Einblicke: Szenarien für die Zukunft eines nachhaltigen Handels - Kurs setzen für eine grüne Zukunft
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Financial Institutions: Partnership meets expertise Einblicke: Szenarien für die Zukunft eines nachhaltigen Handels Kurs setzen für eine grüne Zukunft In Zusammenarbeit mit
Inhalt 6 Vorwort der Commerzbank 8 Vorwort von Oxford Analytica 10 Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen 11 1. Einführung 14 2. Entwicklung der Szenarien 15 3. Ausprägungen der fünf Treiber 20 Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft 21 1. Einführung 23 2. Wirtschaft: Fortschritte in Richtung auf ein neues Modell 2.1. Einführung 2.2. Kreislaufwirtschaft und Cradle-to-Cradle 2.3. Produkt-Service-Systeme und Sharing Economy 2.4. Neue Messgrößen jenseits des BIP 30 3. Handel: Globalisierung gedeiht 3.1. Einführung 3.2. Neue Abkommen fördern einen nachhaltigen Handel 3.3. Nachhaltigkeitsauflagen für den Handel 33 4. Technologie: beschleunigter Wandel 4.1. Einführung 4.2. Additive Fertigung 4.3. Robotik 4.4. Digitalisierung 4.5. Wassermanagement und Wassertechnologie 4.6. Nachhaltige Technologiecluster 38 5. Der Privatsektor: Strategien werden nachhaltiger 5.1. Einführung 5.2. Kooperationswettbewerb 5.3. Resilienz in den Lieferketten 5.4. Informierte und proaktive Verbraucher 5.5. Innovative Finanzwirtschaft: Crowdsourcing und Crowdfunding 5.6. Investitionen in nachhaltige Technologien 43 6. Politik: Stakeholder finden zusammen 6.1. Einführung 6.2. Klimaabkommen und Bepreisung von CO2 6.3. Verbesserte Zusammenarbeit von öffentlichem und privatem Sektor 6.4. Verbraucherkampagnen lenken die Politik Inhalt 3
48 Szenario 2: ein Teufelskreis aus Stagnation und Protektionismus 49 1. Einführung 51 2. Die Wirtschaft: Im Griff der Abwärtsspirale 2.1. Einführung 2.2. Risikominimierung bietet nur bedingt Unterstützung 2.3. Potenzielle Auslöser einer Wirtschaftskrise 2.4.Die Preise für fossile Brennstoffe bleiben dauerhaft niedrig 56 3. Welthandel: Beteiligte Länder kapseln sich ab 3.1. Einführung 3.2. Handel mit Waren und Dienstleistungen ist gleichermaßen betroffen 3.3. Stillstand des WTO-Systems 3.4. Grüner Protektionismus setzt sich durch 3.5. Greenwashing unterläuft die Bemühungen zu nachhaltigem Handel 3.6. Nicht nachhaltige Landwirtschaft 63 4. Technologie: Innovationskraft und Produktivität lassen nach 4.1. Einführung 4.2. Die Konjunkturschwäche verlangsamt den technischen Fortschritt 4.3. Arbeitsmärkte werden prekärer 66 5. Privatwirtschaft: gescheiterte Führungsrolle 5.1. Einführung 5.2. Nachhaltigkeit in den Lieferketten gerät ins Stocken 5.3. Die Bankenbranche überdenkt ihr Engagement 69 6. Politik: keine Lösungen in Sicht 6.1. Einführung 6.2. Nationaler Ressourcenbedarf versus Nachhaltigkeit 6.3. Die EU in der politischen Krise 6.4. Zunahme extremer Parteien verstärkt Protektionismus 6.5. Scheitern des globalen Klimaabkommens 6.6. Der Verbraucherdruck für nachhaltigen Handel sinkt 4 Inhalt
74 Schlussfolgerung 1. Voraussichtliche Entwicklung der fünf Schlüsseltreiber 2. Empfehlungen 85 Abkürzungsverzeichnis Inhalt 5
Vorwort der Commerzbank Liebe Leserinnen, liebe Leser, wir wissen um die zentrale Bedeutung von Nachhaltigkeit im Handel – das haben wir in unserem zuletzt erschienenen Bericht „Einblicke: Die fünf Treiber für einen nachhaltigen Handel“ verdeutlicht. Dieser beleuchtet, wie das Bedürfnis nach Nachhaltigkeit in sozialer, ökologischer und politi- scher Hinsicht künftig nur dann stärker werden wird, wenn knappe Res- sourcen den Handel gefährden und die Öffentlichkeit zunehmend Fort- schritte in Bereichen wie erneuerbare Energien und verantwortungsvolle Finanzwirtschaft einfordert. Angesichts zunehmender Regulierung, Glo- balisierung und Wettbewerbsintensität bei gleichzeitig nachlassendem Wirtschaftswachstum wird es Nachhaltigkeit im Bankensektor mehr denn je brauchen. Bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1870 durch einen Hamburger Kauf- mann, der Handel mit Ländern in Lateinamerika betrieb, engagiert sich die Commerzbank im internationalen Handelsgeschäft. Wenn wir auch in 150 Jahren noch in diesem Geschäft sein wollen, ist es unabdingbar, dass wir eine langfristig tragfähige und wettbewerbsorientierte Strategie des nachhaltigen Handels und Geschäftsgebarens verfolgen. In die Entwick- lung einer solchen Strategie haben wir viel Zeit und Mühe investiert. Natürlich sind wir nicht allein in unserem Streben nach Nachhaltigkeit – und sollten es auch nicht sein. Wir sind eine Bank, die von Natur aus in vielfältigen Beziehungen zu anderen steht, und haben daher das große Ganze im Fokus: die Entwicklung von Handelsnormen, Methoden und Lösungen, die dem gemeinsamen Nutzen aller Beteiligten dienen. Dem- entsprechend vertreten wir den Standpunkt, dass nur ein gemeinsames Vorgehen von Unternehmen, Banken und Regierungen die globale Wirt- schaft in ein nachhaltiges Model verwandeln kann. Allerdings müssen wir akzeptieren, dass das Konzept des nachhaltigen Handels derart komplex, vielschichtig und nicht zuletzt wandelbar ist, dass es schwierig sein wird, eine entsprechende Bündelung zu erreichen und langfristige Strategien zu entwickeln. Daher muss sich unsere Branche realistisch mit den vordringlichen Themen der Welt von heute auseinandersetzen, indem sie sich auf die Probleme – und auch auf die Chancen – vorbereitet, die in den kommenden 10 bis 15 Jahren und darü- ber hinaus relevant werden. Doch was für ein Umfeld erwartet uns in Zukunft? Vorausschauende Pla- nung ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir das mit dem nachhalti- gen Handel verbundene Potenzial ausschöpfen wollen. Deshalb freuen wir uns, Ihnen nach dem Erfolg unseres ersten Berichts eine weitere Studie präsentieren zu können: „Einblicke: Szenarien für die Zukunft eines nach- haltigen Handels“. 6 Vorwort
In Zusammenarbeit mit Experten von Oxford Analytica haben wir zwei mögliche Nachhaltigkeitsszenarien entwickelt. Sie beschreiben den „Best Case“ und den „Worst Case“ im Hinblick auf die Entwicklung von Nachhal- tigkeit im Welthandel: Kann die Weltwirtschaft bei weiterhin florierendem Handel wachsen? Oder könnte eine verlangsamte wirtschaftliche Entwick- lung in Zeiten abnehmender Chancen für Handelsströme mit Protektionis- mus einhergehen? Die beiden Szenarien sind fest in den bereits in unse- rem ersten Bericht analysierten fünf Treibern für einen nachhaltigen Handel verankert. Jeder einzelne von ihnen verfügt über weitreichende Implikationen für Nachhaltigkeit. In Anbetracht dieser Szenarien geben wir in einem nächsten Schritt einen Ausblick auf eine wahrscheinliche Zukunft, indem wir Empfehlungen aus- sprechen und Fallstudien präsentieren – eine ausgewogene Prognose zwi- schen den beiden Extremszenarien. Auf dieser Grundlage können wir die Potenziale des Handels unter Berücksichtigung einer nachhaltigen Ent- wicklung für die kommenden 10 bis 15 Jahre einschätzen. Wir beabsichtigen darüber hinaus, den Wert des nachhaltigen Handels mit einer Klarheit zu beschreiben, wie die Finanzbranche sie dringend benötigt: Wir glauben, dass Banken dabei eine Schlüsselrolle spielen soll- ten. Die Commerzbank ist nicht nur vom Nutzen eines nachhaltigen Han- dels überzeugt, sondern auch von der Notwendigkeit, diesen öffentlich zu kommunizieren – gegenüber Kapitalgebern und Unternehmen, Regie- Dr. Bernd Laber rungen, NGOs und den Medien –, damit sie unsere Arbeit wahrnehmen Bereichsvorstand und uns bei der Verwirklichung unserer Vision unterstützen können. Wir Commerzbank Transaction Services möchten die öffentliche Diskussion zu diesem zentralen Thema voranbrin- und Financial Institutions gen. In der Hoffnung, dass der vorliegende Bericht interessante Denkan- stöße bietet, freuen wir uns auf anregende Diskussionen mit Ihnen. Dr. Bernd Laber Bereichsvorstand Commerzbank Transaction Services und Financial Institutions Vorwort 7
Vorwort von Oxford Analytica Die Commerzbank und Oxford Analytica haben sich bereits zum zweiten Mal zusammengeschlossen, um einen zukunftsweisenden Bericht zum Thema „nachhaltiger Handel“ zu erstellen. Oxford Analytica ist ein global agierendes Analyse- und Beratungsunternehmen, das seine Kunden mit- hilfe eines weltweiten Expertennetzwerks in den Bereichen Strategie und Performance berät. Unsere Einblicke und Analysen zu globalen Themen verhelfen unseren Kunden zum Erfolg in komplexen Märkten, in denen die Verknüpfung von Politik und Wirtschaft, Staat und Unternehmen von ent- scheidender Bedeutung ist. Niemand kann die Zukunft eines nachhaltigen Handels mit Sicherheit vor- hersagen. Allerdings wird sie zweifelsohne eng mit den globalen wirt- schaftspolitischen Entwicklungen verbunden sein, wie wir im vorliegen- den Bericht detailliert ausführen. Die von uns beschriebenen Best-Case- und Worst-Case-Szenarien sind allesamt von den fünf Schlüsseltreibern untermauert, die wir im ersten gemeinsamen Bericht von Commerzbank und Oxford Analytica analysiert haben. Er wurde im März 2015 unter dem Titel „Einblicke: Die fünf Treiber für einen nachhaltigen Handel“ veröffent- licht. Bei diesen Treibern handelt es sich um: • Regulatorischen Wettbewerb und Protektionismus • Änderungen im weltweiten Nachfrageverhalten • Trends in den Lieferketten • Strategische Allianzen • Standards und Labels • Innovative Finanzwirtschaft • Die Rolle der Banken Darüber hinaus wird die weitere Entwicklung des nachhaltigen Handels in den kommenden 10 bis 15 Jahren von den Maßnahmen abhängen, die Unternehmen, Finanzinstitute, politische Entscheidungsträger, NGOs und Privatpersonen ergreifen. Der vorliegende Bericht verdeutlicht die mögli- chen positiven oder negativen Auswirkungen dieser Maßnahmen, und wir hoffen, dass er alle Anspruchsgruppen ermutigt, in einer Weise zu agie- ren, die den nachhaltigen Handel langfristig fördert. 8 Vorwort
Der Bericht enthält Beiträge ausgewählter Mitglieder unseres Experten- netzwerks. Die meisten von ihnen sind an führenden Universitäten in der ganzen Welt tätig, andere sind ehemalige Topmanager oder hochrangige Amtsträger im öffentlichen Sektor. Darüber hinaus haben wir Interviews mit fünf anerkannten Vordenkern auf dem Gebiet des nachhaltigen Han- dels geführt: Georg Kell (ausgeschiedener geschäftsführender Direktor des UN Global Compact), Prof. Dr. Michael Braungart (Gründer und wissenschaftlicher Vorstand der EPEA Internationale Umweltforschung GmbH, einem internationalen Institut für Umweltforschung und Bera- tung), Sabrina Borlini (Global Manager, Handels- und Rohstofffinanzie- rung, Financial Institution Group, International Finance Corporation), Prof. Simon Evenett (Akademischer Direktor des MBA-Programms und Professor für internationalen Handel und wirtschaftliche Entwicklung an der Universität St. Gallen), Dr. Valerie Wilms (Mitglied des Bundestages, Bündnis 90/Die Grünen). Für die Zeit, die sie uns im Rahmen der Inter- views zur Verfügung gestellt haben, und für die wertvollen Beiträge bedanken wir uns ausdrücklich. Wir freuen uns darauf, die Commerzbank auch weiterhin bei der Gestaltung der Debatte um die Zukunft des nachhaltigen Handels zu unterstützen. Graham Hutchings Chairman of the Board of Directors, Oxford Analytica Graham Hutchings Chairman of the Board of Directors, Oxford Analytica Vorwort 9
Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen
1. Einführung In unserem ersten Bericht „Einblicke: Die fünf Treiber für einen nachhaltigen Handel“ vom März 2015 haben wir fünf Schlüsseltreiber identifiziert und analysiert, die den nachhaltigen Handel in den nächsten 10 bis 15 Jahren prägen werden (vgl. Abbildung 1). Im vorliegenden zweiten Bericht unter- suchen wir die Perspektiven für einen nachhaltigen Handel anhand von zwei klar ausgeprägten Übersichtsszenarien mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf den Handel in den kommenden 10 bis 15 Jahren. Abbildung 1: die fünf Treiber für einen nachhaltigen Handel in den nächsten 10–15 Jahren r Ä che d Na im nde is n ch we run tor rb u us fra lt g la e m ge we en egu bew onis ve ite t R t kt i rh n e al W rote te P n 5 Fin olle d Treiber für anz ten R nachhaltigen Inn chaft u en rket wir er Ban s Handel ova in d Trend ts iefe tive nd die en L k Strategische Allianzen, Standards und Labels Best- und Worst-Case-Szenario der nächsten 10–15 Jahre Das Best-Case-Szenario basiert auf einer weiteren Öffnung und Entwick- lung der Weltwirtschaft sowie einem florierenden Welthandel. Daraus erwachsen deutliche Fortschritte für viele der 25 Ausprägungen der fünf Schlüsseltreiber, auf die wir im weiteren Verlauf dieses Kapitels – im drit- ten Teil – näher eingehen. Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen 11
Der nachhaltige Handel Das Worst-Case-Szenario fußt auf den Annahmen eines geringen Wachs- verändert sich rasant. Es tums der Weltwirtschaft und eines zunehmenden protektionistischen Ver- fehlt eine allgemein aner- haltens. Infolgedessen würden viele der möglichen Ausprägungen der kannte Definition für Schlüsseltreiber in ihrer Entwicklung stagnieren oder sich auf eine Art und einen nachhaltigen Han- Weise entfalten, die einen nachhaltigen Handel wenig bis überhaupt nicht del, und es herrscht ermöglicht. Unsicherheit über rele- vante Trends – zugleich Beide Zukunftsszenarien konzentrieren sich vornehmlich auf die Weltwirt- definieren zahlreiche schaft, den globalen Handel sowie die in diesem Kontext existierenden Unternehmen ihre Rolle in der Gesellschaft neu. Regulierungen. Potenzielle Trends und Entwicklungen in anderen wichti- gen und oftmals damit verbundenen Bereichen wie Geopolitik, gewalt- same Konflikte, Migration, Armut und Ungleichheit, Gesundheitswesen oder Klimawandel fließen nicht in die Szenarioanalysen ein. Die Meinungen im Hinblick auf die vielen Tendenzen und Strömungen rund um einen nachhaltig geprägten Handel stimmen heutzutage (leider) wenig überein und zeichnen sich durch Unklarheiten und Ungewissheit aus. Für diesen Bericht definieren wir einen nachhaltigen Handel daher wie folgt: Geschäftstätigkeiten und Aktivitäten des Kaufens und Verkaufens von Rohstoffen, Gütern und Dienstleistungen, die ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien dergestalt entsprechen, dass sie allen involvier- ten Akteuren zum Nutzen sind und eine globale nachhaltige Entwicklung unterstützen. Bei Betrachtungen eines nachhaltig ausgerichteten Handels gilt es zu berücksichtigen, dass dieser seit einiger Zeit deutlichen Veränderungen unterliegt, während die beteiligten Unternehmen eine neue Rolle in der Gesellschaft – oftmals im Zusammenwirken mit anderen Anspruchsgrup- pen – einnehmen. 12 Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen
„Unternehmen durch In einer aktuellen Studie, die wir gemeinsam mit leben aktuell einen der MIT Sloan Management Review und der Wandel ihrer Rolle – Boston Consulting Group2 durchgeführt haben, weg von reinen Pro- wurde deutlich, dass sich Kooperationen mit duktionsbetrieben hin Nachhaltigkeitsbezug in den letzten drei Jahren zu verantwortungs verdoppelt haben und dass ein Großteil der bewussten Akteuren Kooperationsinitiativen an die Branchenver- in der Gesellschaft, die bände herangetragen wurde. Diese Verbände Georg Kell, sich mit entscheiden- werden heute verstärkt als Drehscheibe für Part- Ausgeschiedener den Zukunftsthemen nerschaften angesehen, die ihre Mitglieder geschäftsführender wie Bildung oder dabei unterstützen, wesentliche nachhaltigkeits- Direktor UN Global Gesundheit auseinan- bezogene Themen zu managen. Compact dersetzen. Die große Frage ist, ob der politische Wille zur Während ausländische Direktinvestitionen (ADI)1 Öffnung der Märkte bestehen bleibt oder ob in früher vor allem getätigt wurden, um Zugang zu der fragmentierten Welt von heute Protektionis- billigen Ressourcen zu erhalten, werden sie mus und Selbstbezogenheit die Oberhand heutzutage vorwiegend zum Aufbau von neuen gewinnen werden. Falls die Antwort lautet, dass Märkten eingesetzt, nachdem sich das Wirt- wir wieder in eine protektionistische Welt schaftswachstum längst nach Osten und Süden zurückfallen, werden Überlegungen zu nachhal- verschoben hat. Unternehmen wollen langfristig tigem Handel und Kooperationen an Bedeutung existieren und gehen daher Kooperationen ein, verlieren. Sie werden nur noch als Zugabe, kaum um gemeinsame Wachstumsbarrieren zu über- aber als entscheidendes Kriterium gelten. In winden. einem Best-Case-Szenario hingegen wird es ein offenes Rennen an die Spitze geben, wo es im Im Bereich des nachhaltigen Handels und der Wettbewerb zunehmend auch auf eine nachhal- Nachhaltigkeit im weiteren Sinne entsteht eine tige Handelsleistung ankommt und gute Perfor- Vielzahl neuer Kooperationsformen. Immer mehr mance belohnt wird.” Unternehmen erkennen, dass sie in ihren Koope- rationsbemühungen weit über die klassischen Eins-zu-eins-Partnerschaftsmodelle hinausge- hen müssen, um anstehende Herausforderungen usländische Direktinvestitionen A und Wachstumsbarrieren zu bewältigen. Sie 1 (ADI) sind grenzüberschreitende benötigen strategische Allianzen über Branchen Investitionen, durch die der Investor wesentlichen Einfluss und Lieferketten hinweg, auch mit Wettbewer- und Kontrolle über die Geschäfts- tätigkeit des Unternehmens bern und Partnerorganisationen. Sogar Markt- gewinnt, in das er investiert. führer erkennen, dass sie die nötigen Wirkungen 2 „ Joining forces: Collaboration nicht im Alleingang erzielen können. In diesem and leadership for sustainability“, UN Global Compact, MIT Sloan Zusammenhang durchlaufen Branchenverbände Management Review und Boston eine kleine, stille Revolution. Consulting Group, 12. Januar 2015. http://sloanreview.mit. edu/projects/joining-forces/. Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen 13
2. Entwicklung der Szenarien Für die Szenario- Um die Szenarien konstruieren zu können, Ausgewählte Makrokräfte: „Globalisie- entwicklung wurden haben wir mehrere Workshops durchgeführt rung/Integration“ und „Innovation“ „Globalisierung/ und dabei in Brainstormings die wichtigsten Integration“ und Makrokräfte mit den größten Auswirkungen Folgende zwei Makrokräfte beinhalten viele „Innovation“ als auf die zwei unterschiedlichen Szenarien in den Aspekte unserer gesammelten Antworten auf die stärksten Makro kommenden 10 bis 15 Jahre bestimmt. Neben oben genannte Fragen. Die erste Makrokraft kräfte für einen den Makrokräften mit der größten Wirkung auf „Globalisierung/Integration“ steht für Fragen nachhaltigen Handel einen nachhaltigen Handel haben wir zudem wie: Werden die am Welthandel beteiligten Län- identifiziert. die mit hoher Ungewissheit verbundenen Kräfte, der sich für eine beschleunigte Globalisierung welche in dem genannten Zeitraum ein sehr entscheiden oder protektionistische Abschot- breites Spektrum an möglichen Entwicklungen tungsmaßnahmen ergreifen? Die zweite Makro- aufweisen, in die Betrachtungen einbezogen. kraft „Innovation“ spiegelt Fragen wider wie: Diskutiert wurden unter anderem folgende Werden Innovationen – vorwiegend im techno- Fragen: logischen, aber auch im politischen Bereich – einen starken Schub erfahren oder wird ein sol- • elche Trends oder Ungewissheiten W cher eher schwach bzw. stagnierend ausfallen? (politischer, wirtschaftlicher, gesellschaft Entlang der verschiedenen Kombinationen der licher, technologischer Art) beunruhigen beiden Makrokräfte „Globalisierung/Integration“ Sie am meisten, wenn Sie an einen nach und „Innovation“ ergeben sich unterschiedliche haltigen Handel im Jahr 2030 denken? Zukunftsperspektiven, die sich in unseren zwei • Welche machen Ihnen die größte Hoffnung? Szenarien widerspiegeln. • Was wäre der stärkste Hebel für die Entwicklung eines nachhaltigen Handels in den nächsten 10 bis 15 Jahren, egal wie unwahrscheinlich er erscheinen mag? • Welche Entwicklung könnte die größt mögliche Störung herbeiführen? • Wenn Sie eine beliebige Frage zu nach haltigem Handel in den nächsten 10 bis 15 Jahren stellen dürften, was würden Sie wissen wollen? 14 Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen
3. Ausprägungen der fünf Treiber Die nachfolgenden Tabellen 1 bis 5 verdeutlichen, wo wir heute mit jedem der fünf Treiber stehen und wo wir im besten Fall stehen könnten. Hierzu werden die Treiber in verschiedene Ausprägungen unterteilt und einzeln bewertet. Wesentliche Unterschiede zwischen OECD- und Nicht-OECD-Ländern sind eigens gekennzeichnet. Tabelle 1: aktueller Stand der Ausprägungen von Treiber 1 Stark Schwach Schwach Stark Wie förderlich für nachhaltigen Handel? Grad der Regulierung zu OECD Nicht-OECD nachhaltigem Handel Durchsetzung von Belangen OECD des nachhaltigen Handels durch Nicht-OECD Behörden Gesetzliche Anforderungen an OECD die Nachhaltigkeitsberichts Nicht-OECD erstattung und deren Umsetzung Bedeutung von Regierungs OECD stellen für die Förderung des Nicht-OECD nachhaltigen Handels Verfolgen nachhaltiger Ziele in OECD Nicht-OECD multi- und bilateralem Handel Treiber 1: regulatorischer Wettbewerb Die EU hat geeignete Systeme entwickelt, um Auf regulatorischer Ebene und Protektionismus Unternehmen – insbesondere kleine und mittel- treiben vor allem die neue ständische Unternehmen (KMU) – dabei zu EU-Richtlinie zur nicht Bestehende EU-Verordnungen zu Nachhaltig- unterstützen, die Richtlinien zu Nachhaltigkeit finanziellen Bericht keitsaspekten gelten oft als Best Practice und und Berichterstattung anhand von Best- erstattung sowie die werden teilweise von Regierungen aus anderen Practice-Beispielen kostengünstig zu erfüllen. OECD-Bestimmungen zur Teilen der Welt übernommen. Die EU (und allge- Gleichzeitig haben Studien belegt, dass Unter- Vergabe von Export meiner gesagt die meisten der OECD-Länder) nehmen, die sich in dieser Hinsicht engagieren, krediten den nachhalti- haben Nachhaltigkeitsziele auf multi-, bi- oder einen Innovationsschub erfahren können.3 gen Handel weltweit an. unilateraler Ebene in ihre Handelspolitik inte Zugleich geben bislang Initiativen seitens des griert. Trotz ihrer vielfältigen Initiativen fehlt in der EU privaten Sektors, NGOs bislang eine klare Vision für nachhaltigen Handel und anderer multilate Die neue EU-Richtlinie zur nicht finanziellen im eigentlichen Sinne.4 Die Regulierung durch raler Organisationen das Berichterstattung wird aller Voraussicht nach die EU (und allgemein durch die OECD) hat in Tempo vor. dazu beitragen, das Reporting zu unternehmeri- vielen Bereichen mit den Initiativen zu nachhalti- scher Nachhaltigkeit weiter zu etablieren und gem Handel kaum Schritt halten können, die der 3 „ Einsichten: Fünf Treiber für zu standardisieren. Zudem spielen die OECD- private Sektor, NGOs und andere multilaterale einen nachhaltigen Handel“, Commerzbank in Kooperation mit Bestimmungen zur Vergabe von Exportkrediten Organisationen ins Leben gerufen haben. Oxford Analytica, März 2015. eine wichtige Rolle für die weitere Förderung 4 http://ec.europa.eu/environ- des nachhaltigen Handels weltweit. ment/integration/trade_en.htm Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen 15
Tabelle 2: aktueller Stand der Ausprägungen von Treiber 2 Stark Schwach Schwach Stark Wie förderlich für nachhaltigen Handel? Nachfragedruck seitens der OECD Verbraucher nach nachhaltig Nicht-OECD gehandelten Produkten Weltweit Nachhaltiger Lebensstil Nachhaltigkeit in Weltweit Ballungszentren Kooperation zwischen Weltweit Verbrauchern/NGOs und privatem öffentlichem Sektor Einsatz neuer nachhaltiger Technologien und Verfahren, Weltweit z. B. Kreislaufwirtschaft und Cradle-to-Cradle Vor allem Verbraucher in Treiber 2: Änderungen im weltweiten Nachfrageverhalten OECD-Staaten treiben den nachhaltigen Handel Derzeit sind Verbraucher innerhalb der OECD-aktiver als jene in Nicht- an. Im Gegensatz dazu OECD-Ländern, wenn es darum geht, Initiativen zu nachhaltigem Handel geht es Konsumenten in voranzutreiben. Sie tun dies einerseits, indem sie Handelstätigkeiten Nicht-OECD-Staaten vor- beobachten und hinterfragen (zunehmend auch unter Nutzung von rangig um die Erfüllung Online-Medien und Social-Media-Kanälen) und andererseits durch die grundlegender Bedürf- nisse und um preiswerte bewusste Wahl von Produkten und Dienstleistungen. Das Bewusstsein Angebote. und die Betroffenheit der Bürger bezüglich nachhaltigem Handel ist in Nicht-OECD-Ländern allgemein geringer ausgeprägt. Dort legen Verbrau- cher mehr Wert auf die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse und den Kauf von preiswerten Produkten. 16 Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen
Tabelle 3: aktueller Stand der Ausprägungen von Treiber 3 Stark Schwach Schwach Stark Wie förderlich für nachhaltigen Handel? Resilienz von Lieferketten OECD ggü. Umwelt- Nicht-OECD und sozialen Problemen Kooperation in Lieferketten Weltweit (zw. Käufern und Lieferanten) Nachhaltiges Lieferketten- Weltweit management Unternehmensplanung Weltweit gleicht wirtschaftliche und nachhaltige Ziele ab Kooperation unter Weltweit Wettbewerbern Treiber 3: Trends in den Lieferketten Zahlreiche führende Unternehmen suchen einen Nachhaltige Lieferketten langfristigen strategischen Ansatz, um diese werden in Konzernen als Die meisten Konzerne weisen nachhaltigkeitsbe- Herausforderungen zu managen. Allerdings ent- wichtiges Thema erkannt zogene Risiken oder Schwächen in ihren welt- stehen im zunehmenden Wettbewerb auf dem und adressiert, sind oft weiten Lieferketten auf und zwar vorwiegend in globalen Markt Spannungen zwischen einer sol- jedoch noch ein weit ent- ferntes Ziel. Der Grund: folgenden Bereichen: chen strategisch-nachhaltigen Ausrichtung und Strategische Nachhaltig- dem kurzfristigen Fokus auf das unternehmeri- keit und kurzfristige • Menschenrechte sche Überleben und auf Gewinne. Diese Span- Gewinne stehen oft noch • Arbeitsbedingungen nungen sind oft noch ungelöst, und im Ergebnis im Widerspruch. • Korruption bleibt bis zur Nachhaltigkeit von Lieferketten • Umweltverschmutzung noch ein langer Weg. • Energieverschwendung und ineffizienter Ein- satz von Rohstoffen Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen 17
Tabelle 4: aktueller Stand der Ausprägungen von Treiber 4 Stark Schwach Schwach Stark Wie förderlich für nachhaltigen Handel? Partnerschaften zwischen Weltweit öffentlichem, privatem und/ oder Zivilgesellschaft Integration der Nachhaltig- OECD keitsberichterstattung und Nicht-OECD Einhaltung von Standards Funktionierendes Ratingsystem auf der Basis OECD Nicht-OECD anerkannter Nachhaltigkeits indikatoren Relevanz des Zertifizierungs Weltweit prozesses Anerkannte Labels, die Weltweit Vertrauen schaffen Offene Kooperationen Treiber 4: strategische Allianzen, Standards und Labels sind ein probates Mittel für Unternehmen, um Unternehmen pflegen auf vielen Ebenen offene Kooperationen mit NGOs, Ideen für einen nachhal Lieferanten und Verbrauchern, um Ideen zur Verbesserung der Nachhal- tigen Handel zu entwick- tigkeitsleistungen des Handels zu entwickeln. So gab es beispielsweise eln. Unternehmen 2013 über 110 nationale und internationale durch Unternehmen initiierte schmieden strategische Nachhaltigkeitspartnerschaften sowie mehrere hundert branchen- und Allianzen mit anderen Anspruchsgruppen. themenspezifische Zusammenschlüsse.5 Daneben erfordern jedoch die Herausforde Allerdings sind nur wenige Beispiele dokumentiert, in denen offene rungen durch zunehmend Kooperationen in den Funktionsbereichen Forschung und Entwicklung knappe Ressourcen künf (F&E) oder Marketing eingesetzt wurden. Vielfach antizipieren Unterneh- tig eine engere Koopera- men zwar die politische Regulierung zu Fragen des nachhaltigen Handels, tionen von Unternehmen indem sie sich im Zuge strategischer Allianzen mit anderen Anspruchs- und öffentlichem Sektor. gruppen faktisch selbst regulieren. Daneben sind jedoch Kooperationen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor dringend erforderlich, um Lösungen für die Herausforderungen durch zunehmend knappe Res- 5 David Grayson and Jane Nelson, sourcen wie Energie, Rohstoffe, Wasser, Nahrung und saubere Luft zu „Corporate responsibility coali- tions: the past, present and finden. future of alliances for sustainable capitalism“, Stanford University Press, 2013. 18 Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen
Tabelle 5: aktueller Stand der Ausprägungen von Treiber 5 Stark Schwach Wie förderlich für nachhaltigen Handel? Einbeziehung von Nach- Weltweit haltigkeitsaspekten in das operative Bankgeschäft Standardisierung von Weltweit freiwilligen Regelungen und Kennzahlen Innovative Finanzprodukte, Weltweit die nachhaltigen Handel fördern Kooperation zwischen Weltweit Banken und öffentlichen/ multilateralen Sektoren Förderung nachhaltiger Weltweit Investitionen Treiber 5: innovative Finanzwirtschaft einen tragen die Treiber dazu bei, jedes Szenario und die Rolle der Banken zu formen, und zugleich verändern sie sich im Zuge der Entwicklung der Szenarien. Schon heute fordert das Risikomanagement der meisten führenden Banken und Versicherungen, Im letzten Kapitel dieses Berichts leiten wir an- dass Unternehmen im Zuge ihrer Geschäftstä- hand der fünf Treiber einen realistischen Aus- tigkeit geeignete Strategien zum Management blick für den nachhaltigen Handel in den nächs- von Nachhaltigkeitsrisiken vorlegen. Entschei- ten 10 bis 15 Jahren ab, wobei wir uns auf dungen im Bankwesen basieren zwar vorwie- Aspekte aus beiden Szenarien stützen. gend auf wirtschaftlichen Überlegungen im Rahmen von Risiko- und Chanceneinschätzun- Dieses Kapitel liefert ebenfalls eine Reihe von gen, dennoch fließen Nachhaltigkeitsaspekte Handlungsempfehlungen für Entscheidungs zunehmend in diese Bewertungen ein. träger aus Politik, Unternehmen, dem Banken- sektor und der Zivilgesellschaft (NGOs und Ver- Wie die vorangegangenen Tabellen zeigen, hat braucher). Es wird deutlich, dass der nach- jeder der fünf Treiber einen gewissen Einfluss haltige Handel künftig mehr Aufmerksamkeit auf den nachhaltigen Handel. In den nachfol- und darüber hinaus mehr öffentliche Fördermit- genden Ausführungen zu den zwei Szenarien tel und private Investitionen erhalten sollte. werden wir immer wieder auf diese Treiber Dafür wollen wir mit diesem Bericht die nötige Bezug nehmen. Aufmerksamkeit schaffen. Auf diese Weise kann der Leser die Bedeutung des jeweiligen Treibers im konkreten Fall nach- vollziehen. Die Treiber und die Szenarien stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander: Zum Die fünf Treiber: Wo wir heute stehen 19
Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft
1. Einführung Im Best-Case-Szenario gehen wir von einem Aus der Perspektive des Wirtschaftswachstums Das Best-Case-Szenario robusten weltweiten Wirtschaftswachstum aus, betrachtet, steht das Best-Case-Szenario für die steht für die Rückkehr zu das eine ganze Reihe positiver Entwicklungen in Rückkehr zu den „Goldenen Wachstumsjahren“ den „Goldenen Wachs- Gang setzt: Die verfügbaren finanziellen Mittel von vor zehn Jahren, als die Globalisierung an tumsjahren“ von vor zehn Jahren. und der Wille zur Zusammenarbeit beleben die Fahrtwind aufnahm und der Lebensstandard in Auslandsgeschäfte, wodurch die Beschäftigung den Nicht-OECD-Ländern rasch anstieg. Die (und damit die soziale Eingliederung) sowie das jährlichen Wachstumsraten des weltweiten BIP Know-how der Arbeitskräfte zunehmen und lagen bei 4-5 %, wobei der Welthandel sogar mehr Gelder für Forschung und Entwicklung doppelt so hohe Wachstumsraten erzielte. Im (F&E) zur Verfügung stehen. Die Rückkehr zu Vergleich dazu liegt das heutige Wachstum bei hohen Wachstumsraten erfordert und befördert mageren 3 % pro Jahr (vgl. Abbildung 1). Etwa zugleich Innovationen auf unterschiedlichsten 50-60 % dieses BIP-Wachstums lässt sich mit Ebenen und regt Investitionen, so unter ande- großer Wahrscheinlichkeit auf technischen Fort- rem in Humankapital, an. Vor diesem Hinter- schritt zurückführen, der auf einer Kombination grund ziehen nachhaltige Entwicklung und aus qualifizierten Mitarbeitern und innovativen nachhaltiger Handel viele Befürworter auf ihre Verfahren und Produkten fußt. Seite und verankern sich fest. Abbildung 1: Wachstum von BIP und Handelsvolumen zwischen 2001 und 2007 (in %) 12 10 8 6 4 2 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 BIP Handelsvolumen Quelle: IWF Trotz der Ähnlichkeiten bei den hohen Expan ten. Unternehmen suchen nach engen Bezie- sionsraten der Weltwirtschaft gibt es einige hungen zu ihren Mitspielern und Kunden, und wichtige Unterschiede im neuen Szenario eines das nicht nur aus einem Interesse an niedrigeren „Goldenen Zeitalters“: Die heutige Weltbevölke- Kosten und höheren Verkäufen. In dieser Welt rung ist wohlhabender, aber auch informierter. von morgen sind die Treiber für unternehmeri- In den kommenden 10 bis 15 Jahren werden wir schen Erfolg eng mit den Treibern einer nach- eine Bevölkerung sehen, die besser ausgebildet haltigen Entwicklung und eines nachhaltigen ist und neben dem Wahlrecht über die Macht Handels verflochten, wodurch letzterer sich verfügt, unternehmerische Entscheidungen zu rasch entwickeln kann. beeinflussen und ihre eigene Zukunft zu gestal- Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft 21
Nicht-OECD-Länder holen Sofern die in unserem Szenario vorausgesagte Geld) infolge der Regulierung nachhaltigen Han- bezüglich nachhaltiger rasche Expansion von Wachstum und Handel dels zu überwinden. Eine solche Zusammenar- Handelspolitik deutlich eintritt, wird die Welt in 10 bis 15 Jahren noch beit, z. B. in Form von Public-Private-Partner auf, verglichen mit ihren globalisierter und integrierter sein als heute. ships, macht es möglich, dass sich wegweisende Pendants aus der OECD. Innovationen in den Bereichen Technologie, Technologien in Bereichen wie der Additiven Politik und Finanzen werden zu steigenden Fertigung (3D-Druck), Servicerobotik und Was- Lebensstandards und einer nachhaltigeren sertechnologie schnell durchsetzen. Auf den Weltwirtschaft beitragen. In diesem Best-Ca- Energiemärkten machen die EU, China und se-Szenario holen die Nicht-OECD-Länder im andere Länder beträchtliche Fortschritte bei der Vergleich zu ihren Pendants aus der OECD deut- Entwicklung funktionsfähiger Emissionshandels- lich bei der Förderung und Durchsetzung einer systeme, und gegen Ende unseres 10- bis nachhaltigen Handelspolitik auf. In dem Maße, 15-jährigen Betrachtungszeitraums steht die wie sich der Zugang zu und die Nutzung von Verabschiedung eines weltweit gültigen Markt- neuen Technologien und innovativen Produkten preises für CO2- Emissionen – die Grundlage beschleunigt, können weltweite Best Practices einer kohärenten globalen Energiepolitik – kurz einfacher und schneller übernommen werden: bevor. Neues Wissen zur Anwendung nachhaltiger Handelspraktiken und zum Erwerb nachhaltig Unterdessen sind Verbraucher weltweit nicht nur gefertigter und gehandelter Produkte und wohlhabender und einflussreicher als je zuvor Dienstleistungen breitet sich aus. Freihandels- geworden, sondern sie wirken im Vergleich zu abkommen auf sowohl bilateraler als auch regio- heute auch viel aktiver als gestaltende Kraft für naler Ebene entstehen. Die Mehrzahl der neuen Veränderungen. Der Verbraucherdruck auf Freihandelsabkommen umfasst detaillierte Vor- Regierungen und Unternehmen basiert auf schriften zur Nachhaltigkeit. einem höheren Informationsgrad und wirkt direkter als bisher. Er wird durch die Verbreitung Zunehmender Druck durch fortschreitende Glo- neuer Technologien gefördert und drückt sich balisierung, rasante Innovationsgeschwindigkeit zum Teil in Form von Investitions- und Desinves- und Bemühungen um nachhaltigen Handel ver- titionsentscheidungen aus. ändern das Wirtschaftsmodell. Die starke Eigen- dynamik von Kreislaufwirtschaft, Cradle-to- Im Laufe der kommenden 10 bis 15 Jahren wer- Cradle, Produkt-Service-Systemen und Sharing den alle fünf Treiber in diesem Szenario viel ein- Economy scheint unumkehrbar zu sein. Die EU flussreicher sein als heute. Die Makrokräfte von und andere führende OECD-Länder ergänzen Globalisierung/Integration und Innovation auf nationaler Ebene das BIP um neue Messgrö- haben dazu beigetragen, die Auswirkungen die- ßen, um zu einem ganzheitlicheren Verständnis ser Treiber auf ein höheres Niveau zu heben. In von Wohlstand zu gelangen. Auch Bürger den nachfolgenden Abschnitten skizzieren wir, bewerten Leistung zunehmend auf Grundlage wie sich das Best-Case-Szenario in den kom- dieser weiter gefassten Maßstäbe. menden 10 bis 15 Jahren ausgestalten wird, und analysieren dabei jene Entwicklungen, die die Regierungen und Firmen arbeiten zusammen, Rolle der fünf Treiber besonders hervorheben um die Hürde von Compliance-Kosten (Zeit und oder prägen. 22 Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft
2. Wirtschaft: Fortschritte in Richtung auf ein neues Modell 2.1. Einführung • ntwicklung von Standards und Richtlinien E Deutliche Fortschritte in für das öffentliche Beschaffungswesen, Hinblick auf ein neues, Im Best-Case-Szenario werden deutliche Fort- um den Markt für recycelte Rohmaterialien nachhaltiges Wirtschafts- schritte in Hinblick auf ein neues, nachhaltiges aufbauen zu helfen modell werden durch eine Wirtschaftsmodell erzielt. Das Modell sieht die • Einführung von Ökodesign für leichtere Kombination von Kombination von Kreislaufwirtschaft, Cradle-to- Wartung, Reparatur, Nachrüstung, Ansätzen wie Kreislauf- Cradle, Produkt-Service-Systemen und Sharing Wiederaufbereitung und Recycelbarkeit wirtschaft, Cradle-to- Cradle, Produkt-Ser- Economy vor. Diese Ansätze basieren im Ver- von Produkten vice-Systemen und Shar- gleich zum heutigen Produktionssystem auf • Aufbau von Wartungs- und Reparatur ing Economy erzielt. einer veränderten Denkweise und einem Kultur- dienstleistungen, um die Akzeptanz von wandel, sowohl aus der Sicht der Verbraucher Ökodesign-Produkten zu steigern als auch der Unternehmen. Die neuen Ansätze • Schaffung von Sammelsystemen, um sind grundsätzlich kooperativer und partizipati- Recyclingkosten zu senken und die Wieder- ver Natur. (Treiber 2: Änderungen im weltwei- verwendung von Produkten zu fördern ten Nachfrageverhalten) 2.2. Kreislaufwirtschaft und Cradle-to- Cradle Abbildung 2: die Kreislaufwirtschaft Das Konzept der Kreislaufwirtschaft zielt auf eine vollständige Abfallvermeidung und Reduk- tion des Rohstoffverbrauchs in der Produktion – Design / Ferti und zwar gemäß eines systematischen Ansatzes g un g und nicht durch schrittweise Effizienzgewinne (vgl. Abbildung 2). Zentrale Strategien der e ch Kreislaufwirtschaft sind: an br • Leichtbau (Reduktion der in Produkten ent- ling c haltenen Materialien) Recy • Erhöhung der Lebensdauer (Verlängerung H a nde l der Zeitspanne, in der ein Produkt seine Kreislauf- Funktion erfüllt) wirtschaft • Effizientere Energie- und Materialnutzung bei Herstellung und Verwendung von Wie at ur/ Rep Produkten de ar • Reduktion von gefährlichen und schwer r ve R e c rw y recycelbaren Stoffen bei Design und en er n un cl tu Fertigung in g m m g Ko lt e/ Verbraucher/Hau s ha Quelle: www.waste-management-world.com Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft 23
Die Niederlande sind Auf dem Jahrestreffen des Weltwirtschaftsfo- Dies impliziert, dass Recycling, Upcycling (Prin- ein früher Anwender rums (World Economic Forum – WEF) 2014 in zip der stofflichen Aufwertung) sowie die Wie- des Cradle-to-Cradle- Davos wurde das sogenannte Mainstream-Pro- derverwendung (durchweg ohne Qualitätsver- Ansatzes. jekt ins Leben gerufen. Erklärtes Ziel ist es, in luste) zum Einsatz kommen, ebenso wie die den kommenden 20 Jahren ein geschlossenes Kompostierung oder der Verbrauch aller einge- Kreislaufsystem für Verpackungen über zahlrei- setzten und ausgestoßenen Materialien.8 Dies che Branchen hinweg zu schaffen. Die Unter- erfordert, dass die gesamte Liefer- und Distribu- nehmensberatung McKinsey, die das Projekt in tionskette aufeinander abgestimmt ist. Hun- Partnerschaft mit dem WEF vorantreibt, schätzt, derte von Unternehmen orientieren sich in ihrer dass bis zum Jahr 2025 Materialeinsparungen im Produktentwicklung bereits an Cradle-to-Crad- Wert von einer Billion US-Dollar und 100 Millio- le-Ansätzen, und einige Ländern treiben eine auf nen Tonnen vermiedener Abfall pro Jahr mög- diesem Modell basierende Politik voran. lich sind.6 (Treiber 3: Trends in den Lieferketten) Die Europäische Kommission hat am 28. Mai In den Niederlanden wurde der Cradle-to-Crad- 2015 ein ehrgeiziges Kreislaufwirtschaftspaket le-Ansatz bereits frühzeitig angewendet. So hat zur Steigerung der Ressourceneffizienz in die die Stadt Venlo beispielsweise als erste Kom- öffentliche Konsultation gegeben. Die Ergeb- mune der Welt die Prinzipien von Cradle-to- nisse wurden zeitgleich zur 21. UN-Klimakonfe- Cradle in großem Maßstab umgesetzt. Die Stadt renz in Paris im Dezember 2015 veröffentlicht.7 verfügt über ein eigenes Trainingszentrum zur Dieser neue Vorstoß geht weit über die Vor- Zertifizierung von Produkten, die nach Crad- schläge der Kommission von Juli 2014 hinaus. le-to-Cradle-Prinzipien gefertigt wurden, und Während jene fast ausschließlich die Reduktion hat mit dem C2C ExpoLAB9 eine Beratungs- von Abfall im Blick hatten, bezieht der neue Vor- stelle zu Cradle-to-Cradle eingerichtet. Darüber schlag die gesamte Wertschöpfungskette ein- hinaus wurden mehrere Initiativen ins Leben schließlich Beschaffung, Design und Fertigung gerufen, um das Cradle-to-Cradle-Konzept zu mit ein, inklusive geänderter Standards für das testen, z. B. für Gebäudedesign und Schulungs- öffentliche Beschaffungswesen. Der Vorschlag aktivitäten zur Kreislaufwirtschaft. Ebenfalls in der Kommission stellt die bislang bedeutendste den Niederlanden haben Delta Development, Bestätigung des Kreislaufwirtschaftskonzepts der Schiphol Trade Park und die Ellen MacArthur durch öffentliche Institutionen dar. (Treiber 1: Foundation kürzlich „The Valley“ eröffnet, ein regulatorischer Wettbewerb und Protektio Innovationsareal am Flughafen Amsterdam zur nismus) Verbreitung der Kreislaufwirtschaft: Hier werden Design und Prozesse gemäß Cradle-to-Cradle In der optimalen Ausprägung umfasst die Kreis- der Öffentlichkeit präsentiert.10 laufwirtschaft eine Fertigung nach dem Crad- le-to-Cradle-Ansatz, d.h. eine effiziente und im 6 www.weforum.org/reports/ Wesentlichen abfallfreie Produktentwicklung, project-mainstream-global- collaboration-accelerate-transi- bei der alle eingesetzten Materialien in einem tion-towards-circular-economy giftfreien geschlossen Kreislauf wiederverwertet 7 www.ec.europa.eu/smart- werden können. regulation/impact/planned_ia/ docs/2015_env_065_env+_ 032_circular_economy_en.pdf 8 www.sustainabilitydictionary. com/cradle-to-cradle 9 www.c2cexpolab.eu/en 10 www.schipholtradepark.com/ sub 24 Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft
„Der Cradle-to-Cradle-Ansatz fußt auf der Erkenntnis, dass die Art und Weise, wie wir heute unsere Gesellschaft organisieren und natürliche Res- sourcen verbrauchen, nicht nachhaltig ist. Gegenwärtig zielen die Nach- haltigkeitsbemühungen eher auf die Minimierung von Schäden als auf ein aktives Vorgehen zur Lösung ökologischer und sozialer Probleme. Mittlerweile gibt es über 7.000 Cradle-to-Cradle-Produkte am Markt, die meisten davon in OECD-Ländern. Cradle-to-Cradle verkörpert ein neues Modell, und es braucht Zeit, bis es zum dominanten Produktionsmodell werden wird. Allerdings vollzieht sich seine Marktdurchdringung mit einer viel höheren Geschwindigkeit, als es beispielsweise bei der Einführung neuer Technologien wie bei Internet oder bei Mobilfunk der Fall war. Innerhalb der OECD liegt die größte Herausforderung für den Cradle-to- Prof. Dr. Michael Braungart Cradle-Ansatz in der Geschwindigkeit, mit der die Industrieproduktion Gründer und wissenschaftlicher sich in Ländern außerhalb der OECD bewegt. Beispielsweise ist die Vorstand von EPEA (Leder)-Gerbereibranche in der OECD in den letzten Jahren bedeutend Internationale Umweltforschung nachhaltiger geworden, zugleich hat sich die Branche jedoch verstärkt in GmbH, einem internationalen Nicht-OECD-Länder verlagert. Mit anderen Worten: Der entwicklungsfä- Umweltforschungs- und Beratungs- hige Markt für Cradle-to-Cradle innerhalb der OECD schrumpft – vielleicht institut mit Sitz in Hamburg. sogar schneller, als der Ansatz eingeführt werden kann. Die Entwicklung Braungart ist Mitbegründer und des Cradle-to-Cradle-Ansatzes vollzieht sich also in einem Rennen gegen wissenschaftlicher Leiter der Firma die Zeit. McDonough Braungart Design Chemistry (MBDC) in Charlottes- Eine zunehmende Anzahl von Ländern, wie Taiwan und die Niederlande, ville, Virginia (USA), Mitbegründer streben danach, ihre Produktionssysteme in Richtung Cradle-to-Cradle und wissenschaftlicher Leiter des neu auszurichten. Das bislang erfolgreichste Land bei der Anwendung von Hamburger Umweltinstituts e. V. Cradle-to-Cradle ist Japan. Das ist darauf zurückzuführen, dass Cradle-to- (HUI) sowie Leiter von Braungart Cradle in Japan als ein Aspekt des Total Quality Managements etabliert Consulting in Hamburg. Er ist Pro- ist11. Im Unterschied hierzu ist Cradle-to-Cradle in Europa und den Verei- fessor für Verfahrenstechnik an der nigten Staaten vorwiegend Gegenstand ethischer oder ökologischer Leuphana Universität Lüneburg Betrachtungen. In Zeiten hohen wirtschaftlichen Drucks ist eher anzuneh- und hat dort den Lehrstuhl für men, dass Qualitätserwägungen relevant bleiben, während ethische oder Cradle-to-Cradle® & Öko-Effektivi- ökologische Anliegen ins Hintertreffen geraten könnten.” tät inne. 11 T otal Quality Management ist ein Managementansatz mit dem Fokus auf kontinuierlicher Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen über die gesamte Organisation hinweg. Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft 25
Neue technologische Neue technologische Durchbrüche werden der zierter Cradle-to-Cradle-Produkte. Sie stellten Durchbrüche ebnen Verbreitung des Cradle-to-Cradle-Ansatzes aller fest, dass die Gesamtumsätze des Unterneh- der Verbreitung des Wahrscheinlichkeit nach in den kommenden mens im ersten Jahr nach der Zertifizierung Cradle-to-Cradle-Ansatz- Jahren den Weg ebnen. Einen enormen Auftrieb 6 Prozent und die Absätze mit den zertifizierten es den Weg – die umfas- könnte das Prinzip beispielsweise durch die Produkten 21 Prozent über dem Branchen- sende gesellschaftliche Wiederverwertung von CO2 für die Produktion durchschnitt lagen.16 (Treiber 4: strategische Akzeptanz und Anwen von synthetischem Benzin und Diesel erfahren. Allianzen, Standards und Labels) dung wird jedoch mehr Das deutsche Unternehmen Sunfire ist einer der als 10 bis 15 Jahre in führenden Anbieter in diesem Bereich und leis- Selbst in einem Best-Case-Szenario wird die Anspruch nehmen. tet Pionierarbeit, die von der Bundesregierung umfassende gesellschaftliche Integration des sowie Konzernen wie Total, EDF und Bilfinger Cradle-to-Cradle-Ansatzes noch mehr als 10 bis gefördert wird.12 Weitere Forschungsansätze 15 Jahre in Anspruch nehmen, da er neue Denk- zur Wiederverwertung von CO2 zielen beispiels- weisen bei allen Akteuren der Liefer- und Distri- weise auf den Einsatz von CO2 in der Produktion butionskette erfordert. Zudem müssen diverse von Kohlenstofffasern ab.13 Hindernisse schrittweise überwunden werden, wie etwa die Frage einer angemessenen Roh- Inzwischen entstehen neue Unternehmen, die materialbeschaffung. Technologische Durch Nischen bei der Transformation von Produkten brüche wie die Wiederverwertung von CO2 (vgl. oder Branchen gemäß dem Cradle-to-Cradle- Abschnitt 2.2) oder die jüngst von dem japani- Ansatz besetzen. Ein Beispiel dafür ist das deut- schen Startup Power Japan Plus entwickelte sche Unternehmen Teqport, das vorwiegend Kohlenstoff-Batterie, die keine seltenen Metalle, Anbieter aus der Informations- und Kommunika- seltenen Erden und Schwermetalle enthält und tionstechnologie zu Recycling und Wiederver- zu 100 Prozent recycelbar ist, legen im Best-Ca- marktung ihrer Produkte berät.14 (Treiber 3: se-Szenario ein wichtiges Fundament für die Trends in den Lieferketten) Vermarktung abfallfreier Produkte. (Treiber 3: Trends in den Lieferketten) 12 www.sunfire.de Das Cradle to Cradle Products Innovation Insti- tute – eine gemeinnützige Organisation, die den Staatliche Programme zur Etablierung einer 13 in Forschungsteam an der E George Washington Universität Produktstandard „Cradle to Cradle Certified™“ Kreislaufproduktion nehmen an Fahrt auf und unter der Leitung von Professor Stuart Licht leistet Pionierarbeit verwaltet15 – hat einen unabhängigen Standard stoßen in immer mehr Unternehmen Verände- auf diesem Gebiet: http://home. zur externen Zertifizierung von Produkten ent- rungen an. Beispielsweise sieht das LIFE+-Pro- gwu.edu/~slicht/. wickelt. Die Zertifizierung fußt auf fünf Quali- gramm der EU eine zunehmende Unterstützung 14 www.teqport.com tätskategorien: von Projekten vor, die dem neuen Vorschlag der 15 www.c2ccertified.org Europäischen Kommission zur Förderung der 16 „ Impacts of the cradle to cradle 1. Materialzustand Kreislaufwirtschaft entsprechen (vgl. Abschnitt certified products program“, Cradle to Cradle Products Inno- 2. Wiederverwendung von Materialien 2.2). Durch die Mitfinanzierung von Projekten vation Institute and Trucost Plc, 3. Management von erneuerbaren Energien soll das LIFE+-Programm die Umsetzung, Aktu- 2014. Technical report: http://s3.amazonaws.com/ und CO2 alisierung und Weiterentwicklung der EU- c2c-website/resources/impact_ study_technical_report.pdf. 4. Verantwortungsvoller Umgang mit Wasser Umwelt- und Klimapolitik sowie entsprechender 17 IFE wurde 1992 ins Leben L 5. Soziale Gerechtigkeit Rechtsvorschriften vorantreiben.17 Insgesamt gerufen; seither konnten vier wird sich die Kreislaufwirtschaft dank der Programmphasen erfolgreich abgeschlossen werden (LIFE I: In einer Studie von 2014 untersuchte das Institut EU-Verordnungen im Lauf der kommenden 10 1992–1995, LIFE II: 1996–1999, LIFE III: 2000–2006 and LIFE+: gemeinsam mit Trucost, einer internationalen bis 15 Jahre verfestigen. (Treiber 1: regulatori- 2007–2013). In dieser Zeit wur Nachhaltigkeitsberatung, eine Auswahl zertifi- scher Wettbewerb und Protektionismus) den im Rahmen von LIFE über 4.000 Projekte mitfinanziert, dabei wurden Finanzmittel im Gesamtwert von 3,4 Milliarden Euro bereitgestellt. http://ec. europa.eu/environment/life/ about/index.htm. 26 Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft
2.3. Produkt-Service-Systeme und In Bereichen wie der Nutzung von Fahrzeugen, Neue Geschäftsmodelle Sharing Economy Geräten oder Wohnraum, Lieferservice-Ange auf Grundlage von Pro- boten und Home-Shopping sowie bei Peer-to- dukt-Service-Systemen Produkt-Service-Systeme (auch Functional Peer-basierten Finanzdienstleistungen (P2P) und der Sharing Economy stehen für die Überwin Service Economy oder Performance Economy und Personal-Dienstleistungen haben internet- dung traditioneller Eigen- genannt) basieren auf dem Verkauf der zeit basierte Unternehmen der Sharing Economy tumsverhältnisse und lichen Nutzung von Produkten anstatt auf der eine beträchtliche Marktpräsenz etabliert. Konsumeinstellungen. Veräußerung der Produkte selbst. Das Modell Zudem konnten Firmen wie Uber, Airbnb, Task steht für die Überwindung traditioneller Eigen- Rabbit, Funding Circle und WeWork beacht tumsverhältnisse und Konsumeinstellungen und liches Kapital einsammeln, um ihre Dienste zielt auf die Entkopplung des Abfallaufkommens bereitzustellen. Die Verfechter der Sharing Eco- vom wachsenden Konsum. Zu solchen Service- nomy betonen, dass Unternehmen erst durch leistungen gehören Carsharing, die Vermietung die Nutzung der Netzwerkeffekte im Internet von Geräten und Produkten, Wartungsleistun- ihren Kunden derart flexible Dienstleistungen gen, Nachrüstungen und Trainings. Unterneh- anbieten können. Allerdings nehmen einige men konkurrieren um die beste Serviceleistung, europäische Länder, unter anderem Deutsch- anstatt sich auf die reine Absatzsteigerung von land, bisher noch eine abweisende Haltung Produkten zu konzentrieren. Demzufolge steigt gegenüber manchen dieser Anbieter ein. die Profitabilität der Unternehmen mit zuneh- mender Benutzerfreundlichkeit der Produkte. Dies wird sich voraussichtlich im Laufe der kom- (Treiber 2: Änderungen im weltweiten Nach menden 10 bis 15 Jahre ändern. Die deregulie- frageverhalten) renden Auswirkungen der Sharing Economy ste- hen im Einklang mit den verbraucherorientierten Das Konzept der Sharing Economy funktioniert Zielsetzungen der EU auf dem europäischen ähnlich wie das der Produkt-Service-Systeme, Binnenmarkt. Erste Anzeichen eines Wohlwol- es ist in seiner aktuellen Form jedoch vorwie- lens der Europäischen Kommission gegenüber gend auf die Vermietung von Gütern ausgerich- dem Modell der Sharing Economy sind bereits tet. Die Vermarktung erfolgt meist über hoch erkennbar. (Treiber 1: regulatorischer Wett entwickelte digitale Plattformen. In der EU und bewerb und Protektionismus) den Vereinigten Staaten sind Unternehmen der Sharing Economy aufgrund des deutlichen Kun- dennutzens und der wirtschaftlichen Vorteile ihrer Dienstleistungen im Aufwind. Die gemeinsame Nutzung von Produkten Die internetbasierte Sharing Economy ist in OECD-Märkten In einer weltweiten Befragung der Nielsen Marktforschung bereits weit verbreitet. Unternehmen wie Erento aus signalisierten im Jahr 2014 68 Prozent der Teilnehmer die Deutschland, Zilok aus Belgien und Hire Things aus Neusee- Bereitschaft, ihre persönlichen Gegenstände (z. B. elektroni- land bieten ihren Mitgliedern eine Online-Plattform, auf der sche Geräte, Elektrowerkzeuge, Fahrräder, Bekleidung und diese ihre persönlichen Besitzgegenstände an andere ver Sportausrüstung) mit anderen zu teilen oder zu vermieten. mieten können und dabei nicht nur Gewinne erzielen, son- Befragte aus dem asiatisch-pazifischen Raum zeigten eine dern auch negative Umweltauswirkungen reduzieren. 18 www.nielsen.com/lb/en/press- tendenziell höhere Bereitschaft, Gegenstände von anderen room/2014/global- consum- zu mieten.18 ers-embrace-the- share-economy. html Szenario 1: eine weltweit nachhaltige Zukunft 27
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