Ein Valet dem New Public Management - oder warum Bayern München (fast) immer Meister wird

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Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

Ein Valet dem New Public Management – oder warum
Bayern München (fast) immer Meister wird
Dirk Obermann

                                                         „Die Geschichte des Fußballs ist eine traurige Reise
                                                         von der Lust zur Pflicht. In dem Maße, wie dieser
                                                         Sport zur Industrie geworden ist, hat er immer mehr
                                                         die Schönheit verbannt, die aus der reinen Freude am
                                                         Spiel entsteht. In dieser Welt am Ende des Jahrhun-
                                                         derts verdammt der Profifußball alles, was nutzlos ist,
                                                         und nutzlos ist, was nicht rentabel ist. [….] Das Spiel
                                                         ist zum Schauspiel geworden, mit wenigen Hauptdar-
                                                         stellern [….] und das Schauspiel ist zu einem der bes-
                                                         ten Geschäfte der Welt geworden, das nicht stattfindet,
                                                         damit gespielt wird, sondern um zu verhindern, dass
                                                         gespielt wird“ (Galeano, 2006, S.10).

1. Einleitung
Was haben der Profifußball, die aktuelle Hochschulreform, die zuneh-
mende Urbanisierung oder weitflächige Gebietsreformen gemeinsam?
In der Regel wird von den für einschneidende Veränderungen in den
genannten Bereichen Verantwortlichen das Diktat eines imaginären öko-
nomischen Prinzips herangezogen. Aus betriebswirtschaftlichen Grün-
den von Effizienz und Effektivität sei es beispielsweise erforderlich, um-
fassende Zusammenlegungen von Verwaltungseinheiten zu forcieren.
Maßnahmen im Profifußball wurden und werden damit begründet, die
internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Beide Argumente wer-
den für die umfassende Reform der Hochschulen herangezogen.

Diese kleine Denkschrift soll zur Überlegung anregen, ob aus wohl-
fahrtsökonomischer Betrachtung tatsächlich jeweils eine verbesserte Si-

                                                                  396
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

tuation eingetreten ist oder aber ob unter dem Deckmantel reiner Wirt-
schafts- und Machtinteressen einzelner Akteure funktionierende und vor
allem pareto-optimale Strukturen nachhaltig und damit zum Schaden
der Volkswirtschaft zerschlagen wurden. Es kann nicht im Interesse des
Profifußballs sein, wenn man dem Spiel aufgrund zunehmender fehlen-
der Konkurrenz das Lebenselixier nimmt, nämlich die Frage wie ein
Spiel ausgeht oder wer letztlich Meister wird? Es ist volkswirtschaftlich
ebenso Unsinn, dass eine Gebietskörperschaft Kosten durch geringere
Mietzahlungen einspart, dafür aber fast alle Bürger erhebliche Transak-
tionskosten auf sich nehmen müssen, um einem Verwaltungsakt nach zu
kommen. Schließlich hat die Gesellschaft dauerhaft höhere Kosten (Mo-
bilität, Quasimonopole, geringerer Service) durch die Inanspruchnahme
kurzfristig niedrigere Preise im Handel. Geiz ist eben aus volkswirt-
schaftlicher Sicht nicht geil. Und ob ein auf Eliten basierendes Staatssys-
tem dauerhaft erfolgreicher und damit beständiger ist als ein der Mehr-
heit seiner Mitglieder dauerhaft angemessenes Wohlstandsniveau zu ga-
rantieren, hat eigentlich der historische Ablauf schon längst bewiesen.

2. Die Situation im Profifußball
Im Jahr 1963 gab es im deutschen Profifußball (damals Vertragsligen ge-
nannt) exakt 104 Vereine, die nach der Einführung der Bundesliga und
den fünf Regionalligen an den Start gingen. Im Verlauf von mehr als vier
Dekaden ging die Zahl der deutschen Profivereine dann sukzessive zu-
rück. Unterbrochen wurde dieser Trend lediglich durch die vereini-
gungsbedingten Auswirkungen, um die ehemaligen Vereine der DDR zu
integrieren. Heute gibt es insgesamt offiziell noch 36 Profivereine, die
sich den Großteil der Sponsoring- und Fernseheinnahmen aufteilen.

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Tabelle 1:           Entwicklung der Zahl der Profifußballvereine in der Bundesrepublik Deutsch-
                     land von 1963 bis 2006
             Jahr                   1.Bundesliga 2.Bundesliga/Regionalliga Vereine Gesamt
             1963                          16                               88                               104
             1974                          18                               40                                58
             1982                          18                               20                                38
             1992                          20                               24                                44
             2006                          18                               18                                36
             Durchschnitt                  18                               38                                56
                              Quelle: Kicker Almanach, „1970-2006“; Eigene Berechnungen

Diese Entwicklung wurde mit Einführung der Bundesliga vom Deut-
schen Fußball Bund (DFB) ganz gezielt in Angriff genommen, um die
vermeintlich nicht mehr vorhandene Konkurrenzfähigkeit des deutschen
Fußballs wieder herzustellen, weil in fast allen anderen europäischen
Ländern zum Teil schon sehr viel früher eine Landes umfassende Liga
etabliert worden war.

Dieser bewusst herbeigeführte Konzentrationsprozess führte allerdings
sehr schnell zu einer völligen Veränderung der Fußballlandkarte
Deutschlands. Gab es in den ersten Jahren der Bundesliga noch sieben
verschiedene Meister, setzte mit Beginn der siebziger Jahre ein immenser
Konzentrationsprozess im deutschen Profifußball ein. Begleitet wurde
diese Entwicklung von einer zunehmenden Wettbewerbsunfähigkeit von
Vereinen, die eher aus kleineren oder mittleren Städten stammten. So-
fern nicht ein Super-Mäzen (wie jetzt in Hoffenheim) die Wettbewerbs-
nachteile ausgleicht, ist es schlechterdings nicht vorstellbar, dass Vereine
wie Borussia Neunkirchen oder FC Homburg/Saar im Profifußball, ge-
schweige denn in der Bundesliga spielen oder dass Alemannia Aachen
oder Eintracht Braunschweig ernsthaft um die Deutsche Meisterschaft
kämpfen können. Selbst der letzte „Ausreißer“, der 1.FC Kaiserslautern

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(immerhin im Jahr 1998 noch Deutscher Meister) ist aufgrund der struk-
turellen Gegebenheiten in der Stadt und trotz eines modernen WM-
Stadions letztlich nicht mehr konkurrenzfähig.
Tabelle 2:           Entwicklung der Zahl der unterschiedlichen Meister der Fußball-Bundesliga
                     und der jeweilige Anteil von Bayern München daran
    Dekade                Anzahl unterschiedlich. Meister davon Meister Bay. Bayern München
                                                                             München (absolut)                  (in Prozent)
    1960-1969                                    8                                        1                            10
    1970-1979                                    4                                        3                            30
    1980-1989                                    4                                        6                            60
    1990-1999                                    5                                        4                            40
    2000-2006                                    3                                        5                            70
    Durchschnitt                               4,8                                      3,8                            42
                              Quelle: Kicker-Almanach, „1970-2006“; Eigene Berechnungen

Es ist zu erkennen, dass mit Ausnahme der 90iger Jahre eine stetige Zu-
nahme der Zahl der Meisterschaften nur eines Vereins festzustellen ist
(in den neunziger Jahren gab es durch die vereinigungsbedingten „Tur-
bulenzen“ die Möglichkeit für andere Vereine kostengünstig gute Spieler
zu erwerben und so temporär konkurrenzfähig gegenüber Bayern Mün-
chen zu sein).

Der Aufstieg von Bayern München als Serienmeister begann im Jahre
1972 mit der Fertigstellung des damals modernsten und vor allem größ-
ten Fußballstadions in Deutschland – dem Münchener Olympiastadion.
(Das Berliner Olympiastadion fasste zwar noch mehr Zuschauer, war
aber zu diesem Zeitpunkt in einem eher maroden Zustand und generier-
te bei Weitem nicht die Einnahmen der modernen Münchener Arena). In
Kombination mit dem damals überragenden Team um Franz Becken-
bauer sicherte sich der FC Bayern Wettbewerbsvorteile durch die vor-
handenen economies of scale. Das zweite herausragende Team der sieb-

                                                                  399
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

ziger Jahre, Borussia Mönchengladbach, war aufgrund des kleinen Sta-
dions und des Umfeldes der Stadt dauerhaft nicht in der Lage, konkur-
renzfähig zu bleiben und wurden letztmalig 1977 Deutscher Meister. Mit
Ausnahme vom bereits erwähnten 1.FC Kaiserslautern hat es seitdem
keinen Deutschen Meister mehr gegeben, der nicht aus einer Großstadt
mit mehr als 500.000 Einwohnern kam und ein konkurrenzfähiges Stadi-
on besaß.

Ähnlich der Entwicklung in anderen europäischen Ligen hat Bayern
München jedoch seine einmal erlangte Vormachtstellung nie wieder ab-
geben müssen. Im Gegenteil, die Ungleichverteilung an Fernseh- und
Sponsorengeldern ist in den letzten Jahren dramatisch angestiegen. Al-
lein die Deutsche Telekom zahlt den Münchener Bayern 20 Mio. € pro
Saison, was allein in etwa den gesamten Etats von Klubs wie Energie
Cottbus oder FSV Mainz 05 ausmacht. Es hat sich quasi ein Verselbst-
ständigungsprozess vollzogen, weil natürlich jeder Sponsor einen mit
hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreichen Verein unterstützen möchte. So
wird seit Jahren, unabhängig vom jeweiligen Gegner, jedes Spiel von
Bayern München im DFB-Pokal live übertragen, was den FC Bayern je-
des Mal nicht unerheblich an den ausgelobten zusätzlichen Fernsehein-
nahmen partizipieren lässt und ihn gleichzeitig natürlich wiederum für
potenzielle Sponsoren interessant macht. Diese für den Fußball auf lange
Sicht ungesunde und damit letztendlich auch volkswirtschaftlich be-
trachtet negative Entwicklung ist überall in Europa zu beobachten.

In Frankreich gewann der vorher nicht sonderlich erfolgreiche Verein
Olympique Lyon durch das Engagement eines Finanzinvestors und der
sich daran anschließenden, ständigen Teilnahme an der Champions-
League sechs Meistertitel in Folge. Seit Einführung der Premier League
in England im Jahre 1996 hat es dort nur noch drei verschiedene Meister

                                                                  400
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gegeben: Die gut situierten Vereine Manchester United und Arsenal
London sowie die durch russische Ölmilliarden gesponserte Mannschaft
von Chelsea London. Da auch in Spanien und Italien letztlich nur noch
drei, vier Vereine um den Titel spielen können und ohne richtigen Wett-
bewerb innerhalb der eigenen nationalen Liga zu wenig Geld zu verdie-
nen ist und um das einmal in Gang gesetzte Rad der Vormachtstellung
auch halten zu können, war die Einführung der Champions League
durch den Europäischen Fußballverband (UEFA) im Jahre 1992 zwin-
gende Konsequenz. Nur durch die exorbitanten Fernsehgelder waren die
etablierten Vereine in der Lage, ihre jeweilige Vormachtstellung in den
nationalen Verbänden dauerhaft aufrecht zu erhalten. Damit dieses Sys-
tem auch langfristig funktioniert, wurde gleichzeitig dafür gesorgt, dass
aus den führenden europäischen Verbänden bis zu vier, mindestens aber
drei Mannschaften an dem jährlichen Wettbewerb teilnehmen konnten.
Damit diese Statuten in keiner Weise ausgehebelt werden können, hat
sich sozusagen als Gegenmacht eine Institution mit dem Namen G-14
gebildet. Dieser gehören nahezu alle renommierten Vereine aus den fünf
besten europäischen Ligen an. Nur wer mindestens einen Europapokal
gewonnen hat und in den letzten fünf Jahren dreimal nationaler Titelträ-
ger war, findet jetzt noch auf Antrag möglicherweise Aufnahme in die-
ses erlauchte Kartell.

Bedenklich für alle nationalen Verbände und nicht im Kartell befindli-
chen Vereine muss die Aussage von Stefan Ludwig, Verantwortlicher
der deutschen Sportbusiness Gruppe der internationalen Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaft Deloitte klingen: „Fußball bleibt europaweit ein Wach-
stumsmarkt, insbesondere auf Topniveau [!]. Der erneut starke Anstieg
der Einnahmen beruht auf dem anhaltend hohen Interesse der Medien,
Sponsoren und Fans. Für die Klubs [….] gewinnt in Zukunft die Interna-

                                                                  401
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tionalisierung [!] beim weiteren Ausbau ihrer Erfolgsquellen an Bedeu-
tung.“ Betrachtet man die Umsatzzahlen der TOP20-Klubs in Europa
wird die zunehmende Konzentration im Vereinsfußball mehr als deut-
lich:
               Tabelle 3:            Die Deloitte „Football Money League“ 2004/05 (in Euro)
                  Position (Position im Verein                                        Einnahmen (in Mio. €)
                    vergangenen Jahr)
                             1. (2)                 Real Madrid                                    275,7
                             2. (1)                 Manchester United                              246,4
                             3. (3)                 AC Mailand                                     234,0
                             4. (5)                 Juventus Turin                                 229,4
                             5. (4)                 Chelsea London                                 220,8
                             6. (7)                 C.F. Barcelona                                 207,9
                             7. (9)                 FC Bayern München                              189,5
                            8. (10)                 F.C. Liverpool                                 181,2
                             9. (8)                 Inter Mailand                                  177,2
                            10. (6)                 Arsenal London                                 171,3
                           11. (12)                 AS Rom                                         131,8
                           12. (11)                 Newcastle United                               128,9
                           13. (14)                 Tottenham Hotspur                              104,5
                           14. (17)                 FC Schalke 04                                   97,4
                            15. (--)                Olympique Lyon                                  92,9
                           16. (13)                 Celtic Glasgow                                  92,7
                           17. (16)                 Manchester City                                 90,1
                            18. (--)                F.C. Everton                                    88,8
                            19. (--)                F.C. Valencia                                   84,6
                           20. (15)                 SS Lazio Rom                                    83,1
                                         Quelle: Deloitte & Touche GmbH, 2006, S. 2

Die in der Tabelle 3 aufgeführten Top5-Vereine machen mindestens
doppelt, wenn nicht dreimal soviel Umsatz wie die nächsten folgenden
zehn Vereine. Auf die nationalen Ligen bezogen ist der Umsatz der Gro-

                                                                  402
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

ßen gar bis zu zehnmal höher als die Umsatzerlöse der kleinen Vereine.
Die Polarisierung der Einnahmen und den eingeschränkten Wettbewerb
in den europäischen so genannten „Big Five“-Ligen verdeutlicht die
Tabelle 4:
Tabelle 4:           Polarisierung der Einnahmen sowie Darstellung des sportlichen Erfolgs in den
                     europäischen „Big Five“-Ligen zum Zeitpunkt 2004/05:
                                Einnahmen                 Einnahmen                Einnahmen                Zahl der Titel
                             Gesamt (Mio. €) Top5 (Mio. €) Top5 (Prozent) Top5 (i.10 Jahr.)
       England                       1.974                      937                     47%                         10
       Italien                       1.336                      857                     64%                         10
       Deutschland                   1.236                      655                     53%                          8
       Spanien                       1.029                      688                     67%                          9
       Frankreich                     696                       310                     44%                          7
                                                   Quelle: Deloitte, 2006, S. 16

Das weitere Szenario ist damit absehbar. Wie in Italien bereits vollzogen,
werden auf Dauer die Zuschauerzahlen in den nationalen Ligen auf-
grund der immer geringeren Wettbewerbsfähigkeit fast aller Vereine
und der damit einhergehenden Langeweile zurückgehen. Dieses sieht
auch Deloitte so: „Es gibt einen magischen Kreis im Top-Fußball. Die Ge-
fahr besteht, dass die Schere zwischen den Klubs, die sich in dem Kreis
bewegen, und den Clubs außerhalb, so groß wird, dass das Wichtigste
des Fußballs Schaden nimmt – die Unvorsehbarkeit des Spielausgangs“
(Deloitte, 2006, S. 17).

Die Auswirkungen des aufgezeigten Konzentrationsprozesses sind in
den deutschen Fußballligen auch unterhalb der zweiten Spielklassen be-
reits seit Jahren zu beobachten. Derzeit viertklassige Traditionsmann-
schaften wie Tennis Borussia Berlin oder Wormatia Worms spielen vor
weniger als 500 Zuschauern. So ist trotz des vermeintlichen Booms der
Zuschauerzahlen in der Bundesliga die Gesamtzahl der sich am Wo-

                                                                  403
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

chenende ein Spiel live ansehenden Zuschauer bundesweit seit den fünf-
ziger und sechziger Jahren kontinuierlich und damit erheblich zurück-
gegangen. Letztlich wird es eine Europaliga mit zwanzig internationalen
Vereinen geben (ohne Auf- und Abstieg versteht sich), die alle als einget-
ragene Kapitalunternehmen an der Börse notiert sein werden. Der Rest
der Vereine wird sich mit Ausbildungszwecken und gemeinnützigen Be-
langen begnügen müssen. Eine vergleichbare Entwicklung hat es sozu-
sagen als Vorreiter in den USA schon längst mit der Einführung der Na-
tional Football League gegeben.

Ob dieses Szenario letztlich volkswirtschaftlich wünschenswert ist, darf
bezweifelt werden, selbst wenn man allein pekuniäre Aspekte einbe-
zieht. Unabhängig von einer jeden selbst überlassenen Bewertung der
aufgezeigten Entwicklung würde man den einmal in Gang gesetzten
Konzentrationsprozess ohnehin nur durch eine neuerliche ordnungspoli-
tische Reglementierung aufhalten können. Gilt doch für den Profifußball
dasselbe wie für alle Industriebranchen, in denen die Gesetze der freien
Marktwirtschaft einigermaßen ungebremst zur Geltung kommen. Es gibt
in keiner entwickelten Volkswirtschaft eine Branche, die ab einem ge-
wissen Lebenszyklus nicht hochgradig konzentriert ist. Als Beispiele sei-
en hier die auffälligsten und größten benannt: Automobil- und Luftfahrt-
industrie, Chemie- und Pharmaindustrie, Bergbau, Energie, Textil- und
Schuhindustrie, Schiffsbau, Raffinerien, Halbleiterindustrie und der
Handel. Letztgenannte Branche sei beispielhaft erörtert – es werden eini-
ge vergleichbare Gegebenheiten mit dem Profifußball deutlich werden.

3. Die Konzentration im Handel und die urbanen Folgen
Bis Mitte der achtziger Jahre, in manchen Regionen Deutschlands teil-
weise auch noch bis in die neunziger Jahre hinein, gab es auch in den
ländlichen Räumen eine gewachsene Struktur an Einzelhandelsbetrieben

                                                                  404
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

verschiedener fachlicher Ausrichtungen. Durch die zunehmende Kon-
zentration im Handel (Discounter-Effekt) seit den siebziger Jahren wur-
de diese kleinflächige Geschäftsstruktur zunehmend obsolet. Der Trend
ging hin zu großen Supermärkten, Bau- und Fachmärkte wurden errich-
tet und es entstanden immer mehr große Möbelhäuser an den Rändern
der urbanen Mittel- und Oberzentren. Dem dadurch bewirkten Preis-
wettbewerb konnten und wollten viele Einzelhändler und Handwerks-
betriebe mit angebundenen Ladenverkaufsflächen nicht mehr standhal-
ten. Diese Entwicklung hat zum Einen sicherlich zu Einsparungseffekten
in preislicher als auch zeitlicher Hinsicht bei den Konsumenten geführt,
andererseits in ländlichen Regionen genau gegenteilige Effekte verur-
sacht und insgesamt zu einem erheblichen Verfall an Produkt- und Ser-
vicequalität geführt. Es gibt mittlerweile viele Regionen in Deutschland,
in denen die ansässige Bevölkerung ohne die Inanspruchnahme eines
eigenen Kraftfahrzeuges schlichtweg verhungern müsste. Dieser Tatbes-
tand ist um so Besorgnis erregender, führt man sich die demographische
Entwicklung in Deutschland bei gleichzeitiger Berücksichtigung des wei-
ter voranschreitenden Abbaus der öffentlichen Nahverkehrsangebote
vor Augen. Auch das Internet bietet hier selbst unter Vernachlässigung
des Aspekts, dass gerade die ältere Bevölkerung eher nicht auf online-
Kauftransaktionen fixiert ist, nur in bestimmten Verkaufssegmenten eine
Alternative. Schließlich kommt hinzu, dass teuer sanierte Dorfkerne und
Stadtzentren durch den Wegfall vieler Geschäfte zunehmend veröden
und damit ebenfalls Gastronomie und andere Freizeiteinrichtungen wie
Kinos, Theater, Hallen- und Schwimmbäder, usw. negativ von dem
Konzentrationstrend im Handel betroffen sind, was den aufgezeigten
Effekt nochmals verstärkt. Ein willkürlich gewähltes, aber konkretes Bei-
spiel soll den Sachverhalt untermauern:

                                                                  405
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

Die nordrhein-westfälische Kleinstadt Spenge, zwischen dem Oberzent-
rum Bielefeld und Herford in Ostwestfalen gelegen, bestand bis zur Ge-
meindereform im Jahre 1969 aus fünf einzelnen selbstständigen Ge-
meinden. Was viele damalige Kritiker der Gebietsreform bereits voraus-
gesagt hatten, trat im Laufe der nächsten zwei Dekaden ein. Von urs-
prünglich 63 Gewerbetreibenden im jetzigen Stadtteil Lenzinghausen
sind bis zum Jahr 2006 nur noch 13 übrig geblieben, was einem Rück-
gang von 79,5% ausmacht. Gleichzeitig ging die Zahl der Selbstständigen
um 77% von ehedem 109 auf 25 zurück (vgl. Arbeitsgemeinschaften der
Vereine Lenzinghausen, 2006, S. 149ff). Dieser jeweilige Rückgang ist
umso beachtlicher, stieg die Einwohnerzahl sowohl der einzelnen Stadt-
teile als auch der Gesamtstadt im selben Zeitraum um mehr als 30% an.
Selbst das Kleinzentrum Spenge ist schon nicht mehr für jeden ohne wei-
teres zu erreichen. Der oben aufgezeigte Trend im Handel mit Beginn
der neunziger Jahre hat jedoch dazu geführt, dass selbst die durch nicht
unerhebliche öffentliche Finanzmittel entstandene zentrale Einkaufszone
und der sanierte Stadtkern der Stadt Spenge zunehmend an Einzelhan-
delsgeschäften verliert, weil die umliegenden Oberzentren mit der dort
etablierten großteiligen Fachmarktstruktur verstärkt mobile Käufer-
schichten abziehen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist diese Entwick-
lung, die bundesweit überall zu beobachten ist, mehr als bedenklich. Da
auch Banken, Reisebüros und die Postdienstleister sich letztlich dort an-
siedeln, wo die Majorität der Bevölkerung sich im Dienstleistungssektor
tatsächlich aufhält, droht den Kernen kleinerer Städte und damit auch
den jeweiligen Stadtfinanzen der Kollaps. Es fallen nicht nur erhebliche
Gewerbesteuereinnahmen, sondern auch die Einkommensteuer der nicht
mehr beschäftigten Mitarbeiter weg und zudem bleiben die Städte auf
den Kosten der noch nicht einmal vollständig getilgten Infrastrukturin-

                                                                  406
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

vestitionen sitzen. Gleichzeitig wird durch diese Entwicklung ein Verlas-
sen der ländlichen Räume gerade für die junge, Beschäftigung suchende,
Bevölkerung induziert mit entsprechenden negativen Folgen für das
Angebot von Kinderbetreuungs- und Schuleinrichtungen. In vielen Re-
gionen der Bundesrepublik Deutschland werden zudem durch die wei-
tere Konzentration auch im verarbeitenden Gewerbe im Ort traditionell
ansässige Betriebe geschlossen, was die aufgezeigten Effekte noch einmal
in ihren negativen Auswirkungen beschleunigt.

4. Die Situation der öffentlichen Hand – das New Public
   Management
Wie bereits weiter oben konstatiert, soll hier keinerlei Bewertung be-
triebswirtschaftlicher Notwendigkeiten einzelner Betriebe oder Unter-
nehmungen vorgenommen werden. Ausgelöst wurden jedoch die aus
Sicht des Verfassers in vielerlei Hinsicht dauerhaft volkswirtschaftlich
negativ zu betrachtenden Entwicklungen sowohl im Profifußball als
auch in der Entwicklung der ländlichen Regionen durch Maßnahmen
der öffentlichen Hand oder die öffentliche Hand vertretenden, gemein-
nützigen Institutionen (hier dem Deutschen Fußball Bund) durch die
Ausrichtung der Rahmenbedingungen auf mehr ökonomische Effizienz
oder mit dem Argument auf vermeintlich mehr Wettbewerbsfähigkeit.

Diese Abkehr vom Subsidiaritätsprinzip, das sowohl die „Väter“ des
Grundgesetzes als ursprünglich auch die Begründer der Europäische
Union nicht ohne Grund als hehres Ziel festgeschrieben hatten, ist eine
in öffentlichen Verwaltungen in vielen Bereichen bereits seit Jahrzehnten
sich abzeichnende Entwicklung. (Das Subsidiaritätsprinzip besagt ver-
kürzt formuliert, dass die kleinste Gebietskörperschaft oder Institution,
welche bereits über die notwendigen Ressourcen verfügt, eine bestimmte
Aufgabe erfüllen sollte.) Zu Beginn einer jeden Maßnahme im öffentli-

                                                                  407
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

chen Sektor wurde bereits vor Einführung des so genannten New Public
Management mit der notwendigen Kosteneffizienz und der per Verfas-
sung auferlegten Haushaltssparsamkeit argumentiert (vgl. Schuppert,
2000, S. 917ff). Dieses ist per se mit dem Subsidiaritätsprinzip nur dann
zu vereinbaren, wenn man dieses rein betriebswirtschaftlich auffasst.
Dieses ist aber aus Sicht des Verfassers ein volkswirtschaftlicher Irrglau-
be, der konsequent genug umgesetzt, langfristig sämtliche funktionie-
renden wirtschaftlichen, sozialpolitischen und auch umweltpolitisch
sinnvollen Strukturen aushebeln kann und damit auch international ge-
sehen zu einer deutlich verringerten Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands
oder gar Europas im Globalisierungsprozess führen würde.

In den letzten Dekaden hat es eine Vielzahl von Gebietsreformen in der
Bundesrepublik Deutschland gegeben. Aufgrund der Entwicklung der
Bevölkerungszahlen und des medialen Drucks auf die notwendige Effi-
zienz bei öffentlichen Ausgaben gibt es in fast jedem Flächenbundesland
in Deutschland die Tendenz zu immer größer werdenden Gebietskör-
perschaften. Mag die Zusammenlegung kleinster Gemeinden und Ämter
zu Kleinstädten in der Tat sowohl finanziell als auch strukturell und
damit dem föderalen Prinzip unserer Bundesrepublik entsprechen, ist
die Tendenz zu immer größeren Landkreisen in jeder Beziehung wider-
sinnig. So besteht das relativ große Flächenland Mecklenburg-
Vorpommern mittlerweile nur noch aus sechs Landkreisen plus zwei
kreisfreien Städte. Im Landkreis Nordwestmecklenburg müssen viele
Bewohner mittlerweile siebzig Kilometer fahren, um einen Behörden-
stempel zu erlangen. Das kann nicht effizient sein, ist ökologisch mehr
als bedenklich und fördert zudem die Tendenz, am lokalen Bürger vor-
bei Kommunalpolitik zu betreiben - mit den negativen Auswirkungen

                                                                  408
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

einer immer mehr abnehmenden Wahlbeteiligung und der Hinwendung
zu extremen politischen Positionen.

Der gleiche Effekt tritt ein, wenn Bundeswehrstandorte, Schulen,
Gerichte                  oder                Behörden                     wie              Materialprüfungsämter,
Zulassungsbehörden                          entweder               geschlossen                oder         über          hunderte
Kilometer entfernt zusammen gelegt werden. Ähnlich wie beim Fußball
interessiert sich der einzelne weniger für seinen Verein oder hier seine
Stadt oder seinen Kreis. Die staatlichen Institutionen gehen einen
bedenklichen Weg, wenn sie sich ausschließlich auf verwaltungsinterne,
betriebswirtschaftliche                                Effizienzkriterien                           einlassen.                     Die
volkswirtschaftlichen Folgekosten dieser Maßnahmen sind um ein
Vielfaches höher. Ein weiteres Beispiel soll diesen Zusammenhang
verdeutlichen.                    Ginge             es        nach            rein           betriebswirtschaftlichen
Überlegungen, so müsste der Gesetzgeber unmittelbar das Instrument
einer kleinen Anfrage eines Kreis- oder Landtagsabgeordneten oder die
Petitionsmöglichkeit                        von          einzelnen               Bürgern              abschaffen.                Eine
Kostenabschätzung einer kleinen Anfrage eines Abgeordneten in einem
Landesparlament soll dieses verdeutlichen:

Als Muster für das Beispiel der Tabelle 5 diente hier eine kleine Anfrage
zum Bau eines weiteren Grenzüberganges an der Oder im Brandenbur-
ger Landtag in Potsdam (der ersten Anfrage folgten noch weitere sieben
zu diesem Thema mit zum Teil sehr kontrovers geführten Diskussionen
zwischen den einzelnen involvierten Behörden).

Betriebswirtschaftlich betrachtet sind diese Anfragen nicht zu rechtferti-
gen. Da die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten in aller Regel
während einer Legislaturperiode eindeutig sind, ist der scheinbare Nut-
zen dieser parlamentarischen Anfragen eher gering. Es gibt ganze Refe-
rate und Stabsabteilungen in den oberen Landesbehörden, die sich

                                                                  409
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

hauptsächlich mit der Beantwortung großer und kleiner Anfragen sowie
der Beantwortung von Petitionen beschäftigen.
Tabelle 5:           Berechnung der Kosten einer kleinen parlamentarischen Anfrage (die mehrere
                     Unterfragen umfasst und mindestens vier Ressorts betrifft):
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Erarbeitung/Abstimmung der Anfrage (Abgeordneter mit Referent)                                            300 €

Druck und Verteilung/Veröffentlichung (300 Exemplare)                                                                   50 €

Abstimmung wer zuständig (zwischen den Ressorts/ innerhalb eines Ressorts)                                            100 €

Informationsanforderung von nachgeordneter Behörde                                                                    300 €

1. Entwurf der Beantwortung                                                                                           200 €

Besprechung auf AL- Ebene (ressortintern)                                                                             100 €

Abstimmung auf Arbeitsebene (mehrere Ressorts)                                                                        300 €

2. Entwurf der Beantwortung                                                                                           100 €

Mitzeichnung auf Arbeitsebene                                                                                         150 €

Besprechung auf StS-Ebene (ressortintern)                                                                             100 €

Einarbeiten von Änderungen                                                                                              50 €

Offizielles Mitzeichnungsverfahren (ressortübergreifend)                                                              200 €

Besprechung          auf ACK-Konferenz (strittig)                                                                     500 €

Arbeitssitzung auf AL-Ebene (ressortübergreifend)                                                                     300 €

Neuentwurf, erneutes Mitzeichnungsverfahren (ressortübergreifend)                                                     200 €

Besprechung auf ACK-Konferenz (Einvernehmen)                                                                          200 €

Einbringung in die Kabinettsitzung                                                                                    200 €

Abstimmung mit den Regierungsfraktionen                                                                               500 €

Drucklegung und Verteilung der Antwort (einschließlich PM)                                                            100 €

Nachfragen der Presse                                                                                     300 €
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Summe:                                                       4.250 €
=========================================================================
                                                      Quelle: Obermann, 2006

                                                                  410
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

Das bedeutet, eine Abschaffung dieses demokratischen Elements würde
den Steuerzahler um Millionen Euro jährlich entlasten (allein in Bran-
denburg gibt es pro Legislaturperiode mehr als 3.000 kleine und ca. 100
große Anfragen). Reduzierte der Staat Beteiligungs- und Mitsprache-
rechte von Bürgern konsequent, würde er Klagemöglichkeiten ein-
schränken und die Rechte von Abgeordneten drastisch limitieren, könn-
ten zusätzlich zu den Einsparungen der genannten Gebiets- und Organi-
sationsreformen nochmals erhebliche öffentliche Ausgaben eingespart
werden. Allerdings würde man sich zunehmend dem auf das Subsidiari-
tätsprinzip aufgebauten föderalen System entziehen und mehr und mehr
zentralistische Strukturen einführen (was der tendenziellen Entwicklung
des Einflusses der Europäischen Kommission entspricht und letztlich
auch dem Verfahren der UEFA gegenüber den nationalen Fußballver-
bänden gleichkommt).

Konsequent zu Ende gedacht ist die preiswerteste Staatsform aus be-
triebswirtschaftlicher Sicht der Zentralstaat (genauso wie die Volkswirte
wissen, dass der so genannte „weise“ Diktator eine theoretisch durchaus
optimale Staatsform darstellen kann). Die volkswirtschaftliche Realität
sieht allerdings wie alle historischen Erfahrungen zeigen, anders aus.
Zentral ausgerichtete Staaten sind grundsätzlich mit einer systemimma-
nenten Ineffizienz ausgestattet und werden im Zeitablauf zunehmend
politisch instabil. Beides führt zu erheblichen Folgekosten, die zumindest
historisch gesehen immer höher waren, als kurzfristig durch Reformen
zu erzielende Einsparungen.

                                                                  411
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

5. Die aktuelle Hochschulreform – wer braucht
   Elite-Universitäten?
Als letzter Bereich der Entwicklung vom Public Management hin zum
New Public Management und den damit jeweils einhergehenden Kon-
zentrationsprozessen soll die Situation im Hochschulsektor in Deutsch-
land beleuchtet werden.

Unabhängig von der allgemein anerkannten Einsicht, dass die zukünfti-
gen wirtschaftlichen Determinanten Deutschlands nicht unerheblich da-
von abhängen, inwieweit wir den gegenüber vielen anderen Staaten ge-
haltenen Wissensvorsprung zumindest konservieren können, hat sich
das Hochschulwesen wie alle anderen öffentlichen Sektoren dem Diktat
knapper Kassen beugen müssen und unterzieht sich seit Jahren den In-
strumentarien des New Public Managements. Solange es darum geht,
veraltete Strukturen wie Prüfungsordnungen den europäischen Gege-
benheiten anzupassen und die universitätsinternen Verwaltungsabläufe
zu modernisieren ist dagegen nichts einzuwenden. Auch soll hier gar
nicht bewertet werden inwieweit Studiengebühren sozial gerecht und
Ziel führend auf den Erfolg von Hochschulen Einfluss haben. Dieses
Thema ist mittlerweile ohnehin zu einer „Glaubensfrage“ geworden.

Was aber mit Sorge zu betrachten ist und in den Kontext dieses Aufsat-
zes passt, ist die politische Vorgabe nach der Notwendigkeit von Eliten-
bildungen auch an den Hochschulen. Unabhängig von der hier auch
nicht zu beantwortenden Sinnfrage, ob die Bildungspolitiker der siebzi-
ger Jahre oder die von heute Recht haben, wird der staatlicherseits einge-
forderte und geförderte Wettbewerb zwischen den Hochschulen zu ge-
nau den gleichen Konzentrationsprozessen und negativen Auswirkun-
gen führen wie die Stellung der Rahmenbedingungen bei Gebietsrefor-
men oder der Reform des Fußballbereiches. Indem in einem rein staatli-

                                                                  412
Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

chen oder öffentlichen Sektor Wettbewerbselemente zugelassen werden,
entstehen nach dem gleichen Prinzip einer Industriebranche Konzentra-
tionen durch Zusammenschlüsse. Da die großen Hochschulen ohnehin
über Economies of Scale und Economies of Scope verfügen (insbesonde-
re im Drittmittelbereich) und traditionell in für Studenten attraktiven
Städten angesiedelt sind, wird auch im Hochschulsektor eine Tendenz
verstärkt werden, die der im Profisportbereich nicht unähnlich ist.

Im Vorgriff auf den politisch geschalteten Elite-Wettbewerb ist es bereits
zu nicht unerheblichen Zusammenlegungen von Hochschulen gekom-
men. In Berlin beispielsweise wurden die Fachhochschule für Wirtschaft,
die Hochschule für Verwaltung & Rechtspflege sowie die Berufsakade-
mie zusammengelegt. Dabei entstanden nicht nur erhebliche Investiti-
onskosten, sondern auch organisatorische und lehrinhaltliche Dishar-
monien, die einer durchaus vorhandenen schlankeren Verwaltungs-
struktur entgegenstehen, welche allerdings aufgrund der arbeitsrechtli-
chen Gegebenheiten frühestens mittelfristig auch Kosten entlastend wir-
ken kann. Trotz der Reform dieser vormals drei Hochschulen hatte die
neue Institution keine Möglichkeit in die Liste der besonders zu fördern-
den Eliteuniversitäten aufgenommen zu werden, weil es sich um eine
Fachhochschule handelt. Nichtsdestotrotz hat die in Gang gesetzte Dis-
kussion um Elitenförderung den Druck der Politik und der Medien auf
alle Hochschuleinrichtungen erhöht, sich neu zu strukturieren und bes-
ser zu vermarkten, um vermeintlich überhaupt noch die Chance zu be-
sitzen, auch zukünftig überragende Studenten und vor allem auch adä-
quates Lehrpersonal akquirieren zu können. In einer ersten Vorschlags-
liste des Wissenschaftsrates und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(DFG) wurden ausschließlich ohnehin schon sehr renommierte Hoch-
schulen aufgenommen. Mit dieser Vorschlagsliste war die grobe Linie

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Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

der weiteren politischen Vorgehensweise bereits im Jahr 2004 vorge-
zeichnet:
Tabelle 6:            Vorschlagsliste der Elite-Hochschulen des Wissenschaftsrates 2004
===================================================================
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Eberhard Karl Universität Tübingen
Universität Karlsruhe
Universität Stuttgart
Ludwig Maximilian-Universität München
Technische Universität München
Humboldt Universität Berlin
Universität Bremen
Rheinisch Westfälisch Technische Hochschule Aachen
Technische Universität Dresden
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                                                  Quelle: Wissenschaftsrat, 2004

Mit der gemeinsamen Entscheidung des Wissenschaftsrates und der
Deutschen Forschungsgemeinschaft vom 20. Januar 2006 wurden letz-
tlich von knapp 300 eingereichten Antragsskizzen 90 für drei verschie-
dene Exzellenzinitiativen für die zweite Runde des Wettbewerbs ausge-
wählt. Bei den 39 zu fördernden Graduiertenschulen ist mit der Techni-
schen Universität Dresden lediglich eine und bei den 41 ausgewählten
Hochschulen im Bereich Förderlinie Exzellenzcluster mit der Universität
Leipzig ebenfalls nur eine aus den neuen deutschen Bundesländern auf-
geführt. Bei den zehn berufenen Universitäten um den wichtigen Bereich
Förderlinie Zukunftskonzepte ist gar keine ostdeutsche Hochschule ver-
treten (nicht einmal die Humboldt Universität in Berlin). Stattdessen
wurde die „West“-Berliner Freie Universität berufen. Von den in Tabelle
6 genannten Hochschulen wurde zudem lediglich die Universität Stutt-

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gart durch die in Würzburg ersetzt und die Technische Universität
Dresden gestrichen (vgl. WR, DFG, 2006, S.1-3).

Es wird auf den ersten Blick die räumliche Disharmonie der ausgewähl-
ten Hochschulen deutlich. Die bestehende Tendenz der wachsenden
Hochschulen im Süden und Südwesten in Deutschland wird mit dieser
Vorauswahl weiter verstärkt. Die letztlich benannten Universitäten wer-
den für einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt mit einem zusätzli-
chen Fördervolumen von 1,9 Milliarden Euro bedacht. Neben der sich
dadurch weiter verbessernden Ausbildungssituation dürfen sich die
Hochschulen als Elite-Universitäten bezeichnen und können sich de-
mentsprechend auch besser im Wettbewerb um die besten Absolventen
eines Jahrgangs bemühen. Es liegt auf der Hand, dass auch sehr gute
Lehrkräfte sich eher einer dieser Institutionen anschließen. Ebenso wird
es den ausgewählten Hochschulen wesentlich effektiver gelingen, Dritt-
mittel aus der Industrie einzuwerben. Bereits bestehende Abwande-
rungstendenzen junger, sehr gut ausgebildeter Menschen aus den in-
frastrukturell ohnehin schon benachteiligten Regionen werden zusätz-
lich verstärkt. Große Universitäten werden größer, kleinere schrumpfen.
Die Ungleichheit bei der Zahl der angemeldeten Patente wird wachsen,
mit entsprechenden Auswirkungen auf Existenzgründungszahlen und
den damit verbundenen Arbeitsplätzen. Viele der eher ländlichen Rand-
regionen verlieren einmal mehr an Attraktivität und realen Zukunfts-
chancen.

Die endgültige Entscheidung des Wissenschaftsrates und der DFG vom
13. Oktober 2006 hat die bereits einseitige Vorauswahl noch einmal über-
troffen. Die Universität München, die TU München sowie die Karlsruher
Universität wurden als Elite-Universitäten benannt, die sich den Förder-
kuchen weitestgehend aufteilen können. Es mag Zufall sein, dass es nur

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Schwarze et al. (Hrsg.) (2007): Arbeitsmarkt- und Sozialpolitikforschung im Wandel – Festschrift für Christof Helberger zum 65. Geburtstag

süddeutsche Hochschulen getroffen hat, aber das gerade die Universitä-
ten mit den besten Beziehungen zu den größten Drittmittelquellen (Sie-
mens, EADS, MTU in München und Fraunhofer in Karlsruhe) ausge-
wählt wurden, hinterlässt zumindest einen gewissen faden Beige-
schmack dieser Entscheidung.

Es liegt der Verdacht nahe, dass diese einseitige Eliteförderung unab-
hängig von ihrer ohnehin nicht beweisbaren Notwendigkeit (vgl. von
Münch, 2005 oder auch Weiler, 2004) nur Partikularinteressen dient und
wirtschaftspolitisch unsinnig ist. Unter dem Deckmantel des New Public
Management werden hier Strukturentscheidungen getroffen, die letz-
tlich gerade nicht dem Ziel entsprechen, das Humankapital insgesamt in
Deutschland zu erhöhen. Schon aufgrund der finanziell unterschiedli-
chen Möglichkeiten der Bevölkerung zwischen Süd- und Südwest-
deutschland auf der einen und Nord- und Ostdeutschland auf der ande-
ren Seite, werden Jugendliche aus bestimmten Regionen wesentlich
schlechtere Chance haben, einen adäquaten Hochschulabschluss zu er-
langen. Einem durchschnittlich bezahlten Arbeitnehmer aus Stuttgart ist
es eher möglich, seinen Kindern ein Studium (Lebenshaltungskosten
und Studiengebühren) in München zu finanzieren als einem vergleich-
baren Arbeitnehmer aus Magdeburg oder Rostock, weil die Durch-
schnittseinkommen letzterer Städte erheblich unter denen des süddeut-
schen Durchschnitts liegen.

Neben dem Subsidiaritätsprinzip hat man sich im Bereich der Hoch-
schulstrukturreform von Seiten der zuständigen Politik sukzessive und
nebenbei auch von der Umsetzung des Paragraphen 91a, Grundgesetz
der Bundesrepublik Deutschland (in dem die Zielstellung der Einheit-
lichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland manifestiert ist) durch
die Hintertür verabschiedet. Mit dem beschlossenen Auslaufen des Soli-

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darpakts II im Jahre 2013 hat sich der Gesetzgeber dann endgültig von
diesem Grundsatz abgewendet.

6. Fazit
Es ist überhaupt nicht absehbar, welche Folgekosten auf den Staat zu-
kommen, wenn neben der dargestellten systemimmanenten Ineffizienz
durch zunehmend zentralistische Strukturen innerhalb der Europäischen
Union sowie im Verhältnis von Bundes- und Landeszuständigkeiten
auch noch räumlich differenzierend wirkende politische Maßnahmen
greifen.

Nichts gegen den schlanken Staat, bitte sehr, aber warum diese räumli-
che Konzentration? Wenn es nur noch Bayern München, Städten wie
Köln, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart und München, und einer Hand voll
von Eliteuniversitäten gut geht, ist das volkswirtschaftlich betrachtet mit
Sicherheit kein pareto-optimaler Zustand, weil es den Eliten zumindest
in demokratischen Staaten nicht schlechter, eher besser geht, wenn ein
Großteil der Bevölkerung an Bildung und Einkommen partizipieren
kann. Wettbewerb führt immer (spätestens seit Schumpeter wissen wir
es) zu so genannter „schöpferischer Zerstörung“ (vgl. Schumpeter, 1942).
Das mag in wachsenden Industriesektoren trotz aller dadurch bedingten
jeweiligen strukturellen Umstrukturierungsprozesse adäquat und ange-
messen sein, ist aber mit Sicherheit nicht auf die Bereiche Sport, Demo-
kratie und Verfassung anzuwenden. Nicht weil dem konträre politische
Ansichten entgegenstehen, sondern weil das jeweilige Segment, sei es
Sport, Demokratie oder die Verfassung nur bei Ausgewogenheit dauer-
haft funktioniert. Stimmen hier die Rahmenbedingungen nicht mehr,
führt das unweigerlich zu erheblichen Disparitäten. Wenn nur noch
Bayern München zu Meisterschaftsehren kommt, wird es auf Dauer kei-
nen Profifußball mehr in Deutschland geben. Das mag der eine oder an-

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dere ja noch nicht einmal als sonderlichen Verlust ansehen. Wenn sich
aber aufgrund mangelnder Partizipationsmöglichkeiten immer größere
Anteile dem demokratischen Willenbildungsprozess entziehen und gan-
ze Regionen in einem forcierten Wettbewerb nicht mehr mithalten kön-
nen, werden dadurch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im gan-
zen Land so nachhaltig negativ beeinflusst, dass die Folgekosten aller
durch New Public Management ausgelösten kurzfristigen Einspareffekte
in ihr Gegenteil verkehrt werden.

Es wäre mehr als wünschenswert, wenn sich alle verantwortlichen Per-
sonen in Politik, Sport und Verwaltung daran erinnern würden, dass es
neben dem Ziel der Gewinnmaximierung auch andere zu verfolgende
Oberziele gibt. Nur eine Ausgewogenheit unterschiedlicher Interessen
sichert auf Dauer ein funktionierendes Staatswesen und die dazu gehö-
rige Volkswirtschaft. Auch hier waren die „Väter“ des Grundgesetzes
schlauer, auch weil die meisten von ihnen die extremen Nachteile einer
einseitigen, Konzentration fördernden, zentralistischen Politik des Staa-
tes noch eindeutig vor Augen hatten. Ist es nicht ein seltsamer Zufall,
dass mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ein
Fußballverein mit Namen Schalke 04 absolut dominant wurde und 80%
der Titel bis zum Beginn des Untergangs des Dritten Reiches errang?
Wie ein Großteil der elf Meisterschaften in Folge des BFC Dynamo in der
DDR zustande gekommen sind, ist ja hinlänglich bekannt – ebenso wie
die Entwicklung des dazugehörigen Staatsapparates.

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Literaturverzeichnis
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Obermann, Dirk (2006): Skriptum Public Management, FHW Berlin.
Schumpeter, Joseph A. (1942): Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie, London.
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  20.01.2006.

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