Dysphagie - Logopädische Kompetenz für die Pflege - HFH

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Dysphagie - Logopädische Kompetenz für die Pflege - HFH
THEORIE & PRAXIS

    Ramona Rüegg & Jürgen Steiner

    Dysphagie – Logopädische
    Kompetenz für die Pflege
    Die Logopädin als Beraterin, Instruktorin und Supervisorin
    in der Kooperation mit Pflegefachpersonen

    Einleitung                                           schen mit Dysphagie im Pflegekontext auf-          Der erste Schritt der Zusammenarbeit in der
                                                         zeigt (Ekberg et al. 2002):                        Praxis ist, dass Logopädinnen und Pflege-
    Prävalenz und Inzidenz der Dysphagie sind in         • 45 % der Menschen mit Dysphagie gaben            fachpersonen um die Kompetenz der jeweili-
    den letzten Jahren deutlich gestiegen. In der           an, dass die Essenssituation nicht als          gen Partnerprofession wissen. Das heißt, dass
    Akutrehabilitation ist die Dysphagie inzwi-             angenehm erlebt wird und                        beide zunächst einmal Verantwortung für die
    schen der Schwerpunkt der logopädischen              • teils sogar von Angst begleitet wird (41 %).     eigene Kompetenzhoheit übernehmen. Aus
    Arbeit. Im Curriculum der Ausbildungsstätten         • 36 % vermieden es, mit anderen Menschen          der Sicht der Logopädie ergibt sich damit ein
    darf der Themenkreis nicht fehlen und Weiter-           zu essen und                                    doppelter Auftrag:
    bildungen sind gefragt.                              • 50 % aßen weniger als normal üblich.             • Die Logopädie ist präventiv, diagnos-
    Oft kann in der Praxis das Wünschenswerte            • 33 % hatten nach dem Essen noch Hunger              tisch, therapeutisch und beratend für
    erreicht werden und die Betroffenen können              und/oder Durst und                                 dysphagiegefähr­dete oder dysphagiebe-
    zurück in die Wohnselbstständigkeit entlas-          • 44 % hatten in den vergangenen                      troffene Personen zuständig und
    sen werden. Teilweise ist dies nicht möglich.           12 Monaten an Gewicht verloren.                 • die Logopädin nimmt ihre Rolle als
    Vor allem geriatrische Patienten, die nicht pri-     Diese Zahlen als Ausschnitt aus der Untersu-          Instruktorin und Supervisorin für die
    mär über das Alter, sondern über die Merkma-         chung sollten alarmieren. Es ist hier von einer       Pflege wahr.
    le Multimorbidität und Fragilität definiert wer-     Fehl- und Unterversorgung von Dysphagiepa-         Der Auftrag, logopädisch für Dysphagie-Pa-
    den, gehen den Weg der Pflege in Alters- bzw.        tienten auszugehen. Auch Neff & Steiner 2008       tienten tätig zu werden, ist klar verankert und
    in Pflegeheimen.                                     machen auf eine Studie aufmerksam, in der          die Kostenträgerschaft ist geklärt. Der Auftrag
    Diese Menschen bedürfen der besonderen               zwar bei 40 % der Befragten eine Schluck-          an die Logopädin als Instruktorin der Pflege-
    (Nach)Sorge durch die Pflege. Dieses Postulat        störung diagnostiziert wurde, aber nur 32 %        fachpersonen ist nicht verankert. Er muss vor
    wird unterstützt durch eine Multicenter-Studie       dieser Gruppe eine ärztliche Behandlung            Ort hinsichtlich der Rahmenbedingungen dis-
    (n = 360), die eine Unterversorgung der Men-         erhielten.                                         kutiert werden (Neff & Steiner 2018).
                                                         Dieser Lücke kann entgegengetreten werden,
                                                         indem die Kompetenz der Pflegenden im Kon-
                                                         text Dysphagie erhöht wird. Hier ist die Logo-     Hilfen zur interprofessio-
    ZUSAMMENFASSUNG. In Alters- und                      pädie gefragt. Die Zusammenarbeit zwischen         nellen Zusam­men­arbeit:
    Pflegeheimen ist vielfach eine Fehl- und
    Unterversorgung von Menschen mit
                                                         Pflegenden und der Logopädin muss über De-
                                                         legation hinausgehen, gefragt ist Kooperation.
                                                                                                            Kriterien für einen Dyspha-
    Dysphagie festzustellen. Um dem ent-                 Diese ist nicht nur bei Formen der Intervention    gie-Beobachtungsbogen
    gegenzuwirken, ist ein theoretischer wie             angezeigt, sondern auch als Maßnahme der
    auch praktischer Austausch der beiden                Prävention.                                        Die interprofessionelle Zusammenarbeit er-
    Fachdisziplinen Pflegewissenschaft und               Ein theoretischer wie auch praktischer Aus-        folgt in kaskadenhaften Schritten:
    Logopädie zwingend erforderlich. Eine                tausch der beiden Fachdisziplinen Pflegewis-       1 Informationen über Dysphagie an die
    Hilfestellung zur interprofessionellen               senschaft und Logopädie ist zwingend erfor-           Pflege weitergeben
    Zusammenarbeit zwischen Logopädin-                   derlich. Bisher gibt es aber nur wenige Veröf-     2 Beobachtungskompetenz vermitteln
    nen und Pflegekräften in der Geriatrie               fentlichungen, die beide Disziplinen zusam-        3 Besonderheit: Medikamentengabe
    bietet der „Rorschacher Beobachtungs-                menbringen (Hunziker & Steiner 2014, Neff 2018,    4 Fallbesprechung mit Entscheidungen.
    bogen Schluckfunktion und Risiken                    Neff & Steiner 2018). Es wird davon ausgegan-
    – RoB-SR”. Dieser Leitfaden wird vorge-              gen, dass die fehlende Fachdiskussion sich         Schritt 1: Informationen
    stellt, mit anderen Tools verglichen und             auch in fehlender Kooperation auf der Ebene        über Dysphagie an die Pflege
    über dessen Evaluation berichtet.                    der Professionen widerspiegelt. Dieser Fach-
                                                         beitrag will hier eine Handreichung bieten. Er
                                                                                                            weitergeben
    › Dieser Beitrag ist in weiten Teilen identisch      spricht Logopädinnen und Logopäden an, die         Eventuell kann hier die Form einer Fortbildung
      mit dem Beitrag: Rüegg, R. & Steiner, J. (2018).   in entsprechenden Institutionen mit Pflege-        für das Pflegefachpersonal gewählt werden.
      Dysphagie – Die Logopädin als Beraterin, Ins-
      truktorin und Supervisorin in der Koope-           fachpersonen im Kontext Dysphagie zusam-           Die Inhalte können dann intern im Team der
      ration mit Pflegefachpersonen. logopädie-          menarbeiten. Damit sind vor allem Alters- und      Pflege über die Pflegedienstleitung weiterge-
      schweiz 1 (4), 19-22                               Pflegeheime gemeint.                               tragen und auch institutionsspezifisch kon-

6   forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx                                                      09.07.20                         www.dbl-ev.de
Dysphagie - Logopädische Kompetenz für die Pflege - HFH
kretisiert werden. Die Pflegedienstleitung vor     Schritt 2: Beobachtungs­
Ort kann auch die Verantwortung überneh-                                                                       Anzeige Hartmann
men, als Dysphagie-Care-Managerin zu fun-
                                                   kompetenz vermitteln
gieren (Neff & Steiner 2018).                      Die Beobachtungskompetenz kann unter-
Beide Berufsgruppen wissen: Schluckstörun-         stützt werden über Checklisten und Leitfä-
gen kommen nicht selten vor. Man spricht von       den, in die die Logopädin die Pflegende ein-
einer Dysphagieprävalenz von 16 % bis 22 %         führt. In Neff & Steiner (2018) wird den Pflegen-
bei über 55-Jährigen (Hotzenköcherle 2015). Bei    den mit der „Zürcher Alterscheckliste Schluck-
Personen über 75 Jahren wird sogar von 45 %        funktion” eine 15-Punkte-Liste von Kriterien
ausgegangen (Hotzenköcherle 2013). Eher ver-       nahegebracht:
nachlässigt wird die Tatsache, dass Dyspha-        1 Vermehrter Rückzug in Essenssituationen
gien häufig nicht erkannt werden; die Infor-       2 Appetitlosigkeit, Vermeiden bestimmter
mation der Logopädin für das Team Pflege soll          Speisen oder reduzierte Trink-/Essmenge
hierfür sensibilisieren.                           3 Verlängerte und/oder ungeschickt wirken-
Es ist wichtig, dass Pflegende ihre Verantwor-         de Nahrungsaufnahme
tung erkennen: Die Logopädin ist zwar bei Ver-     4 Austritt von Nahrung/Speichel aus dem
dacht auf Dysphagie für eine Diagnostik und            Mund
allenfalls weitere Therapielektionen zustän-       5 Verlust von Flüssigkeit beim Trinken
dig, die Pflegefachperson ist aber die Exper-      6 Verbleiben von Nahrungsresten im
tin für den Alltag. Die Pflegefachperson muss          Mundraum
soweit instruiert sein, dass sie die Dysphagie-    7 Anstrengung beim Schlucken
Care-Managerin oder die Logopädin direkt in-       8 Hochwürgen von Nahrung
formiert und um Assistenz bittet.                  9 Kloß-/Fremdkörpergefühl im Hals
Information ist die Voraussetzung, zusätz-         10 Aufstoßen/Sodbrennen
lich braucht es eine kriteriengeleitete Beob-      11 Husten/Räuspern während oder nach der
achtungskompetenz. Auf diese Weise können              Nahrungsaufnahme
Schluckstörungen früh identifiziert und Maß-       12 Veränderung der Stimme nach dem
nahmen rechtzeitig in die Wege geleitet wer-           Schlucken
den, um die betroffenen Personen im Hinblick       13 Ungewollte Gewichtsabnahme
auf ihre Lebensqualität und Partizipation best-    14 Beklagen von Schwierigkeiten seitens der
möglich zu unterstützen.                               betroffenen Person
Dass ein Informationsbedarf aus Sicht der Pfle-    15 Unklares Fieber, wiederkehrende Bronchiti-
gepersonen besteht, belegen die Ergebnisse             den/Pneumonien (evtl. Verdacht auf stille
der Befragung von Rüegg 2017 (n = 12). Im Rah-         Aspiration).
men der Arbeit wurden Pflegefachpersonen           Während sich die Checkliste von Neff & Stei-
befragt, wie kompetent sie sich fühlen beim        ner (2018) auf Hinweise/Symptome einer mög-
Erkennen einer möglichen Dysphagie (Beob-          lichen Schluckstörung konzentriert, erweitert
achtungskompetenz) sowie bei der Situation         der „Dysphagie-Beobachtungsbogen RoB-SR”
der Nahrungsaufnahme nach einer diagnosti-         (siehe unten) die Perspektive um Risikodiag-
zierten Dysphagie (Handlungskompetenz).            nosen und -faktoren sowie schluckrelevante
Anschließend wurden sie in einer kurzen
Schulung über Dysphagie genauer informiert
und zur Arbeit mit einem Leitfaden („Rorscha-        Dysphagie-Screeningtools
cher Dysphagie-Beobachtungsbogen Schluck-            • Dysphagie-Beobachtungsbogen
funktion und Risiken, RoB-SR”, Rüegg 2017) ins-        (Rüegg 2017)
truiert (Em­powerment). Nach zwei Monaten              www.shlr.ch/fileadmin/documents/PDF_
wurden die Probanden bezüglich Wirkung und             Produkte/Leitfaden_Dysphagie_ls2018-
                                                       4.pdf
Nachhaltigkeit des Empowerment-Inputs er-
                                                     • SERAPH. Schluck-Erfassung für Alters-
neut befragt. Der Input wurde durchgängig
                                                       und Pflegeheime (Guggisberg et al. o.J.)
nicht nur als sehr positiv, sondern geradezu als       www.hfh.ch/fileadmin/files/documents/
notwendig bewertet. Daraus folgt:                      Dokumente_Expertenwissenonline/Spra-
• Informationslücke schließen: Basisinforma-           che_und_Demenz/SERAPH_Schluckerfas-
   tionen zum Thema geeignete Trinkhilfen              sung_12012016_nb.pdf
   bei Dysphagiepatienten müssen bekannt             • Dysphagie Screening Tool – DSTG
   gemacht werden (Beispiel Nasenbecher).              (DGG 2019)
• Kompetenzen erweitern: Durch eine Schu-              www.dggeriatrie.de/images/Dokumen-
   lung mit Einarbeitung in den „Dyspha-               te/191227-DSTG-befundbogen-und-hand-
                                                       lungsanleitung-dysphagie-screening-tool-
   gie-Beobachtungsbogen RoB-SR” entste-
                                                       geriatrie.pdf
   hen Kompetenzen der Erkennung von mög-
   lichen Dysphagien und der Unterstützung           Alle Tools stehen zum kostenlosen Download
                                                     zur Verfügung.
   bei der Nahrungsaufnahme.

www.dbl-ev.de                      09.07.20                                                            forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx   7
THEORIE & PRAXIS

    Nebenwirkungen bestimmter Medikamente.              Schritt 3:                                                       Schluckstörungen auch durch Nebenwirkun-
    Der Vorteil des „Dysphagie-Beobachtungsbo-          Medikamentengabe                                                 gen der Medikamente bedingt. Dies sollte ge-
    gens RoB-SR” ist, dass er gegliedert ist und da-                                                                     prüft und hinterfragt werden. Eventuell sollte
    mit eine fokussierte Beobachtung ermöglicht.        Die tägliche Medikamentengabe ist eine wich-                     die Dysphagie-Care-Managerin eine Liste jener
    Er kann gut von Nicht-Logopädinnen genutzt          tige Routine in der Pflege. Durch Sensibilisie-                  Medikamente erstellen, die Schluckprobleme
    werden und ist im Web kostenlos verfügbar.          rung mittels der Fortbildung in Schritt 1, in                    verursachen können.
    Guggisberger et al. (o.J.) haben mit „SERAPH.       der der „Dysphagie-Beobachtungsbogen RoB-
    Schluck-Erfassung für Alters- und Pflegeheime.      SR” (siehe Schritt 2) eingeführt wurde, kann                     Schritt 4: Fallbesprechung
    Entscheidungshilfe zur Erkennung von Schluck-       die Pflegefachperson Beobachtungen vorneh-                       mit Entscheidungen
    störungen in Alters- und Pflegeheimen” einen        men. Sie weiß, dass das Risiko des Verschlu-
    ausführlichen Bogen zur Dysphagie entworfen,        ckens teils oft unerkannt bleibt. Sie ist sen-                   Nach der Beobachtung durch die Pflege folgt
    der ebenfalls im Web kostenlos abrufbar ist.        sibilisiert, dass bereits die Verweigerung der                   die Konsultation der Logopädin, die durch die
    Zudem liegt mit dem „Dysphagie Screening            Medikamenteneinnahme ein Hinweis auf ein                         weitere Diagnostik einen Status zuweist:
    Tool“ (DSTG) der Deutschen Gesellschaft für         Schluckproblem sein kann. Wenn die Logopä-                       • weitere Beobachtung ist angezeigt,
    Geriatrie von 2019 ein weiteres Verfahren für       din auf der Grundlage des Leitfadens bzw. der                    • Maßnahmen durch die Pflege sind zu
    das Ermitteln von Dysphagien vor. Auch dieses       Beobachtungen hinzugezogen wird, kann evtl.                         besprechen,
    Tool ist abrufbar und enthält neben einem Bo-       eine Dysphagie identifiziert werden. Teils sind                  • Therapie ist indiziert.
    gen zum Ausfüllen eine zusätzliche Handlungs-
    anweisung, die die Ausführung des Handlungs-        Dysphagie-Beobachtungsbogen: Rorschacher Beobachtungsbogen Schluckfunk-
    bogens klar erläutert. Das Screening soll mit       tion und Risiken, RoB-SR
    Personen mit möglichem Abklärungsbedarf
    durchgeführt werden, die älter als 70 Jahre sind.
    Es ist also auf die Geriatrie ausgerichtet, wes-
    halb auf nicht altersbedingte Risikofaktoren für
    Dysphagien nicht eingegangen wird, was sich
    vom RoB-SR unterscheidet.
    Während beim DSTG außerdem Beobach-
    tungskriterien aufgeführt sind, die jeweils mit                                       Warnsignale für Schluckstörungen - Screening
    „Ja” oder „Nein” beantwortet werden können
    und dementsprechend weitere Maßnahmen                            Risikodiagnosen & Risikofaktoren                    Schluckrelevante Nebenwirkungen bestimmter
    vorgeschlagen sind, listet der RoB-SR verschie-                  ‰   Schlaganfall
                                                                                                                         Medikamente
                                                                                                                            •   Untypisches Essverhalten
    dene Warnsignale auf, die vor oder während                       ‰   Schädel-Hirn-Trauma
                                                                                                                            •   Schläfrigkeit
                                                                     ‰   Morbus Parkinson
    der Nahrungsaufnahme oder auch über län-                         ‰   Demenz                                             •   Gestörte Bewegungsabläufe
                                                                                                                            •   Mehr/weniger Speichel
    gere Zeit beobachtet werden können und Hin-                      ‰   Multiple Sklerose
                                                                     ‰   Myasthenia Gravis                               Neuroleptika, Antipsychotika (Haldol, Risperdal)
    weise auf Dysphagien geben. Der DSTG richtet                     ‰   Amyotrophe Lateralsklerose
                                                                                                                         Benzodiazepine (Temesta, Valium)
    sich klar an geschultes Personal, das gemäß                      ‰   Tumore im Mund-, Halsbereich
                                                                                                                         Parasympatholytika (Atrovent, Buscopan)
                                                                     ‰   Altersbedingte Veränderungen
    Handlungsanweisung ein Schluckscreening                          ‰   Schläfrigkeit, Konzentrationsmangel             Antidepressiva (Citalopram, Remeron)
    mit entsprechendem Material durchführen                          ‰   Desorientierung                                 Muskelrelaxantien (Lioresal, Sirdalud, Botox)
                                                                                                                         Antidementiva (Exelon, Aricept)
    soll. Der RoB-SR hingegen soll in den Pflegeall-
                                                                     Schluckfähigkeit beobachten!                        Antihypertensiva, ACE-Hemmer (Coversum, Zestril)
    tag inte­griert werden und möglichst von allen                   Essen und Trinken nur in wachem Zustand             Antiepileptika, Antikonvulsiva (Depakine, Keppra)
    Pflegenden genutzt werden können, die den                        (mindestens 15 Minuten wach)                        Antiparkinson-Medikamente (Madopar, Stalevo)
    Patienten betreuen.
    Sowohl der DSTG als auch der RoB-SR ma-
    chen auf die Wichtigkeit der Vigilanz und Auf-                   Hinweise auf eine Schluckstörung während der Nahrungseinnahme
                                                                     ‰ Schlucken nicht erkennbar (Hals)                    ‰ Steckenbleiben der Nahrung
    merksamkeit des Patienten für die Nahrungs-                      ‰ Verminderte oder deutlich verlängerte               ‰ Reste gelangen aus dem Mund
    aufnahme aufmerksam. Auch ähneln sich die                          Kaubewegungen                                       ‰ Anstrengung beim Schlucken (mehr Zeit wird
                                                                     ‰ Häufiges, wiederholtes Nachschlucken                  benötigt)
    Verfahren bezüglich der beschriebenen Be-                        ‰ Wiederholtes Husten, Räuspern                       ‰ Verminderte Freude am Essen
    obachtungskriterien. Zudem ist man sich bei
    den weiterführenden Maßnahmen einig: Bei                         Hinweise auf eine Schluckstörung nach der Nahrungseinnahme
                                                                     ‰ Reste im Mund nach dem Schlucken                    ‰ Vermehrtes Husten
    Verdacht auf Dysphagien müssen die Pfle-                         ‰ Brodelnde, nasse Stimme                             ‰ Anhaltendes Räuspern
    gepersonen die zuständigen Logopädinnen                          ‰ Gurgelnde Atemgeräusche

    und Logopäden und den Arzt oder die Ärztin
                                                                     Weitere Warnsignale
    konsultieren.                                                    ‰ Nahrungsverweigerung (Rückzug)                      ‰ Gewichtsverlust
    Auch der DSTG listet keine Medikamente auf,                      ‰ Speichel fliesst aus dem Mund                       ‰ Fieberzacken
                                                                     ‰ Eingeschränktes Husten                              ‰ Pneumonien
    die die Schluckfähigkeit beeinflussen können.                      (kräftiges Husten vormachen und bitten
    Diese sind ausschließlich beim RoB-SR ersicht-                     nachzumachen)                                              ) Dokumentation (Verlauf)
                                                                                                                                  ) Auf Zweifel, ungutes Gefühl hören
    lich und werden im nächsten Schritt noch ge-
    nauer erläutert. Während es sich beim DSTG                       9 Arzt / Ärztin und Logopäde / Logopädin oder Schlucktherapeut/in informieren
                                                                     9 Hinweise auf Rückseite beachten
    und beim SERAPH zudem um spezifische
    Screeningverfahren handelt, geht der RoB-SR                      Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach
                                                                     Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie
                                                                                                                                © 2018, SHLR
                                                                                                                                Autorin / Fotos:
                                                                                                                                                   alle Rechte vorbehalten!
                                                                                                                                                   Ramona Rüegg
    zusätzlich auf Hinweise für Pflegepersonen                                                                                  Information:       ausbildung@shlr.ch, www.shlr.ch

    ein, die Dysphagiepatienten betreuen.

8   forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx                                                                   09.07.20                                              www.dbl-ev.de
Dieser Status wird mit dem Team Pflege oder       wird Wissen im Haus implementiert. In An-           setzt werden können. Ein ausführlicherer oder
stellvertretend mit der Pflege-Dysphagie-Care-­   betracht der sich anbahnenden Ressourcen-           regelmäßiger Input durch Logopädinnen wäre
Managerin besprochen und dokumentiert. Zu         knappheit der Fachpersonen könnte so der            hier vermutlich zielführend.
den Maßnahmen der betreuenden Pflegefach-         prekären Situation in der Langzeitpflege in Zu-     Die Interpretation der Ergebnisse gibt Hinwei-
personen gehören die Unterstützung bei der        kunft zumindest teilweise begegnet werden           se darauf, dass klinische Logopädinnen für
Nahrungsaufnahme und eventuell der Einsatz        (Neff & Steiner 2018).                              das Informieren und Anweisen der Pflegeper-
von angemessenen Hilfsmitteln. Therapeuti-                                                            sonen und somit für eine adäquate Behand-
sche Maßnahmen gehören in das Gebiet der Lo-                                                          lung von Dysphagiepatienten eingesetzt wer-
gopädinnen. Das Problem des Zeitdrucks ist ein    Dysphagie-Beobachtungs-                             den müssen und eine Ersetzung durch ande-
strukturelles Hindernis. Dieses sollte erkannt    bogen: Evaluation und                               re Fachdisziplinen nicht unbedingt zielführend
und mit der Hausleitung besprochen werden.
Die Pflegefachpersonen müssen schließlich die
                                                  Ausblick                                            ist. Zudem lässt sich festhalten, dass die in-
                                                                                                      terdisziplinäre Arbeit von Logopädinnen und
zusätzlichen Anforderungen in den Arbeitsall-     Der „Dysphagie-Beobachtungsbogen RoB-               dem Pflegepersonal von den Probanden sehr
tag integrieren, während mit einem Mehr an        SR” (Rüegg 2017) thematisiert Risikodiagnosen       geschätzt wurde und Nutzen daraus gezogen
Personal kaum zu rechnen ist. Die Absprachen      und Risikofaktoren, schluckrelevante Neben-         werden konnte.
hinsichtlich der Hilfen bei der Nahrungsgabe      wirkungen bestimmter Medikamente, Hinwei-           Aufgrund der demografischen Entwicklung ist
müssen allen in der Pflege tätigen Personen,      se auf eine Schluckstörung während der Nah-         mit einer Zunahme an Menschen mit Schluck-
d.h. auch Pflegehilfen oder Auszubildenden in     rungsaufnahme und weitere Warnsignale. Er           störungen im Pflegekontext zu rechnen. Dem
der Pflege bekannt sein (Rüegg 2017).             wurde in zwei Pflegezentren und einem Spital        steht der Fachkräftemangel gegenüber, der
Für einige Bewohner kann das Essen so vorbe-      eingesetzt und anschließend evaluiert. Die Er-      sich im Verlauf der kommenden Jahre noch
reitet werden, dass sie nach anfänglicher Hilfe   gebnisse und Rückmeldungen der Pflegeper-           weiter verschärfen dürfte. Eine adäquate Ver-
selbstständig weiteressen können. Andere be-      sonen zeigen auf, dass durch die einleitende        sorgung scheint durchaus gefährdet.
nötigen Essensbegleitung während der ganzen       Schulung und die Arbeit mit dem Leitfaden die       Die Gesundheitsversorgung in der Langzeit-
Mahlzeit, da das Essen aus unterschiedlichen      Sicherheit im Erkennen von Dysphagien und           pflege erfordert eine interdisziplinäre Zusam-
Gründen nicht selbst eingenommen werden           der Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme          menarbeit von Angehörigen aller Gesund-
kann. Die Essensbegleitungen oder -eingaben,      erhöht werden konnte.                               heitsberufe, die ihre unterschiedlichen Fach-
die dreimal täglich wiederholt werden müssen,     Die Zusammenarbeit zwischen Pflege und Lo-          kompetenzen und Sichtweisen einbringen.
sind mit zeitlichem Mehraufwand für die Pfle-     gopädie wurde sehr geschätzt. Die Studie er-        Beim Dysphagiemanagement ist die Logopä-
genden verbunden. Hier muss sich die Pflege-      gab außerdem, dass der Leitfaden eine inter-        die als beratende Instanz für die Pflege ge-
dienstleitung für Qualität und Verantwortung      essante Auffrischung zur Thematik darstellt. Er     fragt. Kooperation vor Delegation sollte die
für die Betreuten einsetzen.                      wurde aber auch verwendet, um anderen Mit-          Devise sein.
Durch die Kooperation zwischen Pflege und         arbeitern das Thema Dysphagie zu erklären.
Logopädie können diejenigen Patienten er-         Die entsprechenden Rückmeldungen machen
fasst werden, die tatsächlich an Schluckstö-      deutlich, dass der Leitfaden in der Praxis ein
rungen leiden und beim Essen Unterstützung        hilfreiches Mittel für die Pflegepersonen dar-      : LITERATUR
oder Beobachtung benötigen. Durch diese           stellt. Zudem wurde mehrmals erwähnt, dass
Auslese können gegebenenfalls auch Zeitres-       bei den Probanden ein Lerneffekt feststellbar
sourcen gespart werden (Rüegg 2017).              ist. Es wurde jedoch auch zurückgemeldet,           Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V. (DGG),
Durch logopädische Visiten in Institutionen       dass einige Hilfestellungen auf dem Leitfaden         Arbeitsgemeinschaft Dysphagie (2019).
(Bring- und Holschuld mit „Bedside Teaching“)     auch aufgrund fehlender Praxis nicht umge-            Dysphagie Screening Tool Geriatrie (DSTG)

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www.dbl-ev.de                     09.07.20                                                          forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx   9
THEORIE & PRAXIS

     Ekberg, O., Hamdy, S., Woisard, V., Wuttge-Hannig,                Hunziker, E. & Steiner, J. (2014). Ein Gewinn für
        A. & Ortega P. (2002). Social and psychological                  alle. Die Logopädie als Partnerin der Pflege im                                 Ramona Rüegg arbeitet
                                                                                                                                                         seit dem Abschluss an der
        burden of dysphagia: its impact on diagnosis                     Altersheim. NOVAcura 14 (6), 9-12
                                                                                                                                                         Schweizer Hochschule für
        and treatment. Dysphagia 17 (2), 139-146                       Neff, C. (2018). Dysphagie in der Langzeitpflege. Wie
                                                                                                                                                         Logopädie Rorschach (shlr)
     Guggisberg, A., Hunziker, E. & Singer, C. (o.J.).                   kann die Interdisziplinarität zwischen Logopädie                                im Jahr 2017 als Logopädin
        SERAPH. Schluck-Erfassung für Alters- und Pflege-                und Pflege optimiert werden? Unveröffentlichte                                  (B.A.) an einer Primarschule
        heime. Entscheidungshilfe zur Erkennung von                      Bachelor-Arbeit. Zürich: Interkantonale Hoch-                                   im Kanton Zürich. Vor dem
        Schluckstörungen in Alters- und Pflegeheimen.                    schule für Heilpädagogik (HfH)                               Studium absolvierte sie ein Praktikum als Leh-
        Zürich: Interkantonale Hochschule für Heil-                    Neff, C. & Steiner, J. (2018). Logopädie und Pflege            rerassistentin an einer Sprachheilschule. Im
        pädagogik                                                        – mehr Austausch bitte! Zur Notwendigkeit eine               Rahmen des Studiums erhielt sie unter ande-
     Hotzenköcherle, S. (2013). Dysphagie: Diagnostik                    Dysphagie in der Pflege zu managen. NOVAcura                 rem einen Einblick in die klinische Arbeit im
        und Therapie. Schweizer Zeitschrift für Ernäh-                   18 (10), 35-38                                               Spital Linth, Uznach. Diesen Bereich vertiefte
                                                                                                                                      sie in ihrer Bachelorarbeit, in der sie die inter-
        rungsmedizin 13 (2), 6-11                                      Rüegg, R. (2017). Erkennung von Dysphagie und
                                                                                                                                      disziplinäre Arbeit mit Pflegepersonal und Lo-
     Hotzenköcherle, S. (2015). Einführung in Diag-                      Hilfestellungen bei gefährdeten Patienten – Ein
                                                                                                                                      gopädie aufgriff. Im Sommer 2019 engagier-
        nostik und Therapie bei Dysphagie. Rorschach:                    Leitfaden für das Pflegepersonal. Unveröffent-               te sie sich außerdem während eines Monats
        Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach.                    lichte Bachelorarbeit. Rorschach: Schweizer                  in einem Freiwilligenprojekt in Vietnam, wo
        Unveröffentlichtes Vorlesungsskript                              Hochschule für Logopädie Rorschach                           sie an einer Klinik für Vorschulkinder beratend
                                                                                                                                      und informierend tätig war.
     Dysphagie-Beobachtungsbogen: Rorschacher Beobachtungsbogen Schluckfunktion
                                                                                                                                                        Prof. Dr. habil. Jürgen
     und Risiken, RoB-SR
                                                                                                                                                        Steiner ist derzeit Senior Lec-
                                                                                                                                                        turer an der Interkantona-
                                                                                                                                                        len Hochschule für Heilpäda-
                                                                                                                                                        gogik in Zürich (HfH) im Stu-
                                                                                                                                                        diengang Logopädie. Er pro-
                                                                                                                                                        movierte über Aphasie an der
                                                                                                                                      Universität zu Köln und habilitierte sich 2001
                                                                                                                                      im Thema Sprach- und Kommunikationsstö-
                                                Hilfestellungen bei Schluckstörungen                                                  rungen im Alter an der Universität Dortmund.
                                                                                                                                      Er verfügt über Ausbildungen zum Gesprächs-
                                                                                                                                      therapeuten (Viersen), zum EPL-Kommunika-
                                                                         Ungeeignete Nahrungskonsistenzen
                     ! Nahrungskonsistenz immer überprüfen               [ Mischung aus fester und flüssiger Nahrung
                                                                                                                                      tionstrainer (München), zum EFQM-Assessor
                                                                           (Suppe mit Stückchen, Joghurt mit Stückchen)               (Luzern) und zum Systemischen Coach (Leip-
                     ! Wenn Flüssigkeiten eingedickt werden
                       müssen: auch Suppen und flüssige
                                                                         [ körnig (Vollkornbrot)                                      zig) und ist Validations-Praktizierender. Prak-
                                                                         [ faserig (Bohnen, Kefen, Kresse, Fenchel)
                       Medikamente eindicken!
                                                                         [ trocken (Cake, weisser Reis)
                                                                                                                                      tische Tätigkeiten im Kontext Demenz waren
                                                                         [ klebrig (Weggli, Zopf)                                     die Leitung der Sprachtherapeutischen Abtei-
                                                                                                                                      lung in der Memory-Klinik Nordrach sowie als
                    Vorbereitende Massnahmen                                                                                          Supervisor und Therapeut in der Beratungs-
                    9 Ruhige Atmosphäre schaffen, keine Ablenkungen      9 Sitz der Zahnprothese überprüfen                           stelle Sprache und Demenz der HfH. Jürgen
                    9 Nahrungskonsistenzen überprüfen                    9 Speisen sicht- und riechbar präsentieren
                    9 Haltung optimieren
                                                                                                                                      Steiner veröffentlichte zahlreiche Monogra-
                                                                                                                                      phien zu Aphasie, Dysarthrie und Demenz.

                    Unterstützende Massnahmen während der Nahrungseinnahme
                    9 Haltung überprüfen (siehe Bilder)                  9 Anleiten zum Clearing:
                    9 Kleine Portionen (kaffeelöffelgross)                   mehrmals Pausen einlegen, kräftig husten
                    9 Wenn möglich Hand des Patienten führen, statt          und nachschlucken
                      nur einzugeben                                     9 Anleiten zum Chin-Down:
                    9 Keine Ablenkungen (nicht plaudern, ...)                Kinn leicht Richtung Brust neigen
                    9 Zeit lassen
                      (Mund muss leer sein, bevor nächster               ) Essen von vorne-unten eingeben
                      Bissen/Schluck zugeführt wird)

                            Schnabelbecher                      Nasenbecher               ! Trinkgefässe ausreichend füllen

                                                                       9
                                                                                          ! Becher mit Ausschnitt
                                                                                            verwenden
                                                                                                                                      DOI
                                                                                          ! Keine Schnabelbecher
                                                                                            verwenden                                 KONTAKT
                                                                                                                                      Prof. Dr. habil. Jürgen Steiner
                    Nachbereitende Massnahmen
                    9 Aufrechte Lagerung für mind. 20min                 9 Dokumentieren und evtl. Massnahmen
                                                                                                                                      Interkantonale Hochschule für
                    9 Gründliche Mundpflege                                anpassen                                                   Heilpädagogik Zürich (HfH)
                                                                                                                                      Schaffhauserstraße 239
                    Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach              © 2018, SHLR       alle Rechte vorbehalten!
                    Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie          Autorin / Fotos:   Ramona Rüegg
                                                                                                                                      CH-8050 Zürich
                                                                              Information:       ausbildung@shlr.ch, www.shlr.ch      juergen.steiner@hfh.ch

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