ENERGIEBINNENMARKT - EUROPA

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ENERGIEBINNENMARKT - EUROPA
ENERGIEBINNENMARKT

 Zur Harmonisierung und Liberalisierung des Energiebinnenmarkts der EU sind
 seit 1996 Maßnahmen verabschiedet worden, die Marktzugang, Transparenz
 und Regulierung, Verbraucherschutz, Förderung von Verbundnetzen und
 Versorgungssicherheit betreffen. Ziel dieser Maßnahmen ist der Aufbau eines
 wettbewerbsfähigeren, kundenorientierten, flexiblen und diskriminierungsfreien EU-
 Strommarkts mit marktorientierten Lieferpreisen. Auf diese Weise werden die
 Rechte einzelner Kunden und Energiegemeinschaften gestärkt und ausgeweitet,
 der Energiearmut wird entgegengewirkt, die Aufgaben und Zuständigkeiten von
 Marktteilnehmern und Regulierungsbehörden werden geklärt, und es wird auf die
 Sicherheit der Strom-, Gas- und Ölversorgung sowie den Aufbau transeuropäischer
 Netze für den Transport von Strom und Gas eingegangen.

RECHTSGRUNDLAGE
Artikel 194 und Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(AEUV).

ZIELE
Die Vollendung des Energiebinnenmarkts erfordert den Abbau zahlreicher
Hindernisse und Handelshemmnisse, eine Angleichung in der Steuer- und
Preispolitik, Anpassungen von Normen und Standards sowie Umweltvorschriften und
Sicherheitsauflagen. Geschaffen werden soll ein reibungslos funktionierender Markt,
der durch gerechten Marktzugang und ein hohes Verbraucherschutzniveau sowie
ausreichende Verbund- und Erzeugungskapazitäten gekennzeichnet ist.

ERRUNGENSCHAFTEN
A.    Liberalisierung der Gas- und Strommärkte
In den 1990er-Jahren, als auf den meisten nationalen Märkten für Strom und Erdgas
Monopole herrschten, beschlossen die Europäische Union und die Mitgliedstaaten, die
Märkte schrittweise für den Wettbewerb zu öffnen. Die ersten Liberalisierungsrichtlinien
(das erste Energiepaket) in Bezug auf Strom bzw. Gas wurden 1996 bzw. 1998
erlassen und sollten bis 1998 bzw. 2000 in das Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt
werden. Das zweite Energiepaket wurde 2003 verabschiedet, und die dazugehörigen
Richtlinien sollten von den Mitgliedstaaten bis 2004 in nationales Recht umgesetzt
werden, und einige Bestimmungen traten erst 2007 in Kraft. Geschäfts- und
Privatkunden erhielten hierdurch die Möglichkeit, ihre Gas- und Stromversorger

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nach eigenem Ermessen aus einer größeren Menge von Anbietern zu wählen.
Im April 2009 wurde das dritte Energiepaket zur weiteren Liberalisierung des
Binnenmarkts für Strom und Gas angenommen, mit dem das zweite Paket geändert
und der Grundstein für die Umsetzung des Energiebinnenmarkts gelegt wurde.
Im Juni 2019 wurde das vierte Energiepaket angenommen, das aus einer (der
Richtlinie (EU) 2019/944 über den Elektrizitätsbinnenmarkt) und drei Verordnungen
besteht, nämlich der Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Verordnung (EU)
2019/943), der Verordnung über die Risikovorsorge (Verordnung (EU) 2019/941) und
der Verordnung über die Gründung der Agentur der Europäischen Union für die
Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Verordnung (EU) 2019/942). Mit
dem vierten Energiepaket werden neue Regeln für den Strommarkt eingeführt, mit
denen auf die Anforderungen im Zusammenhang mit erneuerbaren Energieträgern
eingegangen wird und Investitionen angezogen werden sollen. Es werden Anreize für
die Verbraucher geschaffen, und es wird eine neue Obergrenze eingeführt, unterhalb
deren Kraftwerke im Rahmen des Kapazitätsmechanismus für Beihilfen infrage
kommen. Außerdem werden die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Notfallpläne für
etwaige Stromversorgungskrisen zu auszuarbeiten, und die Zuständigkeiten der ACER
im Bereich der länderübergreifenden Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden
werden erweitert, wenn die Gefahr einer nationalen und regionalen Fragmentierung
besteht.
B.    Weitere Schritte
Am 30. November 2016 legte die Kommission nach der Ankündigung in der
Strategie für die Energieunion (COM(2015) 80) ein Paket von Legislativvorschlägen
zur Umgestaltung des EU-Energiemarkts vor, damit die Verbraucher mit sicherer,
nachhaltiger, wettbewerbsfähiger und erschwinglicher Energie versorgt werden. Mit
dem Vorschlagspaket „Saubere Energie für alle Europäer“ (COM(2016) 860) soll
die Energieunion umgesetzt werden. Es umfasst die Bereiche Energieeffizienz,
Energie aus erneuerbaren Quellen, Gestaltung des Strommarkts, Sicherheit
der Stromversorgung und Steuerung der Energieunion. Zur Vollendung des
Energiebinnenmarkts hat die Kommission daher Maßnahmen im Rahmen der
Elektrizitätsrichtlinie, der Elektrizitätsverordnung und der Verordnung über die
Risikovorsorge angenommen.
Bei dem Vorschlag für eine Richtlinie mit gemeinsamen Vorschriften für den
Elektrizitätsbinnenmarkt (COM(2016) 864) handelt es sich um eine Neufassung der
Richtlinie 2009/72/EG, die auf die Mitgliedstaaten und die Verbraucher ausgerichtet ist:
—    Den Versorgern steht es frei, den Preis, zu dem sie ihre Kunden mit Elektrizität
     beliefern, zu bestimmen.
—    Die Mitgliedstaaten sorgen für einen marktgestützten Preiswettbewerb
     zwischen den Versorgern. Von Energiearmut betroffene und schutzbedürftige
     Haushaltskunden werden geschützt. Endkunden haben einen Anspruch darauf,
     vorbehaltlich der Zustimmung des Versorgers von diesem Versorger mit Strom
     versorgt zu werden, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Versorger,
     der die EU-Rechtsvorschriften einhalten muss, ansässig ist.

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—   Die Verbraucher können den Einbau intelligenter Stromzähler ohne zusätzliche
    Kosten verlangen. Haushaltskunden und Kleinstunternehmen haben kostenlos
    Zugang zu mindestens einem Instrument für den Vergleich der Angebote der
    Versorger, der auch Angebote für Verträge mit dynamischen Strompreisen
    umfasst. Für Haushaltskunden und Kleinstunternehmen ist der Anbieterwechsel
    innerhalb von höchstens drei Wochen unentgeltlich, und sie dürfen sich einem
    kollektiven Anbieterwechsel anschließen.
—   Endverbraucher mit intelligenten Zählern können dynamische Strompreisverträge
    mit mindestens einem großen Versorger verlangen. Endverbraucher haben das
    Recht, als aktive Kunden zu agieren, indem sie beispielsweise selbst erzeugten
    Strom verkaufen, ohne unverhältnismäßigen oder diskriminierenden technischen
    Anforderungen zu unterliegen, und das Recht auf klare und zusammengefasste
    Vertragsbedingungen.
Mit der Verordnung über die Risikovorsorge soll die Risikovorsorge gestärkt
werden, indem die Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern in
der EU und den Nachbarländern und der Agentur der Europäischen Union für die
Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden gefördert wird. Zudem soll damit
die länderübergreifende Verwaltung von Stromnetzen im Krisenfall erleichtert werden,
und zwar über die neuen regionalen Betriebszentren, die mit der einschlägigen
Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Verordnung (EU) 2019/943) eingeführt
wurden. Das Europäische Netz der Übertragungsnetzbetreiber (Strom) soll in
Zusammenarbeit mit der ACER und der Koordinierungsgruppe „Elektrizität“
gemeinsame Methoden für die Risikoermittlung ausarbeiten und vorschlagen, die
anschließend von der ACER gebilligt werden sollen. Vier Maßnahmenpakete wurden
vorgeschlagen: 1) gemeinsame Regeln für die Krisenprävention und -vorsorge, mit
denen die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg sichergestellt wird, 2) gemeinsame
Regeln für die Krisenbewältigung, 3) gemeinsame Verfahren für die Bewertung von
Versorgungssicherheitsrisiken und 4) ein gemeinsamer Rahmen für die bessere
Bewertung und Überwachung der Sicherheit der Stromversorgung.
Mit der Verordnung über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Verordnung (EU) 2019/943)
wurde die Verordnung (EG) Nr. 714/2009 neu gefasst, wobei die Vorschriften und
Grundsätze des Elektrizitätsbinnenmarkts überarbeitet wurden‚ damit er reibungslos
funktioniert und wettbewerbsgeprägt bleibt. Ferner soll mit ihr die Dekarbonisierung
der Energiewirtschaft der EU unterstützt werden, und es sollen Hemmnisse für
den länderübergreifenden Stromhandel abgebaut werden. Die EU soll in die
Lage versetzt werden, ihren Übergang zu sauberer Energie einzuleiten, bis 2030
klimabezogene Rechtsvorschriften tatsächlich zu erlassen und die im Übereinkommen
von Paris eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten. In der Verordnung werden
mehrere marktgestützte Grundsätze für das Funktionieren der Elektrizitätsmärkte
festgelegt. Genauer gesagt, die Preise werden auf der Grundlage von Angebot und
Nachfrage gebildet, die Kunden profitieren von den Marktvorschriften und werden
in die Lage versetzt, als Marktteilnehmer am Energiemarkt mitzuwirken, es werden
marktgestützte Anreize für eine dekarbonisierte Stromerzeugung gesetzt, Hindernisse
für grenzüberschreitende Stromflüsse werden schrittweise beseitigt, die Erzeuger sind
direkt oder indirekt für den Verkauf der von ihnen erzeugten Elektrizität verantwortlich,

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und es werden neue Bedingungen festgelegt, unter denen die Mitgliedstaaten
Kapazitätsmechanismen einführen können, und die Grundsätze für deren Einführung
festgelegt.
Am 19. Oktober 2020 veröffentlichte die Kommission ihr Arbeitsprogramm für 2021, das
Überarbeitungen und Initiativen im Zusammenhang mit den Klimaschutzmaßnahmen
des europäischen Grünen Deals umfasst. Diese Maßnahmen und insbesondere die
Zielvorgabe des Klimazielplans, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 % netto (im
Vergleich zu 1990) zu reduzieren, werden in dem Paket „Fit für 55“ vorgestellt, mit dem
angestrebt wird, bis 2050 eine klimaneutrale Union zu verwirklichen.
C.   Regulierung des Energiemarkts: Agentur der Europäischen Union für die
Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
Die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der
Energieregulierungsbehörden (ACER) ist seit März 2011 tätig (Verordnung (EG)
Nr. 713/2009). Die Agentur ist vor allem dafür zuständig, die Zusammenarbeit
der staatlichen Regulierungsbehörden auf regionaler und unionsweiter Ebene zu
begünstigen und die Entwicklung des Netzes und des Binnenmarkts für Strom und Gas
zu überwachen. Sie verfügt zudem über die Befugnis, Fälle von Marktmissbrauch zu
untersuchen und die Anwendung entsprechender Sanktionen mit den Mitgliedstaaten
abzustimmen. Die Verhängung von Sanktionen wegen Verstößen ist jedoch Sache der
Mitgliedstaaten.
In einem weiteren Schritt wurden mit zwei Verordnungen Strukturen für die
Zusammenarbeit der europäischen Übertragungs- bzw. Fernleitungsnetzbetreiber
(ENTSO) geschaffen, und zwar für Strom (Verordnung (EG) Nr. 714/2009) und für
Erdgas (Verordnung (EG) Nr. 715/2009), geändert durch den Beschluss 2010/685/EU
der Kommission). Gemeinsam mit der ACER sollen die ENTSO präzise Vorschriften
für den Netzzugang und technische Kodizes erarbeiten sowie die Koordinierung des
Netzbetriebs sicherstellen, indem sie entsprechende Informationen austauschen und
gemeinsame Sicherheits- und Notfallnormen und -verfahren erarbeiten. Eine weitere
Aufgabe der ENTSO besteht darin, alle zwei Jahre einen Zehnjahresinvestitionsplan
vorzulegen, der wiederum von der ACER geprüft wird.
Überdies sollen durch die Richtlinie 2008/92/EG die Erdgas- und Strompreise für
industrielle Endkunden transparenter werden, indem die Mitgliedstaaten verpflichtet
werden, zweimal jährlich Angaben zu den Preisen und Preissystemen an Eurostat zu
übermitteln. Im Oktober 2011 erließ die EU die Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 über
die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts (REMIT), durch die faire
Handelsbedingungen für die europäischen Energiemärkte garantiert werden sollen.
Im Juni 2019 nahm die Kommission die Verordnung (EU) 2019/942 an, um
die ACER dahingehend zu reformieren, dass Neufassungen von Rechtsakten
ausgearbeitet werden, und ihre wesentliche Rolle als Koordinator der Maßnahmen
nationaler Regulierungsbehörden insbesondere in den Bereichen zu stärken, in
denen uneinheitliche nationale Entscheidungen in Fragen von länderübergreifender
Bedeutung zu Problemen oder Unstimmigkeiten im Binnenmarkt führen. Die Liste der
Aufgaben der ACER wurde daher aktualisiert und enthält nun auch die Aufgaben
in den Bereichen Überwachung des Großhandelsmarktes und länderübergreifende

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Infrastruktur. Zudem wurde der ACER mehr Verantwortung bei der Ausarbeitung und
Übermittlung des endgültigen Vorschlags für einen Netzkodex an die Kommission und
bei Eingriffen in die Überprüfung des regionalen Strommarkts (Gebotszonen) (gemäß
der Neufassung der Elektrizitätsverordnung (Verordnung (EU) 2019/943) übertragen.
Mit der ACER-Verordnung (2019/942/EU) werden Gebühren als zusätzliche
Finanzierungsquelle zur Deckung der Kosten der von der ACER durchgeführten
REMIT-bezogenen Tätigkeiten („REMIT-Gebühren“) eingeführt. Am 15. Juli 2020
legten die GD Energie und die ACER einen Vorschlag für eine Gebührenstruktur vor.
Am 17. Dezember 2020 erließ die Kommission den Beschluss (EU) 2020/2152 über
Gebühren, mit denen die Ausgaben für Tätigkeiten wie die Erhebung, Bearbeitung,
Verarbeitung und Analyse von Informationen durch die ACER gedeckt werden sollen.
D.    Sicherheit der Strom-, Erdgas- und Erdölversorgung
In der Verordnung (EU) 2019/941 werden Maßnahmen zur Sicherung der
Stromversorgung festgelegt, mit denen für das ordnungsgemäße Funktionieren
des Elektrizitätsbinnenmarktes, einen angemessenen Grad der Zusammenschaltung
zwischen Mitgliedstaaten, einen angemessenen Umfang an Erzeugungskapazität und
ein angemessenes Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gesorgt werden
soll. Angesichts der zentralen Bedeutung von Erdgas für die Energieversorgung der
EU und als Reaktion auf die russisch-ukrainische Gaskrise des Winters 2008/2009
wurde zunächst 2010 die Verordnung (EG) Nr. 994/2010 erlassen, an deren Stelle
dann 2017 die Verordnung (EU) 2017/1938 über Maßnahmen zur Gewährleistung der
sicheren Gasversorgung trat. Mit der Verordnung sollen Mechanismen zur Prävention
und Bewältigung von Krisen gestärkt werden. Damit für eine sichere Erdölversorgung
gesorgt werden kann, müssen die Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2009/119/EG
Mindestvorräte an Erdöl lagern, die einer durchschnittlichen täglichen Nettoeinfuhr
über 90 Tage oder einem durchschnittlichen täglichen Inlandsverbrauch von 61 Tagen
entsprechen, je nachdem, welcher der beiden Werte höher ist. Auf Bedenken
hinsichtlich der Lieferung russischen Gases durch die Ukraine reagierte die
Kommission mit ihrer Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung
vom Mai 2014 (COM(2014) 330). Mit der Strategie soll sichergestellt werden, dass
Unionsbürger und Wirtschaft stabil und mehr als ausreichend mit Energie versorgt
werden. Festgelegt werden darin Maßnahmen wie die Steigerung der Energieeffizienz,
die Förderung der Energieerzeugung in der EU und die Schließung von Lücken in den
Infrastrukturverbindungen, damit Energie im Krisenfall dorthin umgeleitet wird, wo sie
benötigt wird.
Im Mai 2019 nahm die Kommission eine gezielte Überarbeitung der Erdgasrichtlinie
von 2009 (Richtlinie (EU) 2019/692) vor. Seither gelten zentrale Bestimmungen
der Erdgasrichtlinie unmittelbar für grenzüberschreitende Erdgasfernleitungen mit
Drittstaaten, genauer gesagt für diejenigen Abschnitte der Fernleitungen, die auf dem
Gebiet der EU liegen. Dies trägt auch dazu bei, dass tatsächlich durch kein aktuelles,
geplantes und künftiges Erdgasinfrastrukturprojekt eines EU-Mitgliedstaats und eines
Drittstaats der Energiebinnenmarkt verzerrt oder die Energieversorgungssicherheit in
der EU beeinträchtigt wird.

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Im September 2020 kündigte die Kommission an, im Jahr 2021 einen neuen
Rechtsrahmen für wettbewerbsfähige dekarbonisierte Gasmärkte ausarbeiten zu
wollen. Zu diesem Zweck leitete die Kommission am 10. Februar 2021 eine öffentliche
Konsultation ein. Diese Initiative ist eine Reaktion auf die Herausforderung der
Dekarbonisierung der Gasnetze. Darin wird vorgeschlagen, die EU-Gasvorschriften zu
überarbeiten, um den Marktzugang für erneuerbare und CO2-arme Gase zu erleichtern
und ungerechtfertigte Regelungshindernisse zu beseitigen.
E.   Transeuropäische Energienetze (TEN-E)
Die TEN-E verkörpern eine Strategie, deren Ziel es ist, die Energieinfrastruktur
der Mitgliedstaaten der Europäischen Union besser zu vernetzen. Im Rahmen
dieser Strategie wurden neun vorrangige Korridore (vier Stromkorridore, vier
Gaskorridore und ein Erdölkorridor) und drei vorrangige thematische Gebiete
(Realisierung intelligenter Netze, Stromautobahnen und ein grenzüberschreitendes
Kohlendioxidnetz) festgelegt.
In der Verordnung (EU) Nr. 347/2013 werden Leitlinien für transeuropäische
Energienetze festgelegt, die Vorhaben von gemeinsamem Interesse ausweisen, wozu
auch transeuropäische Strom- und Gasnetze zählen. Die Vorhaben von gemeinsamem
Interesse im Energiebereich werden über die Fazilität „Connecting Europe“ für
Energie (CEF-E) finanziert – ein Finanzierungsinstrument mit einem Gesamtbudget
von 5,35 Mrd. EUR für den Zeitraum 2014-2020, wovon 4,8 Mrd. EUR in Form
von Finanzhilfen von der Exekutivagentur für Innovation und Netze (INEA) verwaltet
werden. 2019 wurden für acht Vorhaben von gemeinsamem Interesse CEF-E-
Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 556 Mio. EUR gewährt, sechs im Strombereich
und zwei im Gasbereich (siehe die Liste 2019 der CEF-E-Maßnahmen für Vorhaben
von gemeinsamem Interesse). Die Kommission legt die Liste der Vorhaben von
gemeinsamem Interesse im Wege eines delegierten Rechtsakts fest, der nur in Kraft
tritt, wenn das Parlament oder der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach
seiner Übermittlung keine Einwände erheben.
Am 15. Dezember 2020 nahm die Kommission einen Vorschlag (COM(2020) 824)
zur Überarbeitung der TEN-E-Verordnung an, um die Modernisierung der
grenzüberschreitenden Energieinfrastruktur Europas besser voranzubringen und die
Ziele des europäischen Grünen Deals zu verwirklichen.

ROLLE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS
Im Zuge der Verabschiedung des Legislativpakets zum Energiebinnenmarkt
befürwortete das Parlament mit Nachdruck die eigentumsrechtliche Entflechtung
der Übertragungsnetze in der Strombranche als das wirkungsvollste Instrument,
um Infrastrukturinvestitionen auf diskriminierungsfreie Weise zu fördern, gerechte
Netzzugangsbedingungen für neue Marktteilnehmer zu schaffen und für
Markttransparenz zu sorgen. Ferner betonte das Parlament die Bedeutung eines
gemeinsamen europäischen Standpunktes zu mittelfristigen Investitionen (vorläufiger
europäischer Zehnjahresplan mit Schwerpunkt auf dem Verbund), einer verstärkten
Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden, Mitgliedstaaten und Übertragungs- bzw.
Fernleitungsnetzbetreiber und einer starken Vereinheitlichung der Bedingungen für

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den Netzzugang. Auf Betreiben des Parlaments wurde den Verbraucherrechten
besondere Bedeutung beigemessen, was Bestandteil des Kompromisses mit dem Rat
war: In den einschlägigen Entschließungen wurde gefordert, die Verbraucherrechte
zu stärken (Anbieterwechsel, direkte Information durch intelligente Zähler und
effiziente Bearbeitung von Beschwerden durch einen Bürgerbeauftragten für Energie).
Außerdem erreichte das Parlament, dass der Begriff „Energiearmut“ anerkannt
wurde. Es unterstützte die Gründung der ACER nachdrücklich und betonte, dass sie
die notwendigen Befugnisse erhalten müsse, um die Probleme zu lösen, die von
den nationalen Regulierungsbehörden nicht behoben werden könnten und die die
Integration und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts hemmten.
Die wichtigsten Entschließungen der jüngsten Zeit:
—   10. Juli 2020: Das Parlament nimmt eine Entschließung zur Überarbeitung der
    Leitlinien für die transeuropäische Energieinfrastruktur an und fordert deren
    Überarbeitung bis Ende 2020.
—   15. Januar 2020: Das Parlament nimmt eine Entschließung zum europäischen
    Grünen Deal an, in der es hervorhebt, dass grenzüberschreitende
    Verbindungsleitungen und die Integration des EU-Energiemarkts im Hinblick auf
    die Verbesserung der Energieversorgungssicherheit und die Verwirklichung einer
    treibhausgasneutralen Wirtschaft wichtig sind, und betont, dass eine angemessen
    finanzierte Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden
    erforderlich ist.
—   6. Februar 2018: Das Parlament nimmt eine Entschließung zur schnelleren
    Innovation im Bereich der sauberen Energie an.
—   12. September 2017: Es werden neue Vorschriften erlassen, um den
    Nachbarländern die gemeinsame Bewältigung von Krisen zu ermöglichen und für
    Solidarität über Grenzen hinweg und transparente Gaslieferverträge zu sorgen.
—   2. März 2017: Die Mitglieder des Europäischen Parlaments billigen Vorschriften,
    wonach Mitgliedstaaten, die vorhaben, Energielieferungen mit Drittstaaten
    auszuhandeln, die Kommission vor der Aufnahme von Verhandlungen unterrichten
    müssen.
—   25. Oktober 2016: Das Europäische Parlament unterstützt eine Entschließung
    zu einer Strategie der EU für Flüssigerdgas (LNG), damit die Energieversorgung
    sicherer gemacht wird, weniger CO2-Emissionen anfallen und die Preise
    erschwinglicher werden.
—   13. September 2016: In seiner Entschließung zu dem Thema „Auf dem Weg zur
    Umgestaltung des Energiemarkts“ tritt das Parlament dafür ein, liquide kurzfristige
    Märkte und langfristige Preissignale zu kombinieren, damit die Märkte darauf
    vorbereitet werden, dass der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen und der
    aktiven Verbraucher zunimmt.
—   26. Mai 2016: In der Entschließung des Europäischen Parlaments zur
    Neugestaltung der Rahmenbedingungen für Energieverbraucher wird gefordert,
    dass die Bürger in die Lage versetzt werden, eigene Energie aus erneuerbaren

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Quellen zu erzeugen, zu verbrauchen, zu speichern oder auf den Markt zu bringen
    sowie am Energiemarkt und an der nachfrageseitigen Steuerung teilzunehmen.

Matteo Ciucci / Albane Keravec
05/2021

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