Ein Gipfel für die Demokratie - Motor oder Spaltkeil? - Konrad ...
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Dezember 2021 KAS Berlin – KAS Brüssel – KAS Genf – KAS New York Ein Gipfel für die Demokratie - Motor oder Spaltkeil? Joe Biden verbindet beim Summit for Democracy den Kampf für die Demokratie im eigenen Land mit Bemühungen der Demokra- tieförderung in der Welt Magdalena Jetschgo, Andrea E. Ostheimer, Denis Schrey, Olaf Wientzek Am 9. und 10. Dezember 2021 fand der erste Gipfel für die Demokratie des US Präsidenten Joe Biden statt. An diesem pandemiebedingt virtuell durchgeführten Treffen nahmen über 100 Staaten teil, reprä- sentiert zum Teil auf höchster Ebene durch ihre Staatspräsidenten oder Premierminister. Am Gipfel und in den thematischen Diskussionsrunden, die sich neben den Kernthemen vor allem auch der Medi- enfreiheit und den Auswirkungen der Digitalisierung und künstlicher Intelligenz auf die Resilienz von Demokratien widmeten, wirkten auch Vertreter der Zivilgesellschaft, des Privatsektor, Repräsentanten lokaler Regierungsebenen wie auch ehemalige Leiter von demokratierelevanten Institutionen wie Wahl- kommissionen mit. Bereits kurz nach seiner Amtsübernahme im Ja- Vor diesem Hintergrund ist der erste Gipfel für nuar 2021 kündigte US-Präsident Joe Biden die die Demokratie (Summit for Democracy) vor al- Organisation eines Demokratie-Gipfels durch die lem auch als Versuch zu bewerten, gemeinsame Vereinigten Staaten an. Angesichts der Erosion Strategien zu entwickeln, mit denen Angriffe auf der amerikanischen Demokratie unter Trump, die Demokratien von innen wie auch von außen ab- in der Nicht-Akzeptanz des Wahlergebnisses und gewehrt und die Resilienzen demokratischer Sys- der Erstürmung des Kapitols durch Trump-Anhä- teme gestärkt werden können. nger kulminierte, kam dieses Projekt nicht über- raschend. „As a global community for democracy, we have to stand up for the values that unite us. “ Es kam allerdings von einem Politiker, der im Laufe seiner Karriere den idealistischen Ansätzen (US-Präsident Joe Biden in seiner Eröffnungsrede des State-Building und der Demokratieförderung des Demokratie-Gipfels am 9.12.2021) immer sehr kritisch gegenübergestanden hatte, und sich damit von überzeugten Demokratieför- Mit dem Demokratie-Gipfel versuchte der US-Prä- derern wie George W. Bush unterschied. sident auch, einen Schulterschluss Gleichgesinn- ter herbeizuführen, um dem Versuch autoritärer Allerdings musste Joe Biden sein Amt zu einem Regime, etablierte Demokratien gezielt zu desta- Zeitpunkt antreten, in dem bereits aufgrund der bilisieren und ihre eigenen Gesellschaftsmodelle seit Jahren zu beobachtenden Erosionserschei- als die überlegeneren zu verkaufen, zu trotzen. nungen in selbst etablierten Demokratien klar Im Kontext der geopolitischen Rivalitäten USA- wurde, dass der Siegeszug des liberalen Demo- China trafen sowohl die Kernthemen des Gipfels kratiemodells neu zu bewerten ist. Die diversen (Verteidigung gegen autoritäre Regime, Kampf quantitativen und qualitativen Demokratie-Indi- gegen die Korruption, Stärkung der Achtung der zes von Freedom House, V-Dem oder auch der Menschenrechte) wie auch die Einladungsliste ei- Bertelsmann Transformationsindex weisen die nen neuralgischen Punkt bei der chinesischen Re- zunehmende demokratische Regression bereits gierung. Diese reagierte prompt, organisierte ihr seit mehreren Jahren nach. eigenes Demokratie-Forum und veröffentlichte ein Weißbuch mit dem Titel „China: Democracy
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 2 That Works“. Auch, dass der Führungsanspruch Democracy Program soll vor allem jenen Part- der USA bei der Verteidigung des liberalen Demo- nern weltweit zur Verfügung stehen, die die De- kratiemodells von ca. hundert Staaten goutiert mokratie an vorderster Front verteidigen. und der Einladung Folge geleistet wurde, konnte China nicht entzücken. Mit einem besonderen Augenmerk auf den Medi- ensektor schuf die Biden-Administration auch ei- Es wurde vielfach betont, dass der Demokratie- nen internationalen Fonds für unabhängige Me- Gipfel nicht als Anti-China- oder Anti-Russland-Al- dien des öffentlichen Interesses, sowie einen US lianz zu verstehen sei; nichtsdestotrotz ist nicht Defamation Defense Fund für investigative Jour- zu übersehen, dass Präsident Biden in seinen Plä- nalisten, die sich aufgrund ihrer Arbeit vor Ge- doyers für die Demokratie im gleichen Atemzug richt sehen. fast immer den Systemwettbewerb mit China er- wähnte. Kurz vor dem Gipfel veröffentlichte die Regierung erstmals eine US-Strategie zur transnationalen Aufgrund der Flecken auf der eigenen Demokra- Korruptionsbekämpfung, sowie eine erste Natio- tie-Bilanz wie auch vor dem Hintergrund des nale Strategie zu Gender-Gleichstellung und -Teil- Scheiterns amerikanischer Demokratieförderung habe. Eine Demokratie-Strategie, die von vielen in in Afghanistan oder dem Irak gab sich der Gast- der Gemeinschaft der Demokratieförderer erwar- geber bescheiden und verwies immer wieder auf tet worden war, und welche nicht nur einen nor- die Möglichkeiten des Gipfels, um voneinander zu mativen, sondern auch überprüfbaren Rahmen lernen. gesetzt hätte, blieb die Biden-Administration al- lerdings schuldig. Diese Haltung kommt gepaart mit einem neuen, zumindest proklamierten Fokus der US-Außenpo- Insgesamt gab sich der Gastgeber nicht nur be- litik auf die Stärkung von Demokratisierungspro- scheiden und im Zuhör- und Lernmodus, auch zessen und Menschenrechten. Inwieweit diese bei den möglichen Verpflichtungen (committ- Prioritätensetzung allerdings aufrechterhalten ments) der Eingeladenen zu konkreten Aktionen bleibt, wenn sie mit nationalen Sicherheitsinte- der Stärkung demokratischer Werte und Instituti- ressen kollidiert, mag noch dahingestellt sein. onen hielt man sich mit Verbindlichkeiten und konkreten Verpflichtungen zurück. Während der „We ask no more of other countries than we ask of Planungen zum Gipfel hatte man noch einen kon- ourselves.“ kreten Maßnahmenkatalog diskutiert, der bei- spielsweise die Verpflichtung auf größtmögliche (Anthony Blinken, Secretary of State, in a diplo- Transparenz bei öffentlichen Ausschreibungen matic cable sent to US Embassies in July 2021) und Immobiliengeschäften zur Korruptionsbe- kämpfung, Schutzmaßnahmen für die Zivilgesell- Um das eigene Engagement zur Stärkung der De- schaft oder auch Garantien für eine ununterbro- mokratie weltweit zu unterstreichen, verkündete chene Nutzung des Internets vorsah. Am Ende Präsident Biden während des Gipfels die Presi- setzte man lediglich auf freiwillige Verpflichtun- dential Initiative for Democratic Renewal, die im gen für das im Anschluss des Gipfels anvisierte Bereich der Außenpolitik weltweit demokratische Aktionsjahr. Resilienzen und Menschenrechte stärken soll. 424 Millionen US Dollar sollen für Projekte zu Sicherlich spielte auch die Zusammensetzung der transparenter und verantwortlicher Regierungs- Gästeliste eine Rolle bei der wenig ambitionierten führung, dem Kampf gegen Korruption, zur Un- Formulierung von konkreten Erwartungen und terstützung demokratischer Reformer, des Schut- Resultaten des Gipfels. zes von freien und fairen Wahlen, dem Schutz der Pressefreiheit, der Förderung der Rechte von Frauen, der LGBTQ-Community sowie für Demo- kratie fördernde Technologien zur Verfügung ste- hen. Ein von USAid gemanagtes Partnership for
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 3 Das Teilnehmerfeld – Geopolitik der einiger Länder. Sowohl die Zahl wie die Aus- wahl der Länder kann durchaus als Signal der sticht Demokratiequalität Machtdemonstration gegenüber Peking aufge- fasst werden. Die Teilnahme des demokratischen Die letztlich Ende November veröffentlichte Liste Taiwans, das China als abtrünnige Provinz an- der Geladenen (Ebene waren in der Regel Staats- sieht, war dabei das klarste Zeichen an China. und Regierungschefs) sorgte – wie erwartet – für einige Diskussionen. Unter den geladenen Ländern war mit Pakistan auch ein Staat, der einer der zentralen Verbünde- Da die Veranstaltung nicht als Gipfel der Demo- ten Chinas in der Region und weltweit ist – was kraten, sondern als Gipfel für die Demokratie ein weiterer Grund für die gereizte Reaktion aus konzipiert wurde, standen auch Staaten auf der Peking im Kontext des Treffens ist. Pakistan – bei- Einladungsliste, deren demokratische Bilanz und leibe nun keine Vorzeige-Demokratie – ist jedoch Achtung der Menschenrechte äußerst schwach auch für die USA ein wichtiger Partner in Sachen sind. Sicherlich könnte man der Argumentation Terrorismusbekämpfung. Umso stärker applau- der Biden-Regierung folgen und argumentieren, dierte China, als sich Pakistan entschied, nicht am dass man zum einen den Verlauf eines Demokra- Gipfel teilzunehmen und dies mit dem Versuch tisierungsprozesses berücksichtigen müsse, re- der Amerikaner begründete, eine neue geopoliti- formorientierten Politikern den Rücken zu stär- sche Zweiteilung der globalen Ordnung wie wäh- ken habe und nur gemeinsam Herausforderun- rend des Kalten Krieges herbeiführen zu wollen. gen für die Demokratie durch globale öffentliche Für eine solche Lagerbildung wolle man sich nicht Güter wie das Internet adressieren könne. instrumentalisieren lassen. Beobachter mutmaß- ten allerdings, dass andere Gründe (Druck aus Allerdings drängt sich auch der Verdacht auf, Peking, Frustration über zu geringe Beachtung dass ein sehr idealistischer Blick auf einige Staa- durch die Biden-Administration seit ihrem Amts- ten geworfen wurde und man die Gefahr, dass antritt) den Ausschlag gegeben haben könnten. Lippenbekenntnisse und bereits die Einladung zum Gipfel von einigen Staatsführern mit autori- Zur Überraschung vieler Beobachter kündigte tären Zügen zur eigenen Legitimation miss- auch Südafrika an, nicht teilzunehmen. Für be- braucht werden können, ausblendete. sondere Aufmerksamkeit sorgte, dass Ungarn als einziges EU-Land nicht eingeladen war. Ungarn, Nimmt man die Bewertung der Nichtregierungs- dessen Ministerpräsident Viktor Orban häufig organisation Freedom House als Maßstab, waren vom Leitmodell einer "illiberalen Demokratie" von den 110 geladenen Ländern 31 nur "teilweise spricht, wurde in der Tat 2021 von Freedom frei". Drei weitere (Angola, Irak, Demokratische House nur noch als teilweise frei eingestuft, doch Republik Kongo) werden gar als "nicht frei" einge- waren insgesamt 30 Länder geladen, die schwä- stuft. Auch das Rating des schwedischen V-Dem- cher abschneiden als Ungarn. Instituts von 2021 stufte 14 der eingeladenen Staaten als elektorale Autokratien ein. Unabhän- gig von der Gewichtung solcher Indizes bleibt festzuhalten, dass ein substantieller Anteil des Teilnehmerfeldes nicht oder nur sehr einge- schränkt als funktionierende Demokratien be- trachtet werden kann. Neben der demokrati- schen Qualität der Länder haben mithin augen- scheinlich noch andere Kriterien eine Rolle ge- spielt. Beobachter und Kommentatoren nennen hier unter anderem regionale Dynamiken, strate- gische und geopolitische US-Interessen (v.a. auch mit Blick auf Schlüsselakteure gegenüber China) oder auch Rücksichtnahme auf den Wahlkalen-
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 4 Die Karte veranschaulicht die geladenen Teilnehmer des Demokratie-Gipfels von Joe Biden, welcher vom 9.-10. Dezember 2021 digital stattfand. Von den eingeladenen Ländern stuft die NGO Freedom House in ihrem letzten Bericht 76 als „frei“, 32 als „teilweise frei“ und 3 als „nicht frei“ ein (2021). Ungarn war das einzige nicht-eingeladene EU-Land. 5 Länder, die Free- dom House als „frei“ einstufte, wurden nicht eingeladen. Interessant: mehrere europäische demokratische 2021 ein entsprechendes Statement. Auch beim Kleinstaaten (Andorra, Liechtenstein, San Marino) Umgang mit dem demokratischen Taiwan gehö- wurden nicht eingeladen – pazifische Inselstaaten ren einige der Teilnehmer zu den engsten Bünd- ähnlicher Größe wie Tuvalu wurden jedoch nisgenossen Chinas. Beachtenswert: viele der durchaus berücksichtigt. teilnehmenden Länder unterstützen regelmäßig von China eingebrachte Resolutionen, die eine Blickt man auf das Verhalten in multilateralen Or- Veränderung des Menschenrechtsnarrativs hin ganisationen, so gehören zahlreiche der gelade- zu kollektiven Rechten zum Ziel haben. nen Ländern nicht zu den engen Verbündeten des freiheitlich-demokratischen Lagers: Viele der Kontroversen über die Zusammensetzung des Teilnehmer orientieren sich in ihrem Stimmver- Teilnehmerfelds waren wohl unvermeidlich. Ins- halten im Menschenrechtsrat mehr an China als gesamt zeigt sich jedoch, dass die demokratische an freiheitlich-demokratischen Ländern, die Phi- Verfasstheit nur eines von mehreren Kriterien lippinen und Pakistan stimmten 2019 im Men- war. Die schlussendliche Teilnehmer-Gruppe teilt, schenrechtsrat sehr häufig mit China ab . Pakis- wenn überhaupt, nur begrenzt ein gemeinsames tan gilt generell – gerade auch durch seine Verständnis von Demokratie und Menschenrech- Schlüsselrolle bei der Organisation für Islamische ten. Abgesehen von zahlreichen umstrittenen Zusammenarbeit – als zentraler Verbündeter Chi- Entscheidungen bei der Auswahl der Länder bot nas zur Mobilisierung von Allianzen gegen Kritik der Gipfel allerdings auch Raum für Vertreter von an Menschenrechtsverletzungen Pekings in Xinji- Nichtregierungsorganisationen, Zivilgesellschaft, ang, Hongkong oder Tibet. Allein 14 der beim Pressevertretern und auch von Sozialpartnern. Gipfel teilnehmenden Länder signierten bei der Ein deutliches Signal für die Demokratiebewe- 47. Sitzung des Menschenrechtsrats im Juni /Juli
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 5 gung in ihrem Land war zudem die (herausgeho- in Partnerländern sowie am stark symbolischen bene) Teilnahme von Swetlana Tichanowskaja so- Charakter des US-Gipfels verstanden werden. wie anderer Vertreter der demokratischen Oppo- Aus Sicht der Kommission seien daher besonders sition in Belarus und auch Hongkongs. die Abstimmung und Zusammenarbeit in den Partnerländern vor Ort zwischen der EU, den EU- Die gemeinsame Wertebasis Mitgliedstaaten, den Durchführungsorganisatio- nen und gleichgesinnter Partner zu konkreten verteidigen – Europäische De- Themen (Rechtsstaatsentwicklung, demokrati- mokratieförderung im Kontext sche Teilhabe, Parteien und Parlamentsberatung, des Gipfels Medienförderung, Wahlen) zu intensivieren. Nur so könne man Wirkung und Effizienz globaler De- mokratieförderung erhöhen. Die Team Europe-Ini- Für die Europäische Union, die in ihrem aktuellen tiative der EU-Kommission leiste hierzu von EU- Haushalt 15% des Gesamtbudgets (ca. 95 Mrd. Seite bereits einen grundsätzlichen Beitrag. EUR) für die Förderung von Menschenrechten und Stärkung demokratischer und rechtstaatli- Angesichts der komplexen Gemengelage inner- cher Strukturen vorsieht, wurde die selektive und halb der EU und den Erosionserscheinungen des nicht ganz nachvollziehbare Auswahl der Teilneh- Acquis Communautaire erscheint es daher fraglich, mer zu einem Problem. ob sich die EU in dem „Follow Up“-Prozess zum Gipfel weiter engagieren wird. Schließlich sind Da Ungarn als einziges EU Land nicht zum Gipfel auch die Ressourcen in Brüssel begrenzt, eine eingeladen war, legte die ungarische Regierung weitere internationale Initiative diplomatisch und ein Veto zur Teilnahme der gesamten EU ein. Da- inhaltlich zu begleiten. Ursula von der Leyen legte raufhin warnte der juristische Dienst des Europäi- in ihrer Rede den Schwerpunkt auf den Kampf schen Rates die Botschafter, dass es wegen der gegen Desinformation und Hassreden und warb Einstimmigkeitserfordernisses in allen außenpoli- für mehr Partizipation und freie Medien, insbe- tischen Fragen keine gemeinsame EU-Präsenz auf sondere mit Blick auf die steigende Cyberkrimina- dem Gipfel geben könne. Dies war ein erneutes lität und der Untergrabung europäischer Werte Beispiel dafür, wie handlungsunfähig die EU auf durch Cyberangriffe und Falschinformation durch Grund ihrer Einstimmigkeitsregeln in außen- und Russland und China. Gleichzeitig musste sie aner- sicherheitspolitischen Fragen ist. Letztendlich war kennen, dass unabhängige und regierungskriti- der Kompromiss, dass Ursula von der Leyen und sche Berichterstattung in einigen EU Mitglieds- Charles Michel am Gipfel teilnahmen und zu "al- staaten eingeschränkt wird. ready agreed positions" sprechen durften. Die Entscheidung wurde dabei auf Artikel 21 des Im Gegensatz zur USA besitzt die EU zumindest “Treaty on the European Union” zurückgeführt: einen European Democracy Action Plan zur Stär- kung der Demokratie in Europa. Aber wie auch "The Union shall seek to develop relations and build die USA bleibt Europa trotz des wertebasierten partnerships with third countries, and international, Ansatzes in der Außen- und Sicherheitspolitik ge- regional or global organisations which share [those] fangen in den eigenen geostrategischen Interes- principles.” sen. Die EU-Kommission begrüßte die Durchführung Zwar heißt es in vielen Dokumenten: „Im interna- des US-Demokratiegipfel zwar grundsätzlich, al- tionalen Systemwettstreit gilt es, unsere Werte lerdings warnte sie auch davor, die Erwartungen entschlossen mit demokratischen Partnern zu an die Ergebnisse des Gipfels zu hoch zu stecken. verteidigen und auch in Partnerländern zu för- Man wünsche sich insbesondere in den Partner- dern.“ Allerdings zwingen globale Herausforde- ländern eine stärkere Zusammenarbeit zwischen rungen wie der Klimaschutz oder auch die eige- gleichgesinnten Partnern. Diese Aussage kann in- nen Handelsinteressen die EU immer wieder zu direkt auch als Kritik an der Auswahl der teilneh- strategischen Kooperationen mit autoritären menden Staaten, dem oftmals selbstbezogenen Staaten. Dieses Spannungsgefüge wird sich auch Vorgehen amerikanischer Demokratieförderung
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 6 nicht mit weiteren Demokratie-Gipfeln diesseits Der Planungsstab des Demokratie-Gipfels wäre und jenseits des Atlantiks auflösen lassen. des Weiteren gut beraten, jeglichem Anschein ei- ner „Zweispaltung der Welt“, wie sie im Vorfeld Ein Demokratie-Gipfel ist noch des Gipfels auch seitens China stark thematisiert wurde, entgegen zu halten. Gerade das „Freund- keine Demokratie-Strategie Feind-Schema“ einer Kalten-Krieg-Mentalität sollte vermieden werden. Eine Bewertung des Erfolges dieses ersten Demo- kratie-Gipfels wird erst in einigen Monaten sinn- Nach dem Gipfel ist vor dem voll sein. Der Gipfel ist als Ausgangspunkt für das Gipfel nun folgende Aktionsjahr gedacht. Ob er als Er- folg bezeichnet werden kann und welche Wir- Hinsichtlich des zweiten Gipfels am Ende des Ak- kung er haben wird, wird stark davon abhängen, wie das „year of action“ ablaufen wird: Sind die tionsjahres bleibt das Dilemma der inhaltlichen Fragen, die bei so einem Gipfel besprochen wer- Zusagen der teilnehmenden Staaten konkret, ein- den können, bestehen: weltweite Herausforde- sehbar und werden sie von den jeweiligen Län- rungen wie Klimaschutz, Rüstungskontrolle oder dern auch verfolgt? Wie sieht das Follow-up sei- tens der US-Regierung aus? Welche Möglichkei- Pandemie-Bekämpfung können nicht nur unter Demokratien verhandelt und angegangen wer- ten hat die Zivilgesellschaft, die Gipfel-Zusagen den – sie würden einen „Gipfel für die Demokra- nachzuhalten und deren Umsetzung auch einzu- tie“ aber auch inhaltlich überfrachten. Will man fordern? den Gipfel als „Gipfel für die Demokratie“ etablie- ren – und nicht als „Gipfel der Demokraten“ –, Wie konkret sind die geplanten Maßnahmen sollte man bei der inhaltlichen Ausgestaltung des überhaupt und sind sie mit längerfristigen Struk- Folge-Gipfels den Fokus auf Kernthemen der De- turen der Demokratie-Förderung oder gar kon- kreten Maßnahmen (inkl. deren Finanzierung) mokratieförderung legen und die großen globa- len Herausforderungen in den entsprechenden verzahnt? Foren, in denen Demokratien und Nicht-Demo- kratien zusammenarbeiten, diskutieren. Die US-Regierung selbst ist mit gutem Beispiel vo- rangegangen und hat konkrete finanzielle Zusa- Trotz zunehmender externer Einflussnahme zur gen zur Stärkung der demokratischen Wider- Destabilisierung von Demokratien, sind Bestand, standsfähigkeit in den USA und weltweit, zur Stär- Erosion und die Konsolidierung demokratischer kung freier und unabhängiger Medien und zur Förderung des politischen Engagements von Systeme primär nationale Herausforderungen und somit vom politischen Willen der relevanten Frauen und Mädchen gemacht. Akteure und Entscheidungsträger abhängig. Neben den konkreten Zusagen wird jedoch auch genau beobachtet werden, wie sich die US-Regie- Entscheidend wird daher sein, dass mit den Selbstverpflichtungen der Staaten, nicht nur ein rung während dieses Aktionsjahres im Ausland Benchmarking und Monitoring der Umsetzung verhält und wie es mit wichtigen Partnern „mit während des Aktionsjahres einhergeht, in dem Demokratie-Defiziten“, wie beispielsweise Indien, Brasilien oder den Philippinen umgeht. Die Au- vor allem die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle spielen kann und alle internationale Unterstüt- gen der Welt werden auch auf den Zustand der zung dabei benötigen wird. Es müssen sich auch Demokratie in den USA gerichtet sein: kann die Konsequenzen für die Zusammensetzung der Biden-Regierung glaubhaft vermitteln, gegen de- mokratische Rückschritte in den USA etwas zu nächsten Einladungsliste ergeben, für einen Gip- fel, der dann in persona stattfinden soll und da- unternehmen? Und werden die politischen mit nochmals eine andere Bedeutung erhalten Machtverhältnisse es zulassen, dem politischen wird. Willen auch Taten folgen zu lassen?
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 7 Im "year of action" sollten daher möglichst über- tie und Menschenrechten in internationalen Or- prüfbare Selbstverpflichtungen zur Einhaltung ganisationen, wie dem UN-Menschenrechtsrat in konkreter demokratischer Kernstandards im Vor- ihrem Sinne zu verändern. dergrund stehen. Das Statement von den USA, Australien, Dänemark und Norwegen zur Erarbei- Die Kernfrage ist schlussendlich: Können die De- tung gemeinsamer Leitlinien für die Exportkon- mokratien die Bedürfnisse ihrer Bürgerinnen und trolle bei Technologien, die möglicherweise für Bürger befriedigen, also „liefern“, und ihnen ein schwere Menschenrechtsverletzungen miss- Leben in Frieden, Wohlstand und Freiheit si- braucht werden könnten , ist ein Beispiel. chern? Auf die Frage, wie diese sogenannte Out- put-Legitimität von Demokratien erhöht werden Der nächste Gipfel am Ende des „year of action“ kann, gilt es, Antworten zu finden. Ob der Sum- könnte außerdem weniger regierungszentriert mit for Democracy dazu einen Beitrag leistet, organisiert werden und weit mehr als bisher auch bleibt abzuwarten. Oppositionsparteien einbinden. Genauso würde eine noch breitere Einbindung der weltweiten Zi- vilgesellschaft und ein ausdrücklicher Multi-Sta- keholder-Ansatz, der Städte und Kommunen, Ver- treterinnen und Vertreter aus der Wirtschaft, Ge- werkschaften und Interessensverbänden, aus der Philanthropie und viele andere mehr, ins Boot holt, die Glaubwürdigkeit des Gipfels stärken. Dieser Gipfel – wenn auch nur online abgehalten – sollte ein Momentum für Demokratie schaffen. Das ist legitim und angesichts der demokrati- schen Rückschritte weltweit bitter nötig. Dies beinhaltet allerdings auch, dass Akteure der Demokratieförderung sich auf allen Ebenen – strategisch-global bis hin zu operativ-lokal – weit- aus stärker als bisher abstimmen und solche Fo- ren des Austausches, wie den Demokratie-Gipfel, zumindest für die globale und regionale Ebene nutzen. Foren der like-minded, wie das Treffen der G7-Staaten, könnten darüber hinaus Themen eines Demokratie-Gipfels aufgreifen, sodass diese nicht isoliert für sich diskutiert werden, son- dern durch die internationale Aufmerksamkeit und strategische Orientierung dieser Treffen er- neut aufgewertet werden. Deutschland könnte diesbezüglich im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft, die es Anfang kom- mendes Jahres übernimmt, gleich mit gutem Bei- spiel vorangehen. Gleichzeitig sollten im Nachgang des Gipfels Schritte für eine bessere Koordination der Bemü- hungen gegen die Versuche autoritärer Länder unternommen werden, das Narrativ zu Demokra-
Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Länderbericht Dezember 2021 8 Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. Europäische und Internationale Zusammenarbeit www.kas.de Der Text dieses Werkes ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecom mons.org/licenses/ by-sa/4.0/legalcode.de) www.kas.de
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