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Magazin der LAG Kinder- und Jugendkultur Hamburg Frühjahr 2019 SCHW ERPU LEUCHTTURM Das Bildungshaus Lurup FRÜH NKT: KIND KULT LI PILOTPROJEKT Theater revolutioniert Kita-Alltag UREL CHE BILD LE UNG PORTRÄT Fachreferentin Henriette von Enckevort KOOPERATION Filmmuseum und Kita arbeiten zusammen 1
Inhalt 03 Colette See Herausgeber Editorial LAG Kinder- und Jugendkultur e.V. 04 Kleinkinder und Kultur www.kinderundjugendkultur.info Prof. Dr. Romi Domkowsky im Interview Ehrenbergstraße 51, 22767 Hamburg Telefon: 040 - 524 78 97 10 07 Lernen von Frankfurt Die LAG Kinder- und Jugendkultur vernetzt die Filmmuseum kooperiert mit Kita Hamburger Akteure und vertritt die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Politik und Verwaltung. 10 Lernen von Zürich Theater verändert Kita-Alltag Wir bemühen uns um gendergerechte Sprache und nutzen daher das „Gender-Sternchen“ (*). 12 Leuchtturmprojekt Das Bildungshaus Lurup Redaktion: Christine Weiser, Claas Greite, Dörte Nimz Grafik: Meike Gerstenberg 14 Neue Ansprechpartnerin Das nächste Heft erscheint im Henriette von Enckevort im Porträt Juni 2019 www.kinderundjugendkultur.info 16 Jeden Tag ein Abenteuer Die ASB-Kita Augustenpassage Gefördert von der Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg. 18 Modelle für Kultur an Schule Das Gymnasium Lerchenfeld Bildnachweise: 20 FSJ Kultur Titel: Sabine Imhof, S. 2 Sabine Imhof, S. 3 privat, Gleiche Chancen für alle S. 4, 5, 6 Meike Gerstenberg, S. 7 Sabine Imhof, S. 10 Sebastian Knorr, S. 12 Bildungshaus Lurup, S. 14 Lutz 22 Kritik Wendler, S. 16 Meike Gerstenberg, S. 18 Gymnasium „Der Bär, der nicht da war“ Lerchenfeld, S. 20 Meike Gerstenberg, S. 22 Steffen 20 Baraniak, S. 23 Lutz Wendler, S. 24 Mo & Friese, 23 Meldungen Roots & Routes, Köln, Sinje Hasheider, Kulturstiftung der Länder, Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und 24 Tipps Jugendbildung e.V., Julia Neuhaus 2
Der Schlüssel zu Ressourcen TEXT: COLETTE SEE Mit den kleinen Händen voll Farbe wird das weiße Blatt Papier in Bildungseinrichtungen, die Weiterbildung für Fachkräfte mit einschließt Windeseile gefüllt. Die zusammengesuchten Tücher und selbstge- und so kontinuierlich verschiedene Impulse ermöglicht. Darüber bastelten Masken erlauben das Versinken in einer Welt aus Fabel- hinaus gilt es, Eltern für Angebote zu sensibilisieren, die an ihrer wesen. Voller Stolz wird mit der selbstgebauten Rassel ordentlich Lebenswirklichkeit ansetzen und nachhaltig in den Erziehungsalltag Lärm gemacht. Mit Kinderaugen betrachtet, ist die Welt eine Spiel- integrierbar sind. wiese, die es zu entdecken gilt. Kulturelle Bildung – ob bewusst gesteuert oder eher unbewusst eingesetzt in der Familie oder Kinder- tagesbetreuung – ist von Anfang an Teil ihres Aufwachsens. Immer wieder bin ich davon beeindruckt, mit welcher Unvoreinge- nommenheit kleine Kinder die Welt entdecken, sich zu eigen machen und nach eigenen Vorstellungen gestalten. Es ist erwiesen, dass die ersten Lebensjahre enormen Einfluss auf das weitere Leben haben. Von den Eindrücken und Erfahrungen aus den ersten Jahren kön- nen Kinder ihr restliches Leben lang zehren. Frühkindliche Kulturelle Bildung hilft Kindern dabei, sich selbst und ihre Umwelt wahrzuneh- men, fördert Fantasie, Emotionen und Vorstellungskraft und ist so ein notwendiger Motor für viele Lernprozesse. In den ersten Lebens- COLETTE SEE jahren kann sie der Schlüssel zu einem Fundus von Ressourcen sein, der für ein gelingendes Aufwachsen wichtig ist. Der Grundstein für Colette See studierte Sozialwissenschaften an der Universität eine lebenslange Leidenschaft für ein Musikinstrument kann gelegt Hamburg. Seit 2010 ist sie Referentin für Suchtprävention bei werden – oder für andere künstlerische Ausdrucksformen, die ent- Sucht.Hamburg mit dem Schwerpunkt exzessive Mediennutzung. lastend wirken und im späteren Leben helfen, mit herausfordernden Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen in der Förderung der Medienerziehung Situationen umzugehen. in Familien und der Medienkompetenzförderung bei Kindern und Jugendlichen. Sie ist im Vorstand des Mediennetz Hamburg e.V. und Für eine qualitativ hochwertige, wirksame frühkindliche Kulturelle engagiert sich für die Medienbildung in Hamburg. Seit 2018 ist Colette Bildung braucht es eine institutionelle Verankerung in relevanten See Mitglied des Vorstands der LAG. 3
S C H W E R P U N KT Warum es wichtig ist Prof. Dr. Romi Domkowsky, promovierte Theaterwissenschaftlerin und Dramaturgin, spricht im kju-Interview über Kulturelle Bildung für die Kleinsten INTERVIEW: CLAAS GREITE 4
Kju-Magazin: Was ist frühkindliche Kulturelle Bildung? ist, wenn einem Kind in der Kita oder Schule gesagt wird, dass es Beginnt sie schon, wenn man seinem Kind vorliest oder nicht singen oder zeichnen könne, weil es bestimmte Vorgaben nicht vorsingt? genauso erfüllt, wie Erwachsene das erwarten. So gehen diese Men- Romi Domkowsky: Ja. Jegliche Begegnung mit Kunst und Kultur, auch schen dann durch das ganze Leben. Ein anderes Problem ist Zwang. mit Alltagskultur, kann Kulturelle Bildung sein. Die Forschung geht Man sollte immer ein gutes Gefühl mit kulturellen Erlebnissen verbin- heute davon aus, dass bestimmte Neigungen und Fähigkeiten gene- den. Kindern wird auch oft beigebracht, in Grenzen oder nach Scha- tisch angelegt sind. Die kann man fördern. Je vielfältiger die Anre- blonen zu malen. Mit freier Entwicklung des Ausdrucks hat das nichts gungen sind, desto besser. Wichtig beim Vorlesen und Vorsingen ist zu tun. die persönliche Beziehung. Das ist ein Impuls, der beim Kind etwas öffnen kann und somit ein Schlüssel für Kulturelle Bildung. Aus welchen Fehlern der Vergangenheit gibt es besonders viel zu lernen? Ab welchem Alter ist Kulturelle Bildung sinnvoll? Ich glaube, dass es nicht gut ist, wenn Kinder sehr früh verschult lernen. Im Prinzip ab der Geburt. Es hat sogar schon einen Effekt, wenn Kin- Das ist in Ländern wie Russland oder China häufig üblich. Da herrscht der, die noch im Mutterleib sind, Geschichten vorgelesen bekommen. ein anderes Kindheitsbild. In Westeuropa geht man davon aus, dass ein Studien belegen, dass diese Kinder als Säuglinge die Geschichten wie- Kind kein weißes Blatt Papier ist, wenn es auf die Welt kommt, sondern dererkennen können. dass es sich – bei behutsamer Förderung – Fähigkeiten selbst aneignet, seinen Interessen gemäß. Das ist auch meine Sicht. Welche Kunstrichtungen eignen sich besonders für kleine Kinder, welche weniger? Was ist für die Prägung eines Kindes wichtiger – Rhythmuserfahrungen können Kinder schon sehr, sehr früh machen. die Schule oder die Eltern? Und Vorlesen eignet sich auch für die Jüngsten. Zirkusarbeit ist hinge- Was Kultur anbetrifft, sind Eltern sehr oft die Brücken. Wenn die an gen eher für etwas Ältere geeignet. Generell finde ich, dass das Den- Kunst interessiert sind, sind es die Kinder auch eher. Wenn nicht, ken in Kunstsparten eine bürgerliche, hochkulturelle Erfindung ist. schafft die Schule es leider meistens auch nicht, ein nachhaltiges Kinder verbinden immer alles, singen zum Beispiel beim Malen... ein Interesse für Kunst und Kultur zu wecken. Deshalb ist es wichtig, dass ganzheitlicher Kunstbegriff ist besser, zumindest in dem Alter. Institutionen wie das Theater versuchen, Kinder und Eltern gemein- sam zu erreichen. Das kann man zum Beispiel schaffen, indem man Wie wirkt frühkindliche Kulturelle Bildung? Wie kann ein in Kinderstücke eine Ebene einzieht, die auch für Erwachsene interes- Mensch davon im Jugend- und Erwachsenenalter profi- sant ist. Gemeinsame Erlebnisse sind wichtig. tieren? Ich würde davon ausgehen, dass die Persönlichkeit allgemein offener Kulturelle Bildung für Kinder hat seit einigen Jahren wird. Ein Mensch, der früh mit Kultur in Berührung kam, hat später Konjunktur. Woran liegt das? auch mehr Wahlmöglichkeiten – weil er*sie einfach mehr kennen- Ich denke, dass es mit dem PISA-Schock im Jahr 2000 zu tun hat. gelernt hat. Danach wurde damit angefangen, Kitas auch als Bildungseinrich- tungen zu definieren. Auch die Ausbildung für Erzieher*innen hat sich Welche Fehler werden aus Ihrer Sicht oft in diesem geändert. Mittlerweile gibt es die Vorstellung, dass Kulturelle Bildung Sektor gemacht? soziale Mängel reparieren könne. Das ist Quatsch. Ich finde es scha- Es gibt eine Unesco-Studie, die besagt: 25 Prozent dessen, was „Kul- de, wenn Kunst nicht um ihrer selbst willen, sondern nur für soge- turelle Bildung“ heißt, schadet mehr, als es nützt! Ein Beispiel dafür nannte Transfereffekte gemacht wird. 5
Es gibt in dem Sektor zahlreiche Angebote, auch Wie kann man als Eltern, Großeltern oder Erzieher*in kommerzielle. Woran erkenne ich, was wirklich sinnvoll Kulturelle Bildung mit einfachen Mitteln im Alltag ist – und was eher auf das Gewissen und den Geldbeu- unterbringen? tel der Eltern abzielt? Schon Alltagsgegenstände können Anregungen geben, zum Beispiel Man sollte sich zunächst ehrlich die Frage stellen, warum das Kind ein Kissen oder Tücher, aus denen man Höhlen oder andere Dinge bauen solches Angebot nutzen sollte. Wenn es wirklich um das Kind, seine kann. Oder man lässt die Kinder einfach mal ausprobieren, wie die Interessen und Neigungen geht, kann man gerne nach Angeboten Dinge klingen. Wenn Kinder etwas gemalt haben, ist das immer ein suchen. Diese muss man einfach ausprobieren und Eltern sollten sie sehr guter Sprechanlass. Wenn man sie fragt, was da zu sehen ist, auch unbedingt selbst ansehen. Bedauerlich ist der Trend, dass es in erzählen sie oft die tollsten Geschichten. Die kann man aufschreiben immer mehr Kitas optionale Zuzahl-Angebote gibt. Da machen man- – und zum Beispiel nachspielen... che Kinder Ausgrenzungserfahrungen. Sie lernen, dass Kunst und Kul- tur exklusiv sind. Das ist fatal. Kinder brauchen Freiraum, sagen Erziehungswissen- schaftler*innen. Kann es bei Kultureller Bildung auch ein „Zuviel des Guten” geben? Menschen sind unterschiedlich. Manche leben gut mit einem struk- turierten Tag, andere brauchen sehr viel Freiraum. So ist es auch bei Kindern. Generell ist es aber wichtig, dass Kinder auch Zeiten zum Spielen haben, in denen kein Erwachsener eingreift. Sie müssen auch Quatsch machen und unbeobachtet Dinge ausprobieren können. Gibt es eine Stadt oder Region in Deutschland, einen Träger oder eine Institution, die eine besondere Vorrei- terrolle einnimmt? Falls ja, wie? INFO Berlin ist weiter als viele andere Regionen. Ein Beispiel dafür ist TUKI, das Projekt „Theater und Kita”. Zehn Theaterinstitutionen haben Part- Prof. Dr. Romi Domkowsky, geboren 1977 in Gera, promovierte über das nerschaften mit Kitas, sie arbeiten kontinuierlich über drei Jahre Theaterspielen und seine Wirkungen. Von 2012 bis 2017 war sie Profes- zusammen. Ein anderes Beispiel ist der Projektfonds Kulturelle Bil- sorin für Ästhetische Bildung an der Evangelischen Hochschule Berlin und dung, kulturelle Bildungsprojekte können dort eine Finanzierung forschte unter anderem über das Theater mit und für die Jüngsten. Seit beantragen. Das ist etwas Besonderes. Auch in Dresden hat die Kultu- der Spielzeit 2017/18 ist sie am Theater Oberhausen Dramaturgin für die relle Bildung einen besonderen Stellenwert. Sie ist dort sogar in einem Produktionen für das junge Publikum. Sie ist auch Mitglied des künstleri- kommunalen Handlungskonzept verankert. schen Leitungsteams. 6
7 S C H W E R P U N KT In Frankf Wie Kinder urt am M zu ain arbe zusamme n. Ein bu itet ein Museum e Filmschaff ndesweit einzigartig ng mit Kitas TEXT: C es Projek enden werd LAAS G REITE t en
S C H W E R P U N KT D er Raum ist abgedunkelt, es Wand geworfen, die Geschichte erzählt herrscht gebannte Stille. Far- dazu ein Mädchen ihren Zuhörer*innen. benfrohe Bilder bewegen sich über die Wand, bunte Punkte, Dass diese Kita so anders ist als andere, Striche und andere Formen, ist Resultat einer Zusammenarbeit, die in blaues Wasser, ein gemalter dieser Form in Deutschland einzigartig ist. Fisch schwimmt durch das Bild. Ein alter- Die Einrichtung arbeitet schon seit 2013 tümlicher Projektor wirft die Bilder an die mit dem in Frankfurt ansässigen Deutschen Wand, er funktioniert per Handbetrieb. Luis, Filminstitut & Filmmuseum (DFF) zusammen. sechs Jahre alt, bedient emsig eine Kurbel. Kita-Pädagog*innen haben gemeinsam ein Claire, ebenfalls sechs Jahre alt, dreht dazu Jahr lang mit Museumspädagog*innen vom an einer Spieluhr und sorgt so für die Musik- DFF das Format Minifilmclub erarbeitet, im untermalung. Rahmen des Förderprogramms „Kunst und Spiele“ der Robert Bosch Stiftung. Betti- Wir befinden uns in Frankfurt am Main, in na Marsden, die das Projekt mitentwickelt der Kita Grüne Soße. Die Beschäftigung mit hat, betont: „Kinder waren von Anfang an dem Thema Film ist hier für die Kinder so involviert, bei der Konzeption des Projekts.“ alltäglich wie Malen, Basteln oder Singen. Das Resultat ist nun ein mehrwöchiges Pro- Der Streifen, den Luis und Claire soeben der gramm, das Kitas seit dem Jahr 2016 beim Gruppe gezeigt haben, ist eine Produktion DFF buchen können. Etwa 30 Gruppen aus komplett aus Kinderhand. In deren Händen 14 verschiedenen Frankfurter Kitas haben liegt nicht nur das Vorführen, auch der Film- bisher teilgenommen. Die Teilnahme finan- streifen wurde direkt bemalt, mit Eiweißgla- zieren die Kitas unterschiedlich, in der Regel surfarbe. Eine Methode, die auch im Experi- übernimmt der Träger die Kosten – im Falle mentalfilm zur Anwendung kommt. „Avant- der Kita Grüne Soße ist das der Sozialpä- gardefilm ist mittlerweile normal für die Kin- dagogische Verein zur familienergänzenden der. Er ist Teil ihres Lebens“, sagt Bettina Erziehung. Marsden, Sozialpädagogin an der Kita. Wie nebenher lernen die Kinder auch etwas über Die beiden Filmvermittlerinnen Hannah die Anfänge der Filmkunst, als es noch keine Schreier und Britta Yook vom DFF arbeiten Tonspur gab und im Kino ein Pianist für die mit den Kita-Gruppen zusammen. Diese sind Musik sorgte. Auf allen Etagen der Kita klein, jeweils können acht bis zehn Kinder bestimmt das Thema Film das Spiel der Kin- im Vorschulalter, also von vier bis sechs Jah- der. In einem Raum zeigt ein Kind mit einem ren, teilnehmen. Mit den Gruppen wird dann selbstgebastelten Apparat, wie aus einzel- intensiv gearbeitet. Hannah Schreier: „Am nen Zeichnungen ein hüpfender Löwe wird. Anfang steht immer ein Fortbildungstag für In einem anderen Zimmer werden gezeich- die Erzieher*innen, hier im DFF. Dann führen nete Bilder zum Märchen Sterntaler an die wir Gespräche in den Kitas.“ 8
Schließlich dürfen die Kinder an sieben Ter- dys und Fernseher stattfinden.“ Anhand von ihnen „ihr Museum“ zeigen. Das Projekt ist minen für je zwei Stunden ins DFF kom- haptischen Erfahrungen mit Filmstreifen und nun in eine neue Phase eingetreten, erhält men. Zunächst wird das moderne Haus am Projektoren könne die analoge Seite des Film- erneut Fördergeld von der Robert Bosch Stif- Mainufer erkundet, in der Dauerausstellung schaffens erfahren werden. Christine Kopf tung und jetzt auch von der Kulturstiftung können Dinge wie eine Camera Obscura und weiter: „Uns geht es auch darum, die Wahr- des Bundes. Nun soll der Minifilmclub „hin- historische Filmprojektoren bestaunt werden nehmung der Kinder zu schärfen und ihnen aus in die Welt“, wie Christine Kopf sagt. – sowie natürlich der Kinosaal. „Es ist uns zu zeigen, dass Film Kunst ist. Dass es da Minifilmclubs soll es künftig auch in ande- wichtig, dass die Kinder sich das Haus erlau- eine große Bandbreite gibt und dass die Dis- ren Städten geben, dafür werden Kooperati- fen und aneignen“, sagt Hannah Schreier. ney-Ästhetik nur eine unter vielen ist.“ Betti- onspartner gesucht. na Marsden ergänzt: „Die Kinder nehmen die Dann beginnt eine besondere Gruppenar- Experimentalfilme sehr gut an, sie können da Erste Ableger gibt es bereits. So ist das Film- beit. Aus einer Auswahl von Experimentalfil- tatsächlich mit ihrer Lebenswelt andocken.“ museum Potsdam eine Kooperation mit einer men wird einer ausgewählt, den die Kinder Sie nennt ein Beispiel: „Als wir einmal ‚Virtuos dortigen Kita eingegangen. In Berlin arbeitet ansehen – danach werden sie selbst kreativ. Virtuell‘ gesehen haben und der schwarze das Arsenal-Institut für Film und Videokunst Einer dieser Experimentalfilme ist der Strei- Tuschepunkt wurde immer kleiner, sagte ein mit der Kita Regenbogenkidz zusammen. fen „Rainbow Dance“ von Ken Lye. In dem Mädchen: ‚Jetzt stirbt meine Oma‘. Das war Und die werden die Kinder der Frankfurter britischen Kurzfilm von 1936 geht es um dann Ausgangspunkt für eine Diskussion um Kita Grüne Soße bald kennenlernen kön- Farben, Bewegung und Tanz. In einem Raum die großen Themen Leben und Tod.“ nen. Denn im Rahmen des Minifilmclub-Pro- des DFF wird dann ein eigenes Filmstu- jekts steht in diesem Frühjahr eine Reise dio aufgebaut, in dem die Kinder zu den Minifilmclubs soll es künftig auch in nach Berlin an. Zweimal wird übernach- Jazz-Klängen des Films tanzen und mit Licht- anderen Städten geben tet, damit die Kinder neben dem Arsenal- effekten experimentieren können. Ein ande- Institut auch noch weitere Sehenswürdig- rer Film aus dieser Auswahl ist „Virtuos Nicht zuletzt geht es beim Projekt Minifilm- keiten kennenlernen können. Alle freuen Virtuell“. In dem deutschen Animationsfilm club auch darum, einen Bezug zur Institu- sich schon sehr darauf, die Hauptstadt ken- von 2013 von Maja Oschmann und Thomas tion Museum herzustellen. Teil eines jeden nenzulernen. Der fantasievollen Beschäfti- Stellmach wird schwarze Tusche auf weißem Minifilmclubs ist ein großes Abschlussfest gung mit abstrakten Kurzfilmen haben die Papier zum Leben erweckt, dazu erklingt am DFF und auch ein Elternabend im Muse- Kinder nun ein neues, ganz reales Abenteu- Orchestermusik. Britta Yook: „Die Kinder um. Zudem erhält jedes Kind, das teil- er zu verdanken. tuschen dann ebenfalls zu Musik und wir nimmt, eine Clubkarte. Damit verbunden schauen, wie daraus etwas entsteht.“ ist freier Eintritt – der lebenslang gilt. Die INFO Macher wollen auf diese Weise Kinder und Warum sollen sich Kinder überhaupt mit auch Erwachsene aus Familien erreichen, Kinos oder Kitas, die an dem Projekt interessiert dem Thema Film beschäftigen? Dazu Chris- die sonst selten oder nie den Weg in der- sind, können sich wenden an: DFF – Deutsches tine Kopf, Leiterin des Bereiches Filmbildung artige Einrichtungen finden. Christine Kopf: Filminstitut & Filmmuseum, Schaumannkai 41, und -vermittlung am DFF: „Bewegtbilder sind „Es nehmen auch Kitas aus Stadtteilen mit 60596 Frankfurt a.M., Tel. 069/961 22 02 20. ohnehin Teil des Lebens der Kinder. Wir kön- verdichteten Problemlagen teil.“ Die Kinder nen den Digital Natives die Prozesse sichtbar seien beim Abschlussfest so etwas wie die machen, die hinter den Gehäusen der Han- Führer, die ihre Eltern an die Hand nehmen, WWW.DFF.FILM 9
S C H W E R P U N KT Wie Theaterarbeit den Kita-Alltag umwerfen soll D Studierende aus Zürich und angehende ie Turnkästen, Spielgeräte und Matten hat Kaja Mumme bereits vor Beginn der Einheit in der Turnhalle der Kin- Erzieher*innen aus Hamburg arbeiten in dertagesstätte Flohkiste aufgebaut. Auf dem Stunden- einem Pilotprojekt zusammen plan der angehenden Erzieherin steht heute Kulturelle Frühbildung, daher der Aufbau. Das „Bühnenbild“ soll TEXT: SEBASTIAN KNORR gleich von den ein- bis dreijährigen Kindern der Blau- en Gruppe in Beschlag genommen werden: eine Berg-und-Tal-Landschaft mit Rutsche, Hügeln, Treppen und Bergen. Theater mit Krippenkindern. Im Oktober vergangenen Jahres hat Mumme, die derzeit an der Fachschu- le für Sozialpädagogik – Fröbelseminar – zur Erzieherin ausgebildet wird, gemeinsam mit neun Mitschüler*innen an der Zürcher Hochschule der Künste hospitiert. Am dortigen Fachbereich Theaterpädagogik sammelten sie eine Woche lang künstlerischen Input für die Arbeit mit Kindern im Krippen- und Elementarbereich. Und lernten dabei zunächst einen ganz neuen Blick auf die darstellende Kunst: „Theater bedeutet nicht nur, auf der Bühne zu stehen und einen gelernten Text aufzusagen“, fasst Mumme zusammen. 10
Für die Krippenkinder bedeutet das heute freies Spiel zwischen Berg und nach dem Prinzip der Immersion“, sagt Mette, „Englisch wird nicht am Tal. Sie klettern, untersuchen und befassen sich mit den ungewöhnlichen Tisch gelernt, sondern durch den Kontakt zu einer Person, die nur diese Aufbauten. Mumme passt auf, dass keiner sich verletzt. Und sie beobach- Sprache spricht.“ Ähnlich sei es mit der Musik und jetzt mit dem Thea- tet die Interaktionen. Etwa, als einer der Jungen sich in einer der Kisten ter. Die Leitidee erklärt sie so: „Ich beobachte die Kinder bei dem, was verschanzt und den Raum aus einer anderen Perspektive wahrnimmt. sie tun, biete mich an mit dem, was ich kann und entwickle mit den Kin- „Wir verstehen Theater nicht als ein Genre, das erlernt werden muss“, dern zusammen weiter.“ sagt Mira Sack, Professorin für Theaterpädagogik an der Zürcher Hoch- schule. Viel mehr gehe es um ein „praktisches Philosophieren“ über den Damit aus dem Spiel ein ästhetisches Spiel wird, braucht es für Theater- Körper, den Raum und das Zusammenspiel. Ein solcher Suchprozess dürfe wissenschaftlerin Sack mehrere Grundbedingungen: Die Notwendigkeit auch ganz weit vom klassischen Schauspiel weg sein. des Spiels, das Zulassen eines Nichtwissens und der Kommunikation. Es gehe nicht darum, nur zu spielen, sagt die Pädagogin Kristina Calvert, Neben der Schweizer Kunsthochschule, der Hamburger Fachschule und sondern darum, über das Spiel auch nachzudenken. „Das ist wie eine der Stiftung Kindergärten Finkenau, die unter anderem die Flohkiste in Probe, bei der man scheitern darf.“ der Weidestraße betreibt, gehören auch die Lola Rogge Schule, Kamp- nagel, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften und die Gabriele Seit Oktober und noch bis zum Sommer besuchen die Schweizer Studie- Fink Stiftung zu dem Bündnis für frühkindliche Kulturelle Bildung. Die Ini- renden die Hamburger Erzieher*innen regelmäßig, reden, beraten und tiative hat sich den Namen „Kollektiv Umordnung“ gegeben. Damit wol- sammeln eigene Eindrücke. Nach den Ferien ist eine Intensivwoche ge- len die Partner darauf aufmerksam machen, dass im Prinzip alles schon plant. Die Projekte sollen dann in einer Werkschau zunächst den Eltern da ist, nur anders gedacht werden muss. präsentiert werden und Ende Januar 2020 innerhalb einer Präsentation auch auf Kampnagel zu sehen sein. Die Projekte werden 2020 auf Kampnagel präsentiert Am Ende sollen bei dem Projekt auch ästhetisch-kulturelle Module ent- Die Idee zum Kollektiv geht auf eine Veranstaltung zum Thema Schulab- wickelt werden, die sich in die Erzieher*innenausbildung integrieren stinenz zurück. „Ein Phänomen, das allerspätestens in Klasse sechs auf- lassen. Unterstützung dafür gibt es von der Hamburger Schulbehör- taucht“, sagt Kristina Calvert, die als promovierte Pädagogin zum Thema de: „Ästhetische Bildung sollte ein Bestandteil der Bildung für alle in Philosophieren mit Kindern arbeitet. Als Ursache für die Schulflucht wurde der frühen Kindheit sein. Dafür brauchen wir entsprechend geschulte dort unter anderem über Erfahrungen in der frühen Kindheit gesprochen. Fachkräfte, die wir in den Berufsschulen ausbilden“, sagt Staatsrat Rai- Calvert: „Wenn keine Beziehungsgestaltung stattgefunden hat, wenn das ner Schulz. Kind nicht selbstwirksam diese Grunderfahrung gemacht hat, dass es etwas in dieser Welt bewirken kann, ist das schwer später einzuholen.“ „Bei dem Theater mit Kindern geht es nicht um Stücke, bei denen Eltern zuschauen“, sagt Kapi Kapinga Grab, die in Zürich Theaterpädago- Gemeinsam mit Petra Kochen, Vorsitzende der Gabriele Fink Stiftung, gik studiert. Sie sitzt in der Turnhalle und beobachtet gemeinsam mit habe sie beschlossen, dass gerade hier Kulturelle Bildung mit ihrer Kaja Mumme die Kinder: „Wenn Eltern dabei sind, dann wäre es unbe- Selbstkompetenzförderung helfen könne. Das war im Sommer 2018. dingt eine Begegnung.“ Was ihr durch den Kopf geht, wenn sie die Kin- „Dann haben wir uns Stück für Stück entwickelt, Partner kontaktiert und der beobachtet? „Tausend Dinge“, sagt Grab und lacht: „Die Stimmen, schnell gemerkt, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben“, sagt Cal- Körper, Ausdruck. Wir müssen jetzt gemeinsam schauen, wo das Ästhe- vert. Es sei dann eigentlich recht schnell darum gegangen, zehn Prakti- tische liegt, das jetzt noch dazu kommen soll.“ Mumme hat da schon eine kant*innen zu finden, sagt Uta Mette, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Idee, die sie aus Zürich mitgebracht hat und in ihrer Kita ausprobieren Kindergärten Finkenau. Das Projekt passe für sie gut ins Konzept der möchte: „Ich will etwas mit Sand und Licht machen, vielleicht gebe ich Einrichtungen. „Wir arbeiten auch bei der frühkindlichen Sprachförderung den Kindern auch Taschenlampen in die Hand.“ 11
Ein Leuchtturm in Lurup Z wischen den Hochhäu- sern am Lüdersring in Lurup leuchtet es bunt. Farbenfro- he Mosaike schmücken den Eingangsbereich der Kita Moorwisch und eine Tele- fonzelle, die als Schaufenster einer Spiel- zeug-Tauschbörse dient, zieht im Vorgarten die Blicke auf sich. Es herrscht reges Trei- ben, Kinder spielen, Eltern treffen sich. Ganz normaler Alltag in einem Teil des Bildungs- hauses Lurup, einem Leuchtturmprojekt in der Hamburger Bildungslandschaft, zu dem auch die nebenan gelegene Grundschule Langbargheide gehört. Die Idee des Bildungshauses leuchtet sofort ein, doch erstaunlicherweise ist das Konzept bislang einzigartig, zumindest in Hamburg. Jedes Kind kann von der Krippe bis zum Ende der Grundschulzeit in einer Einrichtung nach seinen Bedürfnissen lernen und wach- sen. Die Eltern werden aktiv einbezogen und auch sozialräumliche Partner wie das Stadt- teilkulturzentrum, der Nachbarschaftstreff, Vereine und Beratungsstellen sind entweder direkt am Bildungshaus angedockt oder eng mit ihm vernetzt. Als Ulrike Kloiber 2006 die Leitung der Kita Moorwisch in Lurup übernahm, fand sie, aus Hessen kommend, das Hamburger Wahl- Das Bildungshaus zeigt, wie erfolgreich modell für das Vorschuljahr nicht überzeu- Kooperation sein kann gend. „Viele Eltern sind verunsichert, ob das eigene Kind besser noch ein Jahr in der Kita TEXT: CHRISTINE WEISER aufgehoben ist oder ob die Vorbereitung 12
auf den Schulalltag eher in der Vorschule Hause auf –, bietet die Grundschule recht- anderem 2018 den Senator-Neumann-Preis gelingt, die die Grundschule anbietet.“ Ulri- zeitig vor Schulbeginn Förderung an, bei der Stadt Hamburg. Zudem steht das ke Kloiber ist der Meinung, institutionelle Bedarf auch für die ganze Familie. Bildungshaus zum zweiten Mal in Folge in Interessen dürfen keine Rolle spielen, wenn der Finalrunde des Deutschen Kitapreises es um die bestmögliche Förderung von Kin- Wie individuell und detailliert die Beobacht- (siehe Infokasten), der am 13. Mai in Berlin dern geht. Im Klartext: Für Konkurrenzden- ung der Kinder im Schulalltag ist, macht verliehen wird. ken zwischen Kita und Schule ist kein Platz. ein Blick auf die kleinen Lernziele deut- lich, die an den Arbeitsplätzen von Erst- In Lurup spielt das Bildungshaus längst eine Ein gemeinsames Vorschulkonzept musste und Zweitklässlern kleben. Auf Janas Zet- wesentliche Rolle im Stadtteilgeschehen. her, das sich an den Bedürfnissen der Kin- tel steht: „Ich übe lesen und halte Ord- Freizeit-, Kultur- und Bildungsangebote für der orientiert, sie stärkt und fit macht für die nung.“ Ryan soll an der Straße besser auf- alle Altersgruppen und Anwohner*innen Herausforderungen des Lebens. Das gelang passen, ob ein Auto kommt und seinen finden dort statt, Beratungsstellen bieten mit Annette Berg, Leiterin der Grundschu- Namen schreiben üben. Furkan soll lang- Sprechstunden an, Vereine und Institutionen le Langbargheide. In ihr fand Ulrike Kloi- samer arbeiten und aufpassen. vernetzen sich für gemeinsame Projekte wie ber eine engagierte Kooperationspartnerin das Musikfestival „Rock am Lüdersring“. Für für Projekte über den Tellerrand der eige- Das Bildungshaus ist im Stadtteilleben das ganze Viertel gilt: Von der Kooperation nen Institution hinaus. Und so feierten die ein wichtiger Partner profitieren alle. Kita in Trägerschaft der Evangelischen Stif- tung Alsterdorf und die staatliche Grund- „Schule muss kindfähig sein, nicht anders- schule 2007 eine symbolische Bildungshaus- herum“, sagt Ulrike Kloiber. Um jedem Kind hochzeit, „mit Frack, Zylinder und allem was dazugehört“, sagt Ulrike Kloiber. gerecht zu werden, bedeutet das für die pädagogischen Fachkräfte, die Abläufe und INFO Aufgabenbereiche zwischen den Institutio- Die Leitidee des Bildungshauses ist: Das nen eng zu verzahnen. Jede*r soll an jeder Der Kita-Preis wurde 2018 initiiert vom Bun- Kind steht im Mittelpunkt. Und zwar jedes Stelle den Kindern Hilfestellung geben kön- desministeriums für Familie, Senioren, Frauen einzelne. Für jedes Kind, das die Einrichtung nen. Das erfordert neben viel Engagement und Jugend und der Deutschen Kinder- und besucht, erstellen die pädagogischen Fach- und der Überzeugung, das Richtige zu tun, Jugendstiftung in Partnerschaft mit der Heinz kräfte einen individuellen Entwicklungsplan. eine gute Struktur, viel Kommunikation und und Heide Dürr Stiftung, der Karg-Stiftung, der „Die Schule kennt die Kinder schon, bevor Organisation. Aber die Anstrengung lohne Zeitschrift ELTERN, dem Didacta-Verband und sie kommen“, sagt Ulrike Kloiber und erläu- sich für alle Beteiligten. „Schulabstinenz ist der Deutschen Weihnachtslotterie. Ausgezeich- tert: „Es gibt in der Kita zweimal jähr- hier kein Thema mehr und unsere Jugendli- net werden in diesem Jahr jeweils fünf Kitas und lich Elternsprechtage, an denen die Eltern chen machen später mehr mittlere Abschlüs- fünf „lokale Bündnisse für frühe Bildung“. Der genau über den Entwicklungsstand der Kin- se. Die Zahl der ersten Bildungsabschlüs- Preis ist insgesamt mit 130.000 Euro dotiert. der informiert werden.“ Gibt es zum Beispiel se ist zurückgegangen“, sagt Ulrike Kloiber. Sprachdefizite – in Lurup wächst der Groß- Für seine erfolgreiche Arbeit erhielt das teil der Kinder mit mehr als einer Sprache zu Bildungshaus bereits mehrere Preise, unter WWW.KITA-MOORWISCH.DE 13
Die Strippenzieherin Henriette von Enckevort ist Hamburgs Hauptansprechpartnerin für Kinder- und Jugendkultur TEXT: LUTZ WENDLER 14
H enriette von Enckevort, besser bekannt als „Jette“, lernt kultur sowie Stadtkultur Hamburg e. V. ebenso wichtig wie Schnittstellen, seit 2018 ihre Heimatstadt neu kennen. Wegweiser auf Themenkommissionen oder der Landesrat für Stadtteilkultur. Alle Beteili- ihren Erkundungsfahrten ist die Hamburger Kinder- und gten sollten zum Nutzen des Ganzen nicht übereinander, sondern mitei- Jugendkultur. Deren weit gespanntes Netz sorgt dafür, nander reden.“ Frömming sei in seinem Amt dabei Hauptansprechpartner dass die neue Fachreferentin für Stadtteilkultur und Kul- geworden und eine Art Vordenker sinnvoller Vernetzung. turelle Bildung in der Behörde für Kultur und Medien ordentlich herumkommt und die Vielfalt der Stadt entdeckt – mehr Ham- Ein Rahmen, an dem sich von Enckevort orientieren kann, ist also vorgege- burg geht nicht. ben, doch wie schon bei Frömming werden Inhalte auch von ihr immer wie- der neu gestaltet werden müssen – denn Erreichtes ist in der Kinder- und Am 1. November hat Jette von Enckevort die Nachfolge von Werner Fröm- Jugendkultur nicht notwendigerweise von Dauer. Wenn sich zum Beispiel ming angetreten, doch schon vorher besuchte sie viele Akteur*innen in zeitlich befristete Projekte bewähren, bedarf es anschließender Programme den Stadtteilen. „Ich finde es wichtig, Eindrücke vor Ort zu gewinnen, oder Helfer, die einspringen, wenn Fortsetzung erwünscht ist. „Sobald ein die Menschen dort kennenzulernen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, Baustein entfällt, muss das Mosaik neu zusammengesetzt werden“, sagt in welchen Kontexten sie arbeiten“, sagt von Enckevort, die auch künftig Jette von Enckevort. Einrichtungen besuchen will, die sie noch nicht kennt. Sie erzählt, dass der Etat für Kinder- und Jugendkulturprojekte und Insti- Jette von Enckevort ist 39 Jahre alt und gut vorbereitet auf ihre neue Auf- tutionen in ihrem Bereich rund eine Million Euro pro Jahr betrage. Ein gabe, die sie als „Wunschjob“ bezeichnet. Sie ist seit mehr als 15 Jah- Budget, das weitgehend fest verplant sei. Bewegungsfreiheit kann also ren kommunalpolitisch mit dem Thema Stadtteilentwicklung im Bezirk nur durch zusätzliche Initiativen gewonnen werden. Nützlich dafür ist Mitte vertraut. Ihr Jura-Studium hat sie 2011 mit dem Zweiten Staatsexa- Fantasie im Aufspüren von Fördermöglichkeiten, wie es etwa vor Jah- men abgeschlossen. Seit 2015 arbeitet sie als Verwaltungsjuristin bei der ren die Idee war, Kinder- und Jugendkulturprojekte über das Rahmenpro- Stadt, wo sie in der Ausbildungsphase auch für die Kultur tätig war: Unter gramm integrierte Stadtentwicklung (RISE) unterstützen zu lassen. Dauer- anderem betreute sie die Projekte China Time und India Week. haft aber gelte: „Wir brauchen Partner, um Strukturen zu verstetigen, die für Hamburg wichtig sind.“ Neben anderen Behörden und den Bezirken Die dreimonatige Einarbeitungszeit bei Amtsvorgänger Werner Frömming, sind das die Stiftungen der Stadt, die für Kinder- und Jugendkultur „sehr der am 31. Oktober pensioniert wurde, bezeichnet von Enckevort als „sehr wichtig“ seien. gute Startvoraussetzung, um in die komplexen Arbeitsbereiche eintau- chen zu können“. „Hamburgs Stadtteilkulturszene ist sehr vielseitig, das Es trifft sich gut, dass die Behörde für Kultur und Medien eine positive Fördersystem entsprechend kleinteilig“, sagt sie. Was die Sache kompli- Nachricht, die von Enckevorts Arbeitsbereich betrifft, zu ihrem Einstand ziert, aber auch reizvoll macht, sei die Vielzahl der in der Stadt verstreu- parat hat. Kultursenator Carsten Brosda verkündete vor Kurzem, dass der ten Akteure und die Einschätzung, welchen Wert das einzelne Projekt für Projektfonds Kultur & Schule gegründet worden sei. Schul- und Kultur- Menschen vor Ort hat. Herausfordernd sei aber auch die „Querschnitts- behörde statten das Programm für kulturelle Bildung mit 425.000 Euro aufgabe“: An Gestaltung und Finanzierung können mehrere Behörden pro Jahr aus. Sieben Stiftungen stocken die Summe im ersten Jahr um sowie die Bezirke beteiligt sein. Wie einfallsreich sich das entwickeln lässt, 100.000 Euro auf. hat Werner Frömming in seiner 17-jährigen Amtszeit demonstriert. Es ist eine schöne Pointe, dass Jette von Enckevort künstlerisch in Winterhu- „Er hat einen schönen Rahmen dafür gesetzt, wie die Förderung von Kin- de sozialisiert wurde. Ihren ersten Blockflötenunterricht erhielt sie im Stadt- der- und Jugendkultur sinnvoll wachsen und in der Stadt Wirkung erzielen teilkulturzentrum Goldbekhaus, zu dessen Mitgründern Werner Frömming kann“, sagt von Enckevort. Das alles sei kein theoretisches Konstrukt, son- zählte und dessen Geschäftsführer er jahrelang war. Passend ist auch von dern Frömming habe aus der Praxis die Nöte der Akteur*innen gekannt Enckevorts Engagement für Theater und Musik an der Heinrich-Hertz-Schu- und zudem gewusst, wie Verwaltung funktioniere. „Dementsprechend le. „Ich habe dort viel gelernt, wollte aber nicht auf der Bühne stehen, son- waren ihm Strukturen wie die Dachverbände der LAG Kinder- und Jugend- dern lieber dahinter organisieren.“ Passt ideal zum neuen Job. 15
S C H W E R P U N KT Tag ein neues Jeden r Abe nte u e en Kinder assa ge b estimm Augustenp In der ASB-Kita uf selbst ihren Tagesabla CHMANN TEXT: ARNE BA 16
W o die Schanzenstraße jetzt selbst. Für einige kann das ständige Ent- vollziehen und Öffnungsprozesse anstoßen“, auf das Schulterblatt scheiden auch ganz schön anstrengend sein, sagt Stefanie Ristau. Was von außen betrachtet trifft, befindet sich eine viele gehen aber total darin auf.“ so locker wirkt, erfordert allerdings ein hohes der lebhaftesten Ecken Maß an Organisation. „Wir haben im Hinter- der Sternschanze. Hier Die Bauecke mit einem Nassmal-Bereich oder grund alles sehr stark strukturiert. Dass das reihen sich Restaurants, das Atelier, in dem zum Beispiel Gegenstände nötig ist, war wohl die wichtigste Erkennt- Kneipen und Kunstläden aneinander und wie Plastikdeckel bereitliegen, dienen nicht nis, als wir uns für die Öffnung entschieden schon tagsüber bevölkern oftmals Studieren- bloß als Zeitvertreib für die Kinder, sondern haben. Damit die Kinder nicht orientierungs- de und Tourist*innen die Wege. Eine unschein- liefern den Pädagog*innen auch wertvolle los durch die Räume schwimmen, haben wir bare Einbahnstraße weiter endet die „Schan- Erkenntnisse. Stefanie Ristau, die Leiterin der Ankunftszeiten und machen mit Fotos sicht- ze“ und die Geräuschkulisse verändert sich Kita, sagt: „Wir bieten den Kindern zweck- bar, welcher Raum von welchem Erwachsenen abrupt. Tritt man aus dem Häuserdurchgang gebundene Materialien an, aber auch Dinge, betreut wird.“ Oberste Regel: Die Kinder müs- heraus, rauschen keine Autos mehr vorbei, mit denen sie selbst experimentieren können. sen sich immer an- und abmelden. „Wir sind stattdessen sind nun die Rufe der Kinder Daran sehen wir gut, wo sie in ihrer Entwick- mehr in Räumen und Regeln strukturiert, als in zu hören, die gerade durch den Garten der lung sind und können Anstöße geben.“ Für die Uhrzeiten“, sagt Ristau. Essenszeit ist zum Bei- Kindertagesstätte Augustenpassage toben. Kinder sei diese Form des Spielens ein „Anre- spiel zwischen 11 und 13 Uhr. „Manche Kinder gen des Denkens, auch des kreativen Den- kommen täglich zur selben Uhrzeit zum Essen, Hier ist eine der Werkstatt-Kitas des Arbei- kens.“ andere immer unterschiedlich. Dass Kinder ter-Samariter-Bundes (ASB) beheimatet. Sie überhaupt nichts essen, ist aber sehr selten.“ steht mit ihrem Konzept stellvertretend für Das Konzept ist eher in Regeln und viele Kitas innerhalb und außerhalb des ASB, Räumen strukturiert, als in Uhrzeiten Früher lag der Aufwand weniger in der Orga- die sich in den vergangenen Jahren eine neue nisation und Dokumentation im Hintergrund Struktur gegeben haben – auch zugunsten der 47 Kinder besuchen derzeit die Kita, 13 davon und mehr im Alltag. „Als es noch den struk- Kulturellen Bildung im frühkindlichen Alter. gehören zur Krippengruppe, wo der Fokus der turierteren Tagesablauf mit festen Zeiten gab, Erzieher*innen noch verstärkt auf Elternar- musste man die Kinder viel durch die Gegend Werkstatt-Prinzip und offener Tagesablauf, das beit, also Geborgenheit und Zuwendung, liegt. organisieren“, sagt Ristau. Begründet liegt das waren wohl die beiden einschneidendsten Ver- Die Kinder können sich im Rollenspielraum als neue Konzept freilich nicht im Arbeitsaufwand änderungen. Jeder Raum ist hier eine Werk- Baumeister*in, Künstler*in, Köch*in, Mutter, für die Erwachsenen, sondern in den Bedürf- statt und damit ein Angebot an die Kinder der Vater oder Naturwissenschaftler*in versuchen nissen der Kinder. Ristau: „Wenn es jeden Tag Elementargruppe, also an Mädchen und Jun- und gehen fast täglich in den Garten oder als zu einer bestimmten Uhrzeit einen Morgenkreis gen ab drei Jahren. Sie können basteln, malen Gruppe auf einen nahegelegenen Spielplatz. gibt und um 12 Uhr das Mittagessen, wird man oder musizieren. Die älteren Kinder werden im Brückenjahr vor einfach vielen Kindern nicht gerecht.“ allem beim selbständigen Arbeiten mit Mate- Jede Werkstatt wird von einer pädagogischen rialien der Buchstaben- und Zahlenwerkstatt, Fachkraft betreut. Einer von ihnen ist Max. Zu sowie der Forscherecke und in gemeinsamen INFO Beginn seiner Ausbildung absolvierte er ein Projekten begleitet und sanft auf den Schul- Praktikum in der Kita Augustenpassage, vor alltag vorbereitet. ASB-Kita Augustenpassage, Augusenpassage 8, einem Jahr ist er als Erzieher zurückgekehrt Telefon 040/430 38 16. und kennt deshalb auch das frühere Konzept. Nicht nur an der Augustenpassage hat sich in Den offenen Tagesablauf empfindet er als „viel den vergangenen Jahren viel verändert. „Ich positiver“. Die Kinder strukturieren ihren Tag glaube, dass viele Kitas gerade einen Wandel WWW.ASB-HAMBURG.DE 17
M O D E L L E F Ü R K U LT U R A N S C H U L E Festivalatmosphäre auf dem Schulgelände Das Gymnasium Lerchenfeld plant für Juni erstmals eine Kulturwoche TEXT: CHRISTINE WEISER 18
M O D E L L E F Ü R K U LT U R A N S C H U L E M it Tradition kennt sich die Schulgemeinschaft am Gym- shop und eine Werkstatt, in der Figuren fürs Puppentheater gebaut wur- nasium Lerchenfeld aus. Die 1910 gegründete Ober- den. Es gehe bei dem zusätzlichen Angebot darum, „die Schüler*innen an schule für Mädchen war eine der ersten staatlichen Bil- anderen Punkten zu packen, als es der Fachunterricht kann“, so Lafon. dungseinrichtungen Hamburgs, an denen junge Frauen Henrike Petter, seit 2018 Fachleiterin im Bereich Musik sagt: „Es ist wich- ihr Abitur ablegen konnten. Inzwischen beherbergt der tig, dass Kinder verschiedener Jahrgänge gemeinsam ästhetische Erfah- rote Klinkerbau auf der Uhlenhorst eine moderne bilinguale Ganztags- rungen machen.“ schule, an der seit 1970 auch Jungen unterrichtet werden. Ein weiterer Anspruch des Kulturteams ist es, Synergien im Schulalltag Der Tradition ständiger Weiterentwicklung verpflichtet, aber selbst noch zu nutzen. Anknüpfungspunkte werden nicht nur zwischen den künstle- relativ jung ist das Konzept für Kulturelle Bildung der Schule. Vor drei risch-ästhetischen Fächern gesucht, sondern auch themenbezogen und Jahren ist das sogenannte Kulturprogramm gestartet, das die verschiede- fächerübergreifend. Henrike Petter nennt ein Beispiel. Als die 8. Klas- nen Aktivitäten, Veranstaltungen und Angebote zur Kulturellen Bildung sen im vergangenen Jahr ihre Präsentation zum Thema „Wasser“ auf bündelt. Es bereichert ein ohnehin bunt gemischtes, aktives Schulleben. die Bühne brachten, beteiligte sich das 2016 gegründete Technik-Team. Unter anderem gibt es eine Streicherklasse, ein Orchester, einen Chor, des- Die Jugendlichen kümmerten sich aber nicht nur um Licht und Ton, son- sen Mitgliederzahl innerhalb von zwei Jahren von acht auf 45 anwuchs, dern halfen auch bei der Inszenierung mit. Damit die Klangschalen auch individuelle Bandarbeit und weitere Aktivitäten. Zudem organisiert die optisch richtig zur Geltung kamen, bauten die jungen Techniker*innen Schüler*innenvertretung in Eigenregie eine Talentshow. eigens spezielle Kästen, die die Schalen von unten beleuchteten. Die konkrete Ausgestaltung des Programms obliegt dem Kulturteam um Für dieses Jahr ist eine Neuerung im Kulturprogramm geplant: Erstmals Sascha Lafon. Der Kulturbeauftragte, der Deutsch, Geschichte und Poli- wird eine Kulturwoche veranstaltet. Im Juni, kurz vor der Vergabe der Abi- tik unterrichtet und Klassenlehrer einer sechsten Klasse ist, entwickelt turzeugnisse, soll von Montag bis Donnerstag den Künsten Raum gege- gemeinsam mit den Fachleiter*innen der künstlerischen Fächer jeweils ben werden. Sascha Lafon und Henrike Petter wünschen sich Festivalat- einen Fahrplan für das Schuljahr. „Unser Kulturbegriff ist weit gefasst“, mosphäre auf dem Schulgelände, wenn Schüler*innen in Theaterauffüh- sagt Sascha Lafon. Wer einen Blick auf die Themenvielfalt der Workshops rungen, Präsentationen und Konzerten ihr Können zeigen. Das Format soll wirft, erkennt schnell, was er meint. zudem die Vielfalt und Zahl der künstlerischen Projekte deutlich machen. Mit der Resonanz auf das Kulturprogramm sind die Organisierenden Das Kulturteam nutzt Synergien im Schulalltag zufrieden. Und auf die Rückmeldungen der Jugendlichen wird Rücksicht genommen und reagiert. Bis zu achtmal im Schuljahr werden die Workshops jahrgangsübergreifend angeboten. Wichtig sei dem Organisationsteam, dass den Schüler*in- nen Profis gegenüberstehen, die Einblicke in ihr Spezialgebiet gewähren. Zum Beispiel ins Kreative Schreiben. „Das hat unseren Teilnehmenden die Autorin Leona Stahlmann nahe gebracht, die 2017 den Förderpreis für Literatur erhielt“, sagt Sascha Lafon. Die Schüler*innen konnten Fragen zum Arbeitsalltag einer Schriftstellerin stellen und haben Tipps bekom- INFO men, wie sie bei einer akuten Schreibblockade ihrer Kreativität auf die Sprünge helfen können. Gymnasium Lerchenfeld, Lerchenfeld 10, Telefon 040/42 88 84 70. Ein anderer Workshop führte die Gymnasiast*innen in die Politik-Redakti- on der ZEIT. Aber auch ein Kochkursus wurde angeboten, ein Foto-Work- WWW.GYLE.DE 19
Gleiche Chancen für alle A melie, Kristin und Leon – drei junge Menschen, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in unterschiedlichen Kultureinrichtungen ver- bringen. Und noch ein paar Dinge verbinden die Drei: Sie sind wie fast alle der ins- gesamt rund 65 Hamburger Freiwillige zwischen 16 und 23 Jahre weiß, haben Abitur und bekommen in den meisten Fällen Unterstützung von ihren Familien. Die Drei sind das, was man als die klassi- Jede*r soll ein Freiwilliges schen Freiwilligen im Bereich Kultur bezeich- nen kann. Und obwohl Amelie sagt: „Das FSJ Soziales Jahr in der Kultur ist eine große Chance, die jeder nutzen können machen können. Deshalb sollte und für die man nicht unbedingt Abitur braucht“, spricht die Realität eben doch eine gibt es jetzt gezielte andere Sprache. Maßnahmen Die Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und TEXT: CHRISTIANE TAUER Jugendkultur (LAG) als Träger des FSJ Kultur in Hamburg möchte das schon seit einiger Zeit ändern. Sie will, dass sich verstärkt Jugendliche und junge Erwachsene aus allen Teilen der Gesellschaft für das Freiwilligenjahr bewer- 20
ben. Oder direkter formuliert: Dass auch Men- rend ihres einjährigen Einsatzes 350 Euro hier auch selbst gestalten, egal, welchen sozi- schen mit internationaler Geschichte, People of Taschengeld. Die Sozialversicherung wird alen Hintergrund ihr habt. „Auch an Schulen Color, ohne Abitur, aus einem sozial schlechter gezahlt, und das Kindergeld läuft ebenfalls wollen wir verstärkt für das FSJ Kultur werben, gestellten Umfeld oder Jugendliche, die andere weiter. In teuren Großstädten wie Hamburg in erster Linie dort, wo bereits ein spezieller Zugangsbarrieren erfahren, die Chance bekom- bleibt finanziell dennoch eine Lücke, die mit Fokus auf Kultur vorhanden ist“, sagt Rebek- men, sich für Theater, Museum und Co. zu dem Geld aus dem Sozialfonds gefüllt werden ka Leibbrand. Zudem könnte sie sich Ein-Ta- engagieren. Dabei ist allen klar, dass sich das soll. Zudem wird das Taschengeld in den kom- ges-Hospitationen von potenziellen Interessier- nicht von alleine regelt. menden Jahren schrittweise erhöht. ten in Kultureinrichtungen vorstellen. Man könnte nun fragen, was überhaupt das Künftig soll stärker an Schulen für das Die LAG ist sich bewusst, dass dabei auch ein Problem an diesem homogenen Bild ist. Offen- FSJ Kultur geworben werden verstärkter Dialog mit den Einrichtungen selbst sichtlich hat sich ja niemand bisher daran unerlässlich ist. „Wir wissen, dass der Begleit- gestört. Rebekka Leibbrand und Robert Pasch- Darüber hinaus gibt es unter anderem seit eini- aufwand bei den Freiwilligen schon jetzt hoch mann sehen das etwas anders. Die beiden ger Zeit ein anonymisiertes Anmeldeverfahren ist. Mit der erweiterten Zielgruppe könnte er arbeiten bei der LAG als pädagogisches Team und eine Roadmap „Inklusion“ des Trägerver- noch höher werden“, räumt Rebekka Leib- für das FSJ Kultur und stellen einen größeren bunds, da sich nicht nur die LAG Hamburg für brand ein. Es sei deshalb notwendig, auch Zusammenhang her. „Kunst und Kultur sind mehr Diversität einsetzt, sondern dies bundes- niedrigschwelligere Einsatzplätze zu schaffen, wichtige Bestandteile unserer Gesellschaft und weit geschieht. Ganz aktuell gibt es in Ham- damit es nicht von Beginn an zu Frustrationen werden derzeit in den großen Kultureinrichtun- burg den Versuch, zwei Freiwillige mit Asper- auf beiden Seiten kommt. Ob das Bemühen gen fast ausschließlich von weißen Menschen ger-Syndrom in Kultureinrichtungen einzuset- am Ende Früchte trägt, wird sich zeigen. „Wir gestaltet“, sagt Robert Paschmann. Wenn man zen. Rebekka Leibbrand gibt jedoch ehrlich zu: müssen einfach irgendwo anfangen. Verän- aber die Gesellschaft transformieren wolle in „Das Bestreben nach mehr Diversität bleibt ein derungen gelingen oftmals eben nur in vielen eine Gesellschaft, die nicht ausgrenzt, sollte Kraftakt.“ Die Hände in den Schoß zu legen, kleinen Schritten“, sagt Rebekka Leibbrand. man auch alles daran setzen, das FSJ Kultur wäre aber keine Alternative. Stattdessen setzt für andere Gruppen zu öffnen, findet er. „Der die LAG auf Vernetzung und stärkeren Aus- bisherige Zustand bildet einfach nicht die Viel- falt in unserer Gesellschaft ab“, fasst Rebekka tausch mit den Akteur*innen, zu denen neben den Kultureinrichtungen auch Stadtteilschulen INFO Leibbrand zusammen. und Anbieter zur Berufsvorbereitung sowie die aktuellen Freiwilligen gehören. Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten, die Auf mehreren Wegen versucht die LAG bereits, bisher unterrepräsentiert sind und sich für Kunst für mehr Diversität im FSJ Kultur zu sorgen. Weitere konkrete Schritte sind bereits in Pla- und Kultur begeistern, können sich gern an das Sie richtet einen Sozialfonds ein, aus dem nung. So möchte die LAG gemeinsam mit FSJK-Team der LAG wenden: per Telefon 040/524 Jugendliche bezuschusst werden können, die Freiwilligen in kulturelle Bildungseinrichtun- 78 97 97, per Mail an info@fsjk-hamburg.de. sich ein FSJ Kultur sonst nicht leisten können, gen gehen und die Jugendlichen, die dort die oder Assistenzbedarfe finanziert werden kön- Angebote nutzen und bei denen man davon nen, für die es im FSJ bisher keine staatlichen ausgehen kann, dass sie sich sehr für Kultur SPENDEN FÜR DEN SOZIALFONDS: Leistungen gibt. In diesen Fonds können alle interessieren, ganz gezielt über ein FSJ Kultur einzahlen, die das Anliegen unterstützen informieren. Nach dem Motto: Ihr könnt nicht WWW.BETTERPLACE.ORG/DE/ möchten. Bisher erhalten die Freiwilligen wäh- nur als Teilnehmende mitmachen, ihr könnt PROJECTS/68461 21
KRITIK W ie aus einem kleinen Juckreiz schließlich ein großer Meister Petz Bär wird, können etwa 40 Kinder ab vier Jahren im Haus Flachsland gut verfolgen. Denn die Bühne, um die herum alle sitzen, wird kurzerhand zur Leinwand. Darauf zu sehen sind computeranimierte tanzende sucht Antworten Striche, erst kleine, dann immer mehr und immer größere. Noch mehr Aufmerksamkeit als die Trickfilmsequenz erntet jedoch der Bär bei seinem Auftritt. Die Kinder sind kaum zu bremsen. Alle wollen das flauschige Fell streicheln, die Bärentatzen schütteln. Schauspielerin Lisa Tschanz gelingt es trotz des Ganzkörperkostüms mühelos, auf die Kinder einzugehen, ohne den Faden zu verlieren. Das Puppentheaterstück „Der Bär, der nicht da war“ von Regisseurin Cora Sachs basiert auf dem gleichnamigen Kinderbuch von Oren Lavie, das von Harry Rowohlt ins Deutsche übersetzt wurde. Es erzählt keine klas- sisch lineare Geschichte, sondern verhandelt Fragen von philosophischem Format. „Wo komme ich her?“ fragt der Bär, „Wer bin ich?“ oder „Wach- sen die Blumen auch, wenn ich nicht hinschaue?“ Der Ansatz ist originell und unterhält auch begleitende Erwachsene. Immer wieder begegnet der Bär auf seiner Suche nach Antworten anderen Figuren, darunter einem Frosch, einer Schildkröte, die Taxi fährt, und einem sehr korrekten Pinguin. Diejenigen unter den jungen Zuschauern, die den Bär aus dem Bilder- buch wiedererkennen, können der Handlung auf der Bühne leichter fol- gen. Etwa, wenn der Bär herausfinden will, ob er er ist. Für diejenigen, die der Geschichte zum ersten Mal begegnen, lohnt sich nach dem Thea- terbesuch ein gemeinsamer Blick ins Bilderbuch. Er kann Ausgangspunkt sein für spannende Dialoge über die verschiedenen Arten von Stille, die Schönheit von Zahlen und andere große Fragen des Lebens. Im Haus Flachsland wird das Puppentheaterstück „Der Bär, der INFO nicht da war“ gezeigt „Der Bär, der nicht da war“ wird das nächste Mal im Februar 2020 im Haus Flachsland gespielt. Weitere Produktionen von Cora Sachs im Netz. TEXT: CHRISTINE WEISER WWW.CORASACHS.COM 22
MELDUNGEN jedes Jahr ein anderes Genre im Mittel- lerische Angebote an den Fachunterricht punkt stehen. Zum Start heißt es: „Literatur anknüpfen? Wer sich Fragen wie diese stellt, bewegt“. Mögliche Bewerber sind alle Initia- erhält auf der Webseite kunstlabore.de tiven, die sich mit der Vermittlung von Lesen Antworten. Es werden Beispiele erfolgrei- und Büchern beschäftigen und Kindern und cher Projekte aus verschiedenen Kunst- Jugendlichen einen Zugang zur Welt der Lite- sparten vorgestellt. Diese liefen im Rah- ratur eröffnen. Die Bewerbungsfrist hat am men des Projekts „Kunstlabore“ zwischen 1. April begonnen und endet am 9. August 2015 und 2018 in verschiedenen Schulen 2019. Bewerbungen an die Stiftung Maritim Deutschlands. Es handelt sich um ein Pro- Hermann und Milena Ebel, Stichwort „KIJU- gramm der MUTIK gGmbH, gefördert von Alexander und Milena Ebel, Mitglieder der Jury Preis“, An der Alster 9, 20099 Hamburg. der Stiftung Mercator. Auf der Webseite WWW.STIFTUNGMARITIM.DE haben die Beteiligten ihr Wissen verdichtet und aufbereitet, es gibt Videos, Bildergale- rien, Texte, Arbeitsmaterial zum Download Neuer Projektfonds Kultur und Schule und vieles mehr. mit jährlich 460.000 Euro KUNSTLABORE.DE Seit Januar betreut die LAG Kinder- und Jugendkultur einen neuen Fonds in Ham- burg, aus dem Kooperationsvorhaben von Magazin zum Thema „Heimat – der Schule und Kultur gefördert werden. Es gibt rechte Begriff?“ keine Vorgaben hinsichtlich Sparte, For- Wo komme ich her? Wo gehöre ich hin – Stiftung vergibt erstmals den mat, Klassenstufe oder Inhalt. Zweimal jähr- oder zu wem? Wo bin ich willkommen? Um KIJU-Preis lich stehen im Frühjahr und im Herbst je Fragen wie diese geht es in der neuen Aus- Hamburg bekommt einen neuen Preis für 230.000 Euro Fördergeld zur Verfügung. gabe von „kubi“, dem Magazin für Kultu- Kinder- und Jugendkultur. Die Stiftung Mari- Über die Vergabe entscheidet eine Jury. relle Bildung der Bundesvereinigung Kul- tim Hermann und Milena Ebel vergibt im Die nächste Antragsfrist ist der 30. Sep- turelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ). November 2019 erstmals den mit insgesamt tember für alle Projekte, die noch im Schul- Kubi erscheint zweimal jährlich. Die aktuel- 12.000 Euro dotierten KIJU-Preis. Mit dem jahr 2019/2020 beginnen. Finanziert wird le Ausgabe widmet sich dem Begriff „Hei- Preisgeld sollen jedes Jahr drei Projekte mit der Fonds von der Behörde für Schule und mat“ und ist die erste, die in neuer Gestal- jeweils 4000 Euro gefördert werden. Die Stif- Berufsbildung, der Behörde für Kultur und tung erscheint. Behandelt wird die Frage der tung Maritim Hermann und Milena Ebel hat Medien sowie sieben Hamburger Stiftungen. Zugehörigkeit, etwa zu Menschen, Orten, von 2007 bis 2016 mit ihrem Programm „Kul- WWW.KULTURFONDS-HH.DE Geschichte(n) und kulturellen Praxen. Es ist tur bewegt“ rund 200 Projekte der Kinder- das, was manche „Heimat“ nennen. Andere und Jugendkultur gefördert. Das Programm wehren sich gegen den missbrauchten und wurde danach ausgesetzt, einzelne Grup- missverstandenen Begriff. 84 Seiten kosten pen, Institutionen und Projekte aber weiter Neue Plattform für kreative acht Euro, die Bestellung ist über die Web- direkt unterstützt. Mit dem KIJU-Preis star- Bildung in Schule seite der BKJ möglich. tet die Stiftung Maritim jetzt einen zusätzli- Was passiert, wenn freie Künstler*innen an WWW.BKJ.DE chen Förderungsansatz. Beim KIJU-Preis soll Schulen tätig werden? Wie können künst- 23
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