DUZ - Hochschulforum Digitalisierung
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MAGAZIN FÜR WISSENSCHAF T UND GESELLSCHAF T DUZ // AUSGABE 8.2020 // //aufschwung// aufschwung // ZK Z2320 JOBMOTOREN STUDENTS WANTED DUZ SPOTLIGHT Hochschulen helfen strukturschwachen Internationale Studierende machen Eine zukunftsorientierte Raumgestaltung Regionen auf die Sprünge derzeit einen Bogen um Australien für eine neue Lernkultur
DUZ SPOTLIGHT GUTE PRAXIS INTERNATIONAL Digitales Zeitalter – zukunftsorientierte Raumgestaltung für eine neue Lernkultur
44 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I EDITORIAL EDITORIAL Besonders die Erfahrungen während der Corona-Pandemie zeigen, wo Didaktik im Virtuellen an seine Grenzen stößt und wie wertvoll Präsenzzeiten insbesondere für Dialog- und Austauschformate sind. Trotz Einführung digitaler Lernplattformen oder Vorlesungen per Video werden Lernräume in Hochschulen auch in absehbarer Zukunft nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil: Sie gewinnen jetzt noch an Bedeutung und müssen Studierenden einen Mehrwert bieten, wenn sie an den Campus kommen. Foto: privat Lernraumgestaltung spielt an deutschen Hochschulen noch keine flächendeckende strategische Rolle. Doch seit einiger Zeit ist ein Umdenken spürbar. Vor allem Bibliotheken werden Anne Prill hat das vorliegende DUZ zu Lernzentren umgebaut beziehungsweise als Selbstlernorte Spotlight – Gute Praxis international ausgestattet. Noch mehr Aktualität und Dringlichkeit sollte das verfasst. Sie ist Projektmanagerin im Hochschulforum Digitalisierung beim Thema durch den digitalen Wandel gewinnen, der zunehmend gemeinnützigen CHE – Centrum für beeinflusst, wie gelernt wird. Alternative Lehransätze wie Hochschulentwicklung in Gütersloh. problembasiertes, forschendes oder projektorientiertes anne.prill@che.de Lernen sowie Forderungen nach mehr interdisziplinärem Arbeiten verändern Ansprüche an derzeitige Lernräume. Dafür brauchen Hochschulen in Zukunft auch neue Raumkonzepte. Die vorliegende Ausgabe von DUZ Spotlight – Gute Praxis international zeigt anhand von Beispielen aus dem Ausland, wie Lernraumgestaltung im digitalen Zeitalter neu gedacht werden kann und warum. Vor allem die Niederlande und Norwegen gehen mit gutem Beispiel voran. INHALT 45 LERNRÄUME ALS DRITTE PÄDAGOGEN Niederlanden und die Technisch- 57 NOCH VIEL LUFT NACH OBEN Bleiben Räume traditionell, bleibt es Naturwissenschaftliche Universität Die Lernraumentwicklung steht an auch die Hochschullehre Norwegen deutschen Hochschulen noch ziem- lich am Anfang. Anregungen für eine 47 GUTE EINZELBEISPIELE, 54 „DIE RÄUME MÜSSEN VON DER Kehrtwende KEIN FLÄCHENDECKENDER TREND PÄDAGOGIK HER GEDACHT WERDEN“ Lernraumgestaltung an deutschen Der Niederländer Piet van der Zanden 59 DAS SAGEN EXPERTEN Hochschulen hat mit einem interdisziplinären Team Tina Ladwig, TU Hamburg; Richard einen komplett neuen Ansatz für die Stang, Hochschule der Medien Stutt- 50 INNOVATIV DENKEN UND STRATEGISCH Planung von Lernräumen entwickelt. gart; Inka Wertz, HIS-Institut für Hoch- VERANKERN Die Methodik hat er in einem „Koch- schulentwicklung; Frank Ziegele, CHE Wie zukunftsfähige Lernraumge- buch“ – dem „Cookbook Education – Centrum für Hochschulentwicklung staltung gelingen kann, belegen die Spaces“ – dokumentiert. Ein Interview Technische Universität Delft aus den 60 IMPRESSUM
LERNRÄUME ALS DRITTE PÄDAGOGEN Eine gute Lernarchitektur unterstützt Lernende, indem sie Kreativität fördert und Wertschätzung für die Nutzenden ausdrückt. Solch eine Umgebung hilft Studierenden dabei, sich essenzielle Zukunftskompetenzen anzueignen Räume haben Auswirkungen auf den didaktischen Ge- Ein Lernraum sollte demnach nicht passiv auf die Didaktik staltungs- und Lernprozess. Prof. Dr. Alfred Holzbrecher, wirken, sondern die Didaktik sollte aktiv Einfluss auf den Emeritus für Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik Raum nehmen dürfen. Zwar ist der Paradigmenwechsel an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, spricht von „from teaching to learning“, also weg vom lehrerzentrier- „pädagogischer Architektur“ – ein Begriff, der die Wech- ten Ansatz hin zur Lernendenzentrierung, theoretisch in selbeziehung von Architektur und Pädagogik meint und den Hochschulen angekommen. Ein Blick in viele deutsche bereits seit den 1970er-Jahren mit dem geflügelten Wort Hörsäle und Seminarräume verrät aber etwas anderes. des Raums als „drittem Pädagogen“ des italienischen Er- Nach wie vor suggerieren Tischreihen und fest installierte ziehungswissenschaftlers Loris Malaguzzi umschrieben Bänke den lehrerzentrierten Frontalunterricht. Der Raum wird. Somit kann Pädagogik Räume aktiv in Lernprozesse gibt den didaktischen Ansatz vor, lädt Lehrende weniger einbeziehen und sie lernbedarfsorientiert gestalten. Lern zum Experimentieren und Ausprobieren ein. architektur unterstützt pädagogische Prinzipien, indem sie zunächst weitestgehend nutzungsneutral ist, Kreati- Lernen ist ein kommunikativer Prozess, der einen hohen vität fördert und ermöglicht sowie Wertschätzung für die Grad an Selbstbeteiligung und Eigenverantwortung er- Nutzenden ausdrückt. fordert. Gemeinsam wird Wissen in Diskursen erworben.
46 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I EINLEITUNG Soziale Faktoren sind ein wichtiger Bestandteil des Lernens. Die Studie „Future Work Skills 2020“ des Institute for the Lernende brauchen Austausch, Möglichkeiten zur Begegnung Future, erarbeitet im Auftrag des University of Phoenix und Diskussion, auch außerhalb formaler Umgebungen wie Research Institute, stellte anhand unterschiedlicher Ex- Hörsaal oder Seminarraum. Jüngste Lerntheorien betonen pertenmeinungen Prognosen zum Thema Zukunftskom- Lernen durch Entdecken, rücken selbstgesteuertes Lernen in petenzen auf. Die Autoren sehen ein spezifisches Set an den Mittelpunkt und plädieren für die Entwicklung von Prob- Fähigkeiten als essenziell wichtig für zukunftsfähiges Ler- lemlösefähigkeit statt Reproduktion von Informationen. nen an. Hierzu gehört neben der Fähigkeit, große Daten- mengen zu strukturieren, auch, Lösungen und Antworten Geprägt durch den digitalen Wandel von Gesellschaft und zu finden, die über Gewohntes und Regelkonformes hin- Arbeit müssen Studierende auf eine Zukunft vorbereitet ausgehen. Das lernen Studierende nicht im Frontalunter- werden, deren Entwicklung noch ungewiss ist. Dazu gehört richt. Damit sie sich diese Kompetenzen aneignen können, die Aneignung von Zukunftskompetenzen, die es Lernen- müssen Hochschulen die richtige Lernumgebung bereit- den ermöglicht, mit Komplexität und Veränderungen durch stellen. Kurzum: Der Paradigmenwechsel „from teaching Megatrends wie Digitalisierung und Wissenskultur flexibel to learning“ braucht auch eine räumliche Übersetzung. umzugehen und diese auch souverän auf ihrem Lebensweg Bleiben Lernräume traditionell, wird es auch die Hoch- mitzugestalten. schullehre bleiben. //
BEISPIELE AUS DEUTSCHLAND I DUZ SPOTLIGHT 08/20 I 47 GUTE EINZELBEISPIELE, KEIN FLÄCHENDECKENDER TREND Zukunftsorientierte Lernraumgestaltung erfordert einen strategischen Rahmen, organisationsweites Denken und die Beteiligung einer Vielzahl an Stakeholdern. Hochschulen sollten das Thema jetzt auf ihre Agenda setzen Die SRH Hochschule Heidelberg ist ein gutes Beispiel dafür, beispielsweise verschiedene Steh- und Sitzarbeitsplätze. wie sich ein pädagogisches Profil auch räumlich überset- Durch diese Beweglichkeit gibt es auch keine bestimmte zen lässt. 2012 führte sie mit dem „CORE-Prinzip“ ein neues Grundanordnung mehr in den Räumen, sondern „gefühlte pädagogisches Profil ein, bei dem die Fähigkeit zu selbstge- Unordnung“ wird zur Normalität. Für Lehrende wie Studie- steuertem Lernen und Teamarbeit als wichtige Kompetenz- rende bedeutet dies auch, Verantwortung für die dauerhaf- ziele im Vordergrund stehen. CORE steht dabei für „compe- te Nutzbarkeit der Lehr- und Lernräume zu übernehmen. tence oriented research and education“. Zwar sind weitere gute Einzelbeispiele erkennbar, doch Im Studienalltag wurde klar, dass mit der neuen Lehrstra- spielt die strategische Entwicklung physischer Lernräu- tegie auch die Lernumgebungen verändert werden müssen. me an deutschen Hochschulen flächendeckend noch keine Von Juli 2015 bis Herbst 2016 hat das Team des Projektes Rolle. Das Kooperationsprojekt Lernwelt Hochschule der „Lernraum Campus“ den Veränderungsprozess initiiert, Hochschule der Medien Stuttgart, der Otto-Friedrich-Uni- durchgeführt und evaluiert. Um ein für die Hochschule versität Bamberg, der Heinrich-Heine-Universität Düssel- geeignetes Lernraumkonzept zu entwickeln, wurden enga- dorf, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Ham- gierte Lehrende verschiedener Fachdisziplinen involviert burg und der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation sowie Best-Practice-Beispiele aus dem Ausland und exter- e.V. (DINI) kam zu dem Ergebnis, dass nur rund ein Drittel ne Expertisen hinzugezogen. Das Projektteam wollte keine der befragten Hochschulen strategische Veränderungen One-size-fits-all-Lösung für den ganzen Campus, sondern im Bereich Lehr-/Lernräume vorgenommen hat oder dies die Lernraumgestaltung fakultätsspezifisch angehen. So plant. Erfahrungsgemäß können von der Bedarfsplanung wurden Ansätze zunächst in nur einer Fakultät – der School bis zur Fertigstellung bis zu zehn Jahre vergehen. Ange- of Engineering – erprobt. In iterativen zweiwöchigen Test- sichts dessen sollten Hochschulen Lernraumentwicklung und Feedbackphasen wurden Möbel und Equipment mit jetzt als wichtiges strategisches Thema erkennen. Nicht den Nutzenden ausprobiert, um sicherzugehen, dass sie zuletzt bringen die stark gestiegenen Studierendenzahlen anschließend auch angenommen werden. Lehrende konn- der letzten Jahre einen erhöhten Platzbedarf mit sich, vor ten in Einführungsveranstaltungen frühzeitig verschiede- allem für den informellen Austausch. ne Raumszenarien testen. Die räumliche Übersetzung des CORE-Studienmodells wurde vor allem mit flexiblem und Zu diesen Entwicklungen hinzu kommt der aktuelle Sanie- aktivem Mobiliar umgesetzt. Um zügig zwischen Präsenta- rungsstau, der Hochschulen vor weitere Herausforderun- tionsmodus und Kleingruppenarbeit wechseln zu können, gen stellt. Seit 2006 verantworten die Bundesländer den wurden Tische und Stühle mit Rollen ausgestattet. Um viel- Aus- und Neubau von Hochschulen selbst. Laut Jana Stibbe, seitige Arbeitsplätze zu schaffen, gibt es in einem Lernraum Expertin für Hochschulinfrastruktur am HIS-Institut für
48 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I BEISPIELE AUS DEUTSCHLAND Foto: SRH Heidelberg SRH Hochschule Heidelberg: Lernräume, die Teamarbeit und selbstgesteuertes Arbeiten ermöglichen Hochschulentwicklung, werden meist nicht alle Werter- (mit Bauabteilung) die Beratung von Expertinnen und Exper- haltungsmaßnahmen im jeweiligen Haushaltsjahr finanziert. ten aus Architektur und Stadtplanung, (Medien-)Pädagogik, Mängel werden im schlimmsten Fall sogar mit Eigenmitteln Umweltpsychologie sowie Lernraumforschung einholen“, beseitigt, oft aus Rücklagen. Strukturell stellt dies Hoch- fasst Prof. Dr. Marc Kirschbaum, Architekt und Architektur- schulen vor das nächste Dilemma. In den meisten Fällen sind theoretiker an der SRH Hochschule Heidelberg, zusammen. Hochschulen in Deutschland „nur“ Nutzer ihrer Flächen, sehr selten Eigentümer. Das schränkt den strategischen Hand- BIBLIOTHEKEN ALS INNOVATIONSTREIBER lungs- und Gestaltungsspielraum ein. Der Arbeitskreis Im- mobilien (heute Hochschulbau) der Kanzlerinnen und Kanz- Zwar spielt das Thema Raumkonzeptentwicklung an deut- ler der Universitäten Deutschlands forderte deshalb bereits schen Hochschulen organisationsweit noch keine tragende 2002, dass Hochschulen auch Eigentümer der von ihnen ge- Rolle. Dennoch stechen einzelne Einrichtungen mit Inno- nutzten Grundstücke und Gebäude werden, um effektiv und vationen hervor. Hierzu gehören vor allem Bibliotheken. Sie effizient Immobilienmanagement zu betreiben, und zwar be- „zeigen sich als wichtige Impulsgeberinnen, da sie durch darfsgerecht für ihre Zielgruppen und Gegebenheiten vor Ort. das Ausprobieren neuer Raumkonzepte Innovationen in die Hochschule bringen, welche dann auch auf andere Hoch- Zukunftsorientierte Lernraumgestaltung geht aber weit über schulbereiche übertragen werden können“, schlussfolgert Sanierung und Instandhaltung hinaus. Es geht auch nicht um Florian Aschinger, Mitautor der Studie Lernwelt Hochschule. die (Neu-)Ausstattung einzelner Räume, sondern vielmehr darum, Lernraumgestaltung eine strategische Rahmung zu Ein gutes Beispiel dafür ist die Bibliothek der Technischen geben und organisationsweit zu denken. Das ist ein komple- Hochschule Mittelhessen (THM). In den Jahren 2013/2014 xes Themengebiet, für das eine Vielzahl an Stakeholdern ein- ergab sich die Chance eines Umbaus im Bestand aufgrund gebunden werden muss. Bislang überließen Hochschulen das anstehender Sanierungsarbeiten. Die Bibliotheksleitung eher den Bauämtern und Architekturbüros. Prof. Dr. Richard konzipierte das Raum- und Serviceangebot der Bibliothek Stang, Leiter des Learning-Research Center an der Hochschu- komplett neu. Ähnlich wie das Projektteam „Lernraum le der Medien Stuttgart, fordert daher schon lange eine päda- Campus“ der SRH Hochschule Heidelberg wollte auch gogische Bauleitung. Denn für eine sinnvolle Raumgestaltung die Bibliotheksleitung der THM alle Involvierten aus dem und -planung müssen Didaktik, Raumstruktur und technische Bibliotheksbereich im Veränderungsprozess mitnehmen. Infrastruktur Hand in Hand gehen. Ein guter Planungsprozess Um konkrete Vorstellungen von nicht klassisch organisier- ist entscheidend für die Umsetzung. „Für das Konzipieren [zu- ten Ausleihtheken zu bekommen, unternahm das komplet- kunftsfähiger] Lehr-Lern-Räume muss die Hochschulleitung te Bibliothekspersonal Vor-Ort-Besichtigungen an den nie-
BEISPIELE AUS DEUTSCHLAND I DUZ SPOTLIGHT 08/20 I 49 derländischen Universitätsbibliotheken in Delft und Leiden. Mittels elektronischer Kommunikations- und Buchungs- Die Initiierung des Umbaus wurde mit einer Kick-off-Veran- systeme erfolgen Vorgänge wie Ausleihe, Rückgabe und staltung eröffnet, auf die zwei intensive Workshoptage folg- Bezahlung im zentralen Servicebereich per Selbstbedie- ten, während derer die Bibliotheksleitung gemeinsam mit nung. Die Bibliothek kommt nun ohne Ausleihtheke aus. dem Personal des Ausleihbereichs sowie den IT-Verantwort- Termine für Schreibberatungen oder die Reservierung lichen alle Geschäftsgänge auflistete und analysierte, um die von Gruppenarbeitsräumen erfolgen jetzt über Online- Prozessabläufe zu optimieren. Bei der Umsetzung richteten Buchungsdienste. In diesem Zuge wurden auch die Öff- die Verantwortlichen zunächst einen provisorischen Ser- nungszeiten stark erweitert, was vor allem ein Zuge- vicebereich für eine einjährige Pilotphase ein, in der keine winn für die Fernstudierenden ist, die vorher vor allem großen Ein- und Umbauten vorgenommen wurden, sondern an den Wochenenden nicht auf alle Bibliotheksangebote nur notwendige Modifizierungen. Auf diese Weise ließ sich zugreifen konnten. // das Nutzungsverhalten beobachten; auch konnte die Anzahl zukünftig notwendiger Geräteanschaffungen besser eruiert werden. Nutzerinnen und Nutzer konnten während dieses Zeitraums über eine physische „Wunschwand“ und ein On- line-Meinungsportal Verbesserungsvorschläge melden. So entstand aus der bislang bestandsorientierten Biblio- ZUM WEITERLESEN thek ein serviceorientierter Lernort. Da das klassische Studie „Lernwelt Hochschule“: Ausleihgeschäft ohnehin stark zurückging, konnte die www.degruyter.com/view/title/536818?tab_body=toc Hälfte der Regalflächen in Einzel- und Gruppenarbeits- plätze umgewandelt werden. Sie alle sind in Zonen ein- geteilt, die entweder ungestörtes stilles Arbeiten an Ein- Publikation „Lernräume der Zukunft. Vier Praxisbeispiele zu zelplätzen, leises Arbeiten an PC-Arbeitsplätzen oder Lernraumgestaltung im digitalen Wandel“: kommunikatives Arbeiten in Gruppen ermöglichen. Die https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/ Gruppenarbeitsplätze sind zudem mit WLAN-fähigen files/dateien/HFD_AP_45-Lernraeume_der_Zukunft_ Monitoren ausgestattet. Jeder Arbeitsplatz ist mit einem Praxisbeispiele_Web.pdf Label gekennzeichnet, das auf die entsprechenden Verhal- tensweisen „still“, „leise“ und „kommunikativ“ hinweist. Foto: TH Mitttehassen Serviceorientierter Lernort: Bibliotheksbereich der TH Mittelhessen, Standort Giessen
50 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I IMPULSE AUS DEM AUSLAND INNOVATIV DENKEN, STRATEGISCH VERANKERN Wie zukunftsfähige Lernraumgestaltung gelingt, zeigen Projekte aus den Niederlanden und Norwegen DIE FAKULTÄT BOUWKUNDE DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT DELFT Nachdem die ehemalige Fakultät Bouwkunde der Techni- tauschen sich Mitarbeitende in Großraumbüros aus und er- schen Universität (TU) Delft in den Niederlanden im Jahr ledigen Einzelarbeit zu Hause. Arbeitsplätze, die längere Zeit 2008 einem Großbrand zum Opfer fiel, musste schnell und ungenutzt bleiben, müssen freigegeben werden. Feste Büro- Foto: Marcel van der Burg / primabeeld pragmatisch über ein Ersatzquartier entschieden werden. plätze gibt es nur für Verwaltungsmitarbeitende. Auf diese Nur knapp vier Monate nach der Katastrophe zog die Archi- Weise entstand ein transparentes Gebäude. Jeder sieht jeden, tekturfakultät mit damals 500 Bachelor-Studierenden in den beim Lehren, Arbeiten oder Präsentieren. Entstehungspro- zuletzt leer stehenden einstigen Hauptbau der Universität. zesse sind immer nachverfolgbar, nicht erst wenn alles fer- Mit dieser aus der Not heraus geborenen Lösung gelang den tig und perfekt ist. Das ganze Gebäude ist somit eine Begeg- Verantwortlichen inzwischen ein neuer Ansatz maximaler nungszone für Professorinnen und Professoren, Studierende, Transparenz und Flexibilität. Mitarbeitende und Forschende. Atmosphärisch kontrastiert das alte Mauerwerk mit einfar- Auch die Vision, ein Fakultätsgebäude der Offenheit, Inter- bigen hellen Wänden, die durch farbige Teppiche und Sitz- aktion und Kreativität zu schaffen, hatte der damalige De- gelegenheiten eine moderne Fakultät verkörpern. Aufgrund kan Wytze Patijn bereits. Durch die Dringlichkeit, schnell der sechs Meter hohen Räume konnten zudem Zwischenge- ein neues Gebäude zu beziehen, konnten seine Ideen von schosse eingezogen werden. Überhaupt spielt der Wohlfühl- Grund auf umgesetzt werden. Der komplette Umbau- und faktor eine wichtige Rolle. So wurden auf der Gesamtfläche Transformationsprozess betrug nur ein Jahr, vor allem von 36 000 Quadratmetern an mehreren Orten Kaffeebars dank der intensiven Kollaboration zwischen Studieren- eingerichtet. Die zentral eingebettete Cafeteria ist ein wich- den, Forschenden, Mitarbeitenden sowie Alumni. Fünf Ar- tiger sozialer Dreh- und Angelpunkt. Im Erdgeschoss gibt es chitekturbüros übernahmen den Umbau und Dekan Wytze hauptsächlich öffentliche Nutzungsräume. Dazu gehören ein Patijn selbst die Koordination. So repräsentiert die Archi- Buchladen, Labore und Workshopräume. Die Bibliothek be- tekturfakultät der TU Delft bis heute nicht nur einen Ort findet sich in der ersten Etage. Alte Seminarräume wurden des Lehrens und Forschens, sondern des gemeinsamen zu modernen Architekturstudios umgebaut. Der zentrale Arbeitens an Projekten, in Workshops, Konferenzen oder Innenhof wurde für zusätzlichen Nutzungsraum überdacht Hackathons. und mit einer Modellwerkstatt ausgestattet. EIN ORGANISATIONSWEITER „LERNRAUMKATALOG“ OFFENHEIT UND INTERAKTION DURCH „FLEX-ARBEITEN“ Aber nicht nur an der Fakultät Bouwkunde hat es Lernraum- Traditionelle Hörsäle, Seminarräume und Büros mit ge- veränderungen gegeben. Inzwischen spielen moderne Lern- schlossenen Türen sucht man an der Fakultät Bouwkunde raumszenarien an der TU Delft organisationweit eine wich- vergeblich. Schon vor dem Großbrand verfolgten die Verant- tige strategische Rolle. Wie auch an deutschen Hochschulen wortlichen das Ziel, allen Studierenden einen Arbeitsplatz zur stieg die Studierendenzahl an der TU Delft in den vergange- Verfügung zu stellen. Da mit dem Umzug in das neue Gebäu- nen zehn Jahren stark an. Das führt auch hier zu einem ver- de weniger Nutzungsfläche zur Verfügung stand, wurde ein änderten Platzbedarf. Zudem führten unterschiedliche und neues Arbeitsplatzkonzept eingeführt, das „Flex-Arbeiten“. veraltete Ausstattung in den Lehr- und Lernräumen immer Einzelbüros für Lehrende gibt es nicht mehr. Ressortdenken häufiger zu Komplikationen und Verzögerungen im Lehrab- und territoriale Ansprüche wurden aufgegeben. Stattdessen lauf. Parallel entwickelten sich zudem die Lehrformate und
Offener Selbstlernort für Studierende: Bibliothek der Fakultät Bouwkunde an der TU Delft -methoden in Richtung von Blended- und Online-Angeboten, können. Auch Selbstlernorte für Studierende, sogenannte Flipped Classroom und dem Einsatz von Technologien wie „study places“, werden in drei Typen unterschieden und mit Response-Systemen weiter. Die Lernräume hingegen blieben entsprechenden Ausstattungsstandards versehen. Stillar- gleich. beitsplätze befinden sich vorzugsweise in ruhigen Arealen mit Tageslicht, durch Trennwände geteilten Arbeitsflächen Diese „Lücke“ nahm die Taskforce „Education Spaces“ zum und WLAN-Zugang. Informelle Begegnungszonen liegen Anlass, die Lernraumsituation organisationsweit zu opti- in der Nähe von Cafés oder Cafeterien, sind mit bequemen mieren. Mit dem „Cookbook Education Spaces“ veröffent- Loungemöbeln ausgestattet, die sich ebenfalls schnell ver- lichte ein Team unter Leitung des Lernraumexperten Piet schieben lassen, und verfügen über ausreichend Steckdosen van der Zanden (siehe Interview ab Seite 54) einen Anforde- und WLAN-Zugang. rungs- und Nutzungskatalog moderner Lernraumszenarien für die gesamte TU Delft. Es zeigt verschiedene Typen von Entstanden ist das Cookbook Education Spaces mit einem in- Lernräumen und definiert die jeweils zugehörigen Stan- terdisziplinären Team. Um über zukunftsfähige Lernräume zu dards in Bezug auf die Lehrmethode und die Gruppengröße. entscheiden, kollaborierten die Departments Campus Real Es- Diese Standards beziehen sich auf die Anordnung von Mö- tate, Education & Student Affairs und Information & Commu- beln, die technische Ausstattung, Lesbarkeit von Präsenta- nication Technology and Facility Management. In gemeinsa- tionsflächen, Lichtverhältnisse, Akustik, Raumklima und in men Workshops und Sitzungen mit dem Beratungsgremium welchem Umfang der Raum Service und Support benötigt. „Education Spaces“ brachten sich Lehrende wie Studierende Anhand der Richtlinien kann der optimale Raum für die je- mit ihren Perspektiven ein. Die gemeinsame Auseinanderset- weilige Lernsituation und Gruppengröße geschaffen wer- zung und enge Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure den. So benötigt beispielsweise die Lehrmethode „mixed zeichnen den erfolgreichen Prozess besonders aus. Weil sich practice“, das heißt ein Wechsel von Frontalunterricht und die Lern- und Lehrräume an der TU Delft ständig entwickeln, kollaborativem Arbeiten, flexible rollbare Möbel, die entwe- bleibt auch die Anpassung und Erweiterung des Cookbook der in Reihen oder in Gruppenszenarien arrangiert werden Education Spaces eine Daueraufgabe. //
52 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I IMPULSE AUS DEM AUSLAND TECHNISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE UNIVERSITÄT NORWEGEN In den nächsten zehn Jahren werden die bisher alle an ver- die territorialen Ansprüche damit auflösen. Tone Merete Aa- schiedenen Standorten gelegenen Fakultäten der Technisch- sen, Senior Advisor des NTNU-Campus-Projekts, möchte da- Naturwissenschaftlichen Universität Norwegen (NTNU) auf mit auch dem geringen Praxisanteil bei den Erstsemestern einem einheitlichen Campus in der Region Gløshaugen in der Ingenieur- und Naturwissenschaften entgegenwirken. Trondheim zusammengeführt. Finanziert vom Staat, soll das Denn so entstehen mehr Bereiche für Experimente und sozi- Großprojekt nicht nur den Universitätsstandort stärken, son- ale Interaktion. dern auch bessere Grundlagen für Unternehmensgründun- gen und Innovationsförderung schaffen. Bei der Konzipierung der Lernarena setzte das Campusent- wicklungsteam auch auf Multifunktionalität. Öffentliche Für die strategische Umsetzung spielt interdisziplinäres Ar- Bereiche können anhand von flexiblen Einrichtungsgegen- beiten eine wesentliche Rolle. Offene und einladende Gebäude ständen schnell in Hörsäle oder Präsentationsräume umge- sollen die Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche wandelt werden. Die hellen und attraktiv gestalteten Räume fördern. Dafür sorgen verschiedene Treff- und Knotenpunkte laden zum Verweilen ein. Teure Präsentationsgeräte können sowie zukunftsorientierte Lehr- und Arbeitsräume. in Form von mobilen Pop-up-Stationen individuell abge- schirmt und gesichert werden, während der Rest des Lernbe- In diesem Zusammenhang initiiert die Immobilienabteilung reichs für Studierende zugänglich bleibt. der NTNU Lernraum-Pilotprojekte, die zum einen neue For- men des Lernens und Lehrens ermöglichen und zum anderen Um vielfältige Nutzungsmöglichkeiten anzubieten, wurde soziale Treffpunkte schaffen. Die Erkenntnisse aus den Pilot- die Lernarena in verschiedene Zonen eingeteilt. So existieren projekten bilden eine wichtige Grundlage für die Gesamtent- neben Präsentationsflächen für größere Teilnehmendenzah- wicklung des NTNU-Campus. In diesem Entwicklungsprozess len Stillarbeitsbereiche mit Einzelplätzen, Team-Areale – als arbeitet die Immobilienabteilung selbst in einem interdiszip- „Hubs“ bezeichnet – mit Anbindung an Monitore und Schreib- linären Team mit Studierenden, Pädagoginnen und Pädago- tafeln sowie Makerspaces mit Werkstattcharakter. gen, Architektinnen und Architekten sowie IT-Mitarbeiten- den zusammen. Vor allem Studierendengruppen wurden zu Bei der Etablierung der neuen Lernarena spielen Studieren- den Themen Bedarfe, Nutzbarkeit und Design einbezogen. de zudem eine entscheidende Rolle. Sie sollen in Zukunft bei- spielsweise die niedrigschwellige Einführung in vorhandene Das noch laufende Pilotprojekt R2 setzt auf alternierende Technologien übernehmen, um mehr Studierende an die Lehrformate in einem klassischen Hörsaal-Setting. Über vier neuen Möglichkeiten heranzuführen. Denn ein bloßes Zur- Ebenen hinweg entstanden zusätzlich 28 Gruppenarbeitsplät- verfügungstellen garantiert noch keine nachhaltige Nutzung. ze, sodass zwischen Vorlesungseinheiten und Gruppenaktivi- Daran scheitern viele Neuprojekte. Deshalb sieht die NTNU täten schnell gewechselt werden kann. Insgesamt bietet R2 Studierende selbst als Schlüssel, um ihre Lernraumprojekte Platz für rund 160 Studierende. Jede Gruppenstation verfügt voranzutreiben. // über einen gemeinsamen Bildschirm, der mit Endgeräten der Studierenden verbunden werden kann. Ein Lautsprecher und ein Mikrofon vereinfachen die Kommunikation mit den Lehrenden am „Pult“, die zusätzlich steuern können, welche Inhalte auf den Gruppenbildschirmen geteilt werden. Alter- ZUM WEITERLESEN nativ können die Bildschirme von den Studierenden auch als Schreibfläche genutzt werden. Ziel dieses Pilotprojektes ist Video-Clip Making-of, Fakultät Baukunde der TU Delft es, die Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden zu www.tudelft.nl/en/architecture-and-the-built-environment/ erhöhen und gleichzeitig mehr Kollaboration unter den Stu- about-the-faculty/the-building/film-making-of-bk-city/ dierenden zu fördern. Das bereits abgeschlossene Pilotprojekt U1 entstand ent- Cookbook Education Spaces, TU Delft sprechend der Vision, künftig einen „lebendigen Campus“ zu http://homepage.tudelft.nl/9c41c/Cookbook_Education_ schaffen. Der Fokus liegt auf „selbstinitiierten Arbeiten“, Kol- Spaces_v2_0.pdf laboration und Experimentieren. So entstand auf fast 1000 Foto: NTNU Gloshaugen Quadratmetern eine Lernarena, in der sich Studierende wie Lehrende verschiedener Fachdisziplinen vor allem an infor- Interaktive 3-D-Ansicht der Hörsäle Gløshaugen Syd, mellen Treffpunkten wie der Cafeteria, aber auch in Gängen Trondheim und Innenhöfen begegnen können. Alle Wege sind dabei eng https://roundme.com/tour/214005/view/589219/ mit der Bibliothek verknüpft. Wie die TU Delft möchte auch die NTNU das über die Jahre verfestigte Ressortdenken und
IMPULSE AUS DEM AUSLAND I DUZ SPOTLIGHT 08/20 I 53 Pilotprojekt R2 an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegen: alternierende Lehrformate in einem klassischen Hörsaal-Setting
54 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I IMPULSE AUS DEM AUSLAND „DIE RÄUME MÜSSEN VON DER PÄDAGOGIK HER GEDACHT WERDEN“ Piet van der Zanden hat mit einem interdisziplinären Team einen komplett neuen Ansatz für die Planung von Lernräumen entwickelt. Die Methodik hat er in einem „Kochbuch“ aufgeschrieben INTERVIEW: ANNICK EIMER Herr Dr. van der Zanden, Sie dann beschlossen, die Technik zu dort gibt es nur vier verschiedene sind ein bisschen berühmt standardisieren. Ganz banal gesagt Typen von Lernräumen. Reicht das geworden mit ihrem „Kochbuch“, heißt das, dafür zu sorgen, dass der wirklich aus? in dem es darum geht, wie man Lichtschalter immer an der gleichen Wir benötigen tatsächlich nur vier Lernräume an Universitäten Stelle ist, dass Verbindungskabel Typen von Lernräumen. Wir brau- zentral standardisiert, gestaltet angebracht werden und so weiter. chen Räume, in denen klassisch und verwaltet. Da denkt man Ich selber habe über Bildungstech- Prüfungen geschrieben werden. Die als erstes an Architektur, an nologien promoviert, daher kam mir sind groß und mit Einzeltischen Gebäudemanagement. Sie arbeiten der Gedanke, ob man nicht auch die bestückt. Wir brauchen Räume für aber in der IT-Abteilung … Räume gemäß pädagogischen An- Ich bin Informatiker und Päda- forderungen standardisieren kann, gogischer Technologe. Der ganze sodass jeder Lehrende genau weiß, Veränderungsprozess an der Tech- welche Raumtypen es gibt und dann nischen Universität Delft hat vor entsprechend seinem Lehrangebot gut 15 Jahren mit einem Problem die Räume buchen kann. begonnen, von dem man dachte, dass unsere Abteilung es lösen kann. Jetzt liegt die Verantwortung aber Die Studierendenzahlen der Univer- nicht alleine in der IT-Abteilung, sität sind so schnell gestiegen, dass oder? die Raumkapazitäten für die Lehre Nein, von Anfang an waren außer- in den einzelnen Fakultäten nicht dem die Abteilung für studentische mehr ausgereicht haben. Deswegen Angelegenheiten und das Gebäude- haben die Lehrenden nach neuen management involviert. Zu Beginn Räumen gesucht und sind dann haben wir als Projektteam nur häufig in anderen Fakultäten fündig informell zusammengearbeitet. geworden. Da stellten sie aber fest, Aus dieser Zusammenarbeit ist eine dass dort die Technik ganz anders Projektbeschreibung entstanden, ist. Sie standen einfach vielen Prob- die vom Präsidium der Hochschule lemen gegenüber. Sie wussten nicht, genehmigt wurde. Mittlerweile tau- Foto: privat wo sie ihren Rechner anschließen chen wir auch in der Governance- können. Sie wussten nicht, wo der Struktur auf. Das war nötig, um ein Lichtschalter ist. Die Lehrenden eigenes Budget zugeteilt zu bekom- Dr. Piet van der Zanden waren frustriert und die Studieren- men. Wir arbeiten aber weiterhin in den auch. Und meine Abteilung, die unseren Abteilungen. ist als Education Expert AV-IT in Learning nicht nur für IT, sondern auch für Spaces) an der Technischen Universität audiovisuelle Medien zuständig ist, Und diese Standardisierung ist Delft tätig. wurde immer wieder gerufen, um dann in das Kochbuch eingeflos- A.H.W.vanderZanden@tudelft.nl die Probleme zu lösen. Wir haben sen. Das ist recht übersichtlich, http://pietvanderzanden.weblog.tudelft.nl
IMPULSE AUS DEM AUSLAND I DUZ SPOTLIGHT 08/20 I 55 Foto: TU Delft Fakultät Bouwkunde der TU Delft: viel Licht und Raum für Interaktion und Kooperation Frontalunterricht. Das sind treppen- sich dann irgendwo noch ein Plätz- man einen großen Raum baut, dann förmige Hörsäle, in denen man von chen finden. Und wenn Architekten muss der so hoch sein, dass vorne ein allen Sitzplätzen aus gut auf die Tafel ein neues Gebäude entwerfen, dann Bildschirm reinpasst, der so groß ist, blicken kann. Wir brauchen Räume wollen sie immer viel Licht reinbrin- dass man auch noch in der letzten für Gruppenarbeit. Und wir brauchen gen. Aber viel Licht in einem Raum, Reihe lesen kann, was darauf steht. Räume, in denen man Frontalunter- in dem man auf einen Bildschirm Daran wird häufig nicht gedacht. Oder richt und Gruppenarbeit mixen kann. gucken muss, ist doof. Das muss man man konzipiert den Raum hoch genug Die haben vorne eine Tafel und sind anders denken – ausgehend von der und dann kommen die Gebäudetech- mit Drehstühlen bestückt. So können Pädagogik. niker und bauen eine Klimaanlage die Studierenden sich einfach um- unter die Decke und man kann wieder drehen, um mit ihren Kommilitonen, Diese Konzepte lassen sich nicht lesen, was vorne an der Tafel die hinter ihnen sitzen, zusammen- sicherlich gut in neuen Gebäuden oder auf dem Bildschirm steht. Diese zuarbeiten. Außerdem gibt es White- umsetzen, aber die meisten Fehler sehe ich überall, nicht nur in boards an den Seiten des Raums für Hochschulen haben Gebäude, die Hochschulen. Für uns ist die Lesbar- Break-out-Sessions. einige Jahrzehnte oder sogar keit ein zentrales Thema. Jahrhunderte auf dem Buckel Eigentlich denkt man: So einfach haben. Kann man das da auch Warum ist die Lesbarkeit so ist das! Aber die meisten anwenden? besonders wichtig? Hochschulen sind von dieser Ja, kann man, meist sogar relativ Wir sind eine technisch ausgerichtete Standardisierung noch weit unproblematisch. Die Technik muss Hochschule. Hier kommen die neuen entfernt. Warum eigentlich? man eh nachrüsten, da geht kein Weg Studierenden rein und sind unmit- Vieles ist tatsächlich total einfach, drumherum. Und was die Ausgestal- telbar mit mathematischen Formeln aber die Kombinationen und Vari- tung der Räume angeht, da lässt sich konfrontiert, die sie noch nie gesehen anten machen es kompliziert. Zeit vieles über die Möbel lösen. haben. Wenn sie noch nicht mal er- braucht es trotzdem. Es hat zum Bei- kennen können, wie die griechischen spiel drei Jahre gedauert, bis wir auf Gibt es Experten, die man bei Buchstaben aussehen, wie sollen sie die Idee mit den Drehstühlen kamen. solchen Prozessen hinzuziehen dann überhaupt etwas verstehen? Un- Wir haben nichts Neues erfunden. kann? Das Thema betrifft ja nicht sere Inventur hat ergeben, dass alle Das einzig Neue ist, dass wir die Räu- nur Hochschulen, sondern auch Bildschirme zu klein waren. Außer- me von der Pädagogik her denken. Bei andere Veranstaltungsräume, dem gab es klassische Tafeln. Tafeln den meisten Universitätsgebäuden Kongresszentren, Schulen. Da eignen sich sehr gut für die Lehre, steht die Forschung im Mittelpunkt. muss es doch Menschen geben, vor allem in der Mathematik und den Alles wird rund um die Labore und die die sich damit auskennen. Ingenieurwissenschaften. In diesen Büros gebaut. Wenn die Institutsleiter Nein, es gibt kaum Experten. Des- Fächern geht es ja häufig darum, darüber entscheiden, wie ihre Gebäu- wegen haben wir das alles alleine Dinge zu erklären. Der Lehrende kann de aussehen sollen, dann setzen sie durchgezogen und haben viel gelernt. auf einer Tafel, während er erklärt, die Labore und Büros an die schönsten Ein gängiger Fehler ist zum Beispiel, Formel aufzeichnen, das ist sehr hilf- Stellen. Für die Lernräume muss dass die Räume zu niedrig sind. Wenn reich fürs Verstehen. Hinzu kommt:
56 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I IMPULSE AUS DEM AUSLAND Man kann kaum einen besseren wieder ab. Beides funktioniert auf ren. Die jüngeren sind mit Powerpoint Kontrast erzeugen, als wenn man mit den meisten digitalen Tafeln nicht aufgewachsen. Die älteren Lehrenden weißer Kreide auf eine dunkle Tafel gut. Wir haben uns am Ende für einen freuen sich darüber, dass sie die Tafel schreibt. Die klassische Schiefertafel Hersteller entschieden, der den An- mit den IT-Anwendungen verbinden ist ein tolles Lehrmittel. Wir haben forderungen am nächsten kam. Der können, die sie in ihrer Forschung trotzdem 2009 damit begonnen, das Wermutstropfen ist, dass die Bild- nutzen. Interessant ist auch die Fra- digitale Schreiben einzuführen. Wir schirme deutlich kleiner sind, als wir ge, was die veränderten Lehrbedin- haben uns dazu entschlossen, weil uns das wünschen würden. Wir haben gungen mit den Menschen machen. uns damals schon klar war, dass wir jetzt einen Mix aus vier Bildschirmen Winston Churchill hat mal gesagt: langfristig auf digitale Lehre setzen – auf dem ersten steht die Power- „Wir formen unsere Gebäude, danach müssen. Die Studierendenzahlen point, dann kommen zwei aneinan- formen sie uns.“ Vielleicht gilt das wachsen immer noch massiv an, so dergereihte „Tafeln“ und dann wieder auch für Lernräume, aber da steckt viel Platz für neue Gebäude haben wir ein Bildschirm, auf dem zum Beispiel die Forschung noch in den Kinder- gar nicht, also werden einige zu- die Formel steht, zu der man am Ende schuhen. künftig von zu Hause oder von ferne der Erklärung kommen will. Es hat an den Veranstaltungen teilnehmen vier ganze Jahre gedauert, bis wir da Aktuell arbeiten Sie mit Räumen, müssen. Auf jeden Fall war die Um- hingekommen sind. Und man muss deren Anforderungen vor zehn stellung auf das digitale Schreiben die Lehrenden dafür gewinnen, sonst Jahren definiert wurden. Was ebenfalls ein gigantisches Projekt, funktioniert es gar nicht. Bei uns müsste heute ein Lernraum das wir aber jetzt zufriedenstellend nutzen jetzt mehr als 200 Lehrende eigentlich bieten? abgeschlossen haben. die digitalen Tafeln. Es sieht momentan so aus, dass zwei wesentliche neue Anforderungen Wie funktioniert das digitale Wie bekommt man die Lehrenden hinzukommen. Zum einen die hybri- Schreiben denn? dazu, sich für die neuen den Klassenräume. Es gibt ein paar Lehrende schreiben auf digitalen Lehrmittel zu interessieren? Universitäten, die damit arbeiten, da Tafeln wie auf herkömmlichen Tafeln. Wie bei der Einführung von neuen steht der Lehrende vor seiner „ech- Dafür muss man aber erst einmal die Technologien allgemein gibt es soge- ten“ Zuhörerschaft und im Hinter- richtigen Tafeln finden. Wir haben nannte „Early Adopters“, Menschen, grund sieht er auf Monitoren seine insgesamt 95 Lehrende gebeten, die neue Technik gerne annehmen. digitale Zuhörerschaft. Die andere An- verschiedene Modelle zu nutzen, und Für die haben wir eine Plattform forderung wird die virtuelle Zusam- sie dabei beobachtet. Wichtig waren geschaffen, auf der sie sich austau- menarbeit im Lernraum sein. Es wäre die Haptik, aber auch andere Eigen- schen können. Damit neue Lehrmittel doch toll, wenn man einen Experten schaften. Zum Beispiel gibt es einige akzeptiert werden, ist es wichtig, und andere Studierende für gemein- Lehrende, die mit zwei Händen und dass der Nutzer auch den Nutzen same Projekte virtuell, aber live in zwei Kreiden gleichzeitig auf die Tafel erkennt. Interessanterweise haben den Lernraum holen könnte. Aber wie schreiben. Und gerade wenn man wir festgestellt, dass die digitalen gesagt: All das kostet Zeit, vor allem Formeln aufzeichnet, schreibt man Tafeln eher von älteren Lehrenden weil der Mensch Zeit braucht, um sich „Stakkato“, man setzt den Stift immer angenommen wurden als von jünge- an die Technik zu gewöhnen. // TUDESC – EIN ONLINE-TOOL FÜR LERNRÄUME Das „Cookbook Education Spaces“ ist frei herunterladbar, aber es kann problematisch sein, die Tabelle zu interpretieren. Deshalb hat die TU Delft ihre Erkenntnisse in einen Online-Konfigurator einfließen lassen, der nur in Lizenz verfügbar ist. Man kann dort verschiedene Parameter setzen, wie zum Beispiel die Lesbarkeit, aber auch gesetzliche vorgeschriebene Social-Distancing-Mindestabstände sowie die Raumgröße und Raumart. Der Konfigurator liefert dann einen Vorschlag zu den Abständen und zur Platzierung der einzelnen Sitzplätze. Mehr Infos: www.tudesc.com
IN DEUTSCHLAND IST NOCH LUFT NACH OBEN Die Lernraumentwicklung steht an deutschen Hochschulen noch ziemlich am Anfang – Anregungen für eine Kehrtwende Die Beispiele der Technischen Universität (TU) Delft in den punkt ‚nur‘ den Rahmen setzt und erst nach und nach im Niederlanden und der Technisch-Naturwissenschaftlichen Planungsprozess differenzierter wird.“ Pilotprojekte sind Universität Norwegen verdeutlichen im Vergleich zu den dafür ein geeigneter Ansatz. Das heißt, vorerst nur wenige meisten Hochschulen in Deutschland einen höheren Stel- Modifizierungen vorzunehmen, um das Nutzungsverhalten lenwert von Lernraumentwicklung. So werden nicht nur zu beobachten, Rückmeldungen einzuholen und Schritt einzelne Räume modernisiert, sondern Lernraumgestal- für Schritt das Konzept umzusetzen beziehungsweise an- tung wird im digitalen Zeitalter als campusweite strate- zupassen. Auf diese Weise ließen sich grundlegende Stan- gische Angelegenheit verstanden. Die Bedingungen bei dards entwickeln, so wie es die TU Delft mit dem Cookbook den Beispielen sind vergleichbar mit der deutschen Situ- Education Spaces realisiert hat. Darauf aufbauend blieben ation: Auch hierzulande führen hohe Studierendenzahlen weitere Anpassungen dynamisch. zu neuen Platzbedarfen. Parallel entwickeln sich auch bei uns hochschuldidaktische Ansätze in Richtung kompeten- KREIS DER BETEILIGTEN UND ENTSCHEIDER ERWEITERN zorientierte Projektarbeit oder problembasiertes Lernen („problem based learning“). Ein guter Zeitpunkt also, um Bislang wurde die Konzeption von Bildungsbauten vor al- die vorbildlichen Beispiele aus dem Ausland als Anstoß zu lem Bauämtern und Architekturbüros übertragen. Häufig nutzen und zukunftsfähige Lernraumentwicklung strate- orientieren sich diese eher an Alt-Konzepten und an dem, gisch auch an deutschen Hochschulen aufzugreifen. was vermeintlich in der Vergangenheit funktionierte. Der Konzeptionsprozess zukunftsorientierter Lernräume er- ÜBER PILOTPROJEKTE INNOVATIONEN IMPLEMENTIEREN fordert Expertise nicht nur im Feld Architektur, sondern vor allem auch in den Bereichen (Medien-)Pädagogik, Um- Die Zeiten jahrelanger Planungs- und Konzeptionsphasen weltpsychologie und Lernraumforschung. Auch ist es un- sind vorbei. Angesichts des schnellen digitalen Wandels abdingbar, die Nutzerinnen und Nutzer vor Ort, also Stu- sind Konzepte mitunter bereits überholt, sobald es an die dierende und Lehrende, einzubeziehen. Sie entscheiden, Umsetzung geht. Auch Inka Wertz, wissenschaftliche Mit- wie Neuerungen angenommen werden. Sind sie frühzeitig arbeiterin am HIS-Institut für Hochschulentwicklung, involviert, wird der Mehrwert entsprechend früh sichtbar spricht sich für ein agileres Vorgehen aus: „Um auf all diese und die Entwicklungen können sich optimal den Bedürf- Herausforderungen flexibel reagieren zu können, bedarf nissen anpassen. Das war auch den Campusplanern der es einer anpassungsfähigen Planung, die zum frühen Zeit- Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegen
58 I 08/20 DUZ SPOTLIGHT I ÜBERTRAGBARKEIT AUF DEUTSCHLAND und den Initiatoren des Cookbook Education Spaces der LERNRAUMENTWICKLUNG SOLLTE IMMER GANZHEITLICH TU Delft sehr wichtig. Beide beteiligten von Beginn an ver- BETRACHTET WERDEN schiedene Akteursgruppen am Entwicklungsprozess. Lernraumgestaltung im digitalen Zeitalter fußt auf einem ZUKUNFTSFÄHIGE LERNRÄUME BEDÜRFEN EINER ganzheitlichen Konzept zur Gestaltung der Lehre. Auf Zu- OFFENEN GESTALTUNG kunftskompetenzen ausgerichtete Lehr- und Lernstra- tegien funktionieren nur im Zusammenhang mit einer Zukunftsfähige Lernräume verfügen über wichtige Gestal- entsprechenden Gestaltung der Lernarchitekturen – und tungsaspekte, die sich unter dem Begriff „Offenheit“ sub- zwar der physischen Raumgestaltung wie auch der digita- sumieren lassen: Sie sind flexibel veränderbar, dadurch len Infrastrukturen. Fragen der Digitalisierung in Studium vielseitig nutzbar und fördern die Begegnung und den Aus- und Lehre dürfen nicht an Raum und Präsenz vorbei beant- tausch möglichst vieler Akteursgruppen am Campus. Klas- wortet werden. Durch dieses Zusammenspiel entsteht eine sische Hörsäle und Seminarräume, wie an vielen deutschen sichtbare Identität der Hochschule, sie kann damit ihr „Ge- Hochschulen zu finden, schränken Gestaltungsoptionen sicht“ zeigen. stark ein oder geben das didaktische Setting zu eng vor. PRÄSENZ AM CAMPUS MUSS STUDIERENDEN Mit rollbaren Möbeln aus leichten Materialien gelänge ein EINEN MEHRWERT BIETEN schneller Wechsel der Lehrmethode, etwa zwischen Prä- sentations- und Gruppenarbeitsmodus. In Bezug auf die Die Raumqualität beeinflusst das individuelle Lernerlebnis Gestaltung von informellen Begegnungsflächen setzen die und hat Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit und TU Delft und die Technisch-Naturwissenschaftliche Univer- das Wohlbefinden. Kahle Seminarräume oder überfüllte sität Norwegen sogenannte Zonierungen ein. Das Spektrum Hörsäle werden dazu nicht unbedingt beitragen. Erfahrun- reicht von Zonen mit ruhigen Einzelarbeitsplätzen bis hin gen während der Corona-Pandemie zeigten beispielsweise, zu lebendigen informellen Treffpunkten, jeweils ausgestat- dass klassische Vorlesungen auch online gut funktionieren. tet mit entsprechenden Möbeln und technischer Anbin- Doch gerade bei Dialogformaten wie Kleingruppenarbeit, dung an WLAN und Strom. Über den Einsatz heller Farben Interaktion mit Lehrenden oder informellen Treffen bedarf und die Anbindung informeller Treffpunkte an gastronomi- es der direkten physischen Begegnung vor Ort. Dafür kön- sche Angebote schaffen sie eine Atmosphäre, die Studieren- nen Hochschulen mit modernen Räumen und zukunftsori- de willkommen heißt und zum Verweilen einlädt. Mit Blick entierter Ausstattung ihren Studierenden wie Mitarbeiten- auf das zukünftige miteinander Arbeiten verfolgen beide den einen Mehrwert bieten. // Hochschulen unter dem Schlagwort „Transparenz“ das Ziel, mehr Begegnung und Interaktion zwischen verschiedenen Fachbereichen zu fördern. So sollen interdisziplinäre Kolla- borationen ermöglicht und gestärkt werden – eine wichtige Fähigkeit, wenn wir von Zukunftskompetenzen sprechen. PASSENDE RAHMENBEDINGUNGEN FÜR DYNAMISCHE LERNRAUMENTWICKLUNG SCHAFFEN In den meisten Fällen sind die Hochschulen in Deutsch- land „nur“ Nutzer ihrer Flächen. Dadurch fehlt es ihnen an wichtigem Gestaltungsspielraum und Selbststeuerungsfä- higkeit. Über dezentrale Ansätze, beispielsweise mit Eigen- tümermodellen und eigener Bauherrenkompetenz, gelänge es den Hochschulen, bedarfsgerechter und dynamischer Immobilienmanagement zu betreiben. Spricht man von zu- kunftsorientierter Lernraumgestaltung, müssten in vielen Bundesländern auch Reformen in den Hochschulfinanzie- rungssystemen passieren, wie es beispielsweise die Exper- tenkommission Hochschulzukunftsprogramm Rheinland- Pfalz empfiehlt. Dazu gehört unter anderem, veraltete Bemessungsgrundlagen an die realen Anforderungen und Ziele vor Ort anzupassen. Zusatzinvestitionen, die über Standards hinausgehen, müssen Hochschulen häufig mit Eigenmitteln stemmen. Innovative, zukunftsfähige Cam- pusentwicklung geht aber weit über Instandhaltungsmaß- nahmen oder Funktionserhalt hinaus.
EXPERTENSTIMMEN I DUZ SPOTLIGHT 08/20 I 59 DAS SAGEN EXPERTEN „In Zukunft wird es immer wichtiger werden, Lernende frühzeitig auf unbekannte, sich schnell wandelnde Prozesse und Situationen in der Lebens- und Arbeitswelt vor- zubereiten. Unsere hochschuldidaktischen Ansätze darauf auszurichten, heißt auch, dass Lernen in entsprechenden Räumen gedacht wird. Dazu bedarf es dringend neuer Konzepte, die individuelle Bedarfe der Lernenden, flexible Gestaltung von Lernprozes- sen und dementsprechend offen gestaltete Lernräume in den Blick nehmen.“ Dr. Tina Ladwig, Teamleiterin der Hamburg Open Online University, Technische Universität Hamburg „Die internationale Entwicklung von Lernräumen ist äußerst spannend. Wenn man die Ent- wicklung in den Niederlanden oder in Skandinavien betrachtet, fällt auf, dass dort viel mehr experimentiert wird. Dabei spielen Erkenntnisse aus der Lernforschung eine wichtige Rolle. Gleichzeitig wird weniger darüber nachgedacht, wie bislang gelernt worden ist, sondern dar- über, wie in Zukunft gelernt werden wird. Es werden Konzepte ausprobiert und wenn sie nicht funktionieren, neue entwickelt. Dieser offene Umgang mit der Zukunft würde auch in Deutsch- land guttun, will man zukunftsorientierte Lernwelten gestalten.“ Prof. Dr. Richard Stang, Leiter des Learning Research Center, Hochschule der Medien Stuttgart „Die Schaffung von Lehr- und Lernräumen sollte sich an der individuellen Lehr- und Lernstrategie der jeweiligen Hochschule orientieren. Eine Taskforce Lernräume wäre in diesem Zusammenhang sicher eine gute Herangehensweise. Die Räume selber sollten ihren Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeiten der Zusammenar- beit und des Austauschs sowie des konzentrierten Lernens und Arbeitens bieten. Ein Konzept der Transparenz und der Durchmischung der Nutzungen wirkt dabei anregend und kommunikationsfördernd. In Bezug auf bauliche Gegebenheiten, aber auch in Bezug auf Mobiliar und Technik muss darüber hinaus ein hohes Maß an Fle- xibilität gewährleistet werden. Studierenden wie Lehrenden sollte es möglich sein, ihre Lehr-/Lernumgebungen situationsbedingt und bedürfnisorientiert zu gestalten. Eine umfassende räumliche und zeitliche Zugänglichkeit und eine angemessene gastronomische Versorgung bilden den Rahmen für eine erfolgreiche Umsetzung.“ Inka Wertz, Wissenschaftliche Mitarbeiterin für bauliche Hochschulentwicklung, HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. Fotos: Mareike Brugger; Florian Müller; privat; David Ausserhofer „Die aktuelle Corona-Pandemie zeigt gerade eindrücklich, wie wichtig gut vermittelte Lehre und eine zukunftsfähige Lehrstrategie für Hochschulen sind. Lernräume haben dabei nicht nur die Rolle des oft zitierten „dritten Pädagogen“. Sie sind darüber hinaus ein wichtiges Profilmerkmal, um eine eher abstrakte Lehrstrategie und den Stellenwert der Lehre an der jeweiligen Hochschule sichtbar, greifbar und erlebbar zu machen. Von einem gut gestalteten Lernraum-Konzept profitieren so nicht nur Studieninteressierte, Lehrende und Lernende, sondern die komplette Hochschule.“ Prof. Dr. Frank Ziegele, Geschäftsführer des CHE – Centrum für Hochschulentwicklung
„Nur ein Drittel der befragten Hochschulen hat bisher strategische Veränderungen im Bereich Lehr-/Lernräume vorgenommen oder plant dies, so ein Ergebnis des Kooperationsprojekts Lernwelt Hochschule. Hochschulen sollten Lernraumentwicklung jetzt als wichtiges strategisches Thema erkennen. Gute Praxisbeispiele gibt es auch in Deutschland“ Anne Prill, CHE – Centrum für Hochschulentwicklung UNSERE PARTNER UND EXPERTEN DUZ Spotlight – Gute Praxis international entsteht in Kooperation mit dem CHE – Gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh. www.che.de Redaktionsleitung: Angelika Fritsche (DUZ) Redaktion dieser Ausgabe: Anne Prill (CHE) und Veronika Renkes (DUZ) Layout: Barbara Colloseus Illustrationen: Ajo Galván Lektorat: Benita von Behr Sie haben Anmerkungen oder Anregungen? Schreiben Sie uns: duz-redaktion@duz-medienhaus.de
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