ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria

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ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria
10–11/2022

                                       S
                              ULTUR HAU
                        KINO K

ÖSTERREICH REAL
DOKUMENTARFILM IN KRISENZEITEN

PETER SCHREINER | 100 JAHRE OSKAR WERNER
ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria
INHALT

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ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria
INHALT

AUSSTELLUNG
100 JAHRE OSKAR WERNER | BIS 29.1.2023                                        04
FILMPROGRAMM OSKAR WERNER | 5.11.–30.11.                                      09
OSKAR-WERNER-SPECIAL: GYMNASIUM MARCHETTIGASSE | 8.11.                        14
SPECIAL ZUM 100. GEBURTSTAG: EIN TAG MIT OSKAR WERNER | 13.11.                16
RETROSPEKTIVEN
V’22: ÖSTERREICH REAL | 22.10.–29.11.                                         18
PETER SCHREINER | 10.11.–30.11.                                               36
KINOSTARTS
IT WORKS II | 2.11.–16.11.                                                    55
DIE SCHRIFTSTELLERIN, IHR FILM UND EIN GLÜCKLICHER ZUFALL | 5.11.–17.11.      56
A LITTLE LOVE PACKAGE | 18.11.–28.11.                                         57
MUTZENBACHER | 19.11.–28.11.                                                  58
FILM | UNIVERSITÄT
DIE »NEO-UFA« | 7.11.–21.11.                                                  60
FILM NOIR MEETS JAZZ | 8.11.–22.11.                                           62
REIHEN
SECOND LIFE | 3.11.–29.11.                                                    64
KINDER KINO KLASSIKER | 5.11.–27.11.                                          66
WILD FRIDAY NIGHT | 11.11.                                                    68
JÜDISCHER FILMCLUB WIEN | 16.11.                                              70
EIN ABEND MIT | 30.11.                                                        72
SPECIAL
DER NABEL DES TRAUMS | 12.11.                                                 74
FESTIVAL
XIV. MITTELAMERIKANISCHES FILMFESTIVAL | 20.11.–25.11.                        76
SATYR FILMWELT                                                                78
CLUB                                                                          82
SPIELPLAN                                                                     84
ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria
PROGRAMM 20.10.–30.11.2022
ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria
EDITORIAL

     K   risen, wohin man sieht. Noch nie wurde Realität so perma-
         nent und intensiv abgebildet wie in diesen Zeiten. Die
     enorme Bandbreite an filmischen Formen, Zugängen und
     Verarbeitungen, wie sie heute auch im heimischen Dokumen-
     tarfilm zu finden ist, ist dabei keineswegs selbstverständlich.
     Die diesjährige Viennale-Retrospektive Österreich real und
     die gleichnamige Publikation bilden den Auftakt zu einer
     weiterführenden spannenden Auseinandersetzung mit der
     40-jährigen Geschichte österreichischer Dokumentation.
     Er bewegt sich gekonnt jenseits aller Kategorisierungen und
     in der Regel gegen den Strom: Peter Schreiner, Menschen
     liebender Solitär und sensibler Grenzgänger. In der bislang
     umfassendsten Werkschau des Wiener Kameramanns und
     Regisseurs präsentieren wir brandneue Restaurierungen des
     Filmarchiv Austria sowie den neuen Band der Edition »Film
     Geschichte Österreich«. Krisen spielten eine wohl prägende
     und auch treibende Rolle im Leben von Oskar Werner, dem
     heuer die große Ausstellung im METRO Kinokulturhaus ge­
     widmet ist. Hier trat er mit 19 Jahren als Schauspieler auf,
     hielt die erste seiner berühmten Lesungen. Anlässlich seines
     Geburtstages am 13. November feiern wir den Jahrhundert-
     künstler mit einem speziellen Jubiläumsprogramm: Großes
     Kino für Oskar Werner!

     Ernst Kieninger und das Filmarchiv-Team

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ÖSTERREICH REAL - KINO KULTUR HAUS 10-11/2022 - Filmarchiv Austria
AUSSTELLUNG BIS 29. JÄNNER 2023

O  skar Werner im METRO Kinokulturhaus: Hier absolvierte er im Alter von 19 Jah-
   ren einen seiner ersten Auftritte als Schauspieler und hielt als »Stimmspieler«
kurze Zeit später die erste seiner berühmten Lesungen. Seit März ist der in Wien
geborene Weltstar wieder präsent mit der ihm gewidmeten großen Ausstellung,
die auch anhand von bislang unveröffentlichtem Material aus dem vom Filmarchiv
Austria aufgearbeiteten Nachlass neue Einblicke liefert in ein grenzgängerisch-
geniales Leben und Werk. Anlässlich seines 100. Geburtstages am 13. November
feiern wir den Jahrhundertkünstler mit einem speziellen Jubiläumsprogramm:
Großes Kino für Oskar Werner!
Der 13. November startet mit einem Filmfrühstück (S. 12), weiters finden Führungen durch die
Aus­stellung statt sowie spezielle Bühnen- und Filmprogramme (S. 17). Ein Oskar-Werner-Special
(S. 15) führt am 8. November an das Bundesrealgymnasium Marchettigasse, wo Werner einen
Teil seiner Schulzeit verbrachte.

V'22-Aktion: Ermäßigter Eintritt in die Ausstellung mit einem Viennale-Ticket!
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FILMARCHIV AUSTRIA ONLINE
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DIGITORIAL »100 JAHRE
OSKAR WERNER«
KOSTENLOSE ONLINE-AUSSTELLUNG
                                                          DAS METRO

                                                          125 JAHRE KINO

Oskar Werner mit seiner Großmutter Karoline Zelta,        HANS MOSER
Ende 1930er-Jahre

Begleitend zur aktuellen Ausstellung im METRO Kino­
kulturhaus gibt das Digitorial »100 Jahre Oskar
Werner« vertiefende Einblicke und beleuchtet auch
bislang unbekannte Seiten des Schauspielers und
Privatmenschen.
                                                          KINO WELT WIEN
Seit 2018 präsentieren interaktive Online-Ausstellungen
Hintergründe zur österreichischen Film- und Kino­
geschichte und ergänzen so ausgewählte Programm-
und Sammlungsschwerpunkte des Filmarchiv Austria
in kurzweiliger, digitaler Form.

                                                          DIE STADT OHNE
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OSKAR WERNER | AUSSTELLUNG

AKTUELLE VERMITTLUNGANGEBOTE
»To preserve and to show«: Als »aktives Archiv«, das die intensive Sammlungsarbeit
auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich und buchstäblich anschaulich machen
möchte, bietet das Filmarchiv Austria ein zielgruppenorientiertes Vermittlungs­
programm für Schüler- und Studentengruppen sowie Individualpersonen an. Für
Gruppen sind Führungen auch außerhalb der Öffnungszeiten buchbar. Bitte richten
Sie Ihre Anfrage an ausstellungen@filmarchiv.at.

Unsere Vermittlungsangebote können mit dem Kombiticket auch mit
einem Kinobesuch verbunden werden.

Weitere Informationen auf www.filmarchiv.at/education

SA 29.10., 15:00 | SA 5.11., 15:00 | SO 13.11., 15:00 (L)
SO 13.11., 17:00 (L) | SA 19.11., 15:00
FÜHRUNG
Eine spannende Tour durch Oskar Werners künstlerisches Universum und
seinen privaten Mikrokosmos.
Dauer: ca. 90 min
Kosten: 9,– | ermäßigt 7,–

MI 2.11., 14:30 (K) | MI 9.11., 14:30 (L) | SO 13.11., 14:00 (K) | SO 13.11., 16:00 (K)
MI 16.11., 14:30 (K) | MI 23.11., 14:30 (L) | MI 30.11., 14:30 (K)
KURATORENFÜHRUNG
Raimund Fritz gibt detaillierte Einblicke und widmet sich abwechselnd
Oskar Werners Leben (L) und Kunst (K).

Dauer: ca. 100 min
Kosten: 9,– | ermäßigt 7,–
Anmeldung erbeten unter ausstellungen@filmarchiv.at
(beschränkte TeilnehmerInnenzahl)

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BÜCHER | DVD/BLU-RAY | KALENDER | POSTER
KATALOG ZUR AUSSTELLUNG            KALENDER 2023             DVD/BLU-RAY
100 JAHRE OSKAR WERNER             OSKAR WERNER              DER ENGEL MIT
Raimund Fritz/                     Raimund Fritz (Hg.)       DER POSAUNE
Martina Zerovnik (Hg.)             Wandkalender mit          Karl Hartl
Mit zahlreichen bislang unveröf-   13 Abbildungen            Neu restaurierte Fassung mit
fentlichten Abbildungen                                      Booklet und Bonusmaterial
                                   POSTEREDITION
BUCH                               OSKAR WERNER              Weitere Produkte im Webshop
OSKAR WERNER –                     Set mit drei exklusiven   auf www.filmarchiv.at oder direkt
SEINE FILME                        Poster- Porträts          im METRO Kinokulturhaus
Raimund Fritz (Hg.)
Umfassende Filmografie und
unbekannte Hintergründe
OSKAR WERNER | FILMPROGRAMM

 SA 5.11., 17:00 | MI 16.11., 16:45

DER LETZTE AKT
G. W. Pabst, A 1954/55
BUCH Fritz Habeck, nach dem Roman Ten Days To Die von Michael A. Musmanno | KAMERA Günther Anders,
Hannes Staudinger | MUSIK Erwin Halletz | MIT Albin Skoda, Oskar Werner, Lotte Tobisch, Erik Frey, Curt Eilers
115 min | s/w, dt. OF, 35mm

Der Film spielt fast zur Gänze im Bunker der Reichskanzlei im April 1945 und zeigt
die letzten zehn Tage im Leben von Adolf Hitler. Basierend auf einen Sachroman ist
Werners Figur des Hauptmann Wüst die einzige, die nicht historisch verbürgt ist,
wodurch es dem Schauspieler möglich ist, seine persönlichen Erlebnisse – Werner
war einst Soldat der Wehrmacht – in die Rolle einzubringen. Damit die Produktion –
es ist der erste Film nach 1945, der sich mit Hitler beschäftigt – umgesetzt werden
kann, verzichtet er sogar auf einen Teil seiner Gage. Sprichwörtliche Popularität
erlangen Werners letzte Worte: »Sag nie wieder ›Jawohl‹, denn damit hat der ganze
Mist angefangen ... Seid wachsam!« Marlon Brando war so beeindruckt von seiner
Darstellung, dass er sich die Todesszene mehrmals vorführen ließ. (rf)
DI 8.11.: Oskar-Werner-Special im Gymnasium Marchettigasse mit
Filmvorführung, Eintritt frei (S. 15)

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OSKAR WERNER | FILMPROGRAMM

 MI 9.11., 17:00 | MO 14.11., 18:00
EROICA

Walter Kolm-Veltée, A 1947/49
BUCH Walter Kolm-Veltée, Norbert Kunze
KAMERA Günther Anders | MUSIK Alois Melichar
MIT Ewald Balser, Marianne Schönauer, Judith
Holzmeister, Oskar Werner, Dagny Servaes
98 min | s/w, dt. OF, 35mm

Ein Biopic über Ludwig van Beethoven mit einem genialen Ewald Balser als Musikgenie.
Oskar Werner spielt dessen labilen Neffen Karl. Es ist die erste Zusammenarbeit der
beiden Burgschauspieler vor der Kamera, die mit ihrem Können dem Film den Stempel
aufdrücken. EROICA ist ein österreichischer Prestigefilm, der auf den Filmfestspielen
von Cannes und São Paulo gezeigt wird. (rf)

 FR 11.11., 20:00 | MI 23.11., 18:00
ZWISCHENSPIEL

Kevin Billington, US 1967
INTERLUDE | BUCH Lee Langley, Hugh Leonard
KAMERA Gerry Fisher | MUSIK Georges Delerue
MIT Oskar Werner, Barbara Ferris, Virginia Maskell,
Donald Sutherland, John Cleese
113 min | Farbe, dF, 35mm

Der verheiratete Stardirigent Zelter ist ständig auf Tournee und beginnt eine leiden-
schaftliche Affäre mit einer Reporterin. Als seine Ehefrau dahinterkommt, verlangt
sie von ihm, sich für eine der beiden zu entscheiden. Auf seiner künstlerischen Suche
nach der inneren Wahrheit bringt Oskar Werner nach MOZART auch hier viel von sich
in die Rolle ein (Kostüm, Musikauswahl), weshalb INTERLUDE zu seinen persönlichsten
Filmen zählt. (rf)

10
OSKAR WERNER | FILMPROGRAMM

 SA 12.11., 19:30
EIN GEWISSER JUDAS

Oskar Werner, BRD 1958
BUCH Harald Zusanek, nach dem Stück Un nommé
Judas von Claude-André Puget und Pierre Bost
KAMERA Hannes Staudinger | MIT Oskar Werner,
Gertrud Kückelmann, Karl Lieffen, Josef Sieber
73 min | s/w, dt. OF, DCP

Passionsspiel basierend auf einem Theaterstück, das den Verrat an Jesus Christus aus
der Sicht von Judas Ischariot zeigt – Ende der 1950er-Jahre ein gewagtes Unterfangen
und von etlichen Rezensenten entsprechend kritisiert. Es ist Werners erster TV-Film
und gleichzeitig seine einzige Regiearbeit, für die er zahlreiche Freunde aus seiner
Theaterzeit engagiert. Ein absolut seltenes Filmerlebnis! (rf)

 SA 12.11., 21:00 | SO 20.11., 16:30
JULES ET JIM

François Truffaut, F 1961
BUCH François Truffaut, Jean Gruault, nach dem
Roman von Henri-Pierre Roché | KAMERA Raoul
Coutard | MUSIK Georges Delerue | MIT Jeanne
Moreau, Oskar Werner, Henri Serre, Marie Dubois
106 min | s/w, franz. OmeU, DCP

Die Geschichte zweier Freunde, die sich in dieselbe Frau verlieben, zählt bei Publikum
und Kritik gleichermaßen zu den größten Erfolgen der Nouvelle Vague und beeinflusst
das Lebensgefühl einer ganzen Kinogeneration. Truffaut einige Jahre später über
ihre erste Zusammenarbeit: »Werner, von dem sich das Publikum bewegt fühlte,
verstand nicht ein Viertel seines Textes […]. Was er jedoch in den Film hineinlegte,
beweist den großen Burgschauspieler.« (rf)

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OSKAR WERNER | FILMPROGRAMM

 SO 13.11., 13:00 (OF) | SO 27.11., 16:30 (DF)

SHIP OF FOOLS
Stanley Kramer, US 1964
DAS NARRENSCHIFF | BUCH Abby Mann | KAMERA Ernest Lazlo | MUSIK Ernest Gold | MIT Vivien Leigh, Simone
Signoret, José Ferrer, Lee Marvin, Oskar Werner, Elizabeth Ashley, George Segal, José Greco, Heinz Rühmann
145 min | s/w, engl. OF/dF, 35mm/16mm

1933 – ein deutsches Passagierschiff steuert von Veracruz nach Bremerhaven. An Bord
Menschen unterschiedlichster Charaktere und Nationen, darunter eine drogensüchtige
Komtessa, in die sich der herzkranke Schiffsarzt Schumann verliebt. Mit diesem star-
besetzten Drama beginnt Werners zweite Karriere in Hollywood. SHIP OF FOOLS wird
sein erfolgreichster Film und macht ihn international bekannt. Für seine schauspiele-
rische Leistung erhält er mehrere Auszeichnungen, wird für den Oscar und Golden
Globe nominiert. Jahre später resümiert er: »SHIP OF FOOLS […] belongs to my most
treasured experiences I was allowed to have.« Großen Anteil daran hat auch Regisseur
Stanley Kramer, für den Oskar Werner ein »exceptional artist« ist. (rf/red)

SO 13.11., ab 11:00 Filmfrühstück (inkl. Kinoticket: 20,–, keine Ermäßigungen)
Anmeldung unter reservierung@filmarchiv.at

In Kooperation mit der Wiener Psychoanalytischen Akademie (siehe S. 74)

12
OSKAR WERNER | FILMPROGRAMM

 SA 19.11., 16:45 | MI 30.11., 17:00

FAHRENHEIT 451
François Truffaut, US/GB 1966
BUCH François Truffaut, Jean-Louis Richard, nach dem Roman von Ray Bradbury | KAMERA Nicolas Roeg
MUSIK Bernard Hermann | MIT Oskar Werner, Julie Christie, Cyril Cusack, Anton Diffring, Jeremy Spenser
113 min | Farbe, engl. OF, DCP

Irgendwo in naher Zukunft ist die Feuerwehr nicht mehr dazu bestimmt, Brände zu
löschen, sondern Bücher zu verbrennen, denn Bücher zu lesen und zu besitzen ist
verboten. Der in dieser Gesellschaft lebende Feuerwehrmann Montag steht kurz vor
einer Beförderung. Doch als er die Bekanntschaft einer Lehrerin macht, hinterfragt
er allmählich den Sinn seiner Arbeit. Truffaut und Werner – für den es die erste inter-
nationale Produktion mit einem Geldgeber aus Hollywood ist – freuen sich nach
JULES ET JIM auf ihre zweite Zusammenarbeit, doch Harmonie stellt sich diesmal
bei den Dreharbeiten nicht ein. Zum Knackpunkt wird die Rolleninterpretation des
Montag. Truffaut will einen gefühllosen Menschen, Werner das genaue Gegenteil.
Ein Kompromiss ist für beide nicht möglich. Als der Film in die Kinos kommt, bleibt
der große Erfolg aus. Heute Kult. (rf)

                                                                                                            13
Oskar Werners Zeugnis an der Staatlichen
Oberschule in der Marchettigasse offenbart die
  Nazi-Ideologie in einem speziellen Vermerk:

  »Obwohl mäßig entwickelt,
     könnte der Junge mehr
       leisten. Er hat keinen
Kampfgeist, ist oberflächlich,
    hat wenig Ausdauer und
        zeigt in den meisten
      Gegenständen infolge
geringen Pflichtbewußtseins
             wenig Interesse.
       Unliebsamer Störer.«

                 Schon im alter von 11 Jahren
              verfasst Oskar Werner Gedichte

14
OSKAR-WERNER-SPECIAL                                                  EINTRITT FREI

GYMNASIUM MARCHETTIGASSE
 FESTAKT AM 8. NOVEMBER 2022 IM BRG6 MARCHETTIGASSE

 A  m 13. November 1922 kommt Oskar Josef Bschliessmayer in Wien-Gumpendorf
    zur Welt und wächst in der Marchettigasse 1 A auf – in unmittelbarer Nähe jener
 Realschule, die er ab 1939 besucht. Das Jubiläum ist auch für das heutige BRG ein
 Anlass, gemeinsam mit dem Filmarchiv Austria diese besondere Verbindung zum
 späteren Weltstar mit einem eigens gestalteten Programm zu feiern. Anhand von
 Materialien aus dem Nachlass widmen sich die SchülerInnen in szenischen Lesungen
 und Vorträgen insbesondere dem unbekannten Frühwerk Werners. Das Filmarchiv
 Austria präsentiert mit DER LETZTE AKT einen Film, der dem Pazifisten Oskar Werner
 die Gelegenheit bot, seine persönliche Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus in
 seine Rolle einzubringen.

 18:00 Programm der SchülerInnen BRG6 Marchettigasse
 20:00 Filmvorführung DER LETZTE AKT (S. 9)
 Ort: Bundesrealgymnasium Marchettigasse 3, 1060 Wien | www.marchettigasse.at
 Zählkarten erhältlich unter post@bv06.wien.gv.at bzw. Tel. +43 1 4000 06 110

In Kooperation mit

                                                                                 15
Oskar Werner mit
               seinem Sohn Felix,
                Los Angeles, 1967

        »Oft hat man mich
       gefragt, wo ich den
        Herzanfall studiert
      habe … Ich habe ihn
         nicht studiert. Ich
          habe keinen Arzt
     konsultiert. So habe
       ich gefühlt, müsste
     es sein. Das ist dann
         innere Wahrheit.«
        Oskar Werner über seinen
        Filmtod in SHIP OF FOOLS

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EIN TAG MIT OSKAR WERNER
 SPECIAL ZUM 100. GEBURTSTAG AM 13. NOVEMBER

 D   er 13. November ist im METRO Kinokulturhaus natürlich ganz und gar Oskar
     Werner gewidmet: Auf ein ausgedehntes Filmfrühstück folgen Führungen durch
 die Ausstellung, die in seine Kunst und sein Leben spannende und neue Einblicke
 liefern. Im Pleskow-Saal ist Werner durchgehend in seinen legendären Lesungen
 zu sehen – und vor allem zu hören: TV-Aufzeichnungen aus dem Theater an der
 Wien zeigen den großen Stimmspieler und seine Interpretationen von Goethe,
 Schiller und Weinheber. Nikolaus Habjan findet in seinem sublimen Puppenspiel
 einen ganz eigenen, faszi­nierenden Zugang zu Werner: eine Hommage basierend
 auf einer Tonaufnahme von Rilkes Cornet. Der Jubiläumstag endet schließlich mit
 einem ganz besonderen Highlight: der neuen, sehr persönlichen Dokumentation
 von Oskar Werners Sohn Felix, die im METRO Kinokulturhaus ihre Premiere feiert.

PROGRAMM

Ab 11:00   Filmfrühstück SHIP OF FOOLS (S. 12)
Ab 14:00   Führungen durch die Ausstellung (S. 7)
           Nonstop-Kino:
           OSKAR WERNER SPRICHT GOETHE UND SCHILLER (A 1979)
           OSKAR WERNER LIEST JOSEF WEINHEBER (A 1979)
19:00      Puppenspiel von Nikolaus Habjan:
           Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke
20:00      WHO IS OSKAR WERNER? (Felix Werner, CH/US 2022)

Eintritt frei für FAA-Clubmitglieder (ausgenommen Filmfrühstück)
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ÖSTERREICH REAL
DOKUMENTARFILM
IN KRISENZEITEN

18
RETROSPEKTIVE VOM 22. OKTOBER BIS 29. NOVEMBER 2022

»H     ierzulande hat man den Dokumentarfilm lange verdrängt, obwohl und gerade
       weil dieser besonders zur Reflexion der gesellschaftlichen Realität und nationa-
len Identität in der Lage wäre.« Dem spezifischen österreichischen Verhältnis zu dieser
Gattung, das Christa Blümlinger 1986 beschreibt, steht heute eine Vielfalt an filmischen
Formen und Zugängen zur Realität gegenüber, die in Krisenzeiten besonders sichtbar
wird und wiederum selbst Krisen der Repräsentation zeitigt. Fünf Programme im Rah-
men der Viennale, im Anschluss gefolgt von weiteren Arbeiten, sind der Versuch, in
genau dieser Vielheit und im Dialog der Filme mit- und untereinander die produktiven
Krisen zu kartografieren, die der Dokumentarfilm in Österreich hervorgebracht hat.

Der von den KuratorInnen herausgegebene Sammelband Österreich real: Dokumentarfilm 1981–2021
wird im Rahmen der Eröffnung präsentiert. Das Programm bildet den Auftakt zu einer mehrteiligen,
die Publikation begleitenden Retrospektive im METRO Kinokulturhaus.

Bis einschließlich 1. November erfolgt der Ticketverkauf ausschließlich über die Viennale.

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ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

»TREIBHÄUSER DES
DOKUMENTARFILMS«
ALEJANDRO BACHMANN | MICHELLE KOCH

S  o beschreibt Klaus Kreimeier einmal Krisenzeiten. Sie bringen Konflikte mit sich,
   Konflikte erzeugen Reibung und versammeln unterschiedliche Perspektiven zu
einem Dialog oder Streit. In Krisen wird etwas sichtbar – der Charakter eines Men-
schen, die Strukturen des Gesellschaftlichen und deren Verhältnis zueinander. Das
das Auge mit dem Denken und Fühlen verschaltende Medium Film trifft in Krisen auf
eine potenzierte Sichtbarkeit, in der die Struktur, die das Wahrnehmbare auf einer
tieferen Ebene zusammenhält, mit hervortritt. Es verhält sich mit der Realität im
Dokumentarfilm wie mit der filmischen Apparatur im Kino: Sie wird immer dann
sichtbar, wenn sie ins Stottern gerät, unrund läuft, Risse entstehen.

»In einem Land, das seine kulturelle Identität immer noch aus ›mundgerechten‹
Darbietungen des barocken Theaters und der Operette herleitet, scheint es besonders
schwierig zu sein, die Sensibilität für ein Medium, das die Wirklichkeit hinterfragt,
zu wecken«, schreibt Christa Blümlinger 1986 über das spezifische österreichische
Verhältnis zum Dokumentarfilm, den man lange verdrängt habe, trotz oder gerade

20
aufgrund seiner Möglichkeit zur Reflexion. Er floriert also nicht nur in der Krise, er
ist selbst die Krise einer bestimmten Form der Repräsentation, die die zu einfachen,
glatten Bilder und Selbstbilder, in denen Einzelne, die Gesellschaft, ein Nationalstaat
sich selbst begegnen, aufbricht und zum Straucheln bringt. Die Breite der Produk-
tions-, Rezeptions- und Diskursstrukturen und nicht zuletzt der filmischen Formen
der dokumentarischen Gegenwart in Österreich war damals noch nicht abzusehen.
Ohne die Einführung des Filmförderungsgesetzes 1981 wäre sie auch in dieser Form
nicht entstanden.

Das hier präsentierte Programm mit Kurz- und Langdokumentarfilmen aus der Zeit
zwischen 1973 und 2022 kann kein Bild des Dokumentarfilms in Österreich in den
letzten vierzig bis fünfzig Jahren vermitteln. In Andeutungen und filmischen Kombi-
nationen kann es aber von einer Vielheit erzählen – der Formen, der Zugänge, der
Situiertheiten und Anlässe –, die extrapoliert eines der zentralen Merkmale des
Dokumentarfilms in Österreich ist. Aus dieser Beobachtung wiederum ließe sich der
Dokumentarfilm gerade in seiner Formenvielfalt als durchgehende, in tausend For-
men schillernde Krise der zu einfachen Erzählungen, der zu glatten Bilder, der zu
reinen Identitäten beschreiben. So vielleicht wäre wirklich einmal von einer »Krise als
Chance« zu sprechen.

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AB
   OKTOBER
    IM SHOP

Alejandro Bachmann/Michelle Koch (Hg.)

ÖSTERREICH REAL
DOKUMENTARFILM 1981–2021
Ca. 600 Seiten, zahlreiche Abbildungen
Das Bild des österreichischen Kinos bezieht sich – national wie international –
zu einem nicht unerheblichen Anteil auf den Dokumentarfilm. Der Sammelband
geht dem kreativen Feld, aus dem diese Filme in den letzten 40 Jahren entstanden
sind, in 25 Beiträgen, über 50 Vignetten und rund 250 Filmstills nach.
Ab Oktober erhältlich in der Satyr Filmwelt und auf filmarchiv.at/shop
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 SA 22.10., 21:00 | FR 4.11., 20:00

DIE KRISE IST DER MARKT
AUF AMOL A STREIK
Josef Aichholzer/Ruth Beckermann, A 1978
KAMERA / SCHNITT Josef Aichholzer, Ruth Beckermann
24 min | s/w, dt. OmeU, DCP

EINE MILLION KREDIT IST NORMAL, SAGT MEIN GROSSVATER
Gabriele Mathes, A 2006
SCHNITT Gabriele Mathes, Hermann Lewetz | MUSIK Andrea Sodomka
22 min | Farbe, eF, 35mm

MICHAEL BERGER. EINE HYSTERIE
Thomas Fürhapter, A 2010
KAMERA Chris Weiß, Manuel Zauner | SCHNITT Thomas Fürhapter
50 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

Ein Streik, ein Konkurs, ein groß angelegter Investitionsbetrug – egal ob als Krisen
des Marktes oder ohnehin mitkalkulierte Kollateralschäden, der Dokumentarfilm in
Österreich schaut dem Markt auf die Finger: Josef Aichholzer und Ruth Beckermann
beschreiben in AUF AMOL A STREIK den Kampf der ArbeiterInnen im Semperit-Werk,
Gabriele Mathes spürt in EINE MILLION KREDIT IST NORMAL, SAGT MEIN GROSSVATER
in Super-8-Aufnahmen den Folgen des Niedergangs der familiären Möbelfabrik nach,
und Thomas Fürhapter berichtet mit MICHAEL BERGER. EINE HYSTERIE von der raum-
zeitlichen Auflösung des globalen Marktes hin zu einem allumfassenden Netz. (ab/mk)

SA 22.10.: Buchpräsentation Österreich real. Dokumentarfilm 1981–2021
in Anwesenheit der HerausgeberInnen und FilmemacherInnen
                                                                                               23
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 MO 24.10., 11:00 | DO 3.11., 21:00

NACH DEM KRIEG IST VOR DEM KRIEG
DURING THE MANY YEARS
Goran Rebić, A 1991
SCHNITT Goran Rebić
40 min | Farbe, engl./dt./georg. OF, DigiBeta

SOMEWHERE ELSE
Barbara Albert, A 1997
KAMERA Christine A. Maier | SCHNITT Torsten Heinemann
60 min | Farbe, engl./dt./bosn. OmeU, DCP

Tiflis im Jahr eins nach der Unabhängigkeit und kurz vor dem Bürgerkrieg, Sarajevo
am Ende des Kriegs im ehemaligen Jugoslawien. Der Dokumentarfilm in Österreich
blickt wiederkehrend und mit dem Ende des Eisernen Vorhangs vermehrt nach Osten,
nicht selten auf die Spuren der Kriege. In Goran Rebićs DURING THE MANY YEARS
erzählen Menschen von den Veränderungen seit der Lösung von der Sowjetunion; in
Barbara Alberts SOMEWHERE ELSE (der parallel zu Nikolaus Geyrhalters DAS JAHR
NACH DAYTON entstand) berichten Jugendliche von der Belagerung der Stadt und
von dem Versuch, eine Zukunft zu denken. Dieser Horizont gehört den Menschen vor
der Kamera, die FilmemacherInnen sind dort, um sich von jenem erzählen zu lassen,
das sie nicht kennen und das sie doch betrifft. (ab/mk)

MO 24.10.: In Anwesenheit der FilmemacherInnen

24                                                      *Kopie: Österreichisches Filmmuseum
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 DI 25.10., 11:00 | MO 7.11., 18:00

KRISE: LEBEN
ICH SCHAFF’S EINFACH NIMMER
John Cook, A 1973
BUCH / KAMERA John Cook | SCHNITT Stefanie Schulz | MIT Elfie Semotan
50 min | s/w, dt. OF, 16mm*

KNITTELFELD – STADT OHNE GESCHICHTE
Gerhard Benedikt Friedl, A/D 1997
BUCH Gerhard Benedikt Friedl | KAMERA Rudolf Barmettler | SCHNITT Gerhard Benedikt Friedl
35 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

DOPPELGÄNGER
Michaela Taschek, A 2018
BUCH / KAMERA Michaela Taschek | SCHNITT Sandra Wollner | MUSIK Anna Kohlweis
20 min | Farbe, dt. OF, DCP

»Ich schaff's einfach nimmer«, der Titel des gleichnamigen Films von John Cook aus
dem Jahr 1973, könnte der Ausspruch eines jeden Menschen sein, um den es in den
Filmen dieses Programms geht: Das Leben stellt sich gegen einen – wenn man Roma
in Wien in den 1970er-Jahren ist, wenn man der Familie Pritz aus Knittelfeld ange-
hört, wenn man als Vater der Regisseurin von DOPPELGÄNGER irgendwie nicht mehr
so recht anwesend ist, an den Dingen kaum teilhat, wie ausgewechselt erscheint.
Alle drei Filme beobachten Alltägliches, um in der scheinbaren Gleichförmigkeit des
Lebens die spezifischen Krisen zu beschreiben, die das Dasein jedes Einzelnen ins
Verhältnis zu gesellschaftlichen Zusammenhängen stellt. (ab/mk)

DI 25.10.: In Anwesenheit von Michaela Taschek
                                                                                                      25
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 DO 27.10., 11:00

KRIEG UND LIEBE IN WIEN
CARMEN
Anja Salomonowitz, A 1999
KAMERA Hannes Anderwald | SCHNITT Gregor Wille, Anja Salomonowitz | MUSIK Samir Zeciri, Helmut Kahlert
23 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

KRIEG IN WIEN
Michael Glawogger/Ulrich Seidl, A 1989
BUCH Michael Glawogger, Ulrich Seidl, Ortrun Bauer, Andrea Wagner, Barbara Zuber | KAMERA Ortrun Bauer,
Hans Selikovsky, Wolfgang Thaler | SCHNITT Andrea Wagner, Ortrun Bauer | MUSIK Armin Pokorn, Günter Kiffmann
84 min | Farbe, dt. OF, 16mm*

Die Allgegenwart der technischen Bilder führt auch zu einer permanenten Anwesen-
heit globaler Krisen vor Ort: Michael Glawoggers und Ulrich Seidls KRIEG IN WIEN
macht sich diese Medien-Realität zum Grundprinzip und verschaltet Nachrichten­
bilder aus der ganzen Welt mit Alltagsszenen in Wien. Wo und wann die Krise beginnt
und aufhört, wird zunehmend schwerer zu unterscheiden, ist mehr eine Frage der
Montagefolge und weniger die tatsächlicher raumzeitlicher Gegebenheiten. Zehn
Jahre später porträtiert Anja Salomonowitz an einem anderen Ort der Bilder Carmen
Martinek, die ein libidinöses Verhältnis zu Kinosälen unterhält. Doch das Kino gehört
nicht nur ihr und ist zudem am Aussterben – und damit auch diese Liebe schon auf
dem Weg in die Krise. (ab/mk)

26                                                                      *Kopie: Österreichisches Filmmuseum
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 SO 30.10., 21:00 | DI 8.11., 18:00

KUNST UND KRISE
SEMRA ERTAN
Cana Bilir-Meier, A/D 2013
BUCH / KAMERA / SCHNITT Cana Bilir-Meier | MUSIK Enjott Schneider
8 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

JAMES ELLROY: DEMON DOG OF AMERICAN CRIME FICTION
Reinhard Jud, A 1993
BUCH Reinhard Jud, Wolfgang Lehner | KAMERA Wolfgang Lehner | SCHNITT Karina Ressler
90 min | Farbe, engl. OF, 16mm

Zwei vollkommen unterschiedliche Filme über das Verhältnis von künstlerischer
Arbeit und einer Sensibilität für das Krisenhafte der Gegenwart, in der man lebt:
Aus Bruchstücken von Gedichten, Fernseh- und Tonbeiträgen montiert Cana Bilir-Meier
ein filmisches Erinnern an die Dichterin und Bauzeichnerin Semra Ertan, die sich
1982 aus Protest gegen Rassismus in Deutschland selbst anzündet. Auch James Ellroy,
den Reinhard Jud mit der Kamera auf einem Round Trip durch L. A. begleitet, begreift
die Stadt um sich herum als dunkle, gewaltdurchtränkte Seite des amerikanischen
Traums. Wo Bilir-Meier die visuelle Form für das Erinnern an die Künstlerin erst finden
muss, zitiert Jud gemeinsam mit Ellroy einen Kanon der Bilder der Stadt, des Künst-
lers, des Kinos. (ab/mk)

SO 30.10.: In Anwesenheit von Reinhard Jud

                                                                                                   27
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 DO 3.11., 19:00 | FR 18.11., 18:00

UNCOMFORTABLY COMFORTABLE
Maria Petschnig, A/US 2022
BUCH Maria Petschnig | KAMERA Maria Petschnig | MIT Marc Thompson
72 min | Farbe, engl. OmdU, DCP

Marc Thompson ist Ende 50, wuchs in New York auf, war insgesamt 17 Jahre lang
im Gefängnis und lebt seit bereits über einem Jahr in einem Auto, als ihn die Filme-
macherin Maria Petschnig im Frühling 2018 kennenlernt. Seine freiwillige Obdach­
losigkeit hat sowohl psychologische wie ökonomische Gründe. Sie beginnt, ihn über
den Zeitraum eines ganzen Jahres mit der Kamera zu begleiten und sein Leben,
seinen Alltag und seinen Existenzkampf aufzuzeichnen, seine Ängste und Gedanken
festzuhalten. UNCOMFORTABLY COMFORTABLE ist ein experimentelles Videoporträt,
das Fragen zu Wohnungslosigkeit und den Auswirkungen von Inhaftierung und Trauma
stellt, darüber hinaus aber auch Freundschaft, Rassismus und ein Leben am Rande
der Gesellschaft thematisiert. (red)

DO 3.11.: In Anwesenheit von Maria Petschnig
Freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder (mit Begleitung)

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ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 FR 4.11., 18:30
NO NAME CITY

Florian Flicker, A 2006
BUCH Florian Flicker | KAMERA Birgit Guðjónsdóttir
MIT Anita Braun, Fritz Csar, Sepp Krassnitzer,
Hans Kreuzmayr, Brigitte Danninger
86 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Ein Western-Erlebnispark, 30 Kilometer vor Wien. Eine Handvoll Menschen arbeitet
am Traum von einem selbstbestimmten Leben. Doch hinter den Kulissen spielt
sich ein bitterer Machtkampf ab. Während der Dreharbeiten spitzt sich die Lage
zu, der große Showdown steht bevor. Träume zerbrechen, Fiktion und Wirklichkeit
verschwimmen immer mehr. Die Lage scheint aussichtslos, bis ein möglicher Retter
erscheint ... (red)

 SA 5.11., 20:00
ZERO CROSSING
Johannes Holzhausen, A 2000
40 min | Farbe, dt. OF, DCP

HELDENPLATZ,
19. FEBRUAR 2000
Constantin Wulff, A 2000
56 min | Farbe, dt. OF, DCP

Das Kino als unmittelbarer Resonanzraum: Als das Kabinett Schwarz-Blau I im
Februar 2000 unterirdisch zur Angelobung schreitet, schwärmen Tausende auf die
Straßen, um ihren Protest kundzutun. Unter dem Motto »Die Kunst der Stunde ist
Widerstand« entsteht eine Fülle an Arbeiten, die die Stimmung jener Tage einfangen.
Beide Filme zeigen Menschen, die ihre Ablehnung, ihre Ratlosigkeit und ihr Ohnmachts­
gefühl gegenüber der neuen Regierung zum Ausdruck bringen. (fw)

                                                                                      29
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 SO 6.11., 17:30 TEIL 1: DIE ORDNUNG DER DINGE
 SO 6.11., 20:30 TEIL 2: DER LAUF DER DINGE

HIMMEL UND ERDE
Michael Pilz, A 1979–1982
KAMERA Michael Pilz, Helmut Pirnat, Moritz Gieselmann, Wolfgang Simon
MUSIK Ensemble Blümchen Blau, Kirchenchor St. Anna
141 min (Teil 1), 154 min (Teil 2) | Farbe, dt. OF, 35mm*

Ein ganzes Jahr lang begleitet Michael Pilz die Einwohner eines steirischen Berg­
dorfes bei ihrer Arbeit, ihrem Alltag, ihrem Tun. In die Abgeschiedenheit hinein tönt
langsam die »moderne« Außenwelt, der bäuerliche Lebensalltag verschwindet zu-
nehmend. Pilz begreift sich nicht bloß als Beobachter, sondern als Teil dieser Gemein-
schaft, deren Gepflogenheiten er mit seiner Kamera registriert und reflektiert. Dieser
Ansatz macht den in zwei Teile gegliederten Fünfstünder zu einem in vielerlei Hin-
sicht monumentalen Werk – eine Zäsur, nicht nur für den österreichischen Dokumen-
tarfilm. Ulrich Gregor: »Wenn man sich ein bisschen auf diesen Film einlässt, zieht er
einen bald in einen eigenen Kosmos hinein; man kann ihn zu jenen Werken rechnen,
die einen wieder neu sehen und hören lehren.« (fw)
In Anwesenheit von Michael Pilz

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ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 MO 7.11., 20:00

VORWÄRTS
Susanne Freund, A 1995
BUCH Susanne Freund | KAMERA Jerzy Palacz | MIT MitarbeiterInnen der SPÖ-Sektion 22, Wien Leopoldstadt
80 min | Farbe, dt. OF, 35mm*

Im Wahljahr 1994 dokumentiert Susanne Freund die Tätigkeiten einer SPÖ-Sektion in
der Leopoldstadt. Für die Genossinnen und Genossen und ihre neu gewählte Vorsit-
zende Brigitte Ederer heißt es vor allem laufen und Klinken putzen, auch wenn sie
langsam merken, dass man ihnen immer seltener die Türe öffnet. Allen Bemühungen,
sich für die Menschen im Grätzel einzusetzen, zum Trotz, sinken die Mitgliederzahlen,
fehlt es an neuen, jungen Mitarbeitern. Zwischen Kinderdisco und Pensionistenfeiern,
beim Maiaufmarsch oder Muttertag begleitet VORWÄRTS seine ProtagonistInnen und
ist inzwischen ein historisches Dokument des politischen Wandels: Er zeigt, was an
politischer Kultur innerhalb eines Vierteljahrhunderts verloren gegangen ist. Ein
ganz und gar bemerkenswerter Film! (fw)

In Anwesenheit von Susanne Freund

*Kopie: Österreichisches Filmmuseum                                                                      31
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 MI 9.11., 19:30

NICHTS NEUES
Lennart Hüper, D/A 2021
BUCH Lennart Hüper | KAMERA Lennart Hüper
81 min | Farbe, dt. OmeU, DCP

»Ich kann Ihnen sagen, was morgen passiert: nix.« Seit Monaten sitzt die Crew des
zivilen Seenotrettungsschiffes Lifeline in Malta fest. Nach der Rettung von über 450
Geflüchteten muss sich Kapitän Claus-Peter Reisch wegen angeblich falscher Papiere
vor Gericht verantworten. Solange das Verfahren läuft, bleibt das Schiff beschlag-
nahmt. Und die Hoffnung auf ein rasches Urteil schwindet täglich. Während Luxus-
dampfer den Hafen verlassen, wird auf der Lifeline gewaschen, gekocht, das Deck ge-
schrubbt. In seinem Langfilmdebüt begleitet Lennart Hüper die Besatzung in einem
Alltag des Wartens, während das Ertrinken auf der tödlichsten Fluchtroute zwischen
Libyen und Italien weitergeht. Er zeigt Menschen, die im Kampf gegen die kafkaesken
Mühlen der europäischen Migrationspolitik zur Untätigkeit verurteilt sind. Wieder ein
Prozesstag – nichts Neues. (red)
In Anwesenheit von Lennart Hüper und weiteren Filmgästen

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ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 MO 14.11., 21:00
AUSLÄNDER RAUS!
SCHLINGENSIEFS CONTAINER

Paul Poet, A 2002
BUCH Paul Poet | KAMERA Robert Winkler,
Mario Sternisa | MIT Luc Bondy, Daniel Cohn-Bendit,
Einstürzende Neubauten,  Elfriede Jelinek u. a.
90 min | Farbe, dt. OF, DCP

»Bitte liebt Österreich!« lautet die Parole, die Christoph Schlingensief im Rahmen der
Wiener Festwochen 2000 ausgibt. Vor der Staatsoper lässt er ein Containerdorf im
Big-Brother-Stil errichten und zwölf AsylwerberInnen einziehen, über die täglich telefo-
nisch abgestimmt wird. Paul Poet dokumentiert, wie Rechts und Links gleichermaßen
aus der Fassung geraten und entblößt den »Österreicher« in all seinen Facetten. (fw)

In Anwesenheit von Paul Poet

 DO 17.11., 19:00
EINE VON 8

Sabine Derflinger, A 2008
BUCH Sabine Derflinger | KAMERA Astrid Heubrandtner,
Frederike von Stechow, Marijana Gavrič, Sabine
Derflinger | MIT Frederike von Stechow, Marijana Gavrič
90 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Bei der Chemo-
therapie lernen sich Frederike und Marijana kennen. Sie teilen ihre Ängste, Hoffnungen
und Sehnsüchte und beflügeln einander mit ihrem Sinn für Humor, während ihnen
der Kampf gegen die Krankheit schwere Entscheidungen abverlangt. EINE VON 8
ist das faszinierende Porträt zweier Frauen, die gemeinsam versuchen, sich von der
Diagnose Brustkrebs nicht aus der Bahn werfen zu lassen. (red)

                                                                                       33
ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

 DO 17.11., 21:00
MEIN HALBES LEBEN

Marko Doringer, A 2008
BUCH Marko Doringer | KAMERA Marko Doringer
MUSIK Les Hommes Sauvages | MIT Katha Harrer,
Martin Obermayr, Thomas Berger
92 min | Farbe, dt. OF, 35mm

Marko hat eine Krise, aber sonst nicht viel: Er ist 30, hat nichts erreicht und soeben
den ersten Backenzahn verloren. Der Verfall hat begonnen. Was kann jetzt noch kom-
men, bevor es vorbei ist? Er bricht zu einer sehr persönlichen Forschungsreise auf,
besucht Freunde und befragt seine Eltern. Geht es ihnen besser als ihm? Warum ist es
so schwer, 30 zu sein? Das ironische Selbstporträt einer ganzen Generation. (red)

In Anwesenheit von Marko Doringer, freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder

 MO 28.11., 18:30
UNA PRIMAVERA

Valentina Primavera, D/I/A 2018
BUCH Valentina Primavera, Federico Neri
KAMERA Valentina Primavera | MIT Fiorella di
Gregorio, Alessia Camilletti, Chiara Primavera
81 min | Farbe, ital. OmdU, DCP

Nach 40 Ehejahren und unzähligen Episoden häuslicher Gewalt hat Fiorella von ihrem
Mann genug. Sie verlässt ihn, um ihr eigenes Leben zu leben. Ihre jüngste Tochter
Valentina folgt ihren ersten Schritten in eine unbekannte Zukunft mit der Kamera. Eine
komplexe Reise beginnt, die sie mit tief verankerten patriarchalen Strukturen konfron-
tiert und deren verheerende Auswirkungen auf Familie und Gesellschaft aufzeigt. (red)

Buchpräsentation Gewohnte Gewalt von Drehli Robnik und Joachim Schätz
in Anwesenheit der Herausgeber und AutorInnen

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ÖSTERREICH REAL | RETROSPEKTIVE

DI 29.11., 19:00

HOW TO PARTY IN SUBURBIA
FILME ZWISCHEN KUNST & KLIMAAKTIVISMUS
IM STADTERWEITERUNGSGEBIET
Videokunst, Aktivismus, Mobilclips – die Grenzen verlaufen fließend in den Arbeiten
von Christoph Schwarz. Den Ausgangspunkt zahlreicher Filme bildet die »Notgalerie«
in Aspern, ein Zwischennutzungsprojekt, das als niederschwellige Abspielfläche
für die alternative Wiener Kunstszene konzipiert war, im Stadterweiterungsgebiet
allerdings den Baggern zum Opfer fiel. 2021 formiert sich dort unter dem Hashtag
#Lobaubleibt eine große Protestbewegung, die ein Umdenken in der Wiener Verkehrs­
politik fordert und der sich Schwarz mit seiner Kamera anschließt, um ihre Aktionen
zu dokumentieren. Wir präsentieren an diesem Abend eine Auswahl seiner Werke,
darunter auch die Premiere seines neuen Films ICH WERDE NICHT DULDEN, DASS
IHR MICH ALLEINE LASST. (fw)

Im Anschluss an das Kurzfilmprogramm Diskussion mit ProtagonistInnen
und AktivistInnen

                                                                                    35
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PETER
SCHREINER
RETROSPEKTIVE VOM 10. BIS 30. NOVEMBER 2022

W    enig im österreichischen Kino ist so formal reich und menschenliebend wie das
     Schaffen von Peter Schreiner. Seit 1982 entstanden mehr als ein Dutzend
abendfüllende Filme, die sich allen üblichen Genrezuschreibungen verweigern: Sie
sind Spiele mit den Leben von Freunden und Verwandten, Erkundungsreisen durch die
Welt und die Möglichkeiten des Kinos, Versuche, den Mitmenschen näherzukommen.
Schreiners Werke sind Einladungen, das utopische Potenzial unserer aller Leben zu
entdecken – was sie zu den sicher nötigsten und wichtigsten dieser Jahre macht.

Die ersten drei Langfilme von Peter Schreiner werden in brandneuen Restaurierungen gezeigt, die
in enger Zusammenarbeit des Filmarchiv Austria mit dem Regisseur entstanden. Peter Schreiner
und Kurator Olaf Möller werden bei den Vorstellungen anwesend sein. Weiters wird im Rahmen der
Eröffnung der neue, Schreiner gewidmete Band der Edition »Film Geschichte Österreich« vorgestellt.

                                                                                              37
PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

GEGEN DEN STROM
RICHTUNG MENSCH
OLAF MÖLLER

P eter Schreiner ist eine der außerordentlichen Gestalten des österreichischen Kinos
  seit den 1980er-Jahren: ein sensibler Grenzgänger zwischen Spiel-, Dokumentar-
und Avantgardefilm, dessen Schaffen lange Zeit abseits der ausgetretenen Verleih-
und Festivalpfade zu Hause war.

Nicht, dass Schreiner es darauf angelegt hätte, ein Solitär zu sein. Wenig beseelt sein
Kino so tief wie die Sehnsucht nach Begegnungen mit anderen Menschen. Entspre-
chend erzählen seine Werke immer wieder von Gruppen und deren Verhältnissen.
Jeder Schreiner-Film ist ein Versuch in Entwicklung: Wie reagieren die Menschen auf-
einander, welche Erinnerungen oder Wünsche provozieren diese arrangierten Begeg-
nungen? Wie reagieren Menschen aufeinander, die sich schon lange kennen, wenn
man sie vor eine Kamera stellt und bittet, etwas zu sagen oder tun? Während sich
seine erste Schaffensphase (GRELLES LICHT bis BLAUE FERNE) vor allem um sein
heimisches Umfeld dreht, wird mit BELLAVISTA die seelenverwandte Norditalienerin
Giuliana Pachner zum Zentrum seiner Arbeit.

Und dennoch: Die zentrale Erfahrung seines Lebens war wohl, dass er anders ist als
viele. Die Zeit an der Wiener Filmakademie, dominiert von brachialen Edelnormierern,
war entsprechend furchtbar. Viel wichtiger für seine Entwicklung als Filmemacher war

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parallel dazu das Kollektiv »Rettet die Flieger«, wo er sich gemeinsam mit Bärbel
Neubauer, Eva Beauvale und Niki List in einem erwartungs- wie druckfreien Raum
kreativ erproben konnte. Seine Langfilme von GRELLES LICHT (1982) bis AUF DEM
WEG (1990) wurden kaum zur Kenntnis genommen. Mit der ethnografischen Studie
I CIMBRI (1991) gelang ihm ein erster internationaler Erfolg, dem mit BLAUE FERNE
(1995) eine Art Kollaps folgte – die indifferente Aufnahme bei seiner Welturauffüh-
rung stürzte Schreiner in derartig tiefe Selbstzweifel, dass er mit dem Filmemachen
aufhörte. Erst eine Dekade später präsentierte Schreiner mit BELLAVISTA (2006)
einen neuen Film. Mit dessen Nachfolger TOTÓ (2009) wurde er in das offizielle
Programm der Filmfestspiele von Venedig eingeladen – sein endgültiger Durchbruch.
Schreiners Zeit war gekommen.

Sein formal festes, so asketisches wie visuell prachtvolles, intimes wie welthaltiges
Kino dauernder Selbstbefragung und Fortentwicklung gehört seither zum fixen Pro-
gramm vieler Festivals. Das Filmarchiv Austria präsentiert die bislang umfangreichste
Peter Schreiner gewidmete Retrospektive, im Rahmen derer erstmals – als Teil eines
großen Restaurierungsprojekts – die neuen Fassungen von GRELLES LICHT, ERSTE
LIEBE und KINDERFILM zu sehen sind. Begleitet wird die Schau darüber hinaus von
der ersten monografischen Veröffentlichung zu seinem Werk.

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PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 DO 10.11., 19:00 | DO 24.11., 20:00

GARTEN
Peter Schreiner, A 2018
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner | MIT Giuliana Pachner, Awad Elkish, Hermann Krejcar,
Sandu Petre Boitan, Omar Taha, Clementine Gasser, Michael Pilz, Judith Zdesar, Luise Zdesar,
Annemarie Zottl, Michael Mills, Maja Okeke
136 min | s/w, dt. OmeU, DCP

Mit GARTEN ist der selbstbewusst alle Kategorisierungen überwindende Filmemacher
Peter Schreiner bei der Fiktion angelangt: Die zum Teil seit GRELLES LICHT bekann-
ten Freunde werden zu Darstellern; es gibt ein Drehbuch und Dialoge, die es zu lernen
gilt; Haus und Garten der Familie Schreiner werden in eine Art Studio verwandelt, wo
von Decken und Ästen Scheinwerfer hängen und auf dem Boden auch schon mal
Schienen gelegt werden. Dass dieses riesige Konstrukt als eine Art Therapieprojekt
gedacht war, ist eine andere Sache – die einzige, welche scheiterte, zerbrach doch
hier mindestens eine Freundschaft ... GARTEN ist ein Triumph des modernen Kinos:
eine veritable Inkunabel, ein Erzählstück zwischen Geschichte und Collage, visuell fest
und strahlend, montiert in verblüffenden Rhythmen und Raumstrukturen. (om)
DO 10.11.: Präsentation des Peter Schreiner gewidmeten Bandes der Edition »Film
Geschichte Österreich«, freier Eintritt für FAA-Clubmitglieder (mit Begleitung)

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PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 FR 11.11., 18:30

GRELLES LICHT                                                                        NEURESTAURIERUNG

Peter Schreiner, A 1982
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner | MIT Hermann Krejcar, Leopold Schreiner, Bärbel Neubauer,
Christian Polster, Niki List, Christa Polster, Franz Franke, Hermine Schreiner, Daniela Duffek u. a.
88 min | s/w, dt. OF, DCP

Peter und Hermann machen sich von Wien auf zur Documenta nach Kassel. Das
Ehepaar Schreiner versucht, den Sohn zu verstehen, und gibt sich ernsthaft Mühe.
Christian, geboren mit Down-Syndrom, macht Musik und wundert sich. Niki macht
Theater. Bärbel zieht um und amüsiert sich über die Buben. Und Herr Franke erklärt
das Leben ... Peter Schreiners Langfilmdebüt inszeniert einen Weg hinaus in die
eigene Existenz – weg von den Eltern und hin zu den Freunden, weg aus Wien und
hinein in die Welt. Gestaltet ist das Ganze als Rundgesang, in dem alle Personen halb-
wegs regelmäßig wieder auftauchen. Das vielleicht wichtigste Dokument des Kollek-
tivs »Rettet die Flieger«, dessen Kernmitglieder Peter Schreiner, Niki List und Bärbel
Neubauer sich bald künstlerisch auseinanderentwickeln sollten. (om)

                                                                                                           41
PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 MO 14.11., 19:00
ERSTE LIEBE
NEURESTAURIERUNG

Peter Schreiner, A 1983
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner,
Konrad Spindler, Bärbel Neubauer | MIT Peter
Schreiner, Ali Kielmansegg, Andi Stern, Konrad
Spindler, Harald Habiger, Arja Alkanen u. a.
92 min | s/w, dt. OF, DCP

Wo besser sich in Liebesweh ergehen als in Finnland zu einer Zeit, in der es dort
wirklich kalt und düster ist? Dahin ziehts Schreiner in seinem zweiten Werk, das formal
wie die Antithese zu seinem Debüt wirkt: Aus der Hand gefilmt, eher assoziativ in der
Montage und so fragil, wie der zart-verwundbar ausschauende Schreiner den Film
hindurch wirkt. Das vielleicht schönste Werk des gesamten Kinos über die Sehnsucht,
lieben zu dürfen und begehrt zu werden. (om)

 DI 15.11., 18:30
GEGEN DIE STRÖME
LECTURE
EINTRITT FREI

Wie entstehen Filme, die kaum etwas gemein haben mit den handelsüblichen Regeln
der Produktion und des Erzählens? Wie macht man Filme aus dem eigenen Leben,
die allgemeingültig sind? Im Rahmen eines Gesprächs mit Olaf Möller wird Peter
Schreiner anhand seines aktuell entstehenden Werks TAGE seine Methode erläutern
und eine Ahnung davon vermitteln, wie Film und Leben unentfremdet ineinander
übergehen können. (red)

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PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 DI 15.11., 20:30

KINDERFILM                                                                              NEURESTAURIERUNG

Peter Schreiner, A 1985
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner, Susanne Schreiner, Michael Kreihsl, Christian Schmidt
MUSIK Johann Sebastian Bach, Maria Schreiner (Klavier) | MIT Peter Schreiner, Andi Stern, Andrea Schlechta,
Anna Gasser, Annemarie Zottl, Bärbel Neubauer, Bärbel Ramharter u. a.
107 min | s/w, dt. OF, DCP

Da ist sie: Maria! Peter hat die Frau gefunden, die ihn liebt. Ja, Schreiner teilt das
Glück seines Lebens (fast) von Anfang an mit dem Publikum, zeigt, wie Maria und er
zu einem gemeinsamen Leben finden. Auch hier wird wieder gereist, ins sonnige Italien,
wo Maria unter Pinien Dantes Commedia prima vista übersetzt. Allerdings: Diesmal
spielt die Ferne eine nebengeordnete Rolle. Im Zentrum stehen die Kindernachmittage,
welche das junge Paar für den Nachwuchs ihrer Freunde eingerichtet hat, sowie
ein Maturatreffen Peters; Ersteres wirkt, um bei Dante zu bleiben, wie das Paradies,
Letzteres wie das Inferno. Womit man beim Kernthema von KINDERFILM wäre:
Wie viel Utopie ist im bürgerlichen Mittelbau möglich – welche Kompromisse, wenn
nicht gleich Verluste, sind letztlich inakzeptabel? (om)

                                                                                                              43
PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 DO 17.11., 20:00
AUF DEM WEG

Peter Schreiner, A 1990
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner,
Sandro Decleva | MIT Peter Schreiner, Antonio
Cotroneo, Christian Schmidt, Daniela Ramharter,
Leo Schreiner, Maria Schreiner, Michael Kreihsl u. a.
120 min | s/w, dt. OF, 16mm*

Ein Wendepunkt in Schreiners Schaffen, ändert sich doch hier sein Verhältnis zum
Erzählen: Zum ersten Mal experimentiert er mit Inszenierungen, was von Zirkusartis-
tenbeobachtungen bis zur theatralen Erarbeitung einiger Zeilen Elio Vittorinis reicht.
Und er vermeidet Zuspitzungen, Kristallisationsmomente im Lauf der Dinge – statt-
dessen können die unterschiedlichen Szenengruppen einander gegenseitig mit Ideen
und Assoziationen aufladen. (om)

 FR 18.11., 20:00
I CIMBRI

Peter Schreiner, A 1991
DIE ZIMBERN | BUCH Peter Schreiner
KAMERA Peter Schreiner | MIT Fortunato Dal Bosco,
Adele Dal Bosco, Germano Dal Bosco, Corinna
Pernigotti, Romano Nordera, Carla Dal Bosco u. a.
116 min | s/w, ital./zimbr. OmdU, 16mm*

Mit I CIMBRI – seinem noch am ehesten als »konventionell« beschreibbaren Werk –
gelingt Schreiner der internationale Durchbruch. Im Prinzip ist der Film die ethno­
grafische Vermessung von Giazza, einer Ortschaft im Illasital, die zu den Dreizehn
Gemeinden zählt, der zimbrischen Sprachinsel der Venetischen Provinz Verona.
Letzte Reste werden hier audiovisuell gesichert – bevor es zu spät, die Sprache tot,
die Kultur vergessen ist. (om)

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PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 SA 19.11., 20:00

BLAUE FERNE
Peter Schreiner, A 1995
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Elke Harder, Hubert Sauper | MIT Hubert Sauper, Dita Lakota,
Erica De Grassi, Giacomo Verginella, Leo Schreiner, Mario Tesseri, Maria Schreiner
95 min | s/w, dt. OmeU, 16mm*

Schreiners Schicksalswerk: Als er nach dessen Welturaufführung in ein fast leeres
Kino tritt und dort von einem verwirrt-müd-matten Schweigen begrüßt wird, verfällt
er in so heftige Selbstzweifel, dass er für Jahre das Filmemachen aufgibt. BLAUE
FERNE ist allerdings auch ein Brocken! Schreiners erster Spielfilm im etwas engeren
Sinne zeigt Szenen aus dem vorsichtigen Aufeinanderzuleben zweier melancholi-
scher Männer, denen an einem runtergerockten italienischen Strand die Worte wie
Felsen aus dem Mund fallen. Dank dieses hypnotisch-suchenden Sprechens entwi-
ckelt BLAUE FERNE einen einzigartigen Sog, in dem man sich treiben, durchwirbeln
lassen kann. Keine Handlung also, eher ein tastendes Durchschreiten des Daseins hin
zum vielleicht größten aller Ereignisse: der Begegnung mit einem Fremden. (om)

*Kopie: Österreichisches Filmmuseum                                                                  45
PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 SO 20.11., 20:00

VORFILM: RAINBERG | Peter Schreiner, A 2006 | 13 min | s/w, dt. OF, DCP

KARL STARK – MOMENTE. 1988–2008
Peter Schreiner, A 2013
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner | MUSIK Leo Schreiner
MIT Karl Stark, Elfriede Stark-Petrasch u. a.
92 min | s/w & Farbe, dt. OF, DCP

Zwei Werke, die Peter Schreiner bislang nie öffentlich gezeigt hat! In RAINBERG wer-
den Bewegungsstudien des Zeichners Walter Strobl von Tänzern in einen Bühnen-
raum übertragen – Bewegungsphasenpoesie zwischen Choreografie und Animations-
anmutungen. KARL STARK – MOMENTE. 1988–2008 wiederum ist ein Versuch, sich
einem Eigensinnigen der modernen österreichischen Malerei zu nähern. Stark blieb
stets dem Expressionismus treu, was Schreiner bei der Erforschung seiner Gemälde
die Möglichkeit bot, zum ersten Mal ausgiebig und nicht allein punktuell in Farbe zu
arbeiten; die Szenen mit dem wortkargen älteren Herrn entstanden in Schwarz-Weiß;
integriert wurden ebenfalls Drittmaterialien. Ein Unikum im Schaffen Schreiners, das
seine formale Vielfältigkeit und Experimentierfreudigkeit demonstriert. (om)

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PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 FR 25.11., 20:00

BELLAVISTA
Peter Schreiner, A 2006
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner | MIT Giuliana Pachner, Bernardina Piller-Puicher, Erminia
Colle-Tiz, Barbara Pachner, Diana Pachner, Gino Sacco Comis, Luigi Kratter, Marina Casanova Borca, Kaur Jasvir,
Nadejda Khrolenko, Alexander Khrolenko, Cecilia Piller Rosina u. a.
117 min | s/w, dt./ital./plodar. OmdU, 35mm*

Zehn Jahre vergehen nach BLAUE FERNE, bis Peter Schreiner mit BELLAVISTA einen
neuen Film präsentiert – ein Werk, das sich genauso sehr der Begegnung mit Giuliana
Pachner verdankt wie den immer leistungsstärkeren wie günstigeren Digitalkameras
(Schreiner weint dem Analogen keine Träne nach). BELLAVISTA ist die ellipsenschwer-
assoziative Erkundung eines Ortes: Sappada, durch die Erinnerungen Giulianas, die
dort im titelgebenden Hotel aufwuchs und in dessen Nischen und Hallen innere wie
äußere Verletzungen erlitt, von denen viele bis zu ihrem Tod nie wirklich verheilten,
nur verschorften. Sie sagt am Anfang in diesem für das Schreinersche Kino nun
so zentralen zerrissenen Sprechen: »Was ich auch … ich glaube hier so … dieses
Bewusstsein geprägt, anders zu sein … so zur Einsamkeit, zur ewigen Einsamkeit
verurteilt worden bist.« (om)

*Kopie: Österreichisches Filmmuseum                                                                          47
PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 SA 26.11., 20:00

TOTÓ
Peter Schreiner, A 2009
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner | MIT Antonio Cotroneo, Angela Simonelli, Gaetano Dimarzo,
Melo De Benedetto, Annibale Pirro, Antonio Blasa, Antonio Dicosta, Antonio Pisera, Billy Buttafuoco, Ciccio Il
Grande, Franco Fazzari, Giuseppe Pandullo u. a.
128 min | s/w, dt./ital. OmdU, 35mm*

Antonio Cotroneo floh als junger Mann aus Tropea nach Wien, wo er als Billeteur im
Konzerthaus arbeitet. Schreiner begleitet ihn auf einer Reise in seine kalabrische
Heimatstadt, wo die Entfremdung so zum Schneiden ist wie die Drogenabhängigkeit
Alltag. Cotroneo sagt einmal in einem Gedicht: Angst vor einer Begegnung / einer
Annäherung / vor einfachen Gefühlen / Furcht vor Veränderung / Angst zu sprechen /
zu entgegnen, zu träumen / Angst vor Widerspruch und Ungehorsam / dem gegen-
über, der dich nur unterdrücken kann. / Angst, dich zu zeigen / leiden, um zu ver­
ändern / die alte Welt zu fällen. Schärfer noch als BELLAVISTA ist TOTÓ eine Studie
in Detailblicken, Fragmentierungen – eine Verweigerung der Idee, man könnte die
Welt als ein Ganzes sehen. (om)

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PETER SCHREINER | RETROSPEKTIVE

 SO 27.11., 19:30

FATA MORGANA
Peter Schreiner, A 2013
BUCH Peter Schreiner | KAMERA Peter Schreiner | MUSIK Johannes Schmelzer-Zieringer
MIT Giuliana Pachner, Christian Schmidt, Awad Elkish
140 min | s/w, dt. OF, DCP

Situiert zwischen den Sand- und Steinwüsten Libyens und der Industriewüste der
Lausitz, markiert FATA MORGANA Schreiners neuerliche Hinwendung zum poetischen
Erzählen. Man möchte eigentlich sagen: zur Fiktion, doch die beiden Hauptfiguren
sind geprägt von ihren Darstellern, die ihre Charaktere konkret unentfremdet aus
den eigenen Erinnerungen und Neurosen heraus entwickeln. Ausgebreitet wird hier
in den Resten einer Fabrik aus DDR-Zeiten der Versuch einer Frau und eines Mannes,
sich einander (wieder?) anzunähern. Sie sprechen vorsichtig neben-, manchmal auch
miteinander. Die Natur um sie herum wirkt erfüllt von Abschied. Am Ende findet das
Paar fast wider alle Vernunft in der Ahnung eines Kusses zusammen, die Stirne anei-
nander, die Hände im Gesicht des Anderen, dessen Gegenwart eingeatmet wird. (om)

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