Dysphagie - Logopädische Kompetenz für die Pflege - HFH
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THEORIE & PRAXIS Ramona Rüegg & Jürgen Steiner Dysphagie – Logopädische Kompetenz für die Pflege Die Logopädin als Beraterin, Instruktorin und Supervisorin in der Kooperation mit Pflegefachpersonen Einleitung schen mit Dysphagie im Pflegekontext auf- Der erste Schritt der Zusammenarbeit in der zeigt (Ekberg et al. 2002): Praxis ist, dass Logopädinnen und Pflege- Prävalenz und Inzidenz der Dysphagie sind in • 45 % der Menschen mit Dysphagie gaben fachpersonen um die Kompetenz der jeweili- den letzten Jahren deutlich gestiegen. In der an, dass die Essenssituation nicht als gen Partnerprofession wissen. Das heißt, dass Akutrehabilitation ist die Dysphagie inzwi- angenehm erlebt wird und beide zunächst einmal Verantwortung für die schen der Schwerpunkt der logopädischen • teils sogar von Angst begleitet wird (41 %). eigene Kompetenzhoheit übernehmen. Aus Arbeit. Im Curriculum der Ausbildungsstätten • 36 % vermieden es, mit anderen Menschen der Sicht der Logopädie ergibt sich damit ein darf der Themenkreis nicht fehlen und Weiter- zu essen und doppelter Auftrag: bildungen sind gefragt. • 50 % aßen weniger als normal üblich. • Die Logopädie ist präventiv, diagnos- Oft kann in der Praxis das Wünschenswerte • 33 % hatten nach dem Essen noch Hunger tisch, therapeutisch und beratend für erreicht werden und die Betroffenen können und/oder Durst und dysphagiegefährdete oder dysphagiebe- zurück in die Wohnselbstständigkeit entlas- • 44 % hatten in den vergangenen troffene Personen zuständig und sen werden. Teilweise ist dies nicht möglich. 12 Monaten an Gewicht verloren. • die Logopädin nimmt ihre Rolle als Vor allem geriatrische Patienten, die nicht pri- Diese Zahlen als Ausschnitt aus der Untersu- Instruktorin und Supervisorin für die mär über das Alter, sondern über die Merkma- chung sollten alarmieren. Es ist hier von einer Pflege wahr. le Multimorbidität und Fragilität definiert wer- Fehl- und Unterversorgung von Dysphagiepa- Der Auftrag, logopädisch für Dysphagie-Pa- den, gehen den Weg der Pflege in Alters- bzw. tienten auszugehen. Auch Neff & Steiner 2008 tienten tätig zu werden, ist klar verankert und in Pflegeheimen. machen auf eine Studie aufmerksam, in der die Kostenträgerschaft ist geklärt. Der Auftrag Diese Menschen bedürfen der besonderen zwar bei 40 % der Befragten eine Schluck- an die Logopädin als Instruktorin der Pflege- (Nach)Sorge durch die Pflege. Dieses Postulat störung diagnostiziert wurde, aber nur 32 % fachpersonen ist nicht verankert. Er muss vor wird unterstützt durch eine Multicenter-Studie dieser Gruppe eine ärztliche Behandlung Ort hinsichtlich der Rahmenbedingungen dis- (n = 360), die eine Unterversorgung der Men- erhielten. kutiert werden (Neff & Steiner 2018). Dieser Lücke kann entgegengetreten werden, indem die Kompetenz der Pflegenden im Kon- text Dysphagie erhöht wird. Hier ist die Logo- Hilfen zur interprofessio- ZUSAMMENFASSUNG. In Alters- und pädie gefragt. Die Zusammenarbeit zwischen nellen Zusammenarbeit: Pflegeheimen ist vielfach eine Fehl- und Unterversorgung von Menschen mit Pflegenden und der Logopädin muss über De- legation hinausgehen, gefragt ist Kooperation. Kriterien für einen Dyspha- Dysphagie festzustellen. Um dem ent- Diese ist nicht nur bei Formen der Intervention gie-Beobachtungsbogen gegenzuwirken, ist ein theoretischer wie angezeigt, sondern auch als Maßnahme der auch praktischer Austausch der beiden Prävention. Die interprofessionelle Zusammenarbeit er- Fachdisziplinen Pflegewissenschaft und Ein theoretischer wie auch praktischer Aus- folgt in kaskadenhaften Schritten: Logopädie zwingend erforderlich. Eine tausch der beiden Fachdisziplinen Pflegewis- 1 Informationen über Dysphagie an die Hilfestellung zur interprofessionellen senschaft und Logopädie ist zwingend erfor- Pflege weitergeben Zusammenarbeit zwischen Logopädin- derlich. Bisher gibt es aber nur wenige Veröf- 2 Beobachtungskompetenz vermitteln nen und Pflegekräften in der Geriatrie fentlichungen, die beide Disziplinen zusam- 3 Besonderheit: Medikamentengabe bietet der „Rorschacher Beobachtungs- menbringen (Hunziker & Steiner 2014, Neff 2018, 4 Fallbesprechung mit Entscheidungen. bogen Schluckfunktion und Risiken Neff & Steiner 2018). Es wird davon ausgegan- – RoB-SR”. Dieser Leitfaden wird vorge- gen, dass die fehlende Fachdiskussion sich Schritt 1: Informationen stellt, mit anderen Tools verglichen und auch in fehlender Kooperation auf der Ebene über Dysphagie an die Pflege über dessen Evaluation berichtet. der Professionen widerspiegelt. Dieser Fach- beitrag will hier eine Handreichung bieten. Er weitergeben › Dieser Beitrag ist in weiten Teilen identisch spricht Logopädinnen und Logopäden an, die Eventuell kann hier die Form einer Fortbildung mit dem Beitrag: Rüegg, R. & Steiner, J. (2018). in entsprechenden Institutionen mit Pflege- für das Pflegefachpersonal gewählt werden. Dysphagie – Die Logopädin als Beraterin, Ins- truktorin und Supervisorin in der Koope- fachpersonen im Kontext Dysphagie zusam- Die Inhalte können dann intern im Team der ration mit Pflegefachpersonen. logopädie- menarbeiten. Damit sind vor allem Alters- und Pflege über die Pflegedienstleitung weiterge- schweiz 1 (4), 19-22 Pflegeheime gemeint. tragen und auch institutionsspezifisch kon- 6 forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx 09.07.20 www.dbl-ev.de
kretisiert werden. Die Pflegedienstleitung vor Schritt 2: Beobachtungs Ort kann auch die Verantwortung überneh- Anzeige Hartmann men, als Dysphagie-Care-Managerin zu fun- kompetenz vermitteln gieren (Neff & Steiner 2018). Die Beobachtungskompetenz kann unter- Beide Berufsgruppen wissen: Schluckstörun- stützt werden über Checklisten und Leitfä- gen kommen nicht selten vor. Man spricht von den, in die die Logopädin die Pflegende ein- einer Dysphagieprävalenz von 16 % bis 22 % führt. In Neff & Steiner (2018) wird den Pflegen- bei über 55-Jährigen (Hotzenköcherle 2015). Bei den mit der „Zürcher Alterscheckliste Schluck- Personen über 75 Jahren wird sogar von 45 % funktion” eine 15-Punkte-Liste von Kriterien ausgegangen (Hotzenköcherle 2013). Eher ver- nahegebracht: nachlässigt wird die Tatsache, dass Dyspha- 1 Vermehrter Rückzug in Essenssituationen gien häufig nicht erkannt werden; die Infor- 2 Appetitlosigkeit, Vermeiden bestimmter mation der Logopädin für das Team Pflege soll Speisen oder reduzierte Trink-/Essmenge hierfür sensibilisieren. 3 Verlängerte und/oder ungeschickt wirken- Es ist wichtig, dass Pflegende ihre Verantwor- de Nahrungsaufnahme tung erkennen: Die Logopädin ist zwar bei Ver- 4 Austritt von Nahrung/Speichel aus dem dacht auf Dysphagie für eine Diagnostik und Mund allenfalls weitere Therapielektionen zustän- 5 Verlust von Flüssigkeit beim Trinken dig, die Pflegefachperson ist aber die Exper- 6 Verbleiben von Nahrungsresten im tin für den Alltag. Die Pflegefachperson muss Mundraum soweit instruiert sein, dass sie die Dysphagie- 7 Anstrengung beim Schlucken Care-Managerin oder die Logopädin direkt in- 8 Hochwürgen von Nahrung formiert und um Assistenz bittet. 9 Kloß-/Fremdkörpergefühl im Hals Information ist die Voraussetzung, zusätz- 10 Aufstoßen/Sodbrennen lich braucht es eine kriteriengeleitete Beob- 11 Husten/Räuspern während oder nach der achtungskompetenz. Auf diese Weise können Nahrungsaufnahme Schluckstörungen früh identifiziert und Maß- 12 Veränderung der Stimme nach dem nahmen rechtzeitig in die Wege geleitet wer- Schlucken den, um die betroffenen Personen im Hinblick 13 Ungewollte Gewichtsabnahme auf ihre Lebensqualität und Partizipation best- 14 Beklagen von Schwierigkeiten seitens der möglich zu unterstützen. betroffenen Person Dass ein Informationsbedarf aus Sicht der Pfle- 15 Unklares Fieber, wiederkehrende Bronchiti- gepersonen besteht, belegen die Ergebnisse den/Pneumonien (evtl. Verdacht auf stille der Befragung von Rüegg 2017 (n = 12). Im Rah- Aspiration). men der Arbeit wurden Pflegefachpersonen Während sich die Checkliste von Neff & Stei- befragt, wie kompetent sie sich fühlen beim ner (2018) auf Hinweise/Symptome einer mög- Erkennen einer möglichen Dysphagie (Beob- lichen Schluckstörung konzentriert, erweitert achtungskompetenz) sowie bei der Situation der „Dysphagie-Beobachtungsbogen RoB-SR” der Nahrungsaufnahme nach einer diagnosti- (siehe unten) die Perspektive um Risikodiag- zierten Dysphagie (Handlungskompetenz). nosen und -faktoren sowie schluckrelevante Anschließend wurden sie in einer kurzen Schulung über Dysphagie genauer informiert und zur Arbeit mit einem Leitfaden („Rorscha- Dysphagie-Screeningtools cher Dysphagie-Beobachtungsbogen Schluck- • Dysphagie-Beobachtungsbogen funktion und Risiken, RoB-SR”, Rüegg 2017) ins- (Rüegg 2017) truiert (Empowerment). Nach zwei Monaten www.shlr.ch/fileadmin/documents/PDF_ wurden die Probanden bezüglich Wirkung und Produkte/Leitfaden_Dysphagie_ls2018- 4.pdf Nachhaltigkeit des Empowerment-Inputs er- • SERAPH. Schluck-Erfassung für Alters- neut befragt. Der Input wurde durchgängig und Pflegeheime (Guggisberg et al. o.J.) nicht nur als sehr positiv, sondern geradezu als www.hfh.ch/fileadmin/files/documents/ notwendig bewertet. Daraus folgt: Dokumente_Expertenwissenonline/Spra- • Informationslücke schließen: Basisinforma- che_und_Demenz/SERAPH_Schluckerfas- tionen zum Thema geeignete Trinkhilfen sung_12012016_nb.pdf bei Dysphagiepatienten müssen bekannt • Dysphagie Screening Tool – DSTG gemacht werden (Beispiel Nasenbecher). (DGG 2019) • Kompetenzen erweitern: Durch eine Schu- www.dggeriatrie.de/images/Dokumen- lung mit Einarbeitung in den „Dyspha- te/191227-DSTG-befundbogen-und-hand- lungsanleitung-dysphagie-screening-tool- gie-Beobachtungsbogen RoB-SR” entste- geriatrie.pdf hen Kompetenzen der Erkennung von mög- lichen Dysphagien und der Unterstützung Alle Tools stehen zum kostenlosen Download zur Verfügung. bei der Nahrungsaufnahme. www.dbl-ev.de 09.07.20 forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx 7
THEORIE & PRAXIS Nebenwirkungen bestimmter Medikamente. Schritt 3: Schluckstörungen auch durch Nebenwirkun- Der Vorteil des „Dysphagie-Beobachtungsbo- Medikamentengabe gen der Medikamente bedingt. Dies sollte ge- gens RoB-SR” ist, dass er gegliedert ist und da- prüft und hinterfragt werden. Eventuell sollte mit eine fokussierte Beobachtung ermöglicht. Die tägliche Medikamentengabe ist eine wich- die Dysphagie-Care-Managerin eine Liste jener Er kann gut von Nicht-Logopädinnen genutzt tige Routine in der Pflege. Durch Sensibilisie- Medikamente erstellen, die Schluckprobleme werden und ist im Web kostenlos verfügbar. rung mittels der Fortbildung in Schritt 1, in verursachen können. Guggisberger et al. (o.J.) haben mit „SERAPH. der der „Dysphagie-Beobachtungsbogen RoB- Schluck-Erfassung für Alters- und Pflegeheime. SR” (siehe Schritt 2) eingeführt wurde, kann Schritt 4: Fallbesprechung Entscheidungshilfe zur Erkennung von Schluck- die Pflegefachperson Beobachtungen vorneh- mit Entscheidungen störungen in Alters- und Pflegeheimen” einen men. Sie weiß, dass das Risiko des Verschlu- ausführlichen Bogen zur Dysphagie entworfen, ckens teils oft unerkannt bleibt. Sie ist sen- Nach der Beobachtung durch die Pflege folgt der ebenfalls im Web kostenlos abrufbar ist. sibilisiert, dass bereits die Verweigerung der die Konsultation der Logopädin, die durch die Zudem liegt mit dem „Dysphagie Screening Medikamenteneinnahme ein Hinweis auf ein weitere Diagnostik einen Status zuweist: Tool“ (DSTG) der Deutschen Gesellschaft für Schluckproblem sein kann. Wenn die Logopä- • weitere Beobachtung ist angezeigt, Geriatrie von 2019 ein weiteres Verfahren für din auf der Grundlage des Leitfadens bzw. der • Maßnahmen durch die Pflege sind zu das Ermitteln von Dysphagien vor. Auch dieses Beobachtungen hinzugezogen wird, kann evtl. besprechen, Tool ist abrufbar und enthält neben einem Bo- eine Dysphagie identifiziert werden. Teils sind • Therapie ist indiziert. gen zum Ausfüllen eine zusätzliche Handlungs- anweisung, die die Ausführung des Handlungs- Dysphagie-Beobachtungsbogen: Rorschacher Beobachtungsbogen Schluckfunk- bogens klar erläutert. Das Screening soll mit tion und Risiken, RoB-SR Personen mit möglichem Abklärungsbedarf durchgeführt werden, die älter als 70 Jahre sind. Es ist also auf die Geriatrie ausgerichtet, wes- halb auf nicht altersbedingte Risikofaktoren für Dysphagien nicht eingegangen wird, was sich vom RoB-SR unterscheidet. Während beim DSTG außerdem Beobach- tungskriterien aufgeführt sind, die jeweils mit Warnsignale für Schluckstörungen - Screening „Ja” oder „Nein” beantwortet werden können und dementsprechend weitere Maßnahmen Risikodiagnosen & Risikofaktoren Schluckrelevante Nebenwirkungen bestimmter vorgeschlagen sind, listet der RoB-SR verschie- Schlaganfall Medikamente • Untypisches Essverhalten dene Warnsignale auf, die vor oder während Schädel-Hirn-Trauma • Schläfrigkeit Morbus Parkinson der Nahrungsaufnahme oder auch über län- Demenz • Gestörte Bewegungsabläufe • Mehr/weniger Speichel gere Zeit beobachtet werden können und Hin- Multiple Sklerose Myasthenia Gravis Neuroleptika, Antipsychotika (Haldol, Risperdal) weise auf Dysphagien geben. Der DSTG richtet Amyotrophe Lateralsklerose Benzodiazepine (Temesta, Valium) sich klar an geschultes Personal, das gemäß Tumore im Mund-, Halsbereich Parasympatholytika (Atrovent, Buscopan) Altersbedingte Veränderungen Handlungsanweisung ein Schluckscreening Schläfrigkeit, Konzentrationsmangel Antidepressiva (Citalopram, Remeron) mit entsprechendem Material durchführen Desorientierung Muskelrelaxantien (Lioresal, Sirdalud, Botox) Antidementiva (Exelon, Aricept) soll. Der RoB-SR hingegen soll in den Pflegeall- Schluckfähigkeit beobachten! Antihypertensiva, ACE-Hemmer (Coversum, Zestril) tag integriert werden und möglichst von allen Essen und Trinken nur in wachem Zustand Antiepileptika, Antikonvulsiva (Depakine, Keppra) Pflegenden genutzt werden können, die den (mindestens 15 Minuten wach) Antiparkinson-Medikamente (Madopar, Stalevo) Patienten betreuen. Sowohl der DSTG als auch der RoB-SR ma- chen auf die Wichtigkeit der Vigilanz und Auf- Hinweise auf eine Schluckstörung während der Nahrungseinnahme Schlucken nicht erkennbar (Hals) Steckenbleiben der Nahrung merksamkeit des Patienten für die Nahrungs- Verminderte oder deutlich verlängerte Reste gelangen aus dem Mund aufnahme aufmerksam. Auch ähneln sich die Kaubewegungen Anstrengung beim Schlucken (mehr Zeit wird Häufiges, wiederholtes Nachschlucken benötigt) Verfahren bezüglich der beschriebenen Be- Wiederholtes Husten, Räuspern Verminderte Freude am Essen obachtungskriterien. Zudem ist man sich bei den weiterführenden Maßnahmen einig: Bei Hinweise auf eine Schluckstörung nach der Nahrungseinnahme Reste im Mund nach dem Schlucken Vermehrtes Husten Verdacht auf Dysphagien müssen die Pfle- Brodelnde, nasse Stimme Anhaltendes Räuspern gepersonen die zuständigen Logopädinnen Gurgelnde Atemgeräusche und Logopäden und den Arzt oder die Ärztin Weitere Warnsignale konsultieren. Nahrungsverweigerung (Rückzug) Gewichtsverlust Auch der DSTG listet keine Medikamente auf, Speichel fliesst aus dem Mund Fieberzacken Eingeschränktes Husten Pneumonien die die Schluckfähigkeit beeinflussen können. (kräftiges Husten vormachen und bitten Diese sind ausschließlich beim RoB-SR ersicht- nachzumachen) ) Dokumentation (Verlauf) ) Auf Zweifel, ungutes Gefühl hören lich und werden im nächsten Schritt noch ge- nauer erläutert. Während es sich beim DSTG 9 Arzt / Ärztin und Logopäde / Logopädin oder Schlucktherapeut/in informieren 9 Hinweise auf Rückseite beachten und beim SERAPH zudem um spezifische Screeningverfahren handelt, geht der RoB-SR Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie © 2018, SHLR Autorin / Fotos: alle Rechte vorbehalten! Ramona Rüegg zusätzlich auf Hinweise für Pflegepersonen Information: ausbildung@shlr.ch, www.shlr.ch ein, die Dysphagiepatienten betreuen. 8 forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx 09.07.20 www.dbl-ev.de
Dieser Status wird mit dem Team Pflege oder wird Wissen im Haus implementiert. In An- setzt werden können. Ein ausführlicherer oder stellvertretend mit der Pflege-Dysphagie-Care- betracht der sich anbahnenden Ressourcen- regelmäßiger Input durch Logopädinnen wäre Managerin besprochen und dokumentiert. Zu knappheit der Fachpersonen könnte so der hier vermutlich zielführend. den Maßnahmen der betreuenden Pflegefach- prekären Situation in der Langzeitpflege in Zu- Die Interpretation der Ergebnisse gibt Hinwei- personen gehören die Unterstützung bei der kunft zumindest teilweise begegnet werden se darauf, dass klinische Logopädinnen für Nahrungsaufnahme und eventuell der Einsatz (Neff & Steiner 2018). das Informieren und Anweisen der Pflegeper- von angemessenen Hilfsmitteln. Therapeuti- sonen und somit für eine adäquate Behand- sche Maßnahmen gehören in das Gebiet der Lo- lung von Dysphagiepatienten eingesetzt wer- gopädinnen. Das Problem des Zeitdrucks ist ein Dysphagie-Beobachtungs- den müssen und eine Ersetzung durch ande- strukturelles Hindernis. Dieses sollte erkannt bogen: Evaluation und re Fachdisziplinen nicht unbedingt zielführend und mit der Hausleitung besprochen werden. Die Pflegefachpersonen müssen schließlich die Ausblick ist. Zudem lässt sich festhalten, dass die in- terdisziplinäre Arbeit von Logopädinnen und zusätzlichen Anforderungen in den Arbeitsall- Der „Dysphagie-Beobachtungsbogen RoB- dem Pflegepersonal von den Probanden sehr tag integrieren, während mit einem Mehr an SR” (Rüegg 2017) thematisiert Risikodiagnosen geschätzt wurde und Nutzen daraus gezogen Personal kaum zu rechnen ist. Die Absprachen und Risikofaktoren, schluckrelevante Neben- werden konnte. hinsichtlich der Hilfen bei der Nahrungsgabe wirkungen bestimmter Medikamente, Hinwei- Aufgrund der demografischen Entwicklung ist müssen allen in der Pflege tätigen Personen, se auf eine Schluckstörung während der Nah- mit einer Zunahme an Menschen mit Schluck- d.h. auch Pflegehilfen oder Auszubildenden in rungsaufnahme und weitere Warnsignale. Er störungen im Pflegekontext zu rechnen. Dem der Pflege bekannt sein (Rüegg 2017). wurde in zwei Pflegezentren und einem Spital steht der Fachkräftemangel gegenüber, der Für einige Bewohner kann das Essen so vorbe- eingesetzt und anschließend evaluiert. Die Er- sich im Verlauf der kommenden Jahre noch reitet werden, dass sie nach anfänglicher Hilfe gebnisse und Rückmeldungen der Pflegeper- weiter verschärfen dürfte. Eine adäquate Ver- selbstständig weiteressen können. Andere be- sonen zeigen auf, dass durch die einleitende sorgung scheint durchaus gefährdet. nötigen Essensbegleitung während der ganzen Schulung und die Arbeit mit dem Leitfaden die Die Gesundheitsversorgung in der Langzeit- Mahlzeit, da das Essen aus unterschiedlichen Sicherheit im Erkennen von Dysphagien und pflege erfordert eine interdisziplinäre Zusam- Gründen nicht selbst eingenommen werden der Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme menarbeit von Angehörigen aller Gesund- kann. Die Essensbegleitungen oder -eingaben, erhöht werden konnte. heitsberufe, die ihre unterschiedlichen Fach- die dreimal täglich wiederholt werden müssen, Die Zusammenarbeit zwischen Pflege und Lo- kompetenzen und Sichtweisen einbringen. sind mit zeitlichem Mehraufwand für die Pfle- gopädie wurde sehr geschätzt. Die Studie er- Beim Dysphagiemanagement ist die Logopä- genden verbunden. Hier muss sich die Pflege- gab außerdem, dass der Leitfaden eine inter- die als beratende Instanz für die Pflege ge- dienstleitung für Qualität und Verantwortung essante Auffrischung zur Thematik darstellt. Er fragt. Kooperation vor Delegation sollte die für die Betreuten einsetzen. wurde aber auch verwendet, um anderen Mit- Devise sein. Durch die Kooperation zwischen Pflege und arbeitern das Thema Dysphagie zu erklären. Logopädie können diejenigen Patienten er- Die entsprechenden Rückmeldungen machen fasst werden, die tatsächlich an Schluckstö- deutlich, dass der Leitfaden in der Praxis ein rungen leiden und beim Essen Unterstützung hilfreiches Mittel für die Pflegepersonen dar- : LITERATUR oder Beobachtung benötigen. Durch diese stellt. Zudem wurde mehrmals erwähnt, dass Auslese können gegebenenfalls auch Zeitres- bei den Probanden ein Lerneffekt feststellbar sourcen gespart werden (Rüegg 2017). ist. Es wurde jedoch auch zurückgemeldet, Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e.V. (DGG), Durch logopädische Visiten in Institutionen dass einige Hilfestellungen auf dem Leitfaden Arbeitsgemeinschaft Dysphagie (2019). (Bring- und Holschuld mit „Bedside Teaching“) auch aufgrund fehlender Praxis nicht umge- Dysphagie Screening Tool Geriatrie (DSTG) Anzeige Rehavista www.dbl-ev.de 09.07.20 forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx 9
THEORIE & PRAXIS Ekberg, O., Hamdy, S., Woisard, V., Wuttge-Hannig, Hunziker, E. & Steiner, J. (2014). Ein Gewinn für A. & Ortega P. (2002). Social and psychological alle. Die Logopädie als Partnerin der Pflege im Ramona Rüegg arbeitet seit dem Abschluss an der burden of dysphagia: its impact on diagnosis Altersheim. NOVAcura 14 (6), 9-12 Schweizer Hochschule für and treatment. Dysphagia 17 (2), 139-146 Neff, C. (2018). Dysphagie in der Langzeitpflege. Wie Logopädie Rorschach (shlr) Guggisberg, A., Hunziker, E. & Singer, C. (o.J.). kann die Interdisziplinarität zwischen Logopädie im Jahr 2017 als Logopädin SERAPH. Schluck-Erfassung für Alters- und Pflege- und Pflege optimiert werden? Unveröffentlichte (B.A.) an einer Primarschule heime. Entscheidungshilfe zur Erkennung von Bachelor-Arbeit. Zürich: Interkantonale Hoch- im Kanton Zürich. Vor dem Schluckstörungen in Alters- und Pflegeheimen. schule für Heilpädagogik (HfH) Studium absolvierte sie ein Praktikum als Leh- Zürich: Interkantonale Hochschule für Heil- Neff, C. & Steiner, J. (2018). Logopädie und Pflege rerassistentin an einer Sprachheilschule. Im pädagogik – mehr Austausch bitte! Zur Notwendigkeit eine Rahmen des Studiums erhielt sie unter ande- Hotzenköcherle, S. (2013). Dysphagie: Diagnostik Dysphagie in der Pflege zu managen. NOVAcura rem einen Einblick in die klinische Arbeit im und Therapie. Schweizer Zeitschrift für Ernäh- 18 (10), 35-38 Spital Linth, Uznach. Diesen Bereich vertiefte sie in ihrer Bachelorarbeit, in der sie die inter- rungsmedizin 13 (2), 6-11 Rüegg, R. (2017). Erkennung von Dysphagie und disziplinäre Arbeit mit Pflegepersonal und Lo- Hotzenköcherle, S. (2015). Einführung in Diag- Hilfestellungen bei gefährdeten Patienten – Ein gopädie aufgriff. Im Sommer 2019 engagier- nostik und Therapie bei Dysphagie. Rorschach: Leitfaden für das Pflegepersonal. Unveröffent- te sie sich außerdem während eines Monats Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach. lichte Bachelorarbeit. Rorschach: Schweizer in einem Freiwilligenprojekt in Vietnam, wo Unveröffentlichtes Vorlesungsskript Hochschule für Logopädie Rorschach sie an einer Klinik für Vorschulkinder beratend und informierend tätig war. Dysphagie-Beobachtungsbogen: Rorschacher Beobachtungsbogen Schluckfunktion Prof. Dr. habil. Jürgen und Risiken, RoB-SR Steiner ist derzeit Senior Lec- turer an der Interkantona- len Hochschule für Heilpäda- gogik in Zürich (HfH) im Stu- diengang Logopädie. Er pro- movierte über Aphasie an der Universität zu Köln und habilitierte sich 2001 im Thema Sprach- und Kommunikationsstö- Hilfestellungen bei Schluckstörungen rungen im Alter an der Universität Dortmund. Er verfügt über Ausbildungen zum Gesprächs- therapeuten (Viersen), zum EPL-Kommunika- Ungeeignete Nahrungskonsistenzen ! Nahrungskonsistenz immer überprüfen [ Mischung aus fester und flüssiger Nahrung tionstrainer (München), zum EFQM-Assessor (Suppe mit Stückchen, Joghurt mit Stückchen) (Luzern) und zum Systemischen Coach (Leip- ! Wenn Flüssigkeiten eingedickt werden müssen: auch Suppen und flüssige [ körnig (Vollkornbrot) zig) und ist Validations-Praktizierender. Prak- [ faserig (Bohnen, Kefen, Kresse, Fenchel) Medikamente eindicken! [ trocken (Cake, weisser Reis) tische Tätigkeiten im Kontext Demenz waren [ klebrig (Weggli, Zopf) die Leitung der Sprachtherapeutischen Abtei- lung in der Memory-Klinik Nordrach sowie als Vorbereitende Massnahmen Supervisor und Therapeut in der Beratungs- 9 Ruhige Atmosphäre schaffen, keine Ablenkungen 9 Sitz der Zahnprothese überprüfen stelle Sprache und Demenz der HfH. Jürgen 9 Nahrungskonsistenzen überprüfen 9 Speisen sicht- und riechbar präsentieren 9 Haltung optimieren Steiner veröffentlichte zahlreiche Monogra- phien zu Aphasie, Dysarthrie und Demenz. Unterstützende Massnahmen während der Nahrungseinnahme 9 Haltung überprüfen (siehe Bilder) 9 Anleiten zum Clearing: 9 Kleine Portionen (kaffeelöffelgross) mehrmals Pausen einlegen, kräftig husten 9 Wenn möglich Hand des Patienten führen, statt und nachschlucken nur einzugeben 9 Anleiten zum Chin-Down: 9 Keine Ablenkungen (nicht plaudern, ...) Kinn leicht Richtung Brust neigen 9 Zeit lassen (Mund muss leer sein, bevor nächster ) Essen von vorne-unten eingeben Bissen/Schluck zugeführt wird) Schnabelbecher Nasenbecher ! Trinkgefässe ausreichend füllen 9 ! Becher mit Ausschnitt verwenden DOI ! Keine Schnabelbecher verwenden KONTAKT Prof. Dr. habil. Jürgen Steiner Nachbereitende Massnahmen 9 Aufrechte Lagerung für mind. 20min 9 Dokumentieren und evtl. Massnahmen Interkantonale Hochschule für 9 Gründliche Mundpflege anpassen Heilpädagogik Zürich (HfH) Schaffhauserstraße 239 Schweizer Hochschule für Logopädie Rorschach © 2018, SHLR alle Rechte vorbehalten! Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Logopädie Autorin / Fotos: Ramona Rüegg CH-8050 Zürich Information: ausbildung@shlr.ch, www.shlr.ch juergen.steiner@hfh.ch 10 forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx 09.07.20 www.dbl-ev.de
: FRAGEBOGEN www.dbl-ev.de 09.07.20 forum:logopädie Jg. 34 (5) September 2020 | xx-xx 11
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