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Elisabeth NEUHOLD-HAAS Kritische Analyse eines zufolge COVID-19 ausgelösten Ände- rungserfordernisses der rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Home-Office in Österreich Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Business Administration in Human Resource Management im Rahmen des Universitätslehrganges Human Resource Management ao.Univ.-Prof. RA Dr. Michael Friedrich Karl-Franzens-Universität Graz und UNI for LIFE Weiterbildungs GmbH Graz, September 2021
Abstract (in Deutsch und Englisch) Die gegenständliche Arbeit analysiert etwaige durch COVID-19 ausgelöste Änderungs- bzw. Ergänzungserfordernisse der rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf Home-Office in Österreich. Die COVID-19 Pandemie hat jeden Einzelnen von uns vor neue Herausforderun- gen gestellt und auch im Arbeitsumfeld haben sich hierdurch plötzlich über Nacht zahlreiche Veränderungen ergeben. Eine überwiegende Anzahl an DienstnehmerInnen hat (zumindest vorübergehend) Arbeitsleistungen im Home-Office erbracht. Zuvor war die Leistungserbrin- gung im Home-Office nur vereinzelt bzw. nur in einzelnen Branchen vermehrt anzutreffen. Die in Österreich vorherrschende Präsenzkultur wurde durch die COVID-19 Pandemie von einem Tag auf den anderen relativiert und hat ein Umdenken auf beiden Seiten (Dienstnehme- rInnen und DienstgeberInnen) stattgefunden. Das Arbeiten im Home-Office wurde daher auch in rechtlicher Hinsicht auf den Prüfstand gestellt und einige vermeintliche offenen Flanken, die einer expliziten Regelung zugeführt werden sollten, offenbart. Ich unternehme in dieser Arbeit den Versuch, alle zur Thematik „Home-Office“ wesentlichen und im Zuge der CO- VID-19 Pandemie gesellschaftspolitisch erläuterten Bereiche auf Basis der Rechtslage vor Verlautbarung des Home-Office-Maßnahmenpakets 2021 zu beleuchten und etwaigen Ände- rungs- bzw. Ergänzungsbedarf aufzuzeigen. In der Folge blicke ich über die Ländergrenzen hinweg nach Deutschland und in die Niederlande. Abschließend erfolgt sodann eine kritische Auseinandersetzung mit den zwischenzeitlich verlautbarten und seit 1.4.2021 geltenden Rege- lungen des Home-Office-Maßnahmenpakets 2021. This paper analyzes the need for changes and additions to the legal framework regarding home-office in Austria that may have been triggered by COVID-19. The COVID-19 pan- demic has presented every one of us with new challenges, and it has also brought about nu- merous changes in the work environment overnight. An outstanding number of employees have (at least temporarily) performed work services in the home-office. Previously, the provi- sion of services in the home-office was only to be found in sporadic cases and only increas- ingly in individual branches of industry. The COVID-19 pandemic brought the prevailing presence culture in Austria into perspective from one day to the next and led to a change in thinking on both sides (employees and employers). Working in a home-office was therefore also put to the test from a legal point of view and revealed some supposed open flanks that should be explicitly regulated. In this paper, I will attempt to shed light on all areas that are essential to the topic of "home-office" and that have been explained in socio-political terms in II
the course of the COVID-19 pandemic, based on the legal situation prior to the announcement of the Home-Office-Maßnahmenpaket 2021, and to identify any need for changes or addi- tions. I then look across national borders to Germany and the Netherlands. Finally, I will criti- cally examine the regulations of the Home-Office-Maßnahmenpaket 2021 that have been an- nounced in the meantime and have been in force since 1th of April 2021. III
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis .............................................................................................................. IV 1 Einleitung ...................................................................................................................... 1 2 Definition „Home-Office“ ............................................................................................ 3 3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 ....................................................................................................................................... 8 3.1 Home-Office-Vereinbarung .................................................................................. 8 3.1.1 Erfordernis der einvernehmlichen Festlegung .......................................... 8 3.1.2 Verpflichtung zur Leistungserbringung im Home-Office......................... 9 3.1.3 Berechtigung zur Leistungserbringung im Home-Office........................ 14 3.1.4 Inhalt der Home-Office-Vereinbarung .................................................... 16 3.1.4.1 Wesentliche Vereinbarungsbestandteile ................................. 16 3.1.4.2 Zeitpunkt des Abschlusses ...................................................... 18 3.1.4.3 Zeitliche Rahmenbedingungen................................................ 18 3.1.4.4 Kollektivvertrag ...................................................................... 21 3.1.4.5 Betriebsvereinbarung .............................................................. 21 3.1.4.6 Freie Betriebsvereinbarung ..................................................... 23 3.2 Arbeitszeit ........................................................................................................... 23 3.2.1 Arbeitszeit im Home-Office .................................................................... 23 3.2.2 Aufzeichnungspflichten .......................................................................... 26 3.3 Arbeitnehmerschutz ............................................................................................ 30 3.3.1 Home-Office als Arbeitsstätte iSd. ASchG? ........................................... 30 3.3.2 Kontrolle durch den/die DienstgeberIn bzw. das Arbeitsinspektorat ..... 34 3.4 Haftungsfragen .................................................................................................... 35 3.4.1 Anwendbarkeit des DHG ........................................................................ 35 3.4.2 Risikohaftung per analogiam bei BYOD ................................................ 35 3.5 Betriebsmittel ...................................................................................................... 40 3.5.1 „Bring Your Own Device” (BYOD) ....................................................... 40 3.5.1.1 Aufwand- und Schadenersatz bei BYOD ............................... 40 3.5.1.2 Datensicherheit und Betriebsgeheimnisschutz bei BYOD ..... 41 3.5.2 Privatnutzung der arbeitgeberfinanzierten Home-Office-Ausstattung ... 42 3.6 Datenschutz und Geheimhaltung ........................................................................ 45 IV
3.7 Kontrollmaßnahmen und Privatsphäre ............................................................... 47 3.8 Sozialversicherungsrechtliche Aspekte............................................................... 48 3.8.1 Arbeitsunfall im Home-Office prä COVID-19 ....................................... 48 3.8.2 Arbeitsunfall im Home-Office während COVID-19 .............................. 51 3.8.3 Arbeitsunfall im Home-Office nach dem 31.3.2021 ............................... 52 4 Blick über die Ländergrenzen ................................................................................... 53 4.1 Deutschland ......................................................................................................... 53 4.2 Niederlande ......................................................................................................... 56 5 Kritische Auseinandersetzung mit dem Home-Office-Maßnahmenpaket 2021 ... 57 5.1 Definition von Home-Office ............................................................................... 57 5.2 Freiwilligkeit und Vereinbarung ......................................................................... 59 5.3 Betriebsvereinbarung .......................................................................................... 60 5.4 Bereitstellung digitaler Arbeitsmittel .................................................................. 61 5.5 Arbeitszeit und Arbeitsruhe ................................................................................ 62 5.6 Haftung ............................................................................................................... 63 5.7 Arbeitnehmerschutz ............................................................................................ 63 5.8 Unfallversicherungsschutz .................................................................................. 64 5.9 Beendigung von Home-Office ............................................................................ 64 6 Conclusio ..................................................................................................................... 66 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 67 V
1 Einleitung 1 Einleitung Die Digitalisierung und die Verwendung neuer Technologien prägten und beein- flussten bereits in den vergangenen Jahren mitunter auch die Arbeitswelt. Mobile Endgeräte wie etwa Laptops, Tablets oder Smartphones haben nicht nur Einfluss auf die grundsätzliche Erreichbarkeit der DienstnehmerInnen, sondern ermöglichen auch eine ortsunabhängige Erbringung der Arbeitsleistung. Insbesondere in größe- ren Unternehmen wurde in den letzten Jahren auch auf offene Büroräumlichkeiten und eine Open-Desk-Policy gesetzt.1 Eine tiefgreifende und nachhaltige Veränderung wird jedoch auch die Zeit nach einer Phase unseres Lebens mit sich bringen, die wir bis dato so noch nicht erlebt haben. Die weitreichenden Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie, die nicht nur den Arbeitsalltag, sondern unser gesamtes Leben, und dies nicht nur in Österreich, sondern in der ganzen Welt von einem Tag auf den anderen weitge- hend verändert haben, haben die Thematik Home-Office in den Fokus der Politik und der Gesellschaft gerückt. Kaum jemanden hat in den vergangenen Monaten das Thema Home-Office nicht unmittelbar oder aber mittelbar berührt. Die österreichische Regierung hat in zahlreichen Pressekonferenzen, Presseaussen- dungen und Statements die Arbeit in den eigenen vier Wänden als in der gegenwär- tigen Situation besonders wünschenswert proklamiert. Doch weder aus dem Epide- miegesetz, noch aus dem COVID-19-Maßnahmengesetz lässt sich eine ver- pflichtende Erbringung unselbständiger Arbeit in der Wohnung oder im Woh- nungsverband unmittelbar ableiten. Auf Regierungsebene zeigte man eine verhal- tende Vorgehensweise, soweit es um die Einräumung eines unmittelbaren Vorrangs der Verrichtung von Tele(heim)arbeit ging, wohl auch, weil man vermeinte, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in Bezug auf diese Thematik noch zu wenig ausgereift wären. Der rechtliche Rahmen in Bezug auf die Thematik Home Office bietet sowohl dienstnehmer- als auch dienstgeberseitig durchaus in Teilbereichen 1 vgl. Bartmann/Ondrejka, Home-Office in Zeiten von COVID-19, ZAS 2020/27, 163 1
1 Einleitung offene Flanken. So wurden doch einige arbeits- und sozialrechtliche Aspekte bis- lang nicht ausreichend beleuchtet. Für viele DienstgeberInnen war es bis zum Auftreten des COVID-19-Virus und den damit einhergehenden Einschränkungen undenkbar, dass ihre DienstnehmerInnen ihre Tätigkeiten im Home-Office verrichten. Die Möglichkeit der Verrichtung der unselbstständigen Arbeit im Home-Office ist in Österreich stets an eine einver- nehmliche Regelung mit dem/der DienstgeberIn geknüpft. Erstmalig sahen sich DienstgeberInnen aber auch mit der Fragestellung konfron- tiert, ob dienstgeberseitig Home-Office verpflichtend angeordnet werden kann. In Österreich herrscht nach wie vor eine Präsenzkultur, die mitunter durch die gelten- den rechtlichen Grundlagen noch zusätzlich gefördert wird. Ein weiterer Aspekt, der bislang in der Diskussion rund um die Thematik Home- Office gar nicht bzw. jedenfalls unzureichend Berücksichtigung gefunden hat, sind die positiven Auswirkungen gesamtgesellschaftlicher Natur wie etwa weniger Ver- kehr, Stärkung des ländlichen Raumes, Reduktion der Krankenstände in Zeiten er- höhter Ansteckungsgefahr bzw. Möglichkeit, sich um nahe Angehörige (minder- jährige Kinder, Pflegebedürftige) zu kümmern. Ebenso könnten durch eine Forcie- rung von Home-Office (hoch qualifizierte) MitarbeiteInnen rekrutiert werden, die bei dauerhafter Präsenz aufgrund der zurückzulegenden Wegstrecken zum Dienst- ort ein Beschäftigungsverhältnis nicht aufnehmen würden. Die gegenständliche Arbeit untersucht daher die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Thematik Home-Office vor Veröffentlichung des Home-Office-Maßnahmen- pakets 2021 (arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Teil) und wird sodann das zwischenzeitlich veröffentlichte Home-Office-Maßnahmenpakets 2021 auf Basis der zuvor erfolgten Evaluierung einer kritischen Beleuchtung unterziehen. Die Gesetzeslage bzw. Literatur und Judikatur vor dem Home-Office-Maßnahmen- pakets 2021, das zu Beginn der COVID-19-Pandemie auf den Prüfstand gestellt wurde, wird nachfolgend ausführlich beleuchtet. 2
2 Definition „Home-Office“ 2 Definition „Home-Office“ Eine gesetzliche Definition des Begriffs „Home-Office“ existiert vor dem Home- Office-Maßnahmenpaket 2021 im Arbeits- und Sozialrecht nicht. Es bedarf daher der Auslegung einzelner rechtlicher Bestimmungen bzw. Judikatur, um in ihrer Ge- samtheit sodann eine Definition des Begriffs „Home-Office“ zu finden, der der ge- genständlichen Arbeit zugrunde gelegt wird. Wesentlich dabei ist der Erfüllungsort, sohin jener Ort, an dem die Arbeitsleistung zu erbringen ist.2 DienstnehmerInnen haben ihre Arbeitsleistung üblicherweise in der Betriebsstätte ihrer/ihres DienstgeberIn zu erbringen.3 Der Arbeitsort ergibt sich somit zumeist konkludent aus dem Standort des Betriebes.4 Der Arbeitsort einer/eines DienstnehmerIn ist im Sinne der ständigen Rechtspre- chung der regelmäßige Mittelpunkt ihres/seines tatsächlichen Tätigwerdens, der mit dem Betriebsort bzw. der Zentrale des Unternehmens, bei dem die/der Dienst- nehmerIn beschäftigt ist, aber nicht zwingend zusammenfallen muss.5 Bei Monteuren, Bauarbeitern, Reisenden und insbesondere Kraftfahrern werden an- gesichts der Natur und des Zwecks der Arbeitsleistung auch wechselnde Standorte innerhalb eines bestimmten räumlichen Gebietes als Arbeitsorte gelten.6 Die Recht- sprechung sieht den Begriff des "Dienstortes" nicht eng, das heißt auf ein Betriebs- gebäude beschränkt. Der durch den Arbeitsvertrag definierte "Arbeitsort" kann auch ein größerer Bereich sein.7 Der Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag im Sinne des § 1151 ABGB ist vor allem durch die persönliche Abhängigkeit der DienstnehmerInnen, also durch deren Un- terworfenheit unter die funktionelle Autorität der/des DienstgeberIn, 2 OGH 30.04.2012, 9 ObA 47/11v 3 Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 905 ABGB Rz 9 (Stand 1.11.2014, rdb.at) mwN 4 OGH, 29.03.2012, 9 ObA 148/11x 5 OGH, 17.03.2004, 9 ObA 109/03z 6 vgl. Hainz in Kuras, Handbuch Arbeitsrecht Kap. 2 Rz 2.4.3 (Stand 1.10.2020, rdb.at) 7 OGH, 14.03.2001 9 ObA 310/00d 3
2 Definition „Home-Office“ gekennzeichnet, welche sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere an Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle - nicht notwendig auch an Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit – äußert.8 Daraus ergibt sich, dass die organisatorische Eingliederung typischerweise auch physisch durch die Leistungserbringung im Betrieb der/des DienstgeberIn erfolgt und dabei ein ständiger Arbeitsort (nicht nur statistisch9) den Regelfall darstellt.10 Abweichend zum Regelfall besteht jedoch die Möglichkeit, im Einvernehmen die Wohnung der/des DienstnehmerIn als Arbeitsort festzulegen – man spricht sodann von einem Heimarbeitsplatz oder eben „Home-Office“. Der Einsatz von Informa- tions- und Kommunikationstechnologie (kurz: IKT) wie etwa Telefonie, Computer und Internet ist dabei charakteristisch.11 Es ist dabei unbeachtlich, ob die Wohnung der/des DienstnehmerIn, die als Arbeits- ort festgelegt wird, den Haupt- oder Nebenwohnsitz der/des DienstnehmerIn dar- stellt. Ebenso sollte nicht nur auf eine Wohnung, sondern vielmehr auf die Wohnstätte an sich abgestellt werden, da durch die Begrifflichkeit „Wohnstätte“ auch Konstellationen, in denen die/der Dienstnehmerin in einem Haus wohnhaft sind, abgedeckt werden können. Wesentlich ist jedoch, dass die vereinbarungsge- mäß als Arbeitsort festgelegte Örtlichkeit der/dem DienstnehmerIn zuordenbar ist und ihren/seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort darstellt, weshalb sich die Begriff- lichkeit „Wohnstätte“ (als Stelle, Platz, wo jemand seine Wohnung hat; Haus, in dem jemand wohnt, Wohnung12) anbietet. Dieser Auslegung folgend wäre demnach auch die Wohnung bzw. das Haus des Lebensgefährten bzw. Ehepartners erfasst, soweit die/der DienstnehmerIn dort einen Haupt- oder Nebenwohnsitz begründet hat. 8 RIS-Justiz RS0021306 9 vgl. Statistik Austria, Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung, Modul der Arbeitskräfteerhe- bung 2015 (2016), 78 10 vgl. Risak, Home Office I – Arbeitsrecht, Vertragsgestaltung, Arbeitszeit und ArbeitnehmerIn- nenschutz, ZAS 2016/36, 204; Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 905 ABGB Rz 9 11 vgl. Risak, Home Office I – Arbeitsrecht, Vertragsgestaltung, Arbeitszeit und ArbeitnehmerIn- nenschutz, ZAS 2016/36, 204 12 https://www.duden.de/rechtschreibung/Wohnstaette (abgerufen am 3. April 2021) 4
2 Definition „Home-Office“ Auch Bremm/Mayr13 verstehen Home-Office als die Erbringung einer Arbeitsleis- tung in der Wohnstätte der/des ArbeitnehmerIn, wobei diese zufolge der quasi Ad- hoc-Einrichtung eines Home-Offices alleine aufgrund der COVID-19-Pandemie die Begrifflichkeit „Home-Office light“ geprägt haben, da dessen Einrichtung der aktuellen Notlage geschuldet war und diese Vorgehensweise grundsätzlich nicht geplant war, sondern sich aufgrund der Umstände ergeben hat. Am 28. April 2020 hat der Nationalrat eine Regelung für DienstnehmerInnen, die der COVID-19-Risikogruppe zuzuordnen sind, verabschiedet. Nach Vorlage eines COVID-19-Risiko-Attests haben diese DienstnehmerInnen Anspruch auf Freistel- lung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts, außer die betroffenen Personen können ihre Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen (§ 735 Abs. 3 Z 1 ASVG). Hier wählte man „Wohnung“ als Anknüpfungspunkt für die Begrifflichkeit „Home-Office“. Der Begriff „Wohnung“ ist dabei aber weit auszulegen, zumal teleologisch inter- pretiert nicht anzunehmen ist, dass DienstnehmerInnen, welche ihre Wohnstätte in einem Haus haben, hier ausgenommen werden sollen.14 Wird der/dem Dienstnehmerin ein zusätzlicher Freiraum eingeräumt, nämlich keine Beschränkung des Arbeitsortes auf die Wohnung der/des DienstnehmerIn, sondern auch in zeitlicher Hinsicht entsprechende Flexibilität eingeräumt, so ist von „mobile working“ die Rede.15 Gemäß IT-Kollektivvertrag liegt hingegen „Telearbeit“ dann vor, wenn die/der Ar- beitnehmerIn im Einvernehmen mit der/dem ArbeitgeberIn regelmäßig oder vo- rübergehend Teile seiner Arbeitszeit an einem vorher vereinbarten Ort außerhalb der ständigen Betriebsstätte leistet. Der Ort, die Erreichbarkeit, die Arbeitsmittel 13 vgl. Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01, Kapitel 7, Rz 1 (Stand: 15.5.2020, rdb.at) 14 vgl. Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01, Kapitel 7, Rz 1, FN 3 (Stand: 15.5.2020, rdb.at) 15 vgl. Jöst/Gärtner, Neue Wege in der Gleitzeitgestaltung am Beispiel von "Mobile Working", JAS 2018, 11 (12f) 5
2 Definition „Home-Office“ und die Aufwandsentschädigungen für die Telearbeit müssen vorher schriftlich ver- einbart werden.16 Gemäß § 36a Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes17 (kurz: BDG), § 5c Abs. 1 des Vertragsbedienstetengesetzes 194818 (kurz: VBG) bzw. § 16a Abs. 1 des Ge- setzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steier- mark19 (kurz: Stmk. L-DBR) liegt Telearbeit vor, soweit die/der Beamte/Vertrags- bedienstete/Landesbedienstete „regelmäßig bestimmte dienstliche Aufgaben in sei- ner Wohnung oder einer von ihm selbst gewählten, nicht zu seiner Dienststelle ge- hörigen Örtlichkeit unter Einsatz der dafür erforderlichen Informations- und Kom- munikationstechnik verrichtet“. Die Rahmenvereinbarung der europäischen Sozialpartner aus dem Jahre 2002 defi- niert Telearbeit als eine Form der Organisation und/oder Ausführung von Arbeit unter Verwendung von Informationstechnologie im Rahmen eines Arbeitsvertra- ges/eines Beschäftigungsverhältnisses, bei der die Arbeit, die auch in den Einrich- tungen des Arbeitgebers ausgeführt werden könnte, regelmäßig außerhalb dieser Einrichtungen verrichtet wird.20 „Telearbeit“21 bedeutet insofern keine Einschränkung auf die Wohnstätte der/des DienstnehmerIn, sondern ermöglicht auch die Leistungserbringung außerhalb der- selben in einer von der/dem DienstnehmerIn selbst gewählten Örtlichkeit außerhalb der Betriebsstätte. 16 § 9 Abs. 2 des Kollektivvertrages 2021 für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleis- tungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik vom 4.11.2020 17 BGBl. Nr. 333/1979 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2020 18 BGBl. Nr. 86/1948 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2020 19 LGBl. Nr. 29/2003, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 7/2021 20 vgl. Hitz/Schrenk, Homeoffice während und nach der Corona-Krise, ASoK 2020, 322 (322); Maska, Die Beendigung von Home-Office bzw von Telearbeit , ASoK 2017, 180; https://eur-lex.eu- ropa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=LEGISSUM:c10131&from=DE (abgerufen am 3. Ap- ril 2021) 21 vgl. ausführlich zum Thema „Telearbeit“: Melzer-Azodanloo, Telearbeit (2000) 6
2 Definition „Home-Office“ „Home-Office“ kann demnach im Wesentlichen auch mit „Teleheimarbeit“ um- schrieben werden, da diese flexible Ausgestaltung der Leistungserbringung in Be- zug auf die Örtlichkeit wie etwa bei der Telearbeit im Konkreten gerade nicht ge- geben ist. „Home-Office“ ist insofern eine Unterart der Telearbeit. Je nach Umfang der Leistungserbringung im Home-Office unterscheidet man zwi- schen vollständigem und partiellem Home-Office. Partielles Home-Office liegt demnach vor wenn nur Teile der Leistungserbringung (etwa einzelne Tage oder Stunden) im Home-Office erfolgen. Home-Office kann aber etwa auch während einer behördlichen Absonderung der DienstnehmerInnen nach dem Epidemiegesetz (zB als Kontaktperson) vereinbart werden.22 Hievon abzugrenzen ist die sogenannte „Heimarbeit“ im Sinne des Heimarbeitsge- setzes23, zumal HeimarbeiterInnen lediglich Personen sind, die ohne Gewerbetrei- bender nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu sein, in eigener Wohnung oder selbst gewählter Arbeitsstätte im Auftrag und für Rechnung von Personen, die Heimarbeit vergeben, mit der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Verpa- ckung von Waren beschäftigt sind. HeimarbeiterInnen sind jedoch keine Dienst- nehmerInnen.24 Zusammenfassend wird in der gegenständlichen Arbeit unter „Home-Office“ die einvernehmlich zwischen DienstnehmerIn und DienstgeberIn festgelegte Verrich- tung der Arbeitsleistung in einer konkret festgelegten und der/dem DienstnehmerIn zuordenbaren Wohnstätte außerhalb der ständigen Betriebsstätte unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie verstanden. 22 vgl. Gerhartl, Home-Office aus arbeitsrechtlicher Sicht, ARD 6711/4/2020, 2 23 BGBl. Nr. 105/1961 idF. BGBl. I Nr. 61/2018 24 vgl. Mayr, Arbeitsrecht § 1 HeimArbG (Stand 1.2.2016, rdb.at) 7
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home- Office Maßnahmenpaket 2021 Es folgt nunmehr eine Beleuchtung der bestehenden rechtlichen Grundlagen vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021, aber auch der Judikatur sowie der Lite- ratur, um die Problemfelder, die im Zusammenhang mit der Thematik „Home- Office“ bestehen, aufzuzeigen. 3.1 Home-Office-Vereinbarung 3.1.1 Erfordernis der einvernehmlichen Festlegung Grundsätzlich wird im Arbeitsvertrag der Arbeitsort, sohin jener örtlich abge- grenzte Bereich, in dem die DienstnehmerInnen ihre Dienstleistungen zu erbringen haben, festgelegt. Die konkrete Ausgestaltung der Vereinbarung ist – wie häufig im Arbeitsrecht – sekundär, sodass auch durch konkludente Erklärungen Vereinbarun- gen zustande kommen können25, wobei konkreten Vereinbarungen stets der Vor- rang einzuräumen ist. Der vereinbarte Ort der Leistungserbringung muss aber aufgrund von § 2 Abs. 2 Z 6 AVRAG im Dienstzettel dokumentiert sein26 („gewöhnlicher Arbeits(Einsatz)ort, erforderlichenfalls Hinweis auf wechselnde Arbeits(Einsatz)orte“). § 2 Abs. 1 AVRAG definiert den Dienstzettel als „schriftliche Aufzeichnung über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag“. Aus dieser Defini- tion erschließt sich, dass der Dienstzettel den zumindest konkludenten Abschluss eines Arbeitsvertrages voraussetzt sowie der Gedächtnisstütze und Beweissiche- rung dient.27 Die Leistungserbringung im Home-Office erfordert eine Vereinbarung zwischen DienstnehmerIn und DienstgeberIn. 25 vgl. Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01, Kapitel 7, Rz 3 (Stand: 15.5.2020, rdb.at) 26 vgl. Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01, Kapitel 7, Rz 3 (Stand: 15.5.2020, rdb.at) 27 Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 2 Rz 14 (Stand 1.1.2017, rdb.at) 8
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 3.1.2 Verpflichtung zur Leistungserbringung im Home-Office Im Zuge der COVID-19-Krise wurde vielfach die Ansicht vertreten, dass Dienst- nehmerInnen, in deren Dienstvertrag eine Klausel, wonach diese auch an anderen Arbeitsorten/Dienststätten der/des DienstgeberIn eingesetzt werden können bzw. die DienstnehmerInnen zur Leistungserbringungen ebendort verpflichtet sind, ent- halten ist, demnach auch zur Leistungserbringung im Home-Office verpflichtet sind. Eine solche Auslegung ist in Krisenzeiten entsprechend vertretbar, zumal die Fürsorgepflicht der/des DienstgeberIn wohl ein solches Vorgehen ohnedies erfor- derlich macht.28 Einerseits kann aus der Fürsorgepflicht der/des DienstgeberIn abgeleitet werden, dass die/der DienstgeberIn Maßnahmen zu treffen hat, um eine Ansteckung der/des DienstnehmerIn weitestgehend zu verhindern. Eine solche Maßnahme könnte dem- nach die Anordnung der Leistungserbringung im Home-Office sein, soweit dies der konkrete Aufgabenbereich der/des DienstnehmerIn ermöglicht. In zahlreichen Be- reichen wird man wohl bereits daran scheitern, dass die Leistungserbringung am Arbeitsort unumgänglich ist – so kann die Produktion, die eine entsprechende ma- schinelle Ausstattung und die Arbeitskraft mehrerer Personen mit unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen erfordert, wohl kaum in die der/dem DienstnehmerIn zuorden- baren Wohnstätte verlagert werden. In zahlreichen Bereichen wird jedoch die Leistungserbringung im Home-Office durchaus möglich sein, wiewohl zuvor oftmals eine entsprechende Neuausgestal- tung des Workflows, aber auch der IT-Ausstattung erforderlich sein kann. Hierfür müsste die/der DienstgeberIn bei einer verpflichtenden Anordnung von Home- Office Sorge tragen. Auf der anderen Seite lässt sich aber auch aus der Treuepflicht der Dienstnehme- rInnen ableiten, dass diese die betrieblichen Interessen der/des DienstgeberIn wah- rend ins Home-Office zu wechseln haben, soweit dem keine objektivierbaren 28 vgl. auch Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01, Kapitel 7, Rz 3 (Stand: 15.5.2020, rdb.at) 9
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 Interessen der DienstnehmerInnen, die nicht ausgeräumt werden können, dem ge- genüberstehen.29 Der Treuepflicht, wonach DienstnehmerInnen ausnahmsweise zu Tätigkeiten her- angezogen werden, die nicht zur eigentlichen Arbeitspflicht gehören, sind enge Grenzen gesetzt, wobei nach Friedrich30 insbesondere zu berücksichtigen sei, ob der/dem DienstnehmerIn die Verpflichtung zur Erbringung anderer als der geschul- deten Leistungen zumutbar ist. Unter Berücksichtigung der Interessenabwägung, wonach die DienstnehmerInnen im Home-Office bei Betriebsschließungen (oder einer ähnlichen Betriebseinschrän- kung) gleichbleibende Tätigkeiten ausüben sollen, diesen durch den Entfall der Fahrzeiten zum und vom Betrieb zudem ein zeitlicher wie auch finanzieller (ua auch durch Weitergewährung des Pendlerpauschales) Vorteil entsteht, wird man - so Friedrich31 - regelmäßig von der Zumutbarkeit des Home-Office ausgehen müs- sen, wenn der Dienstgeber aufgrund von COVID-19-Maßnahmen seinen Betrieb schließen (oder einschränken) muss. DienstnehmerInnen, bei denen die Leistungserbringung auch im Home-Office möglich ist, werden daher über entsprechende Anordnung der/des DienstgeberIn hin auch im Home-Office zu arbeiten haben. Soweit DienstnehmerInnen einer sol- cher Weisung der/des DienstgeberIn keine Folge leisten, wären diese nicht ernstlich arbeitsbereit, weshalb diesen folglich auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB gebühre.32 Felten33 hingegen vertritt eine andere Meinung und geht davon aus, dass keine Zu- mutbarkeit gegeben ist. 29 vgl. Gerhartl, Treue- und Fürsorgepflicht in Krisenzeiten, ecolex 2020, 577 30 vgl. Friedrich, Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB und COVID-19 , ZAS 2020/26 (157) 31 vgl. Friedrich, Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB und COVID-19 , ZAS 2020/26 (158) 32 vgl. Friedrich, Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB und COVID-19 , ZAS 2020/26 (158) 33 vgl. Felten, Home-Office und Arbeitsrecht, DRdA 2020, 511 (516) 10
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 Auch für Dienstleistungen, die nicht zustande gekommen sind, gebührt der/dem DienstnehmerIn das Entgelt, wenn sie/er zur Leistung bereit war und durch Um- stände, die auf Seite der/des DienstgeberIn liegen, daran verhindert worden ist; sie/er muss sich jedoch anrechnen, was sie/er infolge Unterbleibens der Dienstleis- tung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben ab- sichtlich versäumt hat.34 Dem Anspannungsgrundsatz entsprechend kann sich diese Leistungsbereitschaft der/des DienstnehmerIn auch in der Leistungserbringung im Home-Office manifes- tieren. Mit dem 2. COVID-19-Gesetz wurden dem § 1155 ABGB zeitlich bis 31.12.2020 befristet zwei neue Absätze angeschlossen:35 „(3) Maßnahmen auf Grundlage des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. Nr. 12/2020, die zum Verbot oder zu Einschränkungen des Betretens von Betrieben füh- ren, gelten als Umstände im Sinne des Abs. 1. Arbeitnehmer, deren Dienstleistun- gen aufgrund solcher Maßnahmen nicht zustande kommen, sind verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers in dieser Zeit Urlaubs- und Zeitguthaben zu verbrau- chen. (4) Für den Verbrauch gemäß Abs. 3 gilt: 1. Urlaubsansprüche aus dem laufenden Urlaubsjahr müssen nur im Ausmaß von bis zu 2 Wochen verbraucht werden. 2. Von der Verbrauchspflicht sind weiters ausgenommen solche Zeitguthaben, die auf der durch kollektive Rechtsquellen geregelten Umwandlung von Geldansprü- chen beruhen. 3. Insgesamt müssen nicht mehr als 8 Wochen an Urlaubs- und Zeitguthaben ver- braucht werden.“ 34 § 1155 Abs 1 ABGB, JGS Nr. 946/1811 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 148/2020, 35 2. COVID-19-Gesetz, BGBl. I Nr. 16/2020 11
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 Diese zwischenzeitlich bereits wieder außer Kraft getretene Regelung bezweckte offenbar, DienstnehmerInnen ihren Entgeltanspruch zu erhalten, wenn sie als Folge eines Betretungsverbots ihre Arbeit nicht mehr verrichten können.36 Die Auslegung, wonach DienstnehmerInnen zur Leistungserbringung im Home- Office angehalten werden können, wird meines Erachtens durch § 735 Abs. 3 Z 1 ASVG zudem untermauert. Legt eine betroffene Person ihrem Dienstgeber dieses COVID-19-Risiko-Attest vor, so hat sie Anspruch auf Freistellung von der Arbeits- leistung und Fortzahlung des Entgelts, außer 1. die betroffene Person kann ihre Arbeitsleistung in der Wohnung erbringen (Homeoffice) oder 2. die Bedingungen für die Erbringung ihrer Arbeitsleistung in der Arbeits- stätte können durch geeignete Maßnahmen so gestaltet werden, dass eine Ansteckung mit COVID-19 mit größtmöglicher Sicherheit ausgeschlossen ist; dabei sind auch Maßnahmen für den Arbeitsweg mit einzubeziehen. Der Anspruch auf Freistellung unter Entgeltfortzahlung ist insofern subsidiär, als dieser ua dann nicht besteht, wenn die Leistungserbringung im Home-Office mög- lich ist. Bietet der Dienstgeber der/dem DienstnehmerIn die Möglichkeit zur Ar- beitsverrichtung im Home-Office bzw. eine Home-Office-Vereinbarung an, deren Abschluss diese/dieser ohne triftigen Grund verweigert, besteht also kein Freistel- lungsanspruch.37 Der Schlussfolgerung „argumentum a maiore ad minus“ folgend müssten demnach auch DienstnehmerInnen, die nicht der vulnerablen Personengruppe mit COVID- 19-Risiko-Attest angehören, zur Leistungserbringung im Home-Office verpflichtet sein, um einen Entgeltfortzahlungsanspruch zu haben. Felten38 hingegen vermeint aus § 735 Abs. 3 Z 1 ASVG abzuleiten, dass nur die besonders vulnerable Personengruppe, die am Arbeitsplatz einem speziellen Risiko 36 vgl. Friedrich, Entgeltfortzahlung nach § 1155 ABGB und COVID-19 , ZAS 2020/26 (160) 37 vgl. Gerhartl, Home-Office aus arbeitsrechtlicher Sicht, ARD 6711/4/2020 (4) 38 vgl. Felten, Home-Office und Arbeitsrecht, DRdA 2020, 511 (517) 12
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 ausgesetzt sei, auf das Home-Office, soweit zumutbar, verwiesen werden könne. Es ergäbe sich im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen die Anordnung von Home-Office keine Alternative zum Anspruch auf Entgeltfortzahlung darstelle. Der Rechtsauffassung Feltens39, dass eine gegenteilige Ansicht nicht nur grund- rechtlichen Bedenken ausgesetzt wäre, sondern tatsächlich in weiten Teilen zu einer Aushöhlung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungsansprüche führen würde, vermag ich nicht näher zu treten, da meines Erachtens aus der expliziten Regelung des § 735 Abs. 3 Z 1 ASVG nicht abgeleitet werden kann, dass der/dem DienstgeberIn die Entgeltfortzahlungspflicht gemäß § 1155 ABGB aufgebürdet werden soll, wie- wohl die Leistungserbringung im Home-Office für die DienstnehmerInnen möglich und zumutbar wäre. Untermauert wird dies auch durch die Anrechnungsregel des § 1155 ABGB, wonach die/der DienstnehmerIn sich alles anrechnen lassen muss, was sie/er sich durch die Verhinderung der Dienstleistung ersparte, was sie/er in- folge des Unterbleibens erwarb oder zu erwerben absichtlich unterließ. Zusammengefasst können DienstgeberInnen demnach zwar auch bei einer Ar- beitsortklausel im Dienstvertrag nicht per se davon ausgehen, dass Dienstnehme- rInnen ihre Arbeitsleistung (auch) von zu Hause aus erbringen müssen, soweit dies dienstgeberseitig angeordnet wird40. In der aktuellen Situation im Zusammenhang mit COVID-19 wird jedoch eine entsprechende Anordnung der/des Dienstgebers zulässig sein. Es wird sowohl auf die Formulierung im Arbeitsvertrag (Arbeitsort- bzw. Verset- zungsklausel), als auch auf die konkreten Umstände des Einzelfalles (Leistungser- bringung im Home-Office ist möglich und zumutbar) ankommen. So argumentieren Hitz/Schrenk41 aber meines Erachtens zutreffend, dass eine Leis- tungserbringung im Home-Office (jedenfalls in der aktuellen Situation im Zusam- menhang mit COVID-19) nicht zwingend einer Vereinbarung bedürfe, sondern dies 39 vgl. Felten, Home-Office und Arbeitsrecht, DRdA 2020, 511 (517) 40 vgl. auch Bremm/Mayr in Resch, Corona-HB1.01, Kapitel 7, Rz 3, (Stand: 15.5.2020, rdb.at) 41 vgl. Hitz/Schrenk, Homeoffice während und nach der Corona-Krise , ASoK 2020, 322 (324) 13
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 auch - bei Vorliegen einer Versetzungsklausel – durch Anordnung der/des Dienst- geberIn erfolgen könne. Während der aktuellen COVID-Krise sei – so Hitz/Schrenk42 - wohl überdies davon auszugehen, dass eine einseitige Anordnung auf Basis von Treuepflicht und Für- sorgepflicht auch ohne eine diesbezügliche Vereinbarung argumentierbar sei. Grundsätzlich erfordert die Leistungserbringung im Home-Office ein Einverneh- men zwischen DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen. Eine Verpflichtung zur (faktisch möglichen und zumutbaren) Leistungserbringung im Home-Office wäh- rend der andauernden COVID-19-Pandemie kann einerseits aus der Fürsorge- und Treuepflicht abgeleitet und andererseits durch eine weite Definition des Ar- beitsorts bzw. eine entsprechende Versetzungsklausel im Dienstvertrag begründet werden. 3.1.3 Berechtigung zur Leistungserbringung im Home-Office Ein genereller Rechtsanspruch der DienstnehmerInnen auf Home-Office lässt sich ebenfalls auf Basis der geltenden Rechtslage vor dem Home-Office Maßnahmen- paket 2021 nicht ableiten. Daran vermögen auch die zahlreichen neuen Bestimmun- gen im Zusammenhang mit der Bewältigung der COVID-19-Krise nichts ändern. Soweit DienstnehmerInnen daher aus Furcht vor einer Ansteckung einseitig ihre Tätigkeitserbringung ins Home-Office verlagern und demnach kein Einvernehmen mit der/dem DienstgeberIn hergestellt werden kann, könnte dies entsprechende dienstrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen, wiewohl man in einer solchen Ausnahmesituation wohl kaum eine Entlassung wird rechtfertigen können - insbe- sondere dann nicht, wenn die objektive Gefahr besteht, dass es tatsächlich zu einer Ansteckung kommen könnte, weil etwa im unmittelbaren Arbeitsumfeld ein Er- krankungsfall bekannt wird. 42 vgl. Hitz/Schrenk, Homeoffice während und nach der Corona-Krise , ASoK 2020, 322 (324) 14
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 Anlässlich der COVID-19-Pandemie wurde sowohl DienstnehmerInnen als auch DienstgeberInnen durch entsprechende Betretungsverbote die Ausübung der beruf- lichen Tätigkeit „vorzugsweise außerhalb der Arbeitsstätte“ nahegelegt, jedoch un- mittelbar abgeschwächt, „sofern dies möglich ist und Arbeitgeber und Arbeitneh- mer darüber ein Einvernehmen finden“43. Ein Recht der/des DienstnehmerIn auf Leistungserbringung im Home-Office kann aus den Regelungen, die zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie getroffen wur- den, meines Erachtens nicht unmittelbar abgeleitet werden. Auch Hitz/Schrenk44 gehen davon aus, dass es keinen zwingenden Rechtsanspruch der DienstnehmerIn- nen auf Home-Office gibt. Gerhartl45 hingegen leitet aus der Fürsorge- bzw. Treuepflicht ab, dass die Parteien des Arbeitsvertrages allenfalls dazu verhalten werden können, einem begründeten Wunsch des Vertragspartners auf Abschluss einer Home-Office-Vereinbarung nachzukommen, soweit dem keine eigenen Interessen entgegenstehen. Die Fürsorgepflicht wird DienstgeberInnen dazu verhalten, dem Wunsch der DienstnehmerInnen auf Leistungserbringung im Home-Office insoweit nachzu- kommen, als ihre/seine Interessen dadurch nicht nachteilig berührt werden, insbe- sondere also, wenn die Arbeitspflicht im Home-Office weitestgehend gleichblei- bend erfüllt werden kann wie in der betrieblichen Arbeitsstätte. Dies bedingt je- doch, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die per se auch im Home-Office ausgeübt werden können. Zeigt sich im Laufe der Zeit, dass die Leistungserbringung im Home-Office doch mit Nachteilen für die DienstgeberInnen verbunden ist, kann die Vereinbarung zur Leistungsvereinbarung im Home-Office auch wieder beendet werden.46 43 Verordnung gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. II Nr. 98/2020 aufgeho- ben durch BGBl. II Nr. 197/2020 44 Hitz/Schrenk, Homeoffice während und nach der Corona-Krise , ASoK 2020, 322 (324) 45 Gerhartl, Home-Office aus arbeitsrechtlicher Sicht, ARD 6711/4/2020 (4) 46 vgl. Gerhartl, Treue- und Fürsorgepflicht in Krisenzeiten, ecolex 2020, 577ff (579) 15
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 Grundsätzlich erfordert die Leistungserbringung im Home-Office ein Einverneh- men zwischen DienstgeberInnen und DienstnehmerInnen. In krisenhaften Umstän- den (wie etwa während der COVID-19-Pandemie) kann unter bestimmten Voraus- setzungen durchaus eine Berechtigung zur Leistungserbringung im Home-Office abgeleitet werden. Hierbei wird jedoch auf die Umstände des Einzelfalles (faktische Möglichkeit und keine Nachteile für die/den DienstgeberIn) abzustellen sein. 3.1.4 Inhalt der Home-Office-Vereinbarung 3.1.4.1 Wesentliche Vereinbarungsbestandteile Ein Rechtsanspruch auf den Abschluss einer solchen Home-Office-Vereinbarung haben weder DienstgeberInnen, noch DienstnehmerInnen. Sowohl Dienstnehme- rInnen als auch DienstgeberInnen steht es frei, das Angebot der Leistung von Home-Office-Arbeit anzunehmen oder auch abzulehnen.47 Eine rechtliche Vorgabe, wie eine Home-Office-Vereinbarung im Konkreten aus- gestaltet werden muss, besteht vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 im Allgemeinen nicht. Lediglich im Dienstrecht der Vertragsbediensteten, Beamten bzw. Landesbediensteten gibt es dazu Vorgaben. So regelt das Beamten-Dienstrechtsgesetz 197948 (kurz: BDG) in § 36a Abs. 2 bzw. das Vertragsbedienstetengesetz 194849 (kurz: VBG) in § 5c Abs. 2 welche Rege- lungen im Detail zu treffen sind: 1. Art, Umfang und Qualität der in Form von Telearbeit zu erledigenden dienst- lichen Aufgaben, 2. die dienstlichen Abläufe und die Formen der Kommunikation zwischen Vor- gesetzten und Mitarbeitern der Dienststelle und dem Telearbeit verrichten- den Vertragsbediensteten, 47 vgl. Köck/Prasser, Checkliste: Home-Office-Vereinbarung, ZAS 2016/43, 246 48 BGBl. Nr. 333/1979 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2020 49 BGBl. Nr. 86/1948 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2020 16
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 3. die Zeiten, in denen der Telearbeit verrichtende Vertragsbedienstete sich dienstlich erreichbar zu halten und die 4. die Anlassfälle und Zeiten, in denen der Telearbeit verrichtende Vertragsbe- dienstete verpflichtet ist, an der Dienststelle anwesend zu sein. § 16a Abs. 2 des Gesetzes über das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark50 (kurz: Stmk. L-DBR) beinhaltet eine gleichlautende Be- stimmung für die Steiermärkischen Landesbediensteten. Vom Bund sind gemäß § 5c Abs. 5 VBG bzw. § 36a Abs. 5 BDG dem Vertrags- bediensteten bzw. dem Beamten die zur Verrichtung von Telearbeit erforderliche technische Ausstattung sowie die dafür notwendigen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Für die Aufgabenbesorgung im Rahmen der Telearbeit gebührt den Steiermärki- schen Landesbediensteten weder ein Anspruch auf Bereitstellung der erforderli- chen technischen Ausstattung sowie der dafür notwendigen Arbeitsmittel noch ein Anspruch auf Ersatz der damit verbundenen Kosten oder finanzielle Entschädi- gung (§ 16a Abs. 5 Stmk. L-DBR). Weitere Anhaltspunkte hinsichtlich der näheren Ausgestaltung des Inhalts einer Home-Office-Vereinbarung finden sich etwa beispielhaft in § 14 iVm. Anhang 2 des Kollektivvertrages für Angestellte im Metallgewerbe51 und § 9 iVm. Anhang IV des Kollektivvertrages 2020 für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstech- nik.52 Daraus geht hervor, dass nachstehende Bereiche (teils durch § 14 Metaller-Kollek- tivvertrages für Angestellte bzw. § 9 IT-Kollektivvertrag bereits entsprechend 50 LGBl. Nr. 29/2003, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 7/2021 51 Kollektivvertrag für Angestellte des Metallgewerbes vom 16.10.2020 (in Kraft seit 1.1.2021) 52 Kollektivvertrages 2020 für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik vom 4.11.2020 (in Kraft seit 1.1.2021) 17
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 determiniert) in einer Telearbeits-Vereinbarung zu regeln sind (vgl. die Musterver- einbarungen in Anhang 2 Metaller-Kollektivvertrag für Angestellte bzw. Anhang IV IT-Kollektivvertrag): • Normalarbeitszeit • welche Tätigkeiten in Telearbeit verrichtet werden • Arbeitsmittel • Aufwandserstattung • Haftung • Kontakt zum Betrieb • Beendigungsmöglichkeiten 3.1.4.2 Zeitpunkt des Abschlusses Eine Home-Office-Vereinbarung kann einerseits bereits zu Beginn des Dienstver- hältnisses im Dienstvertrag unmittelbar oder aber als Zusatzvereinbarung zum Dienstvertrag, andererseits auch während aufrechtem Dienstverhältnis in Form ei- ner Zusatzvereinbarung zum bereits bestehenden Dienstvertrag in Abänderungen der bislang festgelegten Bestimmungen zum gewöhnlichen Arbeitsort, abgeschlos- sen werden. 3.1.4.3 Zeitliche Rahmenbedingungen Home-Office-Vereinbarungen können zudem befristet oder aber auch unbefristet abgeschlossen werden. Eine Befristung könnte wie folgt ausgestaltet werden: • auf einen bestimmten zeitlichen Rahmen ausgelegt z.B. 6 Monate ab beid- seitiger Unterfertigung der Home-Office-Vereinbarung, • mit Endtermin z.B. 31.12.2020 oder • bezogen auf einen konkreten Projektabschluss. Die Befristung muss jedoch ausreichend bestimmbar sein. Bei einem Projektab- schluss müsste demnach klargestellt werden, dass die Befristung auf die formale Projektabnahme abstellt. 18
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 Im Lichte der aktuellen Situation im Zusammenhang mit COVID-19 könnte auch auf die Beendigung von COVID-19-(Schutz)maßnahmen abgestellt werden. Ohne entsprechende zeitliche Abgrenzung durch eine Home-Office-Vereinbarung könnte bei mehrmaliger oder aber länger andauernder Verlegung des Dienstortes ins Home-Office unter konkreten Umständen eine konkludente Änderung des Dienstvertrages bewirkt werden. Eine regelmäßig wiederholte oder kontinuierli- che Verhaltensweise kann konkludent Eingang in den Individualarbeitsvertrag fin- den (sogenannte Individualübung). Diesfalls hätte die/der DienstnehmerIn An- spruch auf eine der Individualübung entsprechenden Anpassung des Individualar- beitsvertrages. Dies soll im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien durch eine entsprechende Ver- tragsgestaltung unter Berücksichtigung des zeitlichen Rahmens hintangehalten werden, um für beide Seiten ausreichend Rechtsicherheit zu haben. Die Home-Office-Vereinbarung sollte unter anderem auch die Möglichkeit der (Teil-)Kündigung der Vereinbarung unter Aufrechterhaltung des bestehenden Dienstverhältnisses vorsehen, sodass insbesondere bei einer unbefristet abgeschlos- senen Home-Office-Vereinbarung für beide Seite gewährleistet ist, dass auch vor- zeitig eine Rückkehr zur Leistungserbringung in der Betriebsstätte möglich ist. Eine Teilkündigung des Arbeitsvertrags ist grundsätzlich unzulässig, zumal Dienst- nehmerInnen kein Arbeitsverhältnis aufgezwungen werden soll, das diese so nie gewollt und auch nicht vereinbart haben.53 Dieses Teilkündigungsverbot erfährt jedoch zweierlei Einschränkungen:54 1. Wird hinsichtlich bestimmter Ansprüche ein Widerrufsvorbehalt im Dienst- vertrag explizit vereinbart, so wird damit eine Teilkündigung ermöglicht, 53 vgl. Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 20 AngG Rz 96 (Stand 1.1.2018, rdb.at) 54 vgl. Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 20 AngG Rz 96 (Stand 1.1.2018, rdb.at) 19
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 wobei jedoch derartige Widerrufsvorbehalte stets nur nach billigem Ermes- sen ausgeübt werden können55. 2. Wurde die Teilkündigung nicht gesondert vertraglich vereinbart, so er- scheint eine Teilkündigung nur dann möglich, soweit es sich um eigenstän- dige Vertragsinhalte handelt, die auch selbstständig bestehen könnten.56 Maska57 führt dazu aus, dass die Teilkündigung von Home-Office Vereinbarungen bzw. von Telearbeit jedenfalls dann unzulässig sei, wenn sie im Dienstvertrag nicht vereinbart sei, weil Home-Office bzw. Telearbeit nur etwas mit der Organisation und der Durchführung des vereinbarten Aufgabenbereichs zu tun hätten, in der Re- gel aber keinen eigenständigen bzw. selbständigen Aufgabenbereich begründen würden. Ebenso können besondere Auflösungsmöglichkeiten aus wichtigem Grund (vorzei- tige Beendigung zufolge Vorliegens eines wichtigen Grundes) für spezielle Home- Office-relevante Änderungen Eingang in die Home-Office-Vereinbarung finden, bei denen die vereinbarten Kündigungsfristen entsprechend unterschritten werden dürfen zB bei Wegfall der Wohnmöglichkeit an der vereinbarten Wohnstätte.58 Im Anwendungsbereich des Kollektivvertrages für Angestellte im Metallgewerbe59 wird beispielsweise festgelegt, dass der Telearbeitsplatz bei triftigen Gründen schriftlich von beiden Seiten unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat aufgegeben werden kann. Triftige Gründe auf Seiten der/des DienstgeberIn sind zB Betriebsänderungen im Sinne des § 109 ArbVG60. Auf Seiten der/des DienstnehmerIn wären dies Änderungen in der Lebenssituation, die einer weiteren Nutzung des Telearbeitsplatzes entgegenstehen (zB Wohnungswechsel oder Ände- rungen in der Familie). Eine Kündigung des Wohnungsnutzungsvertrages durch 55 Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 20 AngG Rz 97 (Stand 1.1.2018, rdb.at) 56 Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 20 AngG Rz 98 (Stand 1.1.2018, rdb.at) 57 vgl. Maska, Die Beendigung von Home-Office bzw von Telearbeit , ASoK 2017, 180 (182) 58 vgl. Köck/Prasser, Checkliste: Home-Office-Vereinbarung, ZAS 2016/43, 248 59 Kollektivvertrages für Angestellte im Metallgewerbe vom 16.10.2020 (gültig ab 1.1.2021) 60 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1973 betreffend die Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsge- setz – kurz: ArbVG), BGBl. Nr. 22/1974, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 61/2021 ( 20
3 Rechtliche Ausgangslage in Österreich vor dem Home-Office Maßnahmenpaket 2021 die/den VermieterIn ist der/dem DienstgeberIn unverzüglich mitzuteilen. Nach Aufgabe des Telearbeitsplatzes wird die Beschäftigung in der betrieblichen Arbeits- stätte fortgesetzt.61 Aus der gegenständlichen kollektivvertraglichen Regelung kann zwar keine allge- mein gültige Aussage abgeleitet werden, jedoch erscheint mir eine solche Regelung in einer Home-Office-Vereinbarung durchaus zweckmäßig und sinnvoll. 3.1.4.4 Kollektivvertrag Wie bereits dargestellt, kann sich aus dem jeweils anwendbaren Kollektivvertrag (wie bespielhaft Metaller-Kollektivvertrag und IT-Kollektivvertrag) bereits ein ent- sprechender rechtlicher Rahmen, den es als DienstgeberIn bzw. DienstnehmerIn einzuhalten gilt, ergeben. 3.1.4.5 Betriebsvereinbarung Soweit in Betrieben ein Betriebsrat besteht, erscheint der Abschluss von Betriebs- vereinbarungen, um die Rahmenbedingung für die Leistungserbringung der Dienst- nehmerInnen im Home-Office festzulegen, zweckmäßig.62 Betriebsvereinbarungen sind schriftliche Vereinbarungen, die von der/vom Be- triebsinhaberIn einerseits und dem Betriebsrat (Betriebsausschuss, Zentralbetriebs- rat, Konzernvertretung) andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, de- ren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbe- halten ist. Inhalt einer Betriebsvereinbarung kann demnach nur sein, was durch Gesetz oder Kollektivvertrag ausdrücklich der Regelung durch eine Betriebsvereinbarung über- antwortet wird. Es gilt dabei zu unterscheiden zwischen: 61 § 14 Abs. 9 Kollektivvertrages für Angestellte im Metallgewerbe vom 16.10.2020 (gültig ab 1.1.2021) 62 vgl. Streithofer, Homeoffice: Vom Anlassfall Corona-Krise zu geregelten Verhältnissen, DRdA- infas 2020, 204 (205) 21
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