Marte Meo für Mütter mit Migrationshintergrund - (M4)
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Die direkteste & nachhaltigste Hilfe für (Klein-‐)Kinder ist die Beratung der Mütter; die konkreteste & nachhaltigste Beratung ist Marte Meo (videobasiert/systemisch); die effektivsten & nachhaltigsten Projekte sind Peer-‐Projekte (lernen von Gleichgesinnten): Marte Meo für Mütter mit Migrationshintergrund (M4) Ein Peer-‐Projekt für den Stadtteil Köln Chorweiler beantragt bei Köln, den 30.4.2014
eingereicht vom koelner institut für Beratung & pädagogische Professionalisierung, Dr. Dirk Rohr, Akademischer Direktor, Humanwissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln Adresse: Am Alten Stellwerk 18, 50733 Köln Tel.: 470 – 2753; 0163 4164867 E-‐Mail: info@koelner-‐institut.de, dirk.rohr@uni-‐koeln.de Unterschrift: 2
Inhaltsverzeichnis 1. Das Projekt M4 .................................................................................................................... 4 1.1. Leitidee & Einleitung ....................................................................................................... 4 1.1. Projektablauf ................................................................................................................... 6 1.1. Zeitplan ............................................................................................................................ 7 1.2. Zielgruppen ...................................................................................................................... 7 1.3. Kostenplan ..................................................................................................................... 8 1.4. Evaluation ........................................................................................................................ 8 2. Die Situation in Köln Chorweiler ......................................................................................... 9 2.1. Menschen mit Migrationshintergrund in Köln Chorweiler .............................................. 9 2.2. Kinder in Chorweiler ...................................................................................................... 11 2.2.1. Kinderbetreuungsangebot .................................................................................. 11 2.2.2. Familienzentren .................................................................................................. 12 2.3. Migranten-‐Kinder in Chorweiler .................................................................................... 13 3. Der Peer-‐Ansatz ................................................................................................................ 16 3.1. Im Bezug zum Migrationshintergrund ........................................................................... 17 3.2. Im Bezug zu Frauen helfen Frauen ................................................................................ 18 3.3. Vor-‐ und Nachteile des Peer-‐Ansatzes .......................................................................... 18 4. Marte Meo ....................................................................................................................... 19 4.1. Die Entwicklung der Marte Meo Methode .................................................................... 20 4.2. Die theoretische Grundlage ........................................................................................... 21 4.3. Der Ablauf der Marte Meo Beratung ............................................................................ 22 5. Aufsuchende Sozialarbeit/aufsuchende Erziehungshilfe ................................................. 24 6. Eigene Vor-‐Untersuchungen zur erwartbaren Wirksamkeit von M4 ................................ 27 6.1. Eigene Vor-‐Untersuchungen zur Wirksamkeit von Marte Meo .................................... 27 6.2 Eigene Vor-‐Untersuchungen zur Wirksamkeit von Peer-‐Projekten ............................... 31 7. Literatur ............................................................................................................................ 33 3
1. Das Projekt M4 1.1. Leitidee & Einleitung Die Idee zu diesem Projekt entstand nach der Lektüre eines Artikels im Kölner Stadtanzeiger (Frühjahr 2014), in dem darüber berichtet wurde, dass es in Köln von über 1.000 Therapeuten nicht einmal 5 türkisch sprechende Therapeuten gibt. Dieser Artikel warf die Frage auf, wer berät eigentlich türkisch sprechende Mütter; unterstützt sie in ihrer Erziehung? Wer kann das sein? Wie müssen diese ausgebildet sein? Wo erreiche ich die türkisch sprechenden Mütter? Die Idee war geboren: Die direkteste & nachhaltigste Hilfe für (Klein-‐)Kinder ist die Beratung der Mütter; die konkreteste & nachhaltigste Beratung ist Marte Meo (videobasiert/systemisch); die effektivsten & nachhaltigsten Projekte sind Peer-‐Projekte (lernen von Gleichgesinnten/ ‚gleiche Sprache’): Marte Meo für Mütter mit Migrationshintergrund (M4) Ein Peer-‐Projekt für den Stadtteil Köln Chorweiler Weitere Leitfragen tauchten auf: Sind Kinder mit Migrationshintergrund die förderungswürdigste Zielgruppe? Ist Chorweiler der förderungswürdigste Stadteil? Ist ‚türkisch’ der häufigste Migrationshintergrund? Eine aufwendige Bedingungsanalyse befindet sich im zweiten Kapitel dieses Antrages. Hier eine Kurzfassung: Im Kölner Stadtbezirk Chorweiler gibt es den höchsten Migrationsanteil der Kölner Stadtteile (Chorweiler mit 84,2%). Hieraus ergeben sich soziale Risikolagen der Kinder in Chorweiler (unter 15 Jahren) von 55,6%. Der Anteil der Jugendlichen ohne Berufsabschluss ist im Vergleich zu anderen Kölner Stadtteilen am höchsten. Die 4
Versorgungsquote von Krippenplätzen im Stadtbezirk Chorweiler liegt bei knapp 12%, für Kinder mit Migrationshintergrund liegt der Anteil noch niedriger. Für ganz Köln und damit ebenso für den Stadtbezirk Chorweiler gilt, dass ein Viertel der Kindergartenkinder Sprachförderung bedürfen. Die Beratungsmethode Marte Meo wird im dritten Kapitel ausführlich dargestellt. Hier eine Kurzfassung: Marte Meo ist eine Methode zur Entwicklungsförderung und -‐unterstützung durch die planvolle Gestaltung von Interaktion und Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern. Eltern verfügen über intuitive Verhaltensmöglichkeiten, Kinder in deren Entwicklung zu unterstützen. Man muss also keine neuen Interaktionsmodi erfinden, sondern beginnt bei vorhandenen Ressourcen und gelungenen Momenten elterlichen Handelns, mögen diese manchmal auch klein sein. Dieses führt dazu, dass die Arbeit mit der Marte Meo Methode von den Familien als wirklich reichhaltige Unterstützung im konkreten Alltag wahrgenommen wird, denn als professionelle Kompetenzvermittlung, die wenig nachhaltig wirksam ist. Die Konkretheit der Arbeit stellt sich vor allem durch die videobasierte Arbeit dar: Marte Meo arbeitet immer mit Bildern und Videoclips aus den konkreten Erziehungssituationen. Dieses ist ein Grund, weshalb sich die Methode auch bei sprachlichen Schwierigkeiten als sehr wirksam und unmittelbar effektiv erwiesen hat. Die Arbeit mit den Bildern ist vor allem dadurch so effektiv, da sie unmittelbar und direkt die Menschen in den Familien erreicht und möglichst konkret an deren Bedingungen arbeiten kann. Das Projekt M4 ist ein zweifaches Peer-‐Projekt: Die türkischen Mütter werden von türkischen Beraterinnen begleitet und beraten. Frauen werden von Frauen beraten. Es erscheint sehr vielversprechend, wenn Beraterinnen und ‚zu Beratende’ in zweifacher Weise ‚ähnlich’ sind: türkisch und weiblich. Selbstverständlich wird auch die Weiterbildung der Erzieherinnen durch Frauen erfolgen. Mehr zu dem Peer-‐Ansatz im vierten Kapitel. Dass es sich ebenso um ein aufsuchendes Sozialprojekt bzw. aufsuchende Erziehungshilfe handelt, wird im fünften Kapitel erörtert. 5
Das sechste Kapitel befasst sich mit eigenen Vorprojekten und Voruntersuchungen, die wir extra M4 vorangestellt haben, um M4 auf valide und empirische ‚Füsse zu stellen’. Nun aber zum konkreten Projekt (-‐ablauf): 1.1. Projektablauf Marte Meo soll als Methode der Entwicklungsunterstützung eingesetzt werden; und zwar indem Erzieherinnen oder angehende Erzieherinnen mit Migrationshintergrund (i.d.R. türkisch) mit Marte Meo und dem Projekt M4 bekannt gemacht werden (nach der Konzeptionierungsphase die zweite des Projektes) und 20 Erzieherinnen in Marte Meo ausgebildet werden (Phase 3 des Projektes; innerhalb des Jahres 2015). Die Erzieherinnen werden von einer ausgewählten Marte Meo Supervisorin, die sowohl für frühkindlichen Bildungsprozesse als auch für förderpädagogische Unterstützung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen Expertin ist, ausgebildet. Der Projektplan Konzeptionierung und Voruntersuchungen 1. Phase Bekanntmachen des Projektes und von Marte Meo in Kitas in Chorweiler 2. Phase Weiterbildung von 20 türkischen Erzieherinnen (kostenfrei für Teilnehmerinnen/ in 2 Gruppen) 3. Phase Erzieherinnen (inzwischen MM-‐Therapeutinnen) beraten je 10 türkische Mütter 4. Phase Evaluation, Bericht, Aquise zur Weiterführung 5. Phase Die Erzieherinnen bieten Müttern mit Migrationshintergrund ihre Unterstützung an (vierte Phase). Im Durchschnitt beraten sie innerhalb von einem Jahr (2016) 10 türkische Mütter; es werden also im Projekt ca. 200 Mütter beraten. Da die türkischen Mütter wiederum im Durchschnitt 4 Kinder haben, wirkt sich die Erziehungsberatung auf insgesamt ca. 800 Kinder positiv aus. Die Durchführung durch die ausgebildeten MM-‐Therapeutinnen kann ggf. in der Muttersprache der Mütter erfolgen. Im Anschluß wird in einer fünften Phase das Projekt intensiv ausgewertet und im Idealfall in Folgefinanzierungen überführt. 6
Das Projekt finanziert die Weiterbildung der türkischen Erzieherinnen, die Durchführung von Marte Meo in Chorweiler sowie (in Anteilen) die Evaluation des Projektverlaufes und -‐zieles (siehe Kostenplan/Projektlan im Anhang). 1.1. Zeitplan Konzeptionierung und Voruntersuchungen Jan. 14 -‐ Apr. 14 Bekanntmachen des Projektes und von Marte Meo in Kitas in Chorweiler Okt. 14 -‐ Dez. 14 Weiterbildung von 20 türkischen Erzieherinnen (kostenfrei für Teilnehmerinnen/ in 2 Gruppen) Jan. 15 -‐ Dez. 15 Erzieherinnen (inzwischen MM-‐ Therapeutinnen) beraten je 10 türkische Mütter Jan. 16 -‐ Dez. 16 Evaluation, Bericht, Aquise zur Weiterführung Jan. 17 -‐ Mär. 17 1.2. Zielgruppen Aus den genannten Zahlen im Kapitel über den Kölner Stadtteil Chorweiler kann entnommen werden, dass besonders die Gruppe von Familien mit Migrationshintergrund Unterstützungsangebote benötigt. Im Stadtbezirk Chorweiler gibt es aber wenig auf die besonderen Gegebenheiten dieser Familien angepasste Unterstützungsangebote, bzw. werden Angebote nur schlecht angenommen. Um diese Familien zu erreichen und unterstützen zu können, bedarf es niederschwelliger Angebote, die konkrete Hilfe im familiären Erziehungsalltag darstellen. Somit soll das Projekt auf Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund im Alter von 0-‐6 Jahren und deren Mütter im Stadtteil Chorweiler zugeschnitten werden. So zeigen vielzählige Studien, dass je früher Unterstützung familiärer Erziehung einsetzt, die Bildungschancen der Kinder steigen. Negative Auswirkungen von sozialer Benachteiligung 7
können reduziert werden sowie stattdessen Präventionsketten aufgebaut werden, die betroffenen Kindern, ihren Müttern, Geschwistern und damit ganzen Familien zugute kommen (vgl. das mit dem Deutschen Präventionspreis durch die Bertelsmannstiftung, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung ausgezeichnete Projekt Mo.Ki). Im Projekt M4 gibt es drei Zielgruppen: 1. ca. 800 Kinder mit Migrationshintergrund – in Chorweiler 2. ca. 200 Mütter mit Migrationshintergrund; von Kindern – in Chorweiler 3. ca. 20 Erzieherinnen mit Migrationshintergrund – in Chorweiler 1.3. Kostenplan Das gesamte Projekt beläuft sich insgesamt über den Zeitraum von 2,5 Jahren auf 136.000 €. Hiervon werden 85.200 € beantragt (d.h. 63% der Gesamtkosten). 50.800 € werden co-‐ finanziert. Der detaillierte Kostenplan befindet sich im Anhang. 1.4. Evaluation Die Evaluation wird von einem Evaluationsteam durchgeführt. Sie wird sich sowohl mit qualitativen sowie quantitativen Erhebungsinstrumenten zu verschiedenen Zeitpunkten befassen. Die Evaluation des Projektes wird publiziert. Der Arbeitsbereich Beratungsforschung der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln ist als Kooperationspartner involviert. Die Evaluation des Projektes ist hier von sehr großer Bedeutung. 8
2. Die Situation in Köln Chorweiler Im Folgenden nehmen wir Bezug auf die aktuellsten, kommunale Statistiken, die 2012 veröffentlicht wurden (Klein, A./ Roters, J., 2012). Am 31.12.2010 waren in der Stadt Köln insgesamt 1.027.504 Einwohner/innen gemeldet. Dabei war eine Zunahme des Bevölkerungsanteils mit Migrationshintergund zu verzeichnen. Insbesondere in den jüngeren Altersgruppen war 2010 der Anteil der Migranten höher als im Durchschnitt von 33% und wird kontinuierlich zunehmen (vgl. ebd., S.21 f.). Der Stadtteil Chorweiler, der linksrheinisch im Norden von Köln im Stadtbezirk Köln Chorweiler liegt, hat mit 84,2% den zweithöchsten Migrantenanteil der unter 15-‐Jährigen (hinter dem Stadtteil Finkenberg mit 89,9%). Damit liegen diese Stadtteile weit über dem Durchschnitt der Stadt Köln und besonders die Stadtteile im Stadtbezirk Chorweiler sind durch Migration und Nationenvielfalt geprägt (ebd., S.25). Zu dem Stadtbezirk Chorweiler gehören zwölf Stadtteile mit einer Fläche von insgesamt 67,16 Quadratkilometern und etwa 80.000 Einwohnerinnen und Einwohnern (vgl. Homepage Stadt-‐Koeln.de, 2014). Im Stadtteil Chorweiler wurden in den 1970er Jahren der Bau von Wohnhochhäusern begonnen. Die Hochhaussiedlungen entwickelnten sich schnell zu sozialen Brennpunkten. Dem wird seit 1987, mit dem Rückbau der überdimensionierte Verkehrsinfrastruktur und der Schaffung von Freizeit-‐ und Grünflächen sowie ein Jugendzentrum, entgegengewirkt. Ausserdem rückten die Arbeitsplatzbeschaffung und die wirtschaftliche und soziale Situation der Bewohnerinnen und Bewohner in den Fokus der Regierung der Stadt Köln (ebd.) 2.1. Menschen mit Migrationshintergrund in Köln Chorweiler Menschen mit Migrationshintergrund sind laut dem Amt für Stadtentwicklung und Statistik: “Personen, die eine ausländische Staatsbürgerschaft haben, im Ausland geboren und selbst nach 1945 zugewandert sind oder deren Eltern selbst zugewandert sind oder eine ausländische Staatsangehörigkeit haben.” (vgl. Klein, A./ Roters, J., 2012 S. 23). Bezogen auf die einzelnen Altersgruppen zeigt sich im Bildungsbericht der Stadt Köln für das Jahr 2010, dass je älter die Bevölkerungsgruppe, desto geringer der Anteil an Menschen mit 9
Migrationshintergrund ist. Die Bevölkerungsgruppe der zwischen 0-‐18 Jährigen mit Migrationshintergrund beträgt 47,3 % und jedes zweite Kind zwischen 3-‐6 Jahren stammte in diesem Jahr aus Migrantenfamilien. In der Altersgruppe der zwischen 18-‐45 Jährigen betraf es nur noch ein Drittel und bei der Altersgruppe der 45-‐75 Jahren hatte jeder fünfte Bürger einen Migrationshintergrund. Bei den über 75 Jährigen schrumpfte der Anteil auf 16,6% (ebd., S. 25). Im Stadtbezirk Köln Chorweiler waren im Jahr 2012 36.397 Einwohner mit Migrationshintergrund gemeldet und zudem 21.505 Deutsche mit Migrationshintergrund. Die Gruppe der Aussiedler im Stadtbezirk Chorweiler umfasste 8.415 und die der Eingebürgerten 10.744 Bürger. 14.892 Menschen waren als Ausländer im Stadtbezirk Köln Chorweiler registriert, wobei davon 544 aus Afrika, 109 aus Amerika, 1.286 aus Asien, 3.686 aus der Europäischen Union, 6.694 aus der Türkei, 2.480 aus dem übrigen Europa und 93 aus anderen Teilen der Welt stammten (vgl. Stadt Köln -‐ Amt für Stadtentwicklung und Statistik, 2014). Wobei hier die Gruppe der türkisch stämmigen Menschen mit fast 45% den größten Teil der Ausländer einnimmt. Insgesamt sind 181 Nationen in Köln vertreten (Amt für Statistik und Stadtentwicklung, 2010). Zum Bildungsniveau im Bezug auf die Migrationsanteile kann man festhalten, dass im Stadtbezirk Chorweiler, der Anteil derjenigen ohne Berufsabschluss am höchsten ist mit 27%, wobei dies auf eine regionale Ungleichheit hinweist, da im Durschschnitt 44% der Kölner Bürger die Fach-‐/ Hochschulreife besaßen. Zum Vergleich haben lediglich nur 12% der Bürger in den Stadtbezirken Lindenthal und in der Innenstadt keinen berufsbildenden Abschluss (vgl. Klein, A./ Roters, J., 2012, S.34 f.), wobei der Anteil der Migranten besonders in diesen Stadtbezirken teilweise nur um die 30% lagen (ebd. S. 26). Daraus kann man eine Korrelation zwischen dem großen Anteil der Bürger mit Migrationshintergrund und dem niedrigen Bildungsniveau im Durchschnitt der Bevölkerung in Köln Chorweiler ableiten. Dabei nahmen, nach den Daten des Kölner Mikrozensus, im Jahr 2008 mehr als jeder sechste Kölner Bürgerin bzw. jeder sechste Kölner Bürger Beratungsbedarf zu Bildungsthemen in Anspruch. Wobei hier besonders viele junge Personen und Personen mit Migrationshintergrund in den Beratungsstelle Rat suchten und zu vermerken ist, dass je höher der allgemeinbildende Abschluss war, desto höher war auch der Beratungsbedarf bzw. die Inanspruchnahme von Bildungsberatung in der Kölner Bevölkerung (ebd., S. 20). Daher 10
ist zu vermuten, dass im Stadtbezirk Köln Chorweiler, aufgrund des recht niedrigen Bildungsniveaus, die Zahl der Bürger, die Beratungsstellen zum Thema Bildung aufsuchten, geringer war, als in Stadtteilen, wie Lindenthal oder der Innenstadt von Köln. 2.2. Kinder in Chorweiler Im Jahr 2010 verzeichnete das Kölner Amt für Stadtentwicklung und Statistik 55.502 Kinder unter 6 Jahren und 103.368 Kinder zwischen 6 und 18 Jahren in Köln. Somit steigen die Geburtenzahlen durschnittlich in der Stadt Köln an, im Gegensatz zu vielen anderen Städten in NRW (S. 46). Wobei der Anteil der unter 15-‐Jährigen, wie bereits schon eben erwähnt, in dem Stadtteil Chorweiler bei 84,2% und damit weit oben an der Spitze liegt (ebd., S. 25).Die Anzahl der Kinder unter 3 Jahren betrug 2010 in Köln insgesamt 28.634 Kinder, womit ein Anstieg um 7,8% seit 2008 registriert wurde. Allgemein empfingen 2010 14% der Bevölkerung in Köln Transferleistungen nach SGB II (Hartz VI). Davon waren 42,7% der Alleinerziehende, 26,7% der Ausländer und 21,2% der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern betroffen. Hieraus ergibt sich eine soziale Risikolage der unter 15-‐jährigen Kinder in Chorweiler von 55,6% (ebd., S. 27 f.). Zudem wurde nach den Ergebnissen der Sprachstandsfeststellung Delfin 4 im Jahr 2011 festgestellt, dass mehr als einviertel der 4-‐Jährigen Kinder in Köln Förderbedarf in der deutschen Sprache hatten, wobei Kinder mit Migrationshintergrund noch höheren Sprachförderungsbedarf haben (ebd., S.16). 2.2.1. Kinderbetreuungsangebot Die Stadt Köln weist 45 Kindertageseinrichtungen im Stadtbezirk Chorweiler auf. Insgesamt gibt es 225 städtische Kindertageseinrichtungen und etwa 350 Einrichtungen von freien Trägern in der Stadt Köln. Zudem soll das Kinderbetreuungsangebot in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Die Versorgungsquote soll besonders im Kindergartenjahr 2013/2014 stadtweit auf 40% gesteigert werden und ein gleichmäßiger Ausbau stattfinden (ebd., S.42 f.). 11
So betrug die Versorgungsquote 2012 im Stadtbezirk Chorweiler bis 11,6%, wobei die Versorgungsquote zwischen 11,7-‐ 21,7% im Stadtteil Chorweiler selber und Fühlingen und Roggendorf/Thenhoven, zwischen 21,8-‐ 30,5% in den Stadtteilen Seeberg, Heimersdorf und Pesch und zwischen 30,6-‐ 42,3 % in den Stadtteilen Esch/Auweiler, Volkhoven/Weiler, Blumenberg und Merkenich betrug (ebd.). Seit 2006 hat sich die Versorgungsquote von Betreuungsplätzen bereits verdreifacht, wobei die Kindertagespflege derzeit 21% der Betreuungsplätze deckt und 79% die Kindertageseinrichtungen auffangen (ebd., S. 46 ff.). 2.2.2. Familienzentren Familienzentren werden von der Stadt Koeln als Einrichtungen beschrieben, „[…]die Kinder in ihrer Entwicklung fördern. Sie begleiten und unterstützen zudem Familien in der Bewältigung von Alltagsfragen. Als Kindertageseinrichtungen zielen sie darauf ab, neben der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder vor allem auch die bestehenden Angebote der Familienunterstützung zusammenzuführen. Die Kölner Familienzentren tragen dazu bei, dass Eltern die Balance von Beruf und Familie gelingt und Kinder optimale Bildungschancen und Entwicklungsmöglichkeiten in Köln bekommen. In Köln gibt es zurzeit 99 Familienzentren in kommunaler und freier Trägerschaft der Kinder-‐ und Jugendhilfe.“ (vgl. Homepage Stadt Köln -‐ Politik und Verwaltung, 2014). Im Stadtbezirk Köln Chorweiler befinden sich 11 dieser Familienzentren, wobei 4 von diesen von der Stadt Köln selber geleitet und gefördert werden. Die anderen 7 sind von freien Trägern ins Leben gerufen wurden (vgl. Homepage Stadt-‐Koeln.de, 2014). Laut der Stadt Köln, die immer wieder Fachtagungen zum Thema Betreuung von Familien und Kindern veranstaltet, gewinnen Familienzentren immer mehr Bedeutung in der heutigen Gesellschaft. Vielzählige Studien zeigen, dass je früher Unterstützung familiärer Erziehung einsetzt, die Bildungschancen der Kinder steigen. Negative Auswirkungen von sozialer Benachteiligung können reduziert werden sowie stattdessen Präventionsketten aufgebaut werden, die betroffenen Kindern, ihren Müttern, Geschwistern und damit ganzen Familien zugute kommen (vgl. das mit dem Deutschen Präventionspreis durch die Bertelsmannstiftung, die 12
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung ausgezeichnete Projekt Mo.Ki). 2.3. Migranten-‐Kinder in Chorweiler Das Projekt "Multikulturelles Kinderleben", welches Berg et al. 2001 in Ihrem Artikel über Migranten-‐Kinder beschreiben, ist eine Befragung von Kindern mit Migrationshintergrund über ihr Empfinden von ihrer Lebenssituation, wobei die Ergebnisse die in der Gesellschaft vorherrschenden Meinungen der Erwachsenen in Frage stellen. Die durch das Projekt gefassten Daten sind zunächst einmal allgemein für alle Migranten-‐Kinder zu sehen, aber natürlich auch auf die Kinder in Köln Chorweiler zur übertragen. Den Antworten der Kinder konnte entnommen werden, dass besonders Freundschaften in der Kita für Kinder dieser Altersgruppe ein eminent wichtiges Entwicklungsthema ist. Dabei bieten die Gleichaltrigengruppe Entwicklungsräume, in denen sie lernen, wie man unterschiedliche Verhaltensweisen wahr nimmt, Konflikte bewältigt, Interessenunterschiede aushandelt, wobei soziale Kompetenzen entwickelt und gefördert werden. Im Falle einer größeren Gruppenbildung von Kindern mit demselben Migrationshintergrund sehen Erzieherinnen jedoch diese sozialen Lernprozesse innerhalb der gesamten Kindergruppe gefährdet (ebd.). Bei fast 60% aller von den Kindern genannten Freunden handelt es sich um Gleichaltrige, welche sie aus Institutionen, wie Kindergarten oder Schule kennen, wodurch sich zeigt, dass Kindertageseinrichtungen und Schule eine bedeutende Rolle bei der Kontaktknüpfung von Kindern spielen. Besonders angenehm ist für Kinder an Freundschaften die in Institutionen geknüpft werden, dass sie die Freunde dort regelmäßig sehen können, unabhängig vom häuslichen Kontext (Berg et. al., 2001, S. 1 ff.). Deutlich wurde bei der Befragung ausserdem, dass die Freundeskreise der Kinder, die sich meist gleichaltrig und gleichgeschlechtlich zusammensetzen, häufig reich an Kulturvielfalt sind (ca. 50%. der 5-‐ bis 11-‐Jährigen). Lediglich 6% der Kinder bewegen sich in Freundeskreisen, in denen alle aus derselben Kultur entspringen. Wobei die meisten Kinder in der Befragung angaben, dass die Nationalität oder Herkunft für ihre Freundschaften keine 13
Rolle spielt, sondern abhängig von der Umwelt wären und welche Menschen sie umgeben (ebd.). Dennoch spielen Freunde im Herkunftsland für Migrantenkinder eine emotional bedeutende Rolle, unabhängig von der Quantität der Treffen, wobei eine Verbundenheit mit dem Herkunftsland ihrer Vorfahren besteht, welche sich auf sie durch Sprache, Freunde o.ä. überträgt (ebd.). Abseits von den Institutionen halten sich 84% der Kinder an Spielplätzen oder ähnlichen öffentlichen Orten auf, an denen sie ihre Freunde, meist in größeren Gruppen, treffen, seltener gehen sie Hobbies nach oder halten sich im Familienbereich auf. Wobei immerhin die Hälfte der Kinder regelmäßig auch ohne ihre Freunde auf den Spielplatz gehen, um eventuell auch neue Kontakte zu knüpfen (ebd.). Dies zeigt, dass auch schon auf Kinder im jungen Alter öffentliche Plätze eine hohe Anziehungskraft ausüben. Die sprachliche Barrie kann jedoch auch für die Kinder den Einstieg in die Institutionen erschweren. Ihre Muttersprache ist nicht länger ein Werkzeug der Fortschritte in der Umwelt und der Kommunikation mit anderen, sondern wird manchmal sogar als störend empfunden. Zu der Sprachlosigkeit gesellen sich in manchen Fällen somit auch Handlungsunfähigkeit und Orientierungslosigkeit, wodurch auch ihre Selbständigkeit und ihr Selbstvertrauen zurückgeworfen werden (ebd.). Neben der deutschen Sprache in der Institution verwenden 50% der Kinder mit ihren Eltern nur die Muttersprache und knapp 50% wenden den Sprachenwechsel zwischen Deutsch und ihrer Muttersprache an. 56% sprechen mit ihren Geschwistern gemischt beide Sprachen, jedoch hängt von erwachsenen Sprachvorbildern sowie von Unterstützungs-‐ und Förderangeboten ab, inwieweit sie sich in den Sprachen entwickeln. Auch der Einbezug der Muttersprache in die Kita durch eine Erzieherin, die eventuell die Sprache spricht oder einfach nur den Kindern spielerisch näher bringt, kann hier eine wichtige Brücke zur gesunden Sprachentwicklung darstellen. So wurde festgestellt, dass sogar 65% der Kinder ausschließlich Deutsch, 26% im Sprachwechsel und nur 7% ausschließlich in ihrer Muttersprache mit Freunden kommunizierten. Wobei zu beachten ist, dass der Spracherwerb von Kindern aus Migrantenfamilien anders verläuft, als der Spracherwerb eines einsprachig aufwachsenden Kindes und kann insofern nicht miteinander in direkten Vergleich gebracht werden (ebd.). 14
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