E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder

 
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E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
E-Voting in Österreich

Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter
 Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder

                         Bachelorarbeit
             zur Erlangung des akademischen Grades
                   Bachelor of Arts in Business

                       FH Oberösterreich
         Studiengang: Sozial- und Verwaltungsmanagement
                              Linz
                Studienzweig: Public Management

                     Verfasser: Florian Hofer
              Gutachter: Mag. (FH) Reinhard Haider

               Kleinzell im Mühlkreis, 23. Mai 2017
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
Eidesstattliche Erklärung des Verfassers:

Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe
verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen
entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher
oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.

Kleinzell im Mühlkreis, am 23. Mai 2017            _________________________________
                                                                  Florian Hofer
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
Zusammenfassung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen,
um ein internetgestütztes Wahlsystem auch bei politischen Wahlen in Österreich einsetzen zu
können. Hierfür ist es erforderlich, die Funktionen und Bedeutung einer Wahl in der Demokratie
sowie ihre verfassungsrechtliche Verankerung darzustellen. Ferner werden auch die
Erwartungen und Anforderungen an E-Voting hinsichtlich sicherheitstechnischen und
verfassungsrechtlichen Aspekte zum elektronischen Willensbildungsprozess erörtert. Zum
Vergleich werden bestehende E-Voting Systeme aus anderen Ländern wie Estland und der
Schweiz analysiert und dargestellt. Zusätzlich wurden Interviews mit einflussreichen
politischen Vertretern sowie Experten aus dem Bereich E-Voting geführt. Aus all diesen
Erkenntnissen werden die erforderlichen Schritte zur Einführung eines elektronischen
Wahlsystems in Österreich in rechtliche, technische, politische und gesellschaftliche
Kategorien unterteilt und abgeleitet. Daraus entsteht ein E-Voting Verfahren, welches nach
der erforderlichen Änderung des Wahlrechts in Österreich eingesetzt werden könnte.

Abstract
The aim of this diploma thesis is to answer the question which requirements should be fulfilled
in order to employ an internet-based voting system for political elections in Austria. Firstly, it is
necessary to analyse the functions and the importance of elections in a democracy, as well as
their legislative base. Furthermore, the expectations and requirements of e-voting considering
security and legislative aspects of electronic opinion-making are discussed.

As a means of comparison, already established e-voting systems from countries like Estonia
or Switzerland are illustrated. Additionally, influential Austrian politicians and experts from the
field of e-voting spoke about this issue in interviews.

Based on all these research activities, the required steps for the introduction of an electronical
voting system in Austria have been derived and divided into judicial, technical, political and
social categories, resulting in an e-voting procedure that might be employed in Austria after
the necessary changes in the electoral laws have been made.

                                                                                                    I
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
Inhaltsverzeichnis

ZUSAMMENFASSUNG                                                     I

ABSTRACT                                                            I

ABBILDUNGSVERZEICHNIS                                              IV

ANHANGVERZEICHNIS                                                  V

1. EINLEITUNG                                                       1

2. AUFBAU DER ARBEIT                                                2

2.1. FORSCHUNGSFRAGEN                                               3
2.2. METHODIK                                                       3

3. THEORETISCHE GRUNDLAGEN                                          4

3.1. E-GOVERNMENT                                                   4
3.1.1. GESETZLICHE GRUNDLAGEN                                       5
3.2. E-DEMOKRATIE UND E-VOTING                                      6
3.3. E-VOTING TECHNOLOGIEN                                          7
3.4. WAHLEN ALS WESENTLICHE GRUNDLAGE DES DEMOKRATISCHEN SYSTEMS   10
3.4.1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES WAHLRECHTS                      10
3.4.2. FUNKTION UND BEDEUTUNG VON WAHLEN                           12
3.4.3. GRUNDSÄTZE VON WAHLEN UND ABSTIMMUNGEN                      15

4. ANFORDERUNG AN E-VOTING                                         16

4.1. ERWARTUNGEN AN E-VOTING                                       16
4.2. VERFASSUNGSRECHTLICHE ANFORDERUNGEN                           17
4.3. INTERNETNUTZUNG - DIGITAL DIVIDE                              20
4.4. SICHERHEITSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN                           21
4.4.1. AUTHENTIFIZIERUNG                                           21
4.4.2. INTEGRITÄT, VERFÜGBARKEIT UND VERTRAULICHKEIT               23
4.4.2.1. Risiken und Gefahren von Angriffen im Internet            24
4.4.2.2. Angreifer und Angriffsformen                              25
4.4.2.3. Verschlüsselungssysteme                                   28
4.4.2.3.1. Kryptographie                                           28
4.4.3.2. Elektronische Signaturen                                  31
4.4.3.3. Blinde Signatur                                           32
4.4.4. ÜBERPRÜFUNGSMECHANISMEN                                     33
4.4.5. DARSTELLUNG EINES E-VOTING WAHLPROZESSES                    34

                                                                   II
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
5. BEST PRACTICE BEISPIEL VON E-VOTING                                     35

5.1. ÖSTERREICHISCHE HOCHSCHÜLERINNEN- UND HOCHSCHÜLERSCHAFTSWAHLEN 2009   35
5.2. ESTLAND                                                               38
5.3. SCHWEIZ                                                               40
5.4. WEITERE E-VOTING PROJEKTE                                             44

6. ERFORDERLICHE SCHRITTE ZUR EINFÜHRUNG VON E-VOTING IN ÖSTERREICH
                                                                  44

6.1. STAND DER ENTWICKLUNGEN IN ÖSTERREICH                                 45
6.2. KATEGORISIERUNG DER MAßNAHMEN                                         47
6.2.1. RECHTLICHER ASPEKT                                                  48
6.2.1.1. Änderungsbedarf des Wahlrechts                                    48
6.2.2. TECHNISCHER ASPEKT                                                  50
6.2.2.1. Einführung einer zentralen Wählerevidenz                          51
6.2.2.2. Elektronischer Wahlprozess                                        51
6.2.3. POLITISCHER ASPEKT                                                  51
6.2.3.1. Stellung zu E-Voting                                              52
6.2.3.2. Einrichtung einer Arbeitsgruppe                                   53
6.2.4. GESELLSCHAFTLICHER ASPEKT                                           54
6.2.4.1. Vertrauen in E-Voting                                             54
6.2.4.2. Politisches Interesse und Politikverdrossenheit                   54
6.3. ZU ERWARTENDE VORTEILE UND GEFAHREN VON E-VOTING                      55

7. RESÜMEE/AUSBLICK                                                        56

LITERATURVERZEICHNIS                                                       59

ANHANG                                                                     69

                                                                           III
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einordnung der Begriffe E-Government, E-Demokratie, E-Partizipation und
                E-Voting ............................................................................................................ 6

Abbildung 2: Zählmaschine für Wahlzettel ............................................................................. 8

Abbildung 3: Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland bei der Bundestagswahl 2005...... 9

Abbildung 4: Arten von E-Voting und verwendete Technologien ........................................... 9

Abbildung 5: Darstellung einer symmetrische Verschlüsselung ............................................29

Abbildung 6: Kombination von symmetrischer und asymmetrischer
                Verschlüsselung ..............................................................................................30

Abbildung 7: Überblick über den E-Voting Prozess der ÖH-Wahl 2009 ................................37

Abbildung 8: Darstellung des elektronischen Wahlprozesses in Estland ..............................40

Abbildung 9: Elektronisches Wahlsystem der Schweizer Post ..............................................43

Abbildung 10: Internetnutzung in Prozent der Bevölkerung ..................................................45

Abbildung 11: Vier Kategorien zur Implementierung von E-Voting ........................................48

                                                                                                                                   IV
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
Anhangverzeichnis

Anhang 1: Interview mit Dr. Robert Krimmer und Mag. Gregor Wenda, MBA…………… 69

Anhang 2: Interview mit Ex-Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ………………………. 79

Anhang 3: Interview mit Bürgermeister Manfred Baumberger……………………………. 84

Anhang 4: Interview mit Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner……………. 89

                                                                                 V
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
1. Einleitung
Der Grundgedanke zum elektronischen Wählen wurde schon bereits im Jahre 1869 von
Thomas Edison geboren, der zur Sammlung und Auszählung der Wählerstimmen einen
„Electrographic Vote Recorder“ entwickelte und in den USA dazu ein Patent anmeldete.1 Diese
Erfindung    wurde    leider   zu   wenig    weiterentwickelt   und   so   dauerte   es   bis   ins
21. Jahrhundert, dass elektronische Demokratie (E-Demokratie) und E-Voting durch die
Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie, vor allem durch das Internet, breiteres
öffentliches Interesse fand.

In Estland besteht seit dem Jahr 2005 die Möglichkeit, die persönliche Wahlstimme online oder
via SMS abzugeben. Ab dem Jahr 2007 wurde die Internet Wahl auch für Parlamentswahlen
zugelassen.2     Dadurch nimmt dieses Land eine Vorreiterrolle hinsichtlich E-Voting im
gesamten Europagebiet ein. Auch in manch anderen Ländern besteht bereits die Möglichkeit,
die Wahlstimme mittels elektronischem Prozess abzugeben. Die Erfahrungen aus diesen
Länder können zur Erstellung eines österreichischen Systems herangezogen werden und
somit sehr hilfreich sein.

Die österreichische Bundespräsidentenwahl 2016 hat gezeigt, dass es immer schwieriger wird,
mit dem bisher bestehenden Wahlsystem einen der österreichischen Verfassung konformen
politischen Willensbildungsprozess durchzuführen.3 Dadurch verlieren dieses antiquierte
System und auch die ausführenden Organe immer mehr an Vertrauen in der Bevölkerung.
Einige Sicherheitslücken sowie nicht einheitliche Vorgehensweisen der Wahlbehörden bieten
eine Angriffsfläche für Anfechtungen des Wahlprozesses.

Die am 10.11.2016 im österreichischen Nationalrat beschlossene Einführung eines zentralen
Wählerregisters ist ein erster Schritt in eine zeitgemäße Wahlabhandlung. Damit ist die
Abgabe einer Unterstützungserklärung mittels Bürgerkarte oder Handysignatur zukünftig
möglich.4 Wenngleich dadurch hauptsächlich vorerst die Durchführung von Volksbegehren
erleichtert wird, ist die Verwendung des elektronischen Wählerregisters auch bei anderen
politischen Wahlen in Zukunft nicht ausgeschlossen. Wesentliche Merkmale bilden dabei der
Datenschutz sowie die Datensicherheit, welche eine zentrale Herausforderung in der
Umsetzung darstellen.

1
  vgl. Sengupta (2000)
2
  vgl. e-estonia.com (2017)
3
  vgl. Bundespraesidentschaftswahl.at (2017)
4
  vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017)

                                                                                                 1
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
Schon im Jahr 2009 wurde in Österreich der Versuch gewagt, eine Wahl der österreichischen
Hochschülerschaft mittels E-Voting durch Stimmenabgabemöglichkeit über das Internet
durchzuführen. Gegen diese Wahl wurde eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof
(VfGH) eingebracht, da die erlassene Wahlordnung nicht der Verfassung entsprach und daher
das System zu wenig Überprüfungsmechanismen aufzeigte sowie Wahlmanipulationen daher
schwieriger erkennbar waren als in Papierform. Jedes Wahlsystem muss gewährleisten, dass
die Durchführung von jedem Laien nachvollziehbar und auch für die Wahlbehörde überprüfbar
ist. Der Beschwerde wurde stattgegeben und die Wahlordnung wegen Gesetzeswidrigkeit
aufgehoben.5

Wahlen sind das Herzstück einer Demokratie, weshalb jede Bürgerin und jeder Bürger von
ihrem Wahlrecht Gebrauch machen soll. Bestehen jedoch Zweifel an der Wahrung des
Wahlrechts und -geheimnisses, kann dies in der Folge zu Misstrauen in der Bevölkerung
führen und die Wahlbeteiligung negativ beeinflussen.

2. Aufbau der Arbeit
Dieses Kapitel beschreibt, wie diese Arbeit im Detail aufgebaut ist und die Ziele werden
definiert. Dafür werden die Forschungsfragen genau erläutert und die Methodik zur Erhebung
von Informationen beschrieben.

Im Abschnitt drei stehen die theoretischen und rechtlichen Grundlagen zur E-Demokratie,
zum E-Voting und allgemein zu Wahlen als demokratisches System im Fokus. Die Grundsätze
des Wahlrechts in Österreich bilden den Abschluss zum rechtlichen Aspekt.

In Kapitel vier wird speziell die Thematik der Internet-Wahlen sowie die dazugehörigen
Anforderungen auf demokratietheoretischer als auch auf sicherheitstechnischer Ebene
behandelt.         Die     Risiken   und   Gefahren   von   Angriffen   und    verschiedene
Verschlüsselungssysteme bilden weiteren Informationsgehalt in diesem Abschnitt.

In Kapitel fünf wird speziell auf Best Practice Beispiele aus anderen Ländern wie Estland und
Schweiz eingegangen und mögliche Vergleiche zu Österreich gezogen.

Unter Punkt sechs sind die Umsetzung von E-Voting in Österreich sowie Erfahrungen aus
bisherigen Wahltests hauptsächliche Bestandteile. Dabei wird versucht, die Forschungsfragen

5
    vgl. ris.bka.gv.at (2017)

                                                                                           2
E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
zu beantworten beziehungsweise die Risiken und Chancen bei der Einführung von E-Voting
in Österreich darzulegen.

2.1. Forschungsfragen

Es stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, das bestehende Wahlsystem mit
moderneren Abstimmungsmethoden zu ergänzen oder völlig neu zu konzipieren?

Ist es möglich, dass in Österreich durch die Einführung von E-Voting die Stimmabgabe auch
online ermöglicht wird?
Wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dazu geschaffen werden oder gegeben sein?

Welche gesetzlichen Änderungen sind dazu notwendig, um die Stimmabgabe via Internet zu
legalisieren?
Welche Risiken oder Chancen ergeben sich dadurch?
Könnte dadurch eine Steigerung der Wahlbeteiligung erwartet werden?

Diese Fragen werden in der folgenden Ausarbeitung behandelt und mögliche Schritte zur
Einführung von E-Voting in Österreich erarbeitet.

2.2. Methodik

Grundsätzlich wird in theorie- und praxisbezogenen Methoden vorgegangen. Als theoretischen
Hintergrund werden einschlägige Fachzeitschriften, Pressetexte und literarische Berichte zu
diesem   Thema     als    Literatur   zur   Wissensbeschaffung   herangezogen.   Hinsichtlich
praxisbezogener Methoden bildet die Teilnahme an einer Arbeitskreissitzung zum Thema
E-Demokratie und E-Voting im Bundeskanzleramt in Wien am 13.03.2017 mit Experten aus
diesem Fachgebiet eine Grundlage dieser Arbeit. Des Weiteren wurden Interviews mit einem
Experten aus dem Bereich E-Demokratie, Dr. Robert Krimmer, Professor of E-Government
und mit dem stellvertretenden Leiter der Abteilung III/6, Wahlangelegenheiten im
Bundesministerium für Inneres, Mag. Gregor Wenda, MBA, geführt. Die Erfahrungswerte
dieser genannten Personen werden auch in dieser Arbeit berücksichtigt.

Um die politische Stellung zum Thema E-Voting zu eruieren, wurden drei Interviews mit
Politikern aus Bundes-, Landes- und Gemeindepolitik durchgeführt. Auch auf die

                                                                                           3
unterschiedliche Parteizugehörigkeit wurde dabei geachtet. Es konnten Ex-Vizekanzler Dr.
Reinhold Mitterlehner (ÖVP) aus der Bundespolitik, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred
Haimbuchner (FPÖ) aus der Landespolitik und Bürgermeister aus Ansfelden, Manfred
Baumberger (SPÖ) aus der Kommunalpolitik, zu einem Interview gewonnen werden.

3. Theoretische Grundlagen
Unter dieser Rubrik werden die theoretischen Grundlagen zu E-Government und speziell zu
E-Voting und E-Demokratie aufgezeigt. Zusätzlich werden Aspekte zu Wahlen als
demokratisches Instrument und deren Bedeutung, Funktion und Grundlagen zur Stimmabgabe
behandelt.

3.1. E-Government

Auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger und im öffentlichen Diskurs wird E-Government häufig
als Synonym für einen modernen und innovativen Staat genannt, in dem die Kommunikation
und Organisation einfacher, besser und schneller erfolgt. Im weiteren Sinne versteht man
darunter Prozesse zur Information, Kommunikation und Transaktion innerhalb von Politik und
Verwaltung und insbesondere die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürger durch den
Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationstechniken (IKT). Von Vertretern im
akademischen Diskurs wird eine Anreicherung des klassischen E-Government durch
demokratische Elemente gefordert. So soll zum Beispiel beim Design von E-Government-
Lösungen darauf geachtet werden, demokratische Elemente zu berücksichtigen und
Informationsdesign eng mit demokratischer Theorie zu verknüpfen.6

Entsprechend der Auffassung von Schedler/Summermatter/Schmidt lässt sich der Begriff des
E-Governments wie folgt beschreiben:
„Electronic Government ist eine Organisationsform des Staates, welche die Interaktionen und
Wechselbeziehungen zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern, privaten
Unternehmungen, Kunden und öffentlichen Institutionen durch den Einsatz von modernen
Informations- und Kommunikationstechnologien integriert.“7

6
    vgl. Ringler u.a. (2013), 30
7
    Scheldler/Summermatter/Schmidt (2003), 6 zit. Nach Schedl/Proeller (2011), 267

                                                                                         4
E-Government als Forschungsfeld ist ein Bereich der Verwaltungsinformatik, grenzt aber an
viele andere Fachrichtungen, wie Kommunikationswissenschaft, Psychologie oder Politik- und
Sozialwissenschaft etc. an. Neben der Untersuchung technischer Aspekte, beispielsweise der
Bereitstellung von Softwarelösungen mit entsprechender Datensicherheit und der Schaffung
von Interoperabilität zwischen den Institutionen, geht es also um die Untersuchung der
Nutzung von E-Government-Angeboten und deren Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger
sowie im weiteren Sinne auf die Gesellschaft. Betrachtet man E-Government als Verwaltungs-
und Organisationsprinzip, bedeutet es entlang der Informations-Revolution durch IKT eine
grundlegende Transformation des öffentlichen Sektors.

Das Ziel in der Umsetzung von E-Government ist, effektive Lösungen zu erarbeiten. IKT
werden in diesem Zusammenhang als Mittel betrachtet, das es öffentlichen und Regierungs-
Institutionen ermöglichen soll, neue Technologien kreativ zu nutzen, mit dem erklärten Ziel,
die Kluft zwischen fragmentierten politischen Strukturen und den neuen Bedürfnissen der
Bürgerinnen und Bürger zu schließen. Die Annahme hierbei ist, dass es ein wachsendes,
stärkeres Bedürfnis nach besserem Zugang zu Informationen sowie nach Koordinierung von
Services auf allen Ebenen gibt. Der angenommene Endpunkt von E-Government ist ein
„virtueller Staat“, der es Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, auf Informationen von überall her
zuzugreifen und Services elektronisch auszuführen. Dies bedeutet auch, dass bisher gültige
institutionelle Theorien und örtliche Zuständigkeiten dadurch herausgefordert und aufgelöst
werden.8

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Das Kernstück des rechtlichen Rahmens zur Umsetzung eines nachhaltigen E-Governments
bildet das E-Government-Gesetz, welches mit 1. März 2004 in Kraft getreten ist. Das Gesetz
bildet die rechtliche Basis für den Einsatz von E-Government-Instrumenten und -Bausteinen.
Ein wesentlicher Bestandteil der Regelungen bildet die Bürgerkarte in Form der elektronischen
Signatur.9 Auch Regelungen über die Identifikation und Authentizität in der elektronischen
Kommunikationsform sind Inhalt dieses Gesetzes.10

8 vgl. Ringler u.a. (2013), 31
9 vgl. Digitales Österreich: E-Government-Gesetz (2017)
10 vgl. §3 E-GovG 2004

                                                                                           5
3.2. E-Demokratie und E-Voting

Der Ausgangspunkt für E-Demokratie und E-Voting ist die Demokratie an sich, auf deren
Definition im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird. Eine systemische Einordnung der
verwendeten Begrifflichkeiten in Zusammenhang mit E-Government bzw. E-Demokratie findet
sich im Wiki der Österreichischen Computergesellschaft.11 Diese Einordnung stellt sich in
grafischer Form wie folgt dar:

Abbildung 1: Einordnung der Begriffe E-Government, E-Demokratie, E-Partizipation und
                 E-Voting12

Die in der Grafik dunkelblau hervorgehobenen Begrifflichkeiten sind relevant für diese Arbeit
und werden nachfolgend näher erläutert.

11
     vgl. Österreichische Computergesellschaft OCG (2017)
12
     Abb. verändert entnommen aus: Österreichische Computergesellschaft OCG (2017)

                                                                                           6
E-Government ist der Überbegriff für die elektronische staatliche Verwaltung und somit über
alle Formen der elektronischen Interaktion zwischen Staat und Bürger. Die genaue Definition
von E-Government wird im Kapitel 3.1. erläutert.

E-Demokratie         bezeichnet      den    Einsatz   elektronischer   Kommunikationsformen   im
Zusammenhang mit demokratischen Prozessen. Hier ist die Bürgerin oder der Bürger nicht
wie bei den anderen Bereichen des E-Governments als Kundin oder Kunde der Verwaltung,
sondern als stimmberechtigte Bürgerin oder Bürger im Sinne des Souveräns des Staates
angesprochen.13 E-Demokratie ist also die elektronische Unterstützung demokratischer
Prozesse und Institutionen in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung, insbesondere
unter Nutzung der spezifischen Potentiale neuer Medien und Netzwerke, mit der Intention,
demokratische Prinzipien zu fördern und zu vertiefen.14

Unter E-Partizipation / E-Bürgerbeteiligung werden jene Elemente der Bürgerbeteiligung
betrachtet, die eine aktive Teilhabe an politischen Diskurs- und Entscheidungsprozessen
mithilfe von elektronischen Medien wie dem Internet ermöglichen.15

E-Voting stellt eine spezielle Untergruppe der E-Partizipation dar (siehe Abbildung 1). Von E-
Voting im Allgemeinen kann gesprochen werden, wenn zumindest für die Durchführung eines
der drei Prozesse der Wähleridentifizierung, die Stimmabgabe und/oder die Stimmauszählung
elektronische Hilfsmittel verwendet werden.16 E-Voting umfasst also jegliche Art von
Bürgerinitiativen, Bürgerbefragungen, Abstimmungen oder Wahlen, bei denen elektronische
Medien eingesetzt werden. Für die Durchführung von E-Voting werden verschiedenste
Technologien verwendet. Diese werden im nächsten Abschnitt näher beschrieben.

3.3. E-Voting Technologien

E-Voting-Technologien sind jene Systeme, die Distanzwahlen über das Internet (oder andere
Medien) ermöglichen und dabei die bestehenden Prozesse abbilden. Der Prozess umfasst
einen identifizierten Vorgang und zwei anonyme Schritte: Erstens, die Beantragung einer
elektronischen Wahlkarte (identifiziert), zweitens, die Stimmabgabe und drittens, die
Speicherung und Auszählung der Stimmen.17 Die E-Voting-Technologie ist also definiert als

13
   vgl. Biber (2002), 180 ff.
14
   vgl. Parycek (2005)
15
   vgl. Initiative E-Partizipation (2004)
16
   vgl. Krimmer (2002)
17
   vgl. Braun/Prosser/Krimmer (2003)

                                                                                              7
die Technik, die für die Durchführung von E-Voting eingesetzt wird und stellt einen Überbegriff
über eine Reihe von verwendeten Technologien dar.

Dabei umfasst der Begriff E-Voting sowohl, wie in obiger Definition beschrieben, Distanzwahl-
Technologien wie zum Beispiel das Internet, als auch elektronische Wahlterminals im
Wahllokal. Die einzelnen Technologien sind insofern sehr interessant, weil die Technologie
sozusagen       das   „Endgerät“   bzw.   das      Interface   für   den   Benutzer   darstellt   und
E-Voting daher auch oft mit den verwendeten Technologien direkt assoziiert wird.

E-Counting ist die erste und einfachste Form der E-Voting-Technologien. Dieser Begriff
bezieht sich auf die reine Auszählung der auf traditionellem Wege abgegebenen Stimmen mit
elektronischen Mitteln. Diese Geräte sind in Teilen der Schweiz im Einsatz.18

                            Abbildung 2: Zählmaschine für Wahlzettel19

Electronic Machine voting (eMv) ist die zweite Technologie, die für E-Voting eingesetzt wird.
Dabei werden explizit Maschinen zur Abgabe und Sammlung der Stimmen verwendet. Diese
Maschinen können unterschiedlich gestaltet und an unterschiedlichsten Orten, wie zum
Beispiel in Wahllokalen, Einkaufszentren oder an öffentlichen Plätzen aufgestellt sein.

18
     vgl. Luzerner Zeitung (2017)
19
     Abb. entnommen aus: Luzerner Zeitung (2017)

                                                                                                   8
Abbildung 3: Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland bei der Bundestagswahl 200520

Remote Voting by Electronic Means (RVEM) ist die dritte Form von E-Voting. Diese
beinhaltet mehrere Technologien, die es ermöglichen, aus der Ferne zu wählen. Die vier meist
gebrauchten RVEM-Technologien sind im Folgenden grafisch dargestellt und erläutert:

Abbildung 4: Arten von E-Voting und verwendete Technologien21

20
     Abb. entnommen aus: Polyas (2017)
21
     Abb. entnommen aus: Heppner (2004)

                                                                                           9
   Beim telephone-voting werden Telefone mit Tonwahl zur Abgabe der Stimme genutzt.
           Es können dabei sowohl Festnetz- also auch Mobiltelefone verwendet werden.

          Beim SMS-voting wird der Short Message Service (SMS) von Mobiltelefonen zur
           Abgabe der Stimmen genutzt.

          Interactive Digital Television Voting (iDTV) verwendet die interaktiven Möglichkeiten
           der aufkommenden digitalen TV Technologien, um die Stimme mittels des digitalen
           Fernsehsets abzugeben.

          Internet-Voting (I-Voting) ermöglicht es der Wählerin oder dem Wähler mittels des
           bestehenden Internets, von überall auf der Welt und von den verschiedensten
           Endgeräten aus seine Stimme abzugeben.

Die I-Voting Technologie, in obiger Grafik rot hervorgehoben, ist die in der aktuellen
Entwicklung interessanteste Technologie, da das Internet die technologisch sicherste Materie
darstellt und gleichzeitig durch seine Verbreitung und sein schnelles Wachstum das höchste
Potential für E-Voting eröffnet.

3.4. Wahlen als wesentliche Grundlage des demokratischen Systems

In diesem Abschnitt wird näher auf die geschichtliche Entwicklung sowie auf die Funktionen
und die Bedeutung von Wahlen eingegangen.

3.4.1. Historische Entwicklung des Wahlrechts

Im Jahr 1873 wurde erstmals die direkte Wahl der Abgeordneten, ohne Umweg über die
Landtage eingeführt, wobei das Zensuswahlrecht bestehen blieb. In den Kurien der
Landgemeinden wurden die Abgeordneten weiterhin indirekt durch Wahlmänner gewählt.22
Vierzehn Jahre danach entwickelte sich das Kurienwahlrecht dahingehend, dass sich die
allgemeine Wählerklasse beteiligen konnte. Dies wurde als Badenische Wahlreform
bezeichnet. Mit der Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts für Männer auf der
parlamentarischen Ebene im Jahr 1907 (Beck'sche Wahlrechtsreform) wurde das

22
     vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017)

                                                                                             10
Kurienwahlrecht aufgehoben. Viele Wählerinnen und Wähler ergriffen im Zuge dieser
politischen Umstrukturierungen im ersten Weltkrieg die Möglichkeit, das demokratische
Wahlrecht auszuüben.23

Mit der Revolution von 1918 und dem Erlass der Oktoberverfassung wurde Österreich zu einer
demokratischen Republik. In der österreichischen Verfassung wird seitdem festgeschrieben:
"Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."24 Durch diese
Entwicklung bot sich der Demokratie die Gelegenheit das Frauenwahlrecht einzuführen.
Seitdem beruht das Wahlrecht auf der Verhältniswahl und auf dem allgemeinen, gleichen,
direkten und geheimen Stimmrecht aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ohne
Unterschied des Geschlechts.25

Diese neu gewonnene Freiheit in der Mitbestimmung durch die Bürgerinnen und Bürger hielt
nicht lange an. In den Jahren des autoritären Ständestaats im Zeitraum 1933 bis 1938, wie
auch in der anschließend herrschenden nationalsozialistischen Besetzung im Zeitraum 1938
bis 1945 wurden die bundesweiten Wahlen aufgehoben.

Mit   Errichtung   der    zweiten   Republik     im Jahr       1945   waren die    österreichischen
Staatsbürgerinnen und Staatsbürger erneut berechtigt, ein Parlament und eine damit
einhergehende Volksvertretung zu wählen. Das Wahlrecht knüpfte an jenes der ersten
Republik an, welches sich an dem Listen- und Verhältniswahlrecht orientierte.26 Die
Wahlkreise werden bei einer Verhältniswahl derart bemessen, dass in jedem Wahlkreis
mehrere Mandate im Verhältnis zu den Stimmabgaben zu vergeben sind. Die Kandidatinnen
und Kandidaten dürfen folgedessen nicht als Person, sondern im Rahmen einer Liste
kandidieren. Aus diesem Grund ist eine Verhältniswahl eine Listenwahl, bei welcher
Wählerinnen und Wähler nicht eine einzelne Person, sondern eine Liste (Gruppe) aus
Personen wählen, welche gemeinsam als Wahlpartei auftreten.27

Seit der Gründung der zweiten Republik gab es in Österreich keine einschneidenden
Veränderungen       des    Grundwahlrechts.       Im    Jahr     1990   konnten    sich   erstmalig
Auslandsösterreicherinnen        und     Auslandsösterreicher,        das   sind    österreichische
Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, deren Hauptwohnsitz im Ausland liegt, an der Wahl

23
   vgl. Aydogdu/Böhm (2017)
24
   vgl. Binder/Trauner (2016), 24
25
   vgl. Demokratiezentrum Wien (2017)
26
   vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017)
27
   vgl. Binder/Trauner (2016), 27

                                                                                                11
beteiligen. Des Weiteren setzte sich in diesem Jahr die österreichische Regierung dafür ein,
Verbesserungen für Menschen mit Beeinträchtigungen zu schaffen.28

Eine wesentliche Änderung fand im Jahr 2007 statt, nach dieser die Wählerinnen und Wähler
erstmalig im Jahr 2008 die Möglichkeit hatten mittels Briefwahl und mit einem Wahlalter von
16 Jahren an der Wahl teilzunehmen.29 Mithilfe der Briefwahl wird einerseits die stark
steigende Mobilität unserer Gesellschaft unterstützt und andererseits erleichtert diese
Wahlmethode die Stimmabgabe für Menschen mit Beeinträchtigung und kranke Menschen.30

Durch die Briefwahl haben Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, den ihnen zur Verfügung
gestellten Papierstimmzettel an einem von ihnen gewählten Ort auszufüllen. Dabei sind sie
nicht verpflichtet ein Wahllokal persönlich aufzusuchen, sondern können vor dem eigentlichen
Wahltag ihre Stimme abgeben.31 Darüber hinaus wurden im Jahr 2007 erste Elemente des
Persönlichkeitswahlrechts eingeführt. Wählerinnen und Wähler sind seither berechtigt
Vorzugsstimmen der Direktmandate zu vergeben und können damit auf parteiinterne
Listenreihungen Einfluss nehmen.32

Die Briefwahl und dessen Einführung können als Grundlage zur Weiterentwicklung des
Wahlrechts zu einer digitalen und zeitgemäßen Lösung dienen. Im Vergleich zu anderen
Ländern wurde in Österreich die Möglichkeit der Briefwahl entsprechend spät eingeführt.
Beispielsweise wurde in Deutschland das Recht zur Briefwahl bereits im Jahr 1956 verankert
und in der Schweiz konnte im Jahr 1991 mittels Post die Wahlstimme übermittelt werden.33
Die Briefwahl zählt, wie auch die neu diskutierte Wahlmethode E-Voting, zur Distanzwahl.34

3.4.2. Funktion und Bedeutung von Wahlen

Politische Wahlen stellen in Österreich das Prinzip der Volksrepräsentation dar, worin Wahlen
ein unverzichtbarer Teil jeder parlamentarischen Demokratie sind. Die Bürgerinnen und Bürger
wählen in regelmäßigen Abständen ein Repräsentativorgan auf Bundes-, Landes- und
Gemeindeebene. Die Hauptaufgabe von Wahlen besteht in der Herstellung von
Repräsentation und Legitimität. Letzteres wird dabei als grundsätzliche Zustimmung der

28
   vgl. Aydogdu/Böhm (2017)
29
   vgl. Aydogdu/Böhm (2017)
30
   vgl. Falb (2008), 140
31
   vgl. Volkamer/Krimmer (2006), 100
32
   vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017)
33
   vgl. Volkamer (2008), 13
34
   vgl. Volkamer/Krimmer (2006), 101

                                                                                          12
Bevölkerung zu Grundformen und Akteuren des politischen Systems interpretiert. Nur durch
Wahlen kann bestimmt werden, wer und in welcher Stärke der oder diejenige den Willen der
Wählerinnen und Wähler repräsentieren soll und damit zum Beispiel die Legitimität besitzt, die
Regierung zu stellen. Wahlen dienen damit auch der Neuverteilung von politischer Macht.
Wesentliches Merkmal demokratischer Wahlen ist auch ihre Regelmäßigkeit, denn in einer
Demokratie wir Macht nur auf bestimmte Zeit verliehen.35

Unter einem aktiven Wahlrecht wird das Recht zu wählen verstanden. Wahlberechtigt sind
österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, sofern diese nicht aufgrund einer
gerichtlichen Verurteilung vom Wahlrecht ausgeschlossen sind oder unter einer bestimmten
Altersgrenze liegen. Zu Bundespräsidenten-, Nationalrats-, Landtags-, Gemeinderats- und
Bürgermeisterwahlen sowie Europawahlen sind all jene Personen wahlberechtigt, die am
Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben.36

Das passive Wahlrecht ist das Recht, für eine Wahl zu kandidieren. Personen, welche sich
als Kandidatin oder Kandidat für eine Wahl aufstellen lassen, sind wahlberechtigte
österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ab einem bestimmten Alter. Für
Bundespräsidentenwahlen gilt die Aufstellung als Kandidatin oder Kandidat für Personen ab
dem vollendeten 35. Lebensjahr bis zum Wahltag. Kandidatinnen und Kandidaten für
Nationalrats-, Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen oder Europawahlen
müssen bis zum Wahltag das vollendete 18. Lebensjahr erreicht haben.37

Wahlen erfüllen in demokratischen Systemen folgende sieben zentrale Funktionen:38

1. Wettbewerb
Ein kompetitiver Charakter ist in politischen Entscheidungsprozessen demokratischer
Systeme zentral. Bei Wahlen handelt es sich zum einen um einen Wettbewerb zwischen den
Personen    und    Organisationen        und   zum   anderen   um   einen   Wettbewerb    der
(programmmäßigen) Inhalte.

2. Politische Herrschaftsträger
Mittels einer Wahl werden politische Körperschaften gebildet bzw. einzelne Personen für
bestimmte politische Ämter und Funktionen direkt oder indirekt bestellt. Den gewählten

35
   vgl. Demokratiezentrum Wien (2017)
36
   vgl. Holzinger/Kommenda (2013), 154
37
   vgl. Holzinger/Kommenda (2013), 154
38
   vgl. De Nève (2009), 45-46

                                                                                           13
Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträgern werden für einen begrenzten Zeitraum
spezifische Aufgaben, Pflichten sowie Kompetenzen und Rechte übertragen.

3. Entscheidungsfindung
Bei Wahlen werden sowohl personelle als auch (indirekt) inhaltliche Entscheidungen gefällt.
Durch die Stimmabgabe der Wählerinnen und Wähler wird ihr Wille sichtbar und es entsteht
die Möglichkeit direkten Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen.

4. Repräsentation
Wählerinnen       und    Wähler     sind     nicht    unmittelbar   an   konkreten     politischen
Entscheidungsprozessen beteiligt.          Die gewählten Parteien vertreten einerseits die
Wählerinnen und Wähler als sozialstrukturelle Gruppe (deskriptive Repräsentation) und
fungieren andererseits als Vertreterinnen und Vertreter spezifischer Interessen, Präferenzen
und Einstellungen (substanzielle Repräsentation).

5. Legitimation
Politische Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträger werden im Zuge der Wahl als legitim
und demokratisch anerkannt. Dies betrifft ebenso die politischen Entscheidungen.

6. Partizipation und Integration
Eine Wahl bietet die Gelegenheit, Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen und diese in politische
Entscheidungsprozesse zu integrieren. Dies gilt für die im Wettbewerb siegreiche Mehrheit,
als auch für die partizipierenden Minderheiten. Folglich besitzen Wahlen eine gesellschaftlich
und politisch wichtige Integrationsfunktion.

7. Kontrolle
Nach Ablauf einer Wahlperiode beeinflussen Bürgerinnen und Bürger durch Nichtwahl,
Abgabe einer ungültigen Stimme oder Abgabe einer konkreten Stimme für bestimmte
Kandidatinnen und Kandidaten, Listen oder Parteien das Wahlergebnis. Auf diese Weise sind
Wahlen ein Instrument, um frühere Entscheidungen und Entwicklungen zu korrigieren, die
bisherigen     politischen   Herrschaftsträgerinnen     und   Herrschaftsträger   zu   bestätigen,
abzuwählen bzw. sich für neue Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträger zu entscheiden.
Demnach erfüllen Wahlen eine Kontrollfunktion.

                                                                                               14
3.4.3. Grundsätze von Wahlen und Abstimmungen

Im Folgenden wird auf die einzelnen Wahlrechtsgrundsätze in Österreich, welche in der
österreichischen Bundesverfassung (B-VG) verankert sind, näher eingegangen:39

Allgemeines Wahlrecht
Alle österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben das Recht, zu wählen
(aktives Wahlrecht) und gewählt zu werden (passives Wahlrecht), sobald sie das Wahlalter
erreicht      haben     -   unabhängig      von    Geschlecht,   Klasse,   Besitz,   Bildung   und
Religionszugehörigkeit.

Gleiches Wahlrecht
Alle Wählerinnen und Wähler haben mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das
Wahlergebnis. Niemand darf etwa auf Grund höherer Steuerleistung oder mehreren
Wohnsitzen über mehrere Stimmen verfügen.

Unmittelbares Wahlrecht
Alle Wahlberechtigten können die Abgeordneten zum Nationalrat direkt und ohne Umweg
wählen. Ein Wahlmännersystem wie in den USA ist damit ausgeschlossen.

Persönliches Wahlrecht
Die Wählerinnen und Wähler geben ihre Stimme persönlich vor einer Wahlbehörde oder vor
einem mit der Abwicklung der Wahl betrauten Staatsorgan ab. Bei der Briefwahl muss die
Bürgerin oder der Bürger eidesstattlich erklären, dass sie bzw. er den Stimmzettel persönlich,
unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Niemand darf eine stellvertretende Person zur
Wahl entsenden.

Geheimes Wahlrecht
Wer welche Kandidatin oder Kandidaten wählt, muss geheim sein. Das geheime Wahlrecht
garantiert, dass Wählerinnen und Wähler ihre Stimme unbeobachtet abgeben können.
Angekreuzt wird in abgeschirmten Wahlzellen und anschließend wird der Stimmzettel in einem
unbeschrifteten Kuvert in die Wahlurne eingeworfen. So ist die Wahlentscheidung Einzelner
bei der Auszählung der Stimmen nicht mehr nachvollziehbar.

39
     vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017)

                                                                                               15
Freies Wahlrecht
Die Wählerinnen und Wähler dürfen völlig frei entscheiden und sollen keinesfalls durch Zwang
oder Druck in ihrer Wahl beeinträchtigt werden. Entsprechende Bestimmungen im
Strafgesetzbuch sollen diesen Grundsatz absichern. Das freie Wahlrecht hängt eng mit dem
geheimen Wahlrecht zusammen.

4. Anforderung an E-Voting
Unter diesem Kapitel werden die Erwartungen an E-Voting, die Anforderungen aus
verschiedenen Sichtweisen sowie die Vor- und Nachteile der elektronischen Distanzwahl
betrachtet.

4.1. Erwartungen an E-Voting

Bei dem Gedanken an eine Einführung von E-Voting werden von verschiedenen
Interessensgruppen auch unterschiedliche Ziele verfolgt.40 Grundsätzlich gilt, dass
internetbasierte Lösungen immer mehr an Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger
gewinnen.41

Karger beschreibt die Ziele von E-Voting folgendermaßen:42

Mobilitätsgewinn für Wählerinnen und Wähler: Online-Wahlen sollen ein modernes und
komfortables Verfahren bieten, durch das eine Wahl am Wahltag, auch ohne Anwesenheit am
Wohnort, möglich sein soll. Durch die Briefwahl ist aufgrund der Postlaufzeiten eine
fristgerechte Stimmenabgabe nicht immer gewährleistet. Auf kurzfristig eintretende
wahlentscheidende Faktoren könnte mithilfe von E-Voting reagiert werden.

Barrierefreiheit: Durch den Einsatz elektronischer Wahlverfahren soll Menschen mit
Beeinträchtigungen das eigenständige Wählen vereinfacht bzw. ermöglicht werden.

40
   vgl. Karger (2003), 17
41
   vgl. Meier (2009), 52
42
   vgl. Karger (2003), 18

                                                                                         16
Entlastung der Wahlbehörden: Durch den Einsatz von Technik werden die Wahlbehörden
entlastet und die Motivation von ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern erhöht.
Auch das Auszählen von Stimmen wird durch den Einsatz von E-Voting erleichtert.

Ungültige Stimmen: Ein weiteres Ziel ist es, die Zahl der ungewollt ungültigen Stimmen zu
senken. In Deutschland hat der Einsatz von herkömmlichen Wahlgeräten gezeigt, dass der
Einsatz von Technik die Zahl der ungewollt ungültigen Stimmen reduzieren kann. Die gewollt
ungültige Stimmabgabe muss aber auch beim Einsatz von E-Voting weiterhin möglich sein.

Steigerung der Wahlbeteiligung: Mit E-Voting wird auch die Hoffnung verbunden, dass die
im langjährigen Durchschnitt sinkende Wahlbeteiligung stabilisiert bzw. sogar erhöht werden
kann.

Für Wählerinnen und Wähler kann es unter anderem auch vorteilhaft sein, dass zusätzlich zur
Stimmabgabe viele interessante Informationen zur Wahl zur Verfügung gestellt oder auch
online Entscheidungshilfen angeboten werden. Ein solches System kann demnach auch als
ein wichtiges Instrument für die Veröffentlichung von Ergebnissen dienen.43

Allerdings bringt die Einführung von E-Voting auch erhebliche Anforderungen mit sich.
Weltweit existieren viele Überlegungen, welche Anforderungen ein Online-Wahlsystem
erfüllen soll.

4.2. Verfassungsrechtliche Anforderungen

Aufgrund der unter Kapitel 3.4.3 erläuterten Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren,
gleichen, persönlichen, freien und geheimen Wahl, ergeben sich daraus folgende spezifische
Anforderungen für das E-Voting:44

Anforderung des Grundsatzes zur Allgemeinen Wahl
Das Prinzip der allgemeinen Wahl fordert, dass grundsätzlich alle Staatsbürgerinnen und
Staatsbürger das Recht zur Teilnahme an der Wahl haben. Im Fall des „echten“ E-Votings,
welches der folgenden Überlegungen zugrunde liegt, kann die Wählerin oder der Wähler seine
Stimme von jedem Ort aus abgeben. Eine Ortsgebundenheit an des Wohllokal entfällt somit.
Diese Vereinfachung der Wahlteilnahme könnte, insbesondere dort wo es keine Briefwahl gibt,

43
     vgl. Meier (2009), 55
44
     vgl. Heindl (2003), 24

                                                                                        17
zu einer höheren Wahlbeteiligung führen und damit den Grundsatz der allgemeinen Wahl
stärken.

Der Vereinfachung der Wahlteilnahme für einzelne Gruppen – vor allem mobile sowie jüngere
und technisch versierte Menschen – steht aber die Gefahr des Ausschlusses anderer
Bevölkerungsgruppen gegenüber. Auch bei einem möglichst einfachen und leicht zu
bedienenden elektronischen Wahlsystem werden ältere und an die neuen Medien nicht
gewöhnte Menschen faktisch ausgeschlossen. Der Grundsatz der allgemeinen Wahl erfordert
also, dass E-Voting lediglich als zusätzliche Alternative zur traditionellen Form der
Stimmabgabe eingesetzt werden kann, solange nicht der Zugang zum technischen System
und die Befähigung damit umzugehen für alle Bevölkerungsgruppen gegeben ist.

Anforderung des Grundsatzes zur unmittelbaren Wahl
Unmittelbarkeit der Wahl bedeutet, dass die Wählerinnen und Wähler die Person, die sie
wählen wollen, selbst bezeichnen – ein Wahlmännersystem ist somit ausgeschlossen. Ein
elektronisches Wahlverfahren müsste folglich sicherstellen, dass die elektronisch abgegebene
Stimme, gleich wie bei der Urnenwahl, direkt in die Stimmauswertung einfließt.

Anforderung des Grundsatzes zur gleichen Wahl
Unter Gleichheit der Wahl ist zu verstehen, dass jeder Wählerin und jedem Wähler ein gleiches
Maß an Mitbestimmung zukommt. Demnach sind alle gültigen Stimmen gleich zu gewichten
und müssen gleichen Einfluss auf das Wahlresultat haben.

Daraus ergeben sich für die technische Ausgestaltung eines E-Voting Systems mehrere
Anforderungen. Zum einen ist auch bei elektronischer Wahl sicherzustellen, dass nur
wahlberechtigte Personen wählen können und eine doppelte Stimmabgabe bzw. eine
Stimmabgabe durch nicht Wahlberechtigte somit ausgeschlossen ist. Weiters muss das
technische Wahlsystem garantieren, dass die Wahlentscheidung unverfälscht die zentrale
Auswertung erreicht und während der Datenübertragung nicht verändert werden kann. Eine
genauere Betrachtung dieser sicherheitstechnischen Thematik erfolgt unter Punkt 4.3.

Der Grundsatz der gleichen Wahl besagt auch, dass bei elektronischen Wahlprozessen die
Abgabe von ungültigen Stimmen sowie fehlerhaften Wahlentscheidungen weiterhin möglich
sein muss. Denn dieser Grundsatz der gleichen Wahl verbietet jeden zusätzlichen Schutz vor
fehlerhafter Stimmabgabe. Auch einen Schutz vor übereilter Stimmabgabe hat ein
elektronisches System vorzusehen.

                                                                                          18
Anforderung der Grundsätze zur freien, geheimen und persönlichen Wahl
Die größten Herausforderungen für E-Voting leiten sich aus den Grundsätzen der freien,
geheimen und persönlichen Wahl ab. Unter Freiheit der Wahl ist zu verstehen, dass die
Wahlentscheidung unverfälscht und frei von Zwang abzugeben ist. Der Grundsatz der
geheimen Wahl erfordert, dass die Stimmabgabe in einer für die Wahlbehörde und die
Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weisen erfolgen muss, wobei der Staat wirksame
Vorkehrungen zur Geheimhaltung des Wahlverhaltens der einzelnen Wählerin und des
einzelnen Wählers zu treffen hat. Persönlichkeit der Wahl bedeutet schließlich, dass die Wahl
durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen hat.

Das Schlüsselproblem des E-Votings stellt die Wahrung der Anonymität der Wählerin bzw.
des Wählers bei gleichzeitiger Authentizität der Stimme dar. Der Grundsatz des geheimen
Wahlrechts erfordert für das elektronische Wahlsystem, dass jeder Rückschluss von der
einzelnen Stimme auf die Wählerin oder den Wähler bei der Wahlauswertung ausgeschlossen
ist. Die Identifikation der Wählerin und des Wählers muss daher von der Auswertung des
Stimmzettels strikt getrennt sein. Um das Wahlgeheimnis auch tatsächlich wahren zu können,
muss zusätzlich sichergestellt sein, dass die tatsächlich elektronisch abgegebenen Stimmen
eine gewisse Mindestanzahl erreichen.45

Wahlanfechtung und Wahlbehörden
Aus der in Art 141 B-VG vorgesehenen Möglichkeit der nachträglichen Wahlanfechtung folgt,
dass die Wahldaten auch nach der Auszählung der Stimmen gespeichert werden müssen, um
eine Überprüfung der Stimmenauszählung zu ermöglichen. Gleichzeitig ist aber gemäß dem
Grundsatz des geheimen Wahlrechts sicherzustellen, dass die konkrete Stimme nicht auf die
Wählerin oder den Wähler zurückzuführen ist. Das elektronische Wahlsystem hat also die
Nachvollziehbarkeit des Wahlvorgangs bei gleichzeitiger Unmöglichkeit der Rückführung der
Stimme auf die Wählerin oder den Wähler zu gewährleisten.

Bei der traditionellen Form der Wahl erfolgt die Kontrolle des Verfahrens der Stimmabgabe
und der Stimmauszählung durch Wahlkommissionen, denen Vertreter der wahlwerbenden
Parteien angehören. Da diese Wahlbehörden verfassungsrechtlich46 zur Durchführung und
Leitung der Wahl und damit auch zur Kontrolle über die Stimmauszählung berufen sind, muss
ihnen diese Möglichkeit auch bei elektronischer Stimmauszählung zukommen.

45
     vgl. Heindl (2003), 25
46
     vgl. Art. 26 Abs. 6 erster Satz B-VG iVm § 6 ff Nationalrats-Wahlordnung 1992

                                                                                          19
4.3. Internetnutzung - Digital Divide

Eine Grundvoraussetzung für den Einsatz von E-Voting stellt die Verfügbarkeit des Internets
dar. Trotz bundesweite Initiativen für den Breitbandausbau und zunehmend dichter
Infrastruktur gibt es dennoch einige Haushalte in Österreich, die über keinen Internetanschluss
verfügen.47 Dies stellt eine Ungleichheit des Verhältnisses der Nutzerinnen und Nutzern zu
Nichtnutzerinnen und Nichtnutzern dar. Jedoch ist der technische Zugang nicht das einzige
Problem. Unter dem Begriff „digitaler Spaltung“ (digital divide) verbergen sich weitere
Dimensionen des Zugangs.48

Motivation
Ein wichtiger Faktor stellt die Motivation, den Zugang zum Internet zu suchen, dar. Dem
möglichen Nutzen einer Internetverbindung, wie zum Beispiel Komfort, Zugang zu
Informationen oder Möglichkeiten zu Kommunikation und Partizipation steht eine Reihe von
Faktoren gegenüber, die gegen eine Nutzung sprechen, wie beispielsweise die Kosten, die
Notwendigkeit oder der Aufwand, die nötigen Fähigkeiten für die Nutzung zu erlernen. Man
geht heute davon aus, dass es einen Sockelanteil an Menschen gibt, die aus freien Stücken
das Internet nicht nutzen wollen. Zu den wichtigen Gründen werden hier die nicht gefühlte
Notwendigkeit eines Zugangs, kulturelle Einstellungen oder Technikangst gezählt.49

Kompetenzen
Die notwendigen Kompetenzen zur Nutzung des Internets lassen sich in die Bereiche
„Anwendung“, „Information“ und „Strategie“ gliedern. Anwendungsbezogene Kompetenzen
meinen die grundlegenden Fähigkeiten, die zur Nutzung von Informationstechnologie
notwendig    sind.   Diese    sind   der   Hauptgegenstand      von    politischen   Förder-   oder
Ausbildungsmaßnahmen wie beispielsweise der Europäische Computer-Führerschein
(ECDL). Darüber hinaus ist aber auch das Vorhandensein von informationalen und
strategischen Kompetenzen von Bedeutung. Informationale Kompetenzen bezeichnen die
Fähigkeit, mit dem Internet als Medium umzugehen, seine Struktur (Hyperlinks, Websites,
Clouds, etc.) zu verstehen und darin navigieren zu können. Mit strategischen Kompetenzen
ist letztlich die Fähigkeit gemeint, zielgerichtet Informationen im Netz zu suchen, sinnvoll zu
filtern und für einen Zweck anzuwenden.50

47
   vgl. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (2017)
48
   vgl. Ringler u.a. (2013), 32 -34
49
   vgl. Riehm/Krings (2006)
50
   vgl. Perlot u.a. (2011)

                                                                                                20
Nutzung
Nutzung stellt in diesem Schema die letzte Dimension der digitalen Kluft dar. Der Besitz eines
internetfähigen Gerätes oder ein Internetanschluss im Haushalt ist noch nicht mit der Nutzung
gleichsetzbar. Selbst in vernetzten Haushalten kann es Mitglieder geben, die nie oder nur sehr
selten davon Gebrauch machen. Zwischen Nutzung und Nicht-Nutzung liegt also ein Spektrum
der Nutzungsintensität, die insbesondere durch die Häufigkeit des Zugriffs und die Vielfalt der
benutzten Anwendungen gemessen wird.51

4.4. Sicherheitstechnische Anforderungen

Bei der Umsetzung eines E-Voting Systems in technischer Hinsicht wird insbesondere das Ziel
verfolgt, folgende Kriterien gewährleisten zu können:52

     1. Authentifizierung
     2. Integrität
     3. Verfügbarkeit
     4. Vertraulichkeit

4.4.1. Authentifizierung

Vor allem im Hinblick auf die Wahlrechtsgrundsätze, spielt die Authentizität eine wesentliche
Rolle und sollte zweifellos gewährleistet werden. Als Authentifizierung wird der Vorgang
beschrieben, um eine Identität zu einem bestimmten Sicherheitsniveau zuverlässig und
glaubwürdig zu belegen. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Authentifizierungsansätze
um eine Identität festzustellen, welche auch für E-Voting Systeme eingesetzt werden
können:53

Wissen
Diese Art der Authentifizierung kann entweder faktisch, durch ein Passwort oder prozedural,
durch bestimmte Reaktionen oder Handlungen sein. Ein Geheimnis ist geteiltes Wissen
zwischen     Authentifizierenden      und    Authentisierten.   Als   Beispiel   kann   dazu   das

51
   vgl. Perlot u.a. (2011)
52
   vgl. Schutzziele der Informationssicherheit (2017)
53
   vgl. Cryptas (2017)

                                                                                               21
Passwortverfahren genannt werden. Durch Eingabe eines Passwortes oder Codes kann der
Beweis der Identität erbracht werden.

Besitz
Die Authentifizierung erfolgt in diesem Zusammenhang durch einen materiellen Gegenstand
wie beispielsweise einem Personalausweis, Reisepass, Handy oder Signaturkarte.

Biometrisches Merkmal
Für die Authentifizierung können die herangezogenen Merkmale physiologischer oder
verhaltensbasierter Natur sein. Diese Merkmale weisen eine eindeutige Zuordnung zu einer
Person und eine einfache Messbarkeit sowie eine schwere Fälschbarkeit auf. Hierzu zählt zum
Beispiel der Fingerabdruckvergleich.

Die Stärke der Authentifizierung ist vergleichbar mit der Briefwahl, da auch hier nicht
ausgeschlossen werden kann, dass ein Dritter die Unterlagen aus dem Postfach entfernt oder
eine Wählerin oder ein Wähler die Unterlagen unterschreibt und dann weitergibt. Eine
Erhöhung der Sicherheit kann durch eine Kombination von Besitz und Wissen in Form von
qualifizierten, digitalen Signaturkarten erreicht werden, welche einer Abbildung des
Authentifizierungsmechanismus der Briefwahl am nächsten käme.54

In Österreich gibt es bereits den Vorschlag, die Bürgerkarte zur Authentifizierung
heranzuziehen. Das Wesentlichste bei der Authentifizierung bzw. Stimmabgabe, um
Bedrohungen ausschließen zu können, ist die rigorose Trennung zwischen der Identifikation
der Wählerinnen bzw. Wähler und der anonymen Stimmabgabe. Damit dies erreicht werden
kann, wird eine Zwischenspeicherung auf einem sicheren Speichermedium verlangt.55

Identifikation und Authentifizierung der Wahlberechtigten
Die Bürgerkarte weist eine Personenbindung auf und kann daher als Ausweis und zur
Identifikation der Wählerinnen und Wähler verwendet werden. Als Personenbindung wird die
unterschriebene Verknüpfung zwischen digitalem Zertifikat und Zentralen Melderegister-
Kennung der Bürgerinnen und Bürger verstanden. Die Authentifizierung, das heißt die
Zuverlässigkeit und Echtheit der Wählerinnen- und Wähleridentität, kann dadurch
gewährleistet werden.

54
     vgl. Volkamer / Krimmer (2006), 6
55
     vgl. Prosser/Krimmer (2003), 94-96

                                                                                        22
Zwischenspeicherung von Wahl- und Prüfkarte
Damit die Bürgerkarte als Speichermedium funktionieren kann, müssen bestimmte
datenschutzrelevante Anforderungen erfüllt werden. Die Wahl- und Prüfkarte muss in einem
PIN-gesicherten Bereich gespeichert werden können. Außerdem soll am Wahltag eine
elektronische Urne zur Verfügung stehen, welche lediglich die Wahl- und Prüfkarte von der
Bürgerkarte liest.

Sicheres Rechenmedium
Als größtes technisches Hindernis wird die Unsicherheit des Endgeräts der Wählerinnen und
Wähler angesehen, denn dort können durch Viren, Trojanische Pferde und dergleichen,
Manipulationen vorgenommen werden. Diesem Problem wird entgegengewirkt, indem ein
sicherer Tunnel zwischen der Datenanzeige und der Signaturerstellungsdatenanzeige
bereitgestellt wird.

4.4.2. Integrität, Verfügbarkeit und Vertraulichkeit

Zur Sicherung von IT-Systemen ist insbesondere die Wichtigkeit des Schutzes der Integrität,
Verfügbarkeit und Vertraulichkeit von Daten und Programmen hervorzuheben.56

Integrität umfasst sowohl die Korrektheit der Daten (Datenintegrität) als auch die korrekte
Funktionsweise des Systems (Systemintegrität). Man unterscheidet zwischen der starken und
der schwachen Integrität. Eine starke Integrität liegt vor, wenn keine Möglichkeit der
unbefugten Datenmanipulation besteht. Von einer schwachen Integrität spricht man hingegen
dann, wenn eine Datenmanipulation zwar generell, aber auf keinen Fall unbemerkt möglich
ist. In vielen Fällen ist eine Manipulation leider nicht zu verhindern, in solchen Fällen soll dies
aber dann wenigstens nicht unbemerkt bleiben.57

Unter die Verfügbarkeit fällt der Grad der Funktionalität der informationstechnischen
Systeme. Konkret bedeutet dies, dass die Systeme jederzeit betriebsbereit sein sollen und die
Verarbeitung der Daten auch korrekt abläuft. Im Sicherheitskontext spielt die Verfügbarkeit
eine wichtige Rolle, falls Angreifer das System angreifen oder gar die Kontrolle darüber
übernehmen.58

56
   vgl. Berlakovich (2001), 25
57
   vgl. Kryptowissen (2017)
58
   vgl. Kryptowissen (2017)

                                                                                                23
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