Erfahrungsbericht 2017 / 2018 Auslandsaufenthalt im Rahmen des Ontario-Baden-Württemberg Programms - ontario-baden-württemberg student ...

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Erfahrungsbericht 2017 / 2018

   Auslandsaufenthalt im Rahmen des Ontario-Baden-Württemberg
                                   Programms

Gastuniversität:   Queen´s University
Zeitraum:          Sept. 2017 – Mai 2018
Studienfach:       Economics (M.Sc.), Soziologie (B.A.)
1. Vorbereitungen und Aufenthaltsbeginn

Mein Bewerbungsprozess verlief entlang der OBW Richtlinien. Nach Abgabe der
entsprechenden Unterlagen und eines Gesprächs im Spätherbst erhielt ich Ende desselben
Jahres die Rückmeldung.

Im Hinblick auf das Study Permit Verfahren ist erwähnenswert, dass kein Rückflug
vorgewiesen werden muss. Daher buchte ich diesen erst Ende April, um möglichst flexible
Reise- und Praktikumspläne haben zu können. Falls man den Rückflug zusammen mit dem
Hinflug bucht, sollte bedacht werden, dass auch mit der Möglichkeit der Umbuchung
(Flexticket) Kosten anfallen werden, vor allem wenn man den Abflugort nachträglich ändern
möchte. (Es ist beliebt nach dem Studienjahr in Ontario auch den Westen Kanadas zu
entdecken und ggf. bietet es sich dann an aus Vancouver zurückzufliegen.)

Die Wohnungssuche in Kingston empfand ich schwieriger als erwartet. Im Voraus hatte ich
aus Deutschland versucht ein Zimmer zu finden, allerdings erschwert die Ferne das Vorstellen
bei dem Vermieter oder Mitbewohnern. Vor Ort gibt es genügend Nachfrager, sodass sich nie
ein Skypegespräch für mich ergab. Als ich mich schließlich Ende August auf Wohnungssuche
begab, um drei Tage später einzuziehen, war die große Konkurrenz zu anderen
Austauschstudenten zu bemerken.
Ich benutzte kijiji.com sowie die Queen´s Housing Gruppe auf Facebook
https://www.facebook.com/groups/1618611005028802/?ref=nf_target&fref=nf) zur Suche.
Durch Glück erwischte ich ein wunderschönes Zimmer etwas abseits des Campus.
Allerdings unterscheidet sich die kanadische WG Kultur von der deutschen, da die
Personenkonstellation vom Vermieter zusammengestellt wird. Persönlich habe ich aus diesem
Grund eine weniger warme Wohnatmosphäre erlebt als in Deutschland.
Im Allgemeinen ist eine Miete von CAD 560 inklusive der Nebenkosten ein geeigneter
Richtwert. Ich empfehle außerdem explizit auf das Heizungssystem im Haus zu achten. Ideal
sind individuelle Heizkörper im Zimmer, oft sind diese aber zentral und vom Vermieter
geregelt, was zu unangenehmen Temperaturen insbesondere im Winter führen kann. Am
besten daher direkt bei dem Besichtigen nach den Details fragen.

Von Freunden weiß ich, dass sie sich im Coop Housing (Hausgemeinschaften, die von der
Uni organisiert werden) sehr wohlgefühlt haben. Dort findet man sofort Anschluss und
Freundschaften zu anderen Studenten, allerdings sind die Essenszeiten vorgegeben, die Miete
einiges höher als privat organisiertes Wohnen und wöchentliche Küchendienste müssen erfüllt
werden.
Insgesamt rate ich, einen Mealplan zu umgehen, da es unverhältnismäßig viel Geld kostet, das
Essen nicht sonderlich abwechslungsreich und ungesund ist.

Natürlich ist eine Auslandsversicherung unumgänglich. Zudem ist jeder Queen´s Student
zum UHIP (University Health Insurance Plan) verpflichtet, welcher jedoch nur in Ontario
greift. Als ich im Winter auf Eis ausrutschte und mir den Arm anbrach, machte ich positive
Erfahrungen mit dem kanadischen Gesundheitssystem. In der Notaufnahme wurde ich sofort
behandelt und musste durch den UHIP nichts bezahlen. Im Fall von spezifischen
Arztterminen empfehle ich allerdings allen sich in Deutschland behandeln zu lassen.
Grundsätzlich erhält man in Kanada ohne „Beratung“, die ca. CAD 150 kostet, keinen
Termin. Das bedeutet, dass man erst einen Allgemeinarzt sprechen muss, um anschließend zu
einem Facharzt verwiesen zu werden. Zum Beispiel kann nicht einfach einen Termin bei
einem Hautarzt vereinbart werden, wie man es aus Deutschland gewöhnt ist.

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Zum Thema Bankangelegenheiten hätte ich damals vor Abreise gerne gewusst, dass das
deutsche TAN System im Ausland gänzlich unbekannt ist. Mir unterlief der Fehler nicht
daran gedacht zu haben, dass meine übers Handy zugeschickten TANs nicht mehr ankommen
würden, sobald ich eine kanadische Handynummer annehmen würde. Später versuchte ich
vergeblich mir vor Ort einen TAN Generator zu organisieren, niemand dort hatte jemals von
einem solchen Gerät gehört. Daher auf jeden Fall vor Abreise das mobile TAN Verfahren zu
einem TAN Generator umstellen, um weiterhin Überweisungen auf deutsche Konten
durchführen zu können.
Am unkompliziertesten ist außerdem die kostenlose Eröffnung eines kanadisches Kontos; ich
war sehr mit der CIBC Bank sehr zufrieden. Zumal gehören sämtliche Bankautomaten auf
dem Queen´s Campus zur CIBC, sodass man dort immer an gebührenfreies Bargeld kommt.

Handyverträge sind im Allgemeinen teuer in Kanada (CAD 45 monatlich); Alle Anbieter
scheinen ähnlich.

Zu Beginn des Aufenthalts findet man gebrauchte Möbel am einfachsten über
Facebookgruppen (z.B. https://www.facebook.com/groups/166705010060588/). Darüber
hinaus können neue Dinge und Bettdecke, -kissen, –wäsche am günstigsten bei JYSK
(Kaufhaus) erworben werden.

2. Campusleben

Im Unterschied zu deutschen Universitäten herrscht an der Queen´s Universitätsstolz; jeder
zeigt gern, dass er Teil der Campusgemeinschaft ist.
Anfang September wird die NEWTS week angeboten, in der man für ca. CAD 100 die
Gelegenheit hat, andere neue Studenten kennenzulernen. Ich habe mich aufgrund des Preises
dagegen entschieden und würde es wieder so tun. Von anderen habe ich gehört, dass die
Teilnahme den Preis nicht ganz wert, aber aufgrund der Vernetzung unter den internationalen
Studenten dennoch die richtige Entscheidung für sie war.

Hingegen etwas, was ich rückblickend anders machen würde, ist die Fahrradinvestition. In
meinen Augen lohnt es sich das Geld für ein gebrauchtes Fahrrad (kijiji.com) in die Hand zu
nehmen. Wer sein Fahrrad auch im Heidelberger Winter durchgehend benutzt, hält es auch in
Kingston mit Ausnahme von Dezember-Februar aus.

2.1. Economics

Besonders positiv haben mich die Ansprechpartner und Professoren der Queen´s Graduate
School überrascht, die mich herzlich willkommen hießen und sogar für Sonderwünsche ein
offenes Ohr hatten und mir immer mit sehr hilfreicher Unterstützung zur Seite standen. Meine
komplizierte Immatrikulation (, die aufgrund meiner Fächerkombination sowohl an der
Graduate als auch der Undergraduate School gleichzeitig erfolgen musste) klappte auf Anhieb
genau wie ich es mir erhofft hatte.

Zudem erhält jeder (Economics) Masterstudent Platz in einem Gruppenbüro. So war das
Studieren von Beginn an sehr Gruppenarbeit orientiert. Wie auch schon in Heideberg merkte
ich schnell, dass der Weg im Einzelgang beschwerlich werden würde. Die Anforderungen
sind hoch, jedoch werden sehr schwere Aufgaben, die in Deutschland üblicherweise in
Klausuren abgefragt werden, in Gruppen abzugebenden Assignments abgefragt und im
Austausch mit anderen bewältigt. Auf diese Weise wird es unwahrscheinlicher durch
Klausuren durchzufallen. Generell erfuhr ich immer eine gute Vorbereitung und faire
Klausuren, sodass man gute Noten erzielen kann, wenn man bereit ist, Arbeit aufzuwenden.

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Trotzdem ist zu beachten dass im Master erst ab 70% von 100% Prüfungen als bestanden
gelten (im Undergraduate Niveau ab 50%).

2.2. Soziologie

In der Undergraduate School hat es für mich in allen Kursen einen Unterschied gemacht den
Professoren mitzuteilen, Austauschstudent zu sein. Oft wurde deshalb explizit nach meiner
Meinung gefragt. Außerdem erhielt ich extra Zeit (30 min) in den Klausuren.

2.3. Sonstiges

Eine Bereicherung waren Clubteilnahmen für ca. CAD 30 pro Semester. Ich trat in den
Outdoors Club ein und hatte so die Gelegenheit in Gruppen Ontario und Umgebung zu
erkunden. Besonders toll war der Ausflug in die White Mountains, New Hampshire, USA.
(Bei Einreise über Land ist kein ESTA Visum notwendig.) Außerdem hat mir der Yoga Club
sehr gefallen. Als Mitglied darf man bestimmte Kurse in allen Yogastudios in Kingston
besuchen. Im Winter wirkt Hot Yoga natürlich gut gegen die Kälte.

3. Lieblingsorte in Kingston

Kingston beitet viele großartige Plätze zum Lernen, Kaffeetrinken, Allein sein oder zum
Freunde treffen. Mein absoluter Lieblingsort war das Musiikki. Es ist ein Ort für jede Tages-
und Nachtzeit, also Café als auch Bar. Täglich gibt es fantastische Livemusik von jungen
Künstlern aus der Umgebung. Viel Zeit habe ich außerdem in Pasta Genova verbracht, wo es
Focaccia für nur CAD 0,75 und Espresso für CAD 0,50 gibt! Meine Lieblingscafés waren das
Juniper Café (Blick auf den Lake Ontario), der Grocery Basket (Dachterrasse im Sommer und
Frühling), das Kingston Coffee House, das Elm Café, und das Crave (Lernatmosphäre). Im
Grad Club, wo es leckeres Essen und gelegentliche gute Konzerte typisch kanadischer
Künstler gibt, erhalten Masterstudenten 10% Rabatt auf alle Produkte (ausschließlich
Alkohol).
Für Konzerte, Festivals und Kunst ist das Isabel Bader Center eine gute Adresse.

Auf dem Queen´s Campus habe ich mich im dritten Stocks der Douglas Libary immer in die
Harry Potter Welt versetzt fühlt. Außerdem ist die Agnes Kunstgalerie eintrittsfrei und einen
Besuch wert.

In Kingston´s Umgebung befindet sich die Wolfe Island. Ich habe die kostenlosen Fähre
dorthin genutzt, um im Sommer Butter Tarts bei der Wolfe Island Bakery zu essen oder im
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Herbst auf den Feldern Äpfel pflücken zu gehen. Etwas weiter weg ist Cataraqui Creek, wo
sich die schöne Natur für Spaziergänge eignet und im März Ahornsirup geerntet werden kann.
Zum Erholen eignet sich auch der Lake Ontario Park.

4. Aufenthalt in Kanada

Zum Umherziehen ist das Fernbusnetz gut; Buchen im weiten Voraus ermöglicht es Tickets
für nur CAD 1-2 zu erwischen. Falls man spontan weg möchte, sind Fahrgemeinschaften die
beste Option (Facebookgruppe: Queen´s Rideshare).

Was das Reisen betrifft, ist es in Kanada grundsätzlich am schönsten Zeit in der Natur
verbringen. In Ontario haben mir der Algonquin Provincial Park und der Petroglyphs
Provincial Park sehr gefallen. Es muss bedacht werden, dass Campingplätze oft weit im
Voraus kostenpflichtig reserviert werden müssen (auch im Backcountry und besonders an
Feiertagen wie Thanksgiving).

An Weihnachten habe ich es dann sehr genossen das Fest in einer Gruppe im abgeschiedenen
kanadischen Winterwunderland in einer kleinen Hütte zu feiern (Muskoka oder Haliburton
County).

Ansonsten hatte ich viel Spaß auf dem Igloofestival in Montréal Ende Januar. Einen
Ottawabesuch würde ich ebenfalls im Winter einplanen um auf dem öffentlichen, 8km langen
Kanal Schlittschuhlaufen zu gehen.

Von allen Orten ist später die 4880 km entfernte Vancouver Island mein kanadischer
Lieblingsort geworden. Wer die Gelegenheit hat, dem lege ich einen Roadtrip durch alle
Provinzen (Ontario, Manitoba, Saskatchewan, Alberta, British Columbia) Richtung Westen
ans Herz. Auf diese Weise konnte ich Kanada schließlich mit dem Gefühl verlassen, es von
vielen Seiten kennengelernt zu haben.

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