Ein lautes Ja zum Leben sagen! - Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf Theodor von Stockert Zufrieden werden mit bewusster Sprache - Lingva Eterna

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Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf
         Theodor von Stockert

Ein lautes Ja zum Leben sagen!

  Zufrieden werden mit bewusster Sprache
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         ISBN Print 978-3-451-60081-4
        ISBN E-Book 978-3-451-81692-5
Inhalt

Einleitung                                                    11

Es gibt viele Gründe, dankbar zu sein                         13
Was wir haben und was unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht
hatten                                                         13
Was unsere Vorfahren hatten und was wir nicht mehr haben       16

Und dennoch sind viele Menschen unzufrieden                   20
Das chronische Nörgeln                                        20
Der Hang zum Jammern                                          23
Der Drang zum Schwarzmalen                                    25
Die arge Freude am Lästern                                    26
Sprachliche Begleiterscheinungen                              28

Was macht Menschen unzufrieden?                               33
Das Gefühl der Fremdbestimmung                                33
   Nicht dürfen und dafür müssen                              34
   Das macht man nicht!                                       34
   Nicht wollen dürfen                                        36
   Passivsätze sind ein Ausdruck von Abhängigkeit             38
Der Blick auf den Mangel schürt Unzufriedenheit               40
Das Gefühl, benachteiligt zu sein                             43
Zu viele schlechte Nachrichten                                45
Sind unzufriedene Menschen wirklich unzufrieden?              46
Trauer ist etwas anderes als Unzufriedenheit                  51
Was bietet uns die Welt?                                       52
Freizügigkeiten und Wahlmöglichkeiten                           52
Vielfalt und komplexe Strukturen                                53
Unsicherheiten an vielen Ecken                                  54
   Unsicherheiten im Beruf                                      55
   Unsicherheiten für ältere und alte Menschen                  59
   Ratlosigkeit und der Gebrauch von „man“ und Konjunktiv II    62
   Ist Unsicherheit nur eine persönliche Empfindung?            63
Macht                                                           63
   Macht, Ohnmacht und Machtmissbrauch                          65
   Macht und Ordnung                                            72
Vergleich und Konkurrenz                                        76
   Müssen macht Druck                                           76
   Neid und Gier                                                79
Kooperation und Synergien                                       82

Was bringen wir mit in diese Welt?                             84
Neugierde und Entdeckungsfreude                                 84
Präsenz                                                         86
Widerstandskraft                                                87
Ein starker Wille                                               89
Talente                                                         91
Die Gabe der Sprache                                            93

Was erwarten wir von einem erquicklichen Leben – und was
können wir dafür tun?                                          96
Daheim ist daheim                                               96
Jeder Mensch braucht Sicherheit und Schutz                      97
Ein sicheres finanzielles Auskommen ist beruhigend              99
Eine erfüllte Partnerschaft                                    100
Der schützende Rahmen der Familie                              103
Ein Freund ist ein Schatz fürs Leben                           106
Eine gute Nachbarschaft ist ein Segen                          108
Beruf und Berufung                                             110
Freude an sozialen und ökologischen Aufgaben                   113
Abwechslung und Vielfalt                                       115
Was tun wir, um ein erquickliches Leben zu haben?                      118
Teilen und Teilhabe an unserer Welt                                    118
   Geben und Nehmen gehören zusammen                                   120
In Gang kommen – es braucht eine Grundaktivität                        125
Aufgaben mit Freude übernehmen                                         129
   Verantwortung in neuem Licht sehen                                  130
   Die Pflicht mit neuen Augen sehen                                   132
Souveräner Umgang mit Hindernissen im Leben                            136
   Mit einer bejahenden Sprache Hindernisse überwinden                 138

An der Wende – ein deutliches Ja zum Leben sagen                       140
Präsenz entwickeln und zeigen                                          140
   Gipfelglück                                                         143
   Der Irrtum des Multitasking                                         145
   Präsent werden mit der Kraft der Sprache                            145
Klar werden durch eine klare Sprache                                   148
   Kurze, vollständige Sätze bringen Klarheit ins Denken und Handeln   149
Eine grundlegende Wertschätzung entwickeln                             152
   Aus der Ablehnung herausfinden                                      153
   Auch andere Fehlhaltungen hinter sich lassen                        156
   Die Sehnsucht nach Wertschätzung                                    157
   Mit der Sprache Wertschätzung zeigen                                158
Lernen, sich zu freuen                                                 162
   Sich freuen statt sich ärgern                                       162
   Sich freuen – wie geht das?                                         163
Grundvertrauen kann jeder entwickeln                                   165
Spiritualität und Religion                                             166
Was fangen wir mit der Unzufriedenheit an?                             169

Was ist LINGVA ETERNA®?                                                170

Wir haben alles, was wir brauchen!                                     173
Körper, Seele und Geist                                                173
Tugenden sind Wegweiser für unser Leben                                174
Reflexion und Dankbarkeit                                              176
Zufrieden sein und bleiben                          177
Zufrieden sein – was heißt das?                     177
Was macht mich zufrieden?                           179
Das Geheimnis der Zufriedenheit                     181
Was kann ich zur Zufriedenheit anderer beitragen?   181

Glossar                                             184
   Bore-out                                         184
   Burn-out                                         184
   Flow                                             185
   Sinnkonformer Wortschatz                         185
   Synergien                                        186
   Widerspruchsfreie Grammatik                      186

Zu den Autoren                                      188

Literaturhinweise                                   190
Einleitung

Wir sind beide im Ganzen glückliche Menschen. Doch auch
wir ärgern uns manchmal: Wir stoßen uns an der Unzufrie-
denheit von so vielen Menschen in unserer Gesellschaft.
Warum sind sie unzufrieden? In diesem Buch sind wir dieser
Frage nachgegangen.
   In unseren Gesprächen und in unseren Seminaren befas-
sen wir uns viel mit der Struktur und dem Inhalt unserer
Sprache. Wir wissen etwas von Wörtern und Sätzen; und wir
denken über den Sinn von Negationen nach, die doch nur
von dem leben, was sie leugnen wollen oder was jemand
gerade abstreitet. Wir sind der Meinung, dass viele Men-
schen zu viel Konjunktiv II verwenden, wo es sich dabei doch
um den Irrealis handelt. Uns ist aufgefallen, wie viele Men-
schen oft von ihrer Unzufriedenheit reden. Es ist, als ob sie
sich das Leben schwermachen wollten. Doch – wollen sie
wirklich unzufrieden sein?
   Im Verlauf des Buches kommen wir zu dem Schluss, dass
es keinen Grund zu Unzufriedenheit gibt. Dies stellen wir
an zahlreichen konkreten Beispielen dar. Wir zeigen Wege
auf, wie der Einzelne und auch die Gesellschaft als Ganzes
aus der Unzufriedenheitsfalle herausfinden können. Das
Instrument dafür ist eine klare und wertschätzende Sprache
sowie eine entsprechende Grundhaltung in unserer Prä-
senz. Wir fördern und lehren eine solche Sprache mit unse-
rem Lingva Eterna Sprach- und Kommunikationskonzept.
   Dieses Buch nahm seinen Anfang in einem Gespräch, das
Theodor und ich nach dem Ende eines Wochenendseminars
auf dem Balkon seines Hauses führten. Die Teilnehmer
waren schon abgereist. Bei der Schlussrunde hatten etliche
betont, wie zufrieden und satt sie heimfahren. Die klare,
wertschätzende Sprache sei für sie wie ein Türöffner zu einer

                                                          11
anderen, zufriedenen Welt und Proviant für ihren weiteren
Weg.
    Wir genossen die Ruhe, die eingekehrt war, und schwie-
gen zufrieden. Da meinte Theodor spontan: Lass uns ein
Buch schreiben – so viele Menschen sind unzufrieden. Da
haben wir doch etwas zu bieten!
    Diese Idee haben wir aufgegriffen und hatten damit den
Arbeitstitel für unser neues Buch: „Unzufrieden!!“. Seitdem
haben wir unsere Gedanken dazu in zahlreichen Gesprächen
ausgetauscht und gemeinsam weiterentwickelt. Dabei haben
wir unsere reichen Erfahrungen aus unseren Seminaren und
Coachings sowie aus anderen Bereichen unseres Lebens ein-
fließen lassen. Es war für uns eine neue und schöne Erfah-
rung, gemeinsam ein Buch zu schreiben und die Sichtweisen
von uns beiden einzubringen. Bei unseren Seminaren und
der Entwicklung von Lingva Eterna machen wir dies schon
immer. Nun haben wir dies auch mit diesem Buch so gemacht.
Wir haben gemerkt: Die Summe ist mehr als das jeweils Ein-
zelne.

Möge unser Buch zur Zufriedenheit der Menschen und der
Gesellschaft beitragen.

12
Es gibt viele Gründe, dankbar zu sein

Was wir haben und was unsere Großeltern und
Urgroßeltern nicht hatten

Wir haben viele Annehmlichkeiten, die uns das Leben
erleichtern und schöner machen. An viele haben wir uns
gewöhnt und sie gehören ganz selbstverständlich in unser
Leben. Wir finden sie in allen Lebensbereichen.
    Dazu gehört für die Körperpflege und das Wohlbefinden
die bequeme warme Dusche. Voraussetzung dafür ist das
fließende warme und kalte Wasser im Haus. Die Mischbat-
terien erlauben uns, die ideale Wassertemperatur mit einem
einzigen Handgriff einzustellen. Ebenso ist die Toilette in
der Wohnung schon lange eine Selbstverständlichkeit
geworden. Dabei sind die Klohäuschen draußen auf dem
Hof noch gar nicht so lange her. Bei Regen oder Eis und
Schnee war der Gang dorthin sicher oft eine Überwindung.
    Wir haben es heute leicht, unsere Wohnungen und Häu-
ser zu heizen. Durch das Einstellen des Thermostaten am
Heizkörper können wir die Raumtemperatur fast mit einem
Fingerschnipp regulieren. Das Schleppen von Kohle aus
dem Kohlenkeller gehört der Vergangenheit an. Der Kamin
mit seinem behaglichen Holzfeuer ist im Allgemeinen nur
eine Ergänzung zur Hauptheizung und dient vor allem der
Gemütlichkeit.
    Vielerlei elektrisch betriebene Geräte bringen uns wei-
tere Erleichterungen. Diese technischen Helfer gehören fest
zu unserem Alltag. Die Waschmaschine hat schon lange das
Waschbrett ersetzt, und die Zeitschaltuhren bringen eine
zusätzliche Bequemlichkeit. Der Staubsauger mit all seinen
Finessen lässt die Teppichstangen und das Ausklopfen der

                                                        13
Teppiche in den Hinterhöfen vergessen. Die Spülmaschine
ist ebenso selbstverständlich geworden. Sie erledigt den
Abwasch wie nebenbei und lässt die Küche schnell wieder
aufgeräumt aussehen. Noch viele weitere Geräte machen das
Leben angenehm: der Pürierstab, die Saftpresse, das Radio,
der CD-Spieler anstelle des alten Grammophons mit den
zerbrechlichen Schellackplatten und vieles mehr. Die Liste
ließe sich fast unendlich erweitern.
   Wir können mit Hilfe der modernen Medien auch über
Distanzen hinweg leicht mit anderen Menschen im Aus-
tausch sein und den Kontakt zu ihnen pflegen.
   Auch im Gesundheitswesen gab und gibt es enorme Fort-
schritte in der Diagnostik und Therapie. Die bildgebenden
Verfahren mit Computertomographie und Kernspintomo-
graphie haben die Diagnostik revolutioniert. Dank dieser
Fortschritte bekommen heute viele Menschen Hilfe, die sie
noch vor ein oder zwei Generationen nicht bekommen
konnten. Noch eine wesentliche Errungenschaft im medizi-
nischen und sozialen Bereich sind der angstfreie Sex mit der
Pille und Kondomen sowie die Verhütung und Planung von
Schwangerschaften.
   All diese Errungenschaften der letzten Jahrzehnte machen
uns das Leben leichter und schöner. Wer sich diese vielen
Annehmlichkeiten schon morgens beim Aufstehen immer
wieder neu bewusst macht, kann sich schon gleich am Mor-
gen daran erfreuen.
   Wir haben noch etwas, was unsere Großeltern und
Urgroßeltern nicht hatten. Es ist etwas ganz Wesentliches
und Großartiges: Wir leben im Frieden! Was für ein großes
Geschenk unserer Zeit! Das allein ist ein Grund, zutiefst
dankbar zu sein. Wir haben alle ein Dach über dem Kopf und
können uns jeden Tag satt essen. Es gilt, den Frieden zu
sehen und als Geschenk zu erkennen. Diese Sichtweise
macht dankbar und froh.

14
Wir haben alle freien Zugang zu Bildung. Auch das ist ein
Geschenk unserer Zeit und ist durch den Frieden möglich.
Wir können uns in Europa dank der offenen Grenzen frei
bewegen und weitgehend mit nur einer einzigen Währung
reisen. Die Vielzahl der Geldbeutel für die unterschiedli-
chen Landeswährungen bei einer Reise ist Geschichte.
    Wir können mit Leichtigkeit lange Wegstrecken zurück-
legen. Das Auto hat uns allen eine große Freiheit beim Rei-
sen beschert. Wir können ins eigene Auto steigen und uns
allein oder gemeinsam mit anderen auf den Weg machen.
Damit haben wir eine große Mobilität gewonnen. Das Auto
ist für den Weg in die Arbeit ebenso bequem wie für einen
Ausflug. Es hat auch das Einkaufen einfacher gemacht. Das
Schleppen von schweren Taschen und Körben entfällt damit
weitgehend. Auch das Bahnfahren ist leicht und schnell ge-
worden. Mit dem ICE dauert die Fahrt von Nürnberg nach
München statt zwei Stunden nur noch eine Stunde. Flugrei-
sen eröffnen uns schier unermessliche Möglichkeiten.
    Unsere Großeltern und Urgroßeltern hätten unseren
modernen Alltag zu ihrer Zeit wahrscheinlich als ein Schla-
raffenland mit fast paradiesischen Möglichkeiten gesehen.
Sie würden sich vermutlich staunend die Augen reiben und
noch ein zweites und drittes Mal hinschauen, um zu sehen,
ob sie vielleicht nur träumen. Es wäre für sie wie eine Zau-
berwelt.
    Jede einzelne dieser vielen dazugewonnenen Annehm-
lichkeiten ist für uns ein Grund zu Dankbarkeit und großer
Freude. Es braucht freilich ein Bewusstsein für sie. Nur dann
können wir alle diese Annehmlichkeiten als solche sehen und
wahrnehmen. Sie geben uns schier grenzenlose Möglichkei-
ten, das Leben uns und anderen angenehm zu gestalten –
jeden Tag neu. Was für großartige Möglichkeiten sich daraus
für jeden Einzelnen und auch für die ganze Gesellschaft
ergeben!

                                                          15
Was unsere Vorfahren hatten und was wir nicht
mehr haben

Bislang haben Theodor und ich von den Errungenschaften
der letzten Jahrzehnte gesprochen. Dabei haben wir nur eine
kleine Auswahl von den vielen erfreulichen Neuerungen und
Entwicklungen genannt, die es in dieser Zeit gab. Uns geht
es darum, den Blick auf all das zu lenken, was wir haben und
was unsere Großeltern und Urgroßeltern nicht hatten.
   Lassen Sie uns die Entwicklungen auch aus einem zwei-
ten Blickwinkel betrachten: Es ist nicht nur Neues dazuge-
kommen. Wir haben auch manches ganz oder zumindest
beinahe verloren. Etliches davon können wir bewusst wie-
derbeleben und neu nutzen oder auch in gewandelter Form
neu erschaffen.
   Jeder Mensch war ganz selbstverständlich in eine Gemein-
schaft eingebettet. Das galt für die eigene Familie und die
erweiterte Großfamilie ebenso wie für das rege Vereinsle-
ben. Die Gemeinschaft zählte viel und gab Sicherheit und
Orientierung.
   Die Menschen verfügten damals über einen großen
Reichtum an Ideen, die gemeinsame Zeit gut zu gestalten.
Sie haben viel gesungen und kannten etliche Lieder auswen-
dig, auch mit sämtlichen Strophen. Das waren teils Arbeits-
lieder, die sie zu ihrer Arbeit gesungen haben, und ansonsten
haben sie in der Familie miteinander gesungen: einstimmig,
mehrstimmig und im Kanon. Neben einem lebendigen
Liedgut kannten sie viele Gedichte auswendig. Sie haben sie
bei vielen Gelegenheiten des Alltags vorgetragen und auch
selbst etwas gedichtet.
   Meine Mutter hat mir begeistert von Scharaden erzählt,
die sie sich als junge Frau oft mit ihren Freundinnen ausge-
dacht und dann aufgeführt hatten. Scharaden sind eine Art
Improvisationstheater. Je ein bis drei Mitspieler bekamen

16
Blätter mit darauf geschriebenen Wörtern. Daraus machten
sie spontan eine pantomimische Darstellung. Die anderen
Freundinnen haben sich dabei vor Lachen gebogen, und alle
hatten enorm viel Spaß. An anderen Tagen haben sie gemein-
sam Handarbeiten gemacht, und eine hat ihnen aus einem
Buch vorgelesen. Oder sie haben gemeinsam eine Geburts-
tagsüberraschung vorbereitet und sich ein Theaterstück aus-
gedacht. Auch vielerlei Schreib- und Denkspiele füllten die
Mußestunden, regten die Phantasie an und machten allen
Beteiligten Freude.
   Kinder haben von klein auf Gruppen erlebt. Sie waren bei
den Erwachsenen dabei und bildeten mit ihren Geschwis-
tern und auch mit anderen Kindern ihrer Straße oder ihres
Dorfs eine Gruppe. Sie schauten aufeinander und nahmen
kleinere Kinder ganz selbstverständlich mit. Ihre Eltern
wussten sie alle in der Gruppe gut aufgehoben.
   Die Kinder konnten durchs ganze Dorf ziehen oder ein
Stück in den Wald gehen. Es gab kaum Verkehr. Jeder im
Dorf kannte die Kinder und schaute mit auf sie. So waren sie
bei ihren Streifzügen und Spielen in Sicherheit. Dies gab
ihnen viel Freiheit und stärkte ihr Selbstbewusstsein und
ihre Eigenständigkeit.
   Sie hatten viele Gelegenheiten, ihre Geschicklichkeit zu
üben. Dafür genügten ihnen wenige Spielsachen – mehr
gab es auch nicht. Sie spielten gemeinsam oder abwech-
selnd mit Bällen, Murmeln, selbst gebastelten Stelzen und
wenn es hoch kam mit einem Fahrrad für mehrere. Ihr
Reichtum war woanders: Sie hatten einen großen Wissens-
schatz. Die Generation meiner Großeltern kannte noch
über 170 Spiele mit festen Namen und Spielregeln. Dafür
brauchten sie nichts außer Mitspieler. Bei diesen Spielen
lernten sie ganz nebenbei Regeln und Sozialverhalten,
übten ihre Konzentration und immer und immer wieder
ihre Körpergeschicklichkeit. Heute kennen Kinder gerade

                                                         17
einmal fünf bis sieben solcher Spiele. Da hat sich viel geän-
dert.
   Mein „Knaurs Spielbuch“ aus dem Jahr 1953 enthält
allein elf für Eis und Schnee. Interessant sind dabei auch die
Hinweise für die Anzahl der erforderlichen Mitspieler. Für
die „Polarexpedition“ im eigenen Dorf waren 15 Spieler
erforderlich. Die Kinder sind gerne und viel hinausgegan-
gen. Sie waren bei Wind und Wetter draußen, bei Regen und
bei Sonnenschein, bei Kälte und bei Wärme. Sie hatten viel
Gelegenheit, die Welt mit allen Sinnen zu erfahren. Und sie
hatten immer die Möglichkeit, spontan andere Kinder zum
Spielen zu finden.
   Heute wissen wir, dass umfassende und häufige Sinneser-
fahrungen sowie eine gut entwickelte Körpergeschicklich-
keit grundlegende Voraussetzungen sind für Lesen, Rech-
nen und Schreiben. Die Sinneserfahrungen, die unsere
Großeltern und Urgroßeltern als Kinder reichlich machen
konnten, bekommen Kinder heute nur bei einer achtsamen
Auswahl der Möglichkeiten durch ihre Eltern und pädago-
gischen Einrichtungen mit – und da nur in einem vergleichs-
weise geringen Umfang. Dazu gehört beispielsweise, dass
Eltern ihre Kinder auch bei Wind oder Regen zu Fuß in die
Schule gehen lassen und sie nicht gleich mit dem Auto fah-
ren. Mit dem abgeschirmten Sitzen im Auto nehmen sie
ihnen wichtige Sinneserfahrungen und auch Eigenständig-
keit.
   Es ist wichtig, dass Eltern von diesen Zusammenhängen
und Auswirkungen erfahren und dass sie sie in ihrer großen
Tragweite erfassen. Dann werden sie ihren Kindern die ent-
sprechenden Lernerfahrungen ermöglichen. Auch wenn sie
ein Auto haben und sich und den Kindern vieles ganz bequem
machen können, heißt das noch lange nicht, dass sie ihr Auto
für alles und jedes einsetzen. Zum bewussten Umgang mit
dem Auto gehört, dass sie es hier und da stehen lassen und

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auch bei Wind und Wetter einmal zu Fuß gehen. Dabei kön-
nen die Kinder wesentliche Sinneserfahrungen sammeln.
Diese gehören zu den wesentlichen Voraussetzungen für
leichtes Lernen in der Schule.
    Die jetzt alten Menschen in unserer Gesellschaft können
uns etwas davon erzählen, was sie als Kinder und junge
Erwachsene gelernt haben, und uns etwas davon zeigen und
beibringen. Vieles davon ist auch in der heutigen Zeit
anwendbar. Wir können daran anknüpfen und das eine oder
andere wieder hervorholen und ihm in angemessener Weise
bewusst Raum geben. Wir haben so viele Möglichkeiten! Es
ist eine Frage der Klugheit und auch der Lebensfreude, die
alten Schätze zu bergen und unser aller Leben zu bereichern!

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Und dennoch sind viele Menschen
unzufrieden

Obwohl es uns in unserer Zeit so gut geht, sind viele Men-
schen unzufrieden. Sie haben so viel Grund, zufrieden zu
sein. Doch scheinen sie dies nicht zu sehen. Sie sind missge-
stimmt und übellaunig, sehen überall eher den Mangel als
die Möglichkeiten; und jedes halbvolle Glas ist in ihren
Augen halbleer.
   Wir alle kennen solche Menschen. Sie sind mühsame
Mitmenschen. Am Arbeitsplatz drücken sie die Stimmung,
und in der Familie und Nachbarschaft ist es ähnlich. Woran
können wir sie erkennen?

Das chronische Nörgeln

Die Unzufriedenheit kann viele Gesichter haben. Da sind
zum Beispiel die chronischen Nörgler. Sie nörgeln und nör-
geln und haben an allem Möglichen etwas auszusetzen. Es
genügt nicht, den einen von ihnen genannten Missstand zu
beheben – sie nennen gleich etwas anderes, das ihnen auch
nicht passt. Das Nörgeln wird bei ihnen zur Chronik ihres
Lebens. Es ist chronisch und prägt ihre Lebensweise.

Michaela
Michaela ist eine solche chronisch nörgelnde Frau. Sie ist
Ende 30, verheiratet und hat zwei gesunde Kinder. Sie hat
ein stets wiederkehrendes Verhaltensmuster: Wenn ihre
Nachbarin Margit ihr bei einem kurzen Plausch über den
Zaun sagt, dass die Sonne so schön scheint, dann sagt sie,
dass die Sonne nicht mehr lange scheint, weist dann auf den
für den Nachmittag angesagten Regen hin und findet ihn

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