Epidemiologie der leberzirrhose - Hepatitis
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Fortbildung Lebererkrankungen wie zum Beispiel Claus Niederau, Oberhausen die italienische „Dionysos“-Studie. Hier Epidemiologie der wurden 6.917 Personen aller 10.150 Bür- ger zweier Städte in Nord-Italien im Alter von 12 - 65 Jahren prospektiv auf das Leberzirrhose Vorliegen verschiedener Lebererkran- kungen untersucht: Es ergaben sich fol- Die Prävalenz der Leberzirrhose ist stark abhängig vom untersuchten Kol- gende Prävalenzdaten: lektiv bzw. den Risikofaktoren. Bei den Todesursachen steht die Zirrhose in Deutschland an Platz 9 bis 11, wobei die Mortalität mit dem Alter zunimmt chronische Lebererkrankung 17,5 % und bei Männern fast doppelt so hoch ist wie bei Frauen. Die wichtigsten Leberzirrhose 1,1 % Ursachen sind Alkoholabusus, Hepatitis B und C sowie die nicht-alkoholische hepatozelluläres Karzinom 0,1 % Steotohepatitis. chronische HBV-Infektion 1,3 % chronische HCV-Infektion 3,2 % Häufigkeit in zweier deutscher Städten mehr als ver- Obduktionsstudien doppelt (Schubert GE et al. Z Gastroen- In der Dionysos-Studie wurde außer- Die Häufigkeit der Leberzirrhose in eu- terol 1982;20:213-20) (Abb. 2). Auch im dem nach Risiko-Faktoren für eine Zir- ropäischen Obduktionsstudien schwankt Obduktionsgut von Helsinki hat sich die rhose gesucht. Die Autoren geben an, zwischen knapp 5 % in Dänemark und Zirrhosehäufigkeit zwischen 1968 und dass Alkohol bei 26 % der Zirrhosen Finnland und knapp 10 % in Italien 1988 verdoppelt und stieg von 3,0 auf der entscheidende Faktor gewesen sei (Graudal N et al. J Intern Med 1991; 6,1% (Savolainen VT et al. Alcohol Clin und bei 37 % eine chronische HCV- 230:165-71; Savolainen VT et al. Alcohol Exp Res 1992;16:661-4). Die weiter unten oder HBV-Infektion. Es wurden bei Clin Res 1992;16:661-4) (Abb. 1); in im Text dargestellten Daten zu den To- vielen Personen mit Zirrhose aber Japan betrug dieser Wert im Jahre 2008 desursachen deuten allerdings daraufhin, gleichzeitig ein Alkoholabusus und eine etwa 5% (Fujimoto K et al. Geriatr Ge- dass sich die Häufigkeit der Leberzirrho- chronischen Virushepatitis gefunden, so rontol Int. 2008;8:198-203). In diesen sen in Deutschland in den letzten 20 Jah- dass diese Faktoren häufig schwer zu Untersuchungen waren 25-50 % der bei ren wieder verringert hat. trennen sind (Bellentani S et al. Hepa- Obduktionen entdeckten Leberzirrhosen tology 2005:20:1442-9). klinisch zuvor unbekannt gewesen. Zwi- Kohortenstudien Zur Inzidenz der Zirrhose gibt es eben- schen 1946 und 1975 hat sich die Häufig- Es gibt nur wenige prospektive Kohor- falls nur wenige Langzeitkohortenstu- keit der Leberzirrhose im Obduktionsgut ten-Studie zur Prävalenz chronischer dien. Relativ gut nachverfolgt wurden Abb. 1 Hepatitis&more 1/2011 11
Fortbildung zwei mit HCV-infizierte Kollektive; das eine Kollektiv bestand vorwiegend aus Männern (439 Männer von 485 Per- sonen), die sich in Österreich durch kon- taminiertes Plasma infiziert hatten. Nach im Mittel 33 Jahren hatten 34,0 % dieser Personen eine fortgeschrittene Leberer- krankung, 7,4 % waren lebertransplan- tiert worden, 4,3 % hatten ein hepatozel- luläres Karzinom (HCC) entwickelt und 5,2 % waren an einer Lebererkrankung verstorben (Ferenci P et al. J Hepatol 2007;47:4-6). Genau gegenteilige Daten mit einer niedrigen Zirrhoseinzidenz zeigte eine Studie aus der ehemaligen DDR, wo 1978/79 etwa 3.000 Frau durch HCV kontaminiertes anti-D Immunglo- bulin infiziert wurden (Wiese M et al. J Hepatol 2005;43:590-8). Von insgesamt Abb. 3 2.867 Frauen wurden 1.980 Frauen nach 25 Jahren erneut untersucht. Zu diesem statistik analysieren. Unter der Einord- Für Personen mit chronischem Alkohol- Zeitpunkt waren 86 % anti-HCV und nung „chronische Lebererkrankungen abusus ist die Lebenserwartung um mehr 46 % HCV-RNA positiv. Es fand sich aber und Leberzirrhose“ findet man bei den als 20 Jahre reduziert. Bei einer alkohol- nur bei 0,5% der Frauen eine eindeutige ICD-Codes vorwiegend die alkohol- und bedingten Leberzirrhose ist die Progno- Leberzirrhose und bei weiteren 1,5 % nicht-alkoholbedingter Zirrhose. Die Le- se noch schlechter. Abhängig vom eine beginnende Zirrhose. Beim Ver- berzellkarzinome sind hier nicht enthal- Schweregrad der alkoholbedingten gleich dieser beiden Studien mit sehr dis- ten. Unter den Todesursachen liegt die Leberzirrhose sterben innerhalb von fünf krepanten Daten zur Zirrhoseinzidenz Leberzirrhose in Deutschland in den ver- Jahren nach Diagnose 20-90 % der Be- besteht ein wesentlicher Unterschied in gangenen Jahren an Stelle 9 bis 11 der troffenen. Auch bei chronischer Hepatitis der Geschlechtsverteilung, der die Unter- häufigsten Ursachen (Gesundheits- B und C ist die Prognose eingeschränkt, schiede in der Zirrhosehäufigkeit zumin- bericht für Deutschland 1998: Kapitel wenn bereits eine Leberzirrhose vorliegt. dest teilweise erklären könnte. Männer 5.22; http://www.gbe-bund.de/gbe10). Verschiedene Untersuchungen zeigen, haben häufiger als Frauen weitere hepa- Bei 25 - 45-jährigen Männern ist die dass Lebererkrankungen als Todesur- togene Noxen wie z.B. einen Alkoholab- Leberzirrhose sogar die häufigste krank- sache in den Totenscheinstatistiken usus. Kofaktoren und Komorbiditäten heitsbedingte Todesursache. Trotzdem unterrepräsentiert sind. Dies zeigte auch bestimmen wahrscheinlich wesentlich steigt die Mortalität mit dem Alter an ein kürzlicher Vergleich von zwei Daten- die Inzidenz einer Leberzirrhose. Zudem (Abb. 3). In fast allen Altergruppen ist die quellen (US-Totenschein-Daten des war die Nachbeobachtung der Studie aus Mortalität bei Männern etwa doppelt so CDC versus Daten des Rochester Epi- Österreich im Mittel acht Jahre länger als hoch wie bei Frauen (Abb. 3). Im Jahre demiology Project). Das Rochester Epi- die der deutschen Frauen. Dies könnte 2002 starben in Deutschland 18.341 demiologie-Projekt erfasst prospektiv einen weiteren Teil des Inzidenzunter- Menschen an Leberzirrhose (einschließ- fast alle medizinischen Daten der in schieds erklären. lich anderer chronischer Lebererkran- Olmsted County lebenden Personen. Die kungen) (Bundesamt für Statistik). Todesrate an Lebererkrankungen war im Leberzirrhose als Davon wurde etwa die Hälfte als alkohol- Rochester-Projekt viel höher ist Todesursache bedingte Lebererkrankung eingestuft. (27/100.000) als die in den entspre- Die Häufigkeit der Leberzirrhose kann Der Anteil der Leberzirrhose an der Ge- chenden offiziellen CDC-Totenscheinen man auch mittels der Todesursachen- samtmortalität betrug 2,2 %. (11/100.000). In Totenscheinen erscheint 12 Hepatitis&more 1/2011
Fortbildung 1998: Kapitel 5.22; http://www.gbe-bund. de/gbe10). Ätiologie Alkohol, Hepatitis C und B sowie zu- nehmend auch die NASH (Nicht Alko- holische Steato-Hepatitis) verursachen in vielen Ländern den Großteil der Leberzirrhosen. Andere Ursachen (Hä- mochromatose, PBC, PSC, Autoimmun- hepatitis, Wilson, α1-Antitrypsinmangel, Medikamente etc.) sind vergleichweise selten (Tab. 1). Bei vielen Zirrhosepa- tienten findet man gleichzeitig mehrere Risikofaktoren wie z.B. Hepatitis C + Alkohol oder Alkohol + Übergewicht [(N)ASH]. Abb. 4 Aus den Angaben von Gesundheits- surveys sind in Deutschland 4 - 6 Mio. Menschen von Fettleber und Leber- entzündung betroffen. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) wird die Zahl der Personen mit alkoholbedingter Leber- krankheit in Deutschland auf 2 - 3 Mio. geschätzt; 80 % davon sind Männer. Die Zahl der Personen mit fortschreitender alkoholbedingter Leberkrankheit, d. h. Alkoholzirrhose wird auf 0,6 - 1 Mio. geschätzt. Zwischen der Häufigkeit von alkohol- bedingten Leberkrankheiten und dem Alkoholkonsum der Bevölkerung be- steht ein enger Zusammenhang. Dieser Zusammenhang erklärt zum Teil auch die unterschiedlichen Tendenzen in Abb. 5 der Sterblichkeit an chronischen Lebererkrankungen/-zirrhose in Europa (Abb. 4) (WHO/Europe, European die Lebererkrankung oft nicht als Todes- größerer Teil der Zirrhotiker an Kompli- HFA Database, January 2011). In vielen ursache (z.B. Sepsis bei Leberzirrhose, kationen wie z.B. einer Lungenentzün- Ländern mit traditionell hohem Alkohol- Blutung bei Varizen, etc.) (Asrani SK et dung verstirbt, obwohl die chronische konsum wie Frankreich und Spanien al. AASLD 2010, Abstract 312). Auch die Lebererkrankung entscheidender Weg- sind Alkoholkonsum und Sterblichkeit deutschen Gesundheitsbehörden geben bereiter war. Dies gilt insbesondere für an Lebererkrankungen/Zirrhose seit an, dass chronische Leberkrankheiten Personen mit Alkoholzirrhose vielen Jahren deutlich rückläufig. Ein und -zirrhose in der Statistik der Todes- (Gesundheitsbericht für Deutschland ähnlicher Trend besteht seit einigen Jah- ursachen unterrepräsentiert sind, da ein ren auch für Deutschland. In einigen Hepatitis&more 1/2011 13
Fortbildung Ländern mit traditionell sehr niedrigem Die Inzidenz an HBV- und HCV-Infek- Alkoholkonsum wie z.B. Norwegen ist tionen ist in Deutschland weiter rückläu- die Sterblichkeit seit 30 Jahren niedrig fig. Trotzdem sind weiter je etwa 500.000 geblieben. Finnland ist eine Ausnahme Personen chronisch infiziert. Die Prä- unter den skandinavischen Ländern. valenzen werden erst allmählich zurück- Auch hier war ähnlich wie in Norwegen gehen und die Häufigkeit der Folgekom- der Alkoholkonsum traditionell niedrig. plikationen wird wohl erst um 2020 den In Finnland wurde der Alkohol dann Gipfel erreichen. Von den chronisch HBV- wegen der Öffnung der Grenzen zu den Infizierten sind etwa 2/3 Migranten, so baltischen Ländern aber so preiswert, dass die Entwicklung der Prävalenzdaten dass der Konsum deutlich stieg und hier wesentlich auch von der Entwick- damit auch die leberbedingte Sterblich- lung der Migration abhängen wird. keit (Abb. 4). Auch in Großbrittanien ist Mit der Epidemie der Adipositas wird ein solcher Trend zu sehen. Mit dem auch die Zahl der Personen mit Fettleber Für Patienten Wegfall des „Eisernen Vorhangs“ sind und NASH in allen Industrieländern dra- Das Leber-Buch der Deutschen der Alkoholkonsum und damit die Sterb- matisch ansteigen. Es ist absehbar, dass Leberstiftung lichkeit an Lebererkrankungen/Zirrhose die Zirrhose als Folge der Fettleberer- in den meisten der nun „freien“ Ländern krankungen in den nächsten Jahrzehnten Mit dem Leber-Buch möchte die Deut- erheblich angestiegen; als Beispiel sind deutlich an Bedeutung zunehmen wird. sche Leberstiftung Patienten die Leber die Daten aus Estland angegeben (Abb. auf unterhaltsame Weise nahebringen. Prof. Dr. Claus Niederau 4). Alkoholkonsum und damit die Sterb- Katholische Kliniken Oberhausen gGmbH, Verständlich und anschaulich erläutert „Das Leber-Buch“ die lebenswichtigen lichkeit an Lebererkrankungen/Zirrhose St. Josef Hospital und Marien-Hospital, Klinik für Innere Medizin, Akademisches Lehrkranken- Aufgaben sowie mögliche Erkran- sind auch im Mittel in allen „neuen“ EU- haus der Universität Duisburg-Essen Mülheimer Str. 83, 46045 Oberhausen kungen der Leber und die entspre- Ländern angestiegen, während sie in den Telefon: 0208 8374501; Telefax: 0208 837309; E- chenden Behandlungen. „alten“ EU-Ländern gesunken sind. mail: c.niederau@kk-ob.de Wofür brauche ich meine Leber? Was passiert, wenn meine Leber krank ist? Was kann man dagegen tun? sind Häufige Ursachen der Leberzirrhose: Fragen, die in diesem Buch beant- • Alkoholabusus (ca. 30 - 40 %) wortet werden. Dabei werden die • chronische Virushepatitis B, C und D (ca. 30 %) verschiedenen Krankheiten und ihre • nicht-alkoholische Fettleberhepatitis (NASH) (ca. 10 %) Ursachen genauso erläutert wie die • kryptogene Leberzirrhose (ca. 10 %) entsprechenden Diagnose- und The- rapiemöglichkeiten. Außerdem gibt es Seltenere Ursachen der Leberzirrhose (ca. 10 %): Kapitel zu Lebertransplantationen und • primär biliäre Zirrhose (PBC) zum Thema Lebererkrankungen und • primär sklerosierende Cholangitis (PSC) Ernährung. • Autoimmunhepatitis (AIH) Aufgelockert wird das Buch durch „Text- • Hämochromatose Boxen“ mit interessanten Beiträgen • α1-Antitrypsinmangel zum Thema Leber, über die sachlichen • Morbus Wilson Informationen hinaus – da geht es • toxische Lebererkrankungen (Methotrexat, INH, Coumadine, u.a.) u. a. um Prometheus, den Leberfleck, • kardiale Zirrhose (chronische Rechtsherzinsuffizienz, Pericarditis constriktiva) Großbritanniens bekanntesten Leber- • Budd-Chiari-Syndrom transplantierten und die Leberzirrhose • Gallengangsatresie und -stenose Beethovens. Dazu kommen zahlreiche • Mukoviszidose, Tyrosinämie Abbildungen und speziell für „Das Leber- • Glykogenosen, Galaktosämie Buch“ entwickelte Cartoons. • Prophyrien • M. Niemann-Pick, M. Gaucher Für jedes verkaufte Buch erhält die • Tropenerkrankungen (Bilharziose, Leberegel) Stiftung € 1,- als Spende. Tab. 1 14 Hepatitis&more 1/2011
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