Die Villa des Erfinders Rudolf Diesel, Maria-Theresia-Straße 32

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Rudolf Diesel

     Die Villa des Erfinders Rudolf Diesel, Maria-Theresia-Straße 32
          Ein Übergang von der Großbürgervilla zum kleinen Schloss

Jakob Möhl, Königlicher Hofgartendi-
rektor und Nachfolger von Carl von
Effner hatte 1890 den Auftrag erhalten,
eine Lösung für die Weiterführung der
Prinzregentenstraße über die Prinzregen-
tenbrücke und das Isarufer nach Osten zu
erarbeiten. Gleich nach der Eingemein-
dung des kleinen Bauerndorfes Bogen-
hausen im Jahr 1892 begann die Er-
schließung des neuen Siedlungsgebietes.
Der neue Stadtteil entwickelte sich rasch
zu einer der beliebtesten Wohngegenden
Münchens für Künstler, Wissenschaftler,
Unternehmer und Gelehrte. Malerisch am
rechten Isarhochufer gelegen, entstand
ein Villengebiet, das höchsten Ansprü-
chen entsprach. Sechs Jahre nach der
Eingemeindung erwarb der berühmte Er-
finder Rudolf Diesel 1898 einen Bauplatz
an der Maria-Theresia-Straße 32.
       Rudolf Diesel – sein Leben
Rudolf Diesel war 1858 als Sohn eines
aus Bayern ausgewanderten Lederhand-        vember 1883 vermählte sich Rudolf Die-
werkers in Paris zur Welt gekommen. Da      sel in München mit Martha Flasche, der
nach der Schlacht von Sedan alle Deut-      Tochter eines Notars. 1890 zog Rudolf
schen aus Paris ausgewiesen wurden,         Diesel mit seiner Frau und seinen drei
floh die Familie nach London. Im Alter      Kindern Rudolf, Hedy und Eugen nach
von vierzehn Jahren schickten ihn seine     Berlin, übernahm die Leitung des techni-
Eltern aus finanziellen Gründen zu einem    schen Büros der Gesellschaft für Linde's
Onkel nach Augsburg. Mit Hilfe eines        Eismaschinen und wurde in den Vorstand
Stipendiums begann er 1875 an der           der neu gegründeten Aktiengesellschaft
Technischen Hochschule in München ein       für Markt- und Kühlhallen gewählt.
Maschinenbau-Studium, das er 1880 als
Bester seines Jahrgangs ablegte. Im No-
Rudolf Diesel

     Entwicklung des Dieselmotors
In Berlin begann er, sich der Entwick-
lung einer neuen Wärmekraftmaschine zu
widmen. In den Vorlesungen Carl von
Lindes hatte er gehört, dass die damali-
gen Dampfmaschinen einen geringen
Prozentsatz der Energie des Brennstoffes
in Leistung umsetzten. Das war die zent-
rale Frage der damaligen Energietechnik,
die insbesondere auch für die Schifffahrt
von größter Bedeutung war. Im Februar
1892 reichte Diesel beim Kaiserlichen
Patentamt in Berlin eine handschriftliche
Anmeldung mit dem Titel "Neue, ratio-
nelle Wärmekraftmaschine" ein. Trotz
vieler Widerstände entwickelte er zwi-
schen 1893 und 1897 in der Maschinen-
fabrik Augsburg unter Direktor Heinrich
von Buz und mit finanzieller Beteiligung
von Friedrich Krupp seine Wärmekraft-
maschine: den Dieselmotor. Diesel
wurde schlagartig berühmt und reich.
Auf der Weltausstellung in Paris im Jahr
                                            160.000 Mark an die Heilmann’sche
1900 gewinnt Diesels Maschine den
                                            Immobiliengesellschaft. Der Architekt
begehrten „Grand Prix": die höchste
                                            von Diesels Villa, Prof. Max Littmann,
technische Auszeichnung, die von einer
                                            war der Schwiegersohn von Jakob Heil-
Jury der bedeutendsten Wissenschaftler
                                            mann. Beide waren Inhaber der berühm-
vergeben wurde.
                                            ten Baufirma Heilmann & Littmann, die
        Der Bau der Diesel-Villa            sich auf den Bau von Villen, Theatern
                                            und Monumentalbauten spezialisierte. Ihr
Nachdem Rudolf Diesel zu Erfolg und
                                            berühmtestes Bauwerk war das zeitgleich
Reichtum gekommen war, beauftragte er
                                            mit der Dieselvilla erbaute Prinzregen-
den bekannten Architekten Max Litt-
                                            tentheater.
mann, einen Entwurf für eine Villa auf
dem von ihm erworbenen Bauplatz Ma-         Auch der Bau des Hauses wurde deutlich
ria-Theresia-Straße 32 anzufertigen. Die    teurer als ursprünglich geplant, da sich
von Littmann entworfene Villa gehört zu     Diesel auch hier als Perfektionist erwies.
den repräsentativsten und teuersten Ge-     Sein Sohn Eugen schrieb hierzu in sei-
bäuden, die damals in Bogenhausen ge-       nem 1937 erschienenen Buch „Diesel,
baut wurden. Bereits der Baugrund war       Der Mensch, das Werk, das Schicksal“:
sehr teuer gewesen. Für das 2.300 Quad-     „Der Bau des Hauses Maria-Theresia-
ratmeter große Grundstück zahlte Diesel     Straße 32 durch Professor Littmann dau-
Rudolf Diesel
erte etwa zwei Jahre. Da mein Vater al-    kommenste Weise ausgeführt. Die Küche
les mit der äußersten Folgerichtigkeit     war eine der schönsten Münchens. Neben
und unter Durchmessung aller dazuge-       ihr lag eine große besondere Abwasch-
hörigen Kreise zu unternehmen pflegte,     küche. Das hochherrschaftliche Haus
so beschäftigte er sich auch bis in alle   war ein Übergang von der Großbürger-
Einzelheiten sowohl mit der baulich-       villa zum kleinen Schloss. Parkett, Flie-
technischen wie mit der künstlerischen     sen, Wände – alles war von entzückend
Seite des Hausbaues.                       großartiger Beschaffenheit.

Er lud sich dadurch eine große neue Ar-
beitslast auf, die ihm viel Freude, aber   Der zweite Grund des Teurerwerdens
auch viel Ärger verursachte und seine      war, dass der Bauunternehmer auf eine
Gesundheit schädigte.                      Neigung Diesels geschickten Einfluss zu
                                           nehmen wusste. Die Mode der reichen
       Diesel – der Perfektionist
                                           Häuser der Jahrhundertwende war die
Der Bauplatz war sehr teuer gewesen. Er    Halle, der Mittelraum des Hauses. Hal-
hatte etwa zweihunderttausend Mark ge-     len kann man groß und klein, stolz oder
kostet. Der Bau selbst wurde viel kost-    behaglich machen. Zuerst war ein kleiner
spieliger, als es Diesels Plänen ent-      Raum geplant, aber meine Mutter
sprach. Der eine Grund war, dass Diesel    wünschte sich eine geräumige Halle,
das Haus nicht gut genug haben konnte.     ganz gegen ihr sonstiges etwas ängstli-
Er ließ besondere doppelte Grundmauern     ches Wesen. Und die Halle wurde sehr
bauen, damit das Haus rasch trocknete      groß und sie wurde sehr stolz. Sie ging
und nie durch Bodenfeuchtigkeit            durch zwei Stockwerke, hatte eine breite
gefährdet war. Alle Doppelfenster wur-     Treppe mit einem aus dem Vollen ge-
den mechanisch durch die denkbar beste     schnitzten Eichenholzgeländer, oben das
Anordnung gekoppelt, so dass sich beide    Billard- und Jagdzimmer, und die um-
Fenster gleichzeitig bewegen ließen, und   laufende Galerie, unten in den Ecken be-
überhaupt wurden alle handwerklichen       hagliche Sitzräume, einen gewaltigen
und technischen Arbeiten auf die voll-     Kamin mit dem Bilde des Hausherrn da-
Rudolf Diesel
rüber und Glasmalerei in den hohen          Von 1905 an pflegte ein rotes Auto vor
Fenstern. …Diese gewaltige Halle            dem Tor der Villa bereitzustehen.“ (Die-
sprengte die ursprünglich geplanten         sel, a.a.O., S.370-373)
Ausmaße des Hauses und trieb die Kos-
                                                Eine Flucht von hohen Räumen
ten erschreckend in die Höhe. Wenn die
repräsentative Mitte des Hauses weit-       Im Frühjahr 1901 bezog Rudolf Diesel
räumig und hoch ist und alle Zimmer, die    im 42.Lebensjahr mit seiner Familie das
doch auch schön und groß sein sollen,       Haus und lebte hier bis zu seinem frühen
um     diesen    mächtigen     Hohlraum     und mysteriösen Tod im Jahr 1913.
herumgruppiert werden müssen, so ist        Die jetzigen Eigentümer der Villa führten
klar, dass das ganz Haus überaus teuer      mich durch das Haus. Ich habe alles noch
im Bau und in der Unterhaltung werden       so vorgefunden, wie es der Sohn Rudolf
muss. Der ganze Lebensstil und damit die    Diesels in seinem Buch beschrieben hat.
Höhe der Unkosten wird von der Halle        Das Haus wurde in beiden Weltkriegen
abhängig, die Heizung wird teurer, das      nicht zerstört und steht unter Denkmal-
Personal zahlreicher, das Fest üppiger.“    schutz. Die Außenfassaden wurden von
  Ein rotes Auto stand vor der Villa…       den Eigentümern originalgetreu restau-
                                            riert und erhielten hierfür den Fassaden-
Das Dieselhaus kostete schließlich mit      preis der Landeshauptstadt München. Die
dem Bauplatz und der Einrichtung unge-      repräsentativen Ausmaße des Hauses
fähr neunhunderttausend Mark. Diesels       wirken für heutige Verhältnisse geradezu
Sohn schreibt hierzu weiter in seinem       bedrückend. Man schreitet durch eine
Buch: „Fast eine Million von den fünfen     Flucht von riesigen und hohen Räumen,
war also nicht mehr zinsgebend, sondern     die häufig durch Kassettentüren mitei-
unkostenfressend geworden. Ist das bei      nander verbunden sind. Ich durfte auch
fünf Millionen leichtsinnig gehandelt ge-   Einblick nehmen in die Pläne aus dem
wesen?“…                                    Jahr 1899. Hier sind über die Stockwerke
Aber gewiss, es war schön, dies Haus mit    verteilt folgende Räumlichkeiten aufge-
seinem lieblichen Gartenzimmer, dem         führt: Diele, Garderobe, Zimmer für Sek-
großartigen englischen Wohnzimmer,          retär, Zimmer des Herrn, Salon, Wohn-
dem Louis-XV-Salon, dem Arbeitszimmer       zimmer, Anrichte, Esszimmer, Billard-
Diesels in dem merkwürdigen Jugendstil      zimmer, Schlafzimmer der Eltern, Zim-
jener Tage, das der Architekt so gewollt    mer Mademoiselle, Zimmer der Tochter,
hatte und das gar nicht zu seinem Be-       Studierzimmer, Schlafzimmer der Kna-
wohner passte. Ein Prachtraum war das       ben, Mädchenzimmer, Hausmeisterwoh-
Esszimmer mit seiner Mahagonitäfelung       nung im Souterrain, Waschküche und
und dem großartigen Marmorkamin. Es         Bügelzimmer, Vorratszimmer für Ge-
waren fünf Badezimmer da, und die           müse und Speisen im Keller. Terrassen
Dienstboten hatten eine Flucht bequemer     und Balkone bieten einen wunderbaren
Zimmer. Die Kellerhalle war so groß,        Blick in den Garten, auf die Maximi-
dass die Jungens darin radeln konnten,      liansanlagen und die nahe gelegene Kir-
und ein schöner Garten umgab das Haus.      che St. Georg.
Rudolf Diesel
Kurz nach dem Einzug in die Villa erlitt     von Autos mit Dieselmotoren durfte er
Diesel einen Nervenzusammenbruch.            nicht mehr erleben.
Sein Sohn schreibt hierzu: „Die nie en-
                                                        Das tragische Ende
den wollende Folge von Erregungen und
Triumphen, eine nach allen Seiten zer-       Am Ende seines Lebens war die hoch-
rende und zersplitternde Arbeitslast, das    herrschaftliche Villa an der Maria-There-
Übermaß an seelischen und geistigen          sia-Straße – inzwischen von ihm verbit-
Beanspruchungen drohten Diesel in den        tert „Mausoleum“ genannt – für Rudolf
Untergang zu reißen.“                        Diesel nur noch eine Last. Er wurde in
                                             der Nacht vom 29. auf den 30. September
                                             1913 zum letzten Mal lebend an Bord des
                                             Passagierdampfers „Dresden“ auf der
                                             Überfahrt von Antwerpen nach England
                                             gesehen. Es gibt Spekulationen, dass
                                             Diesel ermordet wurde, da er den Eng-
                                             ländern ein Jahr vor Ausbruch des 1.
                                             Weltkrieges Patente verkaufen wollte.
                                             Wahrscheinlicher ist, dass er – vom fi-
                                             nanziellen Ruin bedroht – den Freitod
                                             wählte.
Um seine Gesundheit zu schonen und           Seine geniale Erfindung macht ihn bis
seine Familie abzusichern, verkaufte         heute zu einem der bedeutendsten Erfin-
Diesel seine Rechte am Dieselmotor an        der aller Zeiten. In München wurde in
die neu gegründete         „Allgemeine       der Ruhmeshalle hinter der Bavaria seine
Gesellschaft für Dieselmotoren“. Der         Büste aufgestellt. Zahlreiche Gymnasien
Verkauf war für ihn wie eine Befreiung.      in Deutschland sind nach ihm benannt, in
Das Glück aber schien ihn fortan             fast jeder großen Stadt gibt es eine Straße
verlassen zu haben. Diesels 1903             mit seinem Namen. Und Bogenhausen
erschienenes Buch „Solidarismus“ blieb       hat Diesel eine Villa hinterlassen, die in
erfolglos. Seine Grundstücksgeschäfte        ihrem großbürgerlichen Repräsentations-
und Spekulationen brachten ihm große         stil zu einer der schönsten des ganzen
Verluste. Die serienmäßige Ausstattung       Viertels gehört.

                                                             Michaela März-Lehmann

Literatur: -Eugen Diesel. Diesel, Der Mensch, Das Werk, Das Schicksal. Hamburg 1934
          -Dorle Gribl, Prominenz in Bogenhausen, Villen und ihre berühmten Bewohner
           Volk Verlag München 2009
          -www.terra-x.zdf.de, Das Diesel-Rätsel, aufgerufen 26.7.2011
          -www.volkverlag.de/newsletter/newsletter-1109-prominenz-in-bogenhausen,
           aufgerufen 26.7.2011
          -http://www.dieterwunderlich.de/Rudolf_Diesel.htm
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