Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung in der COVID-19-Pandemie
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Heft 4 – Dezember 2020 Deutsche Renten Versicherung HERAUSGEBER DEUTSCHE RENTENVERSICHERUNG BUND (ZEITSCHRIFT SEIT 1929) Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung in der COVID-19-Pandemie Dr. Imke Brüggemann-Borck, Berlin Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkungen die COVID-19-Pande- mie im laufenden Jahr auf die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung hat. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung der Beitrags- einnahmen, die der Entwicklung am Arbeitsmarkt folgt. Insbesondere wird untersucht, welche Arbeitsmarkteffekte während der COVID-19-Pandemie für die Entwicklung der Beitragseinnahmen entscheidend sind und wie groß die Auswirkungen im laufenden Jahr insgesamt sein könnten. Nach den vorliegenden Ergebnissen könnte die COVID-19-Pan- demie im Jahr 2020 zu einem Wachstumsverlust von rund 2,5 Prozentpunkten bei den ge- samten Pfichtbeiträgen aus Erwerbstätigkeit führen. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) des Beitragsausfalls lassen sich demnach auf die Auswirkungen der Pandemie auf die Zahl der beitragspfichtig Beschäftigten zurückführen, und etwas mehr als ein Drittel (35 Prozent) geht demnach auf die Inanspruchnahme von Kurzarbeit zurück. 1. Einleitung bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit (vgl. Bauer et al. 2020).1 Die COVID-19-Pande- Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist in mie stellt auch die Finanzen der gesetzlichen der ersten Jahreshälfte 2020 so stark ein- Rentenversicherung vor besondere Heraus- gebrochen wie nie zuvor seit Bestehen der forderungen.2 Bundesrepublik. Im zweiten Quartal des lau- Die allgemeine Rentenversicherung fnan- fenden Jahres lag das reale Bruttoinlandspro- ziert sich zum größten Teil aus Pfichtbei- dukt um 11,3 Prozent unter dem Niveau des Vorjahresquartals. Der langanhaltende Auf- 1 Die Autorin dankt Dr. Sascha Drahs, Dr. Stephan Fasshauer, Dr. Ludwig Gauckler, Dr. Heinrich Jess, Dr. Holger Viebrok und schwung am Arbeitsmarkt, der sich bereits weiteren Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Rentenver- im vergangenen Jahr leicht abgeschwächt sicherung Bund für die wertvollen Hinweise im Zuge der Ent- stehung dieses Beitrags. hatte, fand durch die COVID-19-Pandemie 2 Vor dem Hintergrund der Herausforderungen der COVID- ein abruptes Ende und angesichts der enor- 19-Pandemie untersucht Viebrok (2020) die Wirkung der automatischen Mechanismen zum Ausgleich konjunktureller men Wucht des wirtschaftlichen Schocks Schwankungen auf die Finanzen der gesetzlichen Rentenver- kam es zu deutlichen Verschlechterungen sicherung.
434 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 trägen der sozialversicherungspfichtig Be- durch die COVID-19-Pandemie für die Ent- schäftigten und der Arbeitgeber, die im Jahr wicklung der Beitragseinnahmen entschei- 2019 69,1 Prozent der gesamten Einnahmen dend sind und wie groß die Auswirkungen ausmachten.3 Die verbleibenden 30,9 Pro- im laufenden Jahr insgesamt sein könnten. zent verteilen sich auf die Bundeszuschüsse Zur Abschätzung der pandemiebedingten (2019: 22,5 Prozent), auf Beiträge, die keine Effekte wird der Verlauf der monatlichen Bei- Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit sind träge in diesem Jahr einem üblichen Verlauf (2019: 8,0 Prozent), und sonstige Einnahmen in einem durchschnittlichen Jahr gegenüber- und Erstattungen (2019: 0,4 Prozent). Im Um- gestellt. Dabei wird angenommen, dass sich lageverfahren werden die Einnahmen eines der trendmäßige Verlauf in diesem Jahr ohne Monats in demselben Monat an die Rentne- Ausbruch der COVID-19-Pandemie nicht rinnen und Rentner ausgezahlt. Nicht im sel- von demjenigen im Vergleichsjahr unter- ben Monat ausgezahlte Einnahmen fießen schieden hätte. Trendabweichungen lassen in die Nachhaltigkeitsrücklage, deren Mit- sich unter dieser Annahme als Auswirkun- tel zum Ausgleich konjunkturell verursach- gen der COVID-19-Pandemie interpretieren. ter Liquiditätsschwankungen zur Verfügung Das Vorgehen entspricht der Methodik, die stehen. Die COVID-19-Pandemie hat im lau- auch von der Bundesagentur für Arbeit zur fenden Jahr zu sehr starken Schwankungen Abschätzung der pandemiebedingten Aus- der monatlichen Beitragseinnahmen geführt. wirkungen auf Arbeitslosigkeit und Beschäf- Die Auszahlung der Renten war dennoch in tigung verwendet wird (siehe Bundesagentur jedem Monat gesichert, da insgesamt in aus- für Arbeit 2020). reichendem Umfang liquide Mittel aus den Der gesamte pandemiebedingte Effekt auf Einnahmen und der Rücklage zur Verfügung die LAV-Beiträge wird auf rund minus 1,9 Mil- standen. liarden Euro allein im Monat April geschätzt. Von den Auswirkungen der COVID-19-Pan- Hochgerechnet auf das gesamte Jahr 2020 demie betroffen sind insbesondere die Bei- könnte der Gesamteffekt auf die Pfichtbei- tragseinnahmen aus Erwerbstätigkeit, die träge rund minus 5,4 Milliarden Euro betra- der Arbeitsmarktentwicklung folgen. So gen. Das entspricht einem Wachstumsver- lagen die Beiträge, die im Lohnabzugsver- lust von rund 2,5 Prozentpunkten bei den fahren für sozialversicherungspfichtig Be- gesamten Pfichtbeiträgen aus Erwerbstä- schäftigte entrichtet werden (LAV-Beiträge), tigkeit im laufenden Jahr. Knapp zwei Drittel in dem am stärksten betroffenen Monat April (65 Prozent) des Beitragsausfalls lassen sich um rund 1,3 Milliarden Euro beziehungswei- auf die Auswirkungen der COVID-19-Pan- se 7,2 Prozent unter ihrem Vorjahreswert. Der demie auf die Zahl der beitragspfichtig Be- durch die COVID-19-Pandemie verursachte schäftigten und etwas mehr als ein Drittel Einnahmenausfall bei den LAV-Beiträgen ist (35 Prozent) auf die Inanspruchnahme von allerdings noch größer, da die Einnahmen bei Kurzarbeit zurückführen. normalem Verlauf voraussichtlich gestiegen Im Abschnitt 2 wird kurz dargestellt, dass die wären. COVID-19-Pandemie im laufenden Jahr bis- Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der lang keine spürbaren Auswirkungen auf die Frage, welche Auswirkungen die COVID- Ausgaben der allgemeinen Rentenversiche- 19-Pandemie im laufenden Jahr auf die Ent- rung hatte. Die Auswirkungen der COVID- wicklung der Einnahmen und Ausgaben der 19-Pandemie auf die Einnahmen werden im allgemeinen Rentenversicherung hat. Das Abschnitt 3 untersucht. Der Abschnitt 4 be- Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Ent- fasst sich mit den Auswirkungen der Arbeits- wicklung der Beitragseinnahmen, da diese vom Einbruch der Wirtschaftsleistung am 3 Träger der allgemeinen Rentenversicherung sind die Deutsche stärksten betroffen sind. Insbesondere wird Rentenversicherung Bund, die Regionalträger und die Deut- untersucht, welche Arbeitsmarkteffekte sche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See.
Rentenversicherung 435 Abbildung 1: Zusammensetzung der Ausgaben der allgemeinen Rentenversicherung 2019 (319 Milliarden Euro) Quelle: eigene Darstellung. marktentwicklung auf die Pfichtbeiträge aus lang keine spürbaren Auswirkungen. Sol- Erwerbstätigkeit. Im Abschnitt 5 werden die che Auswirkungen wären etwa zu erwarten, Ergebnisse diskutiert. wenn Arbeitnehmer aufgrund der Arbeits- marktsituation oder aufgrund einer höheren Sterblichkeit durch die Pandemie früher ihre 2. Entwicklung der Ausgaben Altersrente beantragen. Die Statistik über Rentenzugang und Rentenwegfall 2020 Die Zusammensetzung der Ausgaben der liegt jedoch erst im Laufe des Jahres 2021 allgemeinen Rentenversicherung im Jahr vor. Betrachtet wurden hier dagegen die 2019 ist in Abbildung 1 wiedergegeben. Rentenausgaben in den Monaten Januar Die Rentenausgaben beliefen sich 2019 auf bis September 2020. Die Schlussfolgerung 277,0 Milliarden Euro oder 86,7 Prozent der ergibt sich aus dem Vergleich des dies- Gesamtausgaben. jährigen Verlaufs der Rentenausgaben mit einem üblichen Verlauf ohne Sondereffek- te. Erste Auswirkungen auf die Rentenaus- 2.1 Rentenausgaben gaben hätte es frühestens im Monat April geben können. Die Rentenausgaben in den Auf die Höhe der monatlichen Rentenaus- Monaten Januar bis März lagen zeitlich zu gaben hatte die COVID-19-Pandemie bis- früh, als dass sie von der COVID-19-Pan-
436 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 demie beeinfusst gewesen sein könnten. sein, dass die geburtenstarken Jahrgänge Abbildung 2 zeigt die monatlichen Renten- zunehmend ein Alter erreichen, in dem die ausgaben von Januar bis September 2020 Wahrscheinlichkeit, aus dem Erwerbsleben und die Fortschreibung der Reihe ab April. auszuscheiden, höher ist. Zum anderen ist Die prozentualen Veränderungen zum Vor- die schrittweise Anhebung der Altersgren- jahresmonat der monatlichen Rentenausga- zen für den frühestmöglichen Rentenbezug ben und der fortgeschriebenen Reihe sind um jeweils zwei Monate ein Grund dafür, in Abbildung 3 wiedergegeben. dass der Rentenzugang in einzelnen Mo- Die Fortschreibung basiert auf der Zeitreihe naten niedriger oder höher als in den ent- der monatlichen Rentenausgaben bis März sprechenden Vorjahresmonaten ist.5 und berücksichtigt Saison- und Kalender- Angesichts der Arbeitsmarktkrise oder aus effekte sowie die turnusmäßigen Rentenan- persönlichen Gründen, wie zum Beispiel aus passungen zum 1. Juli.4 Nicht berücksichtigt Sorge um die Gesundheit, könnten Beschäf- sind demografsche Veränderungen und Ef- tigte früher als in normalen Zeiten in Rente fekte aus der Anhebung der Altersgrenzen, gehen oder bereits gegangen sein, gegebe- die nicht trendmäßig aus den historischen nenfalls auch mit Abschlägen auf die Renten- Daten fortgeschrieben werden können. Die höhe. In den monatlichen Rentenausgaben fortgeschriebenen Werte entsprechen den dürften die Auswirkungen von Verhaltensän- Rentenausgaben, wie sie sich bei konstanter derungen aufgrund zeitlicher Verzögerungen Demografe in einem normalen Jahr ab April erst später sichtbar werden.6 Die Rentenaus- voraussichtlich realisiert hätten. gaben bis September geben noch keine Hin- Die Rentenausgaben haben sich im laufen- weise auf vorgezogene Rentenzugänge im den Jahr demnach bis Juni wie erwartet Zusammenhang mit der COVID-19-Pande- entwickelt. Die vergleichsweise geringen mie. Auch aus den monatlichen Statistiken Veränderungsraten in den Monaten April der Rentenanträge sind Verhaltensänderun- bis Juni sind darauf zurückzuführen, dass gen aufgrund der COVID-19-Pandemie bis- die Rentenausgaben in den entsprechen- her nicht erkennbar.7 den Vorjahresmonaten aufgrund des Be- ginns der (nachträglichen) Auszahlungen für die Mütterrente II über ihrem normalen 4 Saison- und Kalenderbereinigung sowie die Fortschreibung Niveau lagen. Dieser Effekt ist auch in der wurden mit dem Programm JDemetra+ durchgeführt (siehe https://ec.europa.eu/eurostat/cros/content/software-jdemetra_ fortgeschriebenen Reihe berücksichtigt. en). Die Fortschreibung ist univariat und basiert auf der Zeitreihe Gleichfalls in beiden Reihen berücksichtigt der Rentenausgaben ab Oktober 2014. 5 Durch die Anhebung der Altersgrenzen kommt es im laufenden ist die Rentenanpassung zum 1. Juli 2020, Jahr im Vergleich zum Vorjahr zu höheren Ausgaben in den die mit 3,45 Prozent (West) und 4,20 Pro- Monaten August und September und niedrigeren Ausgaben im Oktober und November. Im Jahr 2020 liegt zum Beispiel zent (Ost) in diesem Jahr vergleichswei- die Altersgrenze der Regelaltersrente für den Geburtsjahrgang se hoch ausfel. Hier hat sich die positive 1954 bei 65 Jahren und acht Monaten und für den Geburtsjahr- gang 1955 bei 65 Jahren und neun Monaten. Die Altersgrenze Lohnentwicklung der letzten Jahre aus- bei der Altersrente für besonders langjährige Versicherte steigt gewirkt, während die enormen Belastun- im laufenden Jahr um zwei Monate, von 63 Jahren und acht Monaten auf 63 Jahre und zehn Monate. gen des Arbeitsmarktes durch die COVID- 6 Längerfristige Effekte auf das Rentenzugangsverhalten sind 19-Pandemie im laufenden Jahr keinen abhängig vom weiteren Verlauf der Pandemie und den wirt- schaftlichen Auswirkungen. Beides könnte das Rentenzu- Einfuss auf die Höhe der Rentenanpas- gangsverhalten in nächster Zeit beeinfussen. sung hatten. In den Monaten ab Juli liegen 7 Die monatlichen Antragszahlen weisen starke Monats- schwankungen auf, die vor allem auf saisonale Einfüsse, die Rentenausgaben um durchschnittlich unterschiedliche Anzahlen von Arbeitstagen und Sondereffekte rund 0,2 Milliarden Euro über dem Niveau in einzelnen Monaten aufgrund der Anhebung der Altersgren- zen zurückzuführen sind. Ein Anstieg der Antragszahlen bei aus der Fortschreibung. Abweichungen Altersrenten könnte zudem auch demografsch bedingt sein, zwischen den tatsächlichen Rentenaus- da immer stärker besetzte Geburtsjahrgänge das Rentenalter erreichen. Ein sprunghafter Anstieg der Zahl der Anträge auf gaben und der fortgeschriebenen Reihe Erwerbsminderungsrenten ist im laufenden Jahr bis September können zum einen darauf zurückzuführen nicht zu beobachten.
Rentenversicherung 437 Abbildung 2: Monatliche Rentenausgaben 2020 und Fortschreibung ab April, in Milliarden Euro Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung. Abbildung 3: Monatliche Rentenausgaben 2020 und Fortschreibung ab April, prozentuale Veränderungen zum Vorjahresmonat Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.
438 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 Insgesamt spiegeln sowohl die Statistiken im laufenden Jahr ungefähr das Vorjahres- als auch die Finanzergebnisse wider, dass niveau erreichen. die Entwicklung der Renten von den Auswir- kungen der COVID-19-Pandemie im laufen- den Jahr nicht betroffen ist. Gleichwohl liegen 3. Entwicklung der Einnahmen die Rentenausgaben in den Monaten Juli bis September leicht über den Erwartungen. Die Abbildung 5 zeigt die Zusammenset- zung der gesamten Einnahmen der allge- meinen Rentenversicherung im Jahr 2019. 2.2 Ausgaben für Leistungen In dem Jahr beliefen sich die Einnahmen zur Teilhabe der allgemeinen Rentenversicherung auf insgesamt rund 321 Milliarden Euro, wovon Von der COVID-19-Pandemie betroffen 77,1 Prozent auf Beitragseinnahmen entfe- waren im laufenden Jahr die Ausgaben für len. Zuschüsse des Bundes machten rund Leistungen zur Teilhabe (Reha-Ausgaben). 22,5 Prozent der Gesamteinnahmen aus; Ihr Anteil an den Gesamtausgaben der allge- auf sonstige Einnahmen und Erstattungen meinen Rentenversicherung ist vergleichs- der Versorgungsträger entfelen zusammen weise gering, im Jahr 2019 lag er bei rund 0,4 Prozent. Die verschiedenen Einnahmen 2,1 Prozent (siehe Abbildung 1). sind im laufenden Jahr unterschiedlich stark Die Entwicklung der Reha-Ausgaben ist zum von den Auswirkungen der COVID-19-Pan- einen von einem deutlichen Rückgang der demie betroffen. Betrachtet werden im Fol- Leistungsausgaben geprägt. So sind im lau- genden die monatlichen Einnahmen von Ja- fenden Jahr bis September die Zahlen der nuar bis September 2020. bewilligten Anträge in den Bereichen medizi- nische Reha und berufiche Reha gegenüber dem Vorjahreszeitraum deutlich um rund 11 3.1 Bundesmittel beziehungsweise 9 Prozent zurückgegan- gen. In den Monaten mit Kontaktbeschrän- Von den Auswirkungen der Pandemie nicht kungen wurden zudem Neuaufnahmen in betroffen sind im laufenden Jahr die Beträ- den Rehabilitationseinrichtungen der allge- ge der Bundeszuschüsse, die, mit Ausnah- meinen Rentenversicherung zurückgestellt me des allgemeinen Bundeszuschusses und erst ab Mai bei reduzierter Auslastung Ost, seit der Verabschiedung des Bundes- wieder möglich. Zum anderen hat die allge- haushalts 2020 Ende 2019 feststehen. Bei meine Rentenversicherung bis September der Festlegung der Höhe des allgemeinen 2020 Zuschüsse nach dem Sozialdienstleis- Bundeszuschusses Ost wird regelmäßig be- ter-Einsatzgesetz8 im Umfang von 435 Mil- rücksichtigt, dass sich die Rentenausgaben lionen Euro an private Vertragseinrichtungen Ost und West in einem Jahr unterschiedlich gezahlt. entwickeln können. Nach den Ergebnissen Im Vorjahresvergleich waren die Reha-Aus- der Finanzschätzung der allgemeinen Ren- gaben im ersten Quartal 2020 noch um tenversicherung im Oktober 2020 sind im 5,3 Prozent gestiegen, bevor sie im zweiten laufenden Jahr insgesamt keine spürbaren Quartal deutlich um 3,4 Prozent zurückgin- Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf gen. Im dritten Quartal lagen sie um 2,0 Pro- zent unter dem Wert im Vorjahresquartal (siehe Abbildung 4). Bis September 2020 8 Das Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung der SARS-CoV-2-Krise in Verbindung lagen die Gesamtausgaben zur Teilhabe mit einem Sicherstellungsauftrag (Sozialdienstleister-Einsatz- 1 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. gesetz – SodEG) – gültig bis zum 31. März 2021 – regelt den Einsatz sozialer Dienstleister zur Krisenbewältigung sowie einen Nach den Ergebnissen der Finanzschätzung Sicherstellungsauftrag der Leistungsträger für soziale Dienst- vom Oktober werden die Reha-Ausgaben leister.
Rentenversicherung 439 Abbildung 4: Monatliche Reha-Ausgaben in Millionen Euro und durchschnittliche prozentuale Veränderungen zum Vorjahresquartal 2018 bis 2020 Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung. Abbildung 5: Zusammensetzung der Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung 2019 (321 Milliarden Euro) Quelle: eigene Darstellung.
440 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 die Rentenausgaben zu erwarten (siehe auch von Kurzarbeit keine weiteren Effekte auf die Abschnitt 2.1). Bei der Abschätzung der pan- Einnahmen aus KV- und LAV-Beiträgen. demiebedingten Effekte auf die Einnahmen Die Entwicklung der Einnahmen aus KV- und im laufenden Jahr werden die Bundeszu- PV-Beiträgen im laufenden Jahr wird im Fol- schüsse 2020 daher nicht weiter berück- genden nicht weiter untersucht. Dasselbe sichtigt. Auch die Beitragszahlung des Bun- gilt auch für die sonstigen und die freiwilli- des für Kindererziehungszeiten im laufenden gen Beiträge sowie für die sonstigen Einnah- Jahr steht bereits seit Ende 2019 fest und men und die Einnahmen aus Erstattungen wird im Folgenden nicht weiter betrachtet. der Versorgungsträger. Letztere folgen in der Regel dem Verlauf der Rentenausgaben, der in den Monaten bis September insgesamt 3.2 Beiträge der Kranken- und unauffällig war (siehe auch Abschnitt 2.1). der Pfegeversicherung auf Lohnersatzleistungen 3.3 Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit Die monatlichen Beiträge, die von der Kran- ken- und der Pfegeversicherung auf Lohn- Die Wirtschaftsschwäche und der Einbruch ersatzleistungen entrichtet werden (KV- und am Arbeitsmarkt beeinfussen vor allem die PV-Beiträge), haben ihr kräftiges Wachs- Einnahmen aus Pfichtbeiträgen aus Er- tum der letzten Jahre in diesem Jahr fort- werbstätigkeit, die in den von Schließungen gesetzt. Bereits vor dem Ausbruch der und Distanzregeln am stärksten betroffenen COVID-19-Pandemie waren die KV- und die Monaten März und April deutliche Einbrüche PV-Beiträge im laufenden Jahr in den Mona- erlebt haben. Mit einem Anteil von 69,1 Pro- ten Januar und Februar gegenüber dem Vor- zent an den Gesamteinnahmen im Jahr 2019 jahreszeitraum deutlich angestiegen. Unge- stellen die Pfichtbeiträge aus Erwerbstätig- achtet der für beide Beitragsarten üblichen keit zudem die wichtigste Einnahmequelle monatlichen Schwankungen haben sie sich der Rentenversicherung dar. Die Einbrüche seit März auf diesem hohen Niveau gehal- werden nur zum Teil durch Beiträge für Leis- ten.9 Dabei sind insbesondere in den Mona- tungsbeziehende der Bundesagentur für ten ab März keine spürbaren Abweichungen Arbeit (BA-Beiträge) kompensiert, die auf- vom Trend zu beobachten, die sich auf die grund des Anstiegs der Arbeitslosenzahl in COVID-19-Pandemie zurückführen ließen. diesem Jahr höher ausfallen. Die folgenden Beim Zusammentreffen von Arbeitsunfähig- Betrachtungen konzentrieren sich auf diese keit und Kurzarbeit erstattet die zuständige beiden, von der COVID-19-Pandemie be- Krankenkasse dem Arbeitgeber im Zeitraum sonders betroffenen Beitragsarten. der Entgeltfortzahlung ein Krankengeld in Nach der aktuellen Finanzschätzung für die Höhe des Kurzarbeitergeldes, vorausgesetzt allgemeine Rentenversicherung wird im lau- der Beginn der Entgeltfortzahlung liegt vor fenden Jahr ein (nominales) Wachstum bei dem Beginn der Kurzarbeit. In diesem Fall den Einnahmen aus Pfichtbeiträgen aus Er- erhält die beschäftigte Person somit eine werbstätigkeit von 0,5 Prozent erwartet. Im reduzierte Entgeltfortzahlung plus Kranken- Jahr 2019 hatte die Wachstumsrate trotz der geld, wobei beides vom Arbeitgeber ausge- konjunkturellen Abkühlung im vierten Quartal zahlt wird. Auch die Rentenversicherungs- beiträge aus dem Krankengeld werden in diesem Fall im Lohnabzugsverfahren (LAV) 9 Die durchschnittlichen Veränderungsraten lagen in den Mona- ten Januar bis Februar 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum geleistet. Da die beschäftigte Person ohne bei 13,6 Prozent (KV-Beiträge) beziehungsweise 16,0 Prozent Kurzarbeit eine reguläre Entgeltfortzahlung (PV). Im Zeitraum März bis September 2020 lagen sie bei 11,7 Prozent (KV) beziehungsweise 13,3 Prozent (PV). erhalten hätte, ergeben sich aus der Rege- 10 Siehe Herbstprojektion der Bundesregierung vom 30.10.2020, lung neben dem Beitragsausfall aufgrund Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2020.
Rentenversicherung 441 noch bei 4,5 Prozent gelegen. In Anbetracht trägen für frühere Beamtete, die ohne Ver- des von der Bundesregierung in ihrer Herbst- sorgungsansprüche ausgeschieden sind. projektion erwarteten nominalen Rückgangs Entscheidend für den Verlauf der Pfichtbei- des BIP um 3,8 Prozent sind die Auswirkun- träge aus Erwerbstätigkeit sind Veränderun- gen der Wirtschaftskrise auf die Wachstums- gen des Arbeitsvolumens und der Bruttover- rate der Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit dienste. jedoch moderat.10 Der Grund hierfür ist der Abbildung 6 zeigt die monatlichen LAV-Bei- enorme Einsatz von Kurzarbeit.11 Zum einen träge von Januar bis September 2020, dar- stabilisiert die Kurzarbeit die Zahl der sozial- gestellt als Balken, zusammen mit einer versicherungspfichtig Beschäftigten und Fortschreibung der Beiträge ab März, dar- verhindert somit eine stärkere Zunahme der gestellt als unterbrochene Linie.12 Die Fort- Arbeitslosigkeit. Zum anderen werden bei schreibung bildet die Reihe der monatlichen Kurzarbeit Sozialbeiträge für die Kranken-, LAV-Beiträge so ab, wie sie sich in einem die Pfege- und die Rentenversicherung nicht Vergleichsjahr ohne COVID-19-Pandemie nur auf das reduzierte Entgelt, sondern auch oder sonstige Sondereffekte realisiert haben auf 80 Prozent des entfallenden Entgelts ge- könnte. leistet. Ein Überblick über die Kurzarbeiter- Der März 2020 ist der erste Monat, in dem geldregelungen in der COVID-19-Pandemie die Krise spürbare Auswirkungen auf die ist im Infokasten enthalten. Beitragseinnahmen hatte. Ab Mitte März Welchen Anteil der Einsatz von Kurzarbeit erlahmte das öffentliche Leben in Deutsch- sowie die pandemiebedingten Effek- land zunehmend, Schulen und Kindergärten te auf die Zahl der versicherungspfichtig sowie die meisten Geschäfte blieben ge- und der geringfügig entlohnt Beschäftig- schlossen. Am 22. März hatten Bund und ten am Gesamteffekt auf die Pfichtbei- Länder unter anderem ein Kontaktverbot träge aus Erwerbstätigkeit haben, wird im beschlossen. Abschnitt 4 untersucht. In den Monaten März und April 2020 lagen In den folgenden Abschnitten 3.4 und 3.5 die monatlichen LAV-Beiträge deutlich unter werden die Auswirkungen der COVID-19- dem üblicherweise zu erwartenden Niveau. Pandemie auf die Pfichtbeiträge aus Er- Allein im April fehlten rund 1,9 Milliarden werbstätigkeit und auf die BA-Beiträge Euro an Einnahmen aus LAV-Beiträgen. Im untersucht. Dabei wird der unterjährige Ver- Mai haben die LAV-Beitragseinnahmen kräf- lauf der monatlichen Beitragseinnahmen tig zugelegt und die Lücke hat sich sehr jeweils einem üblichen Verlauf in einem deutlich auf rund 0,4 Milliarden Euro verrin- durchschnittlichen Jahr gegenübergestellt. gert, und auch in den Monaten Juni und Juli Abweichungen zwischen dem tatsächlichen ist der Abstand noch einmal kleiner gewor- und dem Vergleichsverlauf werden auf die den. Im August hat sich die Schere wieder Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zu- etwas geöffnet. Insgesamt entwickelten sich rückgeführt. die monatlichen LAV-Beiträge in den Mona- ten Juni bis September wie in einem durch- schnittlichen Vergleichsjahr ohne Sonderef- 3.4 Pandemiebedingte Effekte auf fekte; dabei bewegten Sie sich jedoch auf die Einnahmen aus Pfichtbeiträgen einem im Mittel um gut 0,3 Milliarden Euro aus Erwerbstätigkeit niedrigeren Niveau. Die Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit set- 11 Saisonales Kurzarbeitergeld für Betriebe, die in der Schlecht- wetterperiode von Dezember bis März von saisonalem Arbeits- zen sich zusammen aus den LAV-Beiträgen ausfall betroffen sind, wird hier nicht betrachtet. Die Verwen- sowie aus Beiträgen von pfichtversicher- dung des Begriffs „Kurzarbeit“ bezieht sich in dieser Arbeit ausschließlich auf den konjunkturellbedingten Arbeitsausfall. ten Selbstständigen, darunter Künstler und 12 Die Fortschreibung wurde mit dem Programm JDemetra+ vor- Handwerker, und Nachversicherungsbei- genommen (vgl. Fußnote 4).
442 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 Infokasten: Kurzarbeit Auf Grundlage von § 109 Absatz 5 SGB III hatte die Bundesregierung am 25. März 2020 die „Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit“ (Kurzarbeitergeldverordnung – KugV) erlassen. Neben einem vereinfachten Zugang zur Kurzarbeit wurde darin auch geregelt, dass die Sozialversicherungsbeiträge, die bei Kurzarbeit auf 80 Prozent des entfallenden Entgelts zu entrichten sind, vollständig von der BA erstattet werden.13 Die Rechtsverord- nung war rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getreten und galt zunächst befristet bis zum 31. Dezember 2020. Mit dem Sozialschutz-Paket II vom 28. Mai 2020 (BGBl. 24/2020) wurden aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Härten der Krise befristet bis zum 31. Dezember 2020 wei- tere Maßnahmen getroffen. Bei Arbeitnehmern mit einem Entgeltausfall von mindestens 50 Prozent wurde das Kurzarbeitergeld auf 70 beziehungsweise 77 Prozent ab dem vier- ten Monat und auf 80 beziehungsweise 87 Prozent ab dem siebten Monat erhöht. Regulär beträgt das Kurzarbeitergeld 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohnes, für Berufstätige mit Kindern 67 Prozent. Schließlich wurde im Koalitionssauschuss am 25. August 2020 die Verlängerung des Kurz- arbeitergelds und die Erhöhung von zwölf auf bis zu 24 Monate beschlossen. Längstens soll das Kurzarbeitergeld bis zum 31. Dezember 2021 gezahlt werden. Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge wurde bis 30. Juni 2021 verlängert, danach ist bis höchstens 31. Dezember 2021 eine hälftige Erstattung möglich, die auf 100 Prozent erhöht werden kann, wenn während der Kurzarbeit eine Qualifzierung erfolgt. Das Instrument der Kurzarbeit hat auf verschiedene Arten dazu beigetragen, die Auswir- kungen der COVID-19-Pandemie und die Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf Wirtschaft und Gesellschaft abzumildern. Insbesondere hat die Kurzarbeit das Einkommen der betroffenen Arbeitskräfte stabilisiert sowie die Kosten der Unternehmen gedämpft, und damit entscheidend zur Entlastung des Arbeitsmarktes beigetragen (siehe zum Beispiel Konle-Seidl 2020).14 Für die Rentenversicherung ergeben sich bei Kurzarbeit Mindereinnahmen im Umfang von 20 Prozent der Beiträge, die auf das entfallende Entgelt zu entrichten gewesen wären. Dem Beitragsausfall steht die beschäftigungssichernde Wirkung von Kurzarbeit gegen- über. Kurzarbeit wirkt somit stabilisierend auf die Beitragseinnahmen der Rentenversi- cherung, wenn dadurch kurzfristig Beschäftigung gesichert wird und Arbeitsplätze auch längerfristig erhalten werden können. Die einnahmeseitige Belastung der Rentenversicherung aufgrund des verringerten Arbeits- volumens in der COVID-19-Pandemie wurde durch den Einsatz von Kurzarbeit stark ge- dämpft. Die Größenordnung dieses Effekts wird im Abschnitt 4 abgeschätzt. Das Ausmaß des durch die COVID-19-Pan- 13 Die Zugangserleichterungen umfassen das Absenken des Quorums der im Betrieb Beschäftigten, die vom Arbeitsausfall demie bedingten Einbruchs wird deutlich betroffen sein müssen, auf 10 Prozent, den Verzicht auf den beim Vergleich der prozentualen Vorjahres- Aufbau negativer Arbeitszeitsalden sowie die Ermöglichung des Kurzarbeitergeldbezuges auch für Zeitarbeitnehmer. veränderungen der LAV-Beiträge im laufen- 14 Allein in den beiden Monaten März und April, die von den Ein- den Jahr (Balken in der Abbildung 7) mit schränkungen des öffentlichen Lebens am stärksten betroffen waren, hatten Betriebe für 10,7 Millionen Menschen Kurzarbeit denjenigen im Vergleichsjahr ohne COVID- aus konjunkturellen Gründen bei den Arbeitsagenturen ange- 19-Pandemie (unterbrochene Linie). In den zeigt. Seitdem sank die Zahl der Personen in Anzeigen bestän- dig von 1,1 Millionen im Mai auf 107 000 im September. Bis zum am stärksten von den einschränkenden 25. Oktober 2020 gingen weitere 8 000 Anzeigen für 96 000 Per- Maßnahmen betroffenen Monaten des lau- sonen ein (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2020).
Rentenversicherung 443 Abbildung 6: Monatliche LAV-Beiträge Januar bis September 2020 und Fortschreibung ab März in Milliarden Euro Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung. Abbildung 7: Monatliche LAV-Beiträge Januar bis September 2020 und Fortschreibung ab März, Veränderungen zum Vorjahresmonat in Prozent Quelle: monatliche Rechnungsergebnisse der allgemeinen Rentenversicherung; eigene Darstellung.
444 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 fenden Jahres lagen die LAV-Beiträge unter Euro), während bei üblichem Verlauf ein ihrem jeweiligen Vorjahreswert, im März um kräftiger Anstieg um rund 1 Milliarde Euro zu 0,3 Prozent und im April sogar um 7,2 Pro- erwarten gewesen wäre. Im April 2020 be- zent. In den Folgemonaten waren die Vor- trug der pandemiebedingte Effekt auf die jahresveränderungen zwar positiv und leg- monatlichen LAV-Beiträge demnach knapp ten bis Juli in jedem Monat zu. Aber auch minus 1,3 Milliarden Euro. Insgesamt fehlten der höchste Zuwachs von 2,6 Prozent im im April damit rund 1,9 Milliarden Euro an Juli 2020 lag noch um rund 2 Prozentpunkte Beitragseinnahmen gegenüber einem Ver- unter dem Wert des Vergleichsjahres. Im Au- gleichsjahresmonat ohne COVID-19-Pande- gust hatte sich das Wachstum erneut etwas mie (Summe der Effekte im März und April). stärker auf 0,2 Prozent abgeschwächt. Im Im Mai 2020 sind die LAV-Beiträge gegen- September legten die LAV-Beiträge gegen- über April dagegen kräftig gestiegen, wäh- über dem Vorjahr mit 1,4 Prozent wieder rend bei normalem Verlauf nur ein gering- deutlicher zu. fügiger Anstieg zu erwarten gewesen wäre. Zur Schätzung des pandemiebedingten Ef- Die Differenz der Verläufe ergibt für Mai einen fekts auf die LAV-Beiträge in den einzelnen kräftigen positiven pandemiebedingten Ef- Monaten werden die Vormonatsveränderun- fekt von knapp 1,5 Milliarden Euro. In den gen im laufenden Jahr der üblichen Entwick- Monaten Juni und Juli stellte sich ein üb- lung in einem durchschnittlichen Jahr ohne licher Verlauf ein. Im August 2020 war der Sondereffekte gegenübergestellt. Das Vor- Rückgang der Einnahmen aus LAV-Beiträ- gehen basiert auf der Annahme, dass sich gen um 0,4 Milliarden Euro stärker und im die trendmäßige Entwicklung der Pficht- September um 0,2 Milliarden Euro geringer beiträge in diesem Jahr ohne Ausbruch der als es üblicherweise in diesen Monaten zu Pandemie nicht von derjenigen in einem erwarten gewesen wäre. durchschnittlichen Jahr unterschieden hätte. Im April 2020 entspricht der zusätzliche, pan- Unter dieser Annahme können beobachtete demiebedingte Beitragsausfall 6,7 Prozent Abweichungen vom üblicherweise erwarte- der LAV-Beitragseinnahmen, die üblicher- ten Trendverhalten auf die COVID-19-Pan- weise in diesem Monat zu erwarten gewe- demie zurückgeführt werden.15 sen wären. Die zusätzlichen LAV-Beiträge Abbildung 8 veranschaulicht die Auswirkun- im Mai 2020 entsprechen 7,8 Prozent der in gen der COVID-19-Pandemie auf den Verlauf einem durchschnittlichen Monat Mai zu er- der monatlichen LAV-Beiträge. Sie zeigt die wartenden LAV-Beitragseinnahmen. Die Ver- Vormonatsveränderungen der LAV-Beiträ- laufsabweichungen im August und Septem- ge in diesem Jahr (durchgezogene Linie in ber machen gut 2 beziehungsweise 1 Prozent Abbildung 8), den üblichen Verlauf in einem der in diesen Monaten üblichen LAV-Beitrags- durchschnittlichen Jahr ab März (unterbro- einnahmen aus. chene Linie) und die Abweichungen zwi- Die starken Verlaufsschwankungen der LAV- schen beiden Verläufen (Balken). Pandemie- Beitragseinnahmen in den Monaten März bis bedingte Abweichungen treten erstmals im Mai 2020 sind zum Großteil durch Beitrags- März auf, da in diesem Monat alle Bundes- stundungen und Tilgungen zuvor gestunde- länder Schließungen in verschiedenen Bran- ter Beiträge verursacht. Unternehmen, die chen und Kontaktbeschränkungen einge- sich durch die COVID-19-Pandemie in ernst- führt haben. Im März 2020 lagen die monatlichen Einnah- men aus LAV-Beiträgen um 653 Millionen 15 Das Vorgehen zur Bestimmung der pandemiebedingten Effekte entspricht dem Differenz-von-Differenzen-Ansatz, ein Euro16 niedriger als im Vergleichsjahr (siehe gebräuchliches Verfahren der Ökonometrie zur Feststellung auch Tabelle 1). Im April sind die LAV-Bei- kausaler Effekte (vgl. zum Beispiel Angrist und Pischke 2009). 16 Die Zahlen in den Tabellen sind auf ganzzahlige Werte gerundet. träge gegenüber dem Vormonat nochmals Rundungsbedingte Abweichungen zwischen den gerundeten leicht zurückgegangen (um 273 Millionen Werten und den gerundeten Summen sind möglich.
Rentenversicherung 445 Abbildung 8: Monatliche LAV-Beiträge Januar bis September 2020 und Fortschreibung ab März, jeweils Vormonatsveränderungen und Differenz der Vormonatsveränderungen in Millionen Euro Quelle: eigene Darstellung. haften Zahlungsschwierigkeiten befanden, befristet. Ab März wurden vom Bund und von konnten in diesen Monaten ein vereinfachtes den Ländern zudem andere Unterstützungs- Stundungsverfahren für die Sozialversiche- maßnahmen zur Verfügung gestellt, wie etwa rungsbeiträge nutzen.17 Über die Stundungen Fördermittel und Kredite, die von den Unter- wurde bei den jeweiligen Beitragseinzugsstel- nehmen vorrangig in Anspruch zu nehmen len, die bei den gesetzlichen Krankenkassen waren. Daher ist davon auszugehen, dass angesiedelt sind, entschieden. Im Rahmen Beitragsstundungen und Tilgungen ab Juli des vereinfachten Verfahrens hat die Ren- 2020 keine spürbaren Auswirkungen mehr auf tenversicherung bislang keine Informatio- den Verlauf der LAV-Beiträge gehabt haben.19 nen über die Höhe der gestundeten Beiträge und die Tilgungen erhalten. Das Ausmaß der 17 Das Verfahren der vereinfachten Beitragsstundung ist in der Stundungs- und Tilgungseffekte in den ein- Vereinbarung des GKV-Spitzenverbandes vom 19. Mai 2020 beschrieben, siehe https://www.gkv-spitzenverband.de/media/ zelnen Monaten lässt sich zudem nur schwer dokumente/krankenversicherung_1/grundprinzipien_1/fnan- abschätzen, da sie von pandemiebedingten zierung/beitragsbemessung/20200519_Beitraege_Corona_ Informationen_zur_Stundung.pdf. Beschäftigungseffekten auf die Entwicklung 18 Für März und April 2020 schätzt die allgemeine Rentenversi- der monatlichen LAV-Beiträge überlagert cherung den Betrag der gestundeten Beiträge zur Rentenver- sicherung auf zusammen unter 2,0 Milliarden Euro. werden.18 Vor allem in den Monaten März und 19 Die zum Teil enormen Abweichungen des Verlaufs der monat- April 2020 dürften die vereinfachten Stun- lichen LAV-Beiträge von ihrem üblichen Trend haben das Liqui- ditätsmanagement der allgemeinen Rentenversicherung vor dungsmöglichkeiten den Beitragsausfall zu- besondere Herausforderungen gestellt. Auch in den von Bei- sätzlich verstärkt haben. Der kräftige Anstieg tragsausfällen besonders betroffenen Monaten März und April 2020 standen aus den Monatseinnahmen und kurzfristig liqui- im Mai dürfte dagegen zu einem großen Anteil dierbaren Rücklagen insgesamt liquide Mittel in ausreichendem auf Tilgungen zuvor gestundeter Beiträge zu- Umfang zur Verfügung. Ein Vorziehen der monatlichen Zahlun- gen des Bundes war daher nicht erforderlich. Nach dem Stand rückzuführen sein. Das Verfahren der verein- der Finanzschätzung vom Oktober ist auch im weiteren Verlauf fachten Stundung war bis zum 31. Mai 2020 des Jahres 2020 nicht mit Liquiditätsproblemen zu rechnen.
446 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 Tabelle 1: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die monatlichen LAV-Beiträge März bis September 2020 und Fortschreibung ab Oktober monatliche LAV-Beiträge Verlaufseffekte Niveaueffekte Monat in Millionen Euro Mär – 653 – 653 Apr – 1 250 – 1 904 Mai 1 479 – 425 Jun 167 – 257 Jul 117 – 140 Aug – 419 – 559 Sep 195 – 364 Okt bis Dez* 0 – 364 Jahreseffekt 2020* – 5 393 Anmerkungen: * Fortschreibung ab Oktober. Fortschreibung und Hochrechnung des Jahreseffekts erfolgen unter der Annahme eines im Mittel normalen Verlaufes ohne weitere pandemiebedingte Effekte in den Monaten Oktober bis Dezember. Abweichungen sind rundungs- bedingt möglich. Quelle: eigene Darstellung. Die Tabelle 1 fasst die Ergebnisse der Schät- Hochrechnung des Jahreseffekts bei den zung der pandemiebedingten Effekte auf die LAV-Beiträgen ergibt demnach einen Wachs- monatlichen LAV-Beiträge zusammen und tumsverlust von rund 2,5 Prozentpunkten bei weist zudem die kumulierten Effekte auf das den gesamten Pfichtbeiträgen aus Erwerbs- Niveau der LAV-Beiträge in jedem Monat tätigkeit im laufenden Jahr. sowie die Hochrechnung des Jahreseffekts aus. Der Niveaueffekt auf die Höhe der mo- natlichen Beitragseinnahmen lag zuletzt im 3.5 Pandemiebedingte Effekte September bei knapp minus 0,4 Milliarden auf die Einnahmen aus Beiträgen Euro. Unter der Prämisse eines im Mittel nor- der Bundesagentur für Arbeit (BA) malen Verlaufes ab Oktober ergibt die Hoch- rechnung des pandemiebedingten Effekts Für das Gesamtjahr erwartet die Bundes- für das laufende Jahr rund minus 5,4 Mil- regierung in ihrer Herbstprojektion vom liarden Euro. Um diesen Betrag würden die 30. Oktober 2020 einen Anstieg der jah- LAV-Beiträge in diesem Jahr niedriger liegen resdurchschnittlichen Zahl der Arbeitslo- als in einem durchschnittlichen Jahr ohne sen gegenüber dem Vorjahr um 435 000 auf COVID-19-Pandemie, vorausgesetzt der 2,70 Millionen Personen (vgl. Bundesminis- Verlauf ab Oktober entspricht demjenigen in terium für Wirtschaft und Energie, 2020). einem durchschnittlichen Jahr. Der bislang höchste Wert in einem Monat Nach der Finanzschätzung vom Oktober seit Ausbruch der Pandemie wurde im Au- 2020 betragen die Einnahmen aus den ge- gust mit 2,96 Millionen Arbeitslosen er- samten Pfichtbeiträgen aus Erwerbstätig- reicht. Nach den Arbeitsmarktdaten der BA keit im laufenden Jahr voraussichtlich rund vom November lag die Zahl der Arbeitslo- 223 Milliarden Euro, sie liegen damit um sen Ende Oktober bei knapp 2,76 Millionen 0,5 Prozent über dem Vorjahreswert. Die und damit um knapp 90 000 niedriger als im
Rentenversicherung 447 Monat September (vgl. Statistik der Bundes- tungsbeziehende von Unterhaltsgeld und agentur für Arbeit 2020b). Übergangsgeld, auf deren Höhe die COVID- Im März 2020 verschärfte sich die COVID- 19-Pandemie bislang keine spürbaren Aus- 19-Pandemie in Deutschland und es wurden wirkungen hat. Ihr Anteil an den gesamten seitens der Politik sukzessive Maßnahmen Beiträgen der BA lag 2019 bei knapp 0,8 Pro- zu deren Bekämpfung beschlossen. Die Ver- zent und ist im laufenden Jahr bis Septem- schärfung der Krise wirkte sich am Arbeits- ber auf 0,6 Prozent gesunken. Im Folgenden markt weitgehend ab der zweiten Monats- werden daher ausschließlich die Beiträge für hälfte aus. In den Arbeitslosenzahlen zeigen ALG-Beziehende betrachtet. sich die Auswirkungen der COVID-19-Pan- Die Abschätzung des pandemiebedingten demie erst ab April, da der statistische Stich- Effekts basiert auf den monatlichen Ab- tag für diese Zahlen in der Monatsmitte liegt. rechnungen der BA von Beiträgen, die für Zur Abschätzung des pandemiebedingten ALG-Beziehende im jeweiligen Monat nach- Effekts auf die Zahl der Arbeitslosen zieht gewiesen worden sind. Die Abrechnungen die BA den Vergleich der diesjährigen Ent- liegen mit Wartezeit von einem Monat vor.22 wicklung ab April mit der Entwicklung im Ver- Die Abbildung 9 zeigt die BA-Beiträge von gleichszeitraum des Vorjahres heran (siehe Januar bis August 2020 (Balken) und die Bundesagentur für Arbeit 2020).20 Insgesamt Entwicklung von April bis August in einem lag nach dieser Abschätzung der BA die Zahl durchschnittlichen Jahr (Linie). In Analo- der Arbeitslosen im Oktober 2020 aufgrund gie zum Vorgehen der BA bei der Abschät- der Pandemie und der Eindämmungsmaß- zung des pandemiebedingten Effekts auf die nahmen um 556 000 höher als in einem Ver- Arbeitslosigkeit wird als normaler Verlauf die gleichsjahr ohne Sondereffekte. Entwicklung der BA-Beiträge von April bis Für die Rentenversicherung ist nicht die Zahl August 2019 herangezogen. der Arbeitslosen insgesamt, sondern die der Im April lagen die BA-Beiträge um rund Leistungsbeziehenden von Arbeitslosen- 20 Millionen Euro höher als im März, wäh- geld nach dem SGB III (ALG-Beziehende) rend sie bei normalem Verlauf im April entscheidend, für die von der BA Beiträge gegenüber März zurückgegangen wären. gezahlt werden. Die entsprechenden Daten Bis Juli hat sich die Schere weiter geöffnet, werden von der BA mit einer Wartezeit von in dem Monat hat die BA rund 96 Millionen zwei Monaten veröffentlicht. Im August die- Euro mehr an Beiträgen für ALG-Beziehende ses Jahres haben demnach knapp 41 Pro- abgerechnet als in einem normalen Jahr. Im zent der Arbeitslosen oder 1,20 Millionen Personen Arbeitslosengeld erhalten. Das waren 393 000 Menschen mehr als im Vorjah- 20 Dabei wird die Zahl der Arbeitslosen im Mai 2019 um einen Sondereffekt aufgrund von Prüfaktivitäten in Jobcentern berei- resmonat. Bei der Betrachtung der Entwick- nigt, durch den die Arbeitslosigkeit im Bereich der Grundsiche- lung der ALG-Beziehenden und des pande- rung um 35 000 Personen angestiegen war. Zur ausführlichen Beschreibung der Methodik siehe Bundesagentur für Arbeit miebedingten Effekts auf die BA-Beiträge ist 2020. zu berücksichtigen, dass im Rahmen des 21 Das Gesetz zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID- 19-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) trat am 28. Mai 2020 in Kraft Zweiten Sozialschutzpakets beschlossen (BGBL Jg. 2020, Teil 1, Nr. 24 vom 28. Mai 2020). wurde, Arbeitslosengeld drei Monate länger 22 Die abgerechneten BA-Beiträge in einem Monat weichen von der Auszahlung der BA an die Rentenversicherung in dem- auszuzahlen, wenn der Anspruch andernfalls selben Monat ab. Im Rahmen der Vereinbarung zur Zahlung zwischen dem 1. Mai und dem 31. Dezem- und Abrechnung der Rentenversicherungsbeiträge nach § 176 Absatz 2 SGB VI erhält die Rentenversicherung monatliche ber 2020 enden würde.21 Hierdurch hat sich Abschlagszahlungen von der BA, die sich aus einem Abschlag die Zahl der ALG-Beziehenden seit Juni zu- auf das Beitragsaufkommen aus dem Vorvormonat und der Spitzabrechnung für den Vorvormonat zusammensetzen. Die sätzlich leicht erhöht (vgl. Bundesagentur für Jahresabrechnung erfolgt jeweils im Januar des Folgejahres. Arbeit, 2020). Die Abschlagszahlung in einem Monat bezieht sich somit nicht auf die Zahl der ALG-Beziehenden in dem betrachteten Monat, Die Rentenversicherung erhält außerdem sondern auf einen vergangenheitsbezogenen Durchschnitts- monatliche Beiträge von der BA für Leis- wert.
448 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 Abbildung 9: Monatliche Beiträge für Leistungsbeziehende von Arbeitslosengeld, abgerechnete BA-Beiträge und normale Entwicklung ab April in Millionen Euro Quelle: eigene Darstellung. Abbildung 10: Monatliche BA-Beiträge Januar bis August 2020 und normale Entwicklung ab April, jeweils Vormonatsveränderungen und Differenz der Vormonatsveränderungen in Millionen Euro Quelle: eigene Darstellung.
Rentenversicherung 449 Tabelle 2: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die abgerechneten monatlichen BA-Beiträge April bis August 2020 und Fortschreibung ab September monatliche BA-Beiträge Verlaufseffekte Niveaueffekte Monat in Millionen Euro Apr 38 38 Mai 28 66 Jun 26 92 Jul 2 94 Aug –3 91 Sep bis Dez* 0 91 Jahreseffekt 2020* 746 Anmerkungen: * Fortschreibung ab September. Fortschreibung und Hochrechnung des Jahreseffekts erfolgen unter der Annahme eines im Mittel normalen Verlaufes ohne weitere pandemiebedingte Effekte in den Monaten September bis Dezember. Abweichungen sind run- dungsbedingt möglich. Quelle: eigene Darstellung. August 2020 hat sich der Abstand nicht wei- zurückgegangen. In den Monaten Juli und ter vergrößert. August 2020 waren dagegen keine zusätz- Zur Abschätzung des pandemiebedingten lichen pandemiebedingten Effekte auf die Effekts auf die monatlichen BA-Beiträge monatlichen BA-Beiträge zu beobachten. werden ab April die Vormonatsveränderun- In Tabelle 2 ist die Abschätzung der Aus- gen im laufenden Jahr mit dem Verlauf im wirkungen auf die BA-Beiträge zusammen- Jahr 2019 („normaler Verlauf“) verglichen. gefasst. In den Monaten April bis Juni 2020, Die Abbildung 10 zeigt die Vormonatsverän- in denen die COVID-19-Pandemie zu einem derungen im laufenden Jahr (durchgezogene spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit ge- Linie), den normalen Verlauf ab April (unter- führt hat, haben auch die monatlichen BA- brochene Linie) sowie die Differenzen der Beiträge in jedem Monat zugelegt. Seit Juni Veränderungen (Balken). bewegen sie sich auf einem Niveau, das im Im April 2020 waren die BA-Beiträge kräf- Vergleich zu einem Jahr ohne Krise um 91 tig gestiegen, während sie im Vergleichs- bis 94 Millionen Euro erhöht ist. Auf diesem jahr im Zuge der Frühjahrsbelebung am hohen Niveau entsprach der Verlauf der mo- Arbeitsmarkt rückläufg gewesen wären. natlichen BA-Beiträge in den Monaten Juli Für April errechnet sich demnach ein pan- und August 2020 weitgehend einem üb- demiebedingter Effekt in Höhe von rund lichen Verlauf, das heißt ohne weitere pan- 37 Millionen Euro. Um diesen Betrag lagen demiebedingte Effekte. Unter der Annahme, die BA-Beiträge im April über dem Niveau, dass sich der übliche Verlauf im Mittel über das in einem durchschnittlichen Jahr zu er- die Monate ab September fortsetzt, ergibt warten gewesen wäre. In den Monaten Mai die Hochrechnung des Gesamteffekts für und Juni des laufenden Jahres sind die BA- das laufende Jahr ein Plus bei den BA-Bei- Beiträge jeweils weiter gestiegen. In einem trägen im Umfang von 746 Millionen Euro durchschnittlichen Jahr wären sie im Mai oder rund 22 Prozent gegenüber dem Vor- nicht spürbar gestiegen und im Juni sogar jahreswert.
450 Deutsche Rentenversicherung 4/2020 4. Auswirkungen der Arbeitsmarkt- auf die mit dem durchschnittlichen Arbeits- entwicklung auf die Beitrags- ausfall in Beschäftigtenäquivalente umge- einnahmen rechneten Zahlen. Die Zahl der sozialversicherungspfichtig Be- Das Arbeitsvolumen war im zweiten Quar- schäftigten (in der Abgrenzung der BA) hatte tal des laufenden Jahres auf das niedrigste im April 2020 gegenüber dem Vormonat Niveau seit der Wiedervereinigung gefal- deutlich um rund 218 000 abgenommen. Die len.23 Auf die Entwicklung der monatlichen Zahl der geringfügig entlohnt Beschäftigten Beitragseinnahmen der Rentenversicherung war im März bereits um rund 175 000 und wirkten sich vor allem die starke Zunahme im April nochmal um rund 271 000 zurück- der Kurzarbeit und der Beschäftigungsab- gegangen. Aus den Anzahlen und Vormo- bau aus. Basierend auf der aktuellen Arbeits- natsveränderungen lassen sich die Auswir- marktstatistik der BA werden im Folgenden kungen der COVID-19-Pandemie nicht direkt die Auswirkungen der Beschäftigungseffek- abschätzen. Im folgenden Abschnitt 4.1 wird te durch die COVID-19-Pandemie auf die zu diesem Zweck jeweils der diesjährige Ver- Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit im lau- lauf der Reihen mit einem üblichen Verlauf fenden Jahr geschätzt. in einem durchschnittlichen Jahr verglichen. Aus den Veränderungen der Zahl der sozial- Im ersten Schritt werden die pandemie- versicherungspfichtig Beschäftigten, der bedingten Effekte auf die Anzahl der sozial- Zahl der geringfügig entlohnt Beschäftigten versicherungspfichtig Beschäftigten und die und der in Beschäftigungsäquivalente um- Anzahl der geringfügig entlohnt Beschäftig- gerechneten Zahl der Personen in Kurzarbeit ten sowie die in Beschäftigungsäquivalente lassen sich die Effekte der Pandemieauswir- ausgedrückte Zahl der Personen in Kurz- kungen am Arbeitsmarkt auf die Pfichtbei- arbeit ermittelt. Die geschätzten Effekte auf träge aus Erwerbstätigkeit schätzen. Endgül- die Personenzahlen werden im nächsten tige Ergebnisse der Beschäftigungsstatistik Schritt in pandemiebedingte Effekte auf die veröffentlicht die BA infolge des langwierigen Pfichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit umge- Abrechnungs- und Meldeverfahrens erst mit rechnet. einem Zeitverzug von sechs Monaten. Mit einem Zeitverzug von zwei Monaten stellt die BA hochgerechnete Zahlen zur Verfügung.24 4.1 Abschätzung der Arbeitsmarkt- In der Tabelle 3 sind die im Folgenden bei effekte auf die Anzahl der beitrags- der Abschätzung der Arbeitsmarkteffekte pfichtig Beschäftigten auf die Beitragseinnahmen verwendeten An- gaben der BA für das laufende Jahr wieder- Die Abschätzung der pandemiebedingten gegeben. Effekte basiert wie erwähnt auf der Metho- Im August 2020 bezogen nach vorläufgen dik, die von der BA zur Abschätzung der hochgerechneten Daten der BA Unterneh- Pandemieauswirkungen auf Arbeitslosigkeit men für 2,58 Millionen Menschen Kurzarbei- tergeld aus konjunkturellen Gründen, nach 3,32 Millionen im Juli. Im April – dem bisher 23 Nach Informationen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufs- am stärksten betroffenen Monat – waren es forschung war das Arbeitsvolumen im zweiten Quartal 2020 noch knapp 6 Millionen Kurzarbeitende ge- im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,0 Prozent gesunken. Demnach lag die Zahl der Arbeitsstunden zwischen April und wesen (vgl. Bundesagentur für Arbeit, 2020, Juni 2020 so niedrig wie noch nie in einem Quartal seit der Tabelle 1). Der durchschnittliche Arbeitsaus- Wiedervereinigung (vgl. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs- forschung 2020). fall belief sich im August 2020 wie schon im 24 Die hochgerechneten Werte für die jüngsten fünf Monate der Monat zuvor auf 36 Prozent. Im April hatte er jeweiligen Veröffentlichung basieren auf unterschiedlichen Datenständen und werden zu einem späteren Zeitpunkt bei ver- bei 48 Prozent gelegen. Die Angaben zu den besserter Datenlage möglicherweise revidiert (vgl. Statistik der Kurzarbeitenden in Tabelle 3 beziehen sich Bundesagentur für Arbeit 2020b).
Rentenversicherung 451 Tabelle 3: Arbeitsmarktdaten Januar bis August 2020 zur Abschätzung der Arbeitsmarkt- effekte auf die Beitragseinnahmen sozialversicherungs- geringfügig entlohnt Kurzarbeit Beschäfti- pfichtig Beschäftigte Beschäftigte gungsäquivalente Vormonats- Vormonats- Vormonats- Monat Anzahl verände- Anzahl verände- Anzahl verände- rung rung rung Jan 33 607 734 – 132 390 7 427 065 – 109 628 30 924 9 799 Feb 33 623 745 16 011 7 419 214 – 7 851 33 438 2 515 Mär 33 648 183 24 438 7 244 669 – 174 545 849 565 816 127 Apr 33 430 129 – 218 054 6 973 921 – 270 748 2 905 818 2 056 253 Mai 33 354 300 – 75 829 7 033 200 59 279 2 378 521 – 527 297 Jun 33 348 000 – 6 300 7 100 800 67 600 1 644 969 – 733 552 Jul 33 255 400 – 92 600 7 153 400 52 600 1 207 720 – 437 249 Aug 33 506 700 251 300 7 156 700 3 300 917 719 – 290 001 Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit, Tabellen, Realisierte Kurzarbeit (hochgerechnet) (Monatszahlen), November 2020, und Eckwerte des Arbeitsmarktes und der Grundsicherung, Oktober 2020. und Beschäftigung verwendet wird und die demie auf die monatlichen Veränderungen bereits im Abschnitt 3 bei den Effekten auf der Beschäftigtenzahlen gibt. Unter dieser die Beitragseinnahmen zum Einsatz kam. Prämisse würden sich die kumulierten Aus- Dabei wird der diesjährige Verlauf der in der wirkungen bis August im Mittel über die vier Tabelle 3angegebenen Personenzahlen seit Monate von September bis Dezember nicht Beginn der Krise dem jeweiligen Verlauf im mehr verändern und es ergäben sich die in Vergleichszeitraum des Jahres 2019 gegen- der letzten Zeile der Tabelle 4 angegebenen übergestellt. Eine unter Umständen etwas jahresdurchschnittlichen Effekte. verhaltene Arbeitsmarktentwicklung in die- sem Jahr wegen der bereits zu Jahresbe- ginn spürbaren konjunkturellen Schwäche 4.2 Abschätzung der Arbeitsmarkt- wird dabei vernachlässigt.25 Die Ergebnisse effekte auf die Einnahmen aus der Abschätzung der pandemiebedingten Pfichtbeiträgen aus Erwerbs- Effekte auf die Zahlen der sozialversiche- tätigkeit rungspfichtig Beschäftigten, der geringfügig entlohnt Beschäftigten und und die Beschäf- Die geschätzten pandemiebedingten Effek- tigungsäquivalente bei Kurzarbeit sind in der te auf die Beschäftigten in Tabelle 4 lassen Tabelle 4zusammengefasst. sich in Effekte auf die Beitragseinnahmen Zur Abschätzung der jahresdurchschnitt- der Rentenversicherung umrechnen. Hierfür lichen Effekte müssen Annahmen über die ist eine Annahme über die durchschnittlichen Auswirkungen auf die Beschäftigtenzahlen beitragspfichtigen Bruttolöhne und -gehäl- in den verbleibenden Monaten ab Septem- ter je Arbeitnehmer im Jahr 2020 unter der ber getroffen werden. Vereinfachend wird im Folgenden unterstellt, dass es in den Mo- 25 Für eine ausführliche Beschreibung der Methodik, die von der naten September bis Dezember 2020 keine BA verwendet wird, siehe Statistik der Bundesagentur für Arbeit weiteren Auswirkungen der COVID-19-Pan- 2020c.
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