30% FRAUEN.MANAGEMENT.REPORT.2019 - AUFSICHTSRATSQUOTE - DAS JAHR DANACH - ARBEITERKAMMER
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Frauen.Management.Report.2019 Aufsichtsratsquote – das Jahr danach Autor/in Christina Wieser Andreas Fischeneder Kontakt Abteilung Betriebswirtschaft, AK Wien 01 501 65 12650 Impressum Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Abteilung Betriebswirtschaft Prinz-Eugen-Straße 20–22 1040 Wien Februar 2019 ISBN-Nummer 978-3-7063-0769-7
Zusammenfassung Seit 1. Jänner 2018 reiht sich Österreich in die Riege jener Länder Europas 1 ein, die eine verbindliche Quote für ein ausgewo- generes Geschlechterverhältnis in Aufsichtsratsgremien2 vorsehen. Dem vorausgegangen waren gescheiterte Selbstverpflich- tungen der österreichischen Wirtschaft. Die Politik sprach beim Beschluss des Gesetzes von einem historischen Schritt, doch was hat die Quote tatsächlich für die Unternehmenspraxis gebracht? Bereits nach einem Jahr hat die verbindliche Geschlech- terquote (mindestens 30 % Frauen3 gem. Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat4) Wirkung entfaltet, wie die vorliegende Evaluierung der Geschlechterverhältnisse in den Aufsichtsratsgremien der quotenpflichtigen Unterneh- men per Jänner 2019 zeigt: Der Frauenanteil in den quotenpflichtigen5, börsennotierten Unternehmen hat sich bereits innerhalb eines Jahres deut- lich von 22,0 % (Jänner 2018) auf 27,5 % (Jänner 2019) gesteigert (+ 5,5 Prozentpunkte). Rund die Hälfte der quoten- pflichtigen Unternehmen an der Wiener Börse erfüllt bereits den Mindestanteil von 30 % Frauen im Aufsichtsrat. Im Gegensatz dazu konnte der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in den nicht-quotenpflichtigen, börsennotierten Unternehmen nur um 2,1 Prozentpunkte auf lediglich 13,8 % erhöht werden. Über alle börsennotierten Segmente hinweg hat sich der Frauenanteil im Aufsichtsrat von 18,0 % auf 22,0 % erhöht. Positiv ist dabei insbesondere die Dynamik im Leitindex (ATX6-20-Unternehmen) hervorzuheben, wo der Frauenanteil im Aufsichtsrat bereits 27,7 % erreicht (+ 6,6 Prozentpunkte zu 2018). Waren es im Vorjahr noch sechs, sind es jetzt immerhin elf ATX-Unternehmen, die die 30 %-Hürde nehmen – zwei davon übertreffen zudem einen Anteil von mehr als 40 % Frauen im Aufsichtsrat (Österreichische Post AG, Vienna Insurance Group AG). Am untersten Ende des Gender- Balance-Rankings der ATX-Unternehmen findet sich das Unternehmen Do & CO AG: Im Jänner 2019 ist nach wie vor weder im Aufsichtsrat noch im Vorstand eine Frau vertreten, beide Gremien sind damit zu 100 % mit Männern besetzt. An den erfreulichen Aufwärtstrend in den börsennotierten Unternehmen können die umsatzstärksten Unternehmen des Lan- des nicht ganz anschließen: Per Jänner 2019 erhöht sich der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der umsatzstärksten 200 Unternehmen des Landes zwar auf 21,4 % (2018: 18,5 %), von einem Mindestanteil von 30 % sind diese Gremien jedoch trotz positiver Entwicklung nach wie vor deutlich entfernt. Ein Fünftel der Top-200-Unternehmen kommt noch immer gänzlich ohne Frauen in Geschäftsführung und Aufsichtsrat aus. Erstmalig hat die AK darüber hinaus die Geschlechterverteilung im Gremium Aufsichtsrat für sämtliche aufsichtsratspflichtige, österreichische Unternehmen erheben lassen: In diesem Sample (insgesamt knapp 16.400 Mandate in rd. 2.600 Aufsichtsratsgremien) liegt der Frauenanteil im Aufsichtsrat noch niedriger und zwar bei lediglich 18,2 %. Dieser umfassenden Erhebung zufolge ist ein typisches Aufsichtsratsmitglied männlich und im Schnitt 55 Jahre alt. Der Vergleich nach Geschlechtern zeigt: Weibliche Aufsichtsratsmitglieder in Österreich sind vergleichs- weise jünger und formal besser qualifiziert (gemessen am Akademisierungsgrad) als männliche Aufsichtsratsmitglieder. Zu ähnlichen Ergebnissen über weibliche Board-Mitglieder kommen auch empirische Studien aus Norwegen.7 Traditionell sind Frauen in Aufsichtsratspositionen stärker als im Management (Geschäftsführung, Vorstand) vertreten: In den Vorständen der börsennotierten Gesellschaften finden sich im Jänner 2019 lediglich zehn Frauen (4,9 %), das ist sogar ein leichter Rückgang zum Vorjahr (5,1 %). Während die Rekrutierung von Vorständen in deutschen Börsenunter- nehmen als „ewiger Thomas-Kreislauf“8 bezeichnet wird, könnte man in Österreich analog dazu von einem Peter-Kreis- lauf sprechen. Tatsächlich sind in den ATX-Vorständen mehr Männer (7) vertreten, die Peter heißen, als Frauen (4). Mit steigender Hierarchiehöhe fallen objektivierende Auswahlmethoden zunehmend weg, vielmehr herrscht bei der Vor- standsrekrutierung vielfach Beliebigkeit9: Als entscheidendes Selektionskriterium dient zumeist die größtmögliche Über- einstimmung mit der bestehenden „Führungsmannschaft“. Als größte Schwachstellen bei der Selektion von Vorstands- mitgliedern können vier Faktoren ausgemacht werden: Die Auswahl erfolgt in der Regel unstrukturiert, individuumsze- ntriert, eigenschaftszentriert und ohne Prozessbegleitung.10 1 Aufsteigend nach Einführung der Quote: Norwegen, Spanien, Island, Italien, Frankreich, Belgien, Niederlande, Deutschland, Portugal, Österreich. austr 2 Für Börsenunternehmen und zudem Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten; Bedingungen für beide Unternehmensgruppen: Gremiengröße (mind. sechs KapitalvertreterInnen) und mind. 20 % der unterrepräsentierten Geschlechtergruppe in der Belegschaft. 3 Die Regelung gilt umgekehrt auch dann, wenn Männer die unterrepräsentierte Geschlechtergruppe in der Belegschaft darstellen. 4 Bundeskanzleramt 2017. 5 Befragung der AK Wien (Jänner/Februar 2018). 6 Austrian Traded Index 7 Ahern, Dittmar 2012. 8 Allbright, 2017. 9 Edding, Erfurt 2019. 10 Edding, Erfurt 2019. 2
Auch in den 200 umsatzstärksten Unternehmen des Landes liegt der Anteil der Geschäftsführerinnen bei lediglich 8,2 % und hat sich im Vergleich zum Vorjahr (2018: 8,4 %) reduziert. Nur elf Gesellschaften und damit 5,5 % der untersuchten Unternehmen (2018: 6,5 %), liefern ein nach Geschlechtern ausgewogenes Bild in der Geschäftsführung, bei dem sowohl Frauen als auch Männer zwischen 40 % und 60 % vertreten sind. Demnach ist bislang die erhoffte Strahlkraft der (noch jungen) Quotenregelung für den Aufsichtsrat auf Managementebene noch nicht eingetreten. Zu ähnlich ernüchternden Ergebnissen kommen auch Studien für Deutschland, wo die Quote seit 2016 gilt. Im Gegensatz dazu konnten für Norwe- gen, wo die Aufsichtsratsquote bereits 2003 beschlossen wurde, bereits entsprechende Spillover-Effekte auf das Ma- nagement empirisch belegt werden.11 Angesichts der Quotenwirksamkeit im Aufsichtsrat wird der Aufholbedarf in der „männlichen Monokultur“ des Vor- stands noch deutlicher: Nach den raschen Fortschritten im Aufsichtsrat wird in Österreich – wie im Übrigen auch in Deutschland – eine Quote für den Vorstand diskutiert. Konkret denkt Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß für staats- nahe Unternehmen ab einer Vorstandsgröße von mehr als zwei Personen über die Einführung einer Quotenregelung (mindestens 25 % Frauenanteil) nach.12 Laut AK-Erhebung vom Jänner 2019 liegt der Anteil der Frauen in den Geschäfts- führungen von Beteiligungsunternehmen des Bundes gegenwärtig bei 17,2 % und damit zwar deutlich höher als in den börsennotierten (4,9 %) und umsatzstärksten Unternehmen (8,2 %), aber dennoch weit von einem ausbalancierten Ver- hältnis der Geschlechter entfernt. Angesichts der erfolgreichen Entwicklung in den Aufsichtsräten der quotenpflichtigen Unternehmen wäre die Einführung ei- ner Geschlechterquote in den Geschäftsführungen der nächste, logische Schritt, um für die Gleichstellung von Frauen in Spit- zenfunktionen zu sorgen. Die öffentliche Hand könnte – wie schon bei den Aufsichtsräten – mit gutem Beispiel vorangehen und mit der Festlegung einer Geschlechterquote für staatsnahe Unternehmen Vorbildfunktion übernehmen. Zudem braucht es rasch ein transparentes, umfassendes und differenziertes Gender Monitoring zum Status Quo der Geschlechterverhält- nisse (Aufsichtsrat, Vorstand) in den unterschiedlichen Unternehmensgruppen (quotenpflichtig, nicht-quotenpflichtig, Betei- ligungsunternehmen des Bundes), um daraus die nächsten Maßnahmen abzuleiten: Dazu gehört die Ausweitung der Ge- schlechterquote von 30 % in den Aufsichtsratsgremien auf alle großen (mehr als 1.000 Beschäftigte) und börsennotierten Unternehmen sowie die Einführung eines Mindestanteils (beispielsweise 33 %) von Frauen im Vorstand. Im Schnitt besteht ein Vorstandsteam in börsennotierten Unternehmen aus rd. drei Mitgliedern, davon sollte künftig wenigstens eines weiblich sein. Gegenwärtig sind 95,1 % der Vorstandspositionen mit Männern besetzt, der Handlungsbedarf ist demnach groß. Und die Erfahrung in anderen Ländern zeigt: Die Sichtbarkeit von Frauen an der Unternehmensspitze verstärkt in der Langfristbe- trachtung Gleichstellungsstrategien und sorgt für gendersensibles Nachfolgemanagement: Mehr Vielfalt im Management verändert langfristig die Unternehmenskultur, was sich wiederum positiv auf alle Beschäftigten auswirkt. Um diesen Prozess erfolgreich zu begleiten, sollte es – in Anlehnung an Deutschland – einen „Bericht der Bundesregierung über den Frauen- und Männeranteil an Führungsebenen und in Gremien der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes“ geben. 11 Kunze, Miller 2017. 12 APA 2019a. 3
Inhaltsverzeichnis 1 Die Quote als zentrales Gleichstellungsinstrument .......................................................................................................... 5 2 EU-Gesetzgebung ............................................................................................................................................................. 5 2.1 Österreichische Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2018) ......................................................................................... 7 2.2 Frauenanteil in Führungspositionen europäischer Unternehmen .......................................................................... 7 2.3 Gesetzliche Quotenregelungen in Europa .............................................................................................................. 9 3 Maßnahmen in Österreich .............................................................................................................................................. 16 3.1 Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat (GFMA-G) ........................................................ 16 3.1.1 Widerspruch gegen die Gesamterfüllung der Quote ....................................................................................... 17 3.1.2 Anwendungsbereich ........................................................................................................................................ 17 3.1.3 Voraussetzungen für die Kapitalvertretung ..................................................................................................... 18 3.1.4 Voraussetzungen für die ArbeitnehmerInnenvertretung ................................................................................. 18 3.1.5 Berechnung der Quote ..................................................................................................................................... 19 3.1.6 Sanktionen und Kritik ....................................................................................................................................... 19 3.2 Börsennotierte Unternehmen .............................................................................................................................. 20 3.3 Kreditinstitute ....................................................................................................................................................... 21 3.4 Unternehmen im öffentlichen Interesse ............................................................................................................... 22 3.5 Staatsnahe Unternehmen ..................................................................................................................................... 23 3.6 Universitäten ........................................................................................................................................................ 23 4 Aktuelle Situation in Österreich: Frauen in Aufsichtsratsgremien .................................................................................. 24 4.1 Größe des Gremiums und Mehrfachmandate im Aufsichtsrat ............................................................................. 24 4.2 Alter und Akademisierungsgrad ............................................................................................................................ 25 5 Die AK-Erhebung ............................................................................................................................................................. 27 5.1 Top-200-Unternehmen ......................................................................................................................................... 27 5.1.1 Geschäftsführung ............................................................................................................................................. 28 5.1.2 Aufsichtsrat ...................................................................................................................................................... 30 5.2 Börsennotierte Unternehmen .............................................................................................................................. 33 5.2.1 Vorstand ........................................................................................................................................................... 33 5.2.2 Aufsichtsrat ...................................................................................................................................................... 34 5.2.3 Börsennotierte Unternehmen unter der Quotenregelung ............................................................................... 37 5.3 Beteiligungsunternehmen des Bundes ................................................................................................................. 38 5.3.1 Geschäftsführung und Aufsichtsrat .................................................................................................................. 39 6 Schlussfolgerungen ......................................................................................................................................................... 40 7 Literaturverzeichnis ........................................................................................................................................................ 42 4
1 Die Quote als zentrales Gleichstellungsinstrument „Quoten sind der effizienteste Weg, die Beschickung von Aufsichtsräten auf eine sachliche Basis zu stellen.“ Zitat eines Aufsichtsrates in einer Studie der WU-Rektorin Edeltraud Hanappi-Egger13 Im öffentlichen Diskurs wird die Quotenregelung häufig mit einer „Frauenquote“ gleichgesetzt. Im Grunde handelt es sich dabei jedoch um ein Gleichstellungsinstrument, das nicht notwendigerweise auf Frauen anzuwenden ist – vielmehr sehen die entsprechenden Regelungen ein bestimmtes Geschlechterverhältnis in den leitenden Positionen vor, bei dem die unterre- präsentierte Gruppe bei gleicher Qualifikation bevorzugt wird. Quotenregelungen gelten demnach als zentrales Instrument, um Rekrutierungsentscheidungen auf Basis von Qualifikation statt Geschlecht zu treffen und Geschlechterstereotype nach- haltig aufzubrechen. Die Erfüllung von vorgegebenen Quoten setzt nämlich voraus, dass über den Nominierungsprozess und die gewünschten Qualifikationsprofile reflektiert wird.14 Dies erfordert wiederum eine gezielte und strategische Suche nach geeigneten KandidatInnen und forciert so ein formalisiertes Auswahlverfahren für Frauen und Männer.15 In der Unterneh- menspraxis werden bei der Rekrutierung von Frauen häufig die (scheinbaren) Hürden, wie etwa mangelnde Qualifikation (obwohl mehr Frauen als Männer in der EU ein Universitätsstudium abschließen16), fehlende Erfahrung oder gar vermeintliche „weibliche“ Eigenschaften, problematisiert.17 Entgegen dieser Individualisierung handelt es sich bei der asymmetrischen Repräsentation von Frauen in leitenden Positionen aber vielmehr um ein strukturelles Problem: auf klassische Geschlechterrollen ausgerichtete Karrierepfade und damit ver- bundene Stereotype führen dazu, dass Führungspositionen nach wie vor fast ausschließlich männlich besetzt sind. Darüber hinaus spielt das Prinzip der Ähnlichkeit in Rekrutierungsentscheidungen eine zentrale Rolle.18 Formale Kriterien, wie etwa Qualifikation oder Erfahrung, geraten demgegenüber in den Hintergrund.19 Mit jeder Hierarchieebene nimmt der Frauenan- teil systematisch ab: Diese vertikale Arbeitsmarktsegregation wird häufig als Phänomen der „Gläsernen Decke“20 bezeichnet, die hochqualifizierte Frauen als unsichtbare Barriere am beruflichen Aufstieg hindert. Gesetzliche Quoten können hier Abhilfe schaffen, das haben Länder wie Frankreich oder Italien gezeigt. Dank mutiger Zielvorgaben gehören dort informelle Männer- quoten von über 80 % der Vergangenheit an. In den vergangenen 15 Jahren haben sich mittlerweile bereits zehn der 28 EU- Mitgliedstaaten für verbindliche Zielvorgaben entschieden, obwohl es gegenwärtig noch keine einheitliche Regelung für EU- Länder gibt. Die Hintergründe, Entwicklung und Daten dazu finden sich in den folgenden Abschnitten. 2 EU-Gesetzgebung „But it is clear that an evolution on company boards is accompanied by a revolution in people’s mindsets. It is a trib- ute to what deliberate political impulses can achieve. Unfortu- nately, a word of warning also has its place here. The progress we have achieved can be undone – if we take it for granted. […] We have to remain vigilant and keep condemning inequality wherever it persists – or re-emerges.“ Viviane Reding, ehem. Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Abgeordnete im Europäischen Parlament, EVP21 Seit den Anfängen der Europäischen Gemeinschaft in den 1950er-Jahren ist Gleichberechtigung ein zentraler Grundsatz der EU-Gesetzgebung. Bereits in den Gründungsverträgen 1957 ist etwa der Grundsatz der gleichen Entlohnung für gleiche Arbeit festgehalten worden22, Artikel 23 der Europäischen Grundrechtecharta institutionalisiert die Gleichheit von Frauen und Män- nern in allen Bereichen.23 Nach wie vor aber sind Unionsbürgerinnen in vielen Lebensbereichen, etwa den ihnen durchschnitt- lich zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen, dem Zugang zu Infrastrukturen oder der Zeit für Privatleben, strukturell 13 Bauer 2011; Hanappi-Egger 2011, 109. 14 Hanappi-Egger 2011. 15 Mensi-Klarbach 2016. 16 EIGE – European Institute for Gender Equality 2017a. 17 Maaß 2016. 18 Levrau 2017; Hartmann 2017. 19 Hanappi-Egger, Mensi-Klarbach 2014. 20 Morrison, White, Van Velsor 1987. 21 Reding 2017. 22 Europäische Gemeinschaft 1957. 23 Europäisches Parlament, Europäische Kommission, Europäischer Rat 2009. 5
benachteiligt.24 Den Erwartungen der Europäischen Kommission zufolge kann es bei gleichbleibenden Anstrengungen noch eine ganze Generation und damit wohl „eine halbe Ewigkeit“ dauern, bis es zum Ausgleich dieser Schieflagen kommt.25 Nachdem sich die Europäische Kommission unter José Manuel Barroso 2010 dazu verpflichtet hat, Gleichstellung gezielt zu fördern und in allen Politikbereichen mitzudenken, hat die Kommission im November 2012 auf Initiative der damaligen Jus- tizkommissarin Viviane Reding einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der sicherstellen sollte, dass Frauen und Männer zu glei- chen Teilen in Führungsetagen von Unternehmen vertreten sind.26 Im Einzelnen sah der Entwurf Folgendes vor27: Bis 2020 sollten mindestens 40 % der nicht geschäftsführenden DirektorInnen und Aufsichtsratsmitglieder börsen- notierter europäischer Unternehmen der unterrepräsentierten Geschlechtergruppe angehören. Unternehmen in öffentlicher Hand sollten diese Quote bereits im Jahr 2018 erreichen. Optional könnten Mitgliedstaaten zudem eine Quote von 33 % wählen, die zusätzlich zu den nicht geschäftsführen- den, auch geschäftsführende, Führungspositionen betrifft. Kleine und mittlere Unternehmen sowie nicht börsennotierte Unternehmen wären von der Richtlinie ausgenom- men. Die Entscheidung zur Mandatsvergabe sollte damit auf Basis neutraler, klarer und vorab festgelegter Kriterien er- folgen. Bei gleicher Qualifikation zweier Bewerbenden käme – der Quote entsprechend – die Person zum Zug, die zur unterrepräsentierten Geschlechtergruppe zählt, ausgenommen es überwiegen weitere, die jeweiligen Kandida- tInnen betreffende, spezifische und objektiv feststellbare Kriterien. Die betroffenen Unternehmen müssten nationale Berichte vorlegen und sind bei Nichterfüllung der Quote zu sank- tionieren. Außerdem müssten von Unternehmensseite Maßnahmen transparent gemacht werden, wie die Quote zukünftig realisiert werden kann. Die Regelung sollte automatisch Ende des Jahres 2028 außer Kraft treten. In den darauffolgenden Verhandlungen im Europäischen Parlament ist der Entwurf im November 2013 mit deutlicher Mehr- heit angenommen worden.28 Die hier beschlossenen Veränderungen sahen eine Erhöhung der Strafen vor und unterstützten eine Anwendung der Quotenregelung unabhängig von der Geschlechterzusammensetzung der Beschäftigten. Außerdem wurde angeregt, die Quotenregelung auf die Institutionen der EU anzuwenden. Kleine und mittlere Unternehmen sollten zudem dazu motiviert werden, ebenfalls Gleichstellungsmaßnahmen zu treffen.29 Als nächste Instanz im Gesetzgebungsprozess ist der Rat der EU am Zug, bislang jedoch in dieser Frage wenig erfolgreich: Bereits 2014 bemühte sich die italienische Ratspräsidentschaft intensiv aber vergebens um eine Einigung. Auch die darauf- folgenden Ratspräsidentschaften führten lediglich zu Entschärfungen des vorliegenden Entwurfes, nicht aber zu dessen An- nahme.30 Insbesondere Luxemburg (Ratsvorsitz 2. Halbjahr 2015) hat sich in dieser Frage sehr initiativ gezeigt und einen Kom- promisstext dazu eingebracht, der eine sogenannte „Flexibilitätsklausel“ beinhaltet: Diese Klausel (Artikel 4b) sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Zielvorgaben der Richtlinie auf ihre eigene Art und Weise verfolgen können und die Verfahrensvor- schriften der Richtlinie auszusetzen sind, sofern bereits Maßnahmen mit ähnlicher Wirkung ergriffen oder Fortschritte erzielt wurden, die den festgelegten quantitativen Zielvorgaben nahekommen. Um Flexibilität mit einem Höchstmaß an Rechtssi- cherheit zu kombinieren, werden in Artikel 4b unterschiedliche Szenarien festgelegt, die rechtlich die „gleiche Wirksamkeit“ bis 31. Dezember 2022 gewährleisten. Allerdings ist auch dieser Kompromiss Ende 2015 im Rat gescheitert, wobei immerhin 15 Delegationen31 die Richtlinie in ihrer gegenwärtigen Fassung unterstützt haben. Fünf Mitgliedstaaten (Tschechische Re- publik, Deutschland, Spanien, Portugal und Polen) hielten jedoch zum einen Prüfungsvorbehalte bzw. zum anderen Parla- mentsvorbehalte (Dänemark, Tschechische Republik, Frankreich, Polen und Großbritannien) aufrecht. Zudem haben acht Mitgliedstaaten (Dänemark, Estland, Kroatien, Ungarn, Slowakei, Niederlande, Schweden und Großbritannien) weiterhin Vor- behalte zum Kommissionsvorschlag geäußert. Zuletzt dürfte sich die Meinung von Spanien dazu geändert haben, Anfang 2019 wurde bekannt, dass Spanien dem Vorschlag nun positiv gegenübersteht.32 Jedoch ist es bereits seit fünf Jahren zu keiner Behandlung im Rat gekommen, auch nicht im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2018). 24 EIGE – European Institute for Gender Equality 2017b. 25 Europäische Kommission 2014. 26 European Parliament 2017c. 27 Europäische Kommission 2012. 28 European Parliament 2017c. 29 Europäisches Parlament 2013. 30 European Parliament 2017c; European Parliament 2017a. 31 BE, BG, IE, EL, FR, IT, CY, LV, LT, LU, MT, AT, RO, SI, FI 32 APA 2019b. 6
2.1 Österreichische Ratspräsidentschaft (2. Halbjahr 2018) „Ich sage so: Man sieht, dass die Quote wirkt, aber in Vorständen ist es sehr schwierig. Die meisten Vorstände sind oft Zweier-Vorstände und ich bin überhaupt, ehrlich gesagt gegen eine starre Quote“. Juliane Bogner-Strauß, österreichische Bundesministerin für Frauen, Familien und Jugend 33 Im Rahmen der letzten Trio-Ratspräsidentschaft, bestehend aus Estland (zweites Halbjahr 2017), Bulgarien (erstes Halbjahr 2018) und Österreich (zweites Halbjahr 2018) war die Behandlung der entsprechenden Richtlinie zur Quotenregelung nicht als solches im offiziellen Programm zu finden, jedoch galt ein Arbeitsschwerpunkt der „Förderung der Gleichbehandlung von Männern und Frauen und Gender Mainstreaming“.34 Im Rahmen des informellen EU-GleichstellungsministerInnen-Treffen am 11. und 12. Oktober 2018 in Wien wurde demnach eine gemeinsame Deklaration zu „Gender Equality as a Priority of the European Union today and in the future“ 35 unterzeichnet, um das Thema Geschlechtergerechtigkeit auf der politischen Agenda der EU wieder zu stärken. Das EU-GleichstellungsministerInnen-Treffen ist als eine Maßnahme aus der „Trio Presi- dency Declaration on Equality between Women and Men“36 hervorgegangen, wo sich die drei Länder Estland, Bulgarien und Österreich zum Ziel gesetzt haben, den Gleichstellungsstillstand auf EU-Ebene wirksam aufzulösen. Parallel zu obigem Minis- terInnentreffen hat in Wien die Konferenz „Gender Equality and YOU. Young Voices. Joint Initiative“ stattgefunden, die sich mehreren Themenfeldern gewidmet hat, in denen die Geschlechtergleichstellung vorwärtsgetrieben werden sollte, etwa der Familie, der Bildung, dem Arbeitsmarkt, der Politik und der Kultur, aber auch dem Thema Gewalt. Konkrete Maßnahmen in Richtung Behandlung bzw. Annahme der Richtlinie zur Quotenregelung wurden im Rahmen der österreichischen Ratspräsidentschaft keine gesetzt. In diesem Zusammenhang betonte Frauenministerin Juliane Bogner- Strauß im parlamentarischen EU-Unterausschuss37 im Jänner 2019, dass sie sich – obwohl die EU-Verhandlungen in der Zu- ständigkeit von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein liegen – als Frauenministerin stark für die Umsetzung des Richtlinien- vorschlags eingesetzt hat und während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine Vielzahl an bilateralen Gesprächen zu dem Thema geführt habe. Auf Nachfrage informierte die Ministerin insbesondere über das Bemühen, Deutschland von der Quotenregelung zu überzeugen, was bislang nicht geglückt sei. Spanien hingegen habe mittlerweile eingelenkt und stehe dem Vorschlag nun positiv gegenüber.38 Unterdessen haben auf EU-Ebene Parlament und Kommission wieder vermehrt Druck aufgebaut: Während sich das Europäische Parlament ausdrücklich für die Gleichstellung im öffentlichen und privaten Bereich einsetzt39, hat die Kommission bereits im November 2017 einen Aktionsplan (2017–2019) zur Bekämpfung des geschlechts- spezifischen Lohngefälles40, also des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, vorgelegt. Eingebettet neben weiteren Maßnah- men sieht dabei ein Aktionsschwerpunkt dezidiert vor, die „Gläserne Decke“ zu durchbrechen, um die vertikale Arbeitsmarkt- segregation zu bekämpfen. 2.2 Frauenanteil in Führungspositionen europäischer Unternehmen „Aber natürlich musste ich als Frau wie jede andere meinen Weg finden, damit wir eines Tages wirklich zu einer Parität der Geschlechter finden. Nicht erst als Bundeskanzlerin, schon als Physikerin habe ich mit vielen Männern zusammengearbeitet. Parität in allen Bereichen erscheint mir einfach logisch. Das muss ich nicht dauernd extra erwähnen.“ Angela Merkel, deutsche Bundeskanzlerin41 Obwohl es bislang noch zu keiner gesamteuropäischen Regelung gekommen ist, haben einzelne nationalstaatliche Maßnah- men versucht, die Ausgewogenheit von Frauen und Männern in Führungspositionen Schritt für Schritt zu verbessern. Der folgende Abschnitt gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklungen in Europa und beschreibt anschließend einzelstaatli- che verpflichtende Quotenregelungen. Die verwendeten Daten beziehen sich auf den Datensatz des European Institute for Gender Equality (EIGE) für das zweite Halbjahr 2018 und umfassen 35 Länder; die (noch) 28 EU-Staaten sowie Norwegen, 33 APA 2019a. 34 Council of the European Union 2017. 35 Bundeskanzleramt Österreich 2018a. 36 Republic of Estonia Ministry of Social Affairs, Ministry of Labour and Social Policy, Ministerium Frauen Gesundheit 2017. 37 APA 2019b. 38 Ebd. 39 European Parliament 2017b. 40 Europäische Kommission 2017. 41 Hensel 2019. 7
Island, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei. Bei der Interpretation der Daten gilt es außerdem zu beachten, dass sich diese auf die umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen des jeweiligen Landes beziehen, die im so- genannten Blue-Chip-Index zusammengefasst sind. Für Österreich ist hier etwa der ATX 20, für Deutschland der DAX 30 herangezogen worden. dass nationale Leitungsgremien unterschiedlich aufgebaut sind. In dualistischen Systemen, wie sie etwa in Deutsch- land, Österreich und Island anzutreffen sind, findet eine Trennung in Geschäftsführung (Vorstand) und Überwa- chung (Aufsichtsrat) statt – die hier verwendeten Daten beziehen sich auf den Aufsichtsrat. In monistischen Struk- turen, die etwa in Frankreich oder Spanien umgesetzt werden, sind Geschäftsführung und Kontrolle in einem Gre- mium aus geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden DirektorInnen42 zusammengelegt. Hier ist der Frauen- anteil des Verwaltungsrates insgesamt in die Datenauswertung eingeflossen. Wie die Datenerhebung für 2018 zeigt, haben Frauen im Schnitt 26,7 % und damit nur wenig mehr als ein Viertel der Positio- nen in Aufsichts- und Verwaltungsräten der größten börsennotierten Unternehmen innerhalb der EU inne. In der Gender Balance Zone (Frauenanteil zwischen 40 % und 60 %) finden sich derzeit nur drei Länder, Island (45,2 %), Frankreich (44,0 %) und Norwegen (40,2 %). Diese drei sind damit die einzigen Länder, die bislang durch national verpflichtende Regelungen annähernd eine ausgeglichene Verteilung der Führungspositionen auf Frauen und Männer erreichen konnten. Von den insgesamt 13 Staaten, die über dem EU-Schnitt liegen, haben sieben national verpflichtende Regelungen umgesetzt. Nur sechs Länder, nämlich Schweden, Finnland, Dänemark, Lettland, das Vereinigte Königreich und Slowenien, konnten den Frauenanteil in den Führungsebenen durch Corporate Governance Codices und damit freiwillige Maßnahmen erhöhen. 43 Wie Heike Mensi-Klarbach, Cathrine Seierstad und Patricia Gabaldon zeigen, spielt die Tradition freiwilliger Verpflichtungen bei der Wirksamkeit eine wichtige Rolle. Je länger eine solche besteht, desto wirksamer können sie zur ausgewogenen Besetzung von Führungspositionen beitragen.44 Österreich liegt in dieser Erhebung von Oktober 2018 mit einem Frauenanteil von 26,1 % an 14. Stelle und damit unter dem EU-Durchschnittswert, was jedoch eine Steigerung zum Vorjahr darstellt (23,8 %, 15. Stelle). Frauenanteil in den Aufsichts- oder Verwaltungsräten Europa, Oktober 201845 Quotenregelung Keine Quotenregelung 100 80 60 45 44 Gender Balance Zone 40 40 36 36 35 34 32 31 30 29 28 EU-28: 27 20 28 26 24 24 22 22 21 21 20 19 17 15 15 15 15 14 13 11 11 11 10 9 8 0 Abbildung 1: Frauenanteil in den Aufsichts- oder Verwaltungsräten, Angaben in Prozent Insbesondere dank verbindlicher Quotenregelungen hat sich der Frauenanteil in den Aufsichts- und Verwaltungsräten im EU- Schnitt von lediglich 11,9 % im Jahr 2010 um fast 15 Prozentpunkte auf 26,7 % im Herbst 2018 erhöht. Wie in Abbildung 2 42 Geschäftsführende DirektorInnen sind hauptberuflich im Unternehmen tätig, etwa als CEO, CSO, CFO oder CIO, während nicht geschäftsführende DirektorIn- nen externe ManagerInnen, PolitikerInnen oder wissenschaftliche BeraterInnen sind, die oft auf ehrenamtlicher Basis im Unternehmen tätig sind. 43 Halvarsson & Halvarsson 2015; Securities Market Association 2010; Komitéen for god Selskabsledelse 2010; European Commission, DG for Justice and Con- sumers 2016; Financial Reporting Council 2014. 44 Mensi-Klarbach, Seierstad, Gabaldon 2017. 45 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 8
ersichtlich wird, ist ein großer Teil dieses Zuwachses Ländern mit einer verpflichtenden Frauenquote zuzuschreiben. Acht der zehn Staaten, die in diesem Zeitraum einen Anstieg über dem EU-Schnitt aufweisen können, verfügen über nationale Quo- tenregelungen. Zu diesen zählen Italien (+31,9 Prozentpunkte), Frankreich (+31,7 Prozentpunkte), Island (+29,4 Prozent- punkte), Belgien (+21,5 Prozentpunkte), Deutschland (+21,2 Prozentpunkte), Österreich (+17,4 Prozentpunkte), Portugal (+16,2 Prozentpunkte) sowie die Niederlande (+15,8 Prozentpunkte). Mit Slowenien (+18,1 Prozentpunkte) und dem Verei- nigten Königreich (+16,6 Prozentpunkte) verfügen nur zwei Länder ohne Quotenregelung über einen überdurchschnittlichen Anstieg bei der Frauenquote. Von den restlichen Ländern mit Quotenregelung findet sich Spanien (+14,2 Prozentpunkte) knapp unter dem Durchschnitt. Lediglich Norwegen hatte in diesem Zeitraum nur einen Anstieg von 1,3 Prozentpunkten, jedoch trat dort die Quotenregelung schon 2006 in Kraft, 2010 war bereits ein Frauenanteil von 38,9 % erreicht. Das mit Abstand größte Minus von 2010 auf 2018 fällt dem derzeitigen EU-Ratspräsidentschaftsland Rumänien mit -10,3 Prozent- punkten zu. Veränderung des Frauenanteils in den Aufsichts- oder Verwaltungsräten Europa 2010–201846 Quotenregelung keine Quotenregelung 32 32 29 22 21 18 17 17 16 16 EU-28: +15 14 10 10 10 10 9 9 9 7 7 6 6 3 3 3 2 2 1 1 1 -1 -2 -10 Abbildung 2: Veränderung des Frauenanteils in den Aufsichts- und Verwaltungsräten, Angaben in Prozentpunkten 47 2.3 Gesetzliche Quotenregelungen in Europa „Wir diskutieren jetzt über das „Wie“, nicht mehr über das „Ob“ einer Quotenregelung.“ Das Hauptproblem ist: Die Quote wirkt nur in ihrem unmittelbaren Geltungsbereich. Wir haben mitten in der Wüste einen Brunnen gebohrt. Jetzt ist es dort grün, Wasser fließt, alles gut. Aber drumherum ist weiter Wüste. Eine Zahl dazu: Der Frauenanteil in den Vorständen der Unternehmen, deren Aufsichtsräte unter das Gesetz fallen, liegt bei gerade einmal 6 Prozent.“ Franziska Giffey, deutsche Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 48 Vor dem Hintergrund fehlender Einigung auf gesamteuropäischer Ebene sind in den vergangenen zehn Jahren unterschiedli- che Maßnahmen auf nationalstaatlicher Ebene getroffen worden, um für eine geschlechtergerechte Verteilung von Führungs- positionen in Unternehmen zu sorgen. In acht Staaten – Norwegen, Spanien, Island, Frankreich, Belgien, Italien und Deutsch- land – kommen schon seit Längerem entsprechende Regelungen für den privatwirtschaftlichen Bereich49 zur Anwendung (vgl. Tabelle 1). Die jüngsten Beispiele sind Portugal und Österreich, wo 2017 Quotenregelungen eingeführt wurden. In Portugal liegt die Zielvorgabe – sowohl auf Geschäftsführungsebene als auch im Aufsichtsrat – bei mindestens einem Drittel für die unterrepräsentierte Geschlechtergruppe bis 2020. Österreich hat nach deutschem Vorbild eine Quotenregelung von 30 % für den Aufsichtsrat von großen und börsennotierten Unternehmen bei Neubestellungen ab 2018 festgelegt. 46 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 47 Bosnien-Herzegowina und Montenegro wurden bei der Veränderung nicht berücksichtigt, da keine Daten für 2010 vorhanden sind. 48 FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V. 2018. 49 Ähnlich wie in Österreich gibt es in Griechenland und Slowenien Quotenregelungen für staatliche Unternehmen (European Commission, DG for Justice and Consumers 2016.). 9
Gesetzliche Quotenregelungen in Europa Privatwirtschaft, angeordnet nach dem Jahr der Gesetzeswerdung Land Gesetz seit in Kraft seit Quote umzusetzen bis Gremien Sanktionen Norwegen 2003 2006 40 % 2008 Aufsichtsrat ja Spanien 2007 2007 40 % 2015 Verwaltungsrat nein Island 2010 2010 40 % 2013 Aufsichtsrat nein 20 % 2012 Geschäftsführung und Italien 2011 2012 ja 33 % 2015 Aufsichtsrat 20 % 2014 Verwaltungsrat bzw. Frankreich 2011 2012 ja 40 % 2017 Aufsichtsrat Belgien 2011 2012 33 % 201750 Verwaltungsrat ja Verwaltungsrat bzw. Niederlande 2011 2013 30 % 2016 Geschäftsführung und nein Aufsichtsrat Deutschland 2015 2016 30 % 2016 Aufsichtsrat ja 20 % 2018 Geschäftsführung und Portugal 2017 2018 ja 33 % 2020 Aufsichtsrat Österreich 2017 2018 30 % 2018 Aufsichtsrat ja Tabelle 1: Gesetzliche Quotenregelungen in europäischen Ländern 51 Abgesehen von den jeweiligen Zielwerten unterscheiden sich die Regelungen der einzelnen Länder in der Einführung (Übergangsfristen, Stufenpläne) der Unternehmensgröße (MitarbeiterInnen, Umsatz) dem AdressatInnenkreis (Aufsichtsrat, Geschäftsführung bzw. Verwaltungsrat) und der Konsequenz bei Nichteinhaltung (Sanktionen). Der folgende Abschnitt betrachtet die oben angeführten nationalen Bestimmungen genauer und befasst sich zusätzlich kurz mit der Schweiz, wo seit geraumer Zeit ebenfalls über eine Quote diskutiert wird. In den darauffolgenden Kapiteln stehen die Beschreibung der österreichischen Regelung sowie die Erhebung der AK Wien zur Repräsentanz von Frauen in österreichi- schen Führungspositionen im Mittelpunkt. Norwegen Norwegen gilt in der Frage der Gleichstellung als weltweites Vorbild und erstes Land, das eine Quote für ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Führungspositionen eingeführt hat. Nachdem die seit den 1990er-Jahren getroffenen Gleichstel- lungsmaßnahmen (spezifische Workshops, Verzeichnisse mit hochqualifizierten Frauen, Mentoring-Programme oder der Auf- bau spezifischer Frauennetzwerke) den Anteil von Frauen in Positionen mit Entscheidungs- und Leitungskompetenzen nicht erhöhen konnten, wurde 2003 eine 40 %-Quote für staatliche und börsennotierte Unternehmen beschlossen, die 2006 in Kraft getreten ist.52 Die Nichterfüllung dieser Regelung wird seit 2008 streng sanktioniert, in der letzten Eskalationsstufe droht sogar eine Unternehmensauflösung.53 Als Vorreiter ist das norwegische Modell anfänglich nicht kritiklos geblieben. Bean- standet wurde einerseits, dass die Quote für nicht börsennotierte Unternehmen, die die Mehrheit der norwegischen Betriebe ausmachen, keine Anwendung findet. Zudem ist das Phänomen der „Golden Skirts“, also des kleinen Kandidatinnen-Pools für Aufsichtsräte, kritisiert worden. Neuere Untersuchungen zeigen aber, dass sich das Rekrutierungsfeld merklich erweitert hat. Laut einer Studie von Kenneth R. Ahern und Amy K. Dittmar hat die Quotenregelung dazu geführt, dass die neuen weiblichen Board-Mitglieder jünger und formal höher qualifiziert sind.54 Wie Patricia Seierstadt und Morten Huse feststellen, hat die Quote außerdem bewirkt, dass Frauen und Männer den gleichen Auswahlkriterien für die Bestellung in Aufsichtsräte und Geschäftsführungen unterliegen. 55 Dreizehn Jahre nach Einführung weist Norwegen aktuell mit 40,2 % den dritthöchsten Frauenanteil in Führungspositionen innerhalb Europas aus. 56 Zudem zeigen empirische Erhebungen, dass die Quote in Nor- wegen mittel- bis langfristig Auswirkungen auf die Vorstandsebene hat (Spillover Effekt).57 50 Für große Unternehmen in der Privatwirtschaft ist die Quote bis 2017, für klein- und mittelständische bis 2019 umzusetzen. 51 Basierend auf Seierstadt, Huse 2017; Gabaldon, Giménez 2017; Arnardottir, Sigurjonsson 2017; Kruisinga, Senden 2017; Rigolini, Huse 2017; Zenou, Alle- mand, Brullebaut 2017; Levrau 2017; Lopes 2017; Bundeskanzleramt Österreich 2017. 52 Seierstadt, Huse 2017. 53 Storvik, Teigen 2010. 54 Ahern, Dittmar 2012. 55 Seierstadt, Huse 2017. 56 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 57 Kunze, Miller 2017. 10
Spanien Als erstes Land innerhalb der EU führte Spanien 2007 eine Quotenregelung ein. Bis 2015 sollten demnach mindestens 40 % der Vorstandsebene von privaten oder börsennotierten Unternehmen mit Frauen besetzt sein. 58 Da die Regelung aber ohne Sanktionen ausgestaltet und daher weitgehend wirkungslos geblieben ist, sind weitere Anreizmaßnahmen, wie etwa die Be- rücksichtigung des Frauenanteils bei der Vergabe von staatlichen Subventionen, initiiert worden. Auch 2017 konnte die an- gestrebte Quote nicht erreicht werden. Mit einem aktuellen Frauenanteil von 23,7 % und einer Steigerung von rund 14 Pro- zentpunkten innerhalb der letzten acht Jahre bleibt Spanien neben Österreich und Portugal, wo die jeweiligen Quotenrege- lungen jedoch erst 2018 in Kraft traten, als eines der Länder mit verpflichtender Quotenregelung hinter dem EU-Schnitt zu- rück.59 2017 haben sich 140 in Spanien tätige größere Unternehmen im Rahmen eines Projektes mit dem spanischen Minis- terium für Gesundheit, Soziale Dienste und Gleichstellung dazu verpflichtet, den Frauenanteil in Führungspositionen in den nächsten vier Jahren deutlich zu erhöhen.60 Island Als dritter Staat weltweit hat Island bereits im Frühjahr 2010 eine Quotenregelung eingeführt, die vorschreibt, dass in allen Aufsichtsräten staatlicher Unternehmen und privater Unternehmen mit mindestens 50 Angestellten bis 2013 jeweils mindes- tens 40 % Frauen und Männer vertreten sein müssen. 61 Unternehmen mit mehr als 25, aber weniger als 50 Mitarbeitenden müssen zudem den Anteil von Frauen und Männern in Management-Positionen offenlegen.62 Kein anderes Land hat sich im Rahmen einer Quotenregelung so hohe Ziele gesteckt, gleichzeitig aber gibt es in Island keine Sanktionen für die Nichteinhal- tung der ambitionierten Vorgaben. Aktuell weist Island mit einem Frauenanteil von 45,2 % in Führungspositionen den höchs- ten Anteil in der Vergleichsgruppe auf.63 Italien In Italien wurde die Quotenregelung im Jahr 2011 beschlossen und ist seit 2012 in Kraft. Das entsprechende Gesetz schreibt vor, dass bis 2015 mindestens ein Drittel der Führungspositionen staatlicher und börsennotierter Unternehmen mit der un- terrepräsentierten Geschlechtergruppe besetzt ist.64 Die Regelung erstreckt sich sowohl auf die Ebene der Geschäftsführung als auch auf den Aufsichtsrat. Mit 2022 läuft die Quote automatisch aus. Werden die Auflagen der Quote nicht erfüllt, können Geldstrafen bis zu einer Million Euro verhängt und der Aufsichtsrat aufgelöst werden.65 Europaweit zählen die Sanktionen damit zu den härtesten. Seit Gesetzesbeschluss 2011 hat die Quote zu einem Anstieg von rund 32 Prozentpunkten, der stärkste Anstieg in der EU, auf einen Frauenanteil von 36,4 % im Jahr 2018 geführt.66 Gleichzeitig sind befürchtete Konse- quenzen, nämlich dass einige wenige Frauen in viele Leitungspositionen bestellt werden („Golden Skirt“-Phänomen) oder dass Nominierungen tendenziell innerhalb der Familien der UnternehmenseigentümerInnen erfolgen, ausgeblieben.67 Frankreich In Frankreich wurde ebenfalls im Jahr 2011 eine Quote von 20 % beschlossen, die seit 2012 in Kraft ist. Betroffen sind davon die nicht geschäftsführenden DirektorInnen börsennotierter Unternehmen sowie von Unternehmen mit mindestens 500 Be- schäftigten oder einem Mindestumsatz von 50 Millionen Euro.68 Während dieser Frauenanteil bis 2014 zu erreichen war, ist die Quote 2017 auf 40 % ausgeweitet worden. Ihre Nichteinhaltung wird mit der Nichtigkeit der Wahl sanktioniert, außerdem werden Sitzungsgelder nicht ausgezahlt.69 Seit Quoteneinführung sind in Frankreich – verglichen mit anderen europäischen Ländern – die zweitgrößten Fortschritte festzustellen: Von 2012 auf 2018 hat sich der Frauenanteil von 25 % auf 44 % erhöht.70 Ein Vergleich mit geschäftsführenden Posten, die nicht unter den Anwendungsbereich der Quote fallen, zeigt hier deutliche Unterschiede.71 Außerdem steigt die Anzahl der für Nichteinhaltung sanktionierten Unternehmen, die allerdings in der Öf- fentlichkeit nicht namentlich genannt werden.72 58 Gabaldon, Giménez 2017. 59 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 60 Ministerio de Sanidad, Servicios Sociales e Igualdad 2017. 61 Arnardottir, Sigurjonsson 2017. 62 Bundeskanzleramt – Sektion II Frauenangelegenheiten und Gleichstellung 2014. 63 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 64 Rosselli 2014. 65 Rigolini, Huse 2017. 66 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 67 Rigolini, Huse 2017. 68 Secrétariat d’État chargé de l’Égalité entre les femmes et les hommes 2011; Secrétariat d’État chargé de l’Égalité entre les femmes et les hommes 2017. 69 Zenou, Allemand, Brullebaut 2017. 70 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 71 Ebd. 72 Gazzane 2016. 11
Belgien In Belgien ist die Quotenregelung für staatliche und börsennotierte Unternehmen ebenfalls 2011 beschlossen worden. So- wohl geschäftsführende als auch nicht geschäftsführende Mitglieder der Leitungsgremien sind von der Regelung betroffen und müssen ab 2012 (öffentliche Unternehmen), 2017 (börsennotierte Unternehmen) bzw. 2019 (kleine und mittlere Be- triebe) zu mindestens einem Drittel mit der unterrepräsentierten Geschlechtergruppe besetzt sein.73 Bestellungen, die der Quote widersprechen, werden als ungültig betrachtet. Sitzungsgelder können ausgesetzt werden, solange die Schieflage nicht ausgeglichen ist.74 Obwohl die Quote im privaten Bereich erst seit Kurzem Anwendung findet, konnte die Aussicht auf ihre Einführung schon vorab positive Veränderungen und einen stetigen Anstieg der Frauenanteile in Führungsgremien bewir- ken.75 Ende 2018 erreichten die Leitungsgremien der größten belgischen Unternehmen immerhin einen Frauenanteil von 32 %.76 Niederlande Seit 2013 gilt auch in den Niederlanden eine verpflichtende Quotenregelung von 30 %, die bereits bis 2016 für eine ausgewo- genere Verteilung von Führungspositionen unter Frauen und Männern in größeren Unternehmen77 sorgen hätte sollen. Sank- tionen waren keine vorgesehen, Nichteinhaltungen wurden lediglich nach dem „Comply or Explain“-Prinzip gehandhabt. Dementsprechend mussten Unternehmen lediglich erläutern, warum die Quote verfehlt wurde und wie die definierte Ziel- vorgabe künftig erreicht werden soll.78 Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die die 30 %-Marke unterschritten haben, ist diesen Offenlegungspflichten jedoch nicht nachgekommen.79 Der ausbleibende Erfolg der Regelung hat im Frühjahr 2017 zu ihrer Verlängerung geführt.80 Bis Ende 2019 müssen Frauen und Männer zu je mindestens 20 % in den Führungsgremien ver- treten sein. Danach wird die Quote automatisch auf 30 % angehoben. Wird die Zielvorgabe allerdings bis Ende 2019 wieder verfehlt, ist mit der Einführung härterer Sanktionen zu rechnen.81 Laut den aktuellen Daten des European Institutes for Gen- der Equality liegt der Frauenanteil in niederländischen Führungspositionen derzeit bei 30,7 %.82 Deutschland Anfang 2015 hat der Deutsche Bundestag das „Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungs- positionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ (FüPOG) beschlossen.83 Je nachdem, ob es sich um börsenno- tierte Unternehmen handelt und wie sich Aufsichtsratsgremien zusammensetzen – also ob diese paritätisch (Arbeitnehme- rInnen und KapitalgeberInnen sind jeweils zur Hälfte im Gremium vertreten) oder drittelbeteiligt (ArbeitnehmerInnen sind zu einem Drittel im Aufsichtsrat repräsentiert) mitbestimmt sind – gibt es unterschiedliche Vorgaben und Varianten. Die gesetzliche Regelung sieht folgende drei Modelle vor: Die fixe Quote Seit 2016 müssen mindestens 30 % des Aufsichtsrates in Unternehmen, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind, der unterrepräsentierten Geschlechtergruppe angehören. Wird die Quotenregelung bei Neubeset- zungen nicht beachtet bzw. nicht erfüllt, wird die Wahl für nichtig erklärt, die Posten bleiben unbesetzt („leerer Stuhl“).84 Zusätzlich müssen verbindliche Zielvorgaben für die Geschäftsführung und die oberen Führungsebenen definiert wer- den. Die Regelung für den öffentlichen Dienst Handelt es sich um ein Unternehmen, in dem mindestens drei Sitze dem Bund zustehen, muss dieses seit 2016 bei Neu- besetzungen eine 30 %-Quote erfüllen, seit 2018 liegt dieser Zielwert bei 50 %. Die flexiblen, selbst festzulegenden Quoten Unternehmen, die entweder börsennotiert oder paritätisch mitbestimmt sind, müssen anzustrebende, verbindliche Ziel- größen für Aufsichtsräte, Vorstände und die obersten Managementebenen festlegen. Die Zielgrößen und Umsetzungs- fristen müssen publiziert werden, außerdem sind jährliche Fortschrittsberichte vorzulegen. Mindestgrößen gibt es keine, 73 European Commission 2013. 74 Levrau 2017. 75 Institut pour l’égalité des femmes et des hommes 2016. 76 European Institute for Gender Equality 2019. 77 Unter die Regelung fallen ab 2015 einerseits Unternehmen mit 1. Mindestanschaffungs- und Produktionskosten im Wert von 20 Millionen Euro, 2. einem Nettomindestumsatz von 40 Millionen Euro oder 3. mindestens 250 Beschäftigten pro Jahr (Kruisinga, Senden 2017.). 78 Ungleich Besser 2016. 79 Kruisinga, Senden 2017. 80 Ebd. 81 Ebd. 82 EIGE – European Institute for Gender Equality 2018. 83 Holst, Kirsch 2016. 84 Holst, Kirsch 2016. 12
der Zielwert darf jedenfalls nicht unter dem Status quo liegen. Sanktionen bei einer angestrebten Zielgröße von 0 % sind allerdings ebenso wenig vorgesehen wie bei der Verfehlung der selbst gewählten Quote.85 Unterschiedliche Studien beobachten bereits seit Jahren die Entwicklung der Frauenanteile in Führungspositionen der deut- schen Wirtschaft: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin analysiert in seinem „DIW Managerinnen Barometer“ seit 2010 jährlich die Frauenanteile in den 200 umsatzstärksten deutschen Unternehmen. Die Beratungsgesell- schaft Ernst & Young (EY) betrachtet – wie auch für Österreich – im sogenannten „Mixed Leadership Barometer“ halbjährlich die 160 börsennotierten deutschen Unternehmen (DAX, MDax, SDax). Ebenfalls jährlich veröffentlicht der Verein FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V. ihren Women-on-Board-Index. Hier stehen die Frauenanteile in den Aufsichtsräten im Fokus, betrachtet werden aber auch die Quoten in den Vorständen. Alle drei Studien kommen zum gleichen Fazit: Die gesetzliche Geschlechterquote für Aufsichtsräte zeigt drei Jahre nach ihrer Einführung Wirkung. Das vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Jänner 2019 veröffentlichte Managerin- nen-Barometer86 hat beispielsweise erhoben, dass die 104 Unternehmen mit fester Geschlechterquote von 30 % eine sehr positive Entwicklung aufweisen: 2016 erreichten diese Gesellschaften im Durchschnitt einen Frauenanteil von 27,4 %, 2017 waren es bereits 30,1 % und Ende 2018 gab es ein weiteres Plus auf nunmehr 32,8 %. Der Abstand zu den nicht-quotenpflich- tigen Unternehmen mit einem Frauenanteil von 23 % ist damit deutlich erkennbar.87 Waren Frauen in Aufsichtsräten früher traditionell stärker auf Seite der ArbeitnehmerInnenvertretung zu finden, sind es Ende 2018 in beiden Kurien (Kapital- und ArbeitnehmerInnenvertretung) etwa gleich viele Frauen. 88 Dass die gesetzliche Quotenregelung wirkt, unterstreicht auch Ökonomin Marion Weckes von der Hans-Böckler-Stiftung: Jetzt würde es darum gehen, ihren Geltungsbereich auszudehnen, damit mehr als lediglich rd. 100 Unternehmen von mehr Geschlechterdiversität in der Unternehmensführung profitieren. Nach Weckes müssten alle börsennotierten Unternehmen ab einer bestimmten Größe automatisch dazu verpflichtet wer- den.89 Im Gegensatz zu den letzten Jahren sind jedoch für das Jahr 2018 erste Hinweise zu finden, dass die Unternehmen zwar die Quote erfüllen, sich jedoch der weibliche Anteil der Aufsichtsratsmitglieder darüber hinaus nicht weiter steigert. So stagniert der Frauenanteil in den DAX-30-Unternehmen Ende 2018 bei einem Drittel. Dies deutet darauf hin, dass offenbar viele Un- ternehmen ihre Bemühungen, Frauen für Aufsichtsräte zu gewinnen, nach Erreichen des gesetzlich vorgeschriebenen Anteils zurückfahren oder gar einstellen.90 Davor warnte Marion Weckes von der Hans-Böckler-Stiftung bereits bei der Einführung des Gesetzes: „Offen bleibt aber langfristig, ob die Mindestquote nicht zu einer informellen Obergrenze für Frauen wird.“ 91 Geprägt war das Jahr 2018 außerdem durch den ersten Fall der Sanktion des leeren Stuhls, in dem ein Unternehmen den Aufsichtsrat nicht wie gesetzlich vorgegeben mit 30 % Frauen besetzen konnte: Es handelt sich dabei um die Villeroy & Boch AG. Ein Stuhl blieb leer, weil die ArbeitnehmerInnenseite nicht wie erforderlich zwei Frauen für das Kontrollgremium benannt hatte. Erst nach drei Monaten wurde eine weitere Frau gerichtlich in den Aufsichtsrat bestellt, sodass das Gremium die Quote erreichte.92 Auf Ebene der Geschäftsführung, für die in Deutschland bislang keine fixe Quotenbindung vorgesehen ist, sind hingegen kaum Fortschritte zu verzeichnen. Zurückzuführen ist das mitunter auf die flexiblen, selbst zu definierenden Zielgrößen für die Ge- schäftsführung, die bislang die gewünschte Wirkung verfehlt haben. Per März 2018 liegen von 114 (61,3 %) der insgesamt 186 börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen Zielgrößen ab dem Jahr 2017 vor. Noch immer planen 47 der Unternehmen (45,2 %), die keine Frau im Vorstand haben, mit einer Zielgröße Null für das Top-Management.93 „Wir wer- den die Unternehmen künftig noch stärker in die Pflicht nehmen“, kündigte die zuständige Ministerin Franziska Giffey an und fordert eine Begründungspflicht für jene Unternehmen, die sich die Zielgröße Null bei Frauen in den Vorständen geben. „Wer sich dabei nicht an die Regeln hält, sollte auch mit Sanktionen rechnen müssen“, so Giffey. Auch Unternehmen, die gar keine Angaben machen, sollen Bußgelder drohen. 94 85 Holst, Kirsch 2016. 86 Holst, Wrohlich 2019. 87 Ebd. 88 Ebd. 89 Weckes 2018. 90 Holst, Wrohlich 2019. 91 Weckes 2016. 92 Haufe 2019. 93 FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V. 2018. 94 Anger, Heike 2018. 13
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