Eckpunktepapier der Verkehrsministerkonferenz zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets
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Eckpunkte zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets Eckpunktepapier der Verkehrsministerkonferenz zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets Entwurf zur Erörterung auf der Verkehrsministerkonferenz am 12./13. Oktober 2022 Die hier dargestellten Formulierungen bedürfen der Zustimmung der Verkehrsministerkonferenz, des BMDV und der Verbände. Die Formulierungen sollen ein nach außen kommunizierbares gemeinsames Ergebnis der Beratungen auf der Verkehrsministerkonferenz am 12./13. Oktober 2022 darstellen Vorbemerkung Dieses Eckpunktepapier der Verkehrsministerkonferenz der Länder ist abgestimmt mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Landkreistag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Verband Deutscher Verkehrs- unternehmen und dem Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen. Als Instrument zur Verständigung wird der Abschluss einer Vereinbarung von Bund und Län- dern unter Beteiligung sowohl der kommunalen Spitzenverbände als der ÖPNV-Branchenver- bände angestrebt. In dieser Vereinbarung sind verbindliche Finanzierungsaussagen zu treffen. Hierzu sind auf Ebene des Bundes und der Länder Kabinetts- und Parlamentsbeschlüsse vor- zubereiten; diese bedürfen einer tragfähigen Grundlage. Das vorliegende Eckpunktepapier bietet dafür einen ersten Ansatz, sowohl zu den einver- nehmlich geklärten Punkten als auch hinsichtlich der noch zu klärenden Fragen. Ein Beschluss der kommenden Besprechung des Bundeskanzlers mit den Regierungschefin- nen und Regierungschefs der Länder ist erforderlich, um eine Umsetzung eines bundesweiten ÖPNV-Tickets konkret vorbereiten und zeitnah umsetzen zu können. Voraussetzung für ein bundesweites ÖPNV-Tickets Die Länder halten an dem Grundsatz „Liquidität des Gesamtsystems geht vor freiwillige Zu- satzleistung“ fest. Die Länder verweisen auf die Beschlusslage der Sonder-Verkehrsminister- konferenzen vom 26.08.2022 und 19.09.2022 hinsichtlich der Notwendigkeit und der Höhe zusätzlicher Regionalisierungsmittel ab 2022. Bevor die Verkehrsministerkonferenz gemeinsam mit dem Bund über die Umsetzung eines bundesweiten Tickets im Öffentlichen Personennahverkehr (Nachfolgeregelung 9-Euro-Ti- cket) entscheidet und einen Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden schließen kann, erwartet sie, dass der Bund ein Angebot vorlegt, das auf die Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz zur Steigerung der Regionali- sierungsmittel für einen Ausgleich der allgemeinen Preissteigerungen seit 2019, der Corona- Schäden sowie der Energiepreissteigerungen infolge des Ukraine-Kriegs eingeht. Diese Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz erfordern, dass zunächst das Gesamtsys- tem ÖPNV gesichert und gestärkt (1,5 Mrd. €) wird und Kostensteigerungen u.a. durch die 1
Eckpunkte zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets Energiekostensteigerung (1,65 Mrd. €) und weitere Pandemieverluste (ca. 750 Mio. € - Be- rechnung VDV) ausgeglichen werden müssen. Zu allen relevanten Finanzierungsfragen muss es zwischen Bund und Ländern zwingend eine Verständigung geben. Vereinbarte Eckpunkte zur Verkehrsministerkonferenz am 12./13. Oktober 2022 Wesentliche Eckpunkte des Tickets 1. Der Name des Tickets lautet „Klimaticket Deutschland“ (BMDV präferiert „Deutschland- ticket“) 2. Der Einführungszeitpunkt des Tickets ist aus Ländersicht grundsätzlich abhängig von der Zusage des Bundes zu den von der Verkehrsministerkonferenz am 26. August 2022 und 19. September 2022 sowie von der Besprechung der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 28. September 2022 geforderten Erhöhungen der Regionalisierungsmittel ab 2022. 3. Das Ticket soll zeitnah eingeführt werden, sobald die Fragen der Finanzierung ab- schließend geklärt sind. Um Liquidität bei den Verkehrsunternehmen sicher zu stellen, ist es erforderlich, dass die Mittelauszahlung durch Bund und Länder an die Aufgaben- träger und Verkehrsunternehmen mindestens 14 Tage vor der Einführung des Tickets erfolgt. 4. Das Ticket soll bundesweit gültig sein im ÖPNV. Es soll sowohl zu bundesweit einheit- lichen Tarifbestimmungen als auch zu einheitlichen Beförderungsbedingungen ange- boten werden. Es ist personalisiert und nicht übertragbar. Die Mitnahme von Kindern bis 6 Jahren ist kostenlos. Eine weitere kostenfreie Mitnahme von Personen ist ausge- schlossen. 5. Das Ticket soll sowohl digital als auch analog angeboten werden. Der Vertrieb und die Vermarktung sollen dezentral erfolgen. Die bestehenden Vertriebskanäle sollen weiter genutzt werden. Beim Vertrieb digitaler Tickets sind die derzeitig genutzten Ausgabe- verfahren und Barcodes anzuerkennen. 6. Das Ticket soll zum Start für den Preis von 49 € im Jahresabo erhältlich sein. Dieser Startpreis führt zu einem hohen Anteil von Neukunden und hat eine hohe Klimawir- kung, da aufgrund des attraktiven Preises eine optimale Wirkung hinsichtlich des Wechsels vom Auto auf den ÖPNV und somit eine hohe CO2-Minderung erreicht wird. Zur Erörterung auf der Verkehrsministerkonferenz: o Die 49 Euro-Lösung hätte nach VDV die höchste Nutzen-Kosten-Wirkung bei der Finanzierung der Gewinnung von Neukunden; diese würde i. d. R. auch alle großstädtischen Abos vergünstigen. o Alternativ befürworten einigen Länder 69 Euro als Abo und 29 Euro für Studie- rende und Schüler bzw. als Sozialticket. Dieses ist für die rund 3,0 Mrd. Euro im eingeschwungenen Zustand alternativ zum 49 Euro Ticket finanzierbar. Hier 2
Eckpunkte zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets liegt der Fokus auf Stadt-Regionale-Verkehre und Kundenbindung bei jungen Menschen sowie bei Entlastung einkommensschwacher Kundengruppen. Pro: § Dieses Modell hat das Ziel, auch einkommensschwachen Personen- gruppen die gleichen bundesweiten Mobilitätschancen / Teilhabe zu ge- ben und diese nicht auf lediglich lokale Sozialtickets (zweiter Klasse) zu verweisen. § Zudem ist das Ziel, allen Jugendlichen in Ausbildung bis zum 27. Le- bensjahr in einer für die Ausprägung des Mobilitätsstils prägenden Phase für das Klimaticket zu gewinnen. Die bestehenden günstigen Schüler- und Semestertickets bieten durchweg nur eine regionale Fahrt- möglichkeit und sind nicht vergleichbar mit einem bundesweiten Klima- ticket. § Bestehende günstigere Semestertickets müssen nicht zwingend wei- chen oder integriert werden, sondern können auch bestehen bleiben. Gezahlte Solidarbeiträge können auf das rabattierte Klimaticket anre- chenbar gemacht werden um die Zahlung von Solidarbeiträgen attraktiv zu halten. § Ein Preis von 69 Euro pro Monat für eine bundesweite Fahrtmöglichkeit ist immer noch extrem günstig und liegt weit unter dem Niveau, das an- dere Länder für vergleichbare Klimatickets ansetzen (z.B. Österreich). Contra: § Dieses Ticket hätte bei gleichen Kosten laut VDV jedoch einen geringe- ren Effekt in der Nachfragewirkung. Zudem ist eine Anpassung von Se- mestertickets nicht trivial. § In einigen Ländern fahren Schüler gratis, andere Länder/Verbünde ver- fügen über gesonderte Schüler-Monatskarten im Bereich von 30 Euro/Monat, Nutzen einer Anpassung ist zu hinterfragen. § Semestertickets sind in der Regel im Semesterbeitrag gemeinsam mit den Studiengebühren zu entrichten und in der Regel deutlich günstiger als 29 € / Monat. Semestertickets sind in der Regel Einzelverträge der Studierendenvertretungen mit dem Verkehrsverbund vor Ort. o Durch Bund und Länder rabattierte Sozialtickets § In vielen Städten gibt es seit Jahren bereits Sozialtickets. Diese gelten i. d. R. nicht verbundweit. Sie verfolgen das Ziel der Teilhabe und der Sicherung der Mobilität zu gewährleisten für Personen, die Grundsiche- rung für Arbeitssuchende (SGB II), Sozialhilfe (SGB XII Kap. 3, Hilfe zum Lebensunterhalt, beziehungsweise SGB XII Kap. 4, Grundsiche- rung im Alter und bei Erwerbsminderung) oder Leistungen nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz (AsylbLG) mit Wohnsitz in der betreffen- den Stadt beziehen. 3
Eckpunkte zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets § Diese Tickets bewegen sich im Bereich um 30 € je Monat § Die bestehenden Sozialtickets werden in der Regel durch die Kommu- nen und dort nicht allein aus den Verkehrs-, sondern auch anteilig aus den Sozialetats finanziert. Bei einer bundesweiten Regelung würden Bund und Länder demnach die Kommunen finanziell entlasten. § Der Bund ist aktuell hier nicht bereit, rabattierte Tickets für bestimmte Personengruppen anteilig mit zu finanzieren. 7. Für einen gegenüber der Abo-Rate deutlich erhöhten Preis sollten auch Tickets für kürzere Zeiträume als Probe-Abo und als Monatsticket angeboten werden. Probe-Abo und Monatskarte sind so zu konzipieren, dass hierdurch der jährliche Zuschussbedarf von Bund und Ländern möglichst nicht erhöht wird. gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder 8. Bund und Länder beabsichtigen, das Ticket zu je 50 % gegen zu finanzieren. Der ge- meinsam zu tragende finanzielle Rahmen sollte ungefähr 3 Mrd. € betragen, bezogen auf die Kosten im eingeschwungenen Zustand nach der Einführungsphase. Zur dauer- haften Finanzierung des Tickets ist es erforderlich, dass Bund und Länder zum Aus- gleich erhöhter Kosten bereit sind, auch mehr als 1,5 Mrd. € / Jahr hälftig zu tragen. Dies bezieht sich sowohl auf die Einführungsphase und die Nachschusspflicht als auch auf die weitere Laufzeit des Tickets. Abrechnungssystematik 9. Das Ticket wird im Jahr 2023 dauerhaft eingeführt. Die Finanzierung ist durch Bund und Länder dauerhaft ab dem Datum der Einführung sicherzustellen. Die Finanzierung soll während der Einführungsphase bis zu einer dauerhaften gesetzlichen Regelung nach der Rettungsschirmsystematik erfolgen. Diese Einführungsphase von 2 Jahren soll der Evaluation zur Optimierung hinsichtlich der Vorbereitung einer dauerhaften ge- setzlichen Regelung dienen. Das Gesetzgebungsverfahren und die dauerhafte Rege- lung der Ausgleichsmechanismen sind unter Beachtung der Ergebnisse der Evaluation zu erarbeiten. 10. Infolge der Rabattierung entstehen Mindereinnahmen. Diese sollen den Verkehrsun- ternehmen und Aufgabenträgern gegenüber dem Einnahmeniveau von 2019 durch Bund und Länder ausgeglichen werden. Es ist erforderlich, dass sich Bund und Länder verpflichten, die tatsächlich eingetretenen Mindereinnahmen hälftig zu tragen, auch wenn diese den prognostizierten Fehlbedarf übertreffen („Nachschussverpflichtung“). In dieser ersten Phase soll nach der Rettungsschirmsystematik abgerechnet werden. Das BMDV prüft hierzu eine Beteiligung durch die EU-Kommission hinsichtlich der bei- hilferechtlichen Problematik. Insbesondere für die Unternehmen ist es entscheidend, dass eine beihilferechtlich saubere Lösung gefunden wird. Andernfalls droht eine exis- tenzbedrohende Rückzahlung zuvor gewährter Mittel zum Ausgleich der Minderein- nahmen. 11. Eine Dynamisierung sowohl des Tarifverlustausgleichs als auch des Tarifs ab dem zweiten Jahr ist vorzusehen. Die Dynamisierung muss gesetzlich festgelegt werden und nach zwei Jahren einer Evaluation unterzogen werden. 4
Eckpunkte zu Grundsätzen eines bundesweiten ÖPNV-Tickets Weitere Details zur Operationalisierung, Festlegung der Tarifbestimmungen und Beförde- rungsbedingungen, Gesetzgebung und Musterverordnung, Evaluierung, Preisfindung von Mo- natskarten, perspektivischen Rabattierungen etc. werden durch die Verkehrsministerkonfe- renz der Länder mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr, dem Deutschen Städ- tetag, dem Deutschen Landkreistag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Ver- band Deutscher Verkehrsunternehmen und dem Bundesverband Deutscher Omnibusunter- nehmen in Arbeitsgruppen zurzeit vertieft erörtert. Durch diese kooperative Zusammenarbeit soll sichergestellt werden, dass alle zu beteiligen- den staatlichen Ebenen und Verbände den weiteren Prozess gemeinsam ausgestalten. Stand dieser Version: 11.10.2023 – 12.04 Uhr 5
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