Controlling Praxis in Filmproduktionsunternehmen - Eine empirische Bestandsaufnahme
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Controlling Praxis in Filmproduktionsunternehmen Eine empirische Bestandsaufnahme Master-These Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA) Im Rahmen des Universitätslehrganges TV & Film-Produktion an der Donau-Universität Krems, Österreichisches Studienzentrum für Film Eingereicht von Martin Kanzler Matrikelnummer: 9503454 Gutachter: Mag. Gerald Trimmel Krems, Monat Jahr 1
Eidesstattliche Erklärung Ich, Martin Kanzler geboren am: 29.Oktober 1976 in: Salzburg, Österreich erkläre, dass ich meine Master-These mit dem Titel Controlling Praxis in Filmproduktionsunternehmen - Eine empirische Bestandaufnahme selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfen bedient habe, dass ich meine Master-These bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe, dass ich alle nötigen Genehmigungen und Einverständniserklärungen allfälliger Dritter eingeholt habe. ……………………………………………………………………………. Datum und Unterschrift 2
Inhaltsverzeichnis 1 Einführung.......................................................................................................................... 6 2 Definition der Fragestellungen........................................................................................... 7 2.1 Nutzen und Notwendigkeit von Controlling .............................................................. 7 2.2 Fragestellungen .......................................................................................................... 8 2.3 Definition Controlling im Sinne der Arbeit ............................................................... 9 2.4 Definition von Filmproduktionsunternehmen im Sinne der Arbeit ......................... 11 3 Vorgehensweise und Methoden ....................................................................................... 12 3.1 Interviews ................................................................................................................. 12 3.2 Gesprächspartner ...................................................................................................... 13 3.3 Überblick und Kategorisierung der untersuchten Unternehmen.............................. 14 4 Controlling Praxis im Überblick: Besonderheiten ........................................................... 16 4.1 Projektbasiertes Geschäftsmodell ............................................................................ 16 4.2 Periodenübergreifendes Geschäftsmodell ................................................................ 16 4.3 Variable Organisationsstrukturen............................................................................. 17 4.4 Kreative Branche...................................................................................................... 17 4.5 Öffentliche Filmförderung ....................................................................................... 17 4.6 Besonderheiten bei Buchhaltung und Kostenrechnung............................................ 18 5 Controlling Praxis im Überblick: Aufgaben und Besonderheiten ................................... 20 5.1 Planung..................................................................................................................... 20 5.1.1 Projektplanung ................................................................................................. 21 5.1.2 Cash Flow Planung / Liquiditätsplanung ......................................................... 25 5.1.3 Jahresplanung ................................................................................................... 27 5.2 Berichtswesen........................................................................................................... 29 5.2.1 Internes Reporting ............................................................................................ 29 5.2.2 Externes Berichtswesen.................................................................................... 35 5.3 Analyse..................................................................................................................... 42 6 Controlling Praxis im Überblick: Organisation ............................................................... 43 7 Conclusio Controlling Praxis ........................................................................................... 47 8 Verbesserungspotential und Nutzen von standardisierter Software................................. 50 8.1 Allgemeine Verbesserungspotentiale ....................................................................... 51 8.1.1 Kommunikationsplattform: Verzahnung von Informations- und Arbeitsprozessen zwischen Abteilungen.......................................................................... 51 8.1.2 Filmspezifische verlinkte Projektmanagementsoftware................................... 53 8.1.3 Personalführung oder „Psychologisches Controlling“ ..................................... 55 3
8.2 Verbesserungspotentiale Planung ............................................................................ 56 8.2.1 Integrierte Cash Flow Planung ......................................................................... 56 8.3 Verbesserungspotentiale Berichtswesen .................................................................. 57 8.3.1 Zeitnahes Berichtswesen auf Knopfdruck........................................................ 57 8.3.2 Erhöhung der Aussagekraft des Berichtswesens.............................................. 59 8.3.3 Verbessertes Kostenstandmanagement ............................................................ 60 8.3.4 Sprachswitch .................................................................................................... 61 8.3.5 Verbesserung des Informationsaustausches bei (internationalen) Koproduktionen................................................................................................................ 62 8.3.6 Einhaltung des Post-Produktionsbudgets ......................................................... 63 8.4 Verbesserungspotentiale Analyse ............................................................................ 64 8.4.1 Erhöhung Transparenz auf Globalebene: „Business Intelligence“ .................. 64 8.4.2 „Lessons Learned“ durch ex-post Analyse auf Projektebene .......................... 66 8.5 Externes Verbesserungspotential: Harmonisierung von Förderrichtlinien .............. 67 9 Conclusio Verbesserungspotentiale und Controlling Software ....................................... 68 10 Quellen-/ Literaturverzeichnis.......................................................................................... 74 11 Appendix 1 Fragebogen ................................................................................................... 75 4
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Liste der Gesprächspartner...................................................................................... 13 Tabelle 2: Überblick der untersuchten Produktionsunternehmen ............................................ 14 Tabelle 3: FFFA Kalkulationsschema...................................................................................... 22 Tabelle 4: Österreichische Filminstitut Kalkulationsschema................................................... 23 Tabelle 5: Beispielhafte Liquiditätsplanung ............................................................................ 26 Tabelle 6: Typische Positionen einer Jahresplanung ............................................................... 27 Tabelle 7: Kernpositionen eines Cost Reports ......................................................................... 30 Tabelle 8: Auszug Cost Report einer internationalen Koproduktion ....................................... 32 Tabelle 9: Kernpositionen eines Cost Reports auf Unternehmensebene ................................. 33 Tabelle 10: Eingesetzte Softwarelösungen .............................................................................. 50 Graphikverzeichnis Graphik 1: Kernaufgaben des Controlling ............................................................................... 10 5
1 Einführung Sinkende Margen in der Auftragsproduktion, ein Trend zur Wirtschaftlichkeit seitens der Förderungen, steigende Komplexität durch internationale Koproduktionen und die Suche nach Geschäftsmodellen abseits öffentlicher Förderungen stellen Produktionsunternehmen vor neue Herausforderungen in Bezug auf die betriebswirtschaftlichen Aspekte ihres Kerngeschäftes. Durch die Zurverfügungstellung zeitnaher, entscheidungsrelevanter Informationen stellt Controlling eines der wichtigsten Instrumente im Umgang mit diesen Herausforderungen dar. Inwieweit wird Controlling von Produktionsunternehmen in der Praxis eingesetzt? Welche Bedeutung wird ihm beigemessen, wie wird es organisiert und wie gut funktioniert es? Diese Fragen wurden seitens der akademischen Erforschung der Filmproduktion bisher kaum aufgegriffen. Es gibt praktisch keine Literatur zum Thema Controlling in Filmproduktionsunternehmen. Diese Arbeit möchte mit einer empirischen Bestandsaufnahme der aktuellen Controlling Praxis in der deutschsprachigen Produktionslandschaft eine erste Forschungsgrundlage bieten und ein Anstoß zu weiterer Forschung zu den betriebswirtschaftlichen Aspekten der europäischen Filmproduktion sein. Desweiteren dienen die Erkenntnisse dieser Arbeit einem Softwareunternehmen als Entscheidungsgrundlage für die mögliche Entwicklung einer filmspezifischen Controlling Softwarelösung. Im ersten Teil der Arbeit wird die bestehende Praxis und Bedeutung von betriebswirtschaftlichem Controlling in deutschsprachigen Filmproduktionsunternehmen untersucht. Durch Expertengespräche mit Controllern und Geschäftsführung von Produktionsunternehmen unterschiedlicher Größenordnungen werden die entsprechenden Informationen zu bestehenden Management- und Controlling Prozessen erhoben. In einem weiteren Schritt werden im zweiten Teil der Arbeit auf Basis der geführten Interviews praxisrelevante Verbesserungspotentiale herausgearbeitet und der Frage nachgegangen, inwieweit der Einsatz standardisierter Softwarelösungen die Filmbranche in ihren Controlling- und Projektmanagementprozessen wertschaffend unterstützen kann. 6
2 Definition der Fragestellungen 2.1 Nutzen und Notwendigkeit von Controlling Die Filmwirtschaft befindet sich in einer Phase des Umbruches. Die Digitalisierung der Filmwertschöpfungskette führt zu zunehmender Konkurrenz auf der Produktionsseite und zu wachsender Zersplitterung auf der Nachfrageseite. Um eine signifikante Menge an Zusehern zu erreichen, bedarf es immer aufwendigerer Produktionen, die gerade in Europa in vielen Ländern nicht national finanziert werden können. Immer öfter wird versucht steigende Produktionsbudgets durch internationale Koproduktionen oder Private Equity Gelder zu finanzieren. Diese Internationalisierung erhöht die Komplexität des Produktionsgeschäftes. Seitens der öffentlichen Förderungen wird tendenziell mehr Wert auf die Wirtschaftlichkeit von geförderten Projekten gelegt. Die Margen im Bereich der Auftragsproduktion haben bereits ein kritisches Niveau erreicht. Die Sender kämpfen mit stagnierenden beziehungsweise rückläufigen Werbeeinnahmen. Der Kostendruck wird an die Produzenten weitergegeben, sodass sich diese vor die Herausforderung gestellt sehen immer bessere Qualität zu niedrigeren Kosten zu produzieren. Vor diesem Hintergrund steigen die Anforderungen an das Management auf Projekt- und Unternehmensebene insbesondere in den Bereichen Organisation, Finanz- und Personalmanagement sowie der strategischen Unternehmensführung. Bereiche, die gerade in klein- und mittelständischen Produktionsfirmen oft zugunsten des Fokus auf die künstlerische Qualität und den operativen Prozess der Filmherstellung vernachlässigt werden. Dies kann zu finanzieller Intransparenz, ineffizienten Produktionsabläufen und dem Fehlen einer mittelfristigen Unternehmensstrategie führen. Das Risiko einzelner Projekte wird falsch eingeschätzt, die Liquidität kann nicht für den gesamten Projektverlauf sicher gestellt werden und im Extremfall muss das Unternehmen Insolvenz anmelden. Diese Herausforderungen verlangen nach einer zunehmenden Professionalisierung aller, auch der betriebswirtschaftlichen, Bereiche der Filmproduktion. Controlling stellt dabei ein wichtiges Instrumente der Unternehmensführung dar. Durch die Schaffung von Transparenz über den Projektverlauf und die finanzielle Lage des Unternehmens können Probleme und Risiken frühzeitig erkannt werden und gegebenenfalls regulierende Maßnahmen ergriffen werden. Es stellt somit das wichtigste Hilfsmittel zur Sicherstellung der Liquidität eines 7
Unternehmens dar. Die Erzielung von Gewinnen und die Stärkung der Eigenkapitalbasis bieten Produktionsunternehmen eine Basis um neue Geschäftsmodelle abseits der Abhängigkeit vom Produktionsprozess per se und somit von den Förderungen und Fernsehsendern zur Verfügung gestellten Mittel zu entwickeln. In diesem Kontext bildet Controlling durch die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Daten und Analysen die Grundlage für eine strategisch orientierte Unternehmensführung. Controlling stellt desweiteren in vielen Fällen eine Voraussetzung für die Finanzierung von Filmprojekten durch externes Kapital, wie zum Beispiel durch Förderungen, Banken oder Private Equity Geldern, dar. Die Erstellung von Business Plänen und Kalkulationen über die gesamte Wertschöpfungskette eines Filmprojektes dienen immer öfter als Basis für die Gewinnung von Ko-Investoren und bilden die Grundlage für die Messung des Erfolg eines Projektes. Insbesondere renditeorientierte Ko-Investoren wie Filmfonds und Banken erwarten daher, dass der gesamte Entwicklungs-, Herstellungs- und Verwertungsprozess einer akribischen finanziellen Kontrolle unterstellt wird1. 2.2 Fragestellungen Basierend auf qualitativen Interviews mit Produktionsunternehmen analysiert die Arbeit die aktuelle Praxis und Bedeutung von Controlling-Instrumentarien und Prozessen in deutschsprachigen Filmproduktionsunternehmen. Die Gesprächspartner wurden desweiteren nach Verbesserungspotentialen bestehender Prozesse und des Nutzens einer branchenspezifischen Controlling Softwarelösung befragt. Die Arbeit möchte auf folgende drei wesentliche Fragenkomplexe Antworten geben: 1. Wie wird Controlling in deutschsprachigen Filmproduktionsunternehmen im Jahr 2007 praktiziert? Was wird gemacht, welche Aspekte des Controlling stehen im Vordergrund, welche spielen eine geringe Rolle? Wie ist der Controlling Prozess organisiert? Welche besonderen Anforderungen stellt die Filmproduktion an das Controlling? 2. Welche Verbesserungspotentiale werden von Produktionsunternehmen hinsichtlich des Einsatzes von Controlling gesehen? 3. Inwieweit kann eine filmspezifische Controlling Softwarelösung zur Realisierung dieser Verbesserungspotentiale beitragen? Gibt es Bedarf für eine solche Lösung? 1 Yagapen, 2001; S.9 8
Die Arbeit wird in Kooperation mit einer auf Controlling Lösungen für Creative Industries spezialisierten Softwareunternehmen geschrieben. Die Ergebnisse dieser Arbeit dienen als Entscheidungsgrundlage für die mögliche Entwicklung einer auf die Filmbranche zugeschnittenen Controlling Lösung. Die Arbeit stellt eine empirische Bestandsaufnahme der aktuellen Controlling Praxis dar und bietet somit eine erste Grundlage für die Formulierung von Fragestellungen zur weiteren Analyse des Einsatzes von Controlling in der Filmbranche. 2.3 Definition Controlling im Sinne der Arbeit Die in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur zahlreich vorhandenen Definitionen von Controlling haben sich in den Gesprächen mit Produktionsunternehmen als wenig hilfreich erwiesen. Einerseits finden besagte wirtschaftswissenschaftliche Controlling Termini in der Produktionspraxis kaum eine Anwendung, andererseits unterscheidet sich das Verständnis von Controlling und dessen Einsatzgebieten von Unternehmen zu Unternehmen. Vor diesem Hintergrund wurde den Gesprächen eine sehr allgemeine Definition von Controlling im Sinne von Planung, Berichtswesen und Analyse zugrundgelegt. Die Definition orientiert sich an Graumann2, der Controlling als die Gesamtheit der Teilaufgaben der Planung, Steuerung, Kontrolle und der koordinierenden Informationsversorgung definiert. Die Planung stellt den ersten Prozessschritt in einem umfassenden Controlling Prozess dar und kann nach Graumann3 auf mehreren Ebenen erfolgen. Neben der generellen Zielplanung, die die Leitlinien der zukünftigen Unternehmensentwicklung definiert, befasst sich die strategische Planung mit der Entwicklung einer mittel- und langfristigen Unternehmensstrategie in Abhängigkeit von Marktentwicklungen und Wettbewerbern. Die operative Planung orientiert sich über einen kurz- bis mittelfristige Zeitraum und definiert Arbeitsprozesse zur Erreichung der strategischen Ziele. Sie wird durch die taktische Planung weiter konkretisiert und fließt letztendlich in eine detaillierte Finanz- und Ergebnisplanung ein. Das durch diese Planungsprozesse gewonnene Zielsystem bildet die Grundlage für eine zielorientierte Unternehmensführung indem es definiert, welche Ziele mit welchen Aktivitäten erreicht werden sollen. Sobald die Aktivitäten operativ umgesetzt werden beginnen die anderen Aspekte des Controlling Prozesses zu greifen. Die Kontrolle der 2 Graumann, 2003, S.4ff 3 Graumann 2003, S.2f 9
Aktivitäten soll mögliche Gefährdungen der Planerfüllung und Abweichungen frühzeitig erkennen und die Steuerung durch das Ergreifen regulierender Maßnahmen ermöglichen. In diesem Kontext ist die Zurverfügungstellung entscheidungsrelevanter Informationen für Planung, Kontrolle und Steuerung durch ein effizientes Informationsversorgungs- und Kommunikationssystem von entscheidender Bedeutung. Graphik 1 zeigt das Zusammenspiel dieser vier Kernaufgaben des modernen Controllings. Im Rahmen dieser Arbeit werden Kontrolle, Steuerung und Informationsversorgung zu den zwei Bereichen Berichtswesen und Analyse zusammengefasst, die jeweils Aspekte aller drei Teilaufgaben vereinen. Als Leitfaden für die Gesprächsführung wurde desweiteren die Unterscheidung nach Projekt- und Unternehmensebene hinzugefügt. Graphik 1: Kernaufgaben des Controlling Teilaufgaben des Controllings Controlling im Sinne der Arbeit Planung Kontrolle Planung Informations- Steuerung Berichtswesen Analyse versorgung Quelle: In Anlehnung an Graumann, 2003, S.4 Projekt Projekt Projekt 1 2 … Unternehmen Controlling im Sinne dieser Arbeit geht also weit über die Kontrolle im engeren Sinn hinaus und stellt eine unternehmenszielorientierte, führungsunterstützende, entscheidungs- vorbereitende sowie ganzheitliche und bereichsübergreifende Querschnittsfunktion auf Projekt- und Unternehmensebene dar. 10
Innerhalb dieser sehr allgemein gehaltenen Definition können eine Vielzahl von spezialisierten Formen des Controllings unterschieden werden. Zu den wichtigsten Unterscheidungsmerkmalen gehören die Ausrichtung auf die operative oder strategische Ebene, auf spezifische Organisationsformen wie Projekte oder Kleinbetriebe, auf spezifische Leistungsfaktoren wie Personal oder Material Controlling oder auf spezifische Funktionsbereiche wie Produktions- oder Absatz Controlling. Während sich das strategische Controlling analog zur strategischen Planung langfristig orientiert und das Ziel hat, vorhandene Erfolgspotentiale zu sichern und neue zu erschließen, erfüllt das operative Controlling kurz- und mittelfristige Steuerungsfunktionen auf Basis der vorgegebenen strategischen Planungsziele. Strategisches Controlling folgt dem Leitsatz „to do the right things“, das operative Controlling hingegen konzentriert sich auf „to do things right“4. Klassische Teilbereiche des operativen Controllings umfassen die Kosten- und Leistungsrechnung, das Kostenmanagement, Budgetkontrolle und das entsprechende Berichtswesen. Während sich das klassische Controlling ausschließlich auf operative Themen konzentrierte, unterstützt das moderne Controlling sowohl die operative als auch die strategische Unternehmensführung. Welche Art von Controlling in der klein- und mittelständisch geprägten deutschsprachigen Produktionslandschaft praktiziert wird, stellt eine der Fragestellungen des ersten Teils dieser Arbeit dar. 2.4 Definition von Filmproduktionsunternehmen im Sinne der Arbeit Bei Filmproduktionsunternehmen im Sinne dieser Arbeit handelt es sich um Produktionsunternehmen, die unter anderem Kinofilme oder fiktionale TV Formate herstellen. Ausschließlich auf Dokumentar- und Werbefilme spezialisierte Produktionsunternehmen werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Regional beschränkt sich diese Arbeit auf Produktionsunternehmen mit Sitz in Deutschland oder Österreich. Hinsichtlich der Rechtsform, der Größenordnungen sowie Eigen- oder Auftragsproduktion wurden keine Einschränkungen vorgenommen. 4 Graumann, 2003, S. 20 11
3 Vorgehensweise und Methoden In der Analyse der Fragestelllungen folgt die Arbeit dem Grundsatz größtmöglicher Praxisorientierung. Die Fragen nach dem Nutzen von Controlling im Allgemeinen sowie einer standardisierten Controlling Branchensoftwarelösung im Speziellen, orientieren sich ausschließlich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der befragten Produktionsfirmen. Diese unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen und hängen generell stark von der Größe des Unternehmens ab. Die Controlling Prozesse unterscheiden sich entsprechend, sind auf die speziellen Erfordernisse der einzelnen Unternehmen zugeschnitten und hängen oft an einer einzigen Person. Vor diesem Hintergrund wurde für die Gespräche die Form eines offenen Interviews gewählt. Mangels entsprechender akademischer Forschung kann die Arbeit in ihrer Analyse der Controlling Praxis nicht auf bereits erhobene Datensätze zurückgreifen. Die entsprechenden Informationen werden direkt in den Gesprächen mit Produktionsunternehmen und deren Stakeholdern erhoben. Aufgrund begrenzter zeitlicher Ressourcen konnten im Rahmen dieser Arbeit lediglich exemplarische Interviews mit ausgewählten Gesprächspartnern geführt werden. 3.1 Interviews Im Sinne der Praxisorientierung dieser Arbeit wurden Gespräche mit 18 Experten aus Produktionsunternehmen, Förderinstitutionen und Softwareherstellern geführt. Durch die Untersuchung von Produktionsfirmen unterschiedlicher Größe wird versucht die Heterogenität Controlling Praxis in Unternehmen in Abhängigkeit ihrer Größenordnung herauszuarbeiten. Die Interviews wurden in Form eines offenen Gespräches geführt. Als Leitfaden diente dabei ein Fragebogen, der sich an der Controlling Definition im Sinne von Planung, Berichtswesen und Analyse auf Projekt- und Unternehmensebene orientiert. Es wurden sowohl qualitative Daten, wie die Zufriedenheit mit dem aktuellen Controlling Prozess als auch quantitative Daten insbesondere zur Unternehmensgröße erhoben. Die Struktur des Fragebogens ist in Appendix 1 abgebildet. Die Gespräche dauerten in der Regel zwischen ein und drei Stunden. 12
3.2 Gesprächspartner Die Gespräche mit den Produktionsunternehmen wurden auf Basis einer Verschwiegenheitsvereinbarung geführt, sodass die konkreten Unternehmensnamen und Gesprächspartner nicht angeführt werden können. Die Unternehmen werden Tabelle 2 in anonymisierter Weise vorgestellt und nach Größenordnungen kategorisiert. In Ergänzung der Perspektive der Produktionsfirmen wurden Gespräche mit den beiden größten österreichischen Filmförderungsinstitutionen, dem Österreichischen Filminstitut (ÖFI) und dem Filmfonds Wien, sowie anderen Branchenexperten geführt. In Hinblick auf die dritte wesentliche Fragestellung dieser Arbeit, dem Nutzen einer standardisierten Branchensoftwarelösung wurden neben den Produktionsfirmen auch Anbieter von Controlling beziehungsweise Filmsoftwarepaketen sowie externe Berater interviewt. Gespräche wurden u.a. mit der Sesam Software GmbH, dem führenden Anbieter von Softwarelösungen für die Filmbranche in Deutschland, mit der Grafmoser Management GmbH, einem spezialisierten Anbieter von Controlling- und Analysesoftware für projektbasierte Creative Industries Unternehmen, sowie mit Bob Koster, einem Berater des weltweit führenden Anbieters von filmspezifischen Softwarelösungen, Entertainment Partners, geführt. Tabelle 1: Liste der Gesprächspartner Name / Funktion des Gesprächspartners Unternehmen / Institution 1 Kaufmännischer Leiter Produktionsunternehmen 4 2 Legal & Business Affairs Produktionsunternehmen 4 3 Stefan Hoffmann / Produktionsleiter Freier Produktionsleiter 4 Gerhard Schedl / Berater; ehemals Vorstand ÖFI Freier Berater; Österreichisches Filminstitut 5 Produzent und Geschäftsführer Produktionsunternehmen 3 6 Filmgeschäftsführer Produktionsunternehmen 3 7 Filmgeschäftsführer, Produktionsleiter Produktionsunternehmen 1 8 Produzent, Geschäftsführer Produktionsunternehmen 5 9 Produktionsleiter, Controller Produktionsunternehmen 2 10 Bob Koster, Berater Freier Berater u.a. für Entertainment Partners 11 Ernst Schuhmann, Geschäftsführer Sesam Software GmbH 13
12 Thomas Heskia, Controller Filmfonds Wien 13 Werner Zappe, Projektbetreuung Österreichisches Filminstitut 14 Alessandro Chiara, Projektbetreuung Österreichisches Filminstitut 15 Gerhard Höninger, Projektbetreuung Österreichisches Filminstitut 16 Wolfgang Graf, Geschäftsführer Grafmoser Management GmbH 17 Alexander Gröger, Controlling Poool Filmverleih GmbH 18 Controller Produktionsunternehmen 6 Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich für die interessanten und wertvollen Gespräche sowie ihre Unterstützung gedankt. 3.3 Überblick und Kategorisierung der untersuchten Unternehmen Mit den befragten Unternehmen wurde Vertraulichkeit vereinbart, sodass die Unternehmen im Folgenden nur in anonymisierter Form anhand wesentlicher Unternehmenscharakteristika vorgestellt werden können. Tabelle 2: Überblick der untersuchten Produktionsunternehmen Unternehmen 1 2 3 4 5 6 Umsatz in MEUR 5 >5 Fiktionale Projekte 2 2 2-3 5-8 5-8 15-20 Dokumentarfilme 30 DF … Dokumentarfilm SF … Spielfilm inklusive TV Movie WF … Werbefilm / Imagefilm TV … TV Formate inklusive fiktionale TV Serien 14
Auf Grundlage der aus den Interviews gewonnenen Informationen lassen sich die untersuchten Produktionsunternehmen grob nach ihrer Größe klassifizieren. Zwischen der Gruppe kleiner und mittelständische Produktionsfirmen mit weniger als 5 MEUR Umsatz sowie weniger als 15 festangestellten Mitarbeiter und den für die deutschsprachige Filmwirtschaft als mittelständisch beziehungsweise groß zu bezeichneten Produktionsfirmen mit über 10 MEUR Umsatz beziehungsweise über 30 festangestellten Mitarbeitern ließen sich deutliche Unterschiede hinsichtlich der Controlling Praxis und dem Einsatz von spezifischen Softwarelösungen feststellen. Es sei darauf hingewiesen, dass sich die größenmäßige Abgrenzung und Definition der Bezeichnungen kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen in dieser Arbeit an der Struktur der deutschsprachigen Produktionswirtschaft orientiert, die im Vergleich zu anderen Industrien fast ausschließlich von kleinen beziehungsweise einigen mittelständischen Unternehmen dominiert wird. 15
4 Controlling Praxis im Überblick: Besonderheiten Die Filmproduktionsbranche unterscheidet sich in einigen Bereichen von anderen mittelständisch geprägten Wirtschaftszweigen. Besonderheiten wie der starke Projektfokus und die große Bedeutung öffentlicher Fördergelder stellen spezielle Herausforderungen an das Controlling. Vor diesem Hintergrund können Controlling Prozesse und Instrumentarien aus der Wirtschaft nicht ohne weiteres auf die Filmproduktion übertragen werden. Es gilt den Nutzen und den Einsatz von Controlling entsprechend der Möglichkeiten der Filmproduktionsunternehmen in ihrem speziellen Umfeld neu zu definieren. 4.1 Projektbasiertes Geschäftsmodell Das Kerngeschäft von Filmproduktionsunternehmen liegt im Projektgeschäft: jeder Film wird im Rahmen eines Projektes produziert und verwertet. Die Anzahl und Identität der Projektbeteiligten, die Arbeitsprozesse, die benötigten Materialien, die Zulieferer, etc. ändern sich von Projekt zu Projekt. Die Standardisierung von Prozessen wie sie beispielsweise bei einem Automobilhersteller möglich ist, stößt in diesem projektgetriebenen Geschäftsmodell an natürliche Grenzen. Entsprechend schwierig ist die Etablierung standardisierter Controlling Prozesse. Es gilt das Controlling auf Projekt- und Gesamtunternehmensebene sinnvoll zu verknüpfen. Der Unternehmenserfolg hängt in erster Linie vom Erfolg der einzelnen Projekte ab. Insbesondere bei kleinen Unternehmen mit einer geringen Anzahl von Filmprojekten pro Jahr, ist die Projektebene der Unternehmensebene de facto gleichzusetzen. Vor diesem Hintergrund kommt der Projektebene tendenziell eine größere Bedeutung zu als der Gesamtunternehmensebene. 4.2 Periodenübergreifendes Geschäftsmodell Eine weitere Besonderheit von Projekten liegt in deren periodenübergreifendem Charakter. Filmprojekte können sich von Projektentwicklung über Produktion und Verwertung über mehrere Jahre ziehen. Selbst die Finanzierung- und Produktionsphase im engeren Sinne kann zwischen ein und drei Jahren dauern. Dies stellt besondere Herausforderungen an das Controlling hinsichtlich der periodengerechten Aufbereitung von Informationen und Analysen. 16
4.3 Variable Organisationsstrukturen Entsprechend dem Projektcharakter sind die Organisationsstrukturen einer Filmproduktion ständigen Veränderungen ausgesetzt und bieten insbesondere auf personeller Ebene kaum Kontinuität. Einer vergleichsweise geringen Anzahl fest angestellter Mitarbeiter stehen während der Produktionsphase teilweise bis zu 200 temporär angestellte Mitarbeiter gegenüber. Hinzu kommen freie Mitarbeiter auf Werkvertragsbasis. Die Organisation und Abwicklung einer derart großen Anzahl von Mitarbeitern auf unterschiedlichen vertraglichen Regelungen stellt Produktionsunternehmen vor große Herausforderungen. Desweiteren verändern sich auch die personellen Verantwortlichkeiten des Projektmanagements sowie des Controllings, die regelmäßig an externe Produktionsleiter, Filmgeschäftsführer oder Herstellungsleiter übergeben werden. 4.4 Kreative Branche Die Filmbranche gehört zu den kreativen Branchen. Der Fokus von Filmproduktionsunternehmen liegt in erster Linie auf dem kreativen Prozess der Filmentwicklung und Herstellung, betriebswirtschaftliche Aspekte treten dabei oft in den Hintergrund. „Das Ziel ist der Film. Das Abfallprodukt ist das Geld, das er kostet. Der Gewinn ist die Inspiration.“5 Ein weiteres Charakteristikum von kreativen Branchen ist der vielfältige berufliche Hintergrund der in der Branche aktiven Berufstätigen. Es bedarf grundsätzlich keiner bestimmten Ausbildung um in der Filmproduktion zu arbeiten. Für das Controlling hat dies zwei wesentliche Implikationen. Zum einen muss es seine Bedeutung im Unternehmen erst „legitimieren“, zum anderen ist davon auszugehen, dass viele der am Controlling Prozess Beteiligten keine betriebswirtschaftliche Ausbildung besitzen und es große Unterschiede bezüglich der Motivation beziehungsweise Qualifikation zwischen den am Controlling Prozess Beteiligten gibt. 4.5 Öffentliche Filmförderung Filmproduktionsunternehmen in Deutschland und Österreich befinden sich oft in einem Spannungsfeld zwischen privatwirtschaftlichen Anforderungen und der staatlichen Kulturförderung. Kaum ein Kinospielfilm wird ohne öffentliche Filmförderung produziert. 5 Vortrag von Tom Tykwer, Produzent und Regisseur, im Rahmen des Nederlands Film Festival in Utrecht 2001, veröffentlicht unter http://www.x-filme.de/html/statements.html [20.11.2007] 17
Die jeweiligen Förderinstitutionen werden dadurch zu wichtigen Stakeholdern mit besonders hohen Ansprüchen an das Controlling und Berichtswesen bezüglich der geförderten Projekte. Vor diesem Hintergrund muss das Controlling bei Filmproduktionsunternehmen im Unterschied zu „reinen Wirtschaftsunternehmen“ neben den klassischen betriebswirtschaftlichen Themen noch diverse förderungsspezifische Aufgaben und Prozesse berücksichtigen. 4.6 Besonderheiten bei Buchhaltung und Kostenrechnung6 Die hohe Anzahl von bis zu 300 Kostenstellen und Kreditoren und die damit einhergehende hohe Anzahl zu verarbeitender Belege stellen die zeitnahe und aussagekräftige Erfassung in der Finanzbuchhaltung vor eine große Herausforderung. Im Vergleich zu etwas 20 bis 50 Lieferanten bei größenmäßig vergleichbaren mittelständischen Industrie- oder Dienstleistungsunternehmen handelt es sich bei Filmproduktionen oft um 100 bis 150 Kreditoren. Desweiteren zeichnet sich eine Filmproduktion durch einen wesentlich größeren Umfang von Barzahlungsvorgängen und den Einsatz von Verrechnungsgeldern aus. Bei einer durchschnittlichen Spielfilmproduktion müssen pro Monat über 1.000 Kassenbelege verbucht werden. Dieses Volumen stellt die Filmgeschäftsführung hinsichtlich der zeitnahen Datenerfassung die für tagesaktuelle Kostenstände unentbehrlich wäre vor große Herausforderungen. Erschwerend kommt hinzu, dass es in der Regel keine standardisierten Schnittstellen zwischen Projekt- und Hauptbuchhaltung gibt. Die stark variierende Anzahl von Angestellten während der einzelnen Phasen eines Filmprojektes stellt eine Besonderheit der Lohnbuchhaltung in Filmproduktionsunternehmen dar. Während der Produktionsphase müssen oft über hundert Personen kurzfristig angestellt und bei den Krankenkassen an- beziehungsweise wieder abgemeldet werden. Diese kurzfristigen Anstellungsverhältnisse sowie die Berücksichtigung vieler Sonderfälle im Zusammenhang mit der Anstellung freier Mitarbeiter erschwert die standardisierte Abwicklung der monatlichen Personalvorgänge und führt zu einem enormen Arbeitsaufwand. In der Kostenrechnung müssen mit ca. 300 Kostenstellen eine Vielzahl von gebuchten Kosten den Kalkulationswerten gegenübergestellt werden. Der damit verbundene Zeitaufwand verursacht das Problem der fehlenden zeitnahen Verfügbarkeit der entsprechenden Kostenstände. 6 Yagapen, 2001, Kapitel 4,5,6 18
Das Berichtswesen bei Filmproduktionen ist durch eine außergewöhnlich hohe Anzahl von internen und externen Berichtsempfängern charakterisiert. So muss bei einer Finanzierung eines Filmprojektes durch diverse Fördermittel oder bei Koproduktionen jedem Ko-Investor separat Rechenschaft abgelegt werden. Wie in Kapitel 5.2 dargestellt müssen die Berichte an die einzelnen Berichtsempfänger darüber hinaus oft in unterschiedlichen Formaten aufbereitet werden. 19
5 Controlling Praxis im Überblick: Aufgaben und Besonderheiten Im Folgenden werden die Controlling Aktivitäten der im Rahmen dieser Arbeit interviewten Unternehmen zusammenfassend dargestellt. Bei der Darstellung von Planung, Berichtswesen und Analyse wird grundsätzlich zwischen der Projekt- und der Unternehmensebene unterschieden. Im Falle des Berichtswesens wird des Weiteren zwischen internen und externen Empfängerkreisen differenziert. 5.1 Planung Wie in Kapitel 2.3 ausgeführt kann zwischen einer generellen beziehungsweise strategisch und einer operativ orientierten Planung unterschieden werden. Jede Planung setzt eine Zieldefinition voraus, dessen Erreichung geplant wird. Die Planung kann sowohl auf der Projektebene als auch auf der Unternehmensebene ansetzen. Der inhaltliche Umfang der Planung unterscheidet sich desweiteren nach Auftrags- oder Eigenproduktion. Die im Rahmen dieser Arbeit geführten Gespräche zeigen, dass sich die Planungspraxis deutschsprachiger Produktionsfirmen fast ausschließlich auf operative Planungsaspekte konzentriert. Explizit formulierte Unternehmensziele, die dem Planungsprozess bewusst zugrunde gelegt werden, werden kaum formuliert. Dem Projektcharakter der Filmproduktion entsprechend fokussiert sich die operative Planung in erster Linie auf die Projektplanung. Fuchs7 folgend kann als Ziel der Planung einer Auftragsproduktion die Ermittlung es zeitlichen, sachlichen und personellen Aufwandes der Filmproduktion angenommen werden. Allgemein formuliert geht es um die Sicherstellung der Entwicklung und Herstellung eines Filmes in der vertraglich vereinbarten Qualität, in einem bestimmten Zeitraum unter optimalen Einsatz der beschränkten Ressourcen bei minimalen Kostenaufwand und Generierung einer angestrebten Marge. Im Falle einer Eigenproduktion kommt die Maximierung der Verwertungserlöse bei Minimierung der Vertriebskosten hinzu. Projektplanungen werden dienen internen Entscheidungsträgern wie Produzent und Herstellungsleiter zur Steuerung der Projekte sowie zur Kommunikation gegenüber externen Stakeholdern wie Banken, Förderungen, sonstigen Ko-Investoren oder Completion Bond Unternehmen sowie allen Projektbeteiligten in der Abstimmung ihrer Arbeitsprozesse. Im Folgenden wird die Planungspraxis der im Rahmen dieser Arbeit interviewten Unternehmen zusammenfassend dargestellt. Die Planung konzentriert sich im Regelfall auf 7 Fuchs, 1996, S.31 20
drei große Bereiche: Projektplanung, Cash Flow beziehungswiese Liquiditätsplanung und Unternehmensplanung. Auch wenn sich die Planungsprozesse beziehungsweise Verantwortlichkeiten von Produktionsfirma zu Produktionsfirma unterscheiden, können die Planungsinhalte und Methoden als repräsentativ für die derzeitige Planungspraxis deutschsprachiger Produktionsunternehmen angesehen werden. In kleineren Unternehmen mit geringeren Personalressourcen wird der Planungsumfang beziehungsweise der Planungsprozess teilweise entsprechend vereinfacht. 5.1.1 Projektplanung Auf Projektebene kann die finanzielle Planung der Kalkulation und der Projektfinanzierung sowie die konkrete operative Planung der einzelnen Phasen des Projektes unterschieden werden. Der grobe Rahmen des Produktionsbudgets, also der maximalen Produktionskosten, wird seitens des Produzenten angesichts seiner Einschätzung verfügbarer Fördermittel beziehungsweise alternativer Finanzierungsquellen abgesteckt. Innerhalb dieses Rahmens wird das Detailbudget vom Produktionsleiter in Kooperation mit dem Filmgeschäftsführer unter Aufsicht der Herstellungsleitung geplant. Die Kalkulation der Kosten- und Finanzierungsseite orientiert sich in Deutschland an dem in der Branchensoftware Sesam vorgegebenen Kalkulationsschema. Getrieben durch die Fernsehsender hat sich Sesam seit fünfzehn Jahren als Standardsoftware in diesem Bereich der Filmbranche durchgesetzt und wird sowohl von Sendern verlangt als auch die meisten Förderanstalten, wie die Filmförderungsanstalt (FFA), verwendet. In Österreich wird hingegen die Kalkulation generell in Excel erstellt, wobei sich das Kalkulationsschema in den meisten Fällen an dem vom Österreichischen Filminstitut vorgegebenen Format orientiert. Die Kalkulation selbst setzt eine genaue Analyse des Drehbuches mithilfe von Drehbuchauszügen voraus. Eine Übersicht dieser beiden wichtigen Kalkulationsschemata wird in Tabelle 3und Tabelle 4 dargestellt. 21
Tabelle 3: FFFA Kalkulationsschema8 Zusammenstellung Position Name anerkannte gesamte HK deutsche HK deutsche HK € € € I. Vorkosten II. Rechte und Manuskript III. Gagen a) Produktionsstab b) Regiestab c) Ausstattungsstab d) Sonstiger Stab e) Darsteller f) Musiker g) Zusatzkosten Gagen IV. Atelier a) Atelier-Bau b) Außenbau durch Atelier c) Atelier-Dreh d) Abbau Atelier und Außenbau V. Ausstattung und Technik a) Genehmigung und Mieten b) Bau und Ausstattung c) Technische Ausrüstung VI. Reise- und Transportkosten a) Personen b) Lasten VII. Filmmaterial und Bearbeitung VIII. Endfertigung IX. Versicherungen X. Allgemeine Kosten XI. Kostenmindernde Erträge (./.) Position Name anerkannte gesamte HK deutsche HK deutsche HK € € € A. Fertigungskosten B. Handlungskosten %vA C. Überschreitungsreserve %vA D. Zwischensumme E. Finanzierungskosten (Anlage) F. Treuhandgebühren G. Completion Bond Kosten H. Herstellungskosten 8 http://www.ffa.de/index.php?page=dfff_start [9.12.2007] 22
Tabelle 4: Österreichische Filminstitut Kalkulationsschema9 Projekttitel Kostenzusammenstellung (alle Beträge in €): 1. Vorkosten 0 2. Nutzungsrechte 0 3. Gagen, Löhne, Honorare 0 4. Bild- und Tonaufnahme 0 5. Atelier, Ausleuchtung, Außenaufnahmen 0 6. Ausstattung 0 7. Schnitt, Synchronisation, Mischung 0 8. Bild, Ton, Bearbeitung 0 9. Versicherungen 0 10. Reise-, Beförderungs- und Transportkosten 0 11. Allgemeine Kosten 0 12. Kostenmindernde Erträge 0 13. Netto-Fertigungskosten 0 14. Fertigungsgemeinkosten 0 15. Fertigstellungsversicherung (Completion Bond) 0 16. Kosten der Finanzierung *) 0 17. Netto-Herstellungskosten 0 18. Überschreitungsreserve 0 19. Gesamt-Herstellungskosten 0 0,00% *) Soweit zur Finanzierung des Eigenanteils Kredite aufgenommen werden. Die operative Planung des Projektes liegt in den Händen des Produktions- beziehungsweise Herstellungsleiters. Nur in Ausnahmefällen, wenn es zu größeren Problemen kommt, greift die Unternehmensführung auf dieser Detailebene ein. Das absolute Vertrauen in die Arbeit der Produktionsleitung als „Conditio sine qua non“ wurde seitens der Gesprächspartner immer wieder betont. Da sich der Fokus der Arbeit an der Sichtweise der Unternehmensführung orientiert wird im Folgenden nur ein kurzer Überblick über die wichtigsten im Rahmen der Projektplanung verwendeten Planungsinstrumente gegeben. Neben den bereits erwähnten Kalkulationsschemata und Drehbuchauszügen sind dies insbesondere: • Aufgabenplanung10: Ziel der Aufgabenplanung ist die Erfassung sämtlicher zu verteilenden Aufgaben entlang des gesamten Projektverlaufes. Die Aufgabenplanung bildet somit die Grundlage für alle weiteren Planungen und deren Controlling dar. 9 http://www.filminstitut.at/ [9.12.2007] 10 Claudia Fuchs, 1996, S. 31f 23
Eine systematische Gliederung der Aufgaben nach Produktionsphasen angefangen von der Idee bis zur Post Produktion beziehungsweise zur Verwertung soll sicherstellen, dass sämtliche Kostenarten im Rahmen der Kalkulation erfasst werden. In Kombination mit der Kalkulation bildet die Aufgabenplanung auch die Basis für die Projekt-Liquiditätsplanung. In der Praxis gibt es hierfür keine standardisierten Formulare oder Formen. Jeder Produktionsleiter entwickelt im Rahmen seiner Tätigkeit sein eigenes System. • Ablauf- und Terminplanung / Drehplan11: Basierend auf der Aufgabenplanung und der Verfügbarkeit und Qualifikation der Projektbeteiligten wird in der Regel ein phasenorientierte Projektplan mit Meilensteinen, Anfangs-, End- und Pufferzeiten erstellt. Als Meilensteine bieten sich Fertigstellung von Drehbuch, Pre-Production, Produktion und Post-Produktion an. Während der Produktionsphase, der einsatzmittelintensivsten und somit teuersten Phasen des Filmprojektes, wird die Ablauf und Terminplanung in Form eines detaillierten Drehplanes für jeden einzelnen Tag spezifiziert und dient als Koordinationsgrundlage für sämtliche Projektbeteiligten. In der Praxis werden Drehpläne mittlerweile meist elektronisch mit Hilfe spezieller Softwarelösungen (z.B. EP Scheduling, Sesam) oder in Excel erstellt. Aufgrund seiner haptischen Vorzüge wird aber auch noch der Stäbchenplan eingesetzt. • Dispositionen und sonstige „Listen“: Neben den oben angeführten werden in der Praxis eine Vielzahl von sogenannten Listen verwendet um die insbesondere während der Produktionsphase enorme Komplexität eines Spielfilmprojektes und die Koordination aller Projektbeteiligten in den Griff zu bekommen. Diese Listen umfassen beispielsweise Tagesdispositionen, Call Sheets, Stundenzettel, Tagesberichte, Zeitpläne, diverse Auszüge für alle Departments, Aktualisierung der Drehpläne, etc. Auch hier hat sich in der Praxis de facto keine standardisierte Vorgehensweise etabliert. Jeder Produktionsleiter greift dabei auf seine eigene Erfahrung zurück. All diese Dokumente und Planungsinstrumentarien spielen auf der Ebene der operativen Projektsteuerung, deren Unterstützung Ziel des Projektcontrollings ist, eine wichtige Funktion. Die Projektsteuerung wird aber wie bereits erwähnt in erster Linie durch den Produktionsleiter wahrgenommen. 11 Claudia Fuchs, 1996, S. 37ff 24
Für die Entscheidungsträger auf Unternehmensebene konzentriert sich das Projektcontrolling auf die Erreichung der Meilensteine und die Analyse der wichtigsten, komprimierten Kerninformationen wie insbesondere der Kostenstände. Die Projektplanung erfolgt bei größeren Produktionsfirmen für Eigenproduktionen über drei Jahre. Im ersten Jahr wird die Produktion mit ihren Produktionskosten, Producer Fee und Handlungskosten geplant, für das zweite Jahr die Kinoauswertung und für das dritte Jahr die Erlöse aus der Home Entertainment Auswertung. Erfahrungsgemäß können über diesen Drei-Jahreszyklus kaum nennenswerte Erlöse aus einem Projekt generiert werden, sodass eine diesbezügliche Planung keinen Wert schaffen würde. Bei Auftragsproduktionen sowie in der Regel bei kleineren Projekten beschränkt sich die Planung auf die Herstellungsphase des Filmes und somit auf einen Zeitraum von ein bis maximal zwei Jahren. Die Projektplanung erfolgt also in diesen Fällen rein kostengetrieben. Sofern die erwarteten Verwertungserlöse des Projektes geplant werden, geschieht dies in Excel. 5.1.2 Cash Flow Planung / Liquiditätsplanung Von allen Gesprächspartnern wurde die Bedeutung einer aussagekräftigen und verlässlichen Cash Flow Planung auf Projekt- und in Folge auf Unternehmensebene als essentiell für den Projekterfolg beziehungsweise die Erhaltung der Liquidität des Unternehmens eingestuft. Auf Projektebene gilt es die Zahlungsausgänge den Zahlungseingängen über den Zeitverlauf des gesamten Projektes gegenüberzustellen. Es muss jederzeit die Liquidität, also die Deckung der Zahlungsverpflichtungen durch die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Mittel, gesichert werden können. Idealerweise sollten die operativen Zahlungsausgänge durch operative Zahlungsmittel wie zum Beispiel Förderungstranchen, Einnahmen aus Rechteverkäufen oder für das Projekt eingeplante Eigeninvestitionen abgedeckt werden können. Übersteigen die operativen Zahlungsausgänge die verfügbaren operativen Zahlungsmittel entsteht eine Finanzierungslücke, die durch externe oder interne Zwischenfinanzierung geschlossen werden muss. Neben der Frage der grundsätzlichen Verfügbarkeit solcher Finanzierungsquellen, entstehen zusätzliche Finanzierungskosten, die in Folge zusätzlich zu den geplanten Kosten durch operative Zahlungseingänge beziehungsweise auf Kosten der Marge des Produktionsunternehmens zurückgezahlt werden müssen. Ein Beispiel für eine Liquiditätsplanung auf Projektebene ist in Tabelle 5 dargestellt. 25
Tabelle 5: Beispielhafte Liquiditätsplanung12 Projektstart Vertrags- Drehbeginn Drehende Abgabe an Projekt- abschluss Sender ende t-1 t t+1 t+2 t+3 t+4 Auszahlungen Vorkosten x Rechte/ Manuskripte x x x … Gagen x x x x … Atelier x x … Ausstattung / Technik x x … Reise- / Transportkosten x x x x … Filmmaterial / Bearbeitung x x x x … Endfertigung x x … Versicherung x x … Allgemeine Kosten x x … Handlungskosten x x x x x x Mehrwertssteuer x x x x Summe Auszahlungen x x x x x x Summe Einzahlungen x x x Über- / Unterdeckung x x x x x x Die Cash Flow Planung auf Unternehmensebene erfolgt durch die Zusammenführung der einzelnen Projektplanungen und unter Berücksichtigung von nicht direkt einzelnen Projekten zuordenbaren Einnahmen und Auszahlungen. Die tatsächlichen Kostenstände und verfügbaren Zahlungsmittel werden dabei aus der Buchhaltung gezogen. In größeren Unternehmen erfolgt die eigentliche Planung, also die Berücksichtigung zukünftiger Ein- und Auszahlungen zu bestimmten Zeitpunkten, durch den Controller oder kaufmännischen Leiter. In kleineren Unternehmen wird teilweise auf eine Cash Flow Planung auf Unternehmensbasis verzichtet beziehungsweise von der Buchhaltung erstellt. Die Aussagekraft der Cash Flow Planungen stützt sich kostenseitig in erster Linie auf die Aktualität der Cost Reports und umsatzseitig auf die Erfassung der tatsächlichen Zahlungseingänge. Aus den Gesprächen ergibt sich, dass die Qualität dieser Daten oft nicht zufriedenstellend ist und aufgrund der in Kapitel 4 von Filmprojekten sowie der praktizierten Buchhaltungsgrundsätze beziehungsweise starrer Softwarelösungen die Aktualität der verfügbaren Zahlen kaum gewährleistet ist. Es kommt immer wieder zu kurzfristigen Finanzierungslücken, die mit teuren Zwischenfinanzierungen überbrückt werden müssen beziehungsweise im schlimmsten Fall zur Insolvenz führen können. 12 Claudia Fuchs, 1996, S. 37 26
5.1.3 Jahresplanung Die geführten Gespräche zeigen, dass der Erstellung einer strategischen und operativen Jahresplanung auf Unternehmenseben in der deutschsprachen Produktionslandschaft eine untergeordnete Rolle beigemessen wird. Die Planung auf Unternehmensebene „passiert eher“13 als dass sie eine Zielvorgabe für die Unternehmensführung darstellen würde. Die Jahresplanung ergibt sich dabei durch die Zusammenführung der einzelnen Projektplanungen. Aufgrund des größtenteils kostengetriebenen Charakters der Projektplanungen gibt somit auch die Unternehmensplanung keine strategischen Zielgrößen vor. Unabhängig von der Größe der Produktionsfirma wird generell einmal jährlich eine Jahresplanung erstellt. Der Umfang, Planungszeitraum und Aktualisierung der Jahresplanung unterscheidet sich von Produktionsfirma zu Produktionsfirma. Tendenziell planen größere Unternehmen detaillierter, über einen längeren Zeitraum und aktualisieren die Jahresplanung öfter. Als Minimumstandard wird einmal jährlich eine einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnung auf Unternehmensebene durch die Zusammenführung der einzelnen Projektkosten und – aufwände erstellt. In den einfachsten Fällen beschränkt sich dies auf die Darstellung der erwarteten Umsätze und der kalkulierten Produktionskosten mit der entsprechenden operativen Marge. Die Jahresplanung wird einmal jährlich erstellt und halbjährlich oder vierteljährlich aktualisiert. Die Jahresplanung eines mittleren Produktionsunternehmens setzt sich typischerweise aus den folgenden Positionen zusammen: Tabelle 6: Typische Positionen einer Jahresplanung + Akkumulierte Projektbudgets - Akkumulierte Projektkosten = Akkumulierter Projektgewinn - Gemeinkosten basierend auf Erfahrungswerten + Lizenzeinnahmen basierend auf Erfahrungswerten +/- Finanzierungskosten basierend auf Erfahrungswerten = Betriebsergebnis 13 Gespräch mit Legal & Business Affairs, Produktionsunternehmen 4 27
Wie bereits im Rahmen der Projektplanung erwähnt planen kleinere Unternehmen und Auftragsproduzenten im Regelfall nur für das kommende Wirtschaftsjahr beziehungsweise in manchen Fällen auch für zwei Jahre. Im Fall größerer Produktionsfirmen mit Eigenproduktionen werden in der Regel neben dem Produktionsjahr auch die ersten beiden Verwertungsjahre in einer Dreijahresplanung berücksichtigt. In Abhängigkeit von Größe und insbesondere Gesellschaftsform der Produktionsfirma umfasst die Jahresplanung eine Planung der kompletten Gewinn und Verlustrechnung (GuV), Bilanz und einer simplifizierten Cash-Flow Rechnung. In keinem der untersuchten Unternehmen wurde eine integrierte Planung, d.h. die Verlinkung von GuV, Bilanz und Cash- Flow, und damit eine Abdeckung der operativen und Finanzierungskosten auf Unternehmensebene praktiziert. Insbesondere aufgrund des Projektcharakters des Produktionsgeschäftes wurde eine Bilanz und integrierte Cash Flow Planung als schwierig angesehen. 28
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