Ein lautes Ja zum Leben sagen! - Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf Theodor von Stockert Zufrieden werden mit bewusster Sprache - Lingva Eterna
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Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf Theodor von Stockert Ein lautes Ja zum Leben sagen! Zufrieden werden mit bewusster Sprache
LINGVA ETERNA ist eine eingetragene Marke. ® MIX Papier aus verantwor- tungsvollen Quellen www.fsc.org FSC® C083411 © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2020 Alle Rechte vorbehalten www.herder.de Satz: Arnold & Domnick, Leipzig Herstellung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN Print 978-3-451-60081-4 ISBN E-Book 978-3-451-81692-5
Inhalt Einleitung 11 Es gibt viele Gründe, dankbar zu sein 13 Was wir haben und was unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht hatten 13 Was unsere Vorfahren hatten und was wir nicht mehr haben 16 Und dennoch sind viele Menschen unzufrieden 20 Das chronische Nörgeln 20 Der Hang zum Jammern 23 Der Drang zum Schwarzmalen 25 Die arge Freude am Lästern 26 Sprachliche Begleiterscheinungen 28 Was macht Menschen unzufrieden? 33 Das Gefühl der Fremdbestimmung 33 Nicht dürfen und dafür müssen 34 Das macht man nicht! 34 Nicht wollen dürfen 36 Passivsätze sind ein Ausdruck von Abhängigkeit 38 Der Blick auf den Mangel schürt Unzufriedenheit 40 Das Gefühl, benachteiligt zu sein 43 Zu viele schlechte Nachrichten 45 Sind unzufriedene Menschen wirklich unzufrieden? 46 Trauer ist etwas anderes als Unzufriedenheit 51
Was bietet uns die Welt? 52 Freizügigkeiten und Wahlmöglichkeiten 52 Vielfalt und komplexe Strukturen 53 Unsicherheiten an vielen Ecken 54 Unsicherheiten im Beruf 55 Unsicherheiten für ältere und alte Menschen 59 Ratlosigkeit und der Gebrauch von „man“ und Konjunktiv II 62 Ist Unsicherheit nur eine persönliche Empfindung? 63 Macht 63 Macht, Ohnmacht und Machtmissbrauch 65 Macht und Ordnung 72 Vergleich und Konkurrenz 76 Müssen macht Druck 76 Neid und Gier 79 Kooperation und Synergien 82 Was bringen wir mit in diese Welt? 84 Neugierde und Entdeckungsfreude 84 Präsenz 86 Widerstandskraft 87 Ein starker Wille 89 Talente 91 Die Gabe der Sprache 93 Was erwarten wir von einem erquicklichen Leben – und was können wir dafür tun? 96 Daheim ist daheim 96 Jeder Mensch braucht Sicherheit und Schutz 97 Ein sicheres finanzielles Auskommen ist beruhigend 99 Eine erfüllte Partnerschaft 100 Der schützende Rahmen der Familie 103 Ein Freund ist ein Schatz fürs Leben 106 Eine gute Nachbarschaft ist ein Segen 108 Beruf und Berufung 110 Freude an sozialen und ökologischen Aufgaben 113 Abwechslung und Vielfalt 115
Was tun wir, um ein erquickliches Leben zu haben? 118 Teilen und Teilhabe an unserer Welt 118 Geben und Nehmen gehören zusammen 120 In Gang kommen – es braucht eine Grundaktivität 125 Aufgaben mit Freude übernehmen 129 Verantwortung in neuem Licht sehen 130 Die Pflicht mit neuen Augen sehen 132 Souveräner Umgang mit Hindernissen im Leben 136 Mit einer bejahenden Sprache Hindernisse überwinden 138 An der Wende – ein deutliches Ja zum Leben sagen 140 Präsenz entwickeln und zeigen 140 Gipfelglück 143 Der Irrtum des Multitasking 145 Präsent werden mit der Kraft der Sprache 145 Klar werden durch eine klare Sprache 148 Kurze, vollständige Sätze bringen Klarheit ins Denken und Handeln 149 Eine grundlegende Wertschätzung entwickeln 152 Aus der Ablehnung herausfinden 153 Auch andere Fehlhaltungen hinter sich lassen 156 Die Sehnsucht nach Wertschätzung 157 Mit der Sprache Wertschätzung zeigen 158 Lernen, sich zu freuen 162 Sich freuen statt sich ärgern 162 Sich freuen – wie geht das? 163 Grundvertrauen kann jeder entwickeln 165 Spiritualität und Religion 166 Was fangen wir mit der Unzufriedenheit an? 169 Was ist LINGVA ETERNA®? 170 Wir haben alles, was wir brauchen! 173 Körper, Seele und Geist 173 Tugenden sind Wegweiser für unser Leben 174 Reflexion und Dankbarkeit 176
Zufrieden sein und bleiben 177 Zufrieden sein – was heißt das? 177 Was macht mich zufrieden? 179 Das Geheimnis der Zufriedenheit 181 Was kann ich zur Zufriedenheit anderer beitragen? 181 Glossar 184 Bore-out 184 Burn-out 184 Flow 185 Sinnkonformer Wortschatz 185 Synergien 186 Widerspruchsfreie Grammatik 186 Zu den Autoren 188 Literaturhinweise 190
Einleitung Wir sind beide im Ganzen glückliche Menschen. Doch auch wir ärgern uns manchmal: Wir stoßen uns an der Unzufrie- denheit von so vielen Menschen in unserer Gesellschaft. Warum sind sie unzufrieden? In diesem Buch sind wir dieser Frage nachgegangen. In unseren Gesprächen und in unseren Seminaren befas- sen wir uns viel mit der Struktur und dem Inhalt unserer Sprache. Wir wissen etwas von Wörtern und Sätzen; und wir denken über den Sinn von Negationen nach, die doch nur von dem leben, was sie leugnen wollen oder was jemand gerade abstreitet. Wir sind der Meinung, dass viele Men- schen zu viel Konjunktiv II verwenden, wo es sich dabei doch um den Irrealis handelt. Uns ist aufgefallen, wie viele Men- schen oft von ihrer Unzufriedenheit reden. Es ist, als ob sie sich das Leben schwermachen wollten. Doch – wollen sie wirklich unzufrieden sein? Im Verlauf des Buches kommen wir zu dem Schluss, dass es keinen Grund zu Unzufriedenheit gibt. Dies stellen wir an zahlreichen konkreten Beispielen dar. Wir zeigen Wege auf, wie der Einzelne und auch die Gesellschaft als Ganzes aus der Unzufriedenheitsfalle herausfinden können. Das Instrument dafür ist eine klare und wertschätzende Sprache sowie eine entsprechende Grundhaltung in unserer Prä- senz. Wir fördern und lehren eine solche Sprache mit unse- rem Lingva Eterna Sprach- und Kommunikationskonzept. Dieses Buch nahm seinen Anfang in einem Gespräch, das Theodor und ich nach dem Ende eines Wochenendseminars auf dem Balkon seines Hauses führten. Die Teilnehmer waren schon abgereist. Bei der Schlussrunde hatten etliche betont, wie zufrieden und satt sie heimfahren. Die klare, wertschätzende Sprache sei für sie wie ein Türöffner zu einer 11
anderen, zufriedenen Welt und Proviant für ihren weiteren Weg. Wir genossen die Ruhe, die eingekehrt war, und schwie- gen zufrieden. Da meinte Theodor spontan: Lass uns ein Buch schreiben – so viele Menschen sind unzufrieden. Da haben wir doch etwas zu bieten! Diese Idee haben wir aufgegriffen und hatten damit den Arbeitstitel für unser neues Buch: „Unzufrieden!!“. Seitdem haben wir unsere Gedanken dazu in zahlreichen Gesprächen ausgetauscht und gemeinsam weiterentwickelt. Dabei haben wir unsere reichen Erfahrungen aus unseren Seminaren und Coachings sowie aus anderen Bereichen unseres Lebens ein- fließen lassen. Es war für uns eine neue und schöne Erfah- rung, gemeinsam ein Buch zu schreiben und die Sichtweisen von uns beiden einzubringen. Bei unseren Seminaren und der Entwicklung von Lingva Eterna machen wir dies schon immer. Nun haben wir dies auch mit diesem Buch so gemacht. Wir haben gemerkt: Die Summe ist mehr als das jeweils Ein- zelne. Möge unser Buch zur Zufriedenheit der Menschen und der Gesellschaft beitragen. 12
Es gibt viele Gründe, dankbar zu sein Was wir haben und was unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht hatten Wir haben viele Annehmlichkeiten, die uns das Leben erleichtern und schöner machen. An viele haben wir uns gewöhnt und sie gehören ganz selbstverständlich in unser Leben. Wir finden sie in allen Lebensbereichen. Dazu gehört für die Körperpflege und das Wohlbefinden die bequeme warme Dusche. Voraussetzung dafür ist das fließende warme und kalte Wasser im Haus. Die Mischbat- terien erlauben uns, die ideale Wassertemperatur mit einem einzigen Handgriff einzustellen. Ebenso ist die Toilette in der Wohnung schon lange eine Selbstverständlichkeit geworden. Dabei sind die Klohäuschen draußen auf dem Hof noch gar nicht so lange her. Bei Regen oder Eis und Schnee war der Gang dorthin sicher oft eine Überwindung. Wir haben es heute leicht, unsere Wohnungen und Häu- ser zu heizen. Durch das Einstellen des Thermostaten am Heizkörper können wir die Raumtemperatur fast mit einem Fingerschnipp regulieren. Das Schleppen von Kohle aus dem Kohlenkeller gehört der Vergangenheit an. Der Kamin mit seinem behaglichen Holzfeuer ist im Allgemeinen nur eine Ergänzung zur Hauptheizung und dient vor allem der Gemütlichkeit. Vielerlei elektrisch betriebene Geräte bringen uns wei- tere Erleichterungen. Diese technischen Helfer gehören fest zu unserem Alltag. Die Waschmaschine hat schon lange das Waschbrett ersetzt, und die Zeitschaltuhren bringen eine zusätzliche Bequemlichkeit. Der Staubsauger mit all seinen Finessen lässt die Teppichstangen und das Ausklopfen der 13
Teppiche in den Hinterhöfen vergessen. Die Spülmaschine ist ebenso selbstverständlich geworden. Sie erledigt den Abwasch wie nebenbei und lässt die Küche schnell wieder aufgeräumt aussehen. Noch viele weitere Geräte machen das Leben angenehm: der Pürierstab, die Saftpresse, das Radio, der CD-Spieler anstelle des alten Grammophons mit den zerbrechlichen Schellackplatten und vieles mehr. Die Liste ließe sich fast unendlich erweitern. Wir können mit Hilfe der modernen Medien auch über Distanzen hinweg leicht mit anderen Menschen im Aus- tausch sein und den Kontakt zu ihnen pflegen. Auch im Gesundheitswesen gab und gibt es enorme Fort- schritte in der Diagnostik und Therapie. Die bildgebenden Verfahren mit Computertomographie und Kernspintomo- graphie haben die Diagnostik revolutioniert. Dank dieser Fortschritte bekommen heute viele Menschen Hilfe, die sie noch vor ein oder zwei Generationen nicht bekommen konnten. Noch eine wesentliche Errungenschaft im medizi- nischen und sozialen Bereich sind der angstfreie Sex mit der Pille und Kondomen sowie die Verhütung und Planung von Schwangerschaften. All diese Errungenschaften der letzten Jahrzehnte machen uns das Leben leichter und schöner. Wer sich diese vielen Annehmlichkeiten schon morgens beim Aufstehen immer wieder neu bewusst macht, kann sich schon gleich am Mor- gen daran erfreuen. Wir haben noch etwas, was unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht hatten. Es ist etwas ganz Wesentliches und Großartiges: Wir leben im Frieden! Was für ein großes Geschenk unserer Zeit! Das allein ist ein Grund, zutiefst dankbar zu sein. Wir haben alle ein Dach über dem Kopf und können uns jeden Tag satt essen. Es gilt, den Frieden zu sehen und als Geschenk zu erkennen. Diese Sichtweise macht dankbar und froh. 14
Wir haben alle freien Zugang zu Bildung. Auch das ist ein Geschenk unserer Zeit und ist durch den Frieden möglich. Wir können uns in Europa dank der offenen Grenzen frei bewegen und weitgehend mit nur einer einzigen Währung reisen. Die Vielzahl der Geldbeutel für die unterschiedli- chen Landeswährungen bei einer Reise ist Geschichte. Wir können mit Leichtigkeit lange Wegstrecken zurück- legen. Das Auto hat uns allen eine große Freiheit beim Rei- sen beschert. Wir können ins eigene Auto steigen und uns allein oder gemeinsam mit anderen auf den Weg machen. Damit haben wir eine große Mobilität gewonnen. Das Auto ist für den Weg in die Arbeit ebenso bequem wie für einen Ausflug. Es hat auch das Einkaufen einfacher gemacht. Das Schleppen von schweren Taschen und Körben entfällt damit weitgehend. Auch das Bahnfahren ist leicht und schnell ge- worden. Mit dem ICE dauert die Fahrt von Nürnberg nach München statt zwei Stunden nur noch eine Stunde. Flugrei- sen eröffnen uns schier unermessliche Möglichkeiten. Unsere Großeltern und Urgroßeltern hätten unseren modernen Alltag zu ihrer Zeit wahrscheinlich als ein Schla- raffenland mit fast paradiesischen Möglichkeiten gesehen. Sie würden sich vermutlich staunend die Augen reiben und noch ein zweites und drittes Mal hinschauen, um zu sehen, ob sie vielleicht nur träumen. Es wäre für sie wie eine Zau- berwelt. Jede einzelne dieser vielen dazugewonnenen Annehm- lichkeiten ist für uns ein Grund zu Dankbarkeit und großer Freude. Es braucht freilich ein Bewusstsein für sie. Nur dann können wir alle diese Annehmlichkeiten als solche sehen und wahrnehmen. Sie geben uns schier grenzenlose Möglichkei- ten, das Leben uns und anderen angenehm zu gestalten – jeden Tag neu. Was für großartige Möglichkeiten sich daraus für jeden Einzelnen und auch für die ganze Gesellschaft ergeben! 15
Was unsere Vorfahren hatten und was wir nicht mehr haben Bislang haben Theodor und ich von den Errungenschaften der letzten Jahrzehnte gesprochen. Dabei haben wir nur eine kleine Auswahl von den vielen erfreulichen Neuerungen und Entwicklungen genannt, die es in dieser Zeit gab. Uns geht es darum, den Blick auf all das zu lenken, was wir haben und was unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht hatten. Lassen Sie uns die Entwicklungen auch aus einem zwei- ten Blickwinkel betrachten: Es ist nicht nur Neues dazuge- kommen. Wir haben auch manches ganz oder zumindest beinahe verloren. Etliches davon können wir bewusst wie- derbeleben und neu nutzen oder auch in gewandelter Form neu erschaffen. Jeder Mensch war ganz selbstverständlich in eine Gemein- schaft eingebettet. Das galt für die eigene Familie und die erweiterte Großfamilie ebenso wie für das rege Vereinsle- ben. Die Gemeinschaft zählte viel und gab Sicherheit und Orientierung. Die Menschen verfügten damals über einen großen Reichtum an Ideen, die gemeinsame Zeit gut zu gestalten. Sie haben viel gesungen und kannten etliche Lieder auswen- dig, auch mit sämtlichen Strophen. Das waren teils Arbeits- lieder, die sie zu ihrer Arbeit gesungen haben, und ansonsten haben sie in der Familie miteinander gesungen: einstimmig, mehrstimmig und im Kanon. Neben einem lebendigen Liedgut kannten sie viele Gedichte auswendig. Sie haben sie bei vielen Gelegenheiten des Alltags vorgetragen und auch selbst etwas gedichtet. Meine Mutter hat mir begeistert von Scharaden erzählt, die sie sich als junge Frau oft mit ihren Freundinnen ausge- dacht und dann aufgeführt hatten. Scharaden sind eine Art Improvisationstheater. Je ein bis drei Mitspieler bekamen 16
Blätter mit darauf geschriebenen Wörtern. Daraus machten sie spontan eine pantomimische Darstellung. Die anderen Freundinnen haben sich dabei vor Lachen gebogen, und alle hatten enorm viel Spaß. An anderen Tagen haben sie gemein- sam Handarbeiten gemacht, und eine hat ihnen aus einem Buch vorgelesen. Oder sie haben gemeinsam eine Geburts- tagsüberraschung vorbereitet und sich ein Theaterstück aus- gedacht. Auch vielerlei Schreib- und Denkspiele füllten die Mußestunden, regten die Phantasie an und machten allen Beteiligten Freude. Kinder haben von klein auf Gruppen erlebt. Sie waren bei den Erwachsenen dabei und bildeten mit ihren Geschwis- tern und auch mit anderen Kindern ihrer Straße oder ihres Dorfs eine Gruppe. Sie schauten aufeinander und nahmen kleinere Kinder ganz selbstverständlich mit. Ihre Eltern wussten sie alle in der Gruppe gut aufgehoben. Die Kinder konnten durchs ganze Dorf ziehen oder ein Stück in den Wald gehen. Es gab kaum Verkehr. Jeder im Dorf kannte die Kinder und schaute mit auf sie. So waren sie bei ihren Streifzügen und Spielen in Sicherheit. Dies gab ihnen viel Freiheit und stärkte ihr Selbstbewusstsein und ihre Eigenständigkeit. Sie hatten viele Gelegenheiten, ihre Geschicklichkeit zu üben. Dafür genügten ihnen wenige Spielsachen – mehr gab es auch nicht. Sie spielten gemeinsam oder abwech- selnd mit Bällen, Murmeln, selbst gebastelten Stelzen und wenn es hoch kam mit einem Fahrrad für mehrere. Ihr Reichtum war woanders: Sie hatten einen großen Wissens- schatz. Die Generation meiner Großeltern kannte noch über 170 Spiele mit festen Namen und Spielregeln. Dafür brauchten sie nichts außer Mitspieler. Bei diesen Spielen lernten sie ganz nebenbei Regeln und Sozialverhalten, übten ihre Konzentration und immer und immer wieder ihre Körpergeschicklichkeit. Heute kennen Kinder gerade 17
einmal fünf bis sieben solcher Spiele. Da hat sich viel geän- dert. Mein „Knaurs Spielbuch“ aus dem Jahr 1953 enthält allein elf für Eis und Schnee. Interessant sind dabei auch die Hinweise für die Anzahl der erforderlichen Mitspieler. Für die „Polarexpedition“ im eigenen Dorf waren 15 Spieler erforderlich. Die Kinder sind gerne und viel hinausgegan- gen. Sie waren bei Wind und Wetter draußen, bei Regen und bei Sonnenschein, bei Kälte und bei Wärme. Sie hatten viel Gelegenheit, die Welt mit allen Sinnen zu erfahren. Und sie hatten immer die Möglichkeit, spontan andere Kinder zum Spielen zu finden. Heute wissen wir, dass umfassende und häufige Sinneser- fahrungen sowie eine gut entwickelte Körpergeschicklich- keit grundlegende Voraussetzungen sind für Lesen, Rech- nen und Schreiben. Die Sinneserfahrungen, die unsere Großeltern und Urgroßeltern als Kinder reichlich machen konnten, bekommen Kinder heute nur bei einer achtsamen Auswahl der Möglichkeiten durch ihre Eltern und pädago- gischen Einrichtungen mit – und da nur in einem vergleichs- weise geringen Umfang. Dazu gehört beispielsweise, dass Eltern ihre Kinder auch bei Wind oder Regen zu Fuß in die Schule gehen lassen und sie nicht gleich mit dem Auto fah- ren. Mit dem abgeschirmten Sitzen im Auto nehmen sie ihnen wichtige Sinneserfahrungen und auch Eigenständig- keit. Es ist wichtig, dass Eltern von diesen Zusammenhängen und Auswirkungen erfahren und dass sie sie in ihrer großen Tragweite erfassen. Dann werden sie ihren Kindern die ent- sprechenden Lernerfahrungen ermöglichen. Auch wenn sie ein Auto haben und sich und den Kindern vieles ganz bequem machen können, heißt das noch lange nicht, dass sie ihr Auto für alles und jedes einsetzen. Zum bewussten Umgang mit dem Auto gehört, dass sie es hier und da stehen lassen und 18
auch bei Wind und Wetter einmal zu Fuß gehen. Dabei kön- nen die Kinder wesentliche Sinneserfahrungen sammeln. Diese gehören zu den wesentlichen Voraussetzungen für leichtes Lernen in der Schule. Die jetzt alten Menschen in unserer Gesellschaft können uns etwas davon erzählen, was sie als Kinder und junge Erwachsene gelernt haben, und uns etwas davon zeigen und beibringen. Vieles davon ist auch in der heutigen Zeit anwendbar. Wir können daran anknüpfen und das eine oder andere wieder hervorholen und ihm in angemessener Weise bewusst Raum geben. Wir haben so viele Möglichkeiten! Es ist eine Frage der Klugheit und auch der Lebensfreude, die alten Schätze zu bergen und unser aller Leben zu bereichern! 19
Und dennoch sind viele Menschen unzufrieden Obwohl es uns in unserer Zeit so gut geht, sind viele Men- schen unzufrieden. Sie haben so viel Grund, zufrieden zu sein. Doch scheinen sie dies nicht zu sehen. Sie sind missge- stimmt und übellaunig, sehen überall eher den Mangel als die Möglichkeiten; und jedes halbvolle Glas ist in ihren Augen halbleer. Wir alle kennen solche Menschen. Sie sind mühsame Mitmenschen. Am Arbeitsplatz drücken sie die Stimmung, und in der Familie und Nachbarschaft ist es ähnlich. Woran können wir sie erkennen? Das chronische Nörgeln Die Unzufriedenheit kann viele Gesichter haben. Da sind zum Beispiel die chronischen Nörgler. Sie nörgeln und nör- geln und haben an allem Möglichen etwas auszusetzen. Es genügt nicht, den einen von ihnen genannten Missstand zu beheben – sie nennen gleich etwas anderes, das ihnen auch nicht passt. Das Nörgeln wird bei ihnen zur Chronik ihres Lebens. Es ist chronisch und prägt ihre Lebensweise. Michaela Michaela ist eine solche chronisch nörgelnde Frau. Sie ist Ende 30, verheiratet und hat zwei gesunde Kinder. Sie hat ein stets wiederkehrendes Verhaltensmuster: Wenn ihre Nachbarin Margit ihr bei einem kurzen Plausch über den Zaun sagt, dass die Sonne so schön scheint, dann sagt sie, dass die Sonne nicht mehr lange scheint, weist dann auf den für den Nachmittag angesagten Regen hin und findet ihn 20
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