Entwicklung und Management eines allergischen Patienten
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Seite 1 von 4 Ausgabe November 2020 Entwicklung und Management eines allergischen Patienten Alle Bilder: Dr. Maria Christian Goliat ist ein 2012 geborener Dackelmischlings umstritten ist, wurde eine Therapie mit Metro rüde. Im Alter von 4 Jahren wurde er von einer nidazol, Amoxicillin und Pantoprazol gestartet ungarischen Tierschutzorganisation übernom und bereits am 2. Tag nach Therapiebeginn war men. Damals zeigte er einen minderguten Goliat klinisch unauffällig. Ernährungszustand, eine eitrige Konjunktivitis Goliat wurde nach einigen Monaten (im Alter sowie diverse Hautwunden, die aber bereits von 7 Jahren) von der Magenschonkost wieder in Abheilung waren. Außerdem hatte er rezidi auf die Diät des allergischen Zweithundes um vierenden Durchfall, der teilweise Blut- und gestellt und entwickelte innerhalb weniger Tage Schleimbeimengungen aufwies. Ein Giardien- hochgradigen Juckreiz an beiden Ohren. ELISA war positiv, nach einer Therapie mit Fen bendazol normalisierte sich der Kotabsatz. Klinisches Bild Da Goliats Partnerhund Futtermittelallergiker Beide Pinnae waren warm, gerötet und verdickt, ist, wurde auch er selbst auf einer Diät (Ente ebenso der äußere Gehörgang. In diesem hatte und Mais) gehalten. Dennoch hatte er zunächst sich außerdem reichlich bräunliches Cerumen seltene, kolikartige Zustände, die mit Borbo mit leichtem Hefegeruch angesammelt. Das rygmus und Inappetenz, gelegentlich auch mit Trommelfell war nicht einsehbar. Erbrechen einhergingen. Diese Anfälle häuften sich, und schließlich blieb die Symptomatik Zytologische Untersuchung über mehrere Tage bestehen. Nachdem Blut screening, Kotuntersuchung und Ultraschall Am Ohrabstrich-Präparat waren zwischen den des Abdomens keine Auffälligkeiten zeigten und physiologisch vorhandenen Hornschollen reich auch eine Umstellung auf eine Magenschonkost lich Bakterien (Kokken) und auch vermehrt Ma nur eine geringgradige Verbesserung brachte, lassezien zu sehen (Abb. 1). Neben reichlichen wurde eine Helicobacter-PCR aus Erbrochenem Chromatinfäden waren stellenweise auch einige durchgeführt und diese war positiv. Obwohl die intakte neutrophile Granulozyten vorhanden. Pathogenität von Helicobacter spp. bei Hunden LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68546 • E-Mail: info@laboklin.com • www.laboklin.com
Seite 2 von 4 verwendet werden. Natürlich muss auch hier auf gute Qualität und v.a. auf den Grad der Hydro lysierung (Größe der Peptide sollte < 1 kDa sein) geachtet werden. Bei Goliat wurde ein Futtermittelallergietest durchgeführt; leider zeigte er bei fast allen getesteten Protein- und Kohlehydratquellen po sitive Reaktionen im Bereich der IgE und auch einige positive Ergebnisse im Bereich der IgG. Aufgrund des multipositiven Testergebnisses wurde Goliat ab sofort mit einer qualitativ hoch wertigen, hydrolysierten Diät aus Geflügelfedern (< 1kDa) und hoch aufgereinigter Maisstärke gefüttert (RC Anallergenic®), das auch sein aller gischer Partnerhund fressen konnte. Abb. 1: Ohrabstrich-Präparat: Hornschollen, Chroma- tinfäden (vermutlich von Neutrophilen) sowie reichlich Therapie Otitis und Futtermittelallergie Kokken und einige Malassezien Leider war eine gründliche Ohrreinigung bzw. sogar die Verabreichung von Ohrentropfen wegen fehlender Compliance des eigenwilligen Erste Diagnose Patienten kaum möglich, sodass Goliat nach Hochgradige septisch-eitrige Otitis externa mit ein paar Tagen einen Termin zur Ohrspülung in Malassezienüberwucherung. Da Otitis externa Vollnarkose bekam. Bereits vor dieser einge bei Hunden sehr häufig durch Futtermittelallergi henden Untersuchung und Behandlung konnte en induziert wird und in diesem Fall der zeitliche eine deutliche Verbesserung der Symptome Zusammenhang mit der Futterumstellung ekla festgestellt werden, die allein der Futterumstel tant war, war eine Futtermittelallergie als Primär lung zugeschrieben wurde. Die Schwellung war erkrankung die oberste Differentialdiagnose. fast gänzlich verschwunden und der Juckreiz äußerte sich nur noch durch ein gelegentliches Serologische Untersuchung auf Kopfschütteln. Nach der gründlichen Ohrreini Futtermittelallergene gung in Sedierung wurde daher auf eine weitere lokale Therapie verzichtet. Die Diagnose „Futtermittelallergie“ wird mittels Um Goliat nicht ausschließlich mit Trockenfutter Eliminationsdiät, die über mindestens 8 Wochen zu ernähren, wurde nach etwa 6 Wochen, als durchgeführt werden sollte, und anschließender klinisch kaum noch Symptome einer Otitis fest Provokation mit dem ursprünglich verwendeten zustellen waren, eine Nassfuttervariante eines Futter gestellt. Zeigt der Patient ein Rezidiv, hydrolysierten Futters – ebenfalls basierend auf kann die Futtermittelallergie diagnostiziert wer Geflügelprotein und Maisstärke (Hill’s z/d®) – den. Die Diät kann aus einer Protein- und einer zugefüttert. Wahrscheinlich reichte der Hydroly Kohlehydratquelle bestehen, die der Patient sierungsgrad dieser Diät nicht aus, denn wieder noch nie zuvor gefressen hat. Aufgrund des trat innerhalb weniger Tage eine Otitis externa sehr weit gefächerten Angebotes an kommer auf. Nach erneuter Futterumstellung rein auf ziellen Futtermitteln wird es heutzutage immer das hydrolysierte Trockenfutter heilte die Otitis schwieriger, eine Diät zu finden, welche noch wieder aus. nie gefüttert worden ist. Daher empfiehlt es sich, Auch eine Studie mit Hunden, die auf Huhn all zur Auswahl der Protein- und Kohlehydratquelle ergisch reagieren, zeigte, dass 40% der Patien für die Eliminationsdiät einen Allergietest (allge ten auf die Fütterung von Hill’s z/d® mit deutlich meiner/erweiterter/exotischer Futtermittelaller vermehrtem Juckreiz reagierten, wohingegen gietest: Infos dazu siehe laboklin.com/allergie) RC Anallergenic® bei keinem Hund eine Ver durchzuführen. Anhand des Testergebnisses schlechterung der klinischen Symptome verur werden eine Proteinquelle und eine Kohlehy sachte (Bizikova et al., 2016). dratquelle ausgewählt, auf die weder im Bereich der IgE- noch der IgG-Antikörper eine positive Weiterer Verlauf Reaktion vorliegt. Eine Studie der Universitäts kleintierklinik in München zeigte, dass der nega Einige Wochen später – im Frühsommer – ent tive Vorhersagewert der Futtermittelallergietests wickelte Goliat trotz strenger Einhaltung der Diät unter Berücksichtigung beider Antikörperklassen erneut geringgradigen Juckreiz an den Ohren, bei 81,1% liegt (Bethlehem et al., 2012). Ver aber zusätzlich auch an den Extremitäten, in wendet man für die Diät nur Bestandteile, die den Achseln und am ventralen Abdomen, der bei IgE und IgG keine Reaktion zeigen (Reak sich im August schließlich zur Stärke 8 – 9/10 tionsklasse null), füttert man somit bei 4 von 5 nach der visuellen Analog-Skala für Juckreiz (Pr Hunden eine passende Eliminationsdiät. Neben uritus Visual Analog Scale; PVAS) steigerte. Die selbst zubereitetem Futter und hochwertigen, Haut zeigte in diesen Bereichen zunehmend ein hypoallergenen kommerziellen Diäten kann für Erythem, moderate Alopezie, Hyperpigmentie die Eliminationsdiät auch hydrolysiertes Futter rung sowie leichten Hefegeruch (Abb. 2 und 3).
Seite 3 von 4 Da keine Erosionen oder Krusten vorhanden waren, wurde mittels Klebestreifen ein Ab klatschpräparat der Haut entnommen, um es auf Sekundärinfektionen zu prüfen. Mikroskopisch waren neben reichlich Pollen auch Ansamm lungen von neutrophilen Granulozyten sowie Kokken und wenige Malassezien zu finden. Auf die Beurteilung eines Hautgeschabsels wegen Ektoparasiten wurde verzichtet, da Goliat dauer haft mit Simparica® (Sarolaner) versorgt wurde. Klinische Verdachtsdiagnose Canine atopische Dermatitis (CAD) mit Sekun därinfektionen. Abb. 2: Alopezie, Erythem und Hyperpigmentierung Da Goliat ausschließlich mit der hochgradig hy medial am Unterarm. drolysierten Diät Anallergenic® gefüttert wurde, erschien es sehr unwahrscheinlich, dass die Juckreizsymptomatik durch die Futtermittelaller gie verursacht wurde. Therapie Atopie Goliat wurde 2x pro Woche mit einem Chlor hexidin-haltigen Pflegeshampoo (Douxo Pyo®) gebadet und zusätzlich wurde die Hautbarri erefunktion durch essentielle Fettsäuren und Ceramide unterstützt. Aufgrund seiner strengen Diät wurde auf ein Spot-on-Präparat zurückge griffen (Allerderm®). Obwohl sich das Erythem und die Alopezie deutlich besserten, wurde der Juckreiz durch die lokale Therapie nur geringgradig besser. Auch eine Injektion von Cytopoint® (Lokivetmab) konnte den Juckreiz Abb. 3: Deutliche Alopezie und Hyperpigmentierung nur reduzieren. Daher wurde nach einer Blutent am Abdomen. nahme für die Durchführung eines Allergietest auf Umgebungsallergene vorübergehend eine Therapie mit Prednisolon gestartet (1 mg/kg tgl. Außerdem fiel eine mittelgradige, seromuköse für 1 Woche, dann 0,5 mg/kg tgl.). In Kombinati Konjunktivitis auf (Abb. 4). on mit regelmäßigen Injektionen von Cytopoint® sowie weitergeführter topischer Therapie war die Konjunktivitis nach wenigen Wochen geheilt und der Juckreiz zwar besser, aber noch immer bei einer Stärke von 6/10 nach PVAS. ASIT Da Goliat im Allergietest auf alle Milben eine positive Reaktion gezeigt hatte, wurde die ASIT bestellt. Das Prednisolon wurde vor Beginn der Hyposensibilisierung ausgeschlichen, weil es in Relation zur recht hohen Dosierung nur wenig zur Verbesserung der Juckreizsymptomatik beitrug. Die ASIT wurde lt. Therapieplan begonnen. Anfangs bekam Goliat zusätzlich Cytopoint® gegen den Juckreiz. Bei Hunden, die nach der Verabreichung von Cytopoint® völlig juckreizfrei sind, wäre die Kombination mit der ASIT vor allem zum Therapiestart nicht zu empfehlen. Es ist zu Beginn der ASIT wichtig, dass die Abb. 4: Seromuköser Augenausfluss infolge einer Patienten nicht gänzlich symptomfrei sind, weil allergischen Konjunktivitis. sonst weder eine Verbesserung noch eine Ver LABOKLIN LABOR FÜR KLINISCHE DIAGNOSTIK GMBH & CO.KG Steubenstraße 4 • 97688 Bad Kissingen • Telefon: 0971-72020 • Fax: 0971-68546 • E-Mail: info@laboklin.com • www.laboklin.com
Seite 4 von 4 schlechterung der Klinik erkannt werden kann. (z.B. Labrador, Golden Retriever, WHWT, Bull Besonders im Fall einer Symptomverschlechte terrier…) – d.h. Goliat als Mischling sollte eigent rung ist es aber von Bedeutung, rasch in Form lich ein geringeres Risiko tragen, eine Allergie einer Adaptierung des Therapieschemas der zu entwickeln. ASIT zu reagieren. Da Goliat seit Beginn des Allergie-beeinflussende Umweltfaktoren bei Juckreizgeschehens nie symptomfrei war, wurde Hunden wurden in verschiedenen Studien noch einmalig nach Beginn der ASIT Cytopoint® untersucht, die teilweise konträre Ergebnisse gespritzt. Auch nach Ende der Wirkdauer davon zeigen. Ein Risikofaktor, der in nahezu allen zeigte Goliat keinen vermehrten Juckreiz und Untersuchungen identifiziert werden konnte, ist nach 12 Wochen zeigte der Hund als einziges das Leben bzw. Aufwachsen in einer urbanen Anzeichen seiner Allergie kurze Phasen von Umgebung. Die in der Humanmedizin postulierte Belecken der Pfoten vor allem abends vor dem Hygienehypothese, die besagt, dass eine hohe Schlafen (2 – 3/10 PVAS). Mikroben-Exposition in der Kindheit vor allergi schen Erkrankungen schützt, dürfte auch in der Langzeitmanagement Veterinärmedizin zutreffen. Weitere protektive Die Shampoo-Therapie wurde auf 1x pro Woche Umweltfaktoren sind: ländliche Umgebung, viel reduziert, die wöchentliche Verabreichung von Zeit in der Natur, mehrere Tiere im Haushalt, Allerderm®-Spot-on wurde genauso wie die selbstgekochtes Futter während der Trächtigkeit dauerhafte Gabe von Simparica® beibehalten. und späte Welpen-Vergabe. Negative Risikofak Gefüttert wird Goliat weiterhin mit RC Analler toren sind hingegen eine sehr saubere Umge genic®. Um den Milbendruck in der Umgebung bung und das Liegen auf Polstermöbeln bzw. an zu senken, werden sämtliche Schlafplätze Plätzen mit hoher Hausstaubmilbendichte. Da wöchentlich bei 60°C gewaschen und im Trock über Goliats frühe Vorgeschichte nichts bekannt ner getrocknet. ist, ist die Beurteilung der Risikofaktoren in sei Vor allem im Spätsommer zeigt Goliat trotzdem nem Fall teilweise nicht möglich. immer wieder Phasen von vermehrtem Juckreiz, Ein weiterer Risikofaktor, der erst kürzlich in die aber bisher durch häufigeres Schampo der Humanmedizin untersucht wurde, ist die nieren und der zusätzlichen Anwendung von Einnahme von Magenschutzmedikamenten hautpflegendem Schaum (Douxo Calm®) ohne (Jensen-Jarolim et al, 2019). In einer groß den Einsatz von systemischen juckreizstillenden angelegten retrospektiven Studie wurde ge Medikamenten in den Griff zu bekommen waren. zeigt, dass die Einnahme v.a. von Protonen Diese „saisonale“ Verschlechterung bei einem pumpeninhibitoren das Risiko für das Auftreten Milbenallergiker kann dadurch erklärt werden, allergischer Symptome, die eine antiallergische dass sich Hausstaubmilben unter bestimm Therapie erfordern, verdoppelt bis verdreifacht. ten klimatischen Bedingungen explosionsartig Neben einer direkten Einwirkung der Medika vermehren können und somit der Allergendruck mente auf das Immunsystem ist in der Human stark ansteigt. Eine andere Erklärung könnte medizin auch eine Veränderung des oralen und sein, dass Goliat mittlerweile doch eine Reaktion gastrointestinalen Mikrobioms nachgewiesen, auf Pollen von spätblühenden Pflanzen zeigt, die ein pro-allergisches Milieu schafft und die die im ersten Allergietest noch nicht zu erken Entstehung von allergischen Erkrankungen nen war. Ein weiterer Allergietest auf saisonale fördert. Auch in der Veterinärmedizin wird seit Allergene ist daher geplant. wenigen Jahren intensiv an der Bedeutung des Mikrobioms geforscht. Nach ersten Ergebnissen Diskussion scheint das gastrointestinale Mikrobiom die Ent wicklung von Adipositas, allergischer Dermatitis CAD betrifft ca. 10% der weltweiten Hunde und Neoplasien sowie kognitive Funktionen und population und ist damit eine häufig auftretende die Nierenfunktion zu beeinflussen. Möglicher Erkrankung. Je nach Studie tritt die atopische weise hat auch die Therapie des Helicobacter Dermatitis bei 3 – 30% der betroffenen Hunde mit Pantoprazol bei Goliat die Entstehung seiner gleichzeitig mit einer Futtermittelallergie auf, wie Allergien begünstigt. es auch bei Goliat der Fall ist. Der Fall von Goliat zeigt auf, dass nicht jeder Die Pathogenese der CAD ist multifaktoriell: Allergiker auf die klassischen Therapiemöglich einerseits besteht eine genetische Veranlagung, keiten gleich gut anspricht, und dass für jeden andererseits beeinflussen aber auch Umweltfak Patienten ein individuelles, meist multimodales toren das Auftreten und den Verlauf der CAD. Management notwendig ist. Ein wichtiger und Einige Rasseprädispositionen sind bekannt effektiver Bestandteil davon ist die ASIT. Dr. Maria Christian
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