DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW

Die Seite wird erstellt Nathaniel Rauch
 
WEITER LESEN
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
Dokumentation der Fachtagung
  „MehrSprachigkeit in der frühen Kindheit“

   Gelsenkirchen, 21.09.2017

in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kinder,
Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW

Ministerium für Kinder, Familie
Flüchtlinge und Integration
des Landes Nordrhein-Westfalen
                                                      www.bra.nrw.de/laki
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
EINLEITUNG

    Seit einigen Jahren erfährt das Thema des mehrsprachigen Aufwachsens von Kindern eine er-
    höhte Aufmerksamkeit und hat durch die Zuwanderung von Familien mit Fluchterfahrungen
    weiter an Aktualität gewonnen. Vielfalt und Veränderungen von Sprachverhältnissen sind fester
    Bestandteil unserer Migrationsgesellschaft: Wir begegnen ihr innerhalb und außerhalb von Bil-
    dungseinrichtungen und in allen Lebensbereichen. „Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit“
    war Gegenstand der gleichnamigen Fachtagung, die die Landesweite Koordinierungsstelle Kom-
    munale Integrationszentren (LaKI) in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kinder, Familie,
    Flüchtlinge und Integration am 21.09.2017 im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen veranstaltete.

    Die Fachtagung hat Akteurinnen und Akteuren im Feld der frühen Bildung und Kindertagesbe-
    treuung eine Plattform geboten, um sich gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus Wissen-
    schaft und Praxis über die mehrsprachige Realität unserer vielfältigen Gesellschaft und der Bil-
    dungslandschaft in der frühen Kindheit Nordrhein-Westfalens auszutauschen.

    Die Fachtagung konnte somit einen Beitrag dazu leisten, den Stellenwert von Mehrsprachigkeit
    in unserer Gesellschaft und den Bildungseinrichtungen zu verbessern. Dafür richtete die Tagung
    ihren Fokus auf die Familien und die Einrichtungen sowie Akteure in der frühen Bildung, die Orte
    des frühen Lernens mit dem Ziel, sie in ihrer Arbeit zu unterstützen, die Mehrsprachigkeit von
    Kindern zu stärken und somit Bildungschancen zu erweitern.

    Eine zentrale Rolle in der Gestaltung von Vielfalt und Integration haben Bildungsinstitutionen, denn
    Integration braucht gute Bildungsmöglichkeiten und Bildung braucht Sprache(n), eben auch Fami-
    liensprachen. Der Blick von Kindertageseinrichtungen auf diese lebensweltliche Mehrsprachigkeit
    hat sich verändert. Die Fragen nach dem Wie der Einbindung und Förderung von Familiensprachen
    sowie die Nachfrage zu Konzepten der durchgängigen Sprachbildung nehmen zu. Mehrsprachig-
    keit ist nicht mehr „nur“ ein Integrationsthema, sondern ein Kernpunkt eines modernen, weltoffe-
    nen Bildungssystems. Mit mehrsprachiger Bildung eröffnen sich Perspektiven für alle Kinder.

    In NRW bieten die Kommunalen Integrationszentren (KI) eine gute Infrastruktur zur Unterstüt-
    zung von Integrationsprozessen und migrationsgesellschaftlicher Öffnung von Institutionen.

B
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
Die KI sind Einrichtungen der Kreise und kreisfreien Städte in NRW. Finanziert werden sie über
das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration sowie durch das Ministerium für
Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalens.

Die LaKI unterstützt diese in ihrer Arbeit vielfältig: durch Mitwirkung in der konzeptionellen Wei-
terentwicklung, Beratung, Begleitung, Qualifizierungsangebote, Vernetzung und Zusammenar-
beit mit der Wissenschaft. Pädagogische Professionalität in der Migrationsgesellschaft ist hier
neben dem Aufbau einer durchgängigen Sprachbildung ein zentrales Anliegen.

Dabei werden die Vielfalt der Lebenslagen, die Interessen und Begabungen sowie die Mehrspra-
chigkeit von Kindern und deren Familien bewusst in den Blick genommen, als Potenzial anerkannt
und in den Bildungsprozess eingebunden. Den Schlüssel für eine erfolgreiche Bildungsbiografie
stellt dabei das Erlernen der Bildungssprache(n) dar, was durch die Stärkung der Sprachkompe-
tenzen in den Familiensprachen gestützt wird.

In den ersten Lebensjahren werden die Grundlagen der sprachlichen Kompetenzen gelegt. Die
Einbindung der Familien und deren Sprachen in den Entwicklungs-und Bildungsprozess der Kin-
der sind von großer Bedeutung für die Identitäts- und Sprachbildung der Heranwachsenden.

Die über 500 Anmeldungen zu dieser Fachtagung zeigten die große Aktualität des Themas sowie
das Engagement und die Bereitschaft der im Handlungsfeld Frühe Bildung tätigen Akteure, sich
damit auseinanderzusetzen.

Im Folgenden werden das Tagungsprogramm, eine Zusammenstellung 1 aus den Workshops so-
wie die Evaluation der Veranstaltung dargestellt.

Begleitet wurde die Tagung im Rahmen eines Marktes der Möglichkeiten von Informations- sowie
Materialausstellungen verschiedener Institutionen, Vereine und Verlage, welche ebenfalls im Fol-
genden aufgelistet werden. Auch weitere interessanten Materialien oder links zu den o.g. Akteu-
ren finden Sie im Anhang dieser Dokumentation.

1 Die Protokollierung und Zusammenstellung der Workshops ist hauptsächlich durch die LaKI und das MKFFI
  erfolgt. Die Zusammenfassungen der Workshops 6 & 15 und 9 & 18 wurden von den Referentinnen selber verfasst.

                                                                                                             1
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
Tagungsprogramm

    9:30 Uhr    Ankommen und Markt der Möglichkeiten

    10:00 Uhr   Begrüßung
                Serap Güler, Staatssekretärin für Integration im Ministerium
                für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration,
                Christiane Bainski, Leiterin LaKI

    10:30 Uhr   Vortrag: Gelebte Mehrsprachigkeit – geforderte Einsprachigkeit?
                Sprachenin(ex)klusion in der frühen Kindheit,
                Prof. Dr. Argyro Panagiotopoulou, Universität zu Köln

    11:30 Uhr   Kaffeepause mit Markt der Möglichkeiten

    12:00 Uhr   Workshop-Phase I

    13:30 Uhr   Mittagspause

    14:30 Uhr   Workshop-Phase II

    16:00 Uhr   Zusammenfassung und Abschluss

    16:30 Uhr   Ende der Veranstaltung

2
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
Gelebte Mehrsprachigkeit – geforderte Einsprachig-
keit? Sprachenin(ex)klusion in der frühen Kindheit

Prof. Dr. Argyro Panagiotopoulou, Universität zu Köln

Vertiefende Informationen zum Weiterlesen:
Mehrsprachigkeit in der Kindheit: Perspektiven für die frühpädagogische Praxis
WiFF Expertisen Nr. 46; Argyro Panagiotopoulou

Mehrsprachigkeit wird heute in Deutschland zwar als gesellschaftliche Realität anerkannt – mehr-
sprachig aufzuwachsen gilt hingegen noch immer als außergewöhnlich. Die vorliegende Expertise
beschäftigt sich mit dem Sprachgebrauch junger Kinder innerhalb ihres mehrsprachigen Famili-
enalltags sowie ihrer ein- oder mehrsprachig organisierten Kindertageseinrichtungen. Ausgehend
von den Bedingungen eines dynamischen Sprach(en)erwerbs, erörtert Argyro Panagiotopoulou
das mono- oder translinguale Handeln von Kindern und ihren Bezugspersonen als legitime und
sinnvolle Praxis der Weltaneignung. Kritisch hingegen befragt die Autorin den stigmatisieren-
den Umgang mit migrationsbedingter Mehrsprachigkeit nach sprachideologischen Hintergrün-
den sowie nach möglichen sprachpädagogischen Implikationen. Die Expertise eröffnet – u.a. im
Zusammenhang mit dem Translanguaging-Ansatz – Perspektiven für eine Neuorientierung der
frühpädagogischen Praxis. Damit ist sie zugleich ein Plädoyer für eine inklusive Sprachbildung,
die alle Kinder als angehende Mehrsprachige anerkennt und sie bei ihrem Sprach(en)erwerb un-
terstützt.

Die Expertise kann unter folgendem link kostenfrei heruntergeladen werden:
www.weiterbildungsinitiative.de/publikationen/details/data/mehrsprachigkeit-in-der-kindheit

                                                                                                   3
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
4
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
ZUSAMMENFASSUNG DER WORKSHOPS

                                5
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
WS 1:
                           Bilinguale KiTas - Konzeption
                           und Gelingensbedingungen
                           (Türkisch-Deutsch)

                           Referentinnen: Jennifer Hannig-
                           Reiners und Erika Schuster
                           Kontakt: kts1@csh-koeln.de

    Geschichte der        Der WS begann mit einer Übersicht über die Geschichte der Christlichen
    Christlichen          Sozialhilfe, der Entwicklung des Familienzentrums sowie die Angebote
    Sozialhilfe und       der CSH, deren Kooperationspartner und die Angebote des Familienzent-
    des Familienzen-      rums.
    trums

    Hin zu einer bilin-   Folgend wurde die Entwicklung der Kita hin zur
    gual deutsch-tür-     bilingualen Schwerpunktsetzung dargestellt:
    kischen Ein-          • Profilentwicklung der vier CSH-Kitas 2010 und bilinguale
    richtung und            Schwerpunktsetzung aufgrund der Geschichte der Einrichtung
    Gruppenstruktur
                          • Die Entscheidung für das Immersionskonzept
    der Internationa-
                          • Wissenschaftliche Begleitung
    len Strolche
                          • Planung einer stufenweisen Entwicklung
                            (Eröffnung einer Gruppe 2010 und 2011)
                          • Entwicklung eines Einstellungsprofils und Bewerbungsverfahrens
                          • Fortbildung der Mitarbeiterinnen
                          Gruppenstruktur:
                          • 50 Kinder, davon 18 U3-Kinder
                          • 1 Gruppe nicht bilingual, im Alter von 2-6 Jahren
                          • 1 bilinguale Gruppe von 8 Monaten – 2 Jahren
                          • 1 bilinguale Gruppe 3-6 Jahre
                          Wichtig im Konzept: Die Kinder der „Zwerge“ wachsen nach „oben“
                          bewusste Entscheidung für das altershomogene Konzept und Einstieg
                          in der Altersstufe unter 3 Jahren

    In eine Sprache       Die bei weitem effektivste Methode des Spracherwerbs ist die Immer-
    eintauchen:           sionsmethode. Immersion meint das Eintauchen in eine Sprache. Bei
    Die Immersions-       dieser Methode ist die neue Sprache die Arbeits- und Umgangssprache,
    methode               wobei nach dem Prinzip “Eine Person – eine Sprache” ein Lehrender nur
                          Deutsch spricht, der andere z.B. nur Englisch oder Französisch. Alles,
                          was die fremdsprachliche Lehrkraft sagt, verstärkt sie allein durch Mimik,
                          Gestik oder Zeigen, aber nicht durch Übersetzung.

6
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
Das Kind erschließt sich damit die Sprache eigenständig Stück für Stück
                    aus dem Zusammenhang der Situation. Dies bildet die natürlichste Art
                    nach, wie Kinder Sprachen lernen, gleichgültig, ob als erste oder zwei-
                    te Sprache. Immersion verfährt daher kindgerechter als jede andere
                    Methode, denn sie motiviert und kommt ohne Zwang und ohne Leistungs-
                    druck aus. Wissenschaftlich ist erwiesen, dass sich mit der Immersion
                    ein beträchtlich höheres Niveau in der Fremdsprache erreichen lässt als
                    mit herkömmlichem Unterricht. Dabei entwickeln sich und Sachinhalte
                    genauso gut oder besser als bei einsprachigen Kindern.

Das Personal:       Bei Ausschreibung und Einstellung von Personal wird auf folgende Punkte
Bewerbung und       geachtet:
Einstellung sowie   • Entwicklung eines Stellenprofils für die familiensprachlichen Kollegen
kontinuierliche       und Kolleginnen
Fortbildung und
                    • Klärung des Stundenumfangs und der Kontinuität
Begleitung
                    • Überprüfung der muttersprachlichen Kenntnisse im Bewerbungsver-
                      fahren durch externe Fachkräfte
                    • Hospitation
                    Grundlegend ist auch eine kontinuierliche Fortbildung und Begleitung
                    des Personals welche nicht nur durch regelmäßige Fortbildungen des
                    gesamten Teams sichergestellt wird, sondern auch durch klare konzepti-
                    onelle Vereinbarungen im Team, den konsequenten Einsatz der Immersi-
                    onsmethode, einen reflektierten Umgang mit der eigenen Erzieherrolle im
                    Spannungsfeld mit anderen Kulturen und der Problematik der Familien,
                    eine offene Kommunikation und vertrauensvolle Zusammenarbeit der
                    Kleinteams und des Gesamtteams als Basis. Die Wertigkeit der Sprach-
                    förderung im Alltag, auch in der deutschen Sprache, wird verstärkt.

Besonderheiten      Folgende Themen wurden bezüglich der Zusammenarbeit mit sozial be-
des bilingualen     nachteiligten Familien besprochen:
Konzeptes in der    • Türkisch als Bildungssprache
Zusammenar-
                    • Besonderheiten des kulturellen Hintergrundes
beit mit sozial
                    • das Konzept als besondere Form der Integration von Kindern und Fami-
benachteiligten
                      lien mit Migrationsgeschichte
Familien
                    • das Konzept als Unterstützung in der Elternarbeit , niederschwelliges
                      Arbeiten (Möglichkeiten und Grenzen)

Umsetzung im        Im pädagogischen Alltag wird die Bilingualität alltagsintegriert und durch-
pädagogischen       gehend unterstützt:
Alltag              • Gestaltung der Morgenkreise, Entwicklung bilingual begleiteter Rituale
                    • Bewältigung von Verständigungsproblemen im Alltag mit den Kindern
                    • bilinguale Sprachförderung und Beobachtung
                    • Literacy, zweisprachige Kinderbücher

Begleitende         Die Familien werden konstant über die Arbeit in der Kita informiert und
Elternarbeit        miteinbezogen durch:
                    • Regelmäßige Informationsangebote zum Thema Bilingualität
                    • Information über das Konzept schon bei der Voranmeldung
                    • Transparenz der Arbeit und Einbeziehung der Eltern

Erweiterte          • Vermittlung an die türkischsprachige Kollegin der Familienberatung
Möglichkeiten im    • Angebot türkischsprachige Lesepaten
Verbundfamilien-
                    • türkischsprachige Workshops
zentrum

                                                                                                  7
DOKUMENTATION DER FACHTAGUNG "MEHRSPRACHIGKEIT IN DER FRÜHEN KINDHEIT" - KITA.NRW
WS 2:
                          Gelebte Mehrsprachigkeit in
                          der frühpädagogischen Praxis

                          Referentin: Prof. Dr. Argyro Panagiotopoulou
                          Kontakt: manuela.wisselinck@uni-koeln.de

    Einstieg in den   Prof. Panagiotopoulou zur Forschungslage:
    Workshop          Kompensatorische Fördermaßnahmen haben keine Wirkung ► ABER
                      (seit 2011 bekannt): alltagsintegrierte Sprachförderung „bringt“ etwas,
                      wenn sie an der Praxis angekoppelt ist.
                      Prof. Panagiotopoulou nennt ihre beiden Leitfragen für heute
                      1. Welche Rolle haben die KiTa-Teams?
                      2. Welche Rolle spielen Eltern?

    Kita aus          Eingangsbeispiel: Gesprächsauszug zwischen KiTa-Mitarbeiterin und
    Luxemburg         Kind. KiTa-MA fordert Kind auf: „Spricht bitte Luxemburgisch!“
    ► Plädoyer für    Prof. Panagiotopoulou fragt, was die Erzieherin mit ihrer Aufforderung
    Mehrsprachig-     zu erreichen versucht. TN antworten und Prof. Panagiotopoulou ergänzt:
    keitsdidaktik     Das Kind soll gezwungen werden, nur eine Sprache zu sprechen. Das
                      Setting ähnelt einer Unterrichtsstunde, die Situation hat keinen kommu-
                      nikativen Wert, reine Unterweisung
                      ►TRANSFER auf Deutschland:
                      Prof. Panagiotopoulou: hier herrscht auch die Politik, dass nur Deutsch
                      zugelassen ist. Folge: Kinder sind irritiert, Kinder fragen sich, warum
                      Erzieher*innen nur in einer Sprache antworten wollen, obwohl diese mit-
                      unter weitere Sprachen beherrschen.
                      Prof. Panagiotopoulou fragt nach dem Grund für die Einsprachigkeitsvor-
                      gabe in Dtl.
                      TN: Vorgabe stammt aus der Fremdsprachendidaktik
                      Prof. Panagiotopoulou stimmt zu: Fremdsprachendidaktik hinterlässt uns
                      in Dtl. ein unseliges Erbe, das wie folgt lautet: Wir brauchen ein einspra-
                      chiges Umfeld für den Sprachenerwerb…
                      Prof. Panagiotopoulou weiter: … dies „blockiert“ den natürlichen Spra-
                      cherwerb
                      Unterstützender Zwischenruf einer TN: Sprache wird durch freudige
                      Erlebnisse gelernt, Problem: Arabisch gilt als „Sprache zweiter Klasse“
                      Prof. Panagiotopoulou fasst zusammen: Das Beispiel Luxemburg zeigt die
                      Wichtigkeit, eine Mehrsprachigkeitsdidaktik offensiv zu vertreten

    Was KiTAs tun     KiTas können:
    können
                      •   Realität anerkennen
    Teil I/II         •   Gesamtes Sprachen-Repertoire im KiTa-Alltag einbeziehen
                      •   Attraktive Angebote
                      •   Erzählfreude der Kinder wahrnehmen

8
Spra-           Wenn KiTa nur eine Sprache zulässt, dann blockiert man Spracherwerb
cherwerb,
                Zur Frage nach der Reihenfolge beim Spracherwerb, betont Prof. Panagiotopoulou, dass man
Sprachen-
                heute ganz klar weiß: Nicht L1 ►L2 ►L3 ►Ln, sondern Mehrsprachenerwerb
trennung und
Bilingualität   Die Trennung von Sprachen ist eine Fiktion, ein Konstrukt der Forschung.

                Die TN fragen , ob das Konzept von Bilingualität nicht hinterfragt werden müsste: Prof. Panagio-
                topoulou antwortet, dass Studien zeigen, dass in bilingualen Schulen wunderbar Fachunterricht
                gelingt, weil ständig zwischen zwei Sprachen hin und her gesprungen wird.

                Fazit: Bilinguale Schulen, die Sprachentrennung hinterfragt haben, sind heute erfolgreich

Transfer von    Wie ist das mit der Übertragbarkeit von Mehrsprachigkeitsdidaktik auf die KiTas? (Frage der TN)
Mehrspra-       Modelle der Mehrsprachigkeitsdidaktik sind in der Praxis unbekannt.
chigkeitsdi-    Prof. Panagiotopoulou erklärt hierzu ihr Modell der „Oasen“ (Spaces).
daktik auf
                Alle Kinder dürfen zu einer Situation Stellung nehmen ►es kommt zu einem Dialog unter denen,
KiTas
                die was verstehen
                Prof. Panagiotopoulou unter Rückgriff auf Gogolin: Arbeit an Aufgaben kann mehrsprachig er-
                folgen, die Präsentation muss auf Deutsch erfolgen, damit alle es verstehen. Sprachentrennung
                muss für Sprecher klar und nachvollziehbar sein.
                Prof. Panagiotopoulou erhält für ihr Praxismodell der „Oasen“ erkennbar Zustimmung seitens der TN

Fragerunde      TN: In einer KiTa in Athen wird nur griechisch gesprochen, eine sinnlose Trennung?
                Prof. Panagiotopoulou: Ja, zustimmend. Deutschförderung ja, aber bitte mehrsprachig
                TN: In einer KiTa in Japan gilt Deutschpflicht. Begründung: Vorbereitung der Kinder auf Unter-
                richtssprache Deutsch. Was ist damit?
                Prof. Panagiotopoulou: Kanada ist ein gutes Gegenbeispiel: Dort würde man niemals in einem solchen
                Fall auf Einsprachigkeit bestehen. Für einen Kanadier ist es unvorstellbar, einsprachig aufzuwachsen.
                TN: Hinweis: Auch Kinder können ihren Erzieherinnen sprachlich etwas beibringen.
                Prof. Panagiotopoulou: Zustimmung! Erzieherinnen sollen Vorbilder sein, aber nicht für Einsprachigkeit.
                TN: Im Bekanntenkreis verbieten die Eltern den Großeltern mit Enkelkind in schlechtem Deutsch
                zu sprechen. Wie reagieren?
                Prof. Panagiotopoulou: Sorge der Eltern ist unbegründet. Kinder übernehmen keine Fehler. Im
                Gegenteil: Manche Kinder kontrollieren und verbessern Erwachsene

Was KiTAs       Kitas können:
tun können      • Gemeinsam mit Kindern über Mehrsprachigkeit reflektieren
Teil II/II      • In Vorlesesituationen die geschriebene Variante des Deutschen verwenden
                • Perfektionismus gegenüber der eigenen Sprachpraxis hinterfragen (Alltagssprache ist wichtig,
                  deshalb: verwenden!)

Rolle der       Prof. Panagiotopoulou: Familiale Sprachwelt muss als Ressource dienen
Eltern und      Bildungseinrichtung sollte respektvoll mit fam. Sprachwelt umgehen
Tipps zum
                Eltern dürfen nicht diszipliniert werden
Umgang mit
                Augenhöhe ist wichtig, gerade bei Erziehungspartnerschaften
ihnen
                Tipp für Ansprache der Eltern: „Sprechen Sie mit Ihren Kindern“ (bitte keine Sprache vorgeben!)
                … Eltern entwickeln eh ihre eigene Sprachenpolitik
                Prof. Panagiotopoulou: Mehrsprachler müssen sich ständig ablehnenden Alltagstheorien gegen-
                über erwehren: „Kannst du auch richtig in Deutsch sprechen?“

Abschließen-    TN bezieht sich auf StS‘in Gülers Botschaft: Das Ministerium wolle die KiTas in puncto Mehr-
des Plädoyer    sprachigkeitsdidaktik unterstützen. Ein TN formuliert für viele andere stellvertretend, dass Prof.
der TN für      Panagiotopoulou die richtige Ansprechperson für die Praxis sei. TN erhält viel Zustimmung für
das Thema in    ihren Beitrag.
der KiTa

                                                                                                                          9
WS 3 & 12: Literacy in Verbindung
                       zu Mehrsprachigkeit und Vielfalt

                       Referentinnen: Maike Hoeft und Livia Daveri
                       Kontakt: livia.daveri@bra.nrw.de

     Einstieg in den   Die Referentinnen klärten mit den Teilnehmer*innen die Begrifflichkeit
     Workshop          „Literacy“. Im gemeinsamen Gespräch wird erläutert, weshalb Liter-
                       acy-Erfahrungen bereits in der frühen Kindheit grundlegend seien.

     Besonderheiten    Literacy ist eine wesentliche Vorläuferkompetenz des Lesens und Schrei-
     im Bereich von    bens, daher sollten Kinder frühzeitig den Zusammenhang zwischen
     Literacy          Gesprochenem und Geschriebenem erkennen können.
                       • Durch das Vorlesen lernen Kinder die Schriftsprache kennen, die viel
                         reichhaltiger und komplexer als die gesprochene Sprache ist.
                       • Wenn Kinder von etwas berichten, was andere nicht miterlebt haben
                         oder keine Informationen darüber haben, nennt man das dekontextuali-
                         sierte Sprache.
                       • Schon Kleinkinder müssen die dekontextualisierte Sprache einsetzen,
                         weshalb man Kinder schon früh zum Erzählen motivieren sollte.
                       • Manche Kinder machen solche Erfahrungen bereits in den ersten
                         Lebensmonaten, andere müssen im ungünstigsten Fall bis zur Einschu-
                         lung darauf warten.
                       Aus diesen Gründen sind frühe Erfahrungen mit Literacy wesentlich.

     Methodik          Methodische Spielarten der Literacy-Erziehung in der KiTa wurden vorge-
                       stellt und genauer beleuchtet.
                       Die Literacy-Förderung geschieht sowohl über mündliche als auch schrift-
                       liche Zugänge:
                       • Phonologische Bewusstheit und Buchstabenkenntnis
                       • Literacy-Center: Rollenspiele und Schriftkultur
                       • Dialogisches Lesen

     Erfassung der     Literacy-Erziehung berücksichtigt und unterstützt auch Sprachenvielfalt.
     mehrsprachigen    • Sprache ist eng mit Identität verbunden.
     Lebenswelt:
                       • Den Familiensprachen der Kinder kommt eine identitätsstiftende Funk-
     Literacy und
                         tion zu
     (sprachliche)
                       • Mehrsprachige Kinder konstruieren ihre personale, soziale und kulturel-
     Vielfalt
                         le Identität mehrsprachig.
                       • Besonders in der frühen Kindheit gilt es daher, in pädagogischen Set-
                         tings Kindern möglichst vielfältige sprachliche Angebote zu machen,
                         um die Persönlichkeitsentwicklung umfassend anzuregen.

10
Literacy und    Literacy - Kinderbücher/Reime/Lieder - spielt eine wichtige Rolle auch
Vielfalt        bei der Prägung gesellschaftlicher Normen und Wertvorstellungen.
                • Durch die Auswahl kann man Vielfalt als Normalität erlebbar machen,
                  den Umgang damit einüben, Fragen aktiv aufgreifen und Konflikte
                  bearbeiten.
                • Kinderliteratur/Reime/Lieder können aber auch Stereotypen, Vorurtei-
                  le und rassistische Ausgrenzung und Abwertung festigen.
                Aus diesem Grund sind reflektierte Kriterien für die Lektüreauswahl in
                Bezug auf eine vorurteilsfreie Wertehaltung unabdingbar.

Fazit           Alle Kinder sollen die Möglichkeit haben, Literacy-Erfahrungen schon
                sehr früh machen zu können. Hierfür gibt es unzählige Möglichkeiten und
                Ideen, die ganz individuell und passgenau eingesetzt werden können.
                Bei der Auswahl von Materialien müssen pädagogische Fachkräfte auf
                bestimmte Kriterien achten: Gute Materialien sollten positive Botschaften
                aussenden.

Materialtisch   • Vielfältige mehrsprachige Bücher und Spiele
                • Ergänzende Materialien wie Puppen, Hautfarbenstiften
                • Die ausgelegten Anregungen für die Praxis wurden für die Teilnehmen-
                  den zur Ansicht gestellt sowie auch während des Workshops eingebun-
                  den.

                                                                                            11
WS 4 & 13:
                         Familien mitgedacht!
                         Der Einbezug von Familiensprachen

                         Referent*innen: Prof. Dr. Timm Albers und
                         Asmaa El Makhoukhi
                         Kontakt: timm.albers@upb.de

     Einstieg in den    Die Referent*innen begannen die gemeinsame Arbeit im WS mit einer
     Workshop           Warm-Up-Übung: „Was hast Du gesagt?“.

     Einbindung von     In einem wissenschaftlichen Input stellte Prof. Albers die theoretische
     Familien           Fundierung zur Bedeutung der Einbindung von Familien im Kontext von
                        Mehrsprachigkeit und durchgängiger Sprachbildung dar.

     Reflexion der      Oft sind es subjektive Theorien über Mehrsprachigkeit oder über die
     Haltung            Einbeziehung von Familien, welche eine erste Barriere darstellen. Anhand
                        der negativen sowie der positiven Spirale in der Argumentation inklusiver
                        Bildungsverläufe/Wahrnehmung von Mehrsprachigkeit verdeutlichte
                        Prof. Albers, wie die eigene Haltung nicht nur die Sicht der Dinge, sondern
                        ganze Prozesse steuern kann.

     Brückenange-       „Kulturen überbrücken – Integration von Kindern mit Fluchterfahrung in
     bote               Kindertageseinrichtungen“ ist ein Projekt der Ruhr-Universität Bochum
                        (Prof. Dr. Birgit Leyendecker) und der Universität Paderborn (Prof. Dr.
                        Timm Albers), das vom MKFFI des Landes Nordrhein-Westfalen (Projekt-
                        laufzeit: 01/2016 bis 12/2017) gefördert wird.
                        Ziel des Projektes ist die Evaluation von Maßnahmen zur Integration von
                        Kindern und Familien mit Fluchterfahrung in Kindertagesstätten unter
                        besonderer Berücksichtigung niedrigschwelliger Angebote, sog. „Brü-
                        ckenprojekte“.
                        Brückenprojekte sind niedrigschwellige Betreuungsangebote, die Kinder
                        und ihre Eltern an institutionalisierte Formen der Kindertagesbetreuung
                        heranführen.
                        Zielgruppe sind Kinder der Altersgruppe vor Schuleintritt aus Familien mit
                        Fluchterfahrung und vergleichbaren Lebenslagen und ihre Familien.
                        Betreuungsformen sind z.B. Eltern-Kind-Gruppen, Spielgruppen, Kinder-
                        tagespflegeangebote, mobile Angebote oder sonstiges, wie Elterncafés.

     Erste Ergebnisse   Aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte sind Herausforderungen in der
                        Arbeit mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung oder ähnlichen
                        Lebenslagen:
                        • Umgang mit Emotionen, Traumata und Fluchterfahrung
                        • Sprachbarrieren (bezogen auf die Eltern)
                        • Interkulturalität
                        • Vermittlung von Regeln und Grenzen

12
Lösungsansätze für die Herausforderungen in der Arbeit mit Kindern und Familien mit Fluch-
                    terfahrung sind aus Sicht der pädagogischen Fachkräfte:
                    • Geborgenheit, Vertrauen, Verlässlichkeit schaffen
                    • Strukturierter Tagesablauf, transparente Strukturen
                    • Einbindung der Familien sowie Austausch
                    • Einsatz von Sprachförderung und Dolmetschern
                    • Externe Unterstützungsangebote einholen und anbieten
                    Gewünscht werden hierfür Fortbildungen sowie geeignete Materialien.

Perspektiven        Familien mit Migrationsgeschichte sind heterogen bezogen auf
                    • Personenbezogene Aspekte: Persönlichkeit, Bildungsbiografie (Alphabetisierung, Sprach-
                      kenntnisse)
                    • Aspekte, die die kulturelle Einbindung betreffen: Nationalität, Religion, ethnische Identität,
                      Werte
                    • Aspekte von Migration und Flucht: Erlebnisse während der Flucht, Belastungen, Wohnsitua-
                      tion und Zugang zu Unterstützungssystemen
                    • Informationen über Herkunftsländer
                    • Unterschiedliche „Familienkulturen“

Zusammenar-         Als gutes Beispiel für eine gelingende Zusammenarbeit mit Familien im Kontext von Mehrspra-
beit mit Familien   chigkeit und Sprachbildung wurden die Programme Griffbereit und Rucksack KiTa dargestellt,
im Kontext von      wobei Griffbereit vertieft behandelt wurde.
Mehrsprachigkeit    Griffbereit-Gruppen sind zwei- oder mehrsprachige Spielgruppen, die mit einem Programm
und durchgän-       arbeiten, das die Erstsprachen(n)-Kompetenz (Familiensprachen), erste Deutschkenntnisse
giger Sprachbil-    und die Allgemeinentwicklung bei 1-3jährigen Kindern fördern will.
dung
                    Akteure im Griffbereit-Programm sind die Eltern, die Familien selbst, die im Rahmen des Pro-
                    grammes als Experten für die Förderung der Familiensprache(n) angesprochen und gestärkt
                    werden. Begleitet werden sie von dafür ausgebildeten Elternbegleiter*innen.
                    Griffbereit wird in Kindertageseinrichtungen, Familienzentren, Familienbildungsstätten und in
                    Migrantenorganisationen durchgeführt.

Gruppenar-          Die Teilnehmer*innen des Workshops erhielten den Arbeitsauftrag Ebenen für einen Einbe-
beitsphase          zug der Familiensprachen im Kita-Alltag zu erörtern. Die Gruppen sollten differenzieren nach
                    Einsatzmöglichkeiten in 1. Räumlichkeiten insgesamt (Eingangsbereich, Flur, Gruppenräume,…
                    2. Ablauf in den Gruppen/im pädagogischen Alltag(Morgenkreis, Mittagessen, Spielsituatio-
                    nen…) und 3. besondere Termine / Veranstaltungen / Feste.

Ergebnisse aus      Zu 1: große Weltkarte mit Fähnchen, Bilderleiste der Kinder mit Flaggen zu gesprochenen
der Arbeitsgrup-    Sprachen, mehrsprachige Beschilderungen, Kulturecke, mehrsprachige Begrüßungsformen,
penphase            Fotos der Kinder aus der Einrichtung,…
                    Zu 2:Lieder und Instrumente der Welt ( Lieder, die zu Anlassen gespielt werde: Freude, Trauer,
                    Anbetung,…) Finger- und Singspiele in mehreren Sprachen, Mehrsprachiges Lesebuch mit
                    allen Familiensprachen, Lesepatenschaften, Elterncafés, Welche Sprache sprechen Tiere?,
                    Ausflüge
                    Zu 3: Besuch eines Supermarktes, Muttersprachler einladen, Sprachworkshops, Sprachenta-
                    ge, Bücherausstellung, Tag der Rituale, interkulturelle Woche, kulturelles Rudelsingen, gemein-
                    sames Kochen
                    Eine vierte Gruppe befasste sich mit Notwendigkeiten zur Umsetzung in Anlehnung aus den
                    Erkenntnissen aus dem Vortag. Zentral für die Einbindung von Mehrsprachigkeit sind:
                    Starke Partner, eigene Haltung, Ressourcenorientierung Eltern und Kind und Team, vorurteilf-
                    reies Miteinander, interkulturelle Kompetenz des Teams und Bereitschaft für Veränderungs-
                    und Lernprozesse

                                                                                                                       13
WS 6 & 15:
                           Mehrsprachigkeit durch handlungs-
                           und bewegungsorientierte Ansätze
                           unterstützen

                           Referentin: Stefanie Rieger
                           Kontakt: stefanie.rieger@nifbe.de

     Einstieg in den      Die Referentin begann den WS mit einem bewegten Spiel: „Heulboje“.
     Workshop             Dieses Spiel wurde in einer Fremdsprache angeleitet.
                          Spielbeschreibung:
                          Spieler*innen befinden sich auf dem Meer, es ist Nacht und sehr stür-
                          misch. Die Boote möchten zum Hafen zurückkehren, dafür weist ihnen ein
                          Leuchtturm den Weg. Da es im Meer viele Felsen gibt, müssen die Boote
                          aufpassen, dass sie nicht dagegen fahren – dabei helfen ihnen Heulbojen.
                          Für das Spiel wird ein Leuchtturm benötigt, der auf der einen Seite des
                          Raumes steht und durch ein „huihuihui“-Geräusch auf sich und den Hafen
                          aufmerksam macht. Die Boote (je nach Größe der Gruppe etwa 10 Freiwil-
                          lige) stehen auf der anderen Seite des Raumes, mit geschlossenen Augen.
                          Zwischen ihnen und dem Hafen sind die Heulbojen verteilt, die, je nach
                          Annäherung eines Bootes, Summgeräusche von sich geben.
                          Ziel des Spieles ist es, dass die Boote sicher im Hafen ankommen, geleitet
                          durch das Geräusch des Leuchtturms und der Heulbojen.

     Reflexion des         Das Spiel wird gemeinsam reflektiert.
     Spiels (allein, im   Folgend werden ausgewählte Rückmeldungen der TN aufgelistet.
     Plenum)
                          • TN äußerten unterschiedliche Gefühle: Allein; unsicher; getragen, weil
                            alle anderen auch nichts verstanden haben; überfordert; interessiert;
                            Spaß am Spiel; gut aufgehoben durch wertschätzende Atmosphäre;
                            Sicherheit mir wird hier nichts passieren;…
                          • TN haben sich an den anderen orientiert, an Schlüsselworten, an wie-
                            derkehrenden Worten – erstes Erkennen, an Gestik, Mimik oder fühlten
                            sich orientierungslos; …
                          • Für die pädagogische Praxis gaben die TN an, Folgendes mitzunehmen:
                            Gefühle der Kinder genauso unterschiedlich wie die von uns Erwachse-
                            nen; Bilder, Mimik und Gestik können unterstützend wirken; gerade bei
                            Sprachanfängern auf wiederkehrende Worte achten (Bsp. nicht 5 Worte
                            für ein und denselben Gegenstand verwenden – Puschen, Hausschu-
                            he, Schlappen,..); wertschätzende und offene Atmosphäre auch durch
                            Tonfall, Berührung, Mimik und Gestik deutlich machen; …
                          • Fokus auf Bewegungs- und Handlungsorientierung: Kinder spielen gern
                            – Spiel an sich ist ein Motivator sich zu beteiligen; je weniger hoch die
                            sprachliche Anforderung ist, desto mehr können sich sprachschwäche-
                            re Kinder von Anfang an beteiligen; Aufbau auf sprachunabhängigen
                            Bewegungskompetenzen (Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Kontakt-
                            aufnahme durch Bewegung..); …

14
Ableitung von       In einem Vortrag wurden folgende Strategien mehrsprachiger Kindern
Strategien mehr-    besprochen:
sprachiger Kinder   • Soziale Strategien (Albers, 2011)
aus der Literatur
                    • Kognitive Strategien (Albers, 2011)
                    • Gleichaltrige Kinder als Ressource (Long et al., 2004; Licandro & Lüdt-
                      ke, 2013)

Spiel               Gemeinsam mit den TN wird ein weiteres Spiel gespielt.
Reifenstecher       Spielbeschreibung:
                    Alle Kinder wählen für sich ein imaginäres Fahrzeug aus, laufen umher
                    und machen das entsprechende Geräusch. Ein Kind ist der Reifenstecher,
                    er versucht die anderen Kinder zu ticken, “um ihre Reifen zu zerstechen“.
                    Wenn der Reifenstecher ein Kind getickt bzw. seine Reifen zerstochen
                    hat, geht die Luft aus den Reifen heraus und das Kind sinkt langsam mit
                    pfffffffft-Geräusch zu Boden.
                    Die anderen Mitspieler*innen können die Fahrzeuge mit zerstochenen
                    Reifen wieder aufpumpen, indem sie die Hände auf die Schultern des Kin-
                    des legen und mit einem Pumpgeräusch die Reifen wieder mit Luft füllen.
                    Sind die Reifen aufgepumpt, können die Kinder wieder weiter laufen bzw.
                    die Fahrzeuge wieder herumfahren. Während des Aufpumpens dürfen die
                    beiden Kinder nicht gefangen werden.
                    Bei diesem Spiel geht es auch um den bewussten Wechsel zwischen An-
                    und Entspannungszuständen sowie um die Lautbildung.

Reflektion           Viele sprachunabhängige Kompetenzen können im Spiel genutzt wer-
                    den – alle Kinder können mitspielen und sich als selbstwirksam erleben
                    (anderen helfen, die getickt wurden..); einfache und bekannte Fahrzeuge
                    können ausgewählt werden, unterstützt durch Bildkarten wird es noch
                    einfacher; Gespräch darüber welche Fahrzeuge warum geeignet sind;
                    Wortschatzentwicklung; Zusammengehörigkeitsgefühl; Gemeinschafts-
                    erlebnis; …

Fakten zur          Fakten zur mehrsprachigen Entwicklung wurden gemeinsam mit den
mehrsprachigen      TN behandelt.
Entwicklung         1. Die Sprachentwicklung von ein- und mehrsprachig aufwachsenden
                       Kindern
                       verläuft gleich schnell
                       ► Ja; Möglichkeit einer langsameren Sprachentwicklung besteht,
                          aber Rückständ werden meist schnell aufgeholt
                          Meilensteine der Sprachentwicklung erreichen alle Kinder im selben
                          Alter. Auch bei einsprachig aufwachsenden Kindern verläuft die
                          Sprachentwicklung in einem individuell unterschiedlichen Tempo
                          (vgl. Chilla, 2011)
                    2. Die Mischung von Sprachen bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern
                       hat keine negativen Konsequenzen und ist ganz normal!
                       ► Ja! „Code-Mixing“ oder „Code-Switching“ tritt oft bei mehr-
                          sprachigen Kindern auf und ist völlig normal
                          Prof. Panagiotopoulou „quersprachige Kompetenz“
                          Wertvolle Funktion und Ausdruck hoher Sprachkompetenz ist
                          Ausdruck gelebter Mehrsprachigkeit
                          (vgl. Paradis et al., 2011; Auer, 2009)

                                                                                                15
Fakten zur         3.   Einsprachige Kinder haben weniger Sprachentwicklungsstörungen
     mehrsprachigen          (SES) als mehrsprachige Kinder!
     Entwicklung             ► Nein! SES sind gleich häufig (ca. 6-8%)
                              Mehrsprachigkeit ist nicht ursächlich für eine SES. Selbst bei SES
                              ist Mehrsprachigkeit wahrscheinlich nicht zusätzlich erschwerend.
                              (vgl. Scharff Rethfeld, 2013)
                        4.   Kinder sollen erst eine Sprache (Muttersprache) richtig lernen und
                             dann mit der nächsten beginnen.
                             ► Nein! Mehrsprachigkeit stellt keine Überforderung dar!
                              alle Menschen sind prinzipiell dafür ausgestattet, mehrere Sprachen
                              gleichzeitig zu lernen die Bedingungen sind bei den Jüngsten
                              (0-3 Jahre) besonders günstig (vgl. z.B. Chilla & Box-Foyer, 2016)
                        5.   Die Aufgabe der Eltern mehrsprachig aufwachsender Kinder ist es, so
                             viel Deutsch wie möglich mit ihren Kindern zu sprechen, unabhängig
                             davon, was ihre eigene Erstsprache ist.
                             ► Nein! Eltern sprechen die Sprache, die sie am besten beherr-
                             schen                   (korrekte) Sprachvorbilder sind extrem wichtig
                             Wertschätzung der
                              Sprachen ist entscheidend
                              (vgl. Chilla, 2011; Jenny, 2008; Owens, 2008)
                              Im Beratungsfall schauen, was für die einzelne Familie aus welchen
                              Gründen passend ist
                        6.   Der Besuch einer Kita und der dortige Kontakt mit der Sprache rei-
                             chen aus, um Deutsch zu lernen.
                             ► Ja, ist aber abhängig von:
                              Quantität des Besuchs: möglichst frühzeitig und ausreichend viele
                              Stunden Qualität des sprachl. Inputs: je optimaler der sprach-
                              förderliche Umgang in der Kita, desto einfacher/schneller kann die
                              Sprache gelernt werden.
                              (vgl. Chilla, 2011; Jenny, 2008; Owens, 2008)

     Spiel: Reise ins   Spielbeschreibung:
     Weltall            Die Kinder verwandeln sich zu Astronauten und machen eine Reise zu den
                        unterschiedlichsten Planeten. Zunächst wird gemeinsam der Raumanzug
                        angezogen, der Helm aufgesetzt und in die Rakete eingestiegen.
                        Nach dem gemeinsamen Klatsch-Start auf dem Boden mit: Knall, knall,
                        knall, wir fliegen jetzt ins All und dem Runterzählen von 10 auf 0, fliegen
                        alle Astronauten durch den Weltraum. Die Spielleiterin sucht sich den ers-
                        ten Landeplaneten aus: Der Stampfplanet! Nachdem alle Kinder aus ihren
                        Astronautenanzügen ausgestiegen sind (stimmlich und pantomimisch
                        begleiten), werden sie vom Planetenfieber angesteckt und erkunden den
                        Planeten stampfend! Bald geht’s dann weiter zu weiteren Planeten: Hüpf;
                        Lach; Schleich; Trampel; Pfeif; Popo-Klatsch etc. Mal schauen, welche
                        Planeten die Astronauten noch entdecken!
                        Am Ende des Spiels nicht die Rückreise zur Erde vergessen! Dazu wird
                        der Spruch einfach abgewandelt zu „knall, knall, knall, wir fliegen aus dem
                        All…“
                        (Zimmer, 2016, S. 212f)

16
Reflexion des      Was macht dieses Spiel geeignet, Mehrsprachigkeit durch Bewegung zu
vorangegangenen   unterstützen? Welche Kriterien können für andere Spiele/Handlungen
Spiels            übernommen werden?
                  Viele sprachunabhängige Kompetenzen – alle Kinder können mitspielen;
                  wiederkehrende Reime und Wörter erleichtern das Lernen; unterstützt
                  durch Bildkarten; Gespräch über Weltraum und Planeten kann sich an-
                  schließen oder vorausgehen; Wortschatzentwicklung; Zusammengehörig-
                  keitsgefühl; Gemeinschaftserlebnis; Kinder können selbst Vorschläge für
                  Planeten einbringen und Spielleitung übernehmen; …

Abschließend      Abschließend wurde die Bedeutung der Fachkräfte besprochen: Nicht
Herausstellung    nur die Gestaltung eines bewegungs- und handlungsorientierten Alltags
der Bedeutung     ist bedeutsam, sondern auch die Fachkraft mit ihren Einstellungen und
der Fachkräfte    Sichtweisen nimmt entscheidenden Einfluss.
                  • Die Einstellung der päd. Fachkraft zur Integration der Erstsprache des
                    Kindes hat großen Einfluss auf die Wortschatzentwicklung im Deut-
                    schen bei DAZ-Kindern (Kratzmann, Lehrl & Ebert, 2013)
                  • Kinder mit einer niedrigeren Sprachkompetenz erhalten von der päda-
                    gogischen Fachkraft weniger Zuwendung
                  • In der Interaktion werden seltener Sprachbildungsstrategien eingesetzt
                  • Die Betreuungsperson zeigt weniger handlungsbegleitendes Sprechen
                    in der Interaktion mit Kindern mit einer niedrigeren rezeptiven Sprach-
                    leistung
                  • Kinder mit einer niedrigeren produktiven Sprachleistung interagieren
                    seltener mit ihren Peers (Albers, Bendler, Lindmeier, Schröder, 2013)
                  • Bei sprachauffälligen Kindern findet man besonders ungünstige Inter-
                    aktionsstile, gekennzeichnet durch einen mehr direktiven und reduzier-
                    ten Input!
                  • Der Pygmalion-Effekt
                  Robert Rosenthal und Lenore F. Jacobson (1964) wiesen experimentell
                  nach, dass ein Lehrer, dem suggeriert wird, dass einige Schüler(innen)
                  besonders begabt sind und diese besonders hohes Leistungspotenzial
                  hatten, diese so fördert, dass sie am Ende auch aufgrund größerer per-
                  sönlicher Zuwendung (nicken, anlächeln), höherer Leistungsanforderun-
                  gen, längerer Wartezeiten bei Antworten und häufigeren und verstärkten
                  Lobes und Tadels faktisch ihre Leistungen steigerten.

                                                                                              17
WS 7 & 16:
                        Hocus und Lotus – wie Kinder eine
                        weitere Sprache erlernen können

                        Referentinnen: Martina Rüschenbaum,
                        Pinelopi Kouloukourgiotou, Eveline Kruse
                        Kontakt: livia.daveri@bra.nrw.de

     Einstieg in den   Die Referentinnen führten eine Hocus und Lotus-Einheit in Griechisch
     Workshop          mit den Teilnehmenden durch. Somit wurde die direkte Anwendung des
                       Konzeptes konkret gezeigt und die Teilnehmer*innen konnten erfahren
                       und fühlen, wie die Methode funktioniert und was diese bewirkt.

     Besonderheiten    Auf folgende Inhalte gingen die Referentinnen ein:
     des Konzeptes     Gute Beziehung / Gute Kommunikation
                       Format / Erzählformate
                       Acting-out, Mini-Musical, Bilderbücher, Zeichentrickfilme, Lieder und
                       flankierende Aktivitäten
                       Strukturierung der Materialien
                       Informationen über die Schulung zu „magic teacher“

     Sprach-           Theoretische Grundlagen des Konzeptes Hocus und Lotus:
     entwicklung       Wiederholung
                       Gute Beziehung / Blickkontakt
                       Gute Kommunikation
                       „Magische“ Lehrperson (Erzieher*in)
                       Einbezug der Familien

     Erfassung der     Hocus & Lotus wird von den KI als effektives Programm für das Erlernen
     mehrsprachigen    der Zielsprache Deutsch verwendet, kann aber auch für die Vermittlung
     Lebenswelt        von weiteren Sprachen wie z.B. Italienisch, Französisch, Englisch, Spa-
                       nisch, Russisch und Türkisch eingesetzt werden. In den Geschichten von
                       Hocus und Lotus geht es immer auch um die Beziehung zu anderen, den
                       Wunsch nach Kommunikation, Freundschaften, Lernen und Probieren.
                       Eine der wesentlichen Botschaften im Programm ist, dass Kinder erst mit
                       anderen Menschen reden, wenn sie Lust haben, dies zu tun, daher sind
                       der Aufbau einer guten, positive Beziehung zum Kind sowie Wertschät-
                       zung und Akzeptanzgrundlegende Bedingung.

18
Unterstützung      Der Erwerb weitere Sprachen wird gezielt unterstützt, z.B. Deutsch oder
des Mehrspra-      eine weitere allen Kindern noch unbekannte Sprache
chigkeitserwerbs   Die Mehrsprachigkeit der Kinder/Familien kann anhand von begleitenden
                   Aktivitäten sichtbar und hörbar gemacht werden
                   Elternpartizipation/ Elternkooperation

Fazit              Kinder, die in der Familie mit einer anderen Sprache als Deutsch auf-
                   wachsen, können mit Hocus und Lotus sehr schnell und sehr effektiv die
                   deutsche Sprache erwerben. Das Programm kann aber auch für weitere
                   Sprachen angewendet werden, z.B. für Englisch, Französisch, Italienisch
                   usw.
                   Aufgrund der Art und Weise, wie Sprache hier vermittelt wird sowie der
                   kindgerechten Themen, ist diese Methode von Kindern sehr beliebt.
                   Die Familiensprachen der Kinder können im Rahmen von Begleitaktivitä-
                   ten ebenfalls miteinbezogen und unterstützt werden.

Materialtisch      Hocus und Lotus-Materialien: CDs, DVDs, Bilderbücher, Teacher-KiT, Kin-
                   dermaterialien, Kuschelfiguren Hous und Lotus, ergänzende Aktivitäten
                   und Spiele.
                   Die ausgelegten Anregungen für die Praxis wurden für die Teilnehmenden
                   zur Ansicht gestellt sowie auch während des Workshops eingebunden.

                                                                                             19
WS 8 & 17:
                         Mehrsprachigkeit aus
                         logopädischer Sicht

                         Referentin: Tanja Jahn
                         Kontakt: jahn.tanja@web.de

     Einstieg in den    Mit Hilfe von Sprachenportraits sensibilisiert die Referentin die Teilneh-
     Workshop           menden für die Mehrsprachigkeit in der Arbeit mit Kindern und Eltern.
                        • Teilnehmende gestalten eigene Sprachenportraits

     Besonderheiten     Mehrsprachig oder bilingual ist, wer regelmäßig mehr als eine Sprache
     der mehrsprachi-   verwendet (Grosjean 2008, S. 10) und in der Lage ist, in allen seinen Spra-
     gen Entwicklung    chen Alltagsgespräche zu führen (Myers-Scotton 2006, S. 65).
                        An Hand von Beispielen wurden Besonderheiten der mehrsprachigen
                        Entwicklung vorgestellt und diskutiert.
                        Insbesondere beim Code-mixing und code-switchen gibt es viele Vorurtei-
                        le, die die Referentin aufklärt:
                        • Mischt ein Kind seine beiden Sprachen, dann zeigt das, dass das Kind
                          die Sprachen nicht richtig erwirbt. FALSCH
                        • Sprachmischungen zeigen, dass das Kind im Denken verwirrt ist.
                          FALSCH
                        • Mehrsprachigkeit ist nur gut für Kinder, die sprachbegabt, intelligent
                          und normal entwickelt sind. FALSCH
                        • Der Erwerb mehrerer Sprachen führt zu sprachlichen und kognitiven
                          Beeinträchtigungen. FALSCH
                        Bedeutung der Erstsprache(n)
                        • Je besser die Fähigkeiten in der Erstsprache, desto bessere Vorausset-
                          zungen für den Erwerb weiterer Sprachen!
                          = Interdependenzhypothese
                        • Kinder mit Migrationshintergrund absolvieren die Schule erfolgreicher,
                          wenn ihre Erstsprache weiter gefördert wird.
                        Lauterwerb und Betonung
                        • Partnerübung zur Lautentwicklung im Deutschen, Türkischen, Russi-
                          schen und Arabischen. Ebenso wird darauf hingewiesen welche deut-
                          schen Laute bzw. grammatikalischen Formen es in anderen Sprachen
                          nicht gibt. So gibt es bspw. in der türkischen Sprache keine bestimmten
                          Artikel, Hilfsverben oder Präpositionen (Scharff Rethfeldt, 2016)
                        • Praxisorientierte Gruppenübung zur Prosodie (Trochäus)(KonLab-Pro-
                          gramm, Zvi Penner)
                        • gemeinsames Ausprobieren- Körperbewegung, Kennenlernen der Sym-
                          bolik für die Arbeit mit den Kindern

20
Sprach-            Merkmale des Mehrsprachigkeitserwerbs
entwicklung:       Einflussfaktoren (Scharff Rethfeld, 2013)
Mehrsprachiger     • Allgemeine Entwicklung: Sprachbegabung, Motivation
Grammatiker-       • Umfeld: Notwendigkeit zur Kommunikation, Sprachanregung und –
werb                 gebrauch
                   • Sprachspezifische Variablen: Sprachstrukturen
                   • Sozioökonom. Status: Bildungsstand der Eltern, Sozialprestige der
                     Sprachen/Kulturen
                   • Alter des Kindes: Zeitpunkt des Sprachkontaktes, Erfahrung
                   • Zeit

Erfassung der      Mehrsprachigkeit ist kein Grund für eine Sprachentwicklungsstörung!
mehrsprachigen     Eine primäre Sprachentwicklungsstörung bei bilingualen Kindern ist
Lebenswelt         dadurch gekennzeichnet, dass sich die Art der Störung in allen Sprachen
                   zeigt, die das Kind erwirbt.
                   Eltern die Angst nehmen- es führt nicht zu sprachlichen Beeinträchtigun-
                   gen, wenn mehrsprachig mit den Kindern gesprochen wird.
                   Mehrsprachigkeit als inklusiven pädagogischen Ansatz sehen

Unterstützung      Elternpartizipation/ Elternkooperation (Melhuish et al. 2008) Bezugsper-
des Mehrspra-      sonen mit hohem Home-Learning-Environment Faktor
chigkeitserwerbs   • Sprechen viel mit ihren Kindern
                   • Bilden grammatikalisch anspruchsvolle Sätze
                   • Unterstreichen das Gesagte mit Mimik & Gestik
                   • Stellen offene Fragen
                   • Regen das Kind an, in die Zukunft oder Vergangenheit zu schauen
                   • Sprechen über Erzähltes, Vorgelesenes, lesen Bilderbücher dialogorien-
                     tiert vor
                   Bezugspersonen mit niedrigem Home-Learning-Environment Faktor
                   • Sprechen wenig mit ihren Kindern
                   • Bilden häufig knappe, befehlsartige Sätze
                   • Setzen wenig Blickkontakt, Mimik & Gestik ein
                   • Stellen eher geschlossene Fragen
                   • Beziehen sich sprachlich auf das Hier & Jetzt
                   • Lesen eher monologisch vor
                   Sprachförderndes Verhalten „Die beste Sprachförderung ist eine gute
                   Beziehung zum Kind.“

Materialtisch      • vielfältige Fachliteratur
                   • Diagnostik-Materialien
                   • Sprachspiele und -materialien
                   Die ausgelegten Anregungen für die Praxis wurden für die Teilnehmenden
                   zur Ansicht gestellt sowie auch während des Workshops eingebunden.

                                                                                              21
WS 9 & 18:
                         Mehrsprachigkeit im Übergang
                         Kita – Grundschule

                         Referentinnen: Svenja Butzmühlen und
                         Jutta Kind-Kolb
                         Kontakt: svenja.butzmuehlen@dkjs.de

     Einstieg in den    Die Referentinnen begannen die gemeinsame Arbeit in den WS‘s mit einer
     Workshop           soziometrischen Übung zum Warm-Up und zum gegenseitigen Kennen-
                        lernen.

     Die Deutsche       Svenja Butzmühlen (DKJS) stellte die Stiftung vor und gab einen Über-
     Kinder- und Ju-    blick über einige Programme im Themenfeld Übergang Kita - Grundschu-
     gendstiftung und   le. Sie stellte Publikationen und Arbeitsmaterialien aus verschiedenen
     ihre Programme     Programmen zur Verfügung, die für die praktische Arbeit im Übergang
     zum                Kita – Schule, in der Zusammenarbeit mit Eltern/Familien und in der
                        sprachlichen Bildung entwickelt worden sind.
                        Die DKJS hat sich, seit ihrer Gründung vor 23 Jahren, auf die Fahne
                        geschrieben, verschiedene Akteure zusammenzubringen, um gemein-
                        sam gute Antworten auf Fragen im Bildungssystem zu finden, damit alle
                        Kinder in Deutschland mit guten und gleichen Chancen aufwachsen
                        können. Frühe Bildung und Schulerfolg, einschließlich dem Übergang
                        Kita – Grundschule, sowie Vielfalt und Inklusion sind einige der zentralen
                        Handlungs- und Themenfelder der DKJS.

     Das Modellpro-     Das Modellprogramm „Bildung braucht Sprache” unterstützte von 2014
     gramm „Bildung     bis Anfang 2017 ausgewählte Kitas und Grundschulen in Nordrhein-West-
     braucht Spra-      falen (4 Modellregionen) dabei, die Sprachbildung und -förderung zu
     che“               verbessern. Dabei standen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie kann ein
                        möglichst nahtloser Übergang der sprachlichen Bildung von der Kita in die
                        Grundschule durchgängig gestaltet werden? Wie kann eine sprachliche
                        Bildung in Deutsch und den Herkunftssprachen mehrsprachiger Kinder er-
                        folgen? Wie können Pädagog*innen in Kitas und (Ganztags-)Schulen ihre
                        Konzepte und Methoden der (mehr-)sprachlichen Bildung aufeinander ab-
                        stimmen? Und wie gelingt eine gute, partnerschaftliche Zusammenarbeit
                        mit den Eltern bzgl. der sprachlichen Bildungsprozesse der Kinder?
                        Zur Beantwortung dieser zentralen Fragestellungen leistete „Bildung
                        braucht Sprache“ als gemeinsames Programm der Deutschen Kinder-
                        und Jugendstiftung und der Stiftung Mercator einen wichtigen Beitrag.

     Mehrsprachigkeit Im Modellprogramm gab es weder Vorgaben von zu adaptierenden Ein-
     und pädagogi-    richtungs- oder Übergangskonzepten noch vorgegebene Materialien zu
     sche Haltung     (mehr-)sprachlicher Bildung. Ausgangspunkt waren die Erfahrungen und
                      Bedarfe in den Einrichtungen der Modellregionen und somit offene, aber
                      zielgerichtete Entwicklungsprozesse, die die Pädagog*innen in den Kitas
                      und Schulen zu den Gestaltern machten. Gleichzeitig wurde das Pro-
                      gramm wissenschaftlich (Educert GmbH) und fachpolitisch (Beratungs-
                      gremium auf Landesebene) beraten und begleitet.

22
Im Zentrum der Programmarbeit in den Modellregionen standen die
                   Begleitung einer gemeinsamen Reflexion der pädagogischen Arbeit und
                   Haltung, die Unterstützung von kollaborativem Arbeiten der Pädagog*in-
                   nen aus Kitas und Schulen, gemeinsam mit den Familien der Kinder, sowie
                   die Vernetzung mit den regionalen Bildungsakteuren.
                   Die Kinder standen dabei im Fokus: mit ihren vielfältigen Lebenswelten,
                   mit ihren Sprachschätzen, ihren individuellen sprachlichen Interessen
                   und Bildungsbedürfnissen, den jeweiligen sprachlichen Entwicklungen,
                   mit ihren Beziehungen, ihrer Neugier. Als Basis für eine mehrsprachliche
                   Bildung wurde eine offene, selbstreflexive pädagogische Haltung erachtet,
                   die in den Kitas und den vielfältigen Übergangsprojekten eine im Alltag
                   gelebte lustvolle Kreuz- und Quersprachigkeit entstehen ließ.

Coaching vor Ort   In den Kitas:
durch Praxisbe-    Umsetzung wirksamer Sprachbildungsansätze im Alltag durch
gleitung
                   • Stärkung in der professionellen Haltung,
                   • bedarfsorientierten Erwerb von Fachwissen und
                   • Ausbau von Kooperations- und Netzwerkkompetenzen.
                   ►Veränderung der Einrichtungskultur durch Einbezug der gesamten
                   Kita-Teams.
                   Mit Tandems aus Kitas und Grundschulen:

                   • Stärkung der Kooperationsstrukturen.
                   • Verständigung auf ein gemeinsames Verständnis und gemeinsamer
                     Konzepte von (mehr-)sprachlicher Bildung.
                   • Entwicklung gemeinsamer Projekte und Materialien.

Praxiseinblicke    Jutta Kind-Kolb (Praxisbegleiterin im Programm) stellte zahlreiche kon-
                   krete Beispiele aus der Vor-Ort-Arbeit in ihrer Modellregion vor, die Svenja
                   Butzmühlen durch Erfahrungen und Ergebnisse der weiteren Regionen
                   ergänzte. Ein Kurzfilm, Anschauungsmaterialien und zahlreiche Fotos
                   dienten der konkreten Verdeutlichung. Dabei differenzierten die Referen-
                   tinnen die Praxiseinblicke nach Beispielen
                   • aus Kitas
                   • von Kita-Grundschul-Kooperationen
                   • des partnerschaftlichen Zusammenspiels von Pädagog*innen und
                     Eltern (bzgl. des Einbezugs der Familiensprachen)
                   • sozialräumlicher Vernetzung sowie
                   • Anbindung an kommunale Strukturen und Konzepte.

Austauschpha-      In den Austauschphasen berichteten die Teilnehmer*innen der WS in
sen                lebhaften Diskussionen insbesondere von ihren individuellen Heraus-
                   forderungen bezüglich der institutionenübergreifenden Kooperationen
                   auf unterschiedlichen Ebenen und tauschten schwierige Erfahrungen
                   genauso wie auch Erfolge offen aus. Unter den Teilnehmer*innen waren
                   auch Personen aus zwei der Modellregionen des Programms „Bildung
                   braucht Sprache“, die spontan aus ihren verschiedenen Perspektiven
                   (Bildungsverwaltung/KI und pädagogische Praxis) Erfahrungen aus dem
                   Programm ergänzten.

Weitere Infor-     https://www.dkjs.de/themen/fruehe-bildung/
mationen und       Hier findet sich auch eine Broschüre zum Download:
Materialien
                   „Sprachbildung gemeinsam gestalten: Leitfaden zur Qualitätsentwicklung
                   für Kitas und den Übergang in die Grundschule“

                                                                                                  23
WS 10:
                        Bilinguale KiTas – Erfolge,
                        Stolpersteine und inklusives Denken
                        (Italienisch-Deutsch)

                        Referentin: Antonietta Abbruscato
                        Kontakt: info@zebra-kita.de

     Einstieg in den   Zu Beginn erfolgte die Vorstellung des Aufbaus der beiden Zebra-KiTas in
     Workshop          Köln, der Historie und des Konzeptes.

     Konzeption        Die Zebra-KiTas orientieren sich am Konzept der Reggio-Pädagogik,
                       die ihren Ursprung in der italienischen Stadt Reggio Emilia hat und bei
                       dem die individuelle Selbstentfaltung und -verwirklichung des Kindes im
                       Vordergrund steht. In den KiTas wird die Immersionsmethode, also das
                       Eintauchen in die Sprache, angewandt. Alle Erzieher/innen sind zweispra-
                       chig (Deutsch/Italienisch).

     Biliguale KiTas   In den bilingualen (dt/it) Zebra-Kitas werden Kinder aus verschiedenen
                       Herkunftsnationen betreut. Die große Mehrheit sind Kinder aus Familien
                       mit italienischer Migrationsgeschichte. Darunter befinden sich aber auch
                       Kinder, deren Erstsprache weder Italienisch noch Deutsch ist oder Kinder,
                       die einsprachig (Deutsch oder Italienisch) aufwachsen.
                       Per Videosequenzen zu Situationen, in denen Kinder situativ Sprache
                       anwenden, sind im Workshop die Methoden, Stolpersteine und Herausfor-
                       derungen für die Erzieher/innen und die Kita verdeutlicht worden. Nach
                       jeder Videosequenz haben die Referentinnen gemeinsam mit den Teilneh-
                       mer/innen die gezeigten Situationen analysiert und anschließend auf ihre
                       Wirksamkeit hin bewertet.

     Fazit             Als Fazit konnte den Teilnehmenden mitgegeben werden, dass die in den
                       KiTas vorrangig angewandte Prinzip „One person one language“ nicht
                       für jedes Kind in der Zebra-Kita greife. Besonders Kinder, die mit den
                       Sprachen Deutsch und Italienisch aufwachsen, würden davon profitieren.
                       Daher will die Kita ihr Konzept erweitern, weitere Sprachen inkludieren,
                       so dass auch Kinder aus Familien mit einer Familiensprache oder einer
                       Familiensprache, die weder deutsch noch italienisch ist, effektiv gefördert
                       werden können.
                       Zum Abschluss sind im Workshop verschiedene weitere Methoden und
                       deren Vor- und Nachteile vorgestellt worden.

     Rückmeldungen     Der Workshop war für die Teilnehmenden relevant und hilfreich, da sie
     der Teilneh-      teilweise selbst als Erzieher*innen in bilingualen Kitas arbeiten oder in
     mer*innen         Zukunft arbeiten werden.

24
Sie können auch lesen