musste
                                              nochmals reinkommen und bekam ein
Die Treppen hinunter ins Vestibül hat-        tüchtiges Paket mit den allerschönsten
ten sie schon einen schönen, dunkelroten      Kuchen mit nach Hause.
Teppich ausgelegt für das Hochzeitspaar.
Da legte ich, schön ordentlich, mitten auf
den Teppich, auf jede Stufe ein Kuchen-
randel, die langten gerade bis runter vor
die Türe. Mit einem Male hörte ich eine
Kutsche halten und schon stieg das Braut-
paar aus und kam geradewegs auf mich
zu.

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Der Räuber Hotzenplotz und die Stadt
gleichen Namens
von Dr. Dieter Piwernetz

„Der Räuber Hotzenplotz“ ist die Hauptfigur in
der abenteuerlichen Kasperlgeschichte von Ot-
fried Preußler, die 1962 als Buch erschienen ist.
Das Buch kennt jedes Kind. Doch wie der Räuber
Hotzenplotz zu seinem Namen gekommen ist,
das wissen nicht alle Leser.

Die befestigte Stadt Hotzenplotz um 1658            Erschienen im Thienemann-Esslinger Verlag
Bild: Wikipedia                                     Blumenstraße 36 D-70182 Stuttgart

Bis 1945 gab es in Österreichisch-Schlesien ein     tatsächlich entstanden ist und wann er erstmals
kleines Städtchen mit dem deutschen Namen           nachweislich verwendet wurde. Zu bedenken ist
„Hotzenplotz“. Der merkwürdige Stadtname hat        allerdings, dass ein Ortsname schon lange im all-
Otfried Preußler schon als Kind so beeindruckt,     gemeinen Sprachgebrauch verwendet worden
dass er ihn als passenden Namen für den Räuber      sein muss, bevor er in Dokumente, Urkunden
in seinem berühmten Kinderbuch wählte.              oder Geschichtsbücher eingeht. Ortsnamen sind
Hotzenplotz“ liegt etwa 150 km südöstlich von       stets älter als ihre erste urkundliche Erwähnung.
Breslau an den östlichen Ausläufern des Alt-
vatergebirges am linken Ufer der „Osoblaha zu       Entstand „Hotzenplotz“ als Verballhornung
deutsch Hotzenplotz“, die bei Krappitz (Krap-       des slawischen Namens „Osoblaha“?
kowice) in die Oder mündet. Der Fluss gab der       Der Breslauer Forscher Heinrich Adam (1888)
Stadt ihren Namen. Der Name Osoblaha ist sla-       vermutete, es habe schon vor dem slawischen Na-
wischen Ursprungs.                                  men „Osoblaha“ (polnisch Osobłoga) auch einen
                                                    slawischen Flussnamen „Ossa“ gegeben und da-
Wie entstand der deutsche Name „Hotzen-             von abgeleitet Ortsnamen wie „Ossoblavia“ oder
plotz“?                                             „Ossoblaka“ und deutet die Entstehung des deut-
Wissenschaftlich ließ sich bisher noch nicht klä-   schen Namens „Hotzenplotz“ als Verballhornung
ren, wie der deutsche Ortsname „Hotzenplotz“        eines slawischen Namens. Verballhornungen las-

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sen also gewöhnlich einen phonetischen Zusam-       dere, wenn man berücksichtigt, dass der Wieder-
menhang zwischen den verballhornten Wörtern         aufbau der zerstörten Stadt durch Siedler aus dem
oder Redewendungen erkennen. Bei einem pho-         Heiligen Römischen Reich, so auch aus dem El-
netischen Vergleich des slawischen Wortes Oso-      sass und die Neugründung der Stadt nach deut-
blaha mit dem deutschen Wort Hotzenplotz ist        schem Stadtrecht erfolgt ist.
ein lautlicher Zusammenhang selbst mit großer
Phantasie nicht erkennbar. Überdies ist der deut-   Um die Mitte des 13. Jahrhunderts bemühte sich
sche Name Hotzenplotz weder eine „Verschlech-       Bruno von Schauenburg, der neue Bischof von
terung“ noch eine „sinnentstellende Änderung“       Olmütz, um eine Neubesiedlung des wüst liegen-
des slawischen Wortes Osoblaha, weil es für den     den, ehemals slawischen Gebietes und um den
slawischen Eigennamen keine deutsche Überset-       Wiederaufbau der zerstörten Stadt. Mit Zustim-
zung gibt. Die Deutung des deutschen Namens         mung des böhmischen Königs Ottokar I. Přemysl
Hotzenplotz als Verballhornung des slawischen       (1155-1230) gelang es ihm, Siedler aus Schwaben,
Namens Osoblaha erscheint deshalb nicht recht       Bayern, Franken und Sachsen für die Zuwande-
schlüssig.                                          rung zu gewinnen. König Ottokar förderte die
                                                    Zuwanderung und die Ausbreitung ihrer Wirt-
Der Name „Hotzenplotz“ ist eine deutsche            schaftsform in Böhmen. Ein besonderer Förderer
Wortschöpfung                                       war sein Sohn König Wenzel I. Přemysl (1205–
Die Besiedlung des Gebietes um Hotzenplotz er-      1253), der von 1230 bis 1253 böhmischer König
folgte im 10. Jahrhundert durch Slawen. Sie ga-     war. Von 1253 bis 1278 war Ottokar II. Přemysl
ben der Ansiedlung den slawischen Namen „Oso-       (1232-1228) König von Böhmen und schon ab
blaha“ nach dem gleichnamigen Fluss. Um die         1251 Herzog von Österreich.
Besitzverhältnisse hat es zwischen Böhmen und
Polen immer wieder Kriege gegeben, bis das Ge-      Der Olmützer Bischof schickte, wie damals üb-
biet schließlich im Frieden von Glatz 1137 zum      lich, „gewandte Werber (sog. Lokatore)“ in das
Bistum Olmütz kam und damit in Schlesien eine       Heilige Römische Reich, um Siedler anzuwer-
Enklave des Königreichs Böhmen wurde. Die           ben. Als Belohnung für eine erfolgreiche Anwer-
Stadtgründung erfolgte 1235 durch den Bischof       bung erhielt der Lokator ein Stück Land im Sied-
von Olmütz. Während der Mongoleneinfälle im         lungsgebiet. Die Anwerbung ging natürlich nur
Sommer 1241 wurde die Stadt völlig zerstört. Die    mit Zustimmung der zuständigen Landesherren,
Bewohner flüchteten oder wurden umgebracht.         denn die einfachen Bauern durften als Leibeige-
Stadt und Land waren danach entvölkert und la-      ne der Landesherren nur mit deren Erlaubnis
gen wüst. Die wenigen zurückkehrenden Slawen        Hof und Land verlassen. „Die deutschen Ansied-
vermochten die Stadt nicht wiederaufzubauen.        ler wurden in persönlich ganz freien Pachtver-
                                                    hältnissen auf grundherrlichen Boden angesie-
Ein Blick in die Geschichte Mitteleuropas im        delt mit Zinsleistungen nur für den Grund und
13. bis 14. Jahrhundert, die Zeit der Neubesiede-   Boden.“ (HOFFSSTAEDTER). Die zugesicherten
lung des ehemals slawischen Gebietes mit deut-      persönlichen Freiheiten und die Aussicht auf ein
schen Siedlern, bietet eine denkbare Erklärung      besseres Leben waren ein starker Anreiz für die
für eine deutsche Wortschöpfung des Namens          Auswanderung in ein unbekanntes, fernes Land
Hotzenplotz. Die Grundhaltung der Přemysliden       im Osten. Man darf davon ausgehen, dass nur die
und Landesherren im Königreich Böhmen, die          kräftigsten, fleißigsten und furchtlosesten Men-
die Einwanderung deutscher Siedler in Böhmen        schen ein solches Wagnis eingingen. Die Siedler
förderten, spricht sehr für einen germanischen      kultivierten in kurzer Zeit das Land in ihrer neu-
Ursprung des Namens „Hotzenplotz“. Insbeson-        en Heimat, rodeten Wälder, legten neue Felder an

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und gründeten neue Ansiedlungen. Die wenigen       wurden auch jene Männer als Hotzen bezeichnet,
noch verbliebenen Slawen versuchten vielfach       die Hotzenhosen trugen. Das Badischen Wörter-
sich in den deutschen Siedlungen niederzulassen.   buch erwähnt, im Bettlerbuch von 1510 stand der
                                                   rotwelsche Begriff houtz und houtzin für Bau-
Die Neugründung der zerstörten Stadt erfolg-       er und Bäuerin. Nach GÖTZ habe man im Ale-
te 1250 nach Magdeburger Stadtrecht. Andere        mannischen schließlich unter dem Begriff Hot-
Städte im Königreich Böhmen aber auch in Polen     ze einfache, anspruchslose Bauern verstanden,
sind nach Magdeburger, Nürnberger und Wie-         wie sie jahrhundertelang in den weiten Wäldern
ner Recht gegründet worden. Bis 1260 war die       und den kaum zugänglichen Waldgebiet im süd-
wüst liegende, slawische Stadt wiederaufgebaut     lichen Schwarzwald gelebt haben, der später als
und bis 1267 auch die Umgebung wieder nutzbar      Hotzenwald bezeichnet worden ist. Das Haus der
gemacht. An den ehemals slawischen Charakter       Hotzen hieß Hotzenhaus und die gute Stube Hot-
der Stadt erinnerte nur noch die Stadtanlage als   zenstube. Das Gebiet, in dem die zähen und an-
Rundling.                                          spruchslosen Bauern lebten, wurde etwas abfällig
                                                   Hotzenland genannt. Wohlgemerkt, alle Namen
Der Name hotz/ hotze/ Hotzenwald und seine         haben sich die Betroffenen weder selbst gegeben,
Verwendung in Süddeutschland                       noch haben sie ihre Siedlungsgebiete so genannt.
Geht man nun von den historischen Siedlern aus
Schwaben, Bayern und Franken aus, dann wer-        Wie die neue Stadt zum Namen Hotzenplotz
den auch die im neuen Ansiedlungsgebiet ge-        kam?
sprochenen Dialekte zum größten Teil dem süd-      Man darf davon ausgehen, dass die deutschen
deutsch-alemannischen Dialektraum entstammt        Siedler fleißig, arbeitsam und selbstbestimmt wa-
sein.                                              ren und einen großen Selbstbehauptungswillen
                                                   besaßen, denn sonst wären sie nicht in das unbe-
In süddeutschen Dialekten taucht schon im frü-     kannte, wüst liegende Gebiet im Altvatergebirge
hen Mittelalter das Wort Hotzen auf. Nach dem      ausgewandert. Das waren auch genau jene Eigen-
Badischen Wörterbuch war bereits um 1300 das       schaften, die der Bischof von Olmütz von seinen
Wort bekannt. Ein Wort muss jedoch schon lan-      Siedlern für die Neubesiedelung erwartet hat.
ge und allgemein verbreitet gewesen sein, wenn     Ist es deshalb nicht auch denkbar, dass die aus-
es in ein Wörterbuch aufgenommen wird. Im          wanderungswillige Bauern von ihren ehemaligen
Heiligen Römischen Reich gab es in der schwä-      Landesherren insgesamt und verallgemeinernd
bisch-alemannischen Mundart, also schon in der     schon als „Hotzen“ annonciert worden sind, um
Zeit als die deutschen Siedler um die Mitte des    die robuste, belastbare und selbstbestimmte Le-
13.Jahrhunderts in das wüst liegende slawische     bensart der auswandernden Bauern nochmals
Gebiet um Osoblaha einwanderten, das Wort          besonders zu betonen und hervorzuheben?
Hotz, im Plural Hotzen.
                                                   Angenommen der Bischof von Olmütz hätte den
In Südwestdeutschland und der Schweiz verstand     Begriff „Hotzen“ übernommen und demgemäß
man im Mittelalter unter Hotz oder Hotzen zu-      das relativ kleine, ehemals slawische Siedlungs-
nächst ein grobes und strapazierfähiges, graues,   gebiet mit einer Fläche von nur 2.570 Hektar in
schwarzes oder braunes Wolltuch, das Hotzen-       seiner Kanzlei als „Platz der Hotzen“ bezeichnet.
tuch, woraus wetterfeste Kleidungsstücke, wie      Der Bischof von Olmütz wäre dem Trend der Zeit
Hosen, Jacken, Mäntel und Kappen angefertigt       gefolgt. Die Sprache in Akten und Geschichts-
wurden. Später wurden die aus Hotzentuch gefer-    schreibung im 13. und 14. Jahrhundert war zwar
tigten Hosen als Hotzen bezeichnet. In Südbaden    bisweilen noch lateinisch, doch nach der Einfüh-

16
rung der deutschen Sprache in der Prager Reichs-             Nach diesem geschichtlichen und etymologi-
kanzlei als „böhmische Kanzleisprache“ zeig-                 schen Ausflug erscheint die Erklärung des deut-
te sich, dass in den Archiven zunehmend auch                 schen Namens „Hotzenplotz“ als Verwendung
Ortsnamen in deutscher Sprache abgefasst wor-                des um die Mitte des 13. Jahrhunderts im schwä-
den sind. Ab 1300 wurde in Akten und Urkun-                  bisch-alemannischen Sprachraum bereits allge-
den bereits überwiegend die mittelhochdeutsche               mein bekannten Wortes „Hotzen“ plausibler als
Sprache angetroffen. Auf mittelalterlichen Karten            die Deutung des Namens durch eine Verballhor-
findet sich dementsprechend der deutsche Fluss-              nung des slawischen Namens „Osoblaha“. Es ist
name „Die Hotzen Plotze“ anstelle des slawi-                 überdies höchst unwahrscheinlich, dass durch
schen Flussnamens Osoblaha. Übrigens auch ein                eine Verballhornung zufällig eine sinnvolle Wort-
Hinweis darauf, dass es keine deutsche Überset-              verbindung entstanden sein soll, die in ähnlicher
zung für Osoblaha gab. Dabei war es üblich, um-              Weise in einem weit entfernten Dialektraum im
ständliche Beschreibungen zu einem Wort zu-                  Heiligen Römischen Reich schon längst als “Hot-
sammenzufassen. Damit wäre eine plausible und                zen“, „Hotzenland“ und „Hotzenwald“ bekannt
einleuchtende Erklärung für den einfachen und                und gebräuchlich war.
klangvollen deutschen Namen „Hotzenplotz“ ge-
funden. „Plotz“ lässt sich als mundartlicher Aus-            Die weitere geschichtliche Entwicklung der
druck für „Platz“ erklären. In zeitgenössischen              Stadt „Hotzenplotz“
Urkunden und Dokumenten führten die Bischöfe                 Hotzenplotz war seit 1260 ein Lehen des Königs
von Olmütz seinerzeit auch den deutschen Titel               von Böhmen an das Bistum Olmütz und eine
„Herzog von Hotzenplotz“ (wikipedia.org/wiki/                mährische Enklave in Schlesien. Hotzenplotz und
Osoblaha).                                                   sein Umland wurden immer wieder von Kriegen

Ausschnitt aus der politischen Karte von Böhmen, 1905, Maßstab 1:1.800.000

                                                                                                           17
und Brandschatzungen heimgesucht, vor allem in                Ab 1850 gehörten Österreichisch-Schlesien und
den Hussitenkriegen von 1419 bis 1436. Die wirt-              Hotzenplotz zum Kaiserreich Österreich, von
schaftliche Entwicklung des Gebietes hat unter                1867 bis 1918 zur Österreich-Ungarischen Mo-
den Kriegswirren sehr gelitten. Um als mährische              narchie. Ab 1918 verblieb der Großteil Österrei-
Enklave in Schlesien wehrhaft zu bleiben, wurde               chisch-Schlesiens bei der neu gegründeten Tsche-
1656 in Hotzenplotz eine „Bürgerliche Schützen-               choslowakei, nur ein kleiner Teil wurde Polen zu-
gesellschaft“ gegründet. Nach dem Ersten Schle-               gesprochen. Trotz aller Zerstörungen und Brand-
sischen Krieg zwischen Österreich und Preußen                 schatzungen in den vergangenen Jahrhunderten
von 1740 bis 1742, dem Vorfrieden von Breslau                 blieb die Stadt Hotzenplotz über 500 Jahre lang
vom 11. Juni 1742 und dem Friedensvertrag von                 erhalten und unverändert, bis mit dem Ende des
Berlin vom 28. Juli 1742 verblieb nur ein kleiner             Zweiten Weltkriegs 1945 auch das Ende der deut-
Teil von Schlesien bei Österreich, der Großteil               schen Stadt kam.
fiel an Preußen. Der bei Österreich verbliebene
Teil hieß nun „Österreichisch-Schlesien“, offiziell           Die Bevölkerungsentwicklung bis 1945
„Herzogtum Ober- und Niederschlesien“. Zu die-                1834 gab es in Hotzenplotz 3.558 deutsche Ein-
sem Teil gehörte auch Hotzenplotz, die ehemals                wohner, davon waren 2.971 Katholiken und 587
mährische Enklave in Schlesien. Hotzenplotz                   Juden und bis 1880 stieg die Einwohnerzahl auf
unterstand nun dem Kreisgericht Teschen, dem                  4.012 Einwohner. 1890 zählte man in der Stadt
Landgericht Troppau und dem Oberlandgericht                   3.622 deutsche Einwohner. 1900 gab es nur noch
in Brünn. Durch die neue Grenzziehung nach                    3.199 deutsche Einwohner. Durch Abwanderung
dem Friedensvertrag verlor die Stadt ihren natür-             nach dem 1. Weltkrieg ging die Zahl bis 1920 auf
lichen Wirtschaftsraum in Schlesien, was erhebli-             2.500 zurück. 1930 zählte man 2.237 Einwohner
che wirtschaftliche Nachteile mit sich brachte.               und 1939 betrug die Einwohnerzahl noch 2.138

Hotzenplotz um 1900. Der Ringplatz mit dem Marktbrunnen.
Ansichtskarte vom 25.3.1910 (Verlag Paul Steffan, Hotzenplotz, Österreichisch-Schlesien, Sammlung D. Piwernetz)

18
Aufschriftseite der Ansichtskarte mit Textbereich
Österreichische Marke mit Doppelkreis-Stempel vom 25.3.1910 entwertet.

Einwohner. Bis zum Herbst 1946 sind fast alle                waggons bis nach Jägerndorf transportiert und
deutschen Einwohner aus Hotzenplotz vertrieben               von dort weiter nach Bayern, Baden-Württem-
worden. Für 1947 wird eine Zahl von 421 ange-                berg und Hessen.
geben.
                                                             Nach über 500 Jahren deutscher Besiedlung ist
Das Ende der deutschen Besiedlung von Hot-                   mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der
zenplotz                                                     Vertreibung der Deutschen auch der deutsche
Das Ende der deutschen Besiedlung von Hotzen-                Name Hotzenplotz in der Tschechoslowakei ver-
plotz begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Am                  schwunden. Heute trägt die Stadt nur noch den
21.3.1945 besetzte die Rote Armee nach heftigen              tschechischen Namen Osoblaha. Doch an den
Kämpfen die Stadt Hotzenplotz. Am 8.5.1945 war               einstigen deutschen Namen Hotzenplotz erinnert
das Zentrum von Hotzenplotz fast völlig zerstört.            heute noch in über 30 Sprachen der Welt der Ti-
Die vor dem Kriegsgeschehen ins Altvatergebir-               tel des weltbekannten Jugendbuchs von Otfried
ge geflohene Bevölkerung kehrte im Mai und                   Preußler: „Der Räuber Hotzenplotz“.
Juni 1945 in die zerstörte Stadt zurück, in der die
meisten Häuser unbewohnbar waren. Kurz nach
ihrer Rückkehr wurden alle männlichen Perso-
nen zwischen 14 und 60 Jahren zur Zwangsarbeit
in die Kohlebergwerke in Mährisch Ostrau (Ost-
rava) verpflichtet. Im Frühjahr 1946 begann dann             Artikel gekürzt,
                                                             Gesamtartikel und Literatur auf Anfrage!
die Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Bis
zum Herbst 1946 wurden die Deutschen in Vieh-

                                                                                                             19
Die Poststempel von Hotzenplotz bis 1945
von Dr. Dieter Piwernetz

Poststempel dokumentieren den Weg und die           wendet. Von 1918 bis 1938 gab es zweisprachige
Beförderungsart eines Briefes. Seit es Briefmar-    Stempel der tschechischen Post, oben OSOBLA-
ken gab, wurden diese mit einem Poststempel         HA Č.S.P. und unten HOTZENPLOTZ. Dane-
entwertet. Am Ankunftsort erhielten Postsen-        ben war aber auch ein einsprachiger Stempel nur
dungen noch Anfang des 20. Jahrhunderts einen       mit tschechischem Ortsnamen in Gebrauch. 1938
Eingangsstempel.                                    wurde in dem zweisprachigen Ortsstempel der
                                                    tschechische Ortsname entfernt (aptiert).
Schon bald erkannte man die Bedeutung von
Poststempeln als Werbeträger, die in alle Welt      Nach dem 2. Weltkrieg wurden von der tschechi-
gingen. So entstanden die Werbestempel. Für be-     schen Post zunächst die zweisprachigen tschechi-
sondere Anlässe wurden zum Gedenken Sonder-         schen Stempel von 1931 kurze Zeit wiederver-
stempel herausgegeben. Das Sammeln von Post-        wendet, allerdings nun mit der Aptierung des
stempeln erfreut sich heute großer Beliebtheit,     deutschen Namens HOTZENPLOTZ im unteren
weil sich damit die Geschichte eines Ortes bele-    Stempelbogen.
gen lässt, wie z. B. bei Hotzenplotz.
                                                    Ab Ende 1945 gab es dann nur noch Stempel der
Das Postamt in Hotzenplotz wurde um 1835 er-        tschechischen Postverwaltung mit OSOBLAHA
öffnet. Von 1835 bis zum Ende des 1. Weltkriegs     Č.S.P., ohne Hinweis auf den früheren deutschen
1918 wurden nur österreichische Poststempel mit     Namen.
dem deutschen Namen HOTZENPLOTZ ver-

Die deutschen Poststempel der K.u.k. Österreichischen Post bis 1919

     von 1853                       von 1897                  von 1910                 von 1919

Die tschechischen Poststempel von 1918 bis 1938            Deutscher Notstempel von 1938
                                                           (aptierter tschechischer Stempel von 1931)

      von 1931                     von 1933

20
Kochkreis der Sudetendeutschen Landsmann-
schaft, Ortsgruppe Roth
Von Hannelore und Dieter Heller, Roth

1986 bildete sich innerhalb der Sudetendeutschen
Landsmannschaft Roth ein Kochkreis. Noch heu-
te im Jahr 2020 besteht er, allerdings in etwas ver-
änderter Form.

1985 hatte der relativ „junge“ Ortsobmann Dieter
Heller alle Mitglieder unter 50 Jahren zu einem
Gedankenaustausch über gewünschte Aktivitäten
eingeladen. Es sollten Anregungen für die Ver-
                                                       Böhmischer Abend mit Liwanzen
einsarbeit gesammelt werden. Neben dem Inter-
esse für literarische Vorträgen und der Gründung       bereitungsarbeiten, gab entsprechende Hinweise
eines Volkstanzkreises bestand auch der Wunsch         und verfasste zum Kopieren das Rezept in schrift-
nach einem Kochkreis, der sich mit heimatlichen        licher Form. Er arbeitete aber auch selbst bei der
Rezepten beschäftigen sollte, die früher als Haus-     Zubereitung mit. Auch für das Mitbringen von
mannskost beliebt und bekannt waren, aber meist        Getränken wurde einer beauftragt.
nicht in gedruckten Kochbüchern stehen. So soll-       Die Kosten für die Zutaten und die Getränke
ten gleichsam unsere Eltern und Großeltern – so-       wurden am Schluss des Kochabends ermittelt,
weit noch vorhanden – aktiviert und zu Koch-           aufgerundet und auf alle Teilnehmer gleichmäßig
abenden eingeladen werden.                             umgelegt. Der verbleibende Erlös wurde in einer
                                                       Handkasse verwaltet.
Suche nach einer geeigneten Küche
Es erwies sich als Glücksfall, dass dem gewünsch-      Teilnehmerkreis
ten Kochkreis eine stv. Schulleiterin und eine         Im Durchschnitt 12 – 16 Teilnehmer, davon 2 –
Schulsekretärin angehörten. So konnten wir bald        3 Männer. Die Altersspanne reichte von 20 – 85
in einer Schulküche gegen eine Benutzungsge-           Jahren.
bühr agieren.
                                                       Besonderheiten
Der Ablauf eines Kochabends                            Ursprünglich war gedacht, dass die älteren
(Dauer:19.00 bis 22.00 Uhr)                            Landsleute ihre „im Kopf gespeicherten Rezep-
Grundsätzlich wurde nur eine gemeinsame                te“ zubereiten und so maßgeblich zur Überlie-
Mahlzeit oder ein Menu zubereitet. Es wurde            ferung alter nicht gedruckter Rezepte beitragen.
vorher festgelegt, welches Gericht gekocht wer-        Dieser Plan ging nur teilweise auf, da sich viele
den sollte, wer dafür zuständig und verantwort-        der betagten Landsleute ein „Vorkochen“ im grö-
lich sei. Im Vordergrund stand immer das Motto         ßeren Teilnehmerkreis nicht zutrauten. Es ist da-
„böhmische Küche“, aber manchmal wurde auch            her wichtig, dass an Gerichte unserer Eltern und
über den Tellerrand hinausgeschaut.                    das sie begleitende Brauchtum erinnert wird und
Der Verantwortliche kaufte die Zutaten ein, such-      dann gemeinsam alte Rezepte zusammengetra-
te sich eventuell geeignete Helfer und führte beim     gen und zubereitet werden.
Kochen Regie. Dann verteilte er die Vor- und Zu-

                                                                                                      21
Wesentlich war, dass sich der Kochkreis einmal     stützte den Ankauf der neuen Winterhalter Orgel
monatlich an einen festen Termin in der Schul-     aus dem Schwarzwald. 80 Portionen böhmischen
küche getroffen hat. Im Sommer wurde dazu ein      Schweinebratens mit böhmischen Knödeln und
Grillabend in einem Privatanwesen durchgeführt.    Kraut gab es, dazu als Nachtisch Liwanzen und
Weiter wurde einmal im Jahr ein gemeinsamer        einen Karlsbader Becherbitter. In einem eigenen
Ausflug – soweit möglich mit einer dem Koch-       Vortrag konnten wir in der Pfarrei über die Ge-
kreis angepassten Besichtigung (Mühle, Lebens-     schichte des Sudetenlandes informieren.
mittelbetrieb, Weingut) – durchgeführt.
Aus Gründen der Öffentlichkeitswirkung wurden      Im Rahmen des 15-jährigen Bestehens unserer
die Kochabende in der lokalen Presse unter „Ver-   Arbeit entstand eine kleine Broschüre mit dem
einsnachrichten“ bekannt gemacht. Während der      Titel „Koch- und Bacrezepte – vorwiegend aus
Kochabende wurden auch aktuelle SL-Informa-        der böhmischen Küche“, die käuflich erworben
tionen weitergegeben und die Geselligkeit wurde    werden konnte.
nicht vergessen.                                   Rezeptbeispiele: Blumenkohlsuppe, Böhmischer
                                                   Schweinebraten, Bohnengulasch, gefüllte Kartof-
Beim Rother Altstadtfest waren die Mitglieder      felknödel, Grenadiermarsch, Szegediner Gulasch,
des Kochkreises viele Jahre aktiv tätig, backten   böhmische Semmelknödel, Dorschengemüse,
dort Liwanzen aus und verkauften jeweils etwa      Franzenknödel, Hefeknödel, Dillsauce, Dukaten-
450 Stück. Zwetschgenknödel und auch böhmi-        buchteln, Liwanzen, Powidltascherl, Quarkecken,
sche Kleckselkuchen (ca. 120 Stück), am Vortag     Zwetschgenknödel aus Kartoffel- und aus Quark-
gemeinsam in der Schulküche gebacken, zeigten      teig, Kleckselkuchen, Mohntorte, Weihnachts-
die sudetendeutsche Kochkunst auf.                 striezel, Teepunsch etc.
Ein Böhmischer Abend im Jahr 2011 durchge-
führt als Benefizveranstaltung im Pfarrheim zu-    Ein Exemplar des Kochbuches liegt der Sudeten-
gunsten der Katholischen Pfarrei Roth unter-       deutschen Heimatpflege vor.

                                                                       Kleckselkuchen für das Altstadtfest

22
Aktuell                                             zum ehemaligen Flüchtlingslager Wülzburg in
Ab 2012 stand keine geeignete Küche mehr zur        Weißenburg, zum Besuch des Viktualienmarktes
Verfügung. Der Raum wurde für die Mittagsbe-        in München etc.
treuung benötigt. Der Zusammenhalt im Koch-
kreis blieb und absolviert ein umfangreiches Jah-   Der Jahresabschluss erfolgt obligatorisch mit der
resprogramm mit kleinen Ausflügen und Besich-       Waldweihnacht im Rother Stadtpark beim Vogel-
tigungen mit anschließender Einkehr. (Stand Mai     beerbaum mit Vogelbeerpunsch aus dem Erzge-
2020). So treffen wir uns nach wie vor einmal im    birge.
Monat zur Geselligkeit und Weitergabe von aktu-
ellen SL-Informationen.                             Die Muttertagsfeiern der Ortsgruppe, die Ad-
Themen: Rezeptgespräche, Schlachtschüsselessen,     ventsfeier und das jährliche Vogelbeerbaumfest
Spargelessen, Besuch von Gaststätten mit böhmi-     (mit Liwanzen, Schneeballen, Karlsbader Obla-
scher Küche, einer Ölmühle, Aufsuchen von Ver-      ten, Kaffee, Becherbitter, Vogelbeerschnaps und
triebenendenkmälern, Anhören von Vorträgen,         weiteren Kaltgetränken) werden überwiegend
Besichtigung einer Christbaumschmuckfabrik in       von den Mitgliedern des Kochkreises bestückt.
Roth, Besuch des Hollunderhofs bei Hilpoltstein,    Das generationsübergreifende Zusammentreffen
einer Nudelfabrik bei Thalmässing, der Schoko-      der derzeit 17 Teilnehmer sowie einiger Gästen
ladenfabrik an der Autobahn bei Hilpoltstein,       im Alter von derzeit 45 bis 82 Jahren ist für alle
des Michael–Kirschner-Museums bei Thalmäs-          ein „monatliches Highlight“. So werden dadurch
sing, einer Mosterei in Roth, des Müssighofs in     auch die Überlieferungen der Eltern und Großel-
Absberg am Brombachsee, im Bärbelsgarten bei        tern aufrechterhalten und der Zusammenhalt der
Thalmässing, Fahrt zum Biermuseum in Spalt,         Gruppe wird gestärkt.

                                                                       Unser Verkaufsstand am Altstadtfest

                                                                                                       23
Gebet einer Mutter
      „Kleine Kinder, kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen“, hat
                    meine Mutter oft geklagt. Was sie damit wohl meinte,
      		                     hab’ ich mich oft gefragt. Die Zeit verging, ich
      			                        wurde selber Mutter, meine Kinder waren
      				 klein, und mir fiel der Spruch
      				 der Mutter wieder ein.

      					                                Wenn fiebernd sie zu Bette lagen,
      					                                wie war mir’s angst und bang,
      					                                das Herz voll Kummer, die Nächte
      					                                oftmals lang.

      						                                 Sie wurden ernsthaft krank,
      						                                 so daß ich um ihr Leben gebangt,
      						                                 doch es ging vorüber,
      						                                 dem Herrgott sei’s gedankt.

      						                                 „Schlimmer kann’s wohl nimmer
      						                                 kommen“ habe ich gedacht, und
      						                                 wieder hab ich mich gefragt, was
      						                                 wohl Mutter meinte, als sie
      						                                 so geklagt ...

      						 Viel zu schnell verging die Zeit,
      						 die Kinder waren plötzlich groß.
      						 Sie gingen eig’ne Wege, zogen aus,
      						 es wurd’ recht still im Haus.
      						 Ich konnte sie nicht mehr begleiten,
      						 auf Wegen, die sie selbst gewählt,
      						 die oft so anders waren, als sie sich
      						vorgestellt.

      						 Zusehen und nicht helfen können,
      war oft der größte Schmerz, der Gram zerriß mir schier das Herz. Und
      plötzlich hab ich es begriffen, hab nicht mehr gefragt, was meine Mutter
      damals meinte, als sie so geklagt.

      In meiner Not, oh Mutter aller Mütter, Maria hehre Frau, ich meine
      Kinder Dir heut’ anvertrau. Geleite Du sie durch die Wellen, laß sie
      nicht untergeh’n, bitt’ Du bei Deinem Sohne, dass alle Stürme
      siegreich sie besteh’n.                   Maria Schulze-Kroiher, Muttertag 2004

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