Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung in der COVID-19-Pandemie

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Heft 4 – Dezember 2020

                               Deutsche
                                  Renten
                            Versicherung
HERAUSGEBER DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG BUND (ZEITSCHRIFT SEIT 1929)

Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der allgemeinen
Rentenversicherung in der COVID-19-Pandemie
Dr. Imke Brüggemann-Borck, Berlin

 Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkungen die COVID-19-Pande-
 mie im laufenden Jahr auf die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der allgemeinen
 Rentenversicherung hat. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung der Beitrags-
 einnahmen, die der Entwicklung am Arbeitsmarkt folgt. Insbesondere wird untersucht,
 welche Arbeitsmarkteffekte während der COVID-19-Pandemie für die Entwicklung der
 Beitragseinnahmen entscheidend sind und wie groß die Auswirkungen im laufenden Jahr
 insgesamt sein könnten. Nach den vorliegenden Ergebnissen könnte die COVID-19-Pan-
 demie im Jahr 2020 zu einem Wachstumsverlust von rund 2,5 Prozentpunkten bei den ge-
 samten Pfichtbeiträgen aus Erwerbstätigkeit führen. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) des
 Beitragsausfalls lassen sich demnach auf die Auswirkungen der Pandemie auf die Zahl der
 beitragspfichtig Beschäftigten zurückführen, und etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent)
 geht demnach auf die Inanspruchnahme von Kurzarbeit zurück.

1. Einleitung                                   bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit (vgl.
                                                Bauer et al. 2020).1 Die COVID-19-Pande-
Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist in   mie stellt auch die Finanzen der gesetzlichen
der ersten Jahreshälfte 2020 so stark ein-      Rentenversicherung vor besondere Heraus-
gebrochen wie nie zuvor seit Bestehen der       forderungen.2
Bundesrepublik. Im zweiten Quartal des lau-     Die allgemeine Rentenversicherung fnan-
fenden Jahres lag das reale Bruttoinlandspro-   ziert sich zum größten Teil aus Pfichtbei-
dukt um 11,3 Prozent unter dem Niveau des
Vorjahresquartals. Der langanhaltende Auf-      1 Die Autorin dankt Dr. Sascha Drahs, Dr. Stephan Fasshauer,
                                                  Dr. Ludwig Gauckler, Dr. Heinrich Jess, Dr. Holger Viebrok und
schwung am Arbeitsmarkt, der sich bereits         weiteren Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Rentenver-
im vergangenen Jahr leicht abgeschwächt           sicherung Bund für die wertvollen Hinweise im Zuge der Ent-
                                                  stehung dieses Beitrags.
hatte, fand durch die COVID-19-Pandemie         2 Vor dem Hintergrund der Herausforderungen der COVID-
ein abruptes Ende und angesichts der enor-        19-Pandemie untersucht Viebrok (2020) die Wirkung der
                                                  automatischen Mechanismen zum Ausgleich konjunktureller
men Wucht des wirtschaftlichen Schocks            Schwankungen auf die Finanzen der gesetzlichen Rentenver-
kam es zu deutlichen Verschlechterungen           sicherung.
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trägen der sozialversicherungspfichtig Be-      durch die COVID-19-Pandemie für die Ent-
schäftigten und der Arbeitgeber, die im Jahr    wicklung der Beitragseinnahmen entschei-
2019 69,1 Prozent der gesamten Einnahmen        dend sind und wie groß die Auswirkungen
ausmachten.3 Die verbleibenden 30,9 Pro-        im laufenden Jahr insgesamt sein könnten.
zent verteilen sich auf die Bundeszuschüsse     Zur Abschätzung der pandemiebedingten
(2019: 22,5 Prozent), auf Beiträge, die keine   Effekte wird der Verlauf der monatlichen Bei-
Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit sind        träge in diesem Jahr einem üblichen Verlauf
(2019: 8,0 Prozent), und sonstige Einnahmen     in einem durchschnittlichen Jahr gegenüber-
und Erstattungen (2019: 0,4 Prozent). Im Um-    gestellt. Dabei wird angenommen, dass sich
lageverfahren werden die Einnahmen eines        der trendmäßige Verlauf in diesem Jahr ohne
Monats in demselben Monat an die Rentne-        Ausbruch der COVID-19-Pandemie nicht
rinnen und Rentner ausgezahlt. Nicht im sel-    von demjenigen im Vergleichsjahr unter-
ben Monat ausgezahlte Einnahmen fießen          schieden hätte. Trendabweichungen lassen
in die Nachhaltigkeitsrücklage, deren Mit-      sich unter dieser Annahme als Auswirkun-
tel zum Ausgleich konjunkturell verursach-      gen der COVID-19-Pandemie interpretieren.
ter Liquiditätsschwankungen zur Verfügung       Das Vorgehen entspricht der Methodik, die
stehen. Die COVID-19-Pandemie hat im lau-       auch von der Bundesagentur für Arbeit zur
fenden Jahr zu sehr starken Schwankungen        Abschätzung der pandemiebedingten Aus-
der monatlichen Beitragseinnahmen geführt.      wirkungen auf Arbeitslosigkeit und Beschäf-
Die Auszahlung der Renten war dennoch in        tigung verwendet wird (siehe Bundesagentur
jedem Monat gesichert, da insgesamt in aus-     für Arbeit 2020).
reichendem Umfang liquide Mittel aus den        Der gesamte pandemiebedingte Effekt auf
Einnahmen und der Rücklage zur Verfügung        die LAV-Beiträge wird auf rund minus 1,9 Mil-
standen.                                        liarden Euro allein im Monat April geschätzt.
Von den Auswirkungen der COVID-19-Pan-          Hochgerechnet auf das gesamte Jahr 2020
demie betroffen sind insbesondere die Bei-      könnte der Gesamteffekt auf die Pfichtbei-
tragseinnahmen aus Erwerbstätigkeit, die        träge rund minus 5,4 Milliarden Euro betra-
der Arbeitsmarktentwicklung folgen. So          gen. Das entspricht einem Wachstumsver-
lagen die Beiträge, die im Lohnabzugsver-       lust von rund 2,5 Prozentpunkten bei den
fahren für sozialversicherungspfichtig Be-      gesamten Pfichtbeiträgen aus Erwerbstä-
schäftigte entrichtet werden (LAV-Beiträge),    tigkeit im laufenden Jahr. Knapp zwei Drittel
in dem am stärksten betroffenen Monat April     (65 Prozent) des Beitragsausfalls lassen sich
um rund 1,3 Milliarden Euro beziehungswei-      auf die Auswirkungen der COVID-19-Pan-
se 7,2 Prozent unter ihrem Vorjahreswert. Der   demie auf die Zahl der beitragspfichtig Be-
durch die COVID-19-Pandemie verursachte         schäftigten und etwas mehr als ein Drittel
Einnahmenausfall bei den LAV-Beiträgen ist      (35 Prozent) auf die Inanspruchnahme von
allerdings noch größer, da die Einnahmen bei    Kurzarbeit zurückführen.
normalem Verlauf voraussichtlich gestiegen      Im Abschnitt 2 wird kurz dargestellt, dass die
wären.                                          COVID-19-Pandemie im laufenden Jahr bis-
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der         lang keine spürbaren Auswirkungen auf die
Frage, welche Auswirkungen die COVID-           Ausgaben der allgemeinen Rentenversiche-
19-Pandemie im laufenden Jahr auf die Ent-      rung hatte. Die Auswirkungen der COVID-
wicklung der Einnahmen und Ausgaben der         19-Pandemie auf die Einnahmen werden im
allgemeinen Rentenversicherung hat. Das         Abschnitt 3 untersucht. Der Abschnitt 4 be-
Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Ent-         fasst sich mit den Auswirkungen der Arbeits-
wicklung der Beitragseinnahmen, da diese
vom Einbruch der Wirtschaftsleistung am
                                                3 Träger der allgemeinen Rentenversicherung sind die Deutsche
stärksten betroffen sind. Insbesondere wird       Rentenversicherung Bund, die Regionalträger und die Deut-
untersucht, welche Arbeitsmarkteffekte            sche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Rentenversicherung                                                                          435

Abbildung 1:            Zusammensetzung der Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung 2019
                        (319 Milliarden Euro)

Quelle: eigene Darstellung.

marktentwicklung auf die Pfichtbeiträge aus         lang keine spürbaren Auswirkungen. Sol-
Erwerbstätigkeit. Im Abschnitt 5 werden die         che Auswirkungen wären etwa zu erwarten,
Ergebnisse diskutiert.                              wenn Arbeitnehmer aufgrund der Arbeits-
                                                    marktsituation oder aufgrund einer höheren
                                                    Sterblichkeit durch die Pandemie früher ihre
2. Entwicklung der Ausgaben                         Altersrente beantragen. Die Statistik über
                                                    Rentenzugang und Rentenwegfall 2020
Die Zusammensetzung der Ausgaben der                liegt jedoch erst im Laufe des Jahres 2021
allgemeinen Rentenversicherung im Jahr              vor. Betrachtet wurden hier dagegen die
2019 ist in Abbildung 1 wiedergegeben.              Rentenausgaben in den Monaten Januar
Die Rentenausgaben beliefen sich 2019 auf           bis September 2020. Die Schlussfolgerung
277,0 Milliarden Euro oder 86,7 Prozent der         ergibt sich aus dem Vergleich des dies-
Gesamtausgaben.                                     jährigen Verlaufs der Rentenausgaben mit
                                                    einem üblichen Verlauf ohne Sondereffek-
                                                    te. Erste Auswirkungen auf die Rentenaus-
2.1 Rentenausgaben                                  gaben hätte es frühestens im Monat April
                                                    geben können. Die Rentenausgaben in den
Auf die Höhe der monatlichen Rentenaus-             Monaten Januar bis März lagen zeitlich zu
gaben hatte die COVID-19-Pandemie bis-              früh, als dass sie von der COVID-19-Pan-
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demie beeinfusst gewesen sein könnten.         sein, dass die geburtenstarken Jahrgänge
Abbildung 2 zeigt die monatlichen Renten-      zunehmend ein Alter erreichen, in dem die
ausgaben von Januar bis September 2020         Wahrscheinlichkeit, aus dem Erwerbsleben
und die Fortschreibung der Reihe ab April.     auszuscheiden, höher ist. Zum anderen ist
Die prozentualen Veränderungen zum Vor-        die schrittweise Anhebung der Altersgren-
jahresmonat der monatlichen Rentenausga-       zen für den frühestmöglichen Rentenbezug
ben und der fortgeschriebenen Reihe sind       um jeweils zwei Monate ein Grund dafür,
in Abbildung 3 wiedergegeben.                  dass der Rentenzugang in einzelnen Mo-
Die Fortschreibung basiert auf der Zeitreihe   naten niedriger oder höher als in den ent-
der monatlichen Rentenausgaben bis März        sprechenden Vorjahresmonaten ist.5
und berücksichtigt Saison- und Kalender-       Angesichts der Arbeitsmarktkrise oder aus
effekte sowie die turnusmäßigen Rentenan-      persönlichen Gründen, wie zum Beispiel aus
passungen zum 1. Juli.4 Nicht berücksichtigt   Sorge um die Gesundheit, könnten Beschäf-
sind demografsche Veränderungen und Ef-        tigte früher als in normalen Zeiten in Rente
fekte aus der Anhebung der Altersgrenzen,      gehen oder bereits gegangen sein, gegebe-
die nicht trendmäßig aus den historischen      nenfalls auch mit Abschlägen auf die Renten-
Daten fortgeschrieben werden können. Die       höhe. In den monatlichen Rentenausgaben
fortgeschriebenen Werte entsprechen den        dürften die Auswirkungen von Verhaltensän-
Rentenausgaben, wie sie sich bei konstanter    derungen aufgrund zeitlicher Verzögerungen
Demografe in einem normalen Jahr ab April      erst später sichtbar werden.6 Die Rentenaus-
voraussichtlich realisiert hätten.             gaben bis September geben noch keine Hin-
Die Rentenausgaben haben sich im laufen-       weise auf vorgezogene Rentenzugänge im
den Jahr demnach bis Juni wie erwartet         Zusammenhang mit der COVID-19-Pande-
entwickelt. Die vergleichsweise geringen       mie. Auch aus den monatlichen Statistiken
Veränderungsraten in den Monaten April         der Rentenanträge sind Verhaltensänderun-
bis Juni sind darauf zurückzuführen, dass      gen aufgrund der COVID-19-Pandemie bis-
die Rentenausgaben in den entsprechen-         her nicht erkennbar.7
den Vorjahresmonaten aufgrund des Be-
ginns der (nachträglichen) Auszahlungen
für die Mütterrente II über ihrem normalen     4 Saison- und Kalenderbereinigung sowie die Fortschreibung
Niveau lagen. Dieser Effekt ist auch in der      wurden mit dem Programm JDemetra+ durchgeführt (siehe
                                                 https://ec.europa.eu/eurostat/cros/content/software-jdemetra_
fortgeschriebenen Reihe berücksichtigt.          en). Die Fortschreibung ist univariat und basiert auf der Zeitreihe
Gleichfalls in beiden Reihen berücksichtigt      der Rentenausgaben ab Oktober 2014.
                                               5 Durch die Anhebung der Altersgrenzen kommt es im laufenden
ist die Rentenanpassung zum 1. Juli 2020,        Jahr im Vergleich zum Vorjahr zu höheren Ausgaben in den
die mit 3,45 Prozent (West) und 4,20 Pro-        Monaten August und September und niedrigeren Ausgaben
                                                 im Oktober und November. Im Jahr 2020 liegt zum Beispiel
zent (Ost) in diesem Jahr vergleichswei-         die Altersgrenze der Regelaltersrente für den Geburtsjahrgang
se hoch ausfel. Hier hat sich die positive       1954 bei 65 Jahren und acht Monaten und für den Geburtsjahr-
                                                 gang 1955 bei 65 Jahren und neun Monaten. Die Altersgrenze
Lohnentwicklung der letzten Jahre aus-           bei der Altersrente für besonders langjährige Versicherte steigt
gewirkt, während die enormen Belastun-           im laufenden Jahr um zwei Monate, von 63 Jahren und acht
                                                 Monaten auf 63 Jahre und zehn Monate.
gen des Arbeitsmarktes durch die COVID-        6 Längerfristige Effekte auf das Rentenzugangsverhalten sind
19-Pandemie im laufenden Jahr keinen             abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie und den wirt-
                                                 schaftlichen Auswirkungen. Beides könnte das Rentenzu-
Einfuss auf die Höhe der Rentenanpas-            gangsverhalten in nächster Zeit beeinfussen.
sung hatten. In den Monaten ab Juli liegen     7 Die monatlichen Antragszahlen weisen starke Monats-
                                                 schwankungen auf, die vor allem auf saisonale Einfüsse,
die Rentenausgaben um durchschnittlich           unterschiedliche Anzahlen von Arbeitstagen und Sondereffekte
rund 0,2 Milliarden Euro über dem Niveau         in einzelnen Monaten aufgrund der Anhebung der Altersgren-
                                                 zen zurückzuführen sind. Ein Anstieg der Antragszahlen bei
aus der Fortschreibung. Abweichungen             Altersrenten könnte zudem auch demografsch bedingt sein,
zwischen den tatsächlichen Rentenaus-            da immer stärker besetzte Geburtsjahrgänge das Rentenalter
                                                 erreichen. Ein sprunghafter Anstieg der Zahl der Anträge auf
gaben und der fortgeschriebenen Reihe            Erwerbsminderungsrenten ist im laufenden Jahr bis September
können zum einen darauf zurückzuführen           nicht zu beobachten.
Rentenversicherung                                                                               437

Abbildung 2:          Monatliche Rentenausgaben 2020 und Fortschreibung ab April,
                      in Milliarden Euro

Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.

Abbildung 3:          Monatliche Rentenausgaben 2020 und Fortschreibung ab April,
                      prozentuale Veränderungen zum Vorjahresmonat

Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.
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Insgesamt spiegeln sowohl die Statistiken         im laufenden Jahr ungefähr das Vorjahres-
als auch die Finanzergebnisse wider, dass         niveau erreichen.
die Entwicklung der Renten von den Auswir-
kungen der COVID-19-Pandemie im laufen-
den Jahr nicht betroffen ist. Gleichwohl liegen   3. Entwicklung der Einnahmen
die Rentenausgaben in den Monaten Juli bis
September leicht über den Erwartungen.            Die Abbildung 5 zeigt die Zusammenset-
                                                  zung der gesamten Einnahmen der allge-
                                                  meinen Rentenversicherung im Jahr 2019.
2.2 Ausgaben für Leistungen                       In dem Jahr beliefen sich die Einnahmen
    zur Teilhabe                                  der allgemeinen Rentenversicherung auf
                                                  insgesamt rund 321 Milliarden Euro, wovon
Von der COVID-19-Pandemie betroffen               77,1 Prozent auf Beitragseinnahmen entfe-
waren im laufenden Jahr die Ausgaben für          len. Zuschüsse des Bundes machten rund
Leistungen zur Teilhabe (Reha-Ausgaben).          22,5 Prozent der Gesamteinnahmen aus;
Ihr Anteil an den Gesamtausgaben der allge-       auf sonstige Einnahmen und Erstattungen
meinen Rentenversicherung ist vergleichs-         der Versorgungsträger entfelen zusammen
weise gering, im Jahr 2019 lag er bei rund        0,4 Prozent. Die verschiedenen Einnahmen
2,1 Prozent (siehe Abbildung 1).                  sind im laufenden Jahr unterschiedlich stark
Die Entwicklung der Reha-Ausgaben ist zum         von den Auswirkungen der COVID-19-Pan-
einen von einem deutlichen Rückgang der           demie betroffen. Betrachtet werden im Fol-
Leistungsausgaben geprägt. So sind im lau-        genden die monatlichen Einnahmen von Ja-
fenden Jahr bis September die Zahlen der          nuar bis September 2020.
bewilligten Anträge in den Bereichen medizi-
nische Reha und berufiche Reha gegenüber
dem Vorjahreszeitraum deutlich um rund 11         3.1 Bundesmittel
beziehungsweise 9 Prozent zurückgegan-
gen. In den Monaten mit Kontaktbeschrän-          Von den Auswirkungen der Pandemie nicht
kungen wurden zudem Neuaufnahmen in               betroffen sind im laufenden Jahr die Beträ-
den Rehabilitationseinrichtungen der allge-       ge der Bundeszuschüsse, die, mit Ausnah-
meinen Rentenversicherung zurückgestellt          me des allgemeinen Bundeszuschusses
und erst ab Mai bei reduzierter Auslastung        Ost, seit der Verabschiedung des Bundes-
wieder möglich. Zum anderen hat die allge-        haushalts 2020 Ende 2019 feststehen. Bei
meine Rentenversicherung bis September            der Festlegung der Höhe des allgemeinen
2020 Zuschüsse nach dem Sozialdienstleis-         Bundeszuschusses Ost wird regelmäßig be-
ter-Einsatzgesetz8 im Umfang von 435 Mil-         rücksichtigt, dass sich die Rentenausgaben
lionen Euro an private Vertragseinrichtungen      Ost und West in einem Jahr unterschiedlich
gezahlt.                                          entwickeln können. Nach den Ergebnissen
Im Vorjahresvergleich waren die Reha-Aus-         der Finanzschätzung der allgemeinen Ren-
gaben im ersten Quartal 2020 noch um              tenversicherung im Oktober 2020 sind im
5,3 Prozent gestiegen, bevor sie im zweiten       laufenden Jahr insgesamt keine spürbaren
Quartal deutlich um 3,4 Prozent zurückgin-        Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf
gen. Im dritten Quartal lagen sie um 2,0 Pro-
zent unter dem Wert im Vorjahresquartal
(siehe Abbildung 4). Bis September 2020           8 Das Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen
                                                    Dienste zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Krise in Verbindung
lagen die Gesamtausgaben zur Teilhabe               mit einem Sicherstellungsauftrag (Sozialdienstleister-Einsatz-
1 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres.           gesetz – SodEG) – gültig bis zum 31. März 2021 – regelt den
                                                    Einsatz sozialer Dienstleister zur Krisenbewältigung sowie einen
Nach den Ergebnissen der Finanzschätzung            Sicherstellungsauftrag der Leistungsträger für soziale Dienst-
vom Oktober werden die Reha-Ausgaben                leister.
Rentenversicherung                                                                               439

Abbildung 4:           Monatliche Reha-Ausgaben in Millionen Euro und durchschnittliche
                       prozentuale Veränderungen zum Vorjahresquartal 2018 bis 2020

Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.

Abbildung 5:           Zusammensetzung der Einnahmen
                       der allgemeinen Rentenversicherung 2019 (321 Milliarden Euro)

Quelle: eigene Darstellung.
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die Rentenausgaben zu erwarten (siehe auch     von Kurzarbeit keine weiteren Effekte auf die
Abschnitt 2.1). Bei der Abschätzung der pan-   Einnahmen aus KV- und LAV-Beiträgen.
demiebedingten Effekte auf die Einnahmen       Die Entwicklung der Einnahmen aus KV- und
im laufenden Jahr werden die Bundeszu-         PV-Beiträgen im laufenden Jahr wird im Fol-
schüsse 2020 daher nicht weiter berück-        genden nicht weiter untersucht. Dasselbe
sichtigt. Auch die Beitragszahlung des Bun-    gilt auch für die sonstigen und die freiwilli-
des für Kindererziehungszeiten im laufenden    gen Beiträge sowie für die sonstigen Einnah-
Jahr steht bereits seit Ende 2019 fest und     men und die Einnahmen aus Erstattungen
wird im Folgenden nicht weiter betrachtet.     der Versorgungsträger. Letztere folgen in der
                                               Regel dem Verlauf der Rentenausgaben, der
                                               in den Monaten bis September insgesamt
3.2 Beiträge der Kranken- und                  unauffällig war (siehe auch Abschnitt 2.1).
    der Pfegeversicherung
    auf Lohnersatzleistungen
                                               3.3 Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit
Die monatlichen Beiträge, die von der Kran-
ken- und der Pfegeversicherung auf Lohn-       Die Wirtschaftsschwäche und der Einbruch
ersatzleistungen entrichtet werden (KV- und    am Arbeitsmarkt beeinfussen vor allem die
PV-Beiträge), haben ihr kräftiges Wachs-       Einnahmen aus Pfichtbeiträgen aus Er-
tum der letzten Jahre in diesem Jahr fort-     werbstätigkeit, die in den von Schließungen
gesetzt. Bereits vor dem Ausbruch der          und Distanzregeln am stärksten betroffenen
COVID-19-Pandemie waren die KV- und die        Monaten März und April deutliche Einbrüche
PV-Beiträge im laufenden Jahr in den Mona-     erlebt haben. Mit einem Anteil von 69,1 Pro-
ten Januar und Februar gegenüber dem Vor-      zent an den Gesamteinnahmen im Jahr 2019
jahreszeitraum deutlich angestiegen. Unge-     stellen die Pfichtbeiträge aus Erwerbstätig-
achtet der für beide Beitragsarten üblichen    keit zudem die wichtigste Einnahmequelle
monatlichen Schwankungen haben sie sich        der Rentenversicherung dar. Die Einbrüche
seit März auf diesem hohen Niveau gehal-       werden nur zum Teil durch Beiträge für Leis-
ten.9 Dabei sind insbesondere in den Mona-     tungsbeziehende der Bundesagentur für
ten ab März keine spürbaren Abweichungen       Arbeit (BA-Beiträge) kompensiert, die auf-
vom Trend zu beobachten, die sich auf die      grund des Anstiegs der Arbeitslosenzahl in
COVID-19-Pandemie zurückführen ließen.         diesem Jahr höher ausfallen. Die folgenden
Beim Zusammentreffen von Arbeitsunfähig-       Betrachtungen konzentrieren sich auf diese
keit und Kurzarbeit erstattet die zuständige   beiden, von der COVID-19-Pandemie be-
Krankenkasse dem Arbeitgeber im Zeitraum       sonders betroffenen Beitragsarten.
der Entgeltfortzahlung ein Krankengeld in      Nach der aktuellen Finanzschätzung für die
Höhe des Kurzarbeitergeldes, vorausgesetzt     allgemeine Rentenversicherung wird im lau-
der Beginn der Entgeltfortzahlung liegt vor    fenden Jahr ein (nominales) Wachstum bei
dem Beginn der Kurzarbeit. In diesem Fall      den Einnahmen aus Pfichtbeiträgen aus Er-
erhält die beschäftigte Person somit eine      werbstätigkeit von 0,5 Prozent erwartet. Im
reduzierte Entgeltfortzahlung plus Kranken-    Jahr 2019 hatte die Wachstumsrate trotz der
geld, wobei beides vom Arbeitgeber ausge-      konjunkturellen Abkühlung im vierten Quartal
zahlt wird. Auch die Rentenversicherungs-
beiträge aus dem Krankengeld werden in
diesem Fall im Lohnabzugsverfahren (LAV)       9 Die durchschnittlichen Veränderungsraten lagen in den Mona-
                                                  ten Januar bis Februar 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum
geleistet. Da die beschäftigte Person ohne        bei 13,6 Prozent (KV-Beiträge) beziehungsweise 16,0 Prozent
Kurzarbeit eine reguläre Entgeltfortzahlung       (PV). Im Zeitraum März bis September 2020 lagen sie bei
                                                  11,7 Prozent (KV) beziehungsweise 13,3 Prozent (PV).
erhalten hätte, ergeben sich aus der Rege-     10 Siehe Herbstprojektion der Bundesregierung vom 30.10.2020,
lung neben dem Beitragsausfall aufgrund           Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020.
Rentenversicherung                                                                                             441

noch bei 4,5 Prozent gelegen. In Anbetracht        trägen für frühere Beamtete, die ohne Ver-
des von der Bundesregierung in ihrer Herbst-       sorgungsansprüche ausgeschieden sind.
projektion erwarteten nominalen Rückgangs          Entscheidend für den Verlauf der Pfichtbei-
des BIP um 3,8 Prozent sind die Auswirkun-         träge aus Erwerbstätigkeit sind Veränderun-
gen der Wirtschaftskrise auf die Wachstums-        gen des Arbeitsvolumens und der Bruttover-
rate der Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit       dienste.
jedoch moderat.10 Der Grund hierfür ist der        Abbildung 6 zeigt die monatlichen LAV-Bei-
enorme Einsatz von Kurzarbeit.11 Zum einen         träge von Januar bis September 2020, dar-
stabilisiert die Kurzarbeit die Zahl der sozial-   gestellt als Balken, zusammen mit einer
versicherungspfichtig Beschäftigten und            Fortschreibung der Beiträge ab März, dar-
verhindert somit eine stärkere Zunahme der         gestellt als unterbrochene Linie.12 Die Fort-
Arbeitslosigkeit. Zum anderen werden bei           schreibung bildet die Reihe der monatlichen
Kurzarbeit Sozialbeiträge für die Kranken-,        LAV-Beiträge so ab, wie sie sich in einem
die Pfege- und die Rentenversicherung nicht        Vergleichsjahr ohne COVID-19-Pandemie
nur auf das reduzierte Entgelt, sondern auch       oder sonstige Sondereffekte realisiert haben
auf 80 Prozent des entfallenden Entgelts ge-       könnte.
leistet. Ein Überblick über die Kurzarbeiter-      Der März 2020 ist der erste Monat, in dem
geldregelungen in der COVID-19-Pandemie            die Krise spürbare Auswirkungen auf die
ist im Infokasten enthalten.                       Beitragseinnahmen hatte. Ab Mitte März
Welchen Anteil der Einsatz von Kurzarbeit          erlahmte das öffentliche Leben in Deutsch-
sowie die pandemiebedingten Effek-                 land zunehmend, Schulen und Kindergärten
te auf die Zahl der versicherungspfichtig          sowie die meisten Geschäfte blieben ge-
und der geringfügig entlohnt Beschäftig-           schlossen. Am 22. März hatten Bund und
ten am Gesamteffekt auf die Pfichtbei-             Länder unter anderem ein Kontaktverbot
träge aus Erwerbstätigkeit haben, wird im          beschlossen.
Abschnitt 4 untersucht.                            In den Monaten März und April 2020 lagen
In den folgenden Abschnitten 3.4 und 3.5           die monatlichen LAV-Beiträge deutlich unter
werden die Auswirkungen der COVID-19-              dem üblicherweise zu erwartenden Niveau.
Pandemie auf die Pfichtbeiträge aus Er-            Allein im April fehlten rund 1,9 Milliarden
werbstätigkeit und auf die BA-Beiträge             Euro an Einnahmen aus LAV-Beiträgen. Im
untersucht. Dabei wird der unterjährige Ver-       Mai haben die LAV-Beitragseinnahmen kräf-
lauf der monatlichen Beitragseinnahmen             tig zugelegt und die Lücke hat sich sehr
jeweils einem üblichen Verlauf in einem            deutlich auf rund 0,4 Milliarden Euro verrin-
durchschnittlichen Jahr gegenübergestellt.         gert, und auch in den Monaten Juni und Juli
Abweichungen zwischen dem tatsächlichen            ist der Abstand noch einmal kleiner gewor-
und dem Vergleichsverlauf werden auf die           den. Im August hat sich die Schere wieder
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu-             etwas geöffnet. Insgesamt entwickelten sich
rückgeführt.                                       die monatlichen LAV-Beiträge in den Mona-
                                                   ten Juni bis September wie in einem durch-
                                                   schnittlichen Vergleichsjahr ohne Sonderef-
3.4 Pandemiebedingte Effekte auf                   fekte; dabei bewegten Sie sich jedoch auf
    die Einnahmen aus Pfichtbeiträgen              einem im Mittel um gut 0,3 Milliarden Euro
    aus Erwerbstätigkeit                           niedrigeren Niveau.

Die Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit set-       11 Saisonales Kurzarbeitergeld für Betriebe, die in der Schlecht-
                                                      wetterperiode von Dezember bis März von saisonalem Arbeits-
zen sich zusammen aus den LAV-Beiträgen               ausfall betroffen sind, wird hier nicht betrachtet. Die Verwen-
sowie aus Beiträgen von pfichtversicher-              dung des Begriffs „Kurzarbeit“ bezieht sich in dieser Arbeit
                                                      ausschließlich auf den konjunkturellbedingten Arbeitsausfall.
ten Selbstständigen, darunter Künstler und         12 Die Fortschreibung wurde mit dem Programm JDemetra+ vor-
Handwerker, und Nachversicherungsbei-                 genommen (vgl. Fußnote 4).
442                                                     Deutsche Rentenversicherung 4/2020

Infokasten: Kurzarbeit

 Auf Grundlage von § 109 Absatz 5 SGB III hatte die Bundesregierung am 25. März 2020 die
 „Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit“ (Kurzarbeitergeldverordnung – KugV)
 erlassen. Neben einem vereinfachten Zugang zur Kurzarbeit wurde darin auch geregelt,
 dass die Sozialversicherungsbeiträge, die bei Kurzarbeit auf 80 Prozent des entfallenden
 Entgelts zu entrichten sind, vollständig von der BA erstattet werden.13 Die Rechtsverord-
 nung war rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getreten und galt zunächst befristet bis
 zum 31. Dezember 2020.
 Mit dem Sozialschutz-Paket II vom 28. Mai 2020 (BGBl. 24/2020) wurden aufgrund der
 wirtschaftlichen und sozialen Härten der Krise befristet bis zum 31. Dezember 2020 wei-
 tere Maßnahmen getroffen. Bei Arbeitnehmern mit einem Entgeltausfall von mindestens
 50 Prozent wurde das Kurzarbeitergeld auf 70 beziehungsweise 77 Prozent ab dem vier-
 ten Monat und auf 80 beziehungsweise 87 Prozent ab dem siebten Monat erhöht. Regulär
 beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohnes, für Berufstätige
 mit Kindern 67 Prozent.
 Schließlich wurde im Koalitionssauschuss am 25. August 2020 die Verlängerung des Kurz-
 arbeitergelds und die Erhöhung von zwölf auf bis zu 24 Monate beschlossen. Längstens
 soll das Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2021 gezahlt werden. Die vollständige
 Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge wurde bis 30. Juni 2021 verlängert, danach ist
 bis höchstens 31. Dezember 2021 eine hälftige Erstattung möglich, die auf 100 Prozent
 erhöht werden kann, wenn während der Kurzarbeit eine Qualifzierung erfolgt.
 Das Instrument der Kurzarbeit hat auf verschiedene Arten dazu beigetragen, die Auswir-
 kungen der COVID-19-Pandemie und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf
 Wirtschaft und Gesellschaft abzumildern. Insbesondere hat die Kurzarbeit das Einkommen
 der betroffenen Arbeitskräfte stabilisiert sowie die Kosten der Unternehmen gedämpft, und
 damit entscheidend zur Entlastung des Arbeitsmarktes beigetragen (siehe zum Beispiel
 Konle-Seidl 2020).14
 Für die Rentenversicherung ergeben sich bei Kurzarbeit Mindereinnahmen im Umfang
 von 20 Prozent der Beiträge, die auf das entfallende Entgelt zu entrichten gewesen wären.
 Dem Beitragsausfall steht die beschäftigungssichernde Wirkung von Kurzarbeit gegen-
 über. Kurzarbeit wirkt somit stabilisierend auf die Beitragseinnahmen der Rentenversi-
 cherung, wenn dadurch kurzfristig Beschäftigung gesichert wird und Arbeitsplätze auch
 längerfristig erhalten werden können.
 Die einnahmeseitige Belastung der Rentenversicherung aufgrund des verringerten Arbeits-
 volumens in der COVID-19-Pandemie wurde durch den Einsatz von Kurzarbeit stark ge-
 dämpft. Die Größenordnung dieses Effekts wird im Abschnitt 4 abgeschätzt.

Das Ausmaß des durch die COVID-19-Pan-         13 Die Zugangserleichterungen umfassen das Absenken des
                                                  Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall
demie bedingten Einbruchs wird deutlich           betroffen sein müssen, auf 10 Prozent, den Verzicht auf den
beim Vergleich der prozentualen Vorjahres-        Aufbau negativer Arbeitszeitsalden sowie die Ermöglichung des
                                                  Kurzarbeitergeldbezuges auch für Zeitarbeitnehmer.
veränderungen der LAV-Beiträge im laufen-      14 Allein in den beiden Monaten März und April, die von den Ein-
den Jahr (Balken in der Abbildung 7) mit          schränkungen des öffentlichen Lebens am stärksten betroffen
                                                  waren, hatten Betriebe für 10,7 Millionen Menschen Kurzarbeit
denjenigen im Vergleichsjahr ohne COVID-          aus konjunkturellen Gründen bei den Arbeitsagenturen ange-
19-Pandemie (unterbrochene Linie). In den         zeigt. Seitdem sank die Zahl der Personen in Anzeigen bestän-
                                                  dig von 1,1 Millionen im Mai auf 107 000 im September. Bis zum
am stärksten von den einschränkenden              25. Oktober 2020 gingen weitere 8 000 Anzeigen für 96 000 Per-
Maßnahmen betroffenen Monaten des lau-            sonen ein (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2020).
Rentenversicherung                                                                               443

Abbildung 6:          Monatliche LAV-Beiträge Januar bis September 2020 und Fortschreibung
                      ab März in Milliarden Euro

Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.

Abbildung 7:          Monatliche LAV-Beiträge Januar bis September 2020 und Fortschreibung
                      ab März, Veränderungen zum Vorjahresmonat in Prozent

Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.
444                                                      Deutsche Rentenversicherung 4/2020

fenden Jahres lagen die LAV-Beiträge unter      Euro), während bei üblichem Verlauf ein
ihrem jeweiligen Vorjahreswert, im März um      kräftiger Anstieg um rund 1 Milliarde Euro zu
0,3 Prozent und im April sogar um 7,2 Pro-      erwarten gewesen wäre. Im April 2020 be-
zent. In den Folgemonaten waren die Vor-        trug der pandemiebedingte Effekt auf die
jahresveränderungen zwar positiv und leg-       monatlichen LAV-Beiträge demnach knapp
ten bis Juli in jedem Monat zu. Aber auch       minus 1,3 Milliarden Euro. Insgesamt fehlten
der höchste Zuwachs von 2,6 Prozent im          im April damit rund 1,9 Milliarden Euro an
Juli 2020 lag noch um rund 2 Prozentpunkte      Beitragseinnahmen gegenüber einem Ver-
unter dem Wert des Vergleichsjahres. Im Au-     gleichsjahresmonat ohne COVID-19-Pande-
gust hatte sich das Wachstum erneut etwas       mie (Summe der Effekte im März und April).
stärker auf 0,2 Prozent abgeschwächt. Im        Im Mai 2020 sind die LAV-Beiträge gegen-
September legten die LAV-Beiträge gegen-        über April dagegen kräftig gestiegen, wäh-
über dem Vorjahr mit 1,4 Prozent wieder         rend bei normalem Verlauf nur ein gering-
deutlicher zu.                                  fügiger Anstieg zu erwarten gewesen wäre.
Zur Schätzung des pandemiebedingten Ef-         Die Differenz der Verläufe ergibt für Mai einen
fekts auf die LAV-Beiträge in den einzelnen     kräftigen positiven pandemiebedingten Ef-
Monaten werden die Vormonatsveränderun-         fekt von knapp 1,5 Milliarden Euro. In den
gen im laufenden Jahr der üblichen Entwick-     Monaten Juni und Juli stellte sich ein üb-
lung in einem durchschnittlichen Jahr ohne      licher Verlauf ein. Im August 2020 war der
Sondereffekte gegenübergestellt. Das Vor-       Rückgang der Einnahmen aus LAV-Beiträ-
gehen basiert auf der Annahme, dass sich        gen um 0,4 Milliarden Euro stärker und im
die trendmäßige Entwicklung der Pficht-         September um 0,2 Milliarden Euro geringer
beiträge in diesem Jahr ohne Ausbruch der       als es üblicherweise in diesen Monaten zu
Pandemie nicht von derjenigen in einem          erwarten gewesen wäre.
durchschnittlichen Jahr unterschieden hätte.    Im April 2020 entspricht der zusätzliche, pan-
Unter dieser Annahme können beobachtete         demiebedingte Beitragsausfall 6,7 Prozent
Abweichungen vom üblicherweise erwarte-         der LAV-Beitragseinnahmen, die üblicher-
ten Trendverhalten auf die COVID-19-Pan-        weise in diesem Monat zu erwarten gewe-
demie zurückgeführt werden.15                   sen wären. Die zusätzlichen LAV-Beiträge
Abbildung 8 veranschaulicht die Auswirkun-      im Mai 2020 entsprechen 7,8 Prozent der in
gen der COVID-19-Pandemie auf den Verlauf       einem durchschnittlichen Monat Mai zu er-
der monatlichen LAV-Beiträge. Sie zeigt die     wartenden LAV-Beitragseinnahmen. Die Ver-
Vormonatsveränderungen der LAV-Beiträ-          laufsabweichungen im August und Septem-
ge in diesem Jahr (durchgezogene Linie in       ber machen gut 2 beziehungsweise 1 Prozent
Abbildung 8), den üblichen Verlauf in einem     der in diesen Monaten üblichen LAV-Beitrags-
durchschnittlichen Jahr ab März (unterbro-      einnahmen aus.
chene Linie) und die Abweichungen zwi-          Die starken Verlaufsschwankungen der LAV-
schen beiden Verläufen (Balken). Pandemie-      Beitragseinnahmen in den Monaten März bis
bedingte Abweichungen treten erstmals im        Mai 2020 sind zum Großteil durch Beitrags-
März auf, da in diesem Monat alle Bundes-       stundungen und Tilgungen zuvor gestunde-
länder Schließungen in verschiedenen Bran-      ter Beiträge verursacht. Unternehmen, die
chen und Kontaktbeschränkungen einge-           sich durch die COVID-19-Pandemie in ernst-
führt haben.
Im März 2020 lagen die monatlichen Einnah-
men aus LAV-Beiträgen um 653 Millionen          15 Das Vorgehen zur Bestimmung der pandemiebedingten
                                                   Effekte entspricht dem Differenz-von-Differenzen-Ansatz, ein
Euro16 niedriger als im Vergleichsjahr (siehe      gebräuchliches Verfahren der Ökonometrie zur Feststellung
auch Tabelle 1). Im April sind die LAV-Bei-        kausaler Effekte (vgl. zum Beispiel Angrist und Pischke 2009).
                                                16 Die Zahlen in den Tabellen sind auf ganzzahlige Werte gerundet.
träge gegenüber dem Vormonat nochmals              Rundungsbedingte Abweichungen zwischen den gerundeten
leicht zurückgegangen (um 273 Millionen            Werten und den gerundeten Summen sind möglich.
Rentenversicherung                                                                                            445

Abbildung 8:           Monatliche LAV-Beiträge Januar bis September 2020 und Fortschreibung
                       ab März, jeweils Vormonatsveränderungen und Differenz
                       der Vormonatsveränderungen in Millionen Euro

Quelle: eigene Darstellung.

haften Zahlungsschwierigkeiten befanden,            befristet. Ab März wurden vom Bund und von
konnten in diesen Monaten ein vereinfachtes         den Ländern zudem andere Unterstützungs-
Stundungsverfahren für die Sozialversiche-          maßnahmen zur Verfügung gestellt, wie etwa
rungsbeiträge nutzen.17 Über die Stundungen         Fördermittel und Kredite, die von den Unter-
wurde bei den jeweiligen Beitragseinzugsstel-       nehmen vorrangig in Anspruch zu nehmen
len, die bei den gesetzlichen Krankenkassen         waren. Daher ist davon auszugehen, dass
angesiedelt sind, entschieden. Im Rahmen            Beitragsstundungen und Tilgungen ab Juli
des vereinfachten Verfahrens hat die Ren-           2020 keine spürbaren Auswirkungen mehr auf
tenversicherung bislang keine Informatio-           den Verlauf der LAV-Beiträge gehabt haben.19
nen über die Höhe der gestundeten Beiträge
und die Tilgungen erhalten. Das Ausmaß der          17 Das Verfahren der vereinfachten Beitragsstundung ist in der
Stundungs- und Tilgungseffekte in den ein-             Vereinbarung des GKV-Spitzenverbandes vom 19. Mai 2020
                                                       beschrieben, siehe https://www.gkv-spitzenverband.de/media/
zelnen Monaten lässt sich zudem nur schwer             dokumente/krankenversicherung_1/grundprinzipien_1/fnan-
abschätzen, da sie von pandemiebedingten               zierung/beitragsbemessung/20200519_Beitraege_Corona_
                                                       Informationen_zur_Stundung.pdf.
Beschäftigungseffekten auf die Entwicklung          18 Für März und April 2020 schätzt die allgemeine Rentenversi-
der monatlichen LAV-Beiträge überlagert                cherung den Betrag der gestundeten Beiträge zur Rentenver-
                                                       sicherung auf zusammen unter 2,0 Milliarden Euro.
werden.18 Vor allem in den Monaten März und         19 Die zum Teil enormen Abweichungen des Verlaufs der monat-
April 2020 dürften die vereinfachten Stun-             lichen LAV-Beiträge von ihrem üblichen Trend haben das Liqui-
                                                       ditätsmanagement der allgemeinen Rentenversicherung vor
dungsmöglichkeiten den Beitragsausfall zu-             besondere Herausforderungen gestellt. Auch in den von Bei-
sätzlich verstärkt haben. Der kräftige Anstieg         tragsausfällen besonders betroffenen Monaten März und April
                                                       2020 standen aus den Monatseinnahmen und kurzfristig liqui-
im Mai dürfte dagegen zu einem großen Anteil           dierbaren Rücklagen insgesamt liquide Mittel in ausreichendem
auf Tilgungen zuvor gestundeter Beiträge zu-           Umfang zur Verfügung. Ein Vorziehen der monatlichen Zahlun-
                                                       gen des Bundes war daher nicht erforderlich. Nach dem Stand
rückzuführen sein. Das Verfahren der verein-           der Finanzschätzung vom Oktober ist auch im weiteren Verlauf
fachten Stundung war bis zum 31. Mai 2020              des Jahres 2020 nicht mit Liquiditätsproblemen zu rechnen.
446                                                                        Deutsche Rentenversicherung 4/2020

Tabelle 1:         Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die monatlichen LAV-Beiträge
                   März bis September 2020 und Fortschreibung ab Oktober

                                                                monatliche LAV-Beiträge
                                                     Verlaufseffekte                  Niveaueffekte
 Monat                                                              in Millionen Euro
 Mär                                                       – 653                           – 653
 Apr                                                     – 1 250                         – 1 904
 Mai                                                       1 479                           – 425
 Jun                                                         167                           – 257
 Jul                                                         117                           – 140
 Aug                                                       – 419                           – 559
 Sep                                                         195                           – 364
 Okt bis Dez*                                                  0                           – 364
 Jahreseffekt 2020*                                                                      – 5 393
Anmerkungen: * Fortschreibung ab Oktober. Fortschreibung und Hochrechnung des Jahreseffekts erfolgen unter der Annahme eines im
Mittel normalen Verlaufes ohne weitere pandemiebedingte Effekte in den Monaten Oktober bis Dezember. Abweichungen sind rundungs-
bedingt möglich.

Quelle: eigene Darstellung.

Die Tabelle 1 fasst die Ergebnisse der Schät-                     Hochrechnung des Jahreseffekts bei den
zung der pandemiebedingten Effekte auf die                        LAV-Beiträgen ergibt demnach einen Wachs-
monatlichen LAV-Beiträge zusammen und                             tumsverlust von rund 2,5 Prozentpunkten bei
weist zudem die kumulierten Effekte auf das                       den gesamten Pfichtbeiträgen aus Erwerbs-
Niveau der LAV-Beiträge in jedem Monat                            tätigkeit im laufenden Jahr.
sowie die Hochrechnung des Jahreseffekts
aus. Der Niveaueffekt auf die Höhe der mo-
natlichen Beitragseinnahmen lag zuletzt im                        3.5 Pandemiebedingte Effekte
September bei knapp minus 0,4 Milliarden                              auf die Einnahmen aus Beiträgen
Euro. Unter der Prämisse eines im Mittel nor-                         der Bundesagentur für Arbeit (BA)
malen Verlaufes ab Oktober ergibt die Hoch-
rechnung des pandemiebedingten Effekts                            Für das Gesamtjahr erwartet die Bundes-
für das laufende Jahr rund minus 5,4 Mil-                         regierung in ihrer Herbstprojektion vom
liarden Euro. Um diesen Betrag würden die                         30. Oktober 2020 einen Anstieg der jah-
LAV-Beiträge in diesem Jahr niedriger liegen                      resdurchschnittlichen Zahl der Arbeitslo-
als in einem durchschnittlichen Jahr ohne                         sen gegenüber dem Vorjahr um 435 000 auf
COVID-19-Pandemie, vorausgesetzt der                              2,70 Millionen Personen (vgl. Bundesminis-
Verlauf ab Oktober entspricht demjenigen in                       terium für Wirtschaft und Energie, 2020).
einem durchschnittlichen Jahr.                                    Der bislang höchste Wert in einem Monat
Nach der Finanzschätzung vom Oktober                              seit Ausbruch der Pandemie wurde im Au-
2020 betragen die Einnahmen aus den ge-                           gust mit 2,96 Millionen Arbeitslosen er-
samten Pfichtbeiträgen aus Erwerbstätig-                          reicht. Nach den Arbeitsmarktdaten der BA
keit im laufenden Jahr voraussichtlich rund                       vom November lag die Zahl der Arbeitslo-
223 Milliarden Euro, sie liegen damit um                          sen Ende Oktober bei knapp 2,76 Millionen
0,5 Prozent über dem Vorjahreswert. Die                           und damit um knapp 90 000 niedriger als im
Rentenversicherung                                                                                             447

Monat September (vgl. Statistik der Bundes-       tungsbeziehende von Unterhaltsgeld und
agentur für Arbeit 2020b).                        Übergangsgeld, auf deren Höhe die COVID-
Im März 2020 verschärfte sich die COVID-          19-Pandemie bislang keine spürbaren Aus-
19-Pandemie in Deutschland und es wurden          wirkungen hat. Ihr Anteil an den gesamten
seitens der Politik sukzessive Maßnahmen          Beiträgen der BA lag 2019 bei knapp 0,8 Pro-
zu deren Bekämpfung beschlossen. Die Ver-         zent und ist im laufenden Jahr bis Septem-
schärfung der Krise wirkte sich am Arbeits-       ber auf 0,6 Prozent gesunken. Im Folgenden
markt weitgehend ab der zweiten Monats-           werden daher ausschließlich die Beiträge für
hälfte aus. In den Arbeitslosenzahlen zeigen      ALG-Beziehende betrachtet.
sich die Auswirkungen der COVID-19-Pan-           Die Abschätzung des pandemiebedingten
demie erst ab April, da der statistische Stich-   Effekts basiert auf den monatlichen Ab-
tag für diese Zahlen in der Monatsmitte liegt.    rechnungen der BA von Beiträgen, die für
Zur Abschätzung des pandemiebedingten             ALG-Beziehende im jeweiligen Monat nach-
Effekts auf die Zahl der Arbeitslosen zieht       gewiesen worden sind. Die Abrechnungen
die BA den Vergleich der diesjährigen Ent-        liegen mit Wartezeit von einem Monat vor.22
wicklung ab April mit der Entwicklung im Ver-     Die Abbildung 9 zeigt die BA-Beiträge von
gleichszeitraum des Vorjahres heran (siehe        Januar bis August 2020 (Balken) und die
Bundesagentur für Arbeit 2020).20 Insgesamt       Entwicklung von April bis August in einem
lag nach dieser Abschätzung der BA die Zahl       durchschnittlichen Jahr (Linie). In Analo-
der Arbeitslosen im Oktober 2020 aufgrund         gie zum Vorgehen der BA bei der Abschät-
der Pandemie und der Eindämmungsmaß-              zung des pandemiebedingten Effekts auf die
nahmen um 556 000 höher als in einem Ver-         Arbeitslosigkeit wird als normaler Verlauf die
gleichsjahr ohne Sondereffekte.                   Entwicklung der BA-Beiträge von April bis
Für die Rentenversicherung ist nicht die Zahl     August 2019 herangezogen.
der Arbeitslosen insgesamt, sondern die der       Im April lagen die BA-Beiträge um rund
Leistungsbeziehenden von Arbeitslosen-            20 Millionen Euro höher als im März, wäh-
geld nach dem SGB III (ALG-Beziehende)            rend sie bei normalem Verlauf im April
entscheidend, für die von der BA Beiträge         gegenüber März zurückgegangen wären.
gezahlt werden. Die entsprechenden Daten          Bis Juli hat sich die Schere weiter geöffnet,
werden von der BA mit einer Wartezeit von         in dem Monat hat die BA rund 96 Millionen
zwei Monaten veröffentlicht. Im August die-       Euro mehr an Beiträgen für ALG-Beziehende
ses Jahres haben demnach knapp 41 Pro-            abgerechnet als in einem normalen Jahr. Im
zent der Arbeitslosen oder 1,20 Millionen
Personen Arbeitslosengeld erhalten. Das
waren 393 000 Menschen mehr als im Vorjah-        20 Dabei wird die Zahl der Arbeitslosen im Mai 2019 um einen
                                                     Sondereffekt aufgrund von Prüfaktivitäten in Jobcentern berei-
resmonat. Bei der Betrachtung der Entwick-           nigt, durch den die Arbeitslosigkeit im Bereich der Grundsiche-
lung der ALG-Beziehenden und des pande-              rung um 35 000 Personen angestiegen war. Zur ausführlichen
                                                     Beschreibung der Methodik siehe Bundesagentur für Arbeit
miebedingten Effekts auf die BA-Beiträge ist         2020.
zu berücksichtigen, dass im Rahmen des            21 Das Gesetz zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-
                                                     19-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) trat am 28. Mai 2020 in Kraft
Zweiten Sozialschutzpakets beschlossen               (BGBL Jg. 2020, Teil 1, Nr. 24 vom 28. Mai 2020).
wurde, Arbeitslosengeld drei Monate länger        22 Die abgerechneten BA-Beiträge in einem Monat weichen von
                                                     der Auszahlung der BA an die Rentenversicherung in dem-
auszuzahlen, wenn der Anspruch andernfalls           selben Monat ab. Im Rahmen der Vereinbarung zur Zahlung
zwischen dem 1. Mai und dem 31. Dezem-               und Abrechnung der Rentenversicherungsbeiträge nach § 176
                                                     Absatz 2 SGB VI erhält die Rentenversicherung monatliche
ber 2020 enden würde.21 Hierdurch hat sich           Abschlagszahlungen von der BA, die sich aus einem Abschlag
die Zahl der ALG-Beziehenden seit Juni zu-           auf das Beitragsaufkommen aus dem Vorvormonat und der
                                                     Spitzabrechnung für den Vorvormonat zusammensetzen. Die
sätzlich leicht erhöht (vgl. Bundesagentur für       Jahresabrechnung erfolgt jeweils im Januar des Folgejahres.
Arbeit, 2020).                                       Die Abschlagszahlung in einem Monat bezieht sich somit nicht
                                                     auf die Zahl der ALG-Beziehenden in dem betrachteten Monat,
Die Rentenversicherung erhält außerdem               sondern auf einen vergangenheitsbezogenen Durchschnitts-
monatliche Beiträge von der BA für Leis-             wert.
448                                                        Deutsche Rentenversicherung 4/2020

Abbildung 9:           Monatliche Beiträge für Leistungsbeziehende von Arbeitslosengeld,
                       abgerechnete BA-Beiträge und normale Entwicklung ab April
                       in Millionen Euro

Quelle: eigene Darstellung.

Abbildung 10: Monatliche BA-Beiträge Januar bis August 2020 und normale Entwicklung
              ab April, jeweils Vormonatsveränderungen und Differenz
              der Vormonatsveränderungen in Millionen Euro

Quelle: eigene Darstellung.
Rentenversicherung                                                                                                        449

Tabelle 2:         Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die abgerechneten monatlichen
                   BA-Beiträge April bis August 2020 und Fortschreibung ab September

                                                                    monatliche BA-Beiträge
                                                     Verlaufseffekte                             Niveaueffekte
 Monat                                                                   in Millionen Euro
 Apr                                                           38                                        38
 Mai                                                           28                                        66
 Jun                                                           26                                        92
 Jul                                                            2                                        94
 Aug                                                          –3                                         91
 Sep bis Dez*                                                   0                                        91
 Jahreseffekt 2020*                                                                                    746

Anmerkungen: * Fortschreibung ab September. Fortschreibung und Hochrechnung des Jahreseffekts erfolgen unter der Annahme eines
im Mittel normalen Verlaufes ohne weitere pandemiebedingte Effekte in den Monaten September bis Dezember. Abweichungen sind run-
dungsbedingt möglich.

Quelle: eigene Darstellung.

August 2020 hat sich der Abstand nicht wei-                       zurückgegangen. In den Monaten Juli und
ter vergrößert.                                                   August 2020 waren dagegen keine zusätz-
Zur Abschätzung des pandemiebedingten                             lichen pandemiebedingten Effekte auf die
Effekts auf die monatlichen BA-Beiträge                           monatlichen BA-Beiträge zu beobachten.
werden ab April die Vormonatsveränderun-                          In Tabelle 2 ist die Abschätzung der Aus-
gen im laufenden Jahr mit dem Verlauf im                          wirkungen auf die BA-Beiträge zusammen-
Jahr 2019 („normaler Verlauf“) verglichen.                        gefasst. In den Monaten April bis Juni 2020,
Die Abbildung 10 zeigt die Vormonatsverän-                        in denen die COVID-19-Pandemie zu einem
derungen im laufenden Jahr (durchgezogene                         spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit ge-
Linie), den normalen Verlauf ab April (unter-                     führt hat, haben auch die monatlichen BA-
brochene Linie) sowie die Differenzen der                         Beiträge in jedem Monat zugelegt. Seit Juni
Veränderungen (Balken).                                           bewegen sie sich auf einem Niveau, das im
Im April 2020 waren die BA-Beiträge kräf-                         Vergleich zu einem Jahr ohne Krise um 91
tig gestiegen, während sie im Vergleichs-                         bis 94 Millionen Euro erhöht ist. Auf diesem
jahr im Zuge der Frühjahrsbelebung am                             hohen Niveau entsprach der Verlauf der mo-
Arbeitsmarkt rückläufg gewesen wären.                             natlichen BA-Beiträge in den Monaten Juli
Für April errechnet sich demnach ein pan-                         und August 2020 weitgehend einem üb-
demiebedingter Effekt in Höhe von rund                            lichen Verlauf, das heißt ohne weitere pan-
37 Millionen Euro. Um diesen Betrag lagen                         demiebedingte Effekte. Unter der Annahme,
die BA-Beiträge im April über dem Niveau,                         dass sich der übliche Verlauf im Mittel über
das in einem durchschnittlichen Jahr zu er-                       die Monate ab September fortsetzt, ergibt
warten gewesen wäre. In den Monaten Mai                           die Hochrechnung des Gesamteffekts für
und Juni des laufenden Jahres sind die BA-                        das laufende Jahr ein Plus bei den BA-Bei-
Beiträge jeweils weiter gestiegen. In einem                       trägen im Umfang von 746 Millionen Euro
durchschnittlichen Jahr wären sie im Mai                          oder rund 22 Prozent gegenüber dem Vor-
nicht spürbar gestiegen und im Juni sogar                         jahreswert.
450                                                       Deutsche Rentenversicherung 4/2020

4. Auswirkungen der Arbeitsmarkt-                auf die mit dem durchschnittlichen Arbeits-
   entwicklung auf die Beitrags-                 ausfall in Beschäftigtenäquivalente umge-
   einnahmen                                     rechneten Zahlen.
                                                 Die Zahl der sozialversicherungspfichtig Be-
Das Arbeitsvolumen war im zweiten Quar-          schäftigten (in der Abgrenzung der BA) hatte
tal des laufenden Jahres auf das niedrigste      im April 2020 gegenüber dem Vormonat
Niveau seit der Wiedervereinigung gefal-         deutlich um rund 218 000 abgenommen. Die
len.23 Auf die Entwicklung der monatlichen       Zahl der geringfügig entlohnt Beschäftigten
Beitragseinnahmen der Rentenversicherung         war im März bereits um rund 175 000 und
wirkten sich vor allem die starke Zunahme        im April nochmal um rund 271 000 zurück-
der Kurzarbeit und der Beschäftigungsab-         gegangen. Aus den Anzahlen und Vormo-
bau aus. Basierend auf der aktuellen Arbeits-    natsveränderungen lassen sich die Auswir-
marktstatistik der BA werden im Folgenden        kungen der COVID-19-Pandemie nicht direkt
die Auswirkungen der Beschäftigungseffek-        abschätzen. Im folgenden Abschnitt 4.1 wird
te durch die COVID-19-Pandemie auf die           zu diesem Zweck jeweils der diesjährige Ver-
Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit im lau-      lauf der Reihen mit einem üblichen Verlauf
fenden Jahr geschätzt.                           in einem durchschnittlichen Jahr verglichen.
Aus den Veränderungen der Zahl der sozial-       Im ersten Schritt werden die pandemie-
versicherungspfichtig Beschäftigten, der         bedingten Effekte auf die Anzahl der sozial-
Zahl der geringfügig entlohnt Beschäftigten      versicherungspfichtig Beschäftigten und die
und der in Beschäftigungsäquivalente um-         Anzahl der geringfügig entlohnt Beschäftig-
gerechneten Zahl der Personen in Kurzarbeit      ten sowie die in Beschäftigungsäquivalente
lassen sich die Effekte der Pandemieauswir-      ausgedrückte Zahl der Personen in Kurz-
kungen am Arbeitsmarkt auf die Pfichtbei-        arbeit ermittelt. Die geschätzten Effekte auf
träge aus Erwerbstätigkeit schätzen. Endgül-     die Personenzahlen werden im nächsten
tige Ergebnisse der Beschäftigungsstatistik      Schritt in pandemiebedingte Effekte auf die
veröffentlicht die BA infolge des langwierigen   Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit umge-
Abrechnungs- und Meldeverfahrens erst mit        rechnet.
einem Zeitverzug von sechs Monaten. Mit
einem Zeitverzug von zwei Monaten stellt die
BA hochgerechnete Zahlen zur Verfügung.24        4.1 Abschätzung der Arbeitsmarkt-
In der Tabelle 3 sind die im Folgenden bei           effekte auf die Anzahl der beitrags-
der Abschätzung der Arbeitsmarkteffekte              pfichtig Beschäftigten
auf die Beitragseinnahmen verwendeten An-
gaben der BA für das laufende Jahr wieder-       Die Abschätzung der pandemiebedingten
gegeben.                                         Effekte basiert wie erwähnt auf der Metho-
Im August 2020 bezogen nach vorläufgen           dik, die von der BA zur Abschätzung der
hochgerechneten Daten der BA Unterneh-           Pandemieauswirkungen auf Arbeitslosigkeit
men für 2,58 Millionen Menschen Kurzarbei-
tergeld aus konjunkturellen Gründen, nach
3,32 Millionen im Juli. Im April – dem bisher
                                                 23 Nach Informationen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs-
am stärksten betroffenen Monat – waren es           forschung war das Arbeitsvolumen im zweiten Quartal 2020
noch knapp 6 Millionen Kurzarbeitende ge-           im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,0 Prozent gesunken.
                                                    Demnach lag die Zahl der Arbeitsstunden zwischen April und
wesen (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2020,         Juni 2020 so niedrig wie noch nie in einem Quartal seit der
Tabelle 1). Der durchschnittliche Arbeitsaus-       Wiedervereinigung (vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-
                                                    forschung 2020).
fall belief sich im August 2020 wie schon im     24 Die hochgerechneten Werte für die jüngsten fünf Monate der
Monat zuvor auf 36 Prozent. Im April hatte er       jeweiligen Veröffentlichung basieren auf unterschiedlichen
                                                    Datenständen und werden zu einem späteren Zeitpunkt bei ver-
bei 48 Prozent gelegen. Die Angaben zu den          besserter Datenlage möglicherweise revidiert (vgl. Statistik der
Kurzarbeitenden in Tabelle 3 beziehen sich          Bundesagentur für Arbeit 2020b).
Rentenversicherung                                                                                                              451

Tabelle 3:        Arbeitsmarktdaten Januar bis August 2020 zur Abschätzung der Arbeitsmarkt-
                  effekte auf die Beitragseinnahmen

                sozialversicherungs-                     geringfügig entlohnt                    Kurzarbeit Beschäfti-
                pfichtig Beschäftigte                        Beschäftigte                         gungsäquivalente
                                 Vormonats-                              Vormonats-                               Vormonats-
 Monat           Anzahl           verände-              Anzahl            verände-               Anzahl            verände-
                                    rung                                    rung                                     rung
 Jan          33 607 734           – 132 390          7 427 065            – 109 628              30 924                9 799
 Feb          33 623 745              16 011          7 419 214               – 7 851             33 438                2 515
 Mär          33 648 183              24 438          7 244 669            – 174 545             849 565              816 127
 Apr          33 430 129           – 218 054          6 973 921            – 270 748           2 905 818            2 056 253
 Mai          33 354 300            – 75 829          7 033 200               59 279           2 378 521            – 527 297
 Jun          33 348 000              – 6 300         7 100 800               67 600           1 644 969            – 733 552
 Jul          33 255 400            – 92 600          7 153 400               52 600           1 207 720            – 437 249
 Aug          33 506 700             251 300          7 156 700                 3 300            917 719            – 290 001
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Tabellen, Realisierte Kurzarbeit (hochgerechnet) (Monatszahlen), November 2020, und
Eckwerte des Arbeitsmarktes und der Grundsicherung, Oktober 2020.

und Beschäftigung verwendet wird und die                            demie auf die monatlichen Veränderungen
bereits im Abschnitt 3 bei den Effekten auf                         der Beschäftigtenzahlen gibt. Unter dieser
die Beitragseinnahmen zum Einsatz kam.                              Prämisse würden sich die kumulierten Aus-
Dabei wird der diesjährige Verlauf der in der                       wirkungen bis August im Mittel über die vier
Tabelle 3angegebenen Personenzahlen seit                            Monate von September bis Dezember nicht
Beginn der Krise dem jeweiligen Verlauf im                          mehr verändern und es ergäben sich die in
Vergleichszeitraum des Jahres 2019 gegen-                           der letzten Zeile der Tabelle 4 angegebenen
übergestellt. Eine unter Umständen etwas                            jahresdurchschnittlichen Effekte.
verhaltene Arbeitsmarktentwicklung in die-
sem Jahr wegen der bereits zu Jahresbe-
ginn spürbaren konjunkturellen Schwäche                             4.2 Abschätzung der Arbeitsmarkt-
wird dabei vernachlässigt.25 Die Ergebnisse                             effekte auf die Einnahmen aus
der Abschätzung der pandemiebedingten                                   Pfichtbeiträgen aus Erwerbs-
Effekte auf die Zahlen der sozialversiche-                              tätigkeit
rungspfichtig Beschäftigten, der geringfügig
entlohnt Beschäftigten und und die Beschäf-                         Die geschätzten pandemiebedingten Effek-
tigungsäquivalente bei Kurzarbeit sind in der                       te auf die Beschäftigten in Tabelle 4 lassen
Tabelle 4zusammengefasst.                                           sich in Effekte auf die Beitragseinnahmen
Zur Abschätzung der jahresdurchschnitt-                             der Rentenversicherung umrechnen. Hierfür
lichen Effekte müssen Annahmen über die                             ist eine Annahme über die durchschnittlichen
Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen                            beitragspfichtigen Bruttolöhne und -gehäl-
in den verbleibenden Monaten ab Septem-                             ter je Arbeitnehmer im Jahr 2020 unter der
ber getroffen werden. Vereinfachend wird im
Folgenden unterstellt, dass es in den Mo-
                                                                    25 Für eine ausführliche Beschreibung der Methodik, die von der
naten September bis Dezember 2020 keine                                BA verwendet wird, siehe Statistik der Bundesagentur für Arbeit
weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pan-                                2020c.
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