Distales Intestinales Obstruktions Syndrom (DIOS) bei Patienten mit Cystischer Fibrose

 
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Distales Intestinales Obstruktions Syndrom (DIOS) bei Patienten mit Cystischer Fibrose
Distales Intestinales Obstruktions
Syndrom (DIOS) bei Patienten mit
Cystischer Fibrose

Die Inhalte dieser Broschüre beruhen zum Teil auf persönlichen Erfahrungen des Autors. Vertex erhebt daher
keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit der Inhalte und haftet nicht für Therapieentscheidungen.
Gemäß Heilmittelwerbegesetz ist dieses Material ausschließlich für Ärzte gedacht. Die Weitergabe an Patienten
oder Erziehungsberechtigte ist nicht gestattet. Bitte beachten Sie auch die entsprechenden Fach- und
Gebrauchsinformationen.
Inhaltverzeichnis

    Einführung                    4

    Definition und Symptomatik    5

    Diagnostik                    8

    Ursachen                     12

    Risikofaktoren               14

    Therapie und Outcome         17

    Differentialdiagnosen        25

    Prophylaxe                   31

    Zusammenfassung              35

    Abkürzungsverzeichnis        36

    Literatur                    37

2
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Mukoviszidose ist eine Multisystemerkrankung, die in ihrer Ausprägung verschiedene Organe
wie Pankreas, Lunge und den Darmtrakt betrifft. Dabei stellt das Distale Intestinale Obstruktions
Syndrom (DIOS) wegen des raschen Handlungsbedarfs und wichtiger Differentialdiagnosen
eine besondere therapeutische Herausforderung dar. Die Entwicklung und der Verlauf des
Syndroms erfolgt über unspezifische Symptome und muss oft individuell behandelt werden.

Darüber hinaus sind die Studiendaten zum DIOS limitiert und es mangelt noch immer an Nach-
schlagewerken, die sich spezifisch mit der Problematik des DIOS befassen. Vor diesem Hinter-
grund ist diese Broschüre entstanden. Darin finden Sie Informationen zu Ursachen und Symp-
tomatik des DIOS sowie zu etablierten diagnostischen und therapeutischen Verfahren, die in
der Praxis eingesetzt werden.

Die Broschüre soll Ihnen somit einen möglichst kompakten und praxisnahen Einblick in die
aktuellen Entwicklungen der DIOS-Therapie geben.

                             Dr. med. Peter Küster
                             Oberarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
                             Schwerpunkte: Kinder-Gastroenterologie, Mukoviszidose-Zentrum
                             Clemenshospital in Münster
                             Mitglied der Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie
                             und Ernährung (GPGE)

                                                                                                    3
Einführung

    Die Mukoviszidose (auch cystische Fibrose, CF) ist eine komplexe, autosomal-rezessiv vererbte,
    monogenetische Erkrankung. Die Entschlüsselung des genetischen Defektes und des entspre-
    chenden Proteins (Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator, CFTR) erlaubt tiefe
    Einblicke in die Pathophysiologie der Erkrankung. Die Komplexität der Erkrankung erklärt sich
    aus der besonderen Rolle, die das CFTR-Protein in verschiedensten Organsystemen spielt, ins-
    besondere in den exokrinen Drüsen.1 Neben der Lunge ist vor allem der Intestinaltrakt mit
    Leber, Pankreas, Dünn- und Dickdarm von der Erkrankung betroffen.1 Das Kanalprotein CFTR
    reguliert den Chloridionen- und Bicarbonatausstrom aus der Epithelzelle. Der mangelhafte
    Chloridionenausstrom und der damit konsekutiv verringerte Wasserausstrom auf die Epithel-
    oberfläche behindern den Sekret- und Mukustransport.2 Der gestörte Bicarbonatausstrom
    könnte entscheidend für die Mucinmaturation sein und damit den viskös veränderten Schleim
    erklären.3,4 Somit lassen sich die Krankheitsmanifestationen der chronisch destruierenden Bron-
    chitis, der biliären Fibrose der Leber (Zirrhose) und der exokrinen Pankreasinsuffizienz erklären.
    Die Probleme des Darms sind zum einen direkt durch die mangelhafte CFTR-Funktion und zum
    anderen auch sekundär durch die fehlenden Pankreasenzyme und die veränderte Gallesekre-
    tion zu verstehen.

4
Definition und Symptomatik

Das „Distale Intestinale Obstruktions Syndrom“ (DIOS) ist eine CF-typische Manifestation am
Dünn- und Dickdarm jenseits der Neugeborenenperiode. Mit „Distal Intestinal“ ist der distale
Dünndarm gemeint, womit sich der Obstruktionsort fundamental von der Obstipation unter-
scheidet. In früherer Zeit wurde statt DIOS das „Mekoniumileusäqivalent“ als Krankheitsbegriff
für die postnatale intestinale Obstruktion benutzt, angelehnt an den Mekoniumileus (MI), der,
abhängig von der Schwere des Genotyps, bei 13–21 % der CF-Neugeborenen auftritt.5 Nach
1980 setzte sich zunehmend der Begriff des DIOS durch. Eine klare Definition des DIOS wurde
erst kürzlich von einer Arbeitsgruppe der ESPGHAN (European Society of Pediatric Gastro-
enterology, Hepatology and Nutrition) festgelegt (s. Diagnostik).6 Beim DIOS entwickelt sich
ohne eine anatomische Enge ein Stuhlverhalt im Ileozökalbereich bis hin zum kompletten Ileus.

Je nach Ausprägung der Obstruktion erklärt sich die Symptomatik. Diese entwickelt sich
meist relativ schnell innerhalb eines Tages, klassisch beginnend mit zunehmend krampfartigen
Schmerzen im Unterbauch. Bauchschmerzen können bis auf wenige Ausnahmen als obligat für
ein DIOS angesehen werden. Generell ist die Schmerzlokalisation bei einem DIOS wenig spezi-
fisch. Bei zunehmender Distension des Dünndarms werden die Schmerzen eher im gesamten
Bauchraum angegeben (Tabelle 1).

                          Die Symptomatik des DIOS ist unspezifisch. Es dominieren Bauch-
                       schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und eine Distension des Abdomens.7-9

                                                                                                 5
Tabelle 1: Häufigkeit der Symptome bei 35 erwachsenen DIOS-Patienten mit insgesamt 45 DIOS-Episoden.7

      Symptome                                                               Symptome

      Bauchschmerz                                          96 %             Übelkeit                       76 %
        Gesamtes Abdomen                                    44 %             Erbrechen                      67 %
        Rechter Unterbauch                                   9%              Aufgeblähter Bauch             56 %
        Bauchmitte                                          27 %             Durchfall                      7%
        Epigastrium                                          4%              Palpable Stuhlmasse            4%
        Unterbauch                                           4%
        Bauchmitte        rechter Unterbauch                 7%

    Oft fühlen die Patienten die Hyperperistaltik des Dünndarms im Unter- bis Mittelbauch und die
    Darmaktivität wird für den Patienten und sogar für andere nahestehende Personen fühl- und
    hörbar. Übelkeit und nachfolgendes (galliges) Erbrechen sind Gradmesser für den Fortschritt der
    Obstruktion und Dilatation des Dünndarms. Die eingedickte Stuhlmasse im rechten Unterbauch
    kann oft vom Patienten selbst oder vom Untersucher getastet werden. Sie wird als häufiges
    Symptom angegeben,8,9 ist aber bei Erwachsenen evtl. kein führendes Symptom.7 Irritierend ist
    für den Patienten und oft auch für behandelnde Ärzte, dass anamnestisch häufig kein Stuhlver-
    halt zu eruieren ist und sogar noch während der Schmerzsymptomatik normal Stuhl abgesetzt
    wird. Dies erklärt sich aus der relativ raschen Entwicklung des DIOS und den somit noch vor-
    handenen Reststuhlmengen im Kolon, die noch abgesetzt werden können. Dass CF-Patienten
    wegen der Pathophysiologie der Malabsorption eher größere Stuhlmengen oder häufiger pro
    Tag Stuhl absetzen, erklärt diese Beobachtung zusätzlich.

    Jede Altersgruppe von Patienten mit CF kann von einem DIOS betroffen sein.9

6
Das DIOS betrifft alle Altersgruppen von CF-Patienten.9 In einer Studie an 8 europäischen
pädiatrischen CF-Zentren war die Altersverteilung vom Säuglingsalter bis zum 18. Lebens-
jahr nahezu identisch (Tabelle 2). Errechnet wurde eine Inzidenz von 6,2/1.000 Patientenjahre.6

Tabelle 2: Altersverteilung von 51 DIOS-Episoden in 8 europäischen CF-Zentren.6

                    Alter                                          DIOS           Häufigkeit
                   (Jahre)                                      Episoden (n)         (%)

                     0–3                                              10             20
                     3–6                                               8             16
                     6–9                                               9             18
                    9–12                                               5             10
                   12–15                                              11             22
                   15–18                                               8             16

In einer historischen Arbeit an dokumentierten Fällen von DIOS-Episoden zwischen
den Jahren 1945 und 1966 findet sich eine Häufung der Fälle für Säuglinge und Kinder
im Vorschulalter.8 Gründe dafür könnten die deutlich erhöhte Morbidität und die geringere Le-
benserwartung zum damaligen Zeitpunkt sein. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass Säuglinge und
Vorschulkinder in einem bedeutenden Maße vom DIOS betroffen sein können.

Andere Autoren beschreiben eine Häufung im Jugend- und Erwachsenenalter.10,11 Die Daten
des Berichtsbandes des Deutschen Mukoviszidoseregisters weisen auf ein etwa doppelt so
hohes DIOS-Risiko für Erwachsene hin.12

                                                                                                  7
Diagnostik

    Die Diagnostik des DIOS ist gut strukturiert und mit wenigen Hilfsmitteln durchführbar. Sie um-
    fasst Anamnese (s.o.), körperlichen Untersuchungsbefund, Routinelabor sowie bildgebende
    Verfahren (Tabelle 3). Neben dem Erkennen von Komplikationen haben Laboruntersuchungen
    einen differentialdiagnostischen Wert und sollten übliche Parameter wie Blutbild, CRP, Trans-
    aminasen, Lipase, Kreatinin, Elektrolyte, Blutzucker, Urinstatus und eine Blutgasanalyse mit
    Lactat beinhalten.

    Tabelle 3: Diagnostische Verfahren zur Diagnosesicherung des DIOS.

      Abdomensonogramm
      Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme
      Computertomogramm des Abdomens
      Magnetresonanztomogramm des Abdomens
      Koloskopie

    Das DIOS ist eine sich entwickelnde Erkrankung mit unterschiedlichem Schweregrad, weshalb
    es in ein inkomplettes und komplettes DIOS eingeteilt worden ist (Tabelle 4). Als Krankheitsvor-
    stufe kann eine Stuhltransportstörung auf Ileozökalniveau angenommen werden. Der Übergang
    zum inkompletten DIOS ist fließend.

    Wegweisend für die Diagnosestellung ist neben der Symptomatik
    der palpatorische, sonografische oder radiologische Nachweis einer
    Stuhlmasse im rechten Unterbauch.

8
Tabelle 4: Einteilung des DIOS (nach ESPGHAN CF Working Group).6

                                                               Befunde

  1          Bauchschmerz und/oder aufgetriebenes Abdomen
  2          Stuhlmasse im Ileozökalbereich

  3	Kompletter Darmverschluss mit galligem Erbrechen und/oder radiologischem Nachweis einer Spiegel-
     bildung im Dünndarm

                                   1 + 2 = inkomplettes DIOS; 1 + 2 + 3 = komplettes DIOS

Die Diagnostik sollte stufenweise dem Erkrankungsgrad entsprechend erfolgen. Beim Bild des
inkompletten DIOS kann auf bildgebende Diagnostik verzichtet und umgehend die Therapie
gestartet werden, um den Krankheitsverlauf abzukürzen und eventuell den Übergang zu einem
kompletten DIOS zu vermeiden. Bauchschmerzen und eine Stuhlmasse im rechten Unterbauch
sollten unter Abwägung differentialdiagnostischer Überlegungen frühzeitig die Diagnose fest-
legen. DIOS-erfahrene Patienten können die Diagnose des DIOS idealerweise schon selbst
stellen und damit den Diagnosezeitpunkt vorverlegen. Ein DIOS-unerfahrener Patient sollte
geschult werden, bei entsprechenden Symptomen immer zeitnah Kontakt zu einem CF-erfah-
renen Arzt aufzunehmen.

Bei einer Vorstellung des Patienten in der Klinik werden neben der obligatorischen
Anamnese und dem Untersuchungsbefund routinemäßig Laboruntersuchungen sowie ein Ab-
domensonogramm frühzeitig durchgeführt – unabhängig vom Ausprägungsgrad der Erkran-
kung, da sie risikolos durchgeführt werden und rasch Differentialdiagnosen eingrenzen können.
Sonografisch lassen sich die Stuhlmasse im Ileozökalbereich (Abbildung 1) sowie die Dünndarm-
dilatation nachweisen.

                                                                                                        9
Ergänzend wird häufig auch eine Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme veranlasst (Abbildun-
     gen 2 und 3). Soweit mit dieser Diagnostik die Kriterien für ein inkomplettes DIOS erfüllt sind,
     sollte die Therapie umgehend gestartet werden.

     Das komplette DIOS erfordert eine größere diagnostische Sicherheit, so dass neben der So-
     nografie auch immer eine radiologische Diagnostik erfolgen sollte. Bevorzugt wird hier eine
     Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme eingesetzt.7,9,13 Im Verlauf kann es sinnvoll sein, die Auf-
     nahme insbesondere nach Kontrastmittelgabe zu wiederholen. Die Computertomographie (CT)
     wird wegen der höheren Strahlendosis seltener eingesetzt als die Adomenübersichtsaufnahme;
     sie ist dieser aber diagnostisch überlegen.7 Bei komplizierten differentialdiagnostischen Frage-
     stellungen hat sie sowohl als primäre als auch ergänzende Diagnostik ihren Stellenwert. Eine
     Magnetresonanztomographie (MRT) kann als Alternative zur CT gewählt werden. In der Akut-
     diagnostik, z. B. bei erbrechenden Patienten, ist die CT zu bevorzugen. Eine Koloskopie kommt
     als kombinierte diagnostisch-therapeutische Maßnahme (s. Therapie) in Betracht und ist kom-
     plizierten Verläufen vorbehalten.

     Es ist von Vorteil, wenn der Patient hinsichtlich seiner DIOS-Problematik primär einen CF-er-
     fahrenen Arzt aufsucht. Da das DIOS CF-spezifisch ist, wird der Erfahrungsschatz bei Nicht-
     CF-Ärzten gering sein. So werden das inkomplette DIOS eher nicht konsequent genug diagnos-
     tiziert und frühzeitig therapiert sowie das komplette DIOS als eigenständiges Krankheitsbild
     nicht rechtzeitig wahrgenommen. Besonders der komplizierte Verlauf bedarf auch oft einer Mo-
     difikation der übrigen CF-spezifischen Therapie.

10
Abbildung 1: Abdomensonogramm eines inkompletten DIOS mit Nachweis
                                             einer Stuhlmasse im rechten Unterbauch.

Abbildung 2: Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme mit dem Bild des inkom-              Abbildung 3: Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme mit dem Bild des kompletten
pletten DIOS. Der Pfeil markiert die Stuhlmasse im rechten Unterbauch. Die Luft     DIOS. Der Pfeil markiert die Stuhlmasse im rechten Unterbauch. Deutliche Dünndarm
im Kolonrahmen ist weitgehend resorbiert. Im Dünndarm findet sich eine beginnende   Spiegelbildung als Ausdruck der kompletten Obstruktion. Ausgeprägte Stuhlmasse im
Spiegelbildung.                                                                     rechten Unterbauch (Pfeil) mit Projektion auf das terminale Ileum und Colon ascendens.

                                                                                                                                                                             11
Ursachen

     Die Fragen nach den Ursachen für das DIOS können zunächst nur hypothetisch beantwortet
     werden. Sie dürften primär in der fehlerhaften CFTR-Funktion zu suchen sein und sekundär aus
     den Folgen dieser Funktionsstörung resultieren (Tabelle 5). Eine direkte CFTR-Abhängigkeit des
     DIOS ist anzunehmen, da „schwere“ CFTR-Mutationen ein höheres DIOS-Risiko haben als
     Mutationen, die mit einer Restfunktion des CFTR-Proteins einhergehen. Der MI des Neugebo-
     renen bei CF ist pathophysiologisch ähnlich anzusehen wie das DIOS. Im Tiermodel eines CF-
     Frettchens verhinderte die vorgeburtliche, mutationsspezifische CFTR-Modulatortherapie über
     das Muttertier das postnatale Auftreten des MI bei den Jungtieren. Bei der Kontrollgruppe der
     Frettchen, die kein CFTR exprimierten (sog. CFTR-Gen-Knockout) hatte diese Therapie keinen
     Effekt,14 als Hinweis auf einen spezifischen CFTR-Effekt auf den MI.

     Tabelle 5: Mögliche Ursachen des DIOS.

                       Direkt CFTR-abhängig                                     Indirekt CFTR-abhängig

       Ursache                           Folge                 Ursache                     Folge

       Gestörter Chlorid-                Oberflächen-          Pankreasenzym-              Motilitätsstörung durch
       ionenausstrom                     dehydratation         mangel                      nicht resorbierte Fette

       Gestörter                         Mucinkonformations-   Gallesekretions-            Motilitätsstörung durch
       Bicarbonatausstrom                störung               störung                     nicht resorbierte Fette

                                                               Darmwandverdickung          Transportstörung
                                                               Myositis                    Transportstörung

     Als ursächlich für das DIOS kann die CFTR-Funktionsstörung angesehen werden.
     Bei Mutationen mit keiner oder minimaler CFTR-Restfunktion besteht ein deutlich
     höheres DIOS-Risiko im Vergleich zu Mutationen mit einer CFTR-Restfunktion.

12
Pathophysiologisch führt die CFTR-Fehlfunktion sowohl zu einem mangelhaften Chloridionen-
ausstrom als auch zu einem gestörten Bicarbonatausstrom aus der Epithelzelle. Der verrin-
gerte Chloridionenausstrom hat eine mangelhafte Oberflächenhydratation auf der Schleim-
haut und damit eine schlechtere Gleitfunktion zur Folge.2 Der verringerte Bicarbonatausstrom
blockiert die Entfaltung von Mucinen, wodurch deren Viskosität erhöht bleibt.3 Beide patho-
physiologischen Modelle konkurrieren miteinander, könnten sich aber auch ergänzen. Das End-
resultat ist eine Transportstörung von mukusgebundener Substanz in Epithelnähe, für die es
tierexperimentell sowohl für die Lunge15 als auch für den Darm16 eine gute Evidenz gibt.

Auch die möglichen indirekt CFTR-abhängigen Ursachen für ein DIOS verursachen eine intesti-
nale Transportstörung. Sowohl der Pankreasenzymmangel als auch die Gallesekretionsstörung
führen zu einer Fettmalabsorption, die eine verlängerte gastrokolische Transitzeit zur Folge hat.17
Die Auswirkungen eines veränderten Chymus bei CF mit unverdauten Nahrungsbestandteilen
in Verbindung mit einer veränderten enzymatischen Aktivität des Chymus auf die Darmwand
und deren Motilität können nur spekulativ bewertet werden. Veränderungen der Darmwand,
wie sie sonografisch als verdickte Darmwand sichtbar werden,18 sowie eine bei DIOS-Patienten
im terminalen Ileum nachgewiesene Leiomyositis und Ganglionitis19 könnten eine Folge dieses
veränderten Chymus sein.

Zusammenfassend ist eine multifaktorielle Ursache für das DIOS wahrscheinlich. Die Lokali-
sation der Erkrankung lässt sich durch den physiologisch hohen Wasserentzug des Chymus im
Bereich des Ileums erklären.

                                                                                                      13
Risikofaktoren

     Für das Risiko, ein DIOS zu entwickeln, lassen sich eindeutige Faktoren und fragliche Faktoren
     benennen (Tabelle 6). Da es kaum systematische Studien zum DIOS gibt und die jeweiligen
     Fallzahlen gering sind, lassen sich bestimmte DIOS-Risiken nicht belegen oder es kommt gar zu
     widersprüchlichen Ergebnissen.

     Tabelle 6: Risikofaktoren für die Entwicklung eines DIOS.

                          Sichere Risikofaktoren                          Wahrscheinliche Risikofaktoren

       MI bei Geburt                                             Vorherige Lungentransplantation
       Genotyp mit CFTR-Mutationsklasse 1-3                      Pankreasinsuffizienz
       Vorheriges DIOS                                           Insuffiziente Pankreasenzymsubstitution
                                                                 Diabetes mellitus Typ 3
                                                                 CF-Lebererkrankung

     Erwartungsgemäß geht der MI wegen der phänotypisch ähnlichen Erkrankung mit einem deut-
     lich erhöhten DIOS-Risiko einher: Etwa 40–50 % der DIOS-Patienten hatten einen MI.6,9 Auch
     genetisch zeigen sich Parallelen beider Erkrankungen, da ein deutlich größerer Anteil von CF-
     Patienten mit zwei „schweren“ CFTR-Mutationen (Klasse 1-3 Mutationen auf beiden Allelen)
     an einem MI oder DIOS erkrankt.10 Milde Mutationen mit CFTR-Restfunktion auf einem oder
     beiden Allelen sind beim DIOS ungewöhnlich, kommen aber gelegentlich vor, so dass damit
     kein Ausschluss eines DIOS möglich ist. Wegen der ebenfalls guten Genotyp-Phänotyp-
     Übereinstimmung der Pankreaserkrankung sind DIOS-Patienten somit auch meist pankreas-
     insuffizient.6,9

14
Etwa die Hälfte aller DIOS-Patienten hatte einen MI, nach
                          einem DIOS-Ereignis erleiden dies 20–50 % der Patienten erneut.6,9

Patienten, die bereits ein DIOS hatten, haben ein höheres Risiko für ein erneutes DIOS als
CF-Patienten, die kein DIOS in der Anamnese aufwiesen; bei 20–50 % der Patienten, die ein
DIOS-Ereignis erlitten, tritt ein DIOS auch erneut auf.6,7,9,20 Wegen der begrenzten Beobach-
tungszeit unterrepräsentieren alle bekannten Daten diese Ereignisse eher noch.

Eine vorherige Lungentransplantation stellt wahrscheinlich ein erhöhtes Risiko für ein DIOS
dar.7,21 Für diese Patientengruppe ergibt sich damit ein besonderes Risiko, da operative Ein-
griffe für diese Patientengruppe besonders problematisch sind. Eine insuffiziente Pankreas-
enzymsubstitution erscheint als Risikofaktor auch hinsichtlich pathophysiologischer Überle-
gungen sehr plausibel. In zwei neueren prospektiven Studien9,22 konnte jedoch keine
inkorrekte Pankreasenzymeinnahme vor einem DIOS-Ereignis nachgewiesen werden. Parallel
dazu konnte auch kein auffälliges Essverhalten vor einem DIOS-Ereignis gefunden werden. In
einer Studie wurde eine deutliche Assoziation eines Diabetes mellitus Typ 3 und einer CF-
Lebererkrankung mit dem DIOS beschrieben.9 Hingegen fanden sich keine Hinweise für eine
dem DIOS vorangegangene Dehydratation als Risikofaktor. Bedenken sollte man jedoch, dass
eine Kumulation von verschiedenen organischen Störungen wie im Beispiel genannt (Abbil-
dung 4a-c) ein besonderes DIOS-Risiko in sich bergen dürfte.

                                                                                                15
Abbildung 4a: Weibliche Patientin, 39 Jahre alt, F508del homozygot, Z.n. Lungen-
                                                transplantation, vorheriges DIOS. Am Vortag heftige Flankenschmerzen, klinischer
                                                abdomineller Befund unauffällig. Mikrohämaturie. Nachweis eines prävesikalen
                                                Harnleitersteins.

     Abbildung 4b: Anlage einer Harnleiterschiene. Periinterventionell geringe Flüssig-   Abbildung 4c: Diagnostische Intervention: Gastrografin® p.o.
     keitszufuhr. Am gleichen Tag heftige Bauchschmerzen, zunächst als postinterventio-   Verlauf: Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme nach 3 h mit Kontrastmittelübertritt
     nell fehlgedeutet. Im Verlauf Erbrechen, kein Stuhlabgang. CT: Stuhlmasse im prä-    ins Kolon ascendens. Stuhlgang und Symptomenrückgang nach 3 h, asymptomati-
     terminalen Ileum (Pfeil), Dünndarmspiegel. Diagnose: komplettes DIOS.                scher CRP-Anstieg auf 30 mg/dl, deshalb i.v. Piperacillin/Tazobactam aus Sorge vor
                                                                                          einer intestinalen Durchwanderungsseptikämie.
                                                                                          Resümee: Multifaktorielle Genese des DIOS bedingt durch Post-Transplantations-
                                                                                          zustand, vorheriges DIOS, Immobilität und Flüssigkeitsmangel.

16
Therapie und Outcome

Zu unterschiedlichen Therapieformen des DIOS gibt es keine randomisierten, kontrollierten
Studien.23 Es lohnt sich somit ein historischer Rückblick auf die erste größere publizierte Fall-
serie. Über einen Zeitraum von 1945-1965 wurde von 39 Patienten mit 42 DIOS-Episoden
berichtet. Bei 26/42 Episoden waren die Patienten jünger als 6 Jahre. Auffällig oft wurde ope-
riert (24 Fälle), teilweise unter letztendlich falschen Verdachtsdiagnosen, nur bei 10 Episoden
kamen Einläufe zum Einsatz, in 6 Fällen erfolgte eine unspezifische Therapie mit intravenösen
Flüssigkeitsgaben. 9 Patienten verstarben.8 Es wird deutlich, dass das DIOS mit den damaligen
Therapieformen mit einer erheblichen Morbidität und auch Mortalität einherging.

Die Tatsache, dass mit den aktuellen Therapieformen deutlich bessere Resultate erzielt werden,
unterstreicht auch ohne Therapiestudien die gute Qualität der heutigen Vorgehensweise.

Der sich wiederholende Verweis, dass DIOS-erfahrene Behandler in Diagnostik und Therapie
eingebunden sein sollten, resultiert aus der Sonderstellung des DIOS unter den Krankheitsbil-
dern mit einer intestinalen Obstruktion. Üblicherweise strebt man bei Subileus- und Ileuskrank-
heitsbildern eine Darmdekomprimierung an, um die Mikrozirkulation zu verbessern und einer
Ischämie vorzubeugen. Beim DIOS hingegen wird primär eine Lavage von oral angestrebt und
der Flüssigkeitsdruck noch erhöht. Lediglich beim fortgeschrittenen Krankheitsbild weicht man
von dieser Strategie ab.

                                          Die konservative Therapie des DIOS – bevorzugt mit
                                              Macrogol – ist in über 90 % der Fälle erfolgreich.

                                                                                                    17
Im Jahr 2011 wurden erstmals Guidelines zur DIOS-Therapie veröffentlicht.24 Obwohl das kli-
     nische Bild des DIOS in inkomplett und komplett eingeteilt wird, unterscheidet sich die thera-
     peutische Vorgehensweise nicht grundsätzlich. Im Zentrum der Therapie steht eine Lavage des
     Darms von oral oder rektal mit Macrogolpräparaten (z. B. Movicol®25, Laxofalk®26, Klean-Prep®27)
     oder Natrium- und Megluminamidotrizoat (Gastrografin®28,29) (Tabelle 7).

     Es muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass für beide Präparate keine spezifische
     Zulassung für die Therapie des DIOS existiert, und sie somit „off label“ eingesetzt werden. Für
     Makrogolpräparate stellt der Einsatz laut Fach- bzw. Gebrauchsinformation gar eine Kontraindi-
     kation dar, insbesondere wenn Kriterien des kompletten DIOS erfüllt sind.25-27 Die Zulassung für
     Gastografin® ist im deutschen Sprachraum uneinheitlich. Die „Gebrauchsinformation für An-
     wender“ aus Österreich (Bayer Austria Ges.m.b.H.) ist sehr weitreichend, schließt alle Alters-
     gruppen ein; Gastrografin® ist u. a. sowohl zur Diagnostik des Magendarmtraktes als auch
     Therapie des Mekoniumileus zugelassen.28 In der entsprechenden „Gebrauchsinformation“ aus
     Deutschland (Bayer Vital GmbH) ist Gastrografin® nur als reines Diagnostikum ab 12 Jahren
     zugelassen.29 Entsprechend existieren sowohl für Makrogolpräparate als auch für Gastrografin®
     keine formell zugelassenen Dosierungen zur Therapie des DIOS. Somit können die in Tabelle 7
     angegebenen Dosierungen auch nur als Richt- und Erfahrungswerte verstanden werden.

     Makrogolpräparationen sind isoosmolar und binden Wasser im Darmlumen. Der Spüleffekt
     resultiert aus der extern zugeführten Flüssigkeitsmenge. Gastrografin® ist hyperosmolar mit ei-
     ner Osmolarität von 2.150 mOsm/kg H2O. Auch die jeweiligen oralen Verdünnungen sind noch
     hyperosmolar und bewirken einen Wassershift ins Darmlumen. Die rektalen Gastrografineinläufe
     sind leicht hyperosmolar, entsprechend sind die Volumina größer gewählt.

18
Der durch Gastrografin® erzeugte Wasserentzug ist kreislaufbelastend und muss über Infusionen
ausgeglichen werden. Er beeinträchtigt auch die lokale Mikrozirkulation des Darms mit der
Gefahr der Ischämie und Perforation. Ein Vorteil der Gastrografingabe ist der positive Röntgen-
kontrast, so dass der Therapieerfolg radiologisch nachverfolgt werden kann.

Tabelle 7: Pharmakotherapie des DIOS.25-28

             Präparat                                                                  Dosis*

  Macrogolpräparation                   Einzeldosen:                                         Kontinuierliche intestinale Lavage
  (z. B. Movicol®,                      2 g/kg/d (max. 80–100 g/d)                           (Klean-Prep® ~59 g Macrogol/l)
  Laxofalk®,                                                                                 20–40 ml/kg/h (max. 1 l/h über 8 h)
  Klean-Prep®)

  Natrium- und                          oral                                                 rektal
  Megluminamidotrizoat                  < 6 Jahre: 15–30 ml                                  < 5 Jahre: bis 500 ml
  Gastrografin®                         1:3 Verdünnung                                       1:5 verdünnte Lösung
                                        6–10 Jahre: 15–30 ml                                 5–12 Jahre: bis 500 ml
                                        1:2 Verdünnung                                       1:4–1:5 verdünnte Lösung
                                        > 10 Jahre: bis 100 ml                               12 Jahre: bis 500 ml
                                        evtl. Verdünnung 1:1                                 1:3–1:4 verdünnte Lösung

* Die Dosierung für Makrogol ist nach Colombo et al.,24 die Dosierung für Gastrografin® nach der „Gebrauchsinformation: Information für Anwender“
   (Bayer Austria G.m.b.H.)28 angegeben.

Die Therapie des inkompletten DIOS ist weniger belastend und komplikationsärmer als die des kom-
pletten DIOS. Auch wenn es keine Belege für die Verhinderung eines kompletten DIOS bei straffer
zeitnaher Therapie eines inkompletten DIOS gibt, kann dies als wahrscheinlich angenommen werden.

                                                                                                                                                     19
Bei Anzeichen eines inkompletten DIOS soll die Therapie deshalb frühzeitig erstrangig mit Ma-
     crogol per os starten. Sie kann sogar vom Patienten selbst eingeleitet werden. Die Effektivi-
     tät einer häuslichen Therapie ist gut belegt.30,31 Da die Therapie nebenwirkungsarm ist, dürfte
     selbst eine im Nachhinein nicht absolut indizierte Therapie selten ein besonderes Risiko für den
     Patienten darstellen.

     Eine Startdosis von 0,5–1 g/kg Körpergewicht (KG) Makrogol (maximal 50 g) ist in unserer Klinik
     üblich. Eine zweite Gabe am 1. Behandlungstag ist wahrscheinlich sinnvoll, insbesondere bei
     einer weiterhin palpablen Masse im rechten Unterbauch. Entsprechend den Guidelines resul-
     tiert daraus eine Tagesdosis von 2 g/kg KG (maximal 100 g).24 Ein Therapieerfolg (nachlassendes
     Völlegefühl, vermehrter Stuhlgang, nicht mehr palpable Masse im rechten Unterbauch, nach-
     lassende Bauchschmerzen) sollte nach 12–24 h einsetzen. Sofern dies nicht der Fall ist, sollte
     ein CF-erfahrener Arzt informiert werden.

     Bei erfolgreicher Therapie soll auch in den nachfolgenden Tagen eine erhöhte Macrogoldosis
     (z. B. 1 g/kg/Tag) verabreicht werden. Unter stationären Bedingungen bietet sich neben obiger
     Vorgehensweise eine kontinuierliche intestinale Lavage mittels einer Magensonde an. Dabei
     werden deutlich höhere Macrogoldosen als 100 g/Tag verabreicht und somit ein intensiverer
     Spüleffekt erreicht. Eine klinische (Abdomenstatus, Kreislauf) und laborchemische Überwa-
     chung (insbesondere Elektrolyte) ist neben der i.v. Flüssigkeitsgabe notwendig. Ein durch die
     Flüssigkeitsmengen induziertes Erbrechen wird durchaus in Kauf genommen. Unter stationären
     Bedingungen wird parallel rektal abgeführt mit Klistieren (cave Phosphatintoxikation) oder
     es werden Macrogol-Einläufe durchgeführt. Prinzipiell kann unter stationären Bedingungen pri-
     mär auch Gastrografin® p.o. beim inkompletten DIOS angewendet werden.

20
Das komplette DIOS bedarf immer der stationären Behandlung mit oben genannter i.v.
Flüssigkeitsgabe und Überwachung mit der Option der chirurgischen Intervention. In besonde-
rem Maße gilt es auch hier, die Therapie frühzeitig zu beginnen. Durch die bestehende Ileus-
symptomatik ist das therapeutische Zeitfenster für eine konservative Therapie begrenzt. Ein
verzögerter Therapiebeginn ist mit einer erhöhten Morbidität verbunden.9

Auch wenn ein komplettes DIOS mit vorherigem, allerdings nicht anhaltendem Erbrechen vor-
liegt, kann ein oraler Therapieversuch mit einer PEG-Lavage gestartet werden. Je nach klini-
scher Situation des Patienten wird man die PEG-Lavage langsamer infundieren, als es in Tabelle 7
genannt ist, um kein weiteres Erbrechen zu induzieren. Beim kompletten DIOS wird die Inter-
vention mit oralem Gastrografin® ungenau bewertet. In den Guidelines wird lediglich auf den
Einsatz als Einlauf verwiesen.24 In Berichten über sehr positive Erfahrungen31,32 wird leider nicht
differenziert zwischen Patienten mit komplettem und inkomplettem DIOS. In unserer Klinik
wird orales Gastrografin® auch beim kompletten DIOS eingesetzt.

Unsere durchweg positiven Erfahrungen mit Gastrografin® beschränken sich auf Jugendliche
und Erwachsene. Ein Vorteil dieses diagnostischen Vorgehens ist die relativ geringe zu ver-
abreichende Flüssigkeitsmenge, die oft noch toleriert wird, ohne ein weiteres Erbrechen zu
provozieren. Die orale Verabreichung von Gastrografin® ist auch bei Vorschulkindern mit ent-
sprechender Dosisreduktion und Verdünnung durchgeführt worden.31 Beim kompletten DIOS
ist diesbezüglich jedoch besondere Vorsicht geboten.

                                                                                                      21
Zunächst wird die orale Therapie zumindest mit einem Klistier kombiniert, um Stuhl aus dem
     Kolon zu mobilisieren und damit eine Volumenentlastung des Abdomens zu erzielen. Im Verlauf
     kann auch mit rektalen PEG-Lavagen oder mit rektalen Gastrografin®-Einläufen kombiniert zur
     oralen Therapie gestartet werden.

     Eine zunehmende Ileussymptomatik verhindert im Verlauf eine orale Therapie. Neben einer
     Magenablaufsonde zur Dekompression kommen dann meist rektale Gastrografin®-Einläufe zum
     Einsatz. Auch kurzfristig wiederholte PEG-Einläufe,33 nach denen die Patienten nur über 10–15 min
     die Flüssigkeit halten und dann den Darm entleeren, sind in solchen Situationen eine sinnvolle
     Strategie. Die gewählte Einlaufmenge entspricht etwa 10 ml/kg, maximal 500 ml.

     Immer noch wird auch in neueren Fallserien vereinzelt N-Acetylcystein eingesetzt.9,34 Die
     Datenlage zu dieser Therapieform ist äußerst spärlich und sie ist potentiell toxischer als die
     Standardtherapie, weil sie in einzelnen Fällen, insbesondere bei jüngeren Patienten, zur Leber-
     schädigung und Hypernatriämie führt. Daher kann dazu nach persönlicher Ansicht keine Therapie-
     empfehlung ausgesprochen werden.

     Als neuere Therapieoption kann die interventionelle Koloskopie angesehen werden. In Fall-
     berichten wurde sowohl über das aktive Freispülen des verstuhlten Darmabschnittes als auch
     die lokale Instillation von Gastrografin® berichtet.9,35

22
Abbildung 5a: Männlicher Patient, 20 Jahre alt, F508del homozygot, bislang un-        Abbildung 5b: Diagnostische Intervention: 100 ml Gastrografin® 1:1 mit Wasser ver-
komplizierter Verlauf der CF mit normaler Lungenfunktion, Pseudomonas negativ. Seit   dünnt p.o.
zwei Tagen erkrankt, beginnend mit rechtsseitigen Unterbauchschmerzen, nachfol-       Röntgen-Verlauf: nach ca. 4 h: etwas Kontrastmittelrest im Magen, Kontrastierung
gend mehrfaches Erbrechen, letzter Stuhlgang am Vortag. Nach stationärer Aufnah-      des Dünndarms bis ins Ileum, Spiegelbildung unverändert.
me in auswärtiger Klinik Verlegung in unsere Klinik.                                  Verlauf: nach weiteren 6 h mehrfaches Abführen von flüssigem Stuhl, Abnahme der
Befund: gespanntes Abdomen, spärliche Peristaltik, diffuser leichter Druckschmerz.    Schmerzen und der Distension des Abdomens. Wohlbefinden am Folgetag.
Röntgen-Befund: weitgehend luftleeres Kolon, Dünndarmspiegel, stuhlgefülltes Kolon
ascendens, Stuhl in Projektion auf das terminale Ileum.
Diagnose: erstrangig DIOS
Therapie: Beginn einer PEG-Lavage, die der Patient dann mehrfach erbrach.

                                                                                                                                                                           23
Die Fortsetzung der konservativen Therapie über 48 h ist durchaus üblich. Auch Gastrografin®
     kann wiederholt rektal verabreicht werden.24 Empfehlungen und Daten zur Dauer der konser-
     vativen Akuttherapie, also bis zur Wiederherstellung einer Stuhlpassage und Beseitigung des
     Subileus/Ileuszustandes, existieren nicht. In der bislang größten Fallserie9 wird die durchschnitt-
     liche Restitution bis zur normalen Nahrungsaufnahme nach Therapiestart für das komplette und
     inkomplette DIOS gleichermaßen mit 4 Tagen angegeben.

     Als letzte Option nach einer frustranen konservativen Therapie muss chirurgisch vorgegangen
     werden. Zumeist wird wegen der massiven Dünndarmdilatation eine klassische Laparotomie
     erfolgen, über eine laparoskopische Intervention ist allerdings ebenfalls schon berichtet wor-
     den.36 Der Zeitpunkt, ab wann die konservative Therapie zugunsten der Operation verlassen
     wird, hängt vom Erfahrungsschatz der Behandler ab. Die Entscheidung muss immer individuell
     unter Abwägung der Gesamtsituation getroffen werden. Das Risiko operieren zu müssen steigt
     bei voroperierten Patienten. Zum Einsatz kommen primär das Ausmelken des Stuhls oder die
     Dekomprimierung und Lavage nach Enterotomie. Falls die Patienten abdominal voroperiert
     sind, können die Eingriffe komplexer werden.

     Mit der konservativen Therapie wird meist eine Operation vermieden. Die veröffentlichten
     Operationsquoten variieren jedoch stark zwischen 4 und 28 %.6,7,9,37 Diese breite Variabilität
     dürfte auf die sehr unterschiedlichen Beobachtungsräume zurückzuführen sein. In heutiger Zeit
     sind Operationsquoten unter 10 % realistischer.6,7,9 Todesfälle wie in der historischen Arbeit
     beschrieben8 sind heute selten geworden.

24
Differentialdiagnosen

Auch wenn durch die Diagnosekriterien (Tabelle 4) das DIOS direkt zu diagnostizieren ist, sind
die Kriterien, selbst in Kombination, nicht spezifisch für ein DIOS. Somit muss die einmal gestellte
DIOS-Diagnose unter Berücksichtigung von Differentialdiagnosen zwar gestellt, im Verlauf ge-
legentlich aber hinterfragt werden. Da bei CF wegen der Malabsorption oft ein stuhlgefüllter
Ileozökalbereich als unspezifischer Befund vorhanden ist, sind insbesondere Differentialdiagnosen,
die ebenfalls zu Schmerzen im rechten Unter- bis Mittelbauch führen, stets zu berücksichtigen.
Meist lassen sie sich mit einfachen Mitteln problemlos vom DIOS abgrenzen (Tabelle 8).

Tabelle 8: Differentialdiagnosen des (inkompletten) DIOS.

                             Erkrankung                                        Zielführende Primärdiagnostik

  Hodentorsion                                                    Körperliche Untersuchung
  Ovarialtorsion                                                  Abdomensonogramm
  Ovarialzyste (eingeblutet)                                      Sonogramm (abdominal, ggf. vaginal)
  Pyelonephritis                                                  Urinstatus
  Nephrolitihiasis                                                Urinstatus, Sonogramm
  Invagination                                                    Abdomensonogramm
  Morbus Crohn                                                    Abdomensonogramm

                                                             Die Appendizitis und die Obstipation sind wichtige
                                                            Differentialdiagnosen. Postoperative Ileumstenosen
                                                             können schwierig vom DIOS zu differenzieren sein.

                                                                                                                  25
Wegen der Besonderheit in Verbindung mit der CF werden die Differentialdiagnosen der
     Appendizitis, der Obstipation und der postoperativen abdominellen Verwachsungen hervor-
     gehoben.

     Die Appendizitis bei CF tritt mit 1–2 % im Vergleich zur Normalbevölkerung (ca. 7 %) aus
     ungeklärter Ursache deutlich seltener auf. Als Erklärung dafür werden der häufige Antibiotika-
     einsatz oder der partielle Mukusverschluss des Appendix bei CF diskutiert. Da das Beschwerde-
     bild deutliche Überschneidungen zum DIOS hat und die Erkrankung oft atypisch verläuft, sind
     Fehleinschätzungen häufig. Als Besonderheit finden sich bei CF Mukozelen des Appendix, die
     als schmerzhafte Resistenz im rechten Unterbauch ebenfalls ein DIOS imitieren können.38 Aus-
     gehend von diesen Mukozelen sind auch Invaginationen beschrieben. Die gesamte Problematik
     der CF-Appendizitis wird durch das Ergebnis einer kanadischen retrospektiven Studie gut zu-
     sammengefasst (Tabelle 9).

     Tabelle 9: Daten von 9 CF-Patienten aus einer kanadischen retrospektiven Studie.39

                                Fragestellung                                                  Patienten

       Alter bei Diagnosestellung                                                         4–35 Jahre, 6/9 Patienten < 18 Jahre
       Verzögerte Diagnosestellung > 3 d                                                                                  4/9
       Perforierte Appendizitis                                                                                           8/9
       Initiale Diagnose des DIOS                                                                                         4/9
                                                     Begrenzter Wert von Ultraschall und CT

26
Es überrascht die hohe Rate der perforierten Appendizitiden, wie sie auch in einer weiteren
Studie beschrieben wird.38 Eine deutlich verzögerte Diagnosestellung erklärt zum Teil die hohe
Rate an Perforationen. Da das DIOS bei ähnlicher Symptomatik deutlich häufiger vorkommt als
die Appendizitis bei CF, ist das DIOS als initiale Fehldiagnose gut erklärt. Tückisch ist die mög-
liche Fehlinterpretation einer rechtsseitigen Resistenz im rechten Unterbauch bei der perforierten
Appendizitis. In diesem Zusammenhang muss auch an mögliche okkult ablaufende Appendizi-
tiden mit nachfolgender Abszessbildung gedacht werden.40 Laborparameter wie Blutbild und
CRP sind für die Differentialdiagnose nur bedingt hilfreich. Eine Leukozytose ist sicher nicht
trennscharf genug, da sie auch beim DIOS als unspezifische Stressreaktion zu erwarten ist. Das
CRP ist einerseits bei der akuten Appendizitis oft erst verzögert ansteigend, andererseits nimmt
es beim DIOS im Verlauf auch häufig als Ausdruck der Darmwandschädigung zu.

In ihrer kleinen Fallserie sehen die Autoren auch die bildgebende Diagnostik als nur begrenzt
hilfreich an.39 Insbesondere die Sonographie hat sich zu einem sehr verlässlichen Diagnostikum
der akuten Appendizitis entwickelt.41 Bei CF ist die Diagnose allerdings durch den ohnehin ver-
dickten Appendix wegen der Mukusimpaktion erschwert.42 Aktuell kann der Stellenwert der
Sonographie und auch anderer bildgebender Verfahren für die Appendizitis bei CF nicht verläss-
lich genug bewertet werden.

                                                                                                     27
Mit Bauchschmerzen und einem distendierten Abdomen überschneiden sich Obstipation und
     DIOS in ihrer Symptomatik. Bei der Obstipation entwickelt sich die Symptomatik meist lang-
     samer und weniger ausgeprägt.

     Obwohl die Obstipation für jeden CF-Behandler ein häufiges Ereignis ist, existieren nur zwei
     Studien zu diesem Thema,43,44 die eine erhebliche Prävalenz von 32 und 47 % gefunden haben.
     Parallel zum DIOS veröffentlichte 2010 die ESPGHAN Diagnosekriterien für die Obstipation bei
     CF (Tabelle 10).6

     Tabelle 10: Diagnosekriterien der Obstipation (nach ESPGHAN CF Working Group).6

                                                                     Befunde

       1          Bauchschmerzen oder ein geblähtes Abdomen
       2a         Reduzierte Defäkationsfrequenz in den letzten Wochen oder Monaten
       2b         Zunehmende Stuhlkonsistenz in den letzten Wochen oder Monaten
       3          Rückgang der Symptome von 1 und 2 nach Gebrauch von Laxantien
                                                     Obstipation = 1 oder 2a oder 2b + 3

     Damit unterscheiden sich zwar das DIOS und die Obstipation formal gesehen deutlich, schlie-
     ßen sich aber bei Anwendung der Kriterien nicht gegenseitig aus. Erschwerend kommt hinzu,
     dass wegen der Häufigkeit der Obstipation beide Krankheitsbilder durchaus gleichzeitig vor-
     handen sein können. Selbst eine Ileussymptomatik spricht nicht zwangsläufig gegen eine Obsti-
     pation (Abbildung 6a–c).

28
Abbildung 6a: Männlicher Patient, 35 Jahre alt, F508del homozygot, Z.n. Lungen-       Abbildung 6b: 8 Stunden nach Intervention mit Gastrografin-Gabe per os kein Über-
transplantation. Seit 1 Woche keinen Stuhlgang, häusliche Intervention vor drei Ta-   tritt von Kontrastmittel in das Kolon ascendens.
gen mit Tagesdosis von 80 und 100 g Macrogol war erfolglos, kaum Bauchschmer-
zen. Am Aufnahmetag Stuhlerbrechen, massiv aufgetriebenes Abdomen. Keine
Stuhlmobilisation nach rektalem Klysma. Dünndarm- und Dickdarmspiegel, raum-
fordernde Masse im rechten Unterbauch.

                                                                                                                                                                          29
Eine besondere differentialdiagnostische He-
          rausforderung zum DIOS stellen intestinale
          postoperative Verwachsungen dar, die unter
          dem Bild eines Subileus oder Ileus verlaufen.
          Insbesondere operative Eingriffe im Bereich
          des rechten Unterbauches wie z. B. bei der Ap-
          pendizitis können bei nachfolgenden Verwach-
          sungen in diesem Bereich eine dem DIOS sehr
          ähnliche Symptomatik erzeugen und auch mit
          bildgebender Diagnostik nicht eindeutig zu dif-
          ferenzieren sein. Eine CF-spezifische Besonder-
          heit ist der MI, mit dem 13–21 % der Neonaten
          geboren werden. Etwa 50 % dieser Kinder wer-
          den operativ behandelt.5,45 Damit trägt ein er-
          heblicher Anteil der CF-Patienten ein Risiko für
          symptomatische postoperative Verwachsungen         Abbildung 6c: Nach 24 h Abdomen-CT mit massiv stuhlgefülltem
          in sich. Erschwerend kommt hinzu, dass ein MI      Kolon ascendens und kokardenartiger Stuhlmasse im Sigmabe-
                                                             reich. In der anschließenden Koloskopie und Rekoloskopie gelingt
          auch ein hohes DIOS-Risiko nach sich zieht.        zunächst die Passage der obstruierenden Stuhlmasse im Sigma
                                                             und es kann proximal davon massiv Stuhl abgesaugt werden. Nach
                                                             weiteren 24 h ohne spontanen Stuhlabgang gelingt die endosko-
                                                             pische Mobilisation des Sigmastuhls.
          Da das DIOS mit per os Lavagen oft grundsätz-
          lich anders behandelt wird, entstehen teilweise
          schwierige therapeutische Situationen (Abbil-
          dung 7a–c).

30   30
Abbildung 7a: Weibliche Patientin, 11 Jahre alt, F508del homozygot. Z.n. MI mit vo-   Abbildung 7b: Nach weiteren 12 h diffuse Verteilung des Kontrastmittels im Dünn-
rübergehender Anus präter Anlage, unauffälliger Stuhlgang. Seit einem Tag Bauch-      darm, kein Übertritt ins Kolon ascendens.
schmerzen, zunehmend krampfartig, im Verlauf rezidives Erbrechen, aufgetriebe-
nes Abdomen, spärliche Peristaltik. Stabiler Allgemeinzustand. Diagnostische
Intervention mit Gastrografin® bei DIOS-Verdacht. Nach 3 h Kontrastmittelnachweis
im Magen und Jejunum. Keine eindeutige Stuhlmasse im rechten Unterbauch.

                                                                                      Abbildung 7c: Kaum Stuhlmobilisation nach Klysmagabe und rektaler Lavage mit
                                                                                      Macrogol. Diagnostische Koloskopie zur Klärung der Situation: Kaum Stuhl im Zö-
                                                                                      kum und terminalen Ileum. Somit Stuhlpassagestop auf Ileumebene, Ausschluss
                                                                                      DIOS. Laparotomie: Ileumstenose als Folge diffuser Verwachsungen.

                                                                                                                                                                         31
Prophylaxe

     Prophylaktische Maßnahmen zur Verhinderung eines DIOS sind systematisch nicht untersucht.46
     Somit können keine verbindlichen Empfehlungen ausgesprochen werden. Dennoch erscheinen gewis-
     se prophylaktische Maßnahmen – insbesondere nach einem ersten DIOS-Ereignis – sinnvoll zu sein.

     Als Vorbote für ein sich entwickelndes DIOS kann eine tastbare Stuhlresistenz im rechten Unter-
     bauch angesehen werden. Mit Hilfe laxierender Maßnahmen, erstrangig mit Macrogol, lässt sich
     dieser Stuhl oft einfach mobilisieren. Hier können Patienten oder Eltern eigenverantwortlich agie-
     ren und eine laxierende Therapie starten. Zur Wertigkeit von Ballaststoffen können keine Anga-
     ben gemacht werden. Der Einsatz (z. B. Weizenkleie, Flohsamenschalen) kann durchaus negative
     Auswirkungen haben. Sehr faserreiche Kost sollte zurückhaltend konsumiert werden.

     Insbesondere nach einem DIOS-Erstereignis wird häufig eine Dauertherapie – angelehnt an die
     Therapie der chronischen Obstipation – durchgeführt. Dabei ist individuell zu prüfen, wie lange
     eine solche Therapie – zum Beispiel über mehrere Monate oder tatsächlich als Dauertherapie –
     durchgeführt werden sollte. Die Intensität einer solchen Therapie wird insbesondere abhängig
     sein von der Rezidivfrequenz des DIOS, der „Empfindung“ einer Stuhltransportstörung oder dem
     Vorliegen einer begleitenden Obstipation. Da es keinen Beleg für den Erfolg einer laxierenden
     prophylaktischen Therapie gibt, macht es Sinn, die Medikation nach längerer Beschwerdefreiheit
     zu reduzieren und zu pausieren.

     Erschwerend kommt hinzu, dass CF-Patienten in einem sehr hohen Prozentsatz ohnehin Bauch-
     beschwerden haben.47 Die Zuordnung der Beschwerden im Sinne einer sich anbahnenden DIOS-
     Problematik dürfte schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein.

     Zur Prophylaxe wird meist Macrogol eingesetzt.

32
Wegen seiner relativ guten Verträglichkeit, den geringen Nebenwirkungen und den Erfahrun-
gen aus der Akuttherapie werden erstrangig Macrogolpräparate zum Einsatz kommen.

Dosisempfehlungen für eine solche Vorgehensweise auszusprechen ist schwierig, da Macrogol
individuell äußerst unterschiedlich wirkt. Die Dosierung sollte sich am Effekt, also im Wesent-
lichen an der Stuhlfrequenz und Konsistenz, bzw. am Verschwinden einer Resistenz im rechten
Unterbauch orientieren.

Alternativ zum Macrogol kann Natriumpicosulfat/Bisacodyl gewählt werden. Die Wirksamkeit
kann unter Antibiotikatherapie jedoch verringert sein, da Darmbakterien für die Umwandlung in
die wirksame Substanz verantwortlich sind. Sowohl Macrogol als auch Natriumpicosulfat/Bisaco-
dyl haben den Vorteil, dass sie der klinischen Erfahrung nach auch bei längerfristiger Anwendung
in der Regel gut vertragen werden.

Bei komplizierten Verläufen ist ein Therapieversuch mit Prucaloprid (Zulassung ab 18 Jahre)48
überlegenswert. Als Serotoninrezeptoragonist fördert Prucaloprid direkt die Motilität des
Darmes. Für den älteren, aufgrund von Nebenwirkungen nicht mehr zugelassenen Serotonin-
rezeptoragonist Cisaprid ist ein positiver Effekt auf die abdominelle Befindlichkeit von DIOS-
Patienten beschrieben.49

Es ist naheliegend, spezielle Nahrungsgewohnheiten oder Einnahmefehler bei Pankreasenzymen
für die Entstehung eines DIOS verantwortlich zu machen. Die wenigen Daten zu diesem Thema
unterstützen diese Hypothese jedoch nicht. In zwei Studien konnte kein Unterschied in der En-
zymeinnahme und den Nahrungsgewohnheiten von DIOS- gegenüber Nicht-DIOS-CF-Patienten
gefunden werden.9,22 Ob eine Optimierung der Nahrungsgewohnheiten und der Enzymeinnahme
einen positiven Effekt auf die Entstehung eines DIOS hat, ist allerdings nicht untersucht.

                                                                                                   33
Eine solche „Optimierung“ könnte sogar mit den Zielen der üblichen Ernährungsempfehlungen (fett-
     reiche Ernährung, hohe Enzymsubstitution) konkurrieren. Zahlreiche Patienten berichten dabei von
     einer zunehmenden Überblähung, einem sehr festen Stuhl und einer verzögerten Stuhlpassage.

     Wie auch bei der Obstipation finden sich beim DIOS keine Hinweise für eine mangelhafte Flüs-
     sigkeitsaufnahme als Auslöser.9 Es erscheint jedoch sinnvoll, bei einer gestörten Stuhlpassage
     auf eine normale Flüssigkeitszufuhr zu achten.

     CF-Patienten haben oft ein sehr gutes Körperempfinden hinsichtlich ihrer Erkrankung und tref-
     fen durchaus begründete Therapieentscheidungen. Ein DIOS-Erstereignis unter dem Bild eines
     inkompletten DIOS dürfte aber eine neue Erfahrung sein und somit nicht leicht zuzuordnen. Da
     Differentialdiagnosen oft ebenfalls nicht zum eigenen Erfahrungsschatz gehören, ist eine Vor-
     stellung beim CF-erfahrenen Arzt in einer solchen Situation sinnvoll. DIOS-erfahrene Patienten
     können eine Selbsttherapie wie im Kapitel Therapie dargestellt beginnen. Als Voraussetzung
     dafür sollten die Symptome nicht stark zunehmen und der Therapieerfolg muss sich innerhalb
     eines Tages bemerkbar machen. Beim Übergang in ein komplettes DIOS, der meist durch Er-
     brechen ausgelöst wird, sollte unbedingt eine Vorstellung in einer Klinik nach Möglichkeit einer
     „CF-erfahrenen Klinik“ erfolgen.

     Bei der Prophylaxe der Erkrankung ist die Selbsteinschätzung sogar besonders gefragt, da die
     anamnestischen Angaben des Patienten ganz wesentlich auch ärztlichen Therapieentscheidun-
     gen zu Grunde liegen. Wie so oft in der CF-Therapie wird dabei der Austausch gegenseitiger
     Erfahrungen von Patient und Behandler zielführend sein.

     Der DIOS-erfahrene Patient sollte bei Frühsymptomen
     der Erkrankung eine Macrogoltherapie einleiten.

34
Zusammenfassung

Jede Altersgruppe von Patienten mit CF kann von einem DIOS betroffen sein. Die Symptomatik
ist unspezifisch. Es dominieren Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und eine Distension des
Abdomens. Für die Diagnosestellung ist neben der Bauchsymptomatik der palpatorische, sono-
grafische oder radiologische Nachweis einer Stuhlmasse im rechten Unterbauch wegweisend.

Obwohl der direkte Nachweis noch aussteht, kann die CFTR-Funktionsstörung als ursächlich
für das DIOS angesehen werden. Bei Mutationen mit keiner oder minimaler CFTR-Restfunktion
besteht ein deutlich höheres DIOS-Risiko im Vergleich zu Mutationen mit einer CFTR-Restfunk-
tion. Ungefähr die Hälfte aller DIOS-Patienten hatte einen MI. Das Wiederholungsrisiko nach
einem DIOS beträgt etwa 50 %.

Die konservative Therapie des DIOS bevorzugt mit Macrogol und/oder Gastrografin® ist in über
90 % der Fälle erfolgreich. Die Appendizitis und die Obstipation sind wichtige Differentialdia-
gnosen. Postoperative Ileumstenosen können vom DIOS schwierig zu differenzieren sein. Zur
Prophylaxe wird meist Macrogol eingesetzt.

Alle CF-Patienten sollen über das DIOS aufgeklärt werden. Der DIOS-erfahrene Patient sollte
bei Frühsymptomen der Erkrankung eine Macrogoltherapie einleiten. Der Nicht-DIOS-erfahr-
ene Patient sollte bei entsprechender Symptomatik eine CF-spezialisierte Klinik aufsuchen.

                                                                                                  35
Abkürzungsverzeichnis

     CF           Cystische Fibrose

     CFTR         Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance
                  Regulator

     CRP          C-reaktives Protein

     CT           Computertomographie

     DIOS         Distales Intestinales Obstruktions Syndrom

     ESPGHAN      European Society of Pediatric Gastroenterology,
                  Hepatology and Nutrition

     i.v.         intravenös

     KG           Körpergewicht

     MI           Mekoniumileus

     MRT          Magnetresonanztomographie

     PEG          Polyethylenglycol

     p.o.         per os

     Z.n.         Zustand nach

36
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