E-Voting in Österreich - Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder
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E-Voting in Österreich Grundlagen und Voraussetzungen zur Einführung unter Einbeziehung von Erfahrungswerten anderer Länder Bachelorarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Bachelor of Arts in Business FH Oberösterreich Studiengang: Sozial- und Verwaltungsmanagement Linz Studienzweig: Public Management Verfasser: Florian Hofer Gutachter: Mag. (FH) Reinhard Haider Kleinzell im Mühlkreis, 23. Mai 2017
Eidesstattliche Erklärung des Verfassers: Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den benutzten Quellen entnommenen Stellen als solche gekennzeichnet habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Kleinzell im Mühlkreis, am 23. Mai 2017 _________________________________ Florian Hofer
Zusammenfassung Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um ein internetgestütztes Wahlsystem auch bei politischen Wahlen in Österreich einsetzen zu können. Hierfür ist es erforderlich, die Funktionen und Bedeutung einer Wahl in der Demokratie sowie ihre verfassungsrechtliche Verankerung darzustellen. Ferner werden auch die Erwartungen und Anforderungen an E-Voting hinsichtlich sicherheitstechnischen und verfassungsrechtlichen Aspekte zum elektronischen Willensbildungsprozess erörtert. Zum Vergleich werden bestehende E-Voting Systeme aus anderen Ländern wie Estland und der Schweiz analysiert und dargestellt. Zusätzlich wurden Interviews mit einflussreichen politischen Vertretern sowie Experten aus dem Bereich E-Voting geführt. Aus all diesen Erkenntnissen werden die erforderlichen Schritte zur Einführung eines elektronischen Wahlsystems in Österreich in rechtliche, technische, politische und gesellschaftliche Kategorien unterteilt und abgeleitet. Daraus entsteht ein E-Voting Verfahren, welches nach der erforderlichen Änderung des Wahlrechts in Österreich eingesetzt werden könnte. Abstract The aim of this diploma thesis is to answer the question which requirements should be fulfilled in order to employ an internet-based voting system for political elections in Austria. Firstly, it is necessary to analyse the functions and the importance of elections in a democracy, as well as their legislative base. Furthermore, the expectations and requirements of e-voting considering security and legislative aspects of electronic opinion-making are discussed. As a means of comparison, already established e-voting systems from countries like Estonia or Switzerland are illustrated. Additionally, influential Austrian politicians and experts from the field of e-voting spoke about this issue in interviews. Based on all these research activities, the required steps for the introduction of an electronical voting system in Austria have been derived and divided into judicial, technical, political and social categories, resulting in an e-voting procedure that might be employed in Austria after the necessary changes in the electoral laws have been made. I
Inhaltsverzeichnis ZUSAMMENFASSUNG I ABSTRACT I ABBILDUNGSVERZEICHNIS IV ANHANGVERZEICHNIS V 1. EINLEITUNG 1 2. AUFBAU DER ARBEIT 2 2.1. FORSCHUNGSFRAGEN 3 2.2. METHODIK 3 3. THEORETISCHE GRUNDLAGEN 4 3.1. E-GOVERNMENT 4 3.1.1. GESETZLICHE GRUNDLAGEN 5 3.2. E-DEMOKRATIE UND E-VOTING 6 3.3. E-VOTING TECHNOLOGIEN 7 3.4. WAHLEN ALS WESENTLICHE GRUNDLAGE DES DEMOKRATISCHEN SYSTEMS 10 3.4.1. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES WAHLRECHTS 10 3.4.2. FUNKTION UND BEDEUTUNG VON WAHLEN 12 3.4.3. GRUNDSÄTZE VON WAHLEN UND ABSTIMMUNGEN 15 4. ANFORDERUNG AN E-VOTING 16 4.1. ERWARTUNGEN AN E-VOTING 16 4.2. VERFASSUNGSRECHTLICHE ANFORDERUNGEN 17 4.3. INTERNETNUTZUNG - DIGITAL DIVIDE 20 4.4. SICHERHEITSTECHNISCHE ANFORDERUNGEN 21 4.4.1. AUTHENTIFIZIERUNG 21 4.4.2. INTEGRITÄT, VERFÜGBARKEIT UND VERTRAULICHKEIT 23 4.4.2.1. Risiken und Gefahren von Angriffen im Internet 24 4.4.2.2. Angreifer und Angriffsformen 25 4.4.2.3. Verschlüsselungssysteme 28 4.4.2.3.1. Kryptographie 28 4.4.3.2. Elektronische Signaturen 31 4.4.3.3. Blinde Signatur 32 4.4.4. ÜBERPRÜFUNGSMECHANISMEN 33 4.4.5. DARSTELLUNG EINES E-VOTING WAHLPROZESSES 34 II
5. BEST PRACTICE BEISPIEL VON E-VOTING 35 5.1. ÖSTERREICHISCHE HOCHSCHÜLERINNEN- UND HOCHSCHÜLERSCHAFTSWAHLEN 2009 35 5.2. ESTLAND 38 5.3. SCHWEIZ 40 5.4. WEITERE E-VOTING PROJEKTE 44 6. ERFORDERLICHE SCHRITTE ZUR EINFÜHRUNG VON E-VOTING IN ÖSTERREICH 44 6.1. STAND DER ENTWICKLUNGEN IN ÖSTERREICH 45 6.2. KATEGORISIERUNG DER MAßNAHMEN 47 6.2.1. RECHTLICHER ASPEKT 48 6.2.1.1. Änderungsbedarf des Wahlrechts 48 6.2.2. TECHNISCHER ASPEKT 50 6.2.2.1. Einführung einer zentralen Wählerevidenz 51 6.2.2.2. Elektronischer Wahlprozess 51 6.2.3. POLITISCHER ASPEKT 51 6.2.3.1. Stellung zu E-Voting 52 6.2.3.2. Einrichtung einer Arbeitsgruppe 53 6.2.4. GESELLSCHAFTLICHER ASPEKT 54 6.2.4.1. Vertrauen in E-Voting 54 6.2.4.2. Politisches Interesse und Politikverdrossenheit 54 6.3. ZU ERWARTENDE VORTEILE UND GEFAHREN VON E-VOTING 55 7. RESÜMEE/AUSBLICK 56 LITERATURVERZEICHNIS 59 ANHANG 69 III
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Einordnung der Begriffe E-Government, E-Demokratie, E-Partizipation und E-Voting ............................................................................................................ 6 Abbildung 2: Zählmaschine für Wahlzettel ............................................................................. 8 Abbildung 3: Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland bei der Bundestagswahl 2005...... 9 Abbildung 4: Arten von E-Voting und verwendete Technologien ........................................... 9 Abbildung 5: Darstellung einer symmetrische Verschlüsselung ............................................29 Abbildung 6: Kombination von symmetrischer und asymmetrischer Verschlüsselung ..............................................................................................30 Abbildung 7: Überblick über den E-Voting Prozess der ÖH-Wahl 2009 ................................37 Abbildung 8: Darstellung des elektronischen Wahlprozesses in Estland ..............................40 Abbildung 9: Elektronisches Wahlsystem der Schweizer Post ..............................................43 Abbildung 10: Internetnutzung in Prozent der Bevölkerung ..................................................45 Abbildung 11: Vier Kategorien zur Implementierung von E-Voting ........................................48 IV
Anhangverzeichnis Anhang 1: Interview mit Dr. Robert Krimmer und Mag. Gregor Wenda, MBA…………… 69 Anhang 2: Interview mit Ex-Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner ………………………. 79 Anhang 3: Interview mit Bürgermeister Manfred Baumberger……………………………. 84 Anhang 4: Interview mit Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner……………. 89 V
1. Einleitung Der Grundgedanke zum elektronischen Wählen wurde schon bereits im Jahre 1869 von Thomas Edison geboren, der zur Sammlung und Auszählung der Wählerstimmen einen „Electrographic Vote Recorder“ entwickelte und in den USA dazu ein Patent anmeldete.1 Diese Erfindung wurde leider zu wenig weiterentwickelt und so dauerte es bis ins 21. Jahrhundert, dass elektronische Demokratie (E-Demokratie) und E-Voting durch die Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie, vor allem durch das Internet, breiteres öffentliches Interesse fand. In Estland besteht seit dem Jahr 2005 die Möglichkeit, die persönliche Wahlstimme online oder via SMS abzugeben. Ab dem Jahr 2007 wurde die Internet Wahl auch für Parlamentswahlen zugelassen.2 Dadurch nimmt dieses Land eine Vorreiterrolle hinsichtlich E-Voting im gesamten Europagebiet ein. Auch in manch anderen Ländern besteht bereits die Möglichkeit, die Wahlstimme mittels elektronischem Prozess abzugeben. Die Erfahrungen aus diesen Länder können zur Erstellung eines österreichischen Systems herangezogen werden und somit sehr hilfreich sein. Die österreichische Bundespräsidentenwahl 2016 hat gezeigt, dass es immer schwieriger wird, mit dem bisher bestehenden Wahlsystem einen der österreichischen Verfassung konformen politischen Willensbildungsprozess durchzuführen.3 Dadurch verlieren dieses antiquierte System und auch die ausführenden Organe immer mehr an Vertrauen in der Bevölkerung. Einige Sicherheitslücken sowie nicht einheitliche Vorgehensweisen der Wahlbehörden bieten eine Angriffsfläche für Anfechtungen des Wahlprozesses. Die am 10.11.2016 im österreichischen Nationalrat beschlossene Einführung eines zentralen Wählerregisters ist ein erster Schritt in eine zeitgemäße Wahlabhandlung. Damit ist die Abgabe einer Unterstützungserklärung mittels Bürgerkarte oder Handysignatur zukünftig möglich.4 Wenngleich dadurch hauptsächlich vorerst die Durchführung von Volksbegehren erleichtert wird, ist die Verwendung des elektronischen Wählerregisters auch bei anderen politischen Wahlen in Zukunft nicht ausgeschlossen. Wesentliche Merkmale bilden dabei der Datenschutz sowie die Datensicherheit, welche eine zentrale Herausforderung in der Umsetzung darstellen. 1 vgl. Sengupta (2000) 2 vgl. e-estonia.com (2017) 3 vgl. Bundespraesidentschaftswahl.at (2017) 4 vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017) 1
Schon im Jahr 2009 wurde in Österreich der Versuch gewagt, eine Wahl der österreichischen Hochschülerschaft mittels E-Voting durch Stimmenabgabemöglichkeit über das Internet durchzuführen. Gegen diese Wahl wurde eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) eingebracht, da die erlassene Wahlordnung nicht der Verfassung entsprach und daher das System zu wenig Überprüfungsmechanismen aufzeigte sowie Wahlmanipulationen daher schwieriger erkennbar waren als in Papierform. Jedes Wahlsystem muss gewährleisten, dass die Durchführung von jedem Laien nachvollziehbar und auch für die Wahlbehörde überprüfbar ist. Der Beschwerde wurde stattgegeben und die Wahlordnung wegen Gesetzeswidrigkeit aufgehoben.5 Wahlen sind das Herzstück einer Demokratie, weshalb jede Bürgerin und jeder Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen soll. Bestehen jedoch Zweifel an der Wahrung des Wahlrechts und -geheimnisses, kann dies in der Folge zu Misstrauen in der Bevölkerung führen und die Wahlbeteiligung negativ beeinflussen. 2. Aufbau der Arbeit Dieses Kapitel beschreibt, wie diese Arbeit im Detail aufgebaut ist und die Ziele werden definiert. Dafür werden die Forschungsfragen genau erläutert und die Methodik zur Erhebung von Informationen beschrieben. Im Abschnitt drei stehen die theoretischen und rechtlichen Grundlagen zur E-Demokratie, zum E-Voting und allgemein zu Wahlen als demokratisches System im Fokus. Die Grundsätze des Wahlrechts in Österreich bilden den Abschluss zum rechtlichen Aspekt. In Kapitel vier wird speziell die Thematik der Internet-Wahlen sowie die dazugehörigen Anforderungen auf demokratietheoretischer als auch auf sicherheitstechnischer Ebene behandelt. Die Risiken und Gefahren von Angriffen und verschiedene Verschlüsselungssysteme bilden weiteren Informationsgehalt in diesem Abschnitt. In Kapitel fünf wird speziell auf Best Practice Beispiele aus anderen Ländern wie Estland und Schweiz eingegangen und mögliche Vergleiche zu Österreich gezogen. Unter Punkt sechs sind die Umsetzung von E-Voting in Österreich sowie Erfahrungen aus bisherigen Wahltests hauptsächliche Bestandteile. Dabei wird versucht, die Forschungsfragen 5 vgl. ris.bka.gv.at (2017) 2
zu beantworten beziehungsweise die Risiken und Chancen bei der Einführung von E-Voting in Österreich darzulegen. 2.1. Forschungsfragen Es stellt sich die Frage, ob es nicht an der Zeit wäre, das bestehende Wahlsystem mit moderneren Abstimmungsmethoden zu ergänzen oder völlig neu zu konzipieren? Ist es möglich, dass in Österreich durch die Einführung von E-Voting die Stimmabgabe auch online ermöglicht wird? Wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dazu geschaffen werden oder gegeben sein? Welche gesetzlichen Änderungen sind dazu notwendig, um die Stimmabgabe via Internet zu legalisieren? Welche Risiken oder Chancen ergeben sich dadurch? Könnte dadurch eine Steigerung der Wahlbeteiligung erwartet werden? Diese Fragen werden in der folgenden Ausarbeitung behandelt und mögliche Schritte zur Einführung von E-Voting in Österreich erarbeitet. 2.2. Methodik Grundsätzlich wird in theorie- und praxisbezogenen Methoden vorgegangen. Als theoretischen Hintergrund werden einschlägige Fachzeitschriften, Pressetexte und literarische Berichte zu diesem Thema als Literatur zur Wissensbeschaffung herangezogen. Hinsichtlich praxisbezogener Methoden bildet die Teilnahme an einer Arbeitskreissitzung zum Thema E-Demokratie und E-Voting im Bundeskanzleramt in Wien am 13.03.2017 mit Experten aus diesem Fachgebiet eine Grundlage dieser Arbeit. Des Weiteren wurden Interviews mit einem Experten aus dem Bereich E-Demokratie, Dr. Robert Krimmer, Professor of E-Government und mit dem stellvertretenden Leiter der Abteilung III/6, Wahlangelegenheiten im Bundesministerium für Inneres, Mag. Gregor Wenda, MBA, geführt. Die Erfahrungswerte dieser genannten Personen werden auch in dieser Arbeit berücksichtigt. Um die politische Stellung zum Thema E-Voting zu eruieren, wurden drei Interviews mit Politikern aus Bundes-, Landes- und Gemeindepolitik durchgeführt. Auch auf die 3
unterschiedliche Parteizugehörigkeit wurde dabei geachtet. Es konnten Ex-Vizekanzler Dr. Reinhold Mitterlehner (ÖVP) aus der Bundespolitik, Landeshauptmann-Stv. Dr. Manfred Haimbuchner (FPÖ) aus der Landespolitik und Bürgermeister aus Ansfelden, Manfred Baumberger (SPÖ) aus der Kommunalpolitik, zu einem Interview gewonnen werden. 3. Theoretische Grundlagen Unter dieser Rubrik werden die theoretischen Grundlagen zu E-Government und speziell zu E-Voting und E-Demokratie aufgezeigt. Zusätzlich werden Aspekte zu Wahlen als demokratisches Instrument und deren Bedeutung, Funktion und Grundlagen zur Stimmabgabe behandelt. 3.1. E-Government Auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger und im öffentlichen Diskurs wird E-Government häufig als Synonym für einen modernen und innovativen Staat genannt, in dem die Kommunikation und Organisation einfacher, besser und schneller erfolgt. Im weiteren Sinne versteht man darunter Prozesse zur Information, Kommunikation und Transaktion innerhalb von Politik und Verwaltung und insbesondere die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürger durch den Einsatz von digitalen Informations- und Kommunikationstechniken (IKT). Von Vertretern im akademischen Diskurs wird eine Anreicherung des klassischen E-Government durch demokratische Elemente gefordert. So soll zum Beispiel beim Design von E-Government- Lösungen darauf geachtet werden, demokratische Elemente zu berücksichtigen und Informationsdesign eng mit demokratischer Theorie zu verknüpfen.6 Entsprechend der Auffassung von Schedler/Summermatter/Schmidt lässt sich der Begriff des E-Governments wie folgt beschreiben: „Electronic Government ist eine Organisationsform des Staates, welche die Interaktionen und Wechselbeziehungen zwischen dem Staat und den Bürgerinnen und Bürgern, privaten Unternehmungen, Kunden und öffentlichen Institutionen durch den Einsatz von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien integriert.“7 6 vgl. Ringler u.a. (2013), 30 7 Scheldler/Summermatter/Schmidt (2003), 6 zit. Nach Schedl/Proeller (2011), 267 4
E-Government als Forschungsfeld ist ein Bereich der Verwaltungsinformatik, grenzt aber an viele andere Fachrichtungen, wie Kommunikationswissenschaft, Psychologie oder Politik- und Sozialwissenschaft etc. an. Neben der Untersuchung technischer Aspekte, beispielsweise der Bereitstellung von Softwarelösungen mit entsprechender Datensicherheit und der Schaffung von Interoperabilität zwischen den Institutionen, geht es also um die Untersuchung der Nutzung von E-Government-Angeboten und deren Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger sowie im weiteren Sinne auf die Gesellschaft. Betrachtet man E-Government als Verwaltungs- und Organisationsprinzip, bedeutet es entlang der Informations-Revolution durch IKT eine grundlegende Transformation des öffentlichen Sektors. Das Ziel in der Umsetzung von E-Government ist, effektive Lösungen zu erarbeiten. IKT werden in diesem Zusammenhang als Mittel betrachtet, das es öffentlichen und Regierungs- Institutionen ermöglichen soll, neue Technologien kreativ zu nutzen, mit dem erklärten Ziel, die Kluft zwischen fragmentierten politischen Strukturen und den neuen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger zu schließen. Die Annahme hierbei ist, dass es ein wachsendes, stärkeres Bedürfnis nach besserem Zugang zu Informationen sowie nach Koordinierung von Services auf allen Ebenen gibt. Der angenommene Endpunkt von E-Government ist ein „virtueller Staat“, der es Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, auf Informationen von überall her zuzugreifen und Services elektronisch auszuführen. Dies bedeutet auch, dass bisher gültige institutionelle Theorien und örtliche Zuständigkeiten dadurch herausgefordert und aufgelöst werden.8 3.1.1. Gesetzliche Grundlagen Das Kernstück des rechtlichen Rahmens zur Umsetzung eines nachhaltigen E-Governments bildet das E-Government-Gesetz, welches mit 1. März 2004 in Kraft getreten ist. Das Gesetz bildet die rechtliche Basis für den Einsatz von E-Government-Instrumenten und -Bausteinen. Ein wesentlicher Bestandteil der Regelungen bildet die Bürgerkarte in Form der elektronischen Signatur.9 Auch Regelungen über die Identifikation und Authentizität in der elektronischen Kommunikationsform sind Inhalt dieses Gesetzes.10 8 vgl. Ringler u.a. (2013), 31 9 vgl. Digitales Österreich: E-Government-Gesetz (2017) 10 vgl. §3 E-GovG 2004 5
3.2. E-Demokratie und E-Voting Der Ausgangspunkt für E-Demokratie und E-Voting ist die Demokratie an sich, auf deren Definition im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird. Eine systemische Einordnung der verwendeten Begrifflichkeiten in Zusammenhang mit E-Government bzw. E-Demokratie findet sich im Wiki der Österreichischen Computergesellschaft.11 Diese Einordnung stellt sich in grafischer Form wie folgt dar: Abbildung 1: Einordnung der Begriffe E-Government, E-Demokratie, E-Partizipation und E-Voting12 Die in der Grafik dunkelblau hervorgehobenen Begrifflichkeiten sind relevant für diese Arbeit und werden nachfolgend näher erläutert. 11 vgl. Österreichische Computergesellschaft OCG (2017) 12 Abb. verändert entnommen aus: Österreichische Computergesellschaft OCG (2017) 6
E-Government ist der Überbegriff für die elektronische staatliche Verwaltung und somit über alle Formen der elektronischen Interaktion zwischen Staat und Bürger. Die genaue Definition von E-Government wird im Kapitel 3.1. erläutert. E-Demokratie bezeichnet den Einsatz elektronischer Kommunikationsformen im Zusammenhang mit demokratischen Prozessen. Hier ist die Bürgerin oder der Bürger nicht wie bei den anderen Bereichen des E-Governments als Kundin oder Kunde der Verwaltung, sondern als stimmberechtigte Bürgerin oder Bürger im Sinne des Souveräns des Staates angesprochen.13 E-Demokratie ist also die elektronische Unterstützung demokratischer Prozesse und Institutionen in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung, insbesondere unter Nutzung der spezifischen Potentiale neuer Medien und Netzwerke, mit der Intention, demokratische Prinzipien zu fördern und zu vertiefen.14 Unter E-Partizipation / E-Bürgerbeteiligung werden jene Elemente der Bürgerbeteiligung betrachtet, die eine aktive Teilhabe an politischen Diskurs- und Entscheidungsprozessen mithilfe von elektronischen Medien wie dem Internet ermöglichen.15 E-Voting stellt eine spezielle Untergruppe der E-Partizipation dar (siehe Abbildung 1). Von E- Voting im Allgemeinen kann gesprochen werden, wenn zumindest für die Durchführung eines der drei Prozesse der Wähleridentifizierung, die Stimmabgabe und/oder die Stimmauszählung elektronische Hilfsmittel verwendet werden.16 E-Voting umfasst also jegliche Art von Bürgerinitiativen, Bürgerbefragungen, Abstimmungen oder Wahlen, bei denen elektronische Medien eingesetzt werden. Für die Durchführung von E-Voting werden verschiedenste Technologien verwendet. Diese werden im nächsten Abschnitt näher beschrieben. 3.3. E-Voting Technologien E-Voting-Technologien sind jene Systeme, die Distanzwahlen über das Internet (oder andere Medien) ermöglichen und dabei die bestehenden Prozesse abbilden. Der Prozess umfasst einen identifizierten Vorgang und zwei anonyme Schritte: Erstens, die Beantragung einer elektronischen Wahlkarte (identifiziert), zweitens, die Stimmabgabe und drittens, die Speicherung und Auszählung der Stimmen.17 Die E-Voting-Technologie ist also definiert als 13 vgl. Biber (2002), 180 ff. 14 vgl. Parycek (2005) 15 vgl. Initiative E-Partizipation (2004) 16 vgl. Krimmer (2002) 17 vgl. Braun/Prosser/Krimmer (2003) 7
die Technik, die für die Durchführung von E-Voting eingesetzt wird und stellt einen Überbegriff über eine Reihe von verwendeten Technologien dar. Dabei umfasst der Begriff E-Voting sowohl, wie in obiger Definition beschrieben, Distanzwahl- Technologien wie zum Beispiel das Internet, als auch elektronische Wahlterminals im Wahllokal. Die einzelnen Technologien sind insofern sehr interessant, weil die Technologie sozusagen das „Endgerät“ bzw. das Interface für den Benutzer darstellt und E-Voting daher auch oft mit den verwendeten Technologien direkt assoziiert wird. E-Counting ist die erste und einfachste Form der E-Voting-Technologien. Dieser Begriff bezieht sich auf die reine Auszählung der auf traditionellem Wege abgegebenen Stimmen mit elektronischen Mitteln. Diese Geräte sind in Teilen der Schweiz im Einsatz.18 Abbildung 2: Zählmaschine für Wahlzettel19 Electronic Machine voting (eMv) ist die zweite Technologie, die für E-Voting eingesetzt wird. Dabei werden explizit Maschinen zur Abgabe und Sammlung der Stimmen verwendet. Diese Maschinen können unterschiedlich gestaltet und an unterschiedlichsten Orten, wie zum Beispiel in Wahllokalen, Einkaufszentren oder an öffentlichen Plätzen aufgestellt sein. 18 vgl. Luzerner Zeitung (2017) 19 Abb. entnommen aus: Luzerner Zeitung (2017) 8
Abbildung 3: Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland bei der Bundestagswahl 200520 Remote Voting by Electronic Means (RVEM) ist die dritte Form von E-Voting. Diese beinhaltet mehrere Technologien, die es ermöglichen, aus der Ferne zu wählen. Die vier meist gebrauchten RVEM-Technologien sind im Folgenden grafisch dargestellt und erläutert: Abbildung 4: Arten von E-Voting und verwendete Technologien21 20 Abb. entnommen aus: Polyas (2017) 21 Abb. entnommen aus: Heppner (2004) 9
Beim telephone-voting werden Telefone mit Tonwahl zur Abgabe der Stimme genutzt. Es können dabei sowohl Festnetz- also auch Mobiltelefone verwendet werden. Beim SMS-voting wird der Short Message Service (SMS) von Mobiltelefonen zur Abgabe der Stimmen genutzt. Interactive Digital Television Voting (iDTV) verwendet die interaktiven Möglichkeiten der aufkommenden digitalen TV Technologien, um die Stimme mittels des digitalen Fernsehsets abzugeben. Internet-Voting (I-Voting) ermöglicht es der Wählerin oder dem Wähler mittels des bestehenden Internets, von überall auf der Welt und von den verschiedensten Endgeräten aus seine Stimme abzugeben. Die I-Voting Technologie, in obiger Grafik rot hervorgehoben, ist die in der aktuellen Entwicklung interessanteste Technologie, da das Internet die technologisch sicherste Materie darstellt und gleichzeitig durch seine Verbreitung und sein schnelles Wachstum das höchste Potential für E-Voting eröffnet. 3.4. Wahlen als wesentliche Grundlage des demokratischen Systems In diesem Abschnitt wird näher auf die geschichtliche Entwicklung sowie auf die Funktionen und die Bedeutung von Wahlen eingegangen. 3.4.1. Historische Entwicklung des Wahlrechts Im Jahr 1873 wurde erstmals die direkte Wahl der Abgeordneten, ohne Umweg über die Landtage eingeführt, wobei das Zensuswahlrecht bestehen blieb. In den Kurien der Landgemeinden wurden die Abgeordneten weiterhin indirekt durch Wahlmänner gewählt.22 Vierzehn Jahre danach entwickelte sich das Kurienwahlrecht dahingehend, dass sich die allgemeine Wählerklasse beteiligen konnte. Dies wurde als Badenische Wahlreform bezeichnet. Mit der Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts für Männer auf der parlamentarischen Ebene im Jahr 1907 (Beck'sche Wahlrechtsreform) wurde das 22 vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017) 10
Kurienwahlrecht aufgehoben. Viele Wählerinnen und Wähler ergriffen im Zuge dieser politischen Umstrukturierungen im ersten Weltkrieg die Möglichkeit, das demokratische Wahlrecht auszuüben.23 Mit der Revolution von 1918 und dem Erlass der Oktoberverfassung wurde Österreich zu einer demokratischen Republik. In der österreichischen Verfassung wird seitdem festgeschrieben: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus."24 Durch diese Entwicklung bot sich der Demokratie die Gelegenheit das Frauenwahlrecht einzuführen. Seitdem beruht das Wahlrecht auf der Verhältniswahl und auf dem allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrecht aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts.25 Diese neu gewonnene Freiheit in der Mitbestimmung durch die Bürgerinnen und Bürger hielt nicht lange an. In den Jahren des autoritären Ständestaats im Zeitraum 1933 bis 1938, wie auch in der anschließend herrschenden nationalsozialistischen Besetzung im Zeitraum 1938 bis 1945 wurden die bundesweiten Wahlen aufgehoben. Mit Errichtung der zweiten Republik im Jahr 1945 waren die österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger erneut berechtigt, ein Parlament und eine damit einhergehende Volksvertretung zu wählen. Das Wahlrecht knüpfte an jenes der ersten Republik an, welches sich an dem Listen- und Verhältniswahlrecht orientierte.26 Die Wahlkreise werden bei einer Verhältniswahl derart bemessen, dass in jedem Wahlkreis mehrere Mandate im Verhältnis zu den Stimmabgaben zu vergeben sind. Die Kandidatinnen und Kandidaten dürfen folgedessen nicht als Person, sondern im Rahmen einer Liste kandidieren. Aus diesem Grund ist eine Verhältniswahl eine Listenwahl, bei welcher Wählerinnen und Wähler nicht eine einzelne Person, sondern eine Liste (Gruppe) aus Personen wählen, welche gemeinsam als Wahlpartei auftreten.27 Seit der Gründung der zweiten Republik gab es in Österreich keine einschneidenden Veränderungen des Grundwahlrechts. Im Jahr 1990 konnten sich erstmalig Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher, das sind österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, deren Hauptwohnsitz im Ausland liegt, an der Wahl 23 vgl. Aydogdu/Böhm (2017) 24 vgl. Binder/Trauner (2016), 24 25 vgl. Demokratiezentrum Wien (2017) 26 vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017) 27 vgl. Binder/Trauner (2016), 27 11
beteiligen. Des Weiteren setzte sich in diesem Jahr die österreichische Regierung dafür ein, Verbesserungen für Menschen mit Beeinträchtigungen zu schaffen.28 Eine wesentliche Änderung fand im Jahr 2007 statt, nach dieser die Wählerinnen und Wähler erstmalig im Jahr 2008 die Möglichkeit hatten mittels Briefwahl und mit einem Wahlalter von 16 Jahren an der Wahl teilzunehmen.29 Mithilfe der Briefwahl wird einerseits die stark steigende Mobilität unserer Gesellschaft unterstützt und andererseits erleichtert diese Wahlmethode die Stimmabgabe für Menschen mit Beeinträchtigung und kranke Menschen.30 Durch die Briefwahl haben Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, den ihnen zur Verfügung gestellten Papierstimmzettel an einem von ihnen gewählten Ort auszufüllen. Dabei sind sie nicht verpflichtet ein Wahllokal persönlich aufzusuchen, sondern können vor dem eigentlichen Wahltag ihre Stimme abgeben.31 Darüber hinaus wurden im Jahr 2007 erste Elemente des Persönlichkeitswahlrechts eingeführt. Wählerinnen und Wähler sind seither berechtigt Vorzugsstimmen der Direktmandate zu vergeben und können damit auf parteiinterne Listenreihungen Einfluss nehmen.32 Die Briefwahl und dessen Einführung können als Grundlage zur Weiterentwicklung des Wahlrechts zu einer digitalen und zeitgemäßen Lösung dienen. Im Vergleich zu anderen Ländern wurde in Österreich die Möglichkeit der Briefwahl entsprechend spät eingeführt. Beispielsweise wurde in Deutschland das Recht zur Briefwahl bereits im Jahr 1956 verankert und in der Schweiz konnte im Jahr 1991 mittels Post die Wahlstimme übermittelt werden.33 Die Briefwahl zählt, wie auch die neu diskutierte Wahlmethode E-Voting, zur Distanzwahl.34 3.4.2. Funktion und Bedeutung von Wahlen Politische Wahlen stellen in Österreich das Prinzip der Volksrepräsentation dar, worin Wahlen ein unverzichtbarer Teil jeder parlamentarischen Demokratie sind. Die Bürgerinnen und Bürger wählen in regelmäßigen Abständen ein Repräsentativorgan auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Die Hauptaufgabe von Wahlen besteht in der Herstellung von Repräsentation und Legitimität. Letzteres wird dabei als grundsätzliche Zustimmung der 28 vgl. Aydogdu/Böhm (2017) 29 vgl. Aydogdu/Böhm (2017) 30 vgl. Falb (2008), 140 31 vgl. Volkamer/Krimmer (2006), 100 32 vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017) 33 vgl. Volkamer (2008), 13 34 vgl. Volkamer/Krimmer (2006), 101 12
Bevölkerung zu Grundformen und Akteuren des politischen Systems interpretiert. Nur durch Wahlen kann bestimmt werden, wer und in welcher Stärke der oder diejenige den Willen der Wählerinnen und Wähler repräsentieren soll und damit zum Beispiel die Legitimität besitzt, die Regierung zu stellen. Wahlen dienen damit auch der Neuverteilung von politischer Macht. Wesentliches Merkmal demokratischer Wahlen ist auch ihre Regelmäßigkeit, denn in einer Demokratie wir Macht nur auf bestimmte Zeit verliehen.35 Unter einem aktiven Wahlrecht wird das Recht zu wählen verstanden. Wahlberechtigt sind österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, sofern diese nicht aufgrund einer gerichtlichen Verurteilung vom Wahlrecht ausgeschlossen sind oder unter einer bestimmten Altersgrenze liegen. Zu Bundespräsidenten-, Nationalrats-, Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen sowie Europawahlen sind all jene Personen wahlberechtigt, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben.36 Das passive Wahlrecht ist das Recht, für eine Wahl zu kandidieren. Personen, welche sich als Kandidatin oder Kandidat für eine Wahl aufstellen lassen, sind wahlberechtigte österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ab einem bestimmten Alter. Für Bundespräsidentenwahlen gilt die Aufstellung als Kandidatin oder Kandidat für Personen ab dem vollendeten 35. Lebensjahr bis zum Wahltag. Kandidatinnen und Kandidaten für Nationalrats-, Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen oder Europawahlen müssen bis zum Wahltag das vollendete 18. Lebensjahr erreicht haben.37 Wahlen erfüllen in demokratischen Systemen folgende sieben zentrale Funktionen:38 1. Wettbewerb Ein kompetitiver Charakter ist in politischen Entscheidungsprozessen demokratischer Systeme zentral. Bei Wahlen handelt es sich zum einen um einen Wettbewerb zwischen den Personen und Organisationen und zum anderen um einen Wettbewerb der (programmmäßigen) Inhalte. 2. Politische Herrschaftsträger Mittels einer Wahl werden politische Körperschaften gebildet bzw. einzelne Personen für bestimmte politische Ämter und Funktionen direkt oder indirekt bestellt. Den gewählten 35 vgl. Demokratiezentrum Wien (2017) 36 vgl. Holzinger/Kommenda (2013), 154 37 vgl. Holzinger/Kommenda (2013), 154 38 vgl. De Nève (2009), 45-46 13
Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträgern werden für einen begrenzten Zeitraum spezifische Aufgaben, Pflichten sowie Kompetenzen und Rechte übertragen. 3. Entscheidungsfindung Bei Wahlen werden sowohl personelle als auch (indirekt) inhaltliche Entscheidungen gefällt. Durch die Stimmabgabe der Wählerinnen und Wähler wird ihr Wille sichtbar und es entsteht die Möglichkeit direkten Einfluss auf das politische Geschehen zu nehmen. 4. Repräsentation Wählerinnen und Wähler sind nicht unmittelbar an konkreten politischen Entscheidungsprozessen beteiligt. Die gewählten Parteien vertreten einerseits die Wählerinnen und Wähler als sozialstrukturelle Gruppe (deskriptive Repräsentation) und fungieren andererseits als Vertreterinnen und Vertreter spezifischer Interessen, Präferenzen und Einstellungen (substanzielle Repräsentation). 5. Legitimation Politische Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträger werden im Zuge der Wahl als legitim und demokratisch anerkannt. Dies betrifft ebenso die politischen Entscheidungen. 6. Partizipation und Integration Eine Wahl bietet die Gelegenheit, Bürgerinnen und Bürger zu beteiligen und diese in politische Entscheidungsprozesse zu integrieren. Dies gilt für die im Wettbewerb siegreiche Mehrheit, als auch für die partizipierenden Minderheiten. Folglich besitzen Wahlen eine gesellschaftlich und politisch wichtige Integrationsfunktion. 7. Kontrolle Nach Ablauf einer Wahlperiode beeinflussen Bürgerinnen und Bürger durch Nichtwahl, Abgabe einer ungültigen Stimme oder Abgabe einer konkreten Stimme für bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten, Listen oder Parteien das Wahlergebnis. Auf diese Weise sind Wahlen ein Instrument, um frühere Entscheidungen und Entwicklungen zu korrigieren, die bisherigen politischen Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträger zu bestätigen, abzuwählen bzw. sich für neue Herrschaftsträgerinnen und Herrschaftsträger zu entscheiden. Demnach erfüllen Wahlen eine Kontrollfunktion. 14
3.4.3. Grundsätze von Wahlen und Abstimmungen Im Folgenden wird auf die einzelnen Wahlrechtsgrundsätze in Österreich, welche in der österreichischen Bundesverfassung (B-VG) verankert sind, näher eingegangen:39 Allgemeines Wahlrecht Alle österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben das Recht, zu wählen (aktives Wahlrecht) und gewählt zu werden (passives Wahlrecht), sobald sie das Wahlalter erreicht haben - unabhängig von Geschlecht, Klasse, Besitz, Bildung und Religionszugehörigkeit. Gleiches Wahlrecht Alle Wählerinnen und Wähler haben mit ihrer Stimme den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis. Niemand darf etwa auf Grund höherer Steuerleistung oder mehreren Wohnsitzen über mehrere Stimmen verfügen. Unmittelbares Wahlrecht Alle Wahlberechtigten können die Abgeordneten zum Nationalrat direkt und ohne Umweg wählen. Ein Wahlmännersystem wie in den USA ist damit ausgeschlossen. Persönliches Wahlrecht Die Wählerinnen und Wähler geben ihre Stimme persönlich vor einer Wahlbehörde oder vor einem mit der Abwicklung der Wahl betrauten Staatsorgan ab. Bei der Briefwahl muss die Bürgerin oder der Bürger eidesstattlich erklären, dass sie bzw. er den Stimmzettel persönlich, unbeobachtet und unbeeinflusst ausgefüllt hat. Niemand darf eine stellvertretende Person zur Wahl entsenden. Geheimes Wahlrecht Wer welche Kandidatin oder Kandidaten wählt, muss geheim sein. Das geheime Wahlrecht garantiert, dass Wählerinnen und Wähler ihre Stimme unbeobachtet abgeben können. Angekreuzt wird in abgeschirmten Wahlzellen und anschließend wird der Stimmzettel in einem unbeschrifteten Kuvert in die Wahlurne eingeworfen. So ist die Wahlentscheidung Einzelner bei der Auszählung der Stimmen nicht mehr nachvollziehbar. 39 vgl. Parlamentsdirektion der Republik Österreich (2017) 15
Freies Wahlrecht Die Wählerinnen und Wähler dürfen völlig frei entscheiden und sollen keinesfalls durch Zwang oder Druck in ihrer Wahl beeinträchtigt werden. Entsprechende Bestimmungen im Strafgesetzbuch sollen diesen Grundsatz absichern. Das freie Wahlrecht hängt eng mit dem geheimen Wahlrecht zusammen. 4. Anforderung an E-Voting Unter diesem Kapitel werden die Erwartungen an E-Voting, die Anforderungen aus verschiedenen Sichtweisen sowie die Vor- und Nachteile der elektronischen Distanzwahl betrachtet. 4.1. Erwartungen an E-Voting Bei dem Gedanken an eine Einführung von E-Voting werden von verschiedenen Interessensgruppen auch unterschiedliche Ziele verfolgt.40 Grundsätzlich gilt, dass internetbasierte Lösungen immer mehr an Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger gewinnen.41 Karger beschreibt die Ziele von E-Voting folgendermaßen:42 Mobilitätsgewinn für Wählerinnen und Wähler: Online-Wahlen sollen ein modernes und komfortables Verfahren bieten, durch das eine Wahl am Wahltag, auch ohne Anwesenheit am Wohnort, möglich sein soll. Durch die Briefwahl ist aufgrund der Postlaufzeiten eine fristgerechte Stimmenabgabe nicht immer gewährleistet. Auf kurzfristig eintretende wahlentscheidende Faktoren könnte mithilfe von E-Voting reagiert werden. Barrierefreiheit: Durch den Einsatz elektronischer Wahlverfahren soll Menschen mit Beeinträchtigungen das eigenständige Wählen vereinfacht bzw. ermöglicht werden. 40 vgl. Karger (2003), 17 41 vgl. Meier (2009), 52 42 vgl. Karger (2003), 18 16
Entlastung der Wahlbehörden: Durch den Einsatz von Technik werden die Wahlbehörden entlastet und die Motivation von ehrenamtlichen Wahlhelferinnen und Wahlhelfern erhöht. Auch das Auszählen von Stimmen wird durch den Einsatz von E-Voting erleichtert. Ungültige Stimmen: Ein weiteres Ziel ist es, die Zahl der ungewollt ungültigen Stimmen zu senken. In Deutschland hat der Einsatz von herkömmlichen Wahlgeräten gezeigt, dass der Einsatz von Technik die Zahl der ungewollt ungültigen Stimmen reduzieren kann. Die gewollt ungültige Stimmabgabe muss aber auch beim Einsatz von E-Voting weiterhin möglich sein. Steigerung der Wahlbeteiligung: Mit E-Voting wird auch die Hoffnung verbunden, dass die im langjährigen Durchschnitt sinkende Wahlbeteiligung stabilisiert bzw. sogar erhöht werden kann. Für Wählerinnen und Wähler kann es unter anderem auch vorteilhaft sein, dass zusätzlich zur Stimmabgabe viele interessante Informationen zur Wahl zur Verfügung gestellt oder auch online Entscheidungshilfen angeboten werden. Ein solches System kann demnach auch als ein wichtiges Instrument für die Veröffentlichung von Ergebnissen dienen.43 Allerdings bringt die Einführung von E-Voting auch erhebliche Anforderungen mit sich. Weltweit existieren viele Überlegungen, welche Anforderungen ein Online-Wahlsystem erfüllen soll. 4.2. Verfassungsrechtliche Anforderungen Aufgrund der unter Kapitel 3.4.3 erläuterten Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, gleichen, persönlichen, freien und geheimen Wahl, ergeben sich daraus folgende spezifische Anforderungen für das E-Voting:44 Anforderung des Grundsatzes zur Allgemeinen Wahl Das Prinzip der allgemeinen Wahl fordert, dass grundsätzlich alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger das Recht zur Teilnahme an der Wahl haben. Im Fall des „echten“ E-Votings, welches der folgenden Überlegungen zugrunde liegt, kann die Wählerin oder der Wähler seine Stimme von jedem Ort aus abgeben. Eine Ortsgebundenheit an des Wohllokal entfällt somit. Diese Vereinfachung der Wahlteilnahme könnte, insbesondere dort wo es keine Briefwahl gibt, 43 vgl. Meier (2009), 55 44 vgl. Heindl (2003), 24 17
zu einer höheren Wahlbeteiligung führen und damit den Grundsatz der allgemeinen Wahl stärken. Der Vereinfachung der Wahlteilnahme für einzelne Gruppen – vor allem mobile sowie jüngere und technisch versierte Menschen – steht aber die Gefahr des Ausschlusses anderer Bevölkerungsgruppen gegenüber. Auch bei einem möglichst einfachen und leicht zu bedienenden elektronischen Wahlsystem werden ältere und an die neuen Medien nicht gewöhnte Menschen faktisch ausgeschlossen. Der Grundsatz der allgemeinen Wahl erfordert also, dass E-Voting lediglich als zusätzliche Alternative zur traditionellen Form der Stimmabgabe eingesetzt werden kann, solange nicht der Zugang zum technischen System und die Befähigung damit umzugehen für alle Bevölkerungsgruppen gegeben ist. Anforderung des Grundsatzes zur unmittelbaren Wahl Unmittelbarkeit der Wahl bedeutet, dass die Wählerinnen und Wähler die Person, die sie wählen wollen, selbst bezeichnen – ein Wahlmännersystem ist somit ausgeschlossen. Ein elektronisches Wahlverfahren müsste folglich sicherstellen, dass die elektronisch abgegebene Stimme, gleich wie bei der Urnenwahl, direkt in die Stimmauswertung einfließt. Anforderung des Grundsatzes zur gleichen Wahl Unter Gleichheit der Wahl ist zu verstehen, dass jeder Wählerin und jedem Wähler ein gleiches Maß an Mitbestimmung zukommt. Demnach sind alle gültigen Stimmen gleich zu gewichten und müssen gleichen Einfluss auf das Wahlresultat haben. Daraus ergeben sich für die technische Ausgestaltung eines E-Voting Systems mehrere Anforderungen. Zum einen ist auch bei elektronischer Wahl sicherzustellen, dass nur wahlberechtigte Personen wählen können und eine doppelte Stimmabgabe bzw. eine Stimmabgabe durch nicht Wahlberechtigte somit ausgeschlossen ist. Weiters muss das technische Wahlsystem garantieren, dass die Wahlentscheidung unverfälscht die zentrale Auswertung erreicht und während der Datenübertragung nicht verändert werden kann. Eine genauere Betrachtung dieser sicherheitstechnischen Thematik erfolgt unter Punkt 4.3. Der Grundsatz der gleichen Wahl besagt auch, dass bei elektronischen Wahlprozessen die Abgabe von ungültigen Stimmen sowie fehlerhaften Wahlentscheidungen weiterhin möglich sein muss. Denn dieser Grundsatz der gleichen Wahl verbietet jeden zusätzlichen Schutz vor fehlerhafter Stimmabgabe. Auch einen Schutz vor übereilter Stimmabgabe hat ein elektronisches System vorzusehen. 18
Anforderung der Grundsätze zur freien, geheimen und persönlichen Wahl Die größten Herausforderungen für E-Voting leiten sich aus den Grundsätzen der freien, geheimen und persönlichen Wahl ab. Unter Freiheit der Wahl ist zu verstehen, dass die Wahlentscheidung unverfälscht und frei von Zwang abzugeben ist. Der Grundsatz der geheimen Wahl erfordert, dass die Stimmabgabe in einer für die Wahlbehörde und die Öffentlichkeit nicht erkennbaren Weisen erfolgen muss, wobei der Staat wirksame Vorkehrungen zur Geheimhaltung des Wahlverhaltens der einzelnen Wählerin und des einzelnen Wählers zu treffen hat. Persönlichkeit der Wahl bedeutet schließlich, dass die Wahl durch persönliche Stimmabgabe zu erfolgen hat. Das Schlüsselproblem des E-Votings stellt die Wahrung der Anonymität der Wählerin bzw. des Wählers bei gleichzeitiger Authentizität der Stimme dar. Der Grundsatz des geheimen Wahlrechts erfordert für das elektronische Wahlsystem, dass jeder Rückschluss von der einzelnen Stimme auf die Wählerin oder den Wähler bei der Wahlauswertung ausgeschlossen ist. Die Identifikation der Wählerin und des Wählers muss daher von der Auswertung des Stimmzettels strikt getrennt sein. Um das Wahlgeheimnis auch tatsächlich wahren zu können, muss zusätzlich sichergestellt sein, dass die tatsächlich elektronisch abgegebenen Stimmen eine gewisse Mindestanzahl erreichen.45 Wahlanfechtung und Wahlbehörden Aus der in Art 141 B-VG vorgesehenen Möglichkeit der nachträglichen Wahlanfechtung folgt, dass die Wahldaten auch nach der Auszählung der Stimmen gespeichert werden müssen, um eine Überprüfung der Stimmenauszählung zu ermöglichen. Gleichzeitig ist aber gemäß dem Grundsatz des geheimen Wahlrechts sicherzustellen, dass die konkrete Stimme nicht auf die Wählerin oder den Wähler zurückzuführen ist. Das elektronische Wahlsystem hat also die Nachvollziehbarkeit des Wahlvorgangs bei gleichzeitiger Unmöglichkeit der Rückführung der Stimme auf die Wählerin oder den Wähler zu gewährleisten. Bei der traditionellen Form der Wahl erfolgt die Kontrolle des Verfahrens der Stimmabgabe und der Stimmauszählung durch Wahlkommissionen, denen Vertreter der wahlwerbenden Parteien angehören. Da diese Wahlbehörden verfassungsrechtlich46 zur Durchführung und Leitung der Wahl und damit auch zur Kontrolle über die Stimmauszählung berufen sind, muss ihnen diese Möglichkeit auch bei elektronischer Stimmauszählung zukommen. 45 vgl. Heindl (2003), 25 46 vgl. Art. 26 Abs. 6 erster Satz B-VG iVm § 6 ff Nationalrats-Wahlordnung 1992 19
4.3. Internetnutzung - Digital Divide Eine Grundvoraussetzung für den Einsatz von E-Voting stellt die Verfügbarkeit des Internets dar. Trotz bundesweite Initiativen für den Breitbandausbau und zunehmend dichter Infrastruktur gibt es dennoch einige Haushalte in Österreich, die über keinen Internetanschluss verfügen.47 Dies stellt eine Ungleichheit des Verhältnisses der Nutzerinnen und Nutzern zu Nichtnutzerinnen und Nichtnutzern dar. Jedoch ist der technische Zugang nicht das einzige Problem. Unter dem Begriff „digitaler Spaltung“ (digital divide) verbergen sich weitere Dimensionen des Zugangs.48 Motivation Ein wichtiger Faktor stellt die Motivation, den Zugang zum Internet zu suchen, dar. Dem möglichen Nutzen einer Internetverbindung, wie zum Beispiel Komfort, Zugang zu Informationen oder Möglichkeiten zu Kommunikation und Partizipation steht eine Reihe von Faktoren gegenüber, die gegen eine Nutzung sprechen, wie beispielsweise die Kosten, die Notwendigkeit oder der Aufwand, die nötigen Fähigkeiten für die Nutzung zu erlernen. Man geht heute davon aus, dass es einen Sockelanteil an Menschen gibt, die aus freien Stücken das Internet nicht nutzen wollen. Zu den wichtigen Gründen werden hier die nicht gefühlte Notwendigkeit eines Zugangs, kulturelle Einstellungen oder Technikangst gezählt.49 Kompetenzen Die notwendigen Kompetenzen zur Nutzung des Internets lassen sich in die Bereiche „Anwendung“, „Information“ und „Strategie“ gliedern. Anwendungsbezogene Kompetenzen meinen die grundlegenden Fähigkeiten, die zur Nutzung von Informationstechnologie notwendig sind. Diese sind der Hauptgegenstand von politischen Förder- oder Ausbildungsmaßnahmen wie beispielsweise der Europäische Computer-Führerschein (ECDL). Darüber hinaus ist aber auch das Vorhandensein von informationalen und strategischen Kompetenzen von Bedeutung. Informationale Kompetenzen bezeichnen die Fähigkeit, mit dem Internet als Medium umzugehen, seine Struktur (Hyperlinks, Websites, Clouds, etc.) zu verstehen und darin navigieren zu können. Mit strategischen Kompetenzen ist letztlich die Fähigkeit gemeint, zielgerichtet Informationen im Netz zu suchen, sinnvoll zu filtern und für einen Zweck anzuwenden.50 47 vgl. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (2017) 48 vgl. Ringler u.a. (2013), 32 -34 49 vgl. Riehm/Krings (2006) 50 vgl. Perlot u.a. (2011) 20
Nutzung Nutzung stellt in diesem Schema die letzte Dimension der digitalen Kluft dar. Der Besitz eines internetfähigen Gerätes oder ein Internetanschluss im Haushalt ist noch nicht mit der Nutzung gleichsetzbar. Selbst in vernetzten Haushalten kann es Mitglieder geben, die nie oder nur sehr selten davon Gebrauch machen. Zwischen Nutzung und Nicht-Nutzung liegt also ein Spektrum der Nutzungsintensität, die insbesondere durch die Häufigkeit des Zugriffs und die Vielfalt der benutzten Anwendungen gemessen wird.51 4.4. Sicherheitstechnische Anforderungen Bei der Umsetzung eines E-Voting Systems in technischer Hinsicht wird insbesondere das Ziel verfolgt, folgende Kriterien gewährleisten zu können:52 1. Authentifizierung 2. Integrität 3. Verfügbarkeit 4. Vertraulichkeit 4.4.1. Authentifizierung Vor allem im Hinblick auf die Wahlrechtsgrundsätze, spielt die Authentizität eine wesentliche Rolle und sollte zweifellos gewährleistet werden. Als Authentifizierung wird der Vorgang beschrieben, um eine Identität zu einem bestimmten Sicherheitsniveau zuverlässig und glaubwürdig zu belegen. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Authentifizierungsansätze um eine Identität festzustellen, welche auch für E-Voting Systeme eingesetzt werden können:53 Wissen Diese Art der Authentifizierung kann entweder faktisch, durch ein Passwort oder prozedural, durch bestimmte Reaktionen oder Handlungen sein. Ein Geheimnis ist geteiltes Wissen zwischen Authentifizierenden und Authentisierten. Als Beispiel kann dazu das 51 vgl. Perlot u.a. (2011) 52 vgl. Schutzziele der Informationssicherheit (2017) 53 vgl. Cryptas (2017) 21
Passwortverfahren genannt werden. Durch Eingabe eines Passwortes oder Codes kann der Beweis der Identität erbracht werden. Besitz Die Authentifizierung erfolgt in diesem Zusammenhang durch einen materiellen Gegenstand wie beispielsweise einem Personalausweis, Reisepass, Handy oder Signaturkarte. Biometrisches Merkmal Für die Authentifizierung können die herangezogenen Merkmale physiologischer oder verhaltensbasierter Natur sein. Diese Merkmale weisen eine eindeutige Zuordnung zu einer Person und eine einfache Messbarkeit sowie eine schwere Fälschbarkeit auf. Hierzu zählt zum Beispiel der Fingerabdruckvergleich. Die Stärke der Authentifizierung ist vergleichbar mit der Briefwahl, da auch hier nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Dritter die Unterlagen aus dem Postfach entfernt oder eine Wählerin oder ein Wähler die Unterlagen unterschreibt und dann weitergibt. Eine Erhöhung der Sicherheit kann durch eine Kombination von Besitz und Wissen in Form von qualifizierten, digitalen Signaturkarten erreicht werden, welche einer Abbildung des Authentifizierungsmechanismus der Briefwahl am nächsten käme.54 In Österreich gibt es bereits den Vorschlag, die Bürgerkarte zur Authentifizierung heranzuziehen. Das Wesentlichste bei der Authentifizierung bzw. Stimmabgabe, um Bedrohungen ausschließen zu können, ist die rigorose Trennung zwischen der Identifikation der Wählerinnen bzw. Wähler und der anonymen Stimmabgabe. Damit dies erreicht werden kann, wird eine Zwischenspeicherung auf einem sicheren Speichermedium verlangt.55 Identifikation und Authentifizierung der Wahlberechtigten Die Bürgerkarte weist eine Personenbindung auf und kann daher als Ausweis und zur Identifikation der Wählerinnen und Wähler verwendet werden. Als Personenbindung wird die unterschriebene Verknüpfung zwischen digitalem Zertifikat und Zentralen Melderegister- Kennung der Bürgerinnen und Bürger verstanden. Die Authentifizierung, das heißt die Zuverlässigkeit und Echtheit der Wählerinnen- und Wähleridentität, kann dadurch gewährleistet werden. 54 vgl. Volkamer / Krimmer (2006), 6 55 vgl. Prosser/Krimmer (2003), 94-96 22
Zwischenspeicherung von Wahl- und Prüfkarte Damit die Bürgerkarte als Speichermedium funktionieren kann, müssen bestimmte datenschutzrelevante Anforderungen erfüllt werden. Die Wahl- und Prüfkarte muss in einem PIN-gesicherten Bereich gespeichert werden können. Außerdem soll am Wahltag eine elektronische Urne zur Verfügung stehen, welche lediglich die Wahl- und Prüfkarte von der Bürgerkarte liest. Sicheres Rechenmedium Als größtes technisches Hindernis wird die Unsicherheit des Endgeräts der Wählerinnen und Wähler angesehen, denn dort können durch Viren, Trojanische Pferde und dergleichen, Manipulationen vorgenommen werden. Diesem Problem wird entgegengewirkt, indem ein sicherer Tunnel zwischen der Datenanzeige und der Signaturerstellungsdatenanzeige bereitgestellt wird. 4.4.2. Integrität, Verfügbarkeit und Vertraulichkeit Zur Sicherung von IT-Systemen ist insbesondere die Wichtigkeit des Schutzes der Integrität, Verfügbarkeit und Vertraulichkeit von Daten und Programmen hervorzuheben.56 Integrität umfasst sowohl die Korrektheit der Daten (Datenintegrität) als auch die korrekte Funktionsweise des Systems (Systemintegrität). Man unterscheidet zwischen der starken und der schwachen Integrität. Eine starke Integrität liegt vor, wenn keine Möglichkeit der unbefugten Datenmanipulation besteht. Von einer schwachen Integrität spricht man hingegen dann, wenn eine Datenmanipulation zwar generell, aber auf keinen Fall unbemerkt möglich ist. In vielen Fällen ist eine Manipulation leider nicht zu verhindern, in solchen Fällen soll dies aber dann wenigstens nicht unbemerkt bleiben.57 Unter die Verfügbarkeit fällt der Grad der Funktionalität der informationstechnischen Systeme. Konkret bedeutet dies, dass die Systeme jederzeit betriebsbereit sein sollen und die Verarbeitung der Daten auch korrekt abläuft. Im Sicherheitskontext spielt die Verfügbarkeit eine wichtige Rolle, falls Angreifer das System angreifen oder gar die Kontrolle darüber übernehmen.58 56 vgl. Berlakovich (2001), 25 57 vgl. Kryptowissen (2017) 58 vgl. Kryptowissen (2017) 23
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