DISKUSSION AFD GREIFT KULTURSZENE AN LAG NEUER VORSTAND STELLT SICH VOR FESTIVAL SCHÜLER*INNEN SPIELEN BRECHT ODE PROJEKT ZUR DEUTSCHEN ...

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DISKUSSION AFD GREIFT KULTURSZENE AN LAG NEUER VORSTAND STELLT SICH VOR FESTIVAL SCHÜLER*INNEN SPIELEN BRECHT ODE PROJEKT ZUR DEUTSCHEN ...
Magazin der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg                    Frühjahr 2020

                                                           SCHW
                                                               E
             DISKUSSION AfD greift Kulturszene an          THEARPUNKT:
             LAG Neuer Vorstand stellt sich vor
                                                                TER
             FESTIVAL Schüler*innen spielen Brecht
             ODE Projekt zur deutschen Erinnerungskultur

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DISKUSSION AFD GREIFT KULTURSZENE AN LAG NEUER VORSTAND STELLT SICH VOR FESTIVAL SCHÜLER*INNEN SPIELEN BRECHT ODE PROJEKT ZUR DEUTSCHEN ...
Inhalt

03   LAG-Vorstand
		   Editorial
                                                                    Herausgeber
04   Reden mit der AfD?
                                                          LAG Kinder- und Jugendkultur e.V.
		   Diskussion bei BKJ-Jahrestreffen
                                                           www.kinderundjugendkultur.info
                                                         Ehrenbergstraße 51, 22767 Hamburg
07   Erinnerungskultur
                                                             Telefon: 040 - 524 78 97 10
		   Das Kunstprojekt ODE
                                                    Die LAG Kinder- und Jugendkultur vernetzt die
10   Plattform-Festival                           Hamburger Akteur*innen und vertritt die Interessen
		   Vier Schulen, eine Bühne                     ihrer Mitglieder gegenüber Politik und Verwaltung.

                                                 Redaktion: Christine Weiser, Claas Greite, Dörte Nimz
13   Spielend lernen
                                                              Grafik: Meike Gerstenberg
		   Die Theatersprachcamps
                                                            Das nächste Heft erscheint im
                                                                      Juni 2020
15   Kritik
		   „Heidi“ absturzsicher inszeniert                      www.kinderundjugendkultur.info

                                                   Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien
17   Hinter den Kulissen
                                                         der Freien und Hansestadt Hamburg.
		   FSJKler*innen berichten
                                                                       Bildnachweise:
19   LAG                                         Titel: Fabian Hammerl, S.3 Illustration: Meike Gersten-
		   Der neue Vorstand                           berg, S.4 Claas Greite, S. 7 Claas Greite, S. 10 Fabian
                                                  Hammerl, S. 13 Thorsten Baering, S. 15 Ellen Coen-
21   Zeitgenössischer Tanz                          ders, Illustration Meike Gerstenberg, S. 17 privat/
		   Projekt im HausDrei                          Schauspielhaus, S. 19 und 20 Claas Greite, Cornelia
                                                  Preira, privat, S. 21 Robert N. Skwirblies, S. 23 Claas
23   Meldungen                                      Greite, S. 24 Jefferson Santos/unsplash, Friederike
                                                     Frankhänel/MGK, Senjuti Kundu/unsplash, Lena
24   Tipps                                             Winkel, Esche Jugendkunsthaus, Vision Kino

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Für eine vielfältige
                              Stadtgesellschaft
                                                   TEXT: HEIKE ROEGLER, DAN THY NGUYEN,
                                            HEIDI JAKOB, ANKE AMSINK, ANDREAS FLEISCHMANN,
                                                        BETTINA KNAUER, COLETTE SEE

V
                ielfalt ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern           Wir als neuer Vorstand möchten uns gemeinsam mit den Mitgliedern
                zeichnet die Stärke unserer europäischen Gesellschaft         und der Geschäftsstelle auf den Weg machen. Dabei repräsentieren
                aus. Dieser Satz markiert das Fundament unserer               wir nicht nur verschiedene Institutionen, sondern auch unterschied-
                modernen und liberalen Demokratie und ist auch                liche Umgangsformen mit Kultur. Das Altonaer Museum, das Festi-
                ein inständiges Bekenntnis dazu, dass wir Menschen            val für Diversität „Fluctoplasma“, das Jugendkunsthaus Esche, das
in unserer Einzigartigkeit frei und gleich an Würde und Rechten gebo-         Mediennetzwerk Hamburg, der Kulturpunkt Barmbek-Basch, die
ren sind.                                                                     Bücherhallen Hamburg und das Kulturforum21 – wir fördern und wol-
                                                                              len Vielfalt für eine solidarische Stadtgesellschaft.
Die LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg setzt sich seit ihrer Grün-
dung für eine diverse, pluralistische und offene Stadtgesellschaft ein.
Unser Netzwerk will mit seiner kreativen Kraft diese Stadtgesellschaft
                                                                                                          INFO
hörbar machen und gegen einfältige Kulturbegriffe aus jeder Rich-
tung verteidigen. Dafür wollen wir uns als Vorstand stark machen und          Heike Roegler, Dan Thy Nguyen, Heidi Jakob, Anke Amsink, Andreas
die Szene mit aller Kraft unterstützen. Denn die Kulturelle Bildung ist       Fleischmann, Bettina Knauer und Colette See sind seit dem 27. Feb-
eine treibende Kraft für gesellschaftliche und politische Teilhabe. Die       ruar 2020 der amtierende Vorstand der LAG Kinder- und Jugendkul-
Arbeit aller Mitglieder trägt wesentlich dazu bei.                            tur. Auf Seite 19 dieses Heftes stellen sie sich vor.

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DISKUSSION AFD GREIFT KULTURSZENE AN LAG NEUER VORSTAND STELLT SICH VOR FESTIVAL SCHÜLER*INNEN SPIELEN BRECHT ODE PROJEKT ZUR DEUTSCHEN ...
TEXT: CLAAS GREITE

  Reden mit der AfD?
Vom Kampf um die Kultur
    Mitglieder der BKJ diskutierten mit Hamburgs   Margret Staal (l.) mit Christina Biundo

           Kultursenator Dr. Carsten Brosda        (beide LAG Soziokultur & Kulturpädagogik
                                                   Rheinland-Pfalz) und Dr. Carsten Brosda

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A
              uf die gesamte Kulturszene         Millionen Mal abgerufen wurde – eine Reich-         Denen werde oft „kein Integrationsangebot
              kommen unruhige Zeiten zu.         weite, die vor nicht allzu langer Zeit nur klas-    gemacht“, diese Lücke nutzten unter ande-
              Sie muss sich auf völlig neuar-    sische Massenmedien wie Tageszeitungen und          rem Rechtsradikale. Das Problem habe sich
              tige Angriffe von rechts gefasst   Fernsehsender erreichten. Doch nun träten           in ähnlicher Form – schon vor dem digita-
              machen, darauf einstellen, dass    eben diese klassischen Massenmedien gegen-          len Wandel – zu Beginn der 1990er-Jahre im
              Politiker*innen ihre Daseins-      über Plattformen wie YouTube und Facebook           Osten Deutschlands gezeigt. Neo-Nazis aus
berechtigung insgesamt in Zweifel ziehen.        in den Hintergrund, die einer gänzlich anderen      dem Westen hätten die Orientierungslosigkeit
Darauf bereitete Hamburgs Kultursenator          Logik gehorchten. „Klassische Medien fragten        genutzt und „Jugendtreffs aufgemacht.“ Nun
Dr. Carsten Brosda (SPD) Akteur*innen der        sich immer, was möglichst viele interessiert.       müsse es für Menschen, die sich mit Faschis-
Kinder- und Jugendkultur vor, die aus ganz       Digitale Medien fragen nicht nach der allge-        ten eingelassen haben, „Angebote zur Re-
Deutschland nach Hamburg gereist waren.          meinen Relevanz“, so Brosda. Stattdessen wür-       Integration in die offene, aufgeklärte Gesell-
                                                 den diese den Nutzer*innen immer mehr von           schaft“ geben.
Es handelte sich um Vertreter*innen der Lan-     dem liefern, was sie bereits interessiere, da sie
desdachverbände der Kinder- und Jugendkul-       über Informationen aus deren Online-Profilen        Kultur wird zu einem Mittel der
tur, die zum Jahrestreffen der Bundesvereini-    verfügten. Die Folge sei, dass digitale „Echo-      Abgrenzung
gung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung        kammern“ entstünden.
(BKJ) e.V. gekommen waren. Die Landesar-                                                             Eine Partei, die von schwindender Gruppen-
beitsgemeinschaft Kinder- und Jugendkultur       Brosda: Strukturierender Filter der                 solidarität und der sich verändernden Medi-
(LAG) Hamburg hatte das Treffen organisiert,     Massenmedien fehlt                                  enlandschaft besonders profitiert, ist die AfD.
das am 31. Januar und 1. Februar stattfand. In                                                       Diese nun bläst zum Angriff auf eine freie,
den Räumen des Vereins Lukulule im Oberha-       Weiterhin sei eine Logik des Internets, dass        offene Kulturlandschaft, wie Brosda ausführ-
fenquartier hielt Carsten Brosda einen Vortrag   besonders extreme und polemische Beiträ-            te. „Kultur“ werde nämlich von den Rechtspo-
mit dem programmatischen Titel „Warum wir        ge besonders viel Zuspruch fänden und wie-          pulisten vollkommen anders verstanden – und
für den gesellschaftlichen Zusammenhalt strei-   derum vor allem von Menschen mit extremen           zu einer Art politischem Kampfbegriff. „Kul-
ten müssen“, in dem er an Kernthesen seines      Positionen kommentiert würden, die sich somit       tur“ ersetze demnach den Begriff „Rasse“,
Buches „Die Zerstörung“ anknüpfte. Anschlie-     Gehör verschafften. All das schade der politi-      sei aber in einem ähnlichen Sinne zu verste-
ßend diskutierte er mit den Zuhörer*innen. Es    schen Mitte, deren Themen und Haltungen es          hen. Der sogenannte „Ethnopluralismus“ des
ging um die Veränderung der Medienland-          in Zeiten des Internets schwer hätten, Reso-        rechtsextremen Vordenkers Alain de Benoist,
schaft, die Finanzierung von Kultur und den      nanz zu finden. Brosda: „Der Zusammenhang           der auf eine Trennung verschiedener Bevölke-
Umgang mit der Partei Alternative für Deutsch-   strukturierende Filter der Massenmedien fehlt.“     rungsgruppen voneinander abzielt, liefere der
land (AfD).                                      Das trage zu gesellschaftlichen Problemen bei:      AfD hier das ideologische Fundament. Die Par-
                                                 „Gruppensolidaritäten werden weniger.“              tei verstehe in diesem Sinne Kunst in einem
In dem Vortrag ging Brosda zunächst auf das                                                          abgrenzenden Sinne als Bewahrung des ver-
Internet ein und dessen Wirkung auf gesell-      Der Kultursenator sagte auch, dass man im           meintlichen kulturellen Erbes, auch als „nor-
schaftliche Diskurse. Er machte das am Bei-      digitalen Raum „einzigartig“ sein müsse, um         matives Vermitteln einer Kultur, wie sie zu
spiel des Videos „Die Zerstörung der CDU“ des    Anerkennung zu bekommen. Was aber sei               sein hat“ und greife damit die im Grundge-
Video-Bloggers Rezo fest, das im Mai 2019 auf    mit jenen, die gar nicht einzigartig sein wol-      setz gesicherte Kunstfreiheit fundamental an.
YouTube veröffentlicht wurde und mehr als 14     len, sondern nach Gruppenangeboten suchen?          In diesem Sinne seien Anträge der AfD in ver-

                                                                        5
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schiedenen Länderparlamenten zu verstehen,           man heute „nur das Handy einschalten“. Bros-      Rein habe dann seine Position geändert: „Wir
die die Streichung der Mittel für interkulturel-     da sagte auch: „Ich bin kein Anhänger des         müssen uns im öffentlichen Raum konfrontie-
le Projekte fordern oder fragen, wie denn ein        komplett eintrittsfreien Museums.“ Eine viel      ren!“ Er sagte aber auch: „Selbst wenn wir die
Musikensemble ethnisch zusammengesetzt sei.          größere Barriere als Eintrittspreise sei das      AfD-Leute einladen, sie würden vermutlich gar
Das Thema Kultur fände sich also plötzlich mit-      Gefühl „Ich bin nicht gemeint“ in Teilen der      nicht kommen.“
ten in der politischen Arena und dürfe nicht         Bevölkerung. Susanne Keuchel bezog wie-
den Rechtsextremen überlassen werden. Bros-          derum die Gegenposition und begründete            Wichtiger sei es, wieder relevanter für eine
da: „Früher gab es eine Mischung aus Kon-            das mit positiven Erfahrungen, die man in         größere Zahl von Jugendlichen zu werden –
sens und mangelndem Interesse. Jetzt geht            anderen Ländern mit einer Aufhebung der           das war in der Runde weitgehender Konsens.
es um etwas. Aber dann müssen wir auch auf           Eintrittspreise in Museen gemacht habe.           Denn hier hätten die bisherigen Angebote zur
den Platz.“                                                                                            Kinder- und Jugendkultur Nachholbedarf, viele
                                                     In der Debatte wurden vielfach auch selbstkri-    junge Leute fühlten sich schlicht nicht ange-
Markus Menke, ehemaliger Vorstandsvorsit-            tische Töne angeschlagen. So etwa von Susan-      sprochen. „Wir bewegen uns in einem Kokon“,
zender der LAG Hamburg, eröffnete die Dis-           ne Rehm, die die Landesvereinigung Kulturelle     sagte Margret Staal von der LAG Soziokultur
kussion mit der Frage an Brosda, wie dessen          Jugendbildung (LKJ) Baden-Württemberg ver-        & Kulturpädagogik Rheinland-Pfalz. Kultur-
Überlegungen „handwerklich zu übersetzen“            trat: „Wir sind sprachlos angesichts der Tatsa-   einrichtungen müssten sich „stärker die Frage
seien. Brosda antwortete: „Es reicht nicht,          che, dass die AfD das Thema Kultur aufgreift.     stellen, was die Jugendlichen vor Ort umtreibt.“
diese Angriffe zu ignorieren. Wir müssen die         Vielleicht waren wir zu lange blind. Wir müs-     Susanne Keuchel sagte: „Wenn ich keine Pro-
Diskurse führen.“ Das bedeute etwa, immer            sen wieder sprachfähig werden.“ Auch Markus       jekte habe, in denen auch junge Menschen
wieder explizit zu begründen, worin eigent-          Menke betonte, dass eine „Kommunikationsfä-       mit rechtspopulistischen Ansichten vertreten
lich der Wert einer freien, offenen Kulturland-      higkeit in Richtung AfD“ nötig sei.               sind, bin ich da nicht inklusiv.“ Sie stellte die
schaft bestehe. Susanne Keuchel, Vorsitzende                                                           Frage in den Raum: „Wie können wir uns brei-
der BKJ, sagte: „Das Thema der Machtfrage            Über die offenkundig schwierige Frage, ob         ter aufstellen, dass wir auch diese Jugendli-
der Gestaltung muss in den Fokus.“ Sie beton-        auch mit Vertreter*innen der AfD diskutiert       chen erreichen?“
te, dass in dem Zusammenhang etwa auch               werden dürfe, könne, müsse, wurde länger
über eintrittsfreie Museen gesprochen werden         diskutiert. In einigen Fällen wurde auf die                          INFO
müsse. Kultursenator Brosda bezog die Gegen-         Beschlusslage des jeweiligen Landesverban-
position. „In Zeiten des Internets ist die Gestal-   des verwiesen, die einen solchen Kontakt mit
                                                                                                       Die LAG Kinder- und Jugendkultur ist Mitglied
tungsfrage keine Ressourcenfrage.“                   AfD-Vertretern verbiete. Peter Rein, Vertreter
                                                                                                       der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und
                                                     der LKJ Thüringen, sagte dazu: „Wir haben
                                                                                                       Jugendbildung e.V. (BKJ). Es gibt jährlich mehrere
Beschlusslage mehrerer Landes-                       einmal eine Frage-Veranstaltung für Jugendli-
                                                                                                       Treffen auf unterschiedlichen Ebenen. Einmal im
verbände verbietet Kontakt mit AfD                   che gemacht, mit Parteienvertreter*innen. Die
                                                                                                       Jahr treffen sich alle Landesdachverbände.
                                                     AfD hatten wir nicht eingeladen. Danach kam
Um das Gleiche zu tun, was früher nur ein            ein Jugendlicher auf mich zu, beschwerte sich,
Fernsehsender wie Sat 1 gekonnt habe, müsse          weil er der AfD mal die Meinung sagen wollte.“                  WWW.BKJ.DE

                                                                           6
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                                 S C H W E R P U N KT

          rin nerungsk
     Die E zen bringen
      zum T  an                            ne n era
                                                             Altonaer Museum
                                                   rbeiten am nstprojekt
                                 Schüler*in erdisziplinäres Ku
                                        ein int
                                                                           E
                                                                  AS GREIT
                                                        TEXT: CLA

Rüya, Sabrina, Leni und Seyma
im Altonaer Museum (von links)

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                 as Licht ist schummrig in dem     hen soll, bezeichnet Anne Pretzsch als „per-       ansehen dürfen, ist ein altes Fotoalbum mit
                 großen, ehrwürdigen Saal.         formative Re-Installation von Erinnerungskul-      Schwarz-Weiß-Bildern von einer Kreuzfahrt.
                 Hölzerne Gallionsfiguren hän-     tur“. Sie erklärt: „Wir erforschen mit den Schü-   „Was glaubt ihr, wie kann man herausbe-
                 gen an den holzgetäfelten         ler*innen die deutsche Erinnerungskultur, fra-     kommen, wie alt es ist?“, fragt Birgit Staack.
                 Wänden, werfen lange Schat-       gen uns, woran erinnert wird, wie Geschich-        „Anhand der Kleider auf den Bildern!“, ant-
ten. Melissa, Lara und Cenk denken sich weit       te geschrieben wird und wer sie schreibt.“ Es      wortet eine Schülerin. Die Archivleiterin gibt
in die Vergangenheit zurück – doch nicht in        gehe unter anderem um „Machtverhältnisse in        ihr recht – die Kleider- und auch Frisurenmo-
jene Zeit, in der die Gallionsfiguren noch über    der Geschichtsschreibung“, dabei werde ein         de lässt darauf schließen, dass die Fotos in
die Meere segelten, sondern in eine viel frühe-    Bogen gespannt von der Kolonialzeit über den       den 1920er- Jahren gemacht wurden. Spä-
re Epoche. Die Achtklässler*innen der Stadt-       Holocaust bis zur Gegenwart. In dieser ers-        ter geht es noch um historische Feldpost-
teilschule Bahrenfeld, alle 14 Jahre alt, befas-   ten Übung zum Turmbau zu Babel geht es nun         karten und „Luftschiffpost“, die damals von
sen sich an diesem Tag im Januar mit der alt-      darum, dass die Jugendlichen sich mit dem          Zeppelinen abgeworfen wurde. Die Jugendli-
testamentarischen Erzählung vom Turmbau zu         Thema Überlieferung vertraut machen und            chen sind konzentriert, es herrscht gespann-
Babel. „Ich bin der einzige, der im Himmel sein    Techniken des Erinnerns kennenlernen. Spä-         te Stille im Raum. „Schon der Ortswechsel
darf – nein, kann!“, sagt Lara. Sie übernimmt      ter soll eine einstündige Performance zu dem       macht viel aus, das ist sehr reizvoll für die
für diese Übung die Rolle Gottes. Melissa sagt:    Thema entstehen, die dann auch im Altonaer         Schüler*innen“, sagt Annika Aue. Leon Flu-
„Ich als Bürger möchte einen Turm bauen“.          Museum öffentlich gezeigt wird.                    cke sagt: „Es ist uns wichtig, dass wir mit
Cenk hat die nicht ganz einfache Aufgabe, sich                                                        dem Altonaer Museum Expert*innen für das
in „einen Backstein“ einzufühlen, der für den      Historische Zusammenhänge                          Thema Erinnern dabei haben.“ Er und Anne
Bau gebraucht wird. Später soll daraus eine        werden in Bewegung umgesetzt                       Pretzsch arbeiten einmal in der Woche drei-
kleine Szene entstehen.                                                                               einhalb mit den Schüler*innen zusammen,
                                                   Während Melissa, Lara und Cenk überle-             entweder im Altonaer Museum oder in der
Die Übung ist Teil eines besonderen interdiszi-    gen, wie sie die Geschichte in wenigen Sze-        Stadtteilschule Bahrenfeld.
plinären Projekts mit dem Namen „ODE – Orte        nen auf die Bühne bringen können, lernen
der Erinnerung“. Dabei arbeitet die Stadtteil-     ihre Klassenkamerad*innen gemeinsam mit            Einige Wochen später, an einem Tag im Febru-
schule mit dem Altonaer Museum sowie der           der Lehrerin Annika Aue das Archiv des Alto-       ar, treffen wir die Schüler*innen in der Schu-
Künstlerin Anne Pretzsch, dem Theaterpäda-         naer Museums kennen. Birgit Staack, Leite-         le. Es wird wieder am ODE-Projekt gearbei-
gogen Leon Flucke, Kulturagentin Ruth Zimmer       rin des Archivs, und ihr Mitarbeiter Chris-        tet. Die Schüler*innen sitzen an Tischen in der
und der Theaterschule Zeppelin zusammen.           topher Bainbridge stellen ihre Arbeit vor,         Aula, an einer Stellwand hängt eine umge-
Gefördert wird das Projekt, das im November        erklären, welche Gegenstände aufbewahrt            drehte Weltkarte, Süden oben, Norden unten.
2019 begann und mindestens bis Mai 2021            werden und warum – und auch, wie sie uns           Denn es geht um eine Änderung des Blick-
dauern wird, mit Geld aus dem Fonds „Kultur        etwas über die damalige Zeit erzählen kön-         winkels, heute wird über Kolonisierung und
& Schule“. Was in der Zusammenarbeit entste-       nen. Ein Exponat, das die Schüler*innen sich       strukturelle Diskriminierung gesprochen. Die

                                                                          8
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Bildungsreferentinnen Nina Scheer und Janis        Hamburg so viel Geld mit dem Kolonialismus         In den kommenden Wochen werden die vielen
Jirotka leiten den eintägigen Workshop. „Wisst     verdient hat.“ In der vergangenen Woche gab        inhaltlichen Stränge in „performativen Expe-
ihr, welche Länder Kolonialmächte waren?“,         es auch schon eine tänzerische Übung zum           rimenten“ in Bewegung umgesetzt, wie Anne
fragt Janis Jirotka die Schüler*innen. Länderna-   Thema Kolonialismus, davon berichtet Josefine:     Pretzsch sagt. Hier kommt auch die Zusam-
men wie England und Frankreich fallen sofort,      „Jede und jeder von uns war ein Begriff. Ich       menarbeit mit der Theaterschule Zeppelin zum
etwas später Spanien und Portugal. Schließlich     habe zum Beispiel ‚Trauer‘ verkörpert.“ Nisa       Tragen. Auch die Szenen zum Turmbau zu
wird auch Deutschland genannt. Janis Jirotka       sagt: „Meine Rolle war ‚Druck‘. Das war span-      Babel, die im Januar entstanden, sollen dann
macht deutlich, wie wenig dieses Kapitel auf-      nend. Ich bin anderen hinterhergerannt, habe       weiter choreografisch umgesetzt werden. Wie
gearbeitet ist: „Es gab immer auch Widerstand      sie weggeschubst.“                                 die einstündige Performance aussehen wird,
in den kolonisierten Gebieten. Aber über den                                                          die am Ende aus dieser kreativen Mischung
Widerstand hören wir heute wenig. Wir lesen        Teil des ODE-Projekts ist auch die Auseinan-       und den Themensträngen hervorgeht, hängt
in Geschichtsbüchern von Columbus, aber            dersetzung mit der eigenen Vergangenheit           weitestgehend von den Schüler*innen ab.
fast nichts über die Menschen, die dort leb-       und der der Familie. Dazu wurden bei einem         Anne Pretzsch: „Wir versuchen, viel reinzuge-
ten.“ Nina Scheer sagt: „Rassismus und Kolo-       Treffen persönliche Gegenstände mitgebracht.       ben, aber wenig zu oktroyieren.“
nialherrschaft gehören zusammen. Ohne Ras-         Josefine erzählt: „Ich habe ein Kuscheltier mit-
sismus wäre Kolonialherrschaft nicht möglich       gebracht, ein Schaf, das ich zur Geburt bekom-
gewesen.“ Janis Jirotka hält eine grüne Papp-      men habe.“ Lara erzählt: „Ich habe ein Spiel-
karte hoch, auf der in Großbuchstaben das          zeugauto mitgebracht, das schon meine Oma
Wort „Handel“ steht. Sie sagt: „Hamburg ist        geerbt hatte.“ Leon Flucke sagt: „Es geht uns
für Handel bekannt. Wisst ihr, was das genau       darum, im Rahmen des Themas Erinnerungs-
bedeutet? Hamburg ist sehr reich geworden          kultur nach Sinnzusammenhängen zu suchen.
durch den Kolonialismus.“ Ein Raunen geht          Das reicht von historischen Erzählweisen hin                        INFO
durch die Gruppe der Schüler*innen.                zu privaten, von globalen zu familiären Struk-
                                                   turen.“ Immer wieder interessant sei es, zu
                                                                                                      Nach der derzeitigen Planung soll die Perfor-
In der folgenden Übung geht es darum, Spuren       sehen, wofür die Jugendlichen sich interessie-
                                                                                                      mance, die im ODE-Projekt entwickelt wird, am
dieser Zeit im heutigen Hamburger Stadtbild zu     ren. „Einige interessieren sich für die 1920er-
                                                                                                      6. und 7. November jeweils um 16 Uhr öffent-
finden, herauszufinden, was sie über die Kolo-     Jahre, andere für das Geschehen im Drit-
                                                                                                      lich im Altonaer Museum gezeigt werden.
nialzeit erzählen. Dafür haben Janis Jirotka und   ten Reich.“ Generell seien Familiengeschichten
                                                                                                      Ob es wegen der Corona-Krise zu einer Ver-
Nina Scheer viele Fotos mitgebracht, etwa von      sehr wichtig, aber auch Fragen wie die, „was
                                                                                                      schiebung kommt, war bis Redaktionsschluss
dem Bismarck-Denkmal in Altona, dem Ein-           von der Liebe bleibt“. Anne Pretzsch: „Die
                                                                                                      nicht bekannt. Kontakt zum Altonaer Museum,
gangstor von Hagenbecks Tierpark oder dem          vielfältigen Biografien und Identitäten in der
                                                                                                      Museumsstraße 23, unter Tel. 040/428 13 50
EDEKA-Logo. In der Pause erzählt Nisa, 13:         Gruppe spielen eine sehr wichtige Rolle.“
                                                                                                      und per E-Mail an info@am.shmh.de
„Ich habe heute zum ersten Mal gehört, dass

                                                                          9
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Wer übernimmt
                                S C H W ES RCPHUWNEKT
                                                    R P U N KT

Verantwortung?
  Schüler*innen aus vier Hamburger
      Stadtteilschulen brachten
  gemeinsam Brechts „Kaukasischen
     Kreidekreis“ auf die Bühne
           TEXT: SAMIRA AIKAS

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W
                   ie sieht es aus, wenn rund 150 Jugendliche zusam-                 Projektgruppe sind miteinander befreundet, Konkurrenzdenken gibt
                   men an einem Brecht-Theaterstück arbeiten? Beim                   es laut den Schüler*innen nicht. Warum? „Wir haben keine Einzelrol-
                   Jugendgroßprojekt des 17. plattform-Festivals wir-                len und treten als Gruppe auf. Wir haben gemeinsame Einsätze, Texte
                   ken Schüler*innen im Alter zwischen 14 und 16 Jah-                und jeder hat auch mal Sätze. Keiner ist besser oder schlechter als der
                   ren von vier Hamburger Stadtteilschulen an dem                    andere und keiner spielt sich in den Vordergrund“, erklärt Zilan. Es sei
                   Drama „Der Kaukasische Kreidekreis“ mit.                          ganz so wie bei der Moral des Stücks, bei dem es auch darum gehe,
                                                                                     dass jeder Verantwortung übernimmt und das Wohl der anderen über
In jedem Gang und jedem Raum des Ernst Deutsch Theaters wuseln                       das eigene stellt.
an diesem Tag im Februar Schüler*innen umher, besprechen ihre Ein-
sätze, üben oder feixen in den Pausen herum. Teller mit Süßigkeiten                  Brechts berühmtes Stück „Der kaukasische Kreidekreis“, entstanden
und viel guter Zuspruch von Lehrer*innen, Künstler*innen, der Regie                  1944/45 im US-amerikanischen Exil, spielt in Georgien in einer fikti-
und den Jungschauspieler*innen des Jugendclubs Schauspiel beruhi-                    ven Vergangenheit und erzählt von Egoismus, Moral, Entbehrungen,
gen die angespannten Nerven. Heute ist bereits der zweite Tag der                    Liebe, Feigheit, Mut und Gerechtigkeit. Wie die Schüler*innen den
Gesamtprobenwoche, bei der alle Projektgruppen gemeinsam im Ernst                    Kern des Dramas sehen, fasst der 15-jährige Max zusammen: „Man
Deutsch Theater proben, und in vier Tagen naht der Abend der Auf-                    muss sich entscheiden, ob man den einfachen oder den schwierige-
führung.                                                                             ren, aber moralisch richtigen Weg wählt.“ Es gehe um eine moralische
                                                                                     Weiterentwicklung und die Verantwortung für Konsequenzen, die aus
Während die Projektgruppen Tanz von der Stadtteilschule Öjendorf                     eigenem Handeln entstehen. „Der einfachere Weg ist nicht immer der
und Musik von der Stadtteilschule Horn auf der Bühne proben, haben                   bessere“, sagt Max.
sechs Mitglieder der Performance-Gruppe Zeit für ein kurzes Gespräch.
Sie erzählen, dass sie bei der Teilnahme an einer Projektgruppe die                  Das größte Hindernis bei den Proben war laut den Schüler*innen die
Wahl hatten zwischen Kunst, Musik und Theater, also Performance.                     anfängliche Unlust. Max erklärt, dass die Gruppe bereits einige Auf-
Die Entscheidung der Schüler*innen der Stadtteilschule Eidelstedt fiel               tritte hatte, darunter auch auf Kampnagel. Bisher seien die Stücke
einstimmig für das Theater. Der Traum von einer Schauspielkarrie-                    aber freier in ihrer Gestaltung gewesen und hätten ein hohes Maß an
re, vielleicht sogar in Hollywood, ist zwar da, doch die Jugendlichen                eigenen Ideen und Improvisation zugelassen. Das engere Korsett bei
sehen ihn größtenteils realistisch. „Das hat viel mit Glück zu tun. Ich              dem Brecht-Drama stieß daher anfangs auf wenig Begeisterung. Esma
werde daher das Schauspiel als Hobby behalten und später wohl in die                 (14) ergänzt: „Wir dachten zuerst, dass die Geschichte langweilig ist,
Medizin gehen“, sagt Nadia, 14 Jahre.                                                aber wir konnten dann Parallelen zwischen damals und heute ziehen
                                                                                     und dann hat sie uns doch berührt.“ Der Arbeitsstandvergleich wäh-
Zu jeder Projektgruppe gehört eine Lehrkraft, ein*e Künstler*in sowie                rend der Probewochenenden war ein zusätzlicher Ansporn, da jede
die Gesamtregie. Das neueste Mitglied der Performance-Gruppe ist                     Gruppe zeigen wollte, was sie kann. „Wir sind das böse Volk, das der
die 14 Jahre alte Zilan, die bereits voll integriert ist. Die Beteiligten der        Küchenmagd Grusche einredet, dass sie es nicht schafft, das Kind zu

                                                                                11
retten, und das generell für Unruhe sorgt“, sagt Esma. „Wir konnten             Termin mit jedem Tag entwickele. Die Schauspielgruppe des Jugend-
viel mitreden, wenn es darum ging, wann wir was zu den Szenen mit               clubs sei dabei immer ein ganz gutes Vorbild. „Wir haben da auch
den Schauspielern beitragen.“ Yuonen (14) ergänzt, dass der wachsen-            eine Vorbildfunktion, die die Projektgruppen animiert zu zeigen, was
de Zeitdruck und der Wunsch, die Erwartungen ihrer Theaterlehrerin              sie können.“
Julie Kuhn zu erfüllen, dann endgültig dazu führten, dass sie alle nicht
mehr so viele Faxen machten und sich anstrengten.                               Vier Tage später ist es so weit: Am Samstagmorgen des 22. Februars
                                                                                findet die Generalprobe vor dem abendlichen großen Auftritt statt.
Bei den heutigen Proben geht es konzentriert zu. Ab und an werden               Noch hinter geschlossenem Vorhang überrascht die Regisseurin Imke
noch Einsätze verpasst und kleine Versprecher passieren, aber es ist            Trommler ein Geburtstagskind mit einem Ständchen. Die Band spielt,
deutlich zu sehen, dass hier schon viele Monate Proben in der Schu-             alle Mitwirkenden singen, bevor sie die Jugendlichen auf die General-
le vorangegangen sind. Beim Abschlussbild, bei dem alle Jugendlichen            probe einschwört. Was bei der Probenwoche noch hakte, läuft jetzt
auf der Bühne stehen und eigene Gedanken teilen, lesen viele ihren              rund. Eine Eigendynamik, die sich während der Woche entwickelt hat,
Text noch vom Handydisplay ab und Sätze werden neu vergeben oder                sorgt für kleine neue Ideen hier und da und ein paar Feinabstimmun-
modifiziert. Mit auf der Bühne ist auch die Projektgruppe der Ilse-             gen, wo es nötig ist, um ein noch besseres Gesamtbild zu erreichen.
Löwenstein-Schule, die das Bühnenbild gestaltete. Entstanden sind               Die Jugendlichen wirken gelöst und selbstsicher.
vier riesige Vorhänge. Die Gruppe hatte bei der Gestaltung viel Frei-
raum, lediglich die Farbwahl war vorgegeben. Die Ergebnisse schaffen            Die Aufführung im bis auf den letzten Platz besetzten Ernst Deutsch
verschiedene Ebenen und Dimensionen auf der Bühne, welche die Auf-              Theater ist ein voller Erfolg. Beim Abschlussbild stehen alle Schü-
führung lebendig wirken lassen. Die Gruppe Tanz hat einen eher klei-            ler*innen auf der Bühne und entlassen das Publikum mit ihren selbst
nen Part, der aber modern und eigenwillig ist und viel zur Grundstim-           konzipierten gesellschaftskritischen Fragen, Wünschen und State-
mung der Inszenierung beiträgt. Die Musikgruppe liefert bereits wäh-            ments zu unserer Zeit. Max fragt: „Viele Leute sagen mir, ich bin weiß.
rend der Proben instrumentale sowie gesangliche Höchstleistungen                Viele Leute sagen mir, ich bin schwarz. Wieso ist das eigentlich wich-
ab, sie stand bereits in einem vorigen Stück auf der Bühne des Ernst            tig?“ Niko trägt den Spruch eines Schülers aus der Bühnenbildgrup-
Deutsch Theaters.                                                               pe, der bei der Aufführung nicht dabei sein kann, vor: „Alle sprechen,
                                                                                keiner macht. Alle versprechen, keiner hört. Alle schwören, jeder
Der 20 Jahre alte Niko ist Mitglied des Jugendclubs am Ernst Deutsch            bricht.“ Nach der gemeinsamen Abschlussfrage „Und ich?“ brandet
Theater. Er hat schon öfters im Rahmen des plattform-Festivals mit              ein großer Applaus mit Standing Ovations auf, was zu einer euphori-
Projektgruppen verschiedener Hamburger Schulen zusammengearbei-                 schen Stimmung auf der Bühne führt. Vergessen sind die Mühen und
tet. „Mich fasziniert, wie sich die Arbeit der einzelnen Gruppen, die           die Kleinigkeiten, die vielleicht nicht hundertprozentig geklappt haben.
zuvor alleine probten, während der Gesamtprobenwoche nach und                   Nach dem Auftritt lädt das Ernst Deutsch Theater zu einer Karaoke-
nach zusammensetzt“, sagt Niko. Der Spaß stehe zwar im Vorder-                  Abschlussparty ein, bei der die Jugendlichen noch lange ausgelassen
grund, aber eben auch die nötige Disziplin, die sich seit dem ersten            zusammen feiern.

                                                                           12
S C H W E R P U N KT

Im Urlaub spielerisch lernen
                                    Das TheaterSprachCamp hilft
                                  Drittklässler*innen beim richtigen
                                  Gebrauch der deutschen Sprache
                                            TEXT: CHRISTINE WEISER

                  13
I
                 n den Sommerferien gemein-        Sprachförderbedarf haben. Vor allem nach den      Kinder im Camp das Buch „Die schwarze Hexe“
                 sam mit anderen Kindern           Sommerferien, so die Beobachtung von Lehr-        von Michael Morpurgo. Auf der Grundlage des
                 wegfahren, baden gehen,           kräften, waren die zuvor erworbenen Lernfort-     Textes wird Deutsch gelernt, zum Beispiel die
                 spielen, toben, tolle Ausflü-     schritte im Lesen und Schreiben teilweise wie-    Grammatik von Verben. Außerdem liefert das
                 ge machen und Theater spie-       der verschwunden. „Deshalb war die Zielgrup-      Buch Anregungen für kleine Performances,
                 len: Das klingt für die meisten   pe von Anfang an klar. Das Projekt sollte sich    die einstudiert werden. „Wir haben bestimmte
Mädchen und Jungen im Grundschulalter nach         an Drittklässler*innen richten, also vor dem      Rituale, bauen gemeinsam Masken und Requi-
einem spannenden Abenteuer. Die Organisa-          Übergang auf eine weiterführende Schule wirk-     siten für Theaterszenen“, sagt Laura. Jede
tor*innen des Hamburger TheaterSprachCamps         sam werden“, sagt Ulrike Kutsch.                  Gruppe erarbeitet Beiträge, die auf dem gro-
(TSC) bieten seit mehr als zehn Jahren genau                                                         ßen Abschlussfest des TSC aufgeführt werden.
das und eine Menge mehr. Sehr vereinfacht          Vom TheaterSprachCamp profitieren
gesagt, geht es im TheaterSprachCamp darum,        Teilnehmer*innen und Anleitende                   „Damit leistet sich Hamburg ein gutes Projekt“,
im Urlaub spielend zu lernen. Denn neben vie-                                                        sagt Ulrike Kutsch. „Viele schauen auf unser
len verschiedenen Aktivitäten stehen für 240       Schnell stand fest, dass die Kinder, die das      Konzept.“ Mit dieser Sicht steht Ulrike Kutsch
Kinder jährlich auch kreative Übungen auf dem      TheaterSprachCamp besuchen, in Gruppen drei       nicht allein da. Das Projekt wird regelmäßig
Programm, mit denen die Drittklässler*innen,       Wochen lang gemeinsam Urlaub machen sol-          vom Institut für Bildungsqualitätsmanagement
angeleitet und betreut von Sprachlehrer*in-        len. Das Jugenderholungswerk als Träger des       (IFBQ) evaluiert. Laura beschreibt ihre Erfah-
nen und Theaterpädagog*innen, ihre Deutsch-        Angebots bringt bei Aufenthalten an ins-          rungen so: „Ich sehe schon in der kurzen Zeit
kenntnisse ausbauen und festigen.                  gesamt acht Reisezielen, unter anderem im         Entwicklungssprünge bei den Kindern, nicht
                                                   Weserbergland, im Harz oder auf Sylt, seine       nur in der Sprachkompetenz, sondern auch im
„Die Behörde für Schule und Berufsbildung          langjährigen Erfahrungen aus dem Bereich          Selbstbewusstsein. Sie stehen aufrechter und
ist 2006 an uns herangetreten, mit der Bitte,      Ferienfreizeiten ein. Die Universität Hamburg     sprechen lauter.“
ein Konzept zu entwickeln für die Sprach(en)       als Partner sichert mit einem für das TSC
bildung von Kindern“, sagt Ulrike Kutsch,          erarbeiteten Konzept die fachliche Seite der
Geschäftsführerin des Hamburger Jugender-          Sprachausbildung ab. Weitere Kooperations-
holungswerkes (JEW). Der Verein organisiert        partner sind die academie creartat, ein Bil-
seit 1985 Ferienreisen und betreut dabei jähr-     dungsprojekt, das auf die Mittel der Kunst
lich viele Tausend Kinder und Jugendliche aus      setzt, das Landesinstitut für Lehrerbildung und
einkommensschwachen Familien. Das deut-            Schulentwicklung Hamburg sowie die Bücher-                           INFO
sche Bildungssystem hatte im Jahr 2000 in          hallen Hamburg, die Bücherkisten für die
dem internationalen Schulleistungsvergleich        Camps zur Verfügung stellen.
                                                                                                     Damit Kinder in den Genuss dieser Sprachför-
der Organisation für Wirtschaftliche Zusam-
                                                                                                     dermaßnahme kommen, müssen die Klassen-
menarbeit schlechter abgeschnitten, als hier-      Das Projekt gibt Studierenden die Möglichkeit,
                                                                                                     lehrer*innen aktiv werden. Sie informieren die
zulande erwartet. Nach dem Schock der PISA-        erste Praxiserfahrungen in der Wissensvermitt-
                                                                                                     Eltern über das TSC und melden die Kinder an.
Studie rückte vor allem die Bedeutung von          lung zu sammeln. Laura, 26 Jahre alt, ist eine
                                                                                                     Anschließend findet für die Eltern ein verpflich-
Sprachkompetenz in den Fokus.                      von ihnen. Die angehende Theaterpädagogin
                                                                                                     tendes Gespräch beim JEW statt. Die Teilnahme
                                                   hat bereits mehrfach Kinder im TSC betreut.
                                                                                                     am TSC kostet 75 Euro, zuzüglich 18 Euro für
Weil gute Sprachkenntnisse eine wichtige Vor-      Spielen, Ausflüge und Lernen wechseln sich
                                                                                                     die Gruppenkasse.
aussetzung für einen erfolgreichen Bildungs-       ab. Es gibt zwei Sprachlerneinheiten pro Tag,
weg sind, sollte das Projekt besonders Kin-        drei Tage lang. Danach sind erst mal wieder
der in den Blick nehmen, die einen speziellen      andere Aktivitäten dran. Gemeinsam lesen die      WWW.JUGENDERHOLUNGSWERK.DE

                                                                        14
KRITIK

Hochalpines Kindertheater
   ohne Absturzgefahr
        Kirschkern, Compes & Co. stellten
            ihre „Heidi“-Adaption beim
        Hamburger Kindertheater-Treffen     Überzeugen im raschen
                                            Rollenwechsel: Sabine
           2020 im Fundus Theater vor       Dahlmann (l.) und Monika Els

                TEXT: LUTZ WENDLER

                 15
Das Ganze beginnt vertraut, aber nicht vorhersehbar. Denn der Ohrwurm,                 Die beiden Schauspielerinnen zaubern immer neue Requisiten aus den
der auf der Bühne nach dem Auflegen einer Schallplatte gestartet wurde,                Pultfächern oder hinter dem wiesengrünen Bühnenvorhang im Hinter-
endet nach 20 Sekunden und zwei Jodlern abrupt, just bevor der titel-                  grund hervor, das Hüten der Tiere begleiten sie mit Ziegengemecker und
gebende Name zum ersten Mal zu hören ist. Als Zuschauer ist man fast                   Glöckchenkonzert.
reflexartig versucht, die Leerstelle zu füllen und nach dem Intro des hei-
matseligen Schlagers, Erkennungsmelodie der japanischen Zeichentrick-                  Auch im zweiten Teil reichen wenige Hilfsmittel beim Spiel, um Atmosphä-
serie von 1974, laut „Heidi“ zu singen. Doch auf der Bühne wird ein                    re zu erschaffen. Heidi ist nach drei Jahren aus ihrer Welt gerissen wor-
anderer Ton angeschlagen. Der harte Schnitt ist in dieser Inszenierung                 den, um im großbürgerlichen Frankfurter Haushalt Sesemann der Tochter
Programm.                                                                              des Hauses, der im Rollstuhl sitzenden Clara, als Gefährtin Gesellschaft
                                                                                       zu leisten. Sabine Dahlhaus als strenge Gouvernante Fräulein Rottenmeier
Die „Heidi“ der freien Hamburger Kinder- und Jugendtheatergruppe                       plus Nebenfiguren und Monika Els als Heidi agieren mit Puppenhaus und
Kirschkern, Compes & Co. ist eine Geschichte, die kreativ mit Johanna                  Püppchen im Rollstuhl. Entscheidend auch hier, dass es keine Rolle mehr
Spyris Kinderbuchklassiker umgeht (Text und Dramaturgie: Judith Com-                   spielt, dass alle Zutaten sichtbar sind, weil ihr Zusammenwirken etwas
pes), ohne sich über das betagte Original der Schweizer Autorin lustig                 Eigenes ergibt, das größer als die Summe aller Teile ist.
zu machen. Das Ergebnis ist eine stimmige Inszenierung, die ebenso die
theatralische Gratwanderung in der hochalpinen heimeligen Bergwelt                     Ein schönes Theatererlebnis für Kinder ab fünf Jahren. Die wohl größte
absturzfrei bewältigt wie auch die Spielszenen im deutschen Flachland                  Leistung dieser Produktion ist, dass sie mehr als Geschichtenerzählen und
glaubhaft macht, ohne platt zu werden.                                                 Unterhaltung bietet – die Inszenierung und die beiden Schauspielerinnen
                                                                                       zeigen dem jungen Publikum nämlich, wie aus theatralischer Behauptung
Dieses Gelingen ist wesentlich den beiden wandlungsfähigen Darstelle-                  eine eigene Wirklichkeit entstehen kann.
rinnen Sabine Dahlhaus und Monika Els zu verdanken, die coram publi-
co in schnellen Rollenwechseln die schlichte Geschichte auch ohne gran-
diose Gebirgskulisse und Frankfurter Patrizierhaus durch Schauspiel zum
Leben erwecken und dazu nur wenige Versatzstücke, Kostüme und spar-
same Dekoration (Regie, Bühne und Kostüm: Marcel Weinand) benötigen.

Sabine Dahlhaus ist zunächst Tante Dete und Heidi, dazu braucht es nur
verschiedene Stimmlagen, Körperhaltungen und Hut, während Monika
Els als Heidis einsiedlerischer grantelnder Opa mit umgehängtem Rau-
schebart und in Lederhose widerwillig sein fünf Jahre altes verwaistes                                                INFO
Enkelkind zur Pflege auf der Alm-Hütte von Dete übernimmt und durch
dessen reine Seele in einen liebenden Großvater verwandelt wird. Heidi                 Die nächste Vorstellung findet voraussichtlich am 15. Juni um 10.30 Uhr
wiederum wächst an der Seite von Alm-Öhi und ihrem Freund Geißenpe-                    bei der GWA St. Pauli am Hein-Köllisch-Platz 12 statt.
ter, in den sich Monika Els mit Hut und ohne Bart verwandelt, als Natur-
kind auf. Spielfläche ist ein Tisch mit Fächern, der Esstisch in der Hütte sein
kann, aber auch Felskante, wo ein Zicklein vor dem Absturz gerettet wird.                                    WWW.GWA-STPAULI.DE

                                                                                  16
S C H W E R P U N KT

                 lissen schauen
    Hinter die Ku

                                                           Zwei junge
                                                             Frauen
                                                           berichten,
                                                            wie ein
                                                         Freiwilliges
                                                       Soziales Jahr
                                                                     ihr
                                                            Leben
                                                          und ihre
                                                        Berufswahl
                                                        beeinflusst
                                                          haben
                                                    TEXT: CHRIS
                                                                TINE WEISE
                                                    TEXT: CHRIS            R
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                                    17
F
               ür Theater haben sich Gianna         Institutionen austauschen und in Workshops        takt.“ Auch Lena-Marie ist für ihr FSJ Kultur
               Cusano und Lena-Marie Brümmer        an seinen Talenten feilen. „Ich habe zum Bei-     umgezogen. Eine Entscheidung, die sie nicht
               schon in der Schulzeit interes-      spiel einen Kursus zum Thema Kreatives Schrei-    bereut hat. „Es war ein großer Schritt, um lang-
               siert. „Ich habe selbst gespielt“,   ben gemacht. Da habe ich viel gelernt, was ich    sam selbstständig zu werden. Man muss offen
               sagt Gianna, die in Dortmund         in meiner Arbeit anwenden kann, zum Beispiel,     sein und sich kümmern, aber es lohnt sich.“
               zur Schule gegangen ist. Weil        eher kurze als lange Sätze zu schreiben.“
die 19-Jährige nach dem Abitur nicht so genau                                                         Für Gianna ist schon klar: „Das FSJK hat mir
wusste, was sie studieren wollte, entschied         Lena-Marie Brümmer hat sich in den Seminar-       sehr geholfen bei der Berufsfindung. Ich wäre
sie sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr Kul-    wochen für Workshops entschieden, in denen sie    nie auf den Studiengang Kulturwissenschaft
tur (FSJK). Das wollte sie unbedingt an einem       ihre handwerklichen Fähigkeiten einsetzen konn-   gekommen, weil ich mir darunter wenig vor-
Theater in Hamburg absolvieren und nahm             te, zum Beispiel im Plakatdesign. Gemeinsam mit   stellen konnte. Nun möchte ich gern Ange-
dafür gern einen Umzug in Kauf. „Die Entschei-      einer FSJK-Kollegin plant sie zudem den Boys-     wandte Literatur- und Kulturwissenschaften
dung für das FSJK sollte mir neue Erfahrungen       and-girls-Day am Deutschen Schauspielhaus         studieren und anschließend im Kulturbereich
ermöglichen. Darüber hinaus war mir bei der         Hamburg. Schüler*innen der 8. Klassen sollen      arbeiten.“ Auch Lena-Marie hat die Entschei-
Wahl auch wichtig, dass ich meine Interessen        dann im Theater hinter die Kulissen schauen und   dung für das FSJ Kultur auf dem Weg ins
einbringen kann. Ich schreibe sehr gern.“           den Fundus und die Werkstätten kennenlernen.      Berufsleben vorangebracht. „Ich weiß jetzt
                                                    Für Lena-Marie war das FSJ Kultur die perfek-     ganz sicher, was ich machen möchte: eine Aus-
Seit September 2019 unterstützt Gianna nun          te Möglichkeit, verschiedene Wünsche gleich-      bildung zur Maßschneiderin in Hamburg.“
unter anderem die Presse- und Öffentlichkeits-      zeitig zu realisieren. „Ich nähe gern, wollte
arbeit im Ernst Deutsch Theater. Sie stellt Pres-   unbedingt nach Hamburg und etwas Kreati-
sespiegel zu den aktuellen Veranstaltungen          ves machen“, sagt die 20-Jährige, die aus der
zusammen, kümmert sich um den Versand der           Nähe von Kiel stammt. Sie bewarb sich für die                       INFO
Programmhefte, beantwortet Anfragen und             Kostümabteilung am Schauspielhaus. Den Tipp
schreibt Vorschläge für den Newsletter. Neben       dazu bekam sie von ihrem Onkel. „Ich hatte
                                                                                                      Die LAG Kinder- und Jugendkultur ist Träge-
diesen eher administrativen Aufgaben, unter-        nach dem Abitur keine konkreten Pläne. Mein
                                                                                                      rin des FSJK in Hamburg. Sie sucht die Ein-
stützt Gianna Theaterpädagog*innen bei ihrer        Onkel ist Lehrer in Hamburg und hat mich auf
                                                                                                      satzstellen, vermittelt die Freiwilligen, orga-
Arbeit mit einem Jugendclub. „Das macht mir         das FSJ Kultur aufmerksam gemacht.“
                                                                                                      nisiert die Bildungstage und begleitet die
sehr viel Spaß. Ich besorge Requisiten und
                                                                                                      Freiwilligen und Einsatzstellen durch das
führe Protokoll. Aber ich darf mich auch kreativ    Seit vergangenem August arbeitet Lena-Marie
                                                                                                      gemeinsame Jahr sowie bei Fragen und Pro-
einbringen und künstlerische Hinweise geben.“       mit einer Kostümassistentin zusammen, rich-
                                                                                                      blemen. Informationen zum FSJK gibt es auf
                                                    tet die Garderoben für Proben ein, hilft Schau-
                                                                                                      der LAG-Webseite und bei Katrin Claussen,
Nicht nur die tägliche Arbeit an ihrer Einsatz-     spieler*innen beim Umziehen, sucht Kostüme
                                                                                                      Tel. 040/524 78 97 97, E-Mail:
stelle macht Gianna Spaß, sondern auch die          im Fundus heraus, erledigt kleinere Reparatu-
                                                                                                      claussen@kinderundjugendkultur.info
Seminare mit anderen Freiwilligen. Wer sich         ren oder fährt auch mal schnell los, um spezi-
für das FSJ Kultur entscheidet, kann sich regel-    elle Reißverschlüsse zu besorgen. „Die Vielfalt
mäßig mit anderen jungen Erwachsenen über           macht es so spannend. Man kommt einfach                  WWW.FSJK-HAMBURG.DE
ihre Erfahrungen im Kulturbereich und in ihren      mit vielen verschiedenen Menschen in Kon-

                                                                         18
Der neue Vorstand der                                                              entwicklung und seit 2020 leitet er mit seinem Produktionsbüro „Studio

LAG
                                                                                   Marshmallow“ das interkulturelle Festival „Fluctoplasma“.
                                                                                   Ich mache Kinder, und Jugendkultur, weil…
                 Am 27. Februar wurden die folgenden
                                                                                   die nächsten Generationen unsere Zukunft sein werden.
                 Mitglieder für zwei Jahre gewählt
                                                                                   In der LAG möchte ich…
                                                                                   mich für mehr Diversität und weitere politische Themen einsetzen.
                                                                                   Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt, als…
                                                                                   ich den besten Burrito meines Lebens gegessen habe.

Heike Roegler, Stiftung Historische Museen Hamburg
Heike Roegler leitet die Bildung und Vermittlung im Altonaer Museum und
Jenisch Haus in der Stiftung Historische Museen Hamburg. Ein ihr wichti-           Heidi Jakob, Bücherhallen Hamburg
ges Themenfeld, das sie mit ihrer Arbeit verfolgt, ist eine Selbstverständ-        Heidi Jakob wusste schon als Kind, dass sie später in einer Bibliothek
lichkeit von Diversität (Gleichberechtigung von Alter, Geschlecht, sexuel-         arbeiten wollte. Sie studierte Bibliothekswesen in Hamburg und ist seit
ler Orientierung, ethnisch-kultureller Zugehörigkeit, Religion und Behin-          1982 Mitarbeiterin der Bücherhallen Hamburg. Seit April 2014 ist ihr Auf-
derung). Freiberuflich übernimmt sie Arbeiten in der Leseförderung. Die            gabengebiet die zentrale Koordination der Kinderprogramm- und Netz-
Fotografie ist ihre Leidenschaft, der sie mit eigenen Arbeiten näher zu            werkarbeit der Bücherhallen. Seit 2016 Mitglied des Vorstands der LAG.
kommen versucht. Seit 2016 ist sie Mitglied des Vorstands der LAG, seit            Ich mache Kinder- und Jugendkultur, weil…
2020 dessen Vorsitzende. Sie ist Teil des kju-Redaktionsteams.                     gut informierte, gebildete, kreative, künstlerische Menschen ihre individu-
Ich mache Kinder, und Jugendkultur, weil…                                          elle Zukunft, in sozialem Einklang mit der Gesellschaft, selbstbestimmter
ich die Kultur der Kinder und Jugendlichen mit all ihren ihnen eigenen             und bewusster (mit)gestalten können.
Perspektiven und Ideen als eine Bereicherung für uns alle empfinde.                In der LAG möchte ich…
In der LAG möchte ich…                                                             mich für den Bereich Frühkindliche Bildung stark machen, gemeinsam mit
mich politisch engagieren, dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche            unseren Mitgliedern und weiteren Bildungspartner*innen.
eigenständig gestalten, formen, einfach mitmachen können.                          Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt, als…
Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt, als…                                   ich ohne zu pausieren 16 Kilometer durchgelaufen bin.
ich Bildern mit kräftigen Farben in einer Ausstellung gegenüberstand und
sie mich kribbelig grinsen lassen haben.

                                                                                   Anke Amsink, Kulturpunkt im Barmbek°Basch
                                                                                   Anke Amsink leitet seit 2003 als Geschäftsführerin das Kulturhaus Dehn-
Dan Thy Nguyen, Eidelstedter Bürgerhaus                                            haide e.V. – Kulturpunkt im Basch. In dieser Funktion hat sie das 1. Com-
Dan Thy Nguyen ist freier Theaterregisseur, Schauspieler, Schriftsteller           munity Center Hamburgs, das Barmbek Basch, mitentwickelt. Dem Vor-
und Sänger in Hamburg. Er arbeitete an diversen Produktionen u.a. auf              stand des Basch gehört sie genauso an wie dem Beirats-Ausschuss für
Kampnagel, dem Mousonturm Frankfurt, der Freien Akademie der Küns-                 Bildung, Kultur und Sport in Hamburg Nord sowie dem AK „Barrierefreies
te Hamburg und an der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Seit                    Barmbek Süd“. In allen Tätigkeitsbereichen bilden Inklusion und Diversi-
2018 arbeitet er zusätzlich im Eidelstedter Bürgerhaus für die Diversitäts-        tät die Richtschnur ihrer Arbeit. Einen besonderen Schwerpunkt legt die
                                                                              19
studierte Sozialökonomin auf die gesellschaftliche Teilhabe im Bereich            Bettina Knauer, Kulturforum21
Digitalisierung.                                                                  Bettina Knauer hat Germanistik, Philosophie, Theaterwissenschaften,
Ich mache Kinder- und Jugendkultur, weil...                                       Buch- und Bibliothekswissenschaften, Christliche Archäologie und Kunst-
ich die Handlungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen fördern und               geschichte studiert, anschließend geforscht und unterrichtet, auch inter-
ihnen eine Stimme geben möchte.                                                   national. 2000 hat sie in Hamburg einen Neustart gemacht, zunächst in
In der LAG möchte ich...                                                          PR- und Werbeagenturen, dann an der Hochschule für Musik und Theater,
mich für die größtmögliche Selbstbestimmung der Kinder und Jugendli-              wo sie interdisziplinäre Forschungs-, Studien- und Aufführungsprojekte im
chen einsetzen, und für eine freie Kunst ohne pädagogische Bewertung.             Bereich Musiktheater und Musikvermittlung entwickelt hat. 2008 Erfin-
Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt, als...                                dung und seither Leitung des Kulturforum21 der Schulen im Erzbistum
ich Streaming Dienste installierte und ich unabhängig von festgesetzten           Hamburg – ein eigenständiges Kulturvermittlungsprogramm für 21 Schu-
Uhrzeiten Serien usw. schauen konnte, soooo lange wie ich es will.                len, in Kooperation mit Hamburgs Kulturinstitutionen und Künstler*innen;
                                                                                  2015 ergänzt durch ein interkulturelles Bildungsprogramm.
                                                                                  Ich mache Kinder- und Jugendkultur…
                                                                                  um an der Schnittstelle (Hoch-)Kultur und Kulturelle Bildung die Komfort-
                                                                                  zonen zu verlassen und Herausforderungen anzugehen.
                                                                                  In der LAG möchte ich…
Andreas Fleischmann, Esche Jugendkunsthaus                                        gemeinsam bewegen.
Andreas Fleischmann hat als Leiter und Geschäftsführer den Aufbau des             Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt…
Jugendkunsthaus Esche in Altona von Beginn an begleitet. Als studierter           an der Nordsee.
Ethnologe, Soziologe und Philosoph sind für ihn Kunst und Kultur viel-
schichtige Begriffe, die er in seiner Arbeit in ihren zahlreichen Facetten
ausfüllen möchte. Nach Stationen bei Amnesty International und dem
bundesweiten Nachbarschaftsbündnis Netzwerk Nachbarschaft setzt er
sich in der Esche dafür ein, Kinder und Jugendliche für die schönen Küns-
te zu begeistern. Mit einer Arbeitsgruppe der LAG hat er bereits an den           Colette See, Mediennetz Hamburg e.V.
„Materialien zum Thema Kinderschutz“ mitgearbeitet. Seit 2018 Mitglied            Colette See studierte Sozialwissenschaften an der Universität Hamburg.
des Vorstands der LAG.                                                            Seit 2010 ist sie Referentin für Suchtprävention bei Sucht.Hamburg mit
Ich mache Kinder- und Jugendkultur, weil...                                       dem Schwerpunkt exzessive Mediennutzung. Schwerpunkte ihrer Arbeit
Kreativität eine der wichtigsten Eigenschaften des Menschen ist und               liegen in der Förderung der Medienerziehung in Familien und der Medi-
schon früh gefördert werden muss.                                                 enkompetenzförderung bei Kindern und Jugendlichen. Sie ist im Vorstand
In der LAG möchte ich...                                                          des Mediennetz Hamburg e.V. und engagiert sich für die Medienbildung
die Anliegen und Werte der Kinder- und Jugendkultur in Hamburg voran-             in Hamburg. Seit 2018 Mitglied des Vorstands der LAG.
treiben, um den Zugang aller Heranwachsenden zu kulturellen Angebo-               Ich mache Kinder, und Jugendkultur, weil…
ten sicherzustellen.                                                              sie die Vielfalt von Kindern und Jugendlichen widerspiegelt, an deren
Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt, als...                                Lebenswelt ansetzt, ihnen spannende Erfahrungsräume öffnet und Teil-
meine Tochter eine alte Duplo-Eisenbahn geschenkt bekommen hat.                   habe ermöglicht.
                                                                                  In der LAG möchte ich…
                                                                                  mich vor allem für das Thema Digitalisierung und kulturelle Bildung
                                                                                  einsetzen.
                                                                                  Gefreut wie ein Kind habe ich mich zuletzt, als…
                                                                                  ich eine Runde Basketball gespielt habe.
                                                                             20
S C H W E R P U N KT

      Zeitgenössischen Tanz als
      Ausdrucksform entdecken
                                          Das Tanztheaterprojekt im Altonaer
                                           Stadtteilkulturzentrum HausDrei
                                         lässt Jugendliche ihre eigenen Ideen
                                       entwickeln und tänzerisch verwirklichen
                                                  TEXT: CHRISTIANE TAUER

Szene aus dem Stück „Darüber hinaus“

                                                              21
T
                 anzen, kreativ sein, in der Grup-   agoginnen gemeinsam mit den Jugendlichen          steht dann alles fest – und es heißt proben,
                 pe zusammenarbeiten – all das       einem bestimmten Thema an. Im vergangenen         proben, proben. „In der letzten Probenpha-
                 passiert im Tanztheaterprojekt      Jahr war es „Begrenzung“, in diesem Jahr soll     se stehen sie auf einer richtigen Theaterbühne
                 von Angelika Haußmann und           es „Absprung“ sein.                               und entwerfen zusätzlich passende Kostüme“,
                 Kyra Hollstein. Seit 2016 set-                                                        sagt Kyra Hollstein.Die Tanzpädagoginnen spü-
                 zen die zwei Tanzpädagoginnen       Welche Assoziationen kommen bei diesem            ren in dieser Phase auch den zunehmenden
ihr künstlerisch-pädagogisches Konzept für           Wort auf? Welche Bilder und Ideen habt ihr?       Ehrgeiz der Jugendlichen, sich bei der nahen-
Jugendliche von 15 bis 18 Jahren in die Tat um.      Diese Fragen stellen sie den Teilnehmenden        den Aufführung vor Publikum im Lichthof The-
In diesem Jahr geht es in die vierte Runde. „Es      zu Beginn des Projekts. Im Brainstorming tau-     ater nicht blamieren zu wollen. Haben eini-
ist völlig egal, ob die Jugendlichen Tanzerfah-      chen dann Begriffe wie etwa „Wut“ oder „Ein-      ge die regelmäßige Teilnahme an den Proben
rung haben oder nicht“, sagt Angelika Hauß-          samkeit“ auf, die mittels Rechercheaufträgen      eher locker genommen, ändert sich das. „Viele
mann. Viel wichtiger sei ihnen, den Jugendli-        und Improvisationsaufgaben tänzerisch verar-      merken spätestens dann, wie wichtig Verbind-
chen und jungen Erwachsenen, die zum Teil in         beitet werden. Die unterschiedlichen, von den     lichkeit beim Training ist“, sagt Kyra Hollstein.
Deutschland sozialisiert oder aus dem Ausland        Jugendlichen genannten Begriffe werden aus-       Wenn bis zu 100 Leute zuschauen, soll die Per-
hierher geflüchtet sind, die in Jugendhilfeein-      gearbeitet und am Ende mit einer Montage-         formance schließlich sitzen.
richtungen leben oder in klassischen Fami-           technik zu einer collageartigen Performance
lien, in dem viermonatigen Projekt zu vermit-        zusammengesetzt.                                  Die Projektleiterinnen haben die Erfahrung
teln: Wir nehmen euch ohne Vorbehalte ernst,                                                           gemacht, dass viele Jugendliche zu Beginn des
eure Meinungen und Ideen zählen, wir schaf-          Die Teilnehmenden setzen dabei aber zu kei-       Projekts denken: Wie soll das gehen, 40 Minu-
fen einen Raum, wo die Kreativität im Vorder-        ner Zeit nur das um, was die Projektleiterin-     ten durchzutanzen? Je mehr sie sich aber auf
grund steht.                                         nen ihnen vorgeben, sondern bringen sich          das Tanztheaterprojekt einlassen, desto siche-
                                                     selbst mit ein. „Wir beobachten die Ideen und     rer werden sie. Und die Jugendlichen erfahren
„Wir arbeiten prozess- und produktorientiert“,       Impulse der Jugendlichen und geben ihnen          neben der künstlerischen Arbeit noch mehr: In
fasst Kyra Hollstein zusammen. Das bedeutet,         dazu tänzerische Bewegungsrecherchen“, sagt       der Performance selbst zählt nichts weiter als
dass sowohl der künstlerische Prozess und die        Angelika Haußmann. Das ist dann beispiels-        der Moment und die Interaktion mit den ande-
Gruppenbildung im Fokus stehen, als auch das         weise zu dem Thema „Einsamkeit“ der Schreib-      ren. Das Elternhaus, die Herkunft, das Mili-
Produkt selbst, also die am Ende entstandene         auftrag, den Satz „Wenn ich alleine bin, dann     eu, alles ist unwichtig. Wenn es zum Schluss
Performance. Wichtig ist hierbei zudem, dass         …“ auszuformulieren und anschließend in           Applaus von einem Publikum gibt, sind sie ein-
den Teilnehmenden die Möglichkeit eröffnet           Bewegungen umzusetzen. Oder sie suchen sich       fach stolz.
wird, das Ergebnis ihrer Arbeit auf einer Theater-   drei Wörter aus ihrem selbstgeschriebenen Text
bühne zu präsentieren. Das Tanztheaterprojekt        aus und überlegen, wie sie sich darstellen las-
wird gefördert von ChanceTanz, einem Projekt         sen. Um ihnen das tänzerische Handwerks-                             INFO
des „Bundesverbands Tanz in Schulen e. V.“ im        zeug für diese Arbeit zu liefern, zeigen ihnen
Rahmen des Programms „Kultur macht stark.            die Tanzschaffenden einige Elemente des zeit-
                                                                                                       Wegen der Corona-Krise sind die Proben seit
Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeri-          genössischen Tanzes in Form von tanztechni-
                                                                                                       Mitte März ausgesetzt. Wann sie wieder statt-
ums für Bildung und Forschung. Die Koopera-          schen Übungen.
                                                                                                       finden können, war bis Redaktionsschluss
tionspartner sind das Lichthof Theater in Bah-
                                                                                                       noch nicht bekannt. Wer sich für das Tanzthe-
renfeld, der Jugendhilfeträger family support        Was genau am Ende Teil der 40- bis 50-minü-
                                                                                                       aterprojekt interessiert, kann sich an Kyra Holl-
S&S gGmbH sowie das Altonaer Stadtteilkultur-        tigen Choreografie wird, bleibt lange offen.
                                                                                                       stein unter Telefon 01577/414 80 09 wenden.
zentrum HausDrei, wo auch die wöchentlichen          Gemeinsam entscheiden die Jugendlichen und
Proben stattfinden. Jeden Mittwoch von 17.30         die Tanzkünstlerinnen, welche Szenen und
bis 20 Uhr nähern sich die beiden Tanzpäd-           Sequenzen sie verwenden wollen. Irgendwann                     WWW.HAUS-DREI.DE

                                                                          22
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