Epidemiologisches Bulletin 9 2022 - RKI
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AKTUELLE DATEN UND INFORMATIONEN ZU INFEKTIONSKRANKHEITEN UND PUBLIC HEALTH 9 Epidemiologisches 2022 Bulletin 3. März 2022 FSME-Risikogebiete in Deutschland
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 2 Inhalt FSME: Risikogebiete in Deutschland (Stand: Januar 2022) 3 In Deutschland besteht ein Risiko für eine FSME-Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen und in Sachsen. Einzelne Risikogebiete befinden sich zudem in Mittelhessen, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen. Nun kommen sechs neue Risikogebiete hinzu, von denen vier an bekannte Risikogebiete grenzen. Erstmalig in Brandenburg werden drei Kreise Risikogebiet (LK Oberspreewald-Lausitz, LK Oder-Spree und LK Spree- Neiße), erstmalig in Nordrhein-Westfalen wird der Stadtkreis (SK) Solingen Risikogebiet und in Sachsen kommen zwei Kreise hinzu (SK Chemnitz und LK Görlitz). Somit sind aktuell 175 Kreise als FSME-Risiko- gebiete definiert. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 390 FSME-Erkrankungen übermittelt (Stand: 21.01.2022). Dies entsprach einer Abnahme von 45 % gegenüber dem Rekordwert im Vorjahr (712 FSME-Erkrankungen). Durch einen technischen Fehler konnten jedoch etwa 5 % der 2021 gemeldeten FSME-Erkrankungen nicht gezählt werden. Aktuelle Statistik meldepflichtiger Infektionskrankheiten: 8. Woche 2022 23 Monatsstatistik nichtnamentlicher Meldungen ausgewählter Infektionen: Dezember 2021 26 Impressum Herausgeber Allgemeine Hinweise/Nachdruck Robert Koch-Institut Die Ausgaben ab 1996 stehen im Internet zur Verfügung: Nordufer 20, 13353 Berlin www.rki.de/epidbull Telefon: 030 18754 – 0 E-Mail: EpiBull@rki.de Inhalte externer Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung des Robert Koch-Instituts wider. Redaktion Dr. med. Jamela Seedat Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Dr. med. Maren Winkler, Heide Monning (Vertretung) Namensnennung 4.0 International Lizenz. Redaktionsassistenz Nadja Harendt Claudia Paape, Judith Petschelt (Vertretung) ISSN 2569-5266 Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 3 FSME: Risikogebiete in Deutschland (Stand: Januar 2022) In dieser Ausgabe des Epidemiologischen Bulletins Risiko einer schweren Erkrankung deutlich erhöht (Epid Bull) wird – in Übereinstimmung mit den ist. Die Mehrzahl (99 %) der 2021 übermittelten diesbezüglichen Ausführungen in den Empfehlun- FSME-Erkrankten war gar nicht oder unzureichend gen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim geimpft, d. h. die Grundimmunisierung war unvoll- Robert Koch-Institut (RKI) – eine aktualisierte Dar- ständig oder Auffrischimpfungen fehlten. Ein hoher stellung der Risikogebiete der Frühsommer-Menin- Anteil der auftretenden FSME-Erkrankungen könn- goenzephalitis (FSME) in Deutschland in einer Ein- te wahrscheinlich durch eine Steigerung der Impf- teilung nach Kreisgebieten als Grundlage für ge- quoten insbesondere in Risikogebieten mit hoher zielte präventive Maßnahmen publiziert. Sie beruht FSME-Inzidenz verhindert werden. auf den gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) dem RKI übermittelten FSME-Erkrankungsdaten aus den Jahren 2002 – 2021. Diese Karte ersetzt die Kar- Hintergrund te der Risikogebiete vom März 2021.1 Die FSME und verwandte Virusenzephalitiden wer- den durch das TBE-(Tick-Borne Encephalitis-)Virus verursacht. Weltweit gibt es drei relevante Virussub- Zusammenfassung typen: den europäischen, den sibirischen und den In Deutschland besteht ein Risiko für eine FSME- fernöstlichen Subtyp. TBE ist der englische Überbe- Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württem- griff für alle Subtypen, der deutsche Begriff „FSME“ berg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen und bezeichnet die Erkrankung mit dem europäischen in Sachsen. Einzelne Risikogebiete befinden sich Subtyp. Der typische Verlauf einer FSME-Erkran- zudem in Mittelhessen (Landkreis (LK) Marburg- kung ist biphasisch und beginnt mit unspezifischen Biedenkopf), im Saarland (LK Saarpfalz-Kreis), in Krankheitszeichen wie Kopfschmerzen und Fieber Rheinland-Pfalz (LK Birkenfeld) und in Niedersach- (Inkubationszeit meist 7 – 14 Tage). Nach einem kur- sen (LK Emsland). Nun kommen sechs neue Risiko- zen symptomfreien Intervall von ca. einer Woche gebiete hinzu, von denen vier an bekannte Risiko- folgen die spezifischen neurologischen Manifestatio gebiete grenzen. Erstmalig in Brandenburg werden nen der FSME (Meningitis, Enzephalitis, Myelitis). drei Kreise Risikogebiet (LK Oberspreewald-Lausitz, Verläufe mit nur einer Krankheitsphase kommen LK Oder-Spree und LK Spree-Neiße), erstmalig in auch vor. Schätzungen zufolge verlaufen jedoch Nordrhein-Westfalen wird der Stadtkreis (SK) Solin- 70 – 95 % der Infektionen asymptomatisch oder die gen Risikogebiet und in Sachsen kommen zwei zweite Krankheitsphase bleibt aus.2,3 Kreise hinzu (SK Chemnitz und LK Görlitz). Somit sind aktuell 175 Kreise als FSME-Risikogebiete de- Das TBE-Virus wird meist durch Zecken auf den finiert. Es wurden auch in Bundesländern ohne Menschen übertragen, in Deutschland durch die FSME-Risikogebiete vereinzelt FSME-Erkrankun- Spezies Ixodes ricinus. Übertragungen durch den gen beobachtet, sodass besonders während der Verzehr von Rohmilch(-produkten) sind möglich, Zeckensaison bei entsprechender Symptomatik aber selten. Als FSME-Risikogebiete werden Ende- überall in Deutschland differenzialdiagnostisch an miegebiete der FSME deklariert, in denen für Per- FSME gedacht werden sollte. sonen mit Zeckenexposition ein Erkrankungsrisiko besteht, welches nach Übereinkunft von Fachleuten Die STIKO empfiehlt eine FSME-Impfung für Per- präventive Maßnahmen begründet. Im Vorder- sonen, die in FSME-Risikogebieten zeckenexponiert grund steht die effektive FSME-Impfung für die Be- sind. Auch in Risikogebieten sind die Impfquoten völkerung, Besuchende und beruflich Tätige in Ri- weiterhin auf niedrigem Niveau, insbesondere bei sikogebieten, die durch den Aufenthalt im Grünen Personen im Alter über 60 Jahren, bei denen das zeckenexponiert sind.
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 4 Das FSME-Erkrankungsrisiko wird anhand der zende Indikatoren hilfreich, um ein fortbestehendes kreisbezogenen Inzidenz der nach IfSG gemeldeten Infektionsrisiko für Nichtgeimpfte abzuschätzen. und dem RKI übermittelten FSME-Erkrankungen Daher haben die Erfassung von Impfquoten einen eingeschätzt.4 Aufgrund der kreisbezogenen Melde- hohen Stellenwert, ebenso die Evaluation weiterer pflicht ist es dabei nicht möglich, das Risiko klein- Indikatoren für das FSME-Erkrankungsrisiko, wie räumiger als auf Kreisebene abzubilden. Kreise z. B. die Bestimmung der Infektion bei Tieren (s. u.). variieren jedoch in ihrer Größe und sind Kreisge- bietsreformen unterworfen. FSME-Herde sind oft- mals kleinräumig,5 sodass das FSME-Risiko auch Zur FSME-Situation in Deutschland innerhalb von Kreisen mit insgesamt niedriger In- im Jahr 2021 zidenz stark schwanken kann. Diesbezüglich liegen Im Jahr 2021 wurden insgesamt 390 FSME-Erkran- den Gesundheitsämtern – auch in Kreisen, die nicht kungen übermittelt, die die Referenzdefinition des als FSME-Risikogebiete definiert sind – unter Um- RKI erfüllten (Stand: 21.01.2022). Dies entsprach ei- ständen detailliertere Daten vor, die für Beratungen ner Abnahme von 45 % gegenüber dem Rekordwert von Personen mit erhöhtem Expositionsrisiko, z. B. im Vorjahr (712 FSME-Erkrankungen). Durch einen Forstbedienstete, herangezogen werden können. technischen Fehler konnten jedoch etwa 5 % der 2021 gemeldeten FSME-Erkrankungen nicht ge- Derzeit bleibt die Surveillance menschlicher FSME- zählt werden. Die tatsächliche Anzahl der 2021 Erkrankungen die bestmögliche Grundlage zur Ein- übermittelten FSME-Erkrankungen wird in folgen- schätzung des humanen Erkrankungsrisikos. Sollte den Publikationen korrigiert. Die jährliche Fallzahl die Inzidenz jedoch aufgrund steigender Impfquo- seit 2001 schwankte stark zwischen 195 (2012) und ten in einzelnen Gebieten abnehmen, wären ergän- 712 (2020), im Median 313. Bei 52 % der 2021 über- Übermittelte FSME-Erkrankungen/100.000 Einwohner 5,0 Durchschnitt 2017 – 2020 2021 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ ♂ ♀ 0–4 5–9 10 – 14 15 – 19 20 – 24 25 – 29 30 – 39 40 – 49 50 – 59 60 – 69 70 + Gesamt Abb. 1 | An das RKI übermittelte FSME-Erkrankungen (nach IfSG) aus Baden-Württemberg und Bayern pro 100.000 Einwohner nach Altersgruppe und Geschlecht, 2017 – 2021
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 5 mittelten Erkrankungen wurde ein klinisches Bild zahl im Juni auf; im Jahr 2021 wurden jedoch im Juli mit neurologischen Manifestationen einer Meningi- die meisten Erkrankungen nach IfSG übermittelt. tis, Enzephalitis oder Myelitis angegeben. Dies ent- spricht dem Anteil des Vorjahres 2020 (50 %). Drei Von den im Jahr 2021 übermittelten Fällen wurde Personen verstarben an ihrer FSME-Erkrankung, bei 338 Fällen nur Deutschland als mögliches Infek- zwei davon im Alter von über 80 Jahren und eine tionsland genannt. Bei drei Fällen wurden zusätz- Person mit Vorerkrankungen in der Altersgruppe lich Österreich und Schweden als weitere mögliche 20 – 25 Jahre. Infektionsländer angegeben. Bei zwölf Fällen wur- den ausschließlich mögliche Infektionsländer au- Die durchschnittliche FSME-Inzidenz steigt ab ßerhalb Deutschlands angegeben: sechsmal Öster- dem Alter von 40 Jahren deutlich an (s. Abb. 1) und reich und je einmal Ägypten, Estland, Frankreich, ist größer bei männlichen als bei weiblichen Perso- Kroatien, Schweden und die Schweiz. Für 37 Fälle nen (2021: 1,6 vs. 0,9 Erkrankungen/100.000 Ein- (9,5 %) wurde keine Angabe zum Infektionsland ge- wohner). Im Jahr 2021 war die Inzidenzverteilung macht. nach Alter und Geschlecht ähnlich wie in den Vor- jahren, wenn auch mit insgesamt niedrigerer Fall- Für 335 Fälle wurde wenigstens je ein vermutlicher zahl (s. Abb. 1). Infektionsort (Kreis) in Deutschland angegeben. Es wurden insgesamt 118 (Vorjahr: 135) verschiedene Die Mehrzahl der FSME-Erkrankungen findet in Kreise als Infektionsorte genannt (340 Nennungen; den Monaten Mai bis Oktober statt, so auch im Jahr in drei Fällen wurden zwei und in einem Fall drei 2021 (s. Abb. 2). Üblicherweise tritt die höchste Fall- mögliche Infektionsorte genannt). Die Nennungen verteilen sich wie folgt auf die Bundesländer: 154 Übermittelte FSME-Fälle 200 Median Median Mittlere 50% Min-Max Nur 2020 Median Mittlere50 Mittlere 50% % Min-Max Nur 2020 Median Mittlere 50% Min-Max Min-Max Nur 2020 Mittlere 50% Min-Max 150 Nur Nur2020 2021 100 50 0 Jan Feb März April Mai Juni Juli Aug Sep Okt Nov Dez Monat des Erkrankungsbeginns Abb. 2 | Verteilung der von 2001–2021 übermittelten FSME-Fälle (n= 7.602) nach Monat der Erkrankung, mit Hervorhebung des Jahres 2021. Die dunkelblaue Fläche stellt die mittleren 50 % der Datenpunkte dar.
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 6 (45,3 %) auf Bayern, 124 (36,5 %) auf Baden-Würt- ▶▶ 12 Kreise in Thüringen (unverändert) temberg, 24 (7,1 %) auf Sachsen, 9 (2,6 %) auf Hes- ▶▶ 10 Kreise in Hessen (unverändert) sen, 7 (2,1 %) auf Thüringen, jeweils 6 (1,8 %) auf ▶▶ 10 Kreise in Sachsen (2 zusätzliche Kreise: Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, 5 (1,5 %) SK Chemnitz, LK Görlitz) auf Brandenburg, je 2 (0,6 %) auf Sachsen-Anhalt ▶▶ 3 Kreise in Brandenburg (3 zusätzliche Kreise: und Berlin und 1 (0,3 %) auf Rheinland-Pfalz. Bei LK Oberspreewald-Lausitz, LK Oder-Spree, 310 (93 %) der 335 Fälle mit Angabe eines Infektions- LK Spree-Neiße) ortes in Deutschland ist dieser auch der Kreis des ▶▶ 1 Kreis in Niedersachsen (unverändert) Wohnortes. Dieser Anteil lag in den Jahren 2020 ▶▶ 1 Kreis in Nordrhein-Westfalen und 2021 nur leicht über dem der Vorjahre (2019 (1 zusätzlicher Kreis: SK Solingen) und 2018 jeweils 89 %), d. h. auch während der ▶▶ 1 Kreis in Rheinland-Pfalz (unverändert) Coronavirus Disease 2019-(COVID-19-)Pandemie ▶▶ 1 Kreis im Saarland (unverändert) gab es keine wesentliche Veränderung im Anteil der ▶▶ 1 Kreis in Sachsen-Anhalt (unverändert) FSME-Infektionen, die außerhalb des Wohnkreises erworben wurden. In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen sind nur folgende Kreise somit keine FSME-Risiko Im Jahr 2021 lagen bei 347 Erkrankten (90 %) An- gebiete: gaben zur möglichen Infektionsquelle vor. Davon ▶▶ Baden-Württemberg: SK Heilbronn gaben 211 Fälle (61 %) einen Zeckenstich an, 7 Fälle ▶▶ Bayern: SK Augsburg, LK Fürstenfeldbruck, (2 %) Rohmilchverzehr und 6 Fälle (2 %) sowohl ei- SK München, SK Schweinfurt nen Zeckenstich als auch Rohmilchverzehr. Bei 123 ▶▶ Sachsen: SK Leipzig, LK Leipzig, Fällen (35 %) lagen weder Zeckenstiche noch der LK Nordsachsen Verzehr von Rohmilch während des Expositionszeit- raums vor. Der überwiegende Teil der FSME- Die aktuellen Ergebnisse der für den Zeitraum Erkrankungen wird demnach durch Zeckenstiche 2002 – 2021 ausgewerteten Daten bestätigen somit übertragen, wobei etwa ein Drittel der Erkrankten weiterhin die Existenz größerer, weitgehend zusam- den Stich vermutlich nicht bemerkte. Ein kleiner menhängender FSME-Naturherde im Süden und in Anteil der Erkrankungen könnte möglicherweise der Mitte Deutschlands, vor allem in Baden-Würt- mit dem Verzehr infizierter Milch in Zusammen- temberg, Bayern, Südhessen, im südlichen Thürin- hang stehen. Seit Beginn der Erfassung der FSME gen und in Sachsen. Bemerkenswert ist, dass nach nach IfSG im Jahr 2001 wurde erstmals im Jahr dem ersten sächsischen Risikogebiet im Jahr 2014 2016 eine FSME-Erkrankung durch den Verzehr in- aktuell bereits zehn aller 13 sächsischen Kreise Risi- fizierter Ziegenmilch (verzehrt als Milch und Frisch- kogebiete sind. Die zwei im Jahr 2022 neu hinzuge- käse) in Baden-Württemberg erworben. Im Jahr kommenen sächsischen Risikogebiete grenzen an 2017 wurde eine weitere Häufung mit insgesamt bestehende Risikogebiete. Ebenso grenzen zwei der acht FSME-Erkrankungen bei Personen, die Ziegen- drei neu hinzugekommenen Kreise in Brandenburg rohmilch getrunken hatten, an das RKI übermittelt. (LK Oberspreewald-Lausitz und LK Spree-Neiße) an Die Rohmilchproben waren negativ für das Virus, sächsische Risikokreise. Das dritte brandenburgi- aber es wurden FSME-Antikörper bei einer der Zie- sche Risikogebiet LK Oder-Spree grenzt nicht an be- gen nachgewiesen. Bei keiner Person wurden Symp stehende Risikogebiete, dort traten jedoch in den tome des zentralen Nervensystems (ZNS) angege- letzten Jahren vermehrt autochthone Erkrankungen ben, jedoch wurde eine Person hospitalisiert. auf (s. Tab. 2). Auch im ersten Risikogebiet in Nord- rhein-Westfalen, SK Solingen, traten zuletzt ver- mehrt Fälle auf (s. Tab. 2). Aktuelle Änderungen im Jahr 2022 Insgesamt sind aktuell 175 Kreise als FSME-Risiko- Auch außerhalb dieser Risikogebiete treten Einzel- gebiete ausgewiesen (s. Abb. 3 und Tab. 1): fälle in nördlichen und westlichen Regionen ▶▶ 92 Kreise in Bayern (unverändert) Deutschlands auf. In den 1960er Jahren war es zu- ▶▶ 43 Kreise in Baden-Württemberg (unverändert) dem auch z. B. in Mecklenburg-Vorpommern und
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 7 Schleswig-Holstein Mecklenburg-Vorpommern Hamburg Bremen Niedersachsen Berlin Brandenburg Sachsen-Anhalt Nordrhein-Westfalen Sachsen Thüringen Hessen Rheinland-Pfalz Saarland Bayern Baden-Württemberg Abb. 3 | FSME-Risikogebiete in Deutschland (Basis: dem RKI übermittelte FSME-Erkrankungen in den Jahren 2002 – 2021 mit genanntem Infektionsort in einem Kreis in Deutschland, n = 6.442; Stand: 21.01.2022); siehe Tabelle 1 für namentliche Angaben der Stadt- und Landkreise Ein Kreis wird als FSME-Risikogebiet definiert, wenn die Anzahl der übermittelten FSME-Erkrankungen in mindestens einem der 16 Fünfjahreszeiträume im Zeitraum 2002 – 2021 im Kreis ODER in der Kreisregion (bestehend aus dem betreffenden Kreis plus allen angrenzenden Kreisen) signifikant (p < 0,05) höher liegt als die bei einer Inzidenz von 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner erwartete Fallzahl. Kreise, die im Jahr 2022 zum Risikogebiet ausgewiesen werden: SK Chemnitz, LK Görlitz, LK Oberspreewald-Lausitz, LK Oder-Spree, LK Spree-Neiße, SK Solingen Kein Risikogebiet Kreise, die in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen keine Risikogebiete sind: Baden-Württemberg: SK Heilbronn; Bayern: SK Augsburg, LK Fürstenfeldbruck, SK München, SK Schweinfurt; Sachsen: SK Leipzig, LK Leipzig, LK Nordsachsen
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 8 Kreis (LK = Landkreis/SK = Stadtkreis) Baden-Württemberg Bayern (Fortsetzung) Bayern (Fortsetzung) Hessen LK Alb-Donau-Kreis LK Amberg-Sulzbach LK Lindau LK Bergstraße SK Baden-Baden SK Ansbach LK Main-Spessart SK Darmstadt LK Biberach LK Ansbach SK Memmingen LK Darmstadt-Dieburg LK Böblingen SK Aschaffenburg LK Miesbach LK Fulda LK Bodenseekreis LK Aschaffenburg LK Miltenberg LK Groß-Gerau LK Breisgau-Hochschwarzwald LK Augsburg LK Mühldorf a. Inn LK Main-Kinzig-Kreis LK Calw LK Bad Kissingen LK München LK Marburg-Biedenkopf LK Emmendingen LK Bad Tölz-Wolfratshausen LK Neuburg-Schrobenhausen LK Odenwaldkreis LK Enzkreis SK Bamberg LK Neumarkt i. d. OPf. SK Offenbach LK Esslingen LK Bamberg LK Neustadt a. d. Waldnaab LK Offenbach SK Freiburg i. Breisgau SK Bayreuth LK Neustadt/ Aisch-Bad Windsheim Niedersachsen LK Freudenstadt LK Bayreuth LK Neu-Ulm LK Emsland LK Göppingen LK Berchtesgadener Land SK Heidelberg LK Cham SK Nürnberg Nordrhein-Westfalen LK Heidenheim SK Coburg LK Nürnberger Land SK Solingen LK Heilbronn LK Coburg LK Oberallgäu Rheinland-Pfalz LK Hohenlohekreis LK Dachau LK Ostallgäu LK Birkenfeld SK Karlsruhe LK Deggendorf SK Passau Saarland LK Karlsruhe LK Dillingen a. d. Donau LK Passau LK Saarpfalz-Kreis LK Konstanz LK Dingolfing-Landau LK Pfaffenhofen a. d. Ilm Sachsen LK Lörrach LK Donau-Ries LK Regen LK Bautzen LK Ludwigsburg LK Ebersberg SK Regensburg SK Chemnitz LK Main-Tauber-Kreis LK Eichstätt LK Regensburg SK Dresden SK Mannheim LK Erding LK Rhön-Grabfeld LK Erzgebirgskreis LK Neckar-Odenwald-Kreis SK Erlangen SK Rosenheim LK Görlitz LK Ortenaukreis LK Erlangen-Höchstadt LK Rosenheim LK Meißen LK Ostalbkreis LK Forchheim LK Roth LK Mittelsachsen SK Pforzheim LK Freising LK Rottal-Inn SK Schwabach LK Sächsische Schweiz- LK Rastatt LK Freyung-Grafenau Osterzgebirge LK Ravensburg SK Fürth LK Schwandorf LK Vogtlandkreis LK Rems-Murr-Kreis LK Fürth LK Schweinfurt LK Zwickau LK Reutlingen LK Garmisch-Partenkirchen LK Starnberg Sachsen-Anhalt LK Rhein-Neckar-Kreis LK Günzburg SK Straubing SK Dessau-Roßlau LK Rottweil LK Haßberge LK Straubing-Bogen LK Tirschenreuth Thüringen LK Schwäbisch Hall SK Hof LK Traunstein SK Gera LK Schwarzwald-Baar-Kreis LK Hof LK Sigmaringen LK Unterallgäu LK Greiz SK Ingolstadt SK Stuttgart SK Weiden i. d. OPf. LK Hildburghausen SK Kaufbeuren LK Tübingen LK Weilheim-Schongau LK Ilm-Kreis LK Kelheim LK Tuttlingen LK Weißenburg-Gunzenhausen SK Jena SK Kempten SK Ulm LK Saale-Holzland-Kreis LK Kitzingen LK Wunsiedel i. Fichtelgebirge LK Waldshut LK Saale-Orla-Kreis LK Kronach SK Würzburg LK Zollernalbkreis LK Saalfeld-Rudolstadt LK Kulmbach LK Würzburg Bayern LK Schmalkalden-Meiningen LK Landsberg a. Lech Brandenburg LK Aichach-Friedberg SK Landshut LK Oberspreewald-Lausitz LK Sonneberg LK Altötting LK Landshut LK Oder-Spree SK Suhl SK Amberg LK Lichtenfels LK Spree-Neiße LK Weimarer Land Tab. 1 | Land- und Stadtkreise (n = 175), die im Jahr 2022 als FSME-Risikogebiete ausgewiesen werden, nach Bundesland; neue Risikogebiete sind grau hinterlegt (Stand 21.01.2022)
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 9 in Brandenburg vermehrt zu FSME-Infektionen ge- In fünf Kreisen in Rheinland-Pfalz (LK Alzey-Worms, kommen, diese Bundesländer weisen in den letzten LK Germersheim, LK Rhein-Pfalz-Kreis, SK Speyer, Jahren aber nur noch Einzelfälle auf.6 SK Worms) wurde eine signifikant erhöhte FSME- Inzidenz in der Kreisregion, nicht jedoch in dem In 131 Kreisen wurde in mindestens einem Fünfjah- Kreis beobachtet. In diesen Kreisen sind noch nie reszeitraum zwischen 2002 – 2020 eine Inzidenz autochthone Fälle aufgetreten. Sie grenzen zwar for- berechnet, die signifikant höher als 1 Erkrankung/ mal an Risikogebiete in Baden-Württemberg und 100.000 Einwohner war. Weitere 48 Kreise wurden Hessen, sind von diesen jedoch durch den Rhein ge- allein aufgrund einer in mindestens einem Fünfjah- trennt. Weil der Rhein in dieser Region eine plausible reszeitraum (s. o.) signifikant erhöhten Fünfjahres natürliche Grenze für Naturherde darstellt, wurden inzidenz (> 1 Erkrankungen/100.000 Einwohner) in diese fünf Kreise nicht zu Risikogebieten erklärt. der Kreisregion als Risikogebiete definiert. Abgese- hen von fünf Kreisen in Rheinland-Pfalz, die nicht als Risikogebiete ausgewiesen wurden (s. Kasten Ein Kreis wurde abweichend von den Berechnungen oben auf dieser Seite), wurden alle diese Kreise seit als Risikogebiet ausgewiesen. Im LK Aichach-Fried- 1984 mindestens einmal als Infektionsort genannt. berg, der im Jahr 2005 als Risikogebiet ausgewiesen Darüber hinaus wurde wie in den Vorjahren ein wei- wurde, lag die Inzidenz in allen o. g. Zeiträumen we- terer Kreis abweichend von den Berechnungen als der im Kreis selbst, noch in der Kreisregion signi Risikogebiet ausgewiesen (s. Kasten unten auf dieser fikant höher als 1 Erkrankung/100.000 Einwohner. Seite). Vor dem Hintergrund der im Vergleich zu 2006 im- mer noch höheren Impfquoten wird dieser jedoch weiterhin für den festgelegten Mindestzeitraum von Zusammenfassung des FSME-Infektions- 20 Jahren als Risikogebiet eingestuft. Eine ähnliche risikos nach Bundesländern Abweichung galt im Zeitraum 2006 – 2020 für den SK Gera, welcher ab dem Zeitraum 2016 – 2020 je- Bundesländer mit definierten FSME-Risikogebieten: doch auch aufgrund der Kreisinzidenz die regulären Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Kriterien als Risikogebiet erfüllt. Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen- Anhalt Die Anamnese sollte sowohl durchgemachte FSME-, Bundesländer mit vereinzelt auftretenden autoch Gelbfieber-, Japanische Enzephalitis-, Denguefie- thonen FSME-Erkrankungen, in denen jedoch kein ber-, Westnilvirus-(WNV-) und Zikavirus-Erkran- Landkreis die Definition für ein FSME-Risikogebiet kungen als auch frühere Impfungen gegen FSME, erfüllt: Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Schles- Gelbfieber, Japanische Enzephalitis bzw. Aufenthal- wig-Holstein te in den entsprechenden Endemiegebieten erfas- sen. Eine Exposition mit diesen Erregern/Impfun- Bundesländer, in denen bisher keine FSME-Erkran- gen kann zu einem falsch-positiven Ergebnis im kungen erworben wurden: Bremen, Hamburg FSME-ELISA führen. Denguefieber ist endemisch in Asien, Süd- und Mittelamerika sowie in Afrika. WNV ist endemisch in Nordamerika, Afrika, dem Zum Vorgehen beim Auftreten von Mittleren Osten, Asien, Australien und einigen eu- FSME-Einzelfällen in Nichtrisikogebieten ropäischen Ländern (in den letzten Jahren: Grie- Eine valide Bewertung von FSME-Fällen in Nicht chenland, Rumänien, Italien, Ungarn, Zypern, Ser- risikogebieten bedarf einer besonders sorgfältigen bien, Israel und die Türkei; www.ecdc.europa.eu/ klinischen, labordiagnostischen und epidemiologi- en/west-nile-fever/surveillance-and-disease-data/ schen Untersuchung und Dokumentation. Dies gilt historical). Das Zikavirus ist in vielen Ländern vor allem für Kreise, die nicht an bestehende FSME- Asiens, Afrikas, Süd- und Zentralamerikas ende- Risikogebiete grenzen und in denen vorher noch misch; eine begrenzte lokale Zirkulation wurde keine FSME-Fälle beobachtet wurden. auch aus den USA (Texas, Florida) berichtet. Das
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 10 Europäische Zentrum für die Prävention und die 6.429 Fälle mit einem Infektionsort in Deutschland Kontrolle von Krankheiten (ECDC) stellt auf seinen seit 2002. Davon traten jeweils 13 % in Niedersach- Internetseiten eine Karte zu Ländern mit Zikavirus- sen, Bayern und in Rheinland-Pfalz, 12 % in Hessen, Transmission zur Verfügung: www.ecdc.europa.eu/ 7 % in Sachsen, 6 % in Sachsen-Anhalt, 2 % in Thü en/zika-virus-infection/threats-and-outbreaks/zi- ringen, jeweils 1 % in Baden-Württemberg und im ka-transmission. Saarland und 35 % in Bundesländern ohne ausge wiesene Risikogebiete auf. (s. Tab. 2 und Tab. 3). Ein Bei positiv auf FSME getesteten Personen, die sich Teil dieser Fälle ist mit einer gewissen diagnosti- in der Expositionszeit nicht in FSME-Risikogebie- schen Unsicherheit behaftet, insbesondere wenn ten aufgehalten haben, sollte unbedingt eine (Rück- die Fälle in Kreisen auftraten, in denen FSME bisher stell-)Probe an das Konsiliarlabor für FSME ge- noch nie oder kaum nachgewiesen worden war schickt werden, um die Diagnostik mit den dort ver- (s. o.). Im Jahr 2021 wurden Proben von elf dieser fügbaren Verfahren7 zu überprüfen. Dafür steht seit 23 Fälle zusätzlich am Konsiliarlabor für FSME un- 2020 ein Einsendeschein zur Verfügung (www.rki. tersucht und anhand hoher FSME-spezifischer An- de/fsme-einsendeschein). Die Überprüfung am tikörperkonzentrationen bestätigt. Einige Fälle hat- Konsiliarlabor ist auch unbedingt bei Fällen mit vor- ten eine positive Impfanamnese (s. Tab. 2 und liegender FSME-Impfung empfohlen, da auch bei Tab. 3); dies kann zu falsch-positiven serologischen diesen das Risiko einer falsch-positiven Diagnostik Befunden führen.8,9 besteht. Alternativ können sequenzielle Serumpro- ben (d. h. mind. zwei Proben in einem Abstand von ca. 2 – 4 Wochen) entnommen werden, um einen Bedeutung präventiver Schutz Anstieg der spezifischen Antikörper zu dokumen- maßnahmen, insbesondere der FSME- tieren. Ein signifikanter Anstieg FSME-spezifischer Schutzimpfung Antikörper (IgG) weist auf eine akute Infektion hin Grundlage der Prävention ist die Aufklärung über und ist üblicherweise nicht bei vorbestehenden das erhöhte Risiko der FSME-Übertragung in den (kreuzreaktiven) Antikörpern aufgrund einer der ausgewiesenen Risikogebieten und über vorbeugen- o. g. Impfungen oder durchgemachten Infektionen de Maßnahmen. Typische Lebensräume für Zecken, zu erwarten. Gegebenenfalls kann eine Aviditätstes- die ausreichend Feuchtigkeit benötigen, sind unter tung darüber Aufschluss geben, ob es sich um neu- anderem lichte Wälder oder Waldränder sowie Flä- gebildete (frische Infektion) oder schon länger be- chen mit hohem Gras oder Büschen. Gute Bedin- stehende Antikörper handelt. Die Untersuchung gungen bieten auch Gärten und städtische Parks. der Serum- und Liquorproben sollte in einem viro- Zeckenstiche können zum Teil durch Schutzmaß- logischen Labor mit spezieller Erfahrung in der nahmen wie das Tragen geschlossener Kleidung, FSME-Diagnostik erfolgen. Neben dem Konsiliar das Vermeiden von Unterholz und hohen Gräsern labor für FSME am Institut für Mikrobiologie der und das Verbleiben auf festen Wegen verhindert Bundeswehr (IMB) (s. Kasten S. 21) bieten auch die werden. Repellents schützen begrenzt über einige Landesgesundheitsämter in Bayern und Baden- Stunden. Bei Zeckenbefall sollte die Zecke immer Württemberg diesbezüglich fachliche Beratung und umgehend entfernt und die Wunde möglichst des- weiterführende Diagnostik an (Kontakte s. u.). Bei infiziert werden. Im Gegensatz zur Übertragung Verdacht auf Kreuzreaktionen sollte ein Neutralisa- von Borrelien durch Zecken auf den Menschen, die tionstest (NT) durchgeführt werden, der am Konsi- meist erst Stunden nach Beginn des Saugakts er- liarlabor für FSME etabliert ist. folgt, gelangen die FSME-Viren bereits bei Beginn des Saugakts von der Zecke in den Menschen. Da- her kann das Absuchen des Körpers nach Zecken Das FSME-Infektionsrisiko in Kreisen, die und deren schnelle Entfernung zwar häufig eine nicht als Risikogebiete eingestuft wurden Borreliose verhindern, bietet jedoch wenig Schutz Von 2002 – 2021 traten insgesamt 199 Fälle außer- vor FSME. Antworten auf häufig gestellte Fragen zu halb der im Jahr 2021 ausgewiesenen Risikogebiete Zecken, Zeckenstich und Infektion finden sich auf auf, davon 23 im Jahr 2021. Das waren 3,1 % der der Internetseite des RKI: https://www.rki.de/Sha-
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 11 Bundesland (Anzahl Fälle) Kreis des Infektionsortes (Anzahl Fälle) Meldejahr (Anzahl wenn >1) Weiterer möglicher Infektionsort SK Berlin Lichtenberg (1) 2017 Berlin SK Berlin Spandau (1) 2021 (n = 4) SK Berlin Steglitz-Zehlendorf (1) 2013 SK Berlin Treptow-Köpenick (1) 2021 LK Barnim (1) 2021 SK Cottbus (3) 2007, 2016, 2019 LK Dahme-Spreewald (2) 2006, 2017 LK Elbe-Elster (1) 2021ǂ SK Frankfurt (Oder) (1) 2020ǂ Brandenburg (n = 23) LK Märkisch-Oderland (1) 2020ǂ LK Oberspreewald-Lausitz (2) 2006, 2013 2006, 2016, 2019 (2, bei 1ǂ), 2021 LK Oder-Spree (7) (3, bei 2ǂ) LK Spree-Neiße (3) 2013, 2014, 2018 LK Uckermark (2) 2004, 2014 LK Ludwigslust–Parchim (1) 2011 LK Mecklenburgische Seenplatte (2) 2004,ǂ 2018 Fall 2018: SK München Mecklenburg-Vorpommern LK Rostock (1) 2016 (n = 10) LK Vorpommern–Greifswald (2) 2006, 2012ǂ LK Vorpommern–Rügen (4) 2005, 2010,* 2015,* 2020ǂ LK Aachen (1) 2007 LK Borken (1) 2015 SK Duisburg (1) 2018* LK Ennepe-Ruhr-Kreis (1) 2018 LK Euskirchen (1) 2020ǂ LK Lippe (1) 2018 Nordrhein-Westfalen LK Oberbergischer Kreis (1) 2020 (n = 29) SK Münster (1) 2018 LK Paderborn (2) 2018, 2020ǂ LK Rhein-Erft-Kreis (1) 2016 LK Rhein-Sieg-Kreis (6) 2013,ǂ 2017, 2018, 2020 (2), 2021 SK Solingen (7) 2013, 2016, 2018,ǂ 2021 (4ǂ) LK Steinfurt (4) 2013, 2014, 2018, 2021ǂ LK Wesel (1) 2015* LK Anhalt-Bitterfeld (4) 2017, 2019 (2, bei 1ǂ), 2021 1 Fall 2019: LK Harz LK Börde (1) 2004 SK Halle (1) 2020 Sachsen-Anhalt SK Halle (Saale) (1) 2004 (n = 11) LK Harz (1) 2007 LK Jerichower Land (1) 2016 SK Magdeburg (1) 2020 LK Saalekreis (1) 2019ǂ LK Herzogtum Lauenburg (1) 2010 Schleswig-Holstein LK Pinneberg (1) 2017 (n = 4) LK Segeberg (1) 2010 LK Stormarn (1) 2009 Tab. 2 | Von 2002 – 2021 nach IfSG übermittelte FSME-Erkrankungen mit Infektionsorten ausschließlich in Nichtrisikogebieten in Bundesländern, in denen bis 2021 keine Risikogebiete ausgewiesen waren (n = 81) ǂ Labornachweis bestätigt (z. B. am Konsiliarlabor FSME oder mittels FSME-Antikörperanstieg) * Positive Impfanamnese (Diagnostik weniger valide) Blaue Einfärbung: Kreise, aus denen 2021 erstmalig autochthone FSME-Fälle gemeldet wurden; Graue Einfärbung: Kreise, die im Jahr 2022 zum Risikogebiet ausgewiesen werden
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 12 Bundesland Kreis des Infektionsortes Meldejahr (Anzahl wenn >1) Weiterer möglicher (Anzahl Fälle) (Anzahl Fälle) Infektionsort Baden-Württemberg SK Heilbronn (2) 2008, 2012 (n = 2) SK Augsburg (4) 2013 (3); 2014 Bayern LK Fürstenfeldbruck (2) 2002, 2021 (n = 25) SK München (19) 2008, 2009, 2011,* 2015, 2016 (2), 2017, 2018 (3, bei 1ǂ), 2019 (6, bei 4ǂ), 2020 (3, bei 1ǂ) SK Frankfurt am Main (1) 2013* LK Hochtaunuskreis (2) 2014, 2019 LK Kassel (1) 2017 LK Paderborn LK Lahn-Dill-Kreis (2) 2004, 2016 LK Limburg-Weilburg (1) 2008* Hessen LK Rheingau-Taunus-Kreis (3) 2013 (2), 2017 (n = 23) LK Schwalm-Eder-Kreis (6) 2004, 2006, 2009, 2011 (2, bei 1*), 2013 Fall 2006: SK Frankfurt am Main LK Waldeck-Frankenberg (1) 2010 LK Werra-Meißner-Kreis (2) 2006, 2017 LK Wetteraukreis (2) 2012, 2017 SK Wiesbaden (2) 2005, 2013 LK Celle (4) 2016, 2017, 2021 (2ǂ) LK Cuxhaven (4) 2004, 2007, 2019,ǂ 2021 Fall 2007: LK Oldenburg, Fall 2021: LK Stade LK Goslar (1) 2011 LK Göttingen (1) 2019ǂ Niedersachsen Region Hannover (5) 2008, 2010, 2011, 2015, 2019ǂ (n = 25) LK Harburg (1) 2021 LK Helmstedt (2) 2005,* 2018 LK Hildesheim (2) 2008,* 2017 LK Nienburg (Weser) (3) 2011, 2016, 2017 LK Rotenburg (Wümme) (1) 2002 SK Wolfsburg (1) 2016 LK Ahrweiler (1) 2016 LK Altenkirchen (3) 2011, 2014, 2020 LK Bad Dürkheim (3) 2005, 2010,ǂ 2015* LK Bad Kreuznach (8) 2003, 2004, 2005,* 2012, 2013 (3, bei 1*), 2018 LK Bitburg-Prüm (1) 2020 SK Kaiserslautern (1) 2016 Rheinland-Pfalz LK Kaiserslautern (1) 2016 (n = 26) SK Koblenz (2) 2013, 2018 SK Pirmasens (1) 2016* LK Rhein-Lahn-Kreis (2) 2011, 2013ǂ LK Südliche Weinstraße (1) 2008 SK Trier (1) 2021 SK Zweibrücken (1) 2018 Saarland LK Stadtverband Saarbrücken (1) 2020 (n = 1) SK Chemnitz (3) 2002, 2012,ǂ 2019ǂ Sachsen LK Görlitz (6) 2006, 2013, 2014,* 2018,ǂ 2021 (2, bei 1ǂ) (n = 13) LK Leipzig (2) 2009, 2016 Fall 2009: LK Nordsachsen LK Nordsachsen (2) 2016, 2021 LK Eichsfeld (1) 2018ǂ Thüringen LK Wartburgkreis (1) 2005 (n = 3) SK Weimar (1) 2014 Tab. 3 | Von 2002 – 2021 nach IfSG übermittelte FSME-Erkrankungen mit Infektionsorten ausschließlich in Nichtrisikogebieten in Bundesländern, in denen bis 2021 mindestens 1 Kreis als Risikogebiet ausgewiesen war (n = 118) ǂ Labornachweis bestätigt (z. B. am Konsiliarlabor FSME oder mittels FSME-Antikörperanstieg) * Positive Impfanamnese (Diagnostik weniger valide) Blaue Einfärbung: Kreise, aus denen 2021 erstmalig autochthone FSME-Fälle gemeldet wurden; Graue Einfärbung: Kreise, die im Jahr 2022 zum Risikogebiet ausgewiesen werden
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 13 redDocs/FAQ/FSME/Zecken/Zecken.html. Auch Bewertung für bestimmte Personen sinnvoll sein die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (s. aktuelle Empfehlungen der STIKO, Epid Bull (BZgA) stellt nützliche Hinweise zu Präventions- 4/2022, S. 8), z. B. für Personen, die aufgrund von maßnahmen auf ihren Internetseiten zur Verfü- beruflichen oder Freizeittätigkeiten einer besonders gung: www.kindergesundheit-info.de/themen/ intensiven Zeckenexposition ausgesetzt sind. So krankes-kind/zeckenschutz0/. wurde z. B. die FSME-Impfung seit 2014 in Nieder- sachsen seitens des Arbeitgebers für alle Forstbe- Den zuverlässigsten Schutz gegen die FSME bietet dienstete angeboten.10,11 Da Naturherde der FSME die FSME-Impfung. Diese ist von der STIKO emp- jedoch örtlich sehr begrenzt sind, können Mitarbei- fohlen für tende der zuständigen Gesundheitsämter unter ▶▶ Personen, die in Risikogebieten wohnen oder Umständen differenziertere Risikoeinschätzungen arbeiten und dabei ein Risiko für Zeckenstiche vornehmen.12 haben, und ▶▶ Personen, die sich aus anderen Gründen in Ri- Außerhalb Deutschlands ist die FSME-Impfung für sikogebieten aufhalten und dabei ein Risiko für Reisende empfohlen, die in Endemiegebieten Zeckenstiche haben. zeckenexponiert sind. In den Nachbarländern be- steht ein Infektionsrisiko vor allem in Tschechien Ein zeitlich begrenzter Impfschutz (etwa für Ferien- und Österreich sowie in großen Teilen Polens und gäste aus Nichtrisikogebieten) erfordert mindestens der Schweiz (www.zecken.ch/Karten/karten.html). zwei Gaben des Impfstoffs; ein länger bestehender In Frankreich wurden in den letzten Jahren verein- Impfschutz jedoch drei Gaben. Die erste Auf zelt FSME-Fälle aus dem Elsass beschrieben, mit frischungsimpfung erfolgt nach drei Jahren; weitere einem Höchstwert von 29 bestätigten Fällen im Auffrischungsimpfungen werden je nach Alters- Jahr 2016.13 Zudem werden seit 2016 vereinzelte au- gruppe und verwendetem Impfstoff in Abständen tochthone FSME-Erkrankungen in den Niederlan- von drei bis fünf Jahren empfohlen. In der Bera- den diagnostiziert und zwar meist in der Region tungspraxis sollten immer Art, Ausmaß und Dauer Sallandse Heuvelrug, unweit der Grenze zum nie- der Gefährdung sowie die Mobilität der Personen, dersächsischen LK Emsland.14,15 Eine Übersicht die ein Risikogebiet bewohnen oder besuchen, be- über das Risiko in der europäischen Region findet rücksichtigt werden. Eine Pflicht zur Kostenerstat- sich in Literaturstelle 16. tung der Impfung seitens der Krankenkassen be- steht nach der Schutzimpfungsrichtlinie des Ge- Bei Reisen außerhalb Deutschlands sollte bedacht meinsamen Bundesausschusses (www.g-ba.de/ werden, dass Infektionen mit den in anderen Regio richtlinien/60/) nur für den empfohlenen Perso- nen vorkommenden fernöstlichen und sibirischen nenkreis. In Baden-Württemberg wird durch die zu- Subtypen des TBE-Virus häufiger schwerwiegende- ständige Landesbehörde die Impfung gegen FSME re gesundheitliche Folgen nach sich ziehen können ohne geografische Einschränkung empfohlen. Hier als eine Infektion mit dem zentraleuropäischen ist als einziger Kreis nur der SK Heilbronn nicht als Subtyp, welcher in Deutschland vorkommt. In man- Risikogebiet eingestuft. chen Ländern zirkulieren beide Virustypen, z. B. in Finnland.17 Neben diesen drei Haupt-Subtypen des Zusätzlich ist die Impfung von der STIKO und nach TBE-Virus existieren weitere Subtypen: Baikal, der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge Himalaya und 886-84.18 (ArbMedVV) für Personen empfohlen, die beruflich gefährdet sind (in Risikogebieten Tätige, z. B. expo- Antworten auf häufig gestellte Fragen zur FSME- nierte Personen, die in der Forst- oder Landwirt- Impfung finden sich auf der Internetseite des RKI: schaft arbeiten, sowie exponiertes Laborpersonal). https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/FSME/FS- ME-Impfung/FSME-Impfung.html Eine Impfung kann auch in Nichtrisikogebieten, in denen sporadische FSME-Einzelerkrankungen auf- treten (s. o.), nach individueller Risiko-Nutzen-
05 % ni%etnoi%ueqtnofi% puem Epidemiologisches BulletinqtnofIi% p‐ueEm qtnM 9o fI|i% p2022 ‐uSeEm FqtM nofIi% p‐uSeEm FqtM nofIi3.p‐uSeEMärz mFqtMofIp‐2022 uSEm FqMfIp‐SEm FMI‐SEFMSF 14 04 5 4 04 5 3 4 4 5 3 3 4 4 2 5 3 3 4 2 04 2 5 3 3 1 4 2 4 2 5 3 1 3 01 4 2 4 2 3 1 3 1 4 2 2 53 1 3 1 2 02 3 1 1 52 2 1 01 2 51 1 01 5 0 5 5 0 5 0 0 5 0 5 5 0 0 5 0 0 5 5 0 5 5 0 0 5 5 0 0 5 5 0 5 0 0 5 5 0 5 0 0 0 5 5 0 0 5 0 5 0 5 0 5 0 5 0 5 0 5 0 FSME-Impfstatus gen Rückgang. Weiterhin war innerhalb dieser vier Die Impfquoten sind auch in Risikogebieten eher Bundesländer zu erkennen, dass Risikogebiets- niedrig und variieren stark. Nach einer Auswertung Kreise höhere Impfquoten aufwiesen als Kreise, die der Daten aus der KV-Impfsurveillance (KV = Kassen nicht Risikogebiet waren. ärztliche Vereinigung) am RKI schwankte 2019 die kreisbezogene Impfquote innerhalb der Risikoge- Die Impfquoten in Risikokreisen weisen in allen biete zwischen 7,7 – 38,6 % bei Erwachsenen, bei Bundesländern deutliche Altersunterschiede auf (s. Kindern zwischen 13,3 – 50,5 % (Grundimmunisie- Abb. 5). Der Impfschutz ist bei Kindern und jungen rung plus ggf. Auffrischung). Die bundeslandbezo- Erwachsenen am höchsten und fällt bis zu einem genen Impfquoten (nur Risikogebiete) waren 22,3 % Alter von 30 Jahren langsam ab. Ältere Erwachsene in Bayern, 18,0 % in Baden-Württemberg, 30,4 % in sind in allen Bundesländern weniger gut geschützt Thüringen und 18,8 % in Hessen (s. Abb. 4). Seit als Kinder. Dies ist besonders relevant, da ältere dem Jahr 2013 sind die Impfquoten in fast allen Menschen im Vergleich zu Kindern bei einer FSME- Bundesländern leicht rückläufig. Erst im Jahr 2019 Infektion ein deutlich höheres Risiko haben, schwer ist ein möglicher ansteigender Trend sichtbar. In zu erkranken und Komplikationen oder bleibende Sachsen, wo im Jahr 2014 das erste Risikogebiet aus- Schäden zu erleiden.21 Der Abfall der Impfquoten gewiesen wurde, stieg die Impfquote zunächst stark im Alter von 60 Jahren ist darauf zurückzuführen, an, fiel im Jahr 2018 jedoch wieder deutlich ab dass ab dieser Altersgrenze ein kürzeres Auf (s. Abb. 4). Ein länger zurückliegender Zeittrend der frischungsintervall von drei statt fünf Jahren gilt, Impfquoten wurde bis zur Epid Bull-Ausgabe um als vollständig geimpft gewertet zu werden. 9/20211 anhand der Daten der Schuleingangsunter- suchungen dargestellt: Die Impfquoten bei Schul- Um Erkrankungen zu verhindern, ist eine hohe anfängern in den vier Bundesländern mit der Mehr- Impfquote bei Erwachsenen besonders wichtig, da zahl der Risikogebiete (Bayern, Baden-Württem- lediglich 5 – 10 % aller übermittelten Fälle bei Kin- berg, Hessen, Thüringen) stiegen ab 2006/07 bis dern < 15 Jahren auftreten, die Inzidenz ab dem Al- zum Jahr 2010 deutlich an, gefolgt von einem steti- ter von 40 Jahren deutlich ansteigt (s. Abb. 1) und 50 45 FSME-Impfquote in % FSME‐Impfquote in % 40 40 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2013 35 35 3102 4102 3102 5102 4102 022 5102 022 022 2 2 2 2 022 2 2 022 022 2 2 2 2 7102 2 2 2 2 8102 2 7102 2 022 022 7102 022 8102 7102 9102 8102 9102 10 10 10 0 0 0 0 100 0 0 10 10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10 10 10 2014 61 1 61 1 1 1 1 611 1 1 41 31 1 1 1 1 1 1 1 1 1 91 81 91 30 30 3 4 7 3 5 8 4 7 3 9 5 8 7 6 9 5 8 4 3 6 9 5 4 6 5 6 2015 25 25 2016 20 20 2017 15 15 2018 10 10 2019 5 5 0 0 Baden- Bayern Hessen Nieder- Rheinland- Saarland Sachsen Thüringen Württemberg sachsen Pfalz (18,0) (22,3) (18,8) (10,5) (14,8) (11,4) (17,6) (30,4) Abb. 4 | FSME-Impfquoten von Personen aus FSME-Risikogebieten nach Bundesland, berechnet anhand von Daten der KV- Impfsurveillance19,20 2013 – 2019. Ab dem Jahr 2014 erstes deklariertes Risikogebiet in Sachsen, ab dem Jahr 2019 erstes Risiko gebiet in Niedersachsen. Die Zahlen unterhalb der X-Achse geben die bundeslandbezogenen Impfquoten für das Jahr 2019 an.
50 Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 15 45 40 in % 35 FSME‐Impfquote inFSME‐Impfquote FSME-Impfquote in % 30 5050 Thüringen Thüringen 25 4545 Bayern Bayern 20 4040 Baden‐Württemberg Baden-Württemberg % 15 übrige Bundesländer übrige Bundesländer 3535 mit Risikogebieten mit Risikogebieten 10 3030 Thüringen 5 2525 Bayern 0 2020 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80+ Baden‐Württemberg 1515 Alter in Jahren übrige Bundesländer mit Risikogebieten 1010 55 00 00 55 10 10 15 15 20 20 25 25 30 30 35 35 40 40 45 45 50 50 55 55 60 60 65 65 70 70 75 75 80+ 80+ Alter in Jahren Alter in Jahren Abb. 5 | FSME-Impfquoten von Personen aus FSME-Risikogebieten nach Alter und Bundesland, berechnet anhand von Daten der KV-Impfsurveillance,19,20 teilweise zusammengefasst (zusam- mengefasste Bundesländer: Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen), 2019. ältere Menschen ein höheres Risiko einer schweren vorhandenes FSME-Risiko. In Risikogebieten mit Erkrankung haben.21 Daher hat die Aufklärung über hohen Impfquoten, aber auch in Regionen, in de- die Relevanz des Impfschutzes in den Risikogebie- nen erstmals FSME-Fälle auftreten, wären jedoch ten hohe Priorität. neben humanen Erkrankungsfällen weitere Indika- toren für ein Infektionsrisiko hilfreich. Zwar sind Eine Steigerung der Impfquoten, insbesondere in Nachweise des FSME-Virus in Zecken für die Bestä- Kreisen mit hoher FSME-Inzidenz, könnte einen er- tigung von Naturherden sehr hilfreich, doch eignen heblichen Teil der Erkrankungen verhindern. So er- warben 71 % (1.639) der 2.297 Fälle, die sich in den Jahren 2017 – 2021 in den 175 im Jahr 2022 als Risi- kogebiet ausgewiesenen Kreisen infiziert hatten, Impfquote (Mittelwert und Spanne) ihre Erkrankung in nur 58 dieser Kreise mit der Risikogebiete mit Inzidenz höchsten Inzidenz (im oberen Terzil, s. Abb. 6). In 22,3 % (10,5 – 36,0 %) im oberen Terzil* diesen 58 Kreisen lagen die Impfquoten nur wenige Risikogebiete mit Inzidenz 18,9 % (10,5 – 39,0 %) im mittleren Terzil* Prozentpunkte über den Impfquoten in Risikoge- Risikogebiete mit Inzidenz 17,6 % (8,1 – 33,0 %) bieten mit niedrigerer Inzidenz (s. Tab. 4). Eine Stei- im unteren Terzil* gerung der Impfquote insbesondere in diesen Ge- Tab. 4 | Impfquoten in FSME-Risikogebieten nach Höhe der bieten hätte ein erhebliches Präventionspotenzial. FSME-Inzidenz, Daten der KV-Impfsurveillance über alle Altersgruppen19,20 Bei den weiterhin niedrigen und weitgehend stag- * oberes Terzil ≥ 7,64 – 55,35 Erkrankungen/100.000 Ein- nierenden Impfquoten in den Risikogebieten ver- wohner im Zeitraum 2017 – 2021, mittleres Terzil ≥ 2,36 – bleiben humane FSME-Erkrankungen weiterhin 7,63 Erkrankungen, unteres Terzil < 2,36 Erkrankungen. Siehe auch Abb. 6. ein relativ verlässlicher Indikator für ein regional
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 16 FSME-Inzidenz Erkrankungen / 100.000 Einwohner / 5 Jahre 0,00 bis < 2,36 (58 Kreise) ≥ 2,36 bis < 7,64 (59 Kreise) ≥ 7,64 bis < 55,35 (58 Kreise) Abb. 6 | FSME-Risikogebiete 2022 (n = 175) eingefärbt nach Höhe der Inzidenz im Zeitraum 2017 – 2021
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 17 sie sich aufgrund der niedrigen Virusdurchseu- den. In den letzten Jahren kamen vermehrt erstmals chung und der Kleinräumigkeit der FSME-Natur- Risikogebiete in nördlicher gelegenen Bundeslän- herde eher nicht für eine landesweite systematische dern hinzu: 2022 in Brandenburg und Nordrhein- Überwachung. Vielversprechender sind daher sero- Westfalen, 2021 in Sachsen-Anhalt und 2019 in logische Untersuchungen an standorttreuen Wild- Niedersachsen. Zusätzlich befinden sich einzelne oder Nutztieren22,23 oder serologische Untersuchun- Risikogebiete in Mittelhessen, im Saarland und in gen an Nagern, in denen das Virus über Monate Rheinland-Pfalz. Ein kleiner Teil der erfassten FSME- nach der Infektion nachgewiesen werden kann. Erkrankungen trat zudem in Nichtrisikogebieten PCR-Untersuchungen in Nagetieren können das Vi- auf, die zum Teil nicht an bestehende Risikogebiete rus v. a. im Winter über längere Zeit im Gehirn der grenzen, vor allem in Niedersachsen, Sachsen- Tiere nachweisen.24,25 Bislang wurden derartige Un- Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Es tersuchungen jedoch in erster Linie zu Forschungs- muss sorgfältig beobachtet werden, ob FSME- zwecken eingesetzt und nicht zur systematischen Naturherde sich nachhaltig in nördlichen und west- Überwachung. Eine detaillierte Verknüpfung von lichen Regionen Deutschlands etablieren bzw. ob humanen FSME-Daten mit einer Vielzahl von öko- die Verbreitung nach Norden weiter anhält. Die ver- logischen Daten wird seit 2017 im Rahmen des einzelt auftretenden FSME-Erkrankungen in den großangelegten Forschungsverbunds TBENAGER östlichen Bundesländern Brandenburg, Mecklen- (Tick-Borne ENcephAlitis in GERmany, www. burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, in denen gesundheitsforschung-bmbf.de/de/tbenager- das FSME-Virus bereits zwischen den 1960er bis fruhsommer-meningoenzephalitis-fsme-in- Anfang der 1980er Jahre endemisch war, zeigen, deutschland-7222.php) etabliert. Darin wird z. B. dass das FSME-Virus dort in geringem Umfang in untersucht, inwieweit ein Nachweis von FSME-An- Naturherden persistiert.27 – 29 Insbesondere während tikörpern in Wild- oder Haustieren oder des FSME- der Zeckensaison sollte deshalb überall in Deutsch- Virus in Nagern tatsächlich ein Infektionsrisiko für land die FSME bei entsprechender Symptomatik in den Menschen widerspiegelt. Diese Erkenntnisse die Differenzialdiagnose einbezogen werden. sind erforderlich, um Daten zur FSME-Infektion von Säugetieren auch in eine Risiko-Nutzen-Abwä- Die Impfquoten in den Risikogebieten sind nach gung für eine routinemäßige Impfung von zecken wie vor unzureichend, um eine starke Zunahme der exponierten Personen in einer Gegend einzubezie- FSME-Fallzahlen wie im Jahr 2020 zu verhindern. hen. Im Rahmen einer intensivierten Surveillance In Jahren mit hoher Krankheitslast war das Zusam- (www.rki.de/DE/Content/Infekt/Impfen/For- menspiel von ökologisch-klimatischen Faktoren schungsprojekte/FSME-Studie/FSME-Studie.html) wahrscheinlich besonders günstig für die Ausbrei- werden akute Symptome sowie mögliche Langzeit- tung von Zecken und des Virus innerhalb seiner Na- schäden der FSME-Erkrankung detailliert unter- turherde und/oder die humane Exposition. Es sollte sucht. Mittels eines Fall-Kontroll-Ansatzes werden insbesondere in Kreisen mit hoher FSME-Krank- weiterhin die Effektivität der FSME-Impfung ge- heitslast (s. Abb. 6) verstärkt über den Nutzen einer schätzt, sowie mögliche Risikofaktoren für eine FSME-Impfung aufgeklärt werden, um höhere FSME-Infektion identifiziert. Unter anderem wur- Impfquoten zu erreichen. Dadurch könnte ein den dabei Freizeitaktivitäten mit Expositionsrisiko Großteil der Erkrankungen in Deutschland verhin- für Zeckenstiche abgefragt, z. B. Waldspaziergänge. dert werden. Die Ergebnisse werden im Jahr 2022 veröffent- licht.26 Methodik Für die Definition der Risikogebiete werden die im Zusammenfassende Einschätzung Zeitraum 2002 – 2021 dem RKI gemäß IfSG über- In Deutschland besteht vor allem in Bayern und mittelten FSME-Erkrankungen mit vorliegendem Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstli- Infektionslandkreis verwendet (n = 6.442 Erkran- chen Thüringen und in Sachsen ein Risiko, durch kungsfälle, Stand: 21.01.2022, s. auch Kasten oben Zeckenstiche mit dem FSME-Virus infiziert zu wer- auf der nächsten Seite). Zum Zeitpunkt des Da-
Epidemiologisches Bulletin 9 | 2022 3. März 2022 18 zidenzen für die Zeiträume 2002 – 2006, 2003 – Wie bereits detailliert beschrieben,4 wird ein Kreis als 2007, usw. bis 2017 – 2021 berechnet, um die Ver- FSME-Risikogebiet definiert, wenn die Anzahl der gleichbarkeit der FSME-Krankheitslast in den ein- übermittelten FSME-Erkrankungen in mindestens zelnen Kreisen zu gewährleisten. Als Zähler wird einem der Fünfjahreszeiträume 2002 – 2006, 2003 – 2007, usw. bis 2017 – 2021 im Kreis ODER in der die Zahl der in einem Kreis erworbenen FSME- Kreisregion (bestehend aus dem betreffenden Kreis Erkrankungen (also Erkrankungen bei im Kreis plus allen angrenzenden Kreisen) signifikant wohnhaften und den Kreis besuchenden Personen) (p < 0,05) höher liegt als die bei einer Inzidenz von und als Nenner der Mittelwert der Kreisbevölkerung 1 Erkrankung/100.000 Einwohner erwartete Fallzahl. im jeweiligen Fünfjahresintervall verwendet. Ferner Da es in den letzten 20 – 30 Jahren keine Anzeichen wird das Infektionsrisiko in umliegenden Kreisen für ein Erlöschen von FSME-Naturherden in den be- berücksichtigt, zum einen, um der Mobilität der Be- stehenden Risikogebieten gegeben hat und weil die völkerung Rechnung zu tragen und zum anderen, Impfquoten zwischen 2006 und 2009/2010 deutlich weil Naturherde kreisübergreifend sein können. Da- angestiegen waren, wurde auf einem FSME-Exper- durch wird zudem eine Glättung zufälliger Inzidenz tentreffen im November 2011 am RKI entschieden, unterschiede erreicht. dass ein Kreis mindestens 20 Jahre lang seinen Sta- tus als Risikogebiet behalten sollte.30 Für Berechnungen, die nicht den Infektionsland- kreis betreffen, werden alle dem RKI übermittelten tenstands werden Änderungen in Fällen des jewei- FSME-Erkrankungen verwendet (n = 7.602, Stand: ligen Vorjahres berücksichtigt und in die fortgeführ- 21.01.2022). te Fallsammlung übernommen, z. B. die Ergänzung eines Infektionslandkreises durch das Gesundheit- Die aktuelle gleitende Fünfjahresinzidenz sowie die samt. Nachträgliche Änderungen in länger zurück- maximale und minimale Fünfjahresinzidenz der liegenden Fällen werden nicht mehr übernommen. früheren Intervalle werden für alle Kreise in Es wurden 16 kreisbezogene gleitende Fünfjahresin- Deutschland als Anhang zu diesem Artikel veröf- Anmerkungen zur Datenbasis Die übermittelten Daten zu gemeldeten FSME- ein signifikanter Titeranstieg gefordert. Die ab Beginn Erkrankungen unterlagen folgenden Einschränkungen: des Jahres 2004 gültige aktualisierte Falldefinition32 hat dies berücksichtigt. Auch der alleinige IgM-Anti- Infektionsort: Ohne Hinweis zum vermutlichen Infek- körpernachweis im Liquor wird seit 2004 nicht mehr tionsort (= „Expositionsort“) kann ein übermittelter akzeptiert; es wurde nunmehr der Nachweis einer FSME-Fall nicht zur Präzisierung der FSME-Risiko intrathekalen Antikörpersynthese (erhöhter Liquor- gebiete genutzt werden. Daher haben die aufwendi- Serum-Index) gefordert. gen Ermittlungen seitens der Gesundheitsämter einen hohen Stellenwert. Die Übermittlung des vermutli- Vor diesem Hintergrund wurden Fälle aus den Jahren chen Infektionsortes fehlte im Jahr 2002 noch in 49 % 2002 und 2003 mit alleinigem FSME-spezifischen der Fälle; in den Jahren 2006 – 2019 jedoch nur noch IgM-Antikörpernachweis nur dann zur Datengrund in 1,6 – 11,8 % der Fälle, mit dem höchsten Anteil im lage für die Karte gerechnet, wenn eine Symptomatik Jahr 2014 (11,8 %). Im Jahr 2021 fehlte der Infektions- des ZNS vorlag. ort bei 11,0 % der Fälle. Seit der 2007 aktualisierten Falldefinition33 (www.rki. Falldefinition nach IfSG: Die von 2001 bis Ende 2003 de/falldefinitionen) wird auch der Nachweis eines gültige Falldefinition31 des RKI war auch dann erfüllt, simultanen IgM- und IgG-Nachweises im Liquor – wie wenn labordiagnostisch nur ein serologischer FSME- im Serum – als Laborbestätigung anerkannt. Dies spezifischer IgM-Antikörpernachweis vorlag. Dies wurde in der Praxis bereits bei den in den Jahren wurde nachträglich von Fachleuten als nicht ausrei- 2004 – 2006 übermittelten Fällen weitgehend so ge- chend spezifisch eingeschätzt. Zur sicheren Diagnose handhabt. wurde entweder zusätzlich ein erhöhter IgG-Titer oder
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