Erstes "Franco-German Fiscal Policy Seminar"

Die Seite wird erstellt Diana Schreiner
 
WEITER LESEN
Analysen und Berichte                                                      Monatsbericht des BMF
                                                                                            November 2020

Erstes „Franco-German Fiscal Policy Seminar“

                                                                                                                 Analysen und Berichte
     ● Am 8. Oktober 2020 fand unter dem Titel „Economic lessons from the COVID-19 pandemic – first
       findings“ das Fiscal Policy Seminar erstmalig im neuen französisch-deutschen Format statt.

     ● Unter der fachlichen Leitung von Prof. Dr. Andreas Peichl (ifo Institut) diskutierten bis zu 70 in-
       ternationale Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Institutionen und Ministerien im rein
       virtuellen Format die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und mögliche Handlungsalternati-
       ven für die Wirtschafts- und Finanzpolitik.

     ● Prof. Michèle Tertilt (Universität Mannheim) hielt eine Keynote und sprach zu Auswirkungen
       der COVID-19-Pandemie auf die Erwerbstätigkeit und die Löhne von Frauen. Zudem gab Agnès
       Bénassy-Quéré (Chefvolkswirtin im französischen Finanzministerium) in einer Policy Note einen
       Überblick über die COVID-19-Krisenbekämpfung in Frankreich.

     ● Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung des mit 5.000 € dotierten Best Paper Award. Er
       ging an das Forschungspapier „Gauging the Effects of the German COVID-19 Fiscal Stimulus Pack-
       age“ von Natascha Hinterlang, Stéphane Moyen, Oke Röhe und Nikolai Stähler (Deutsche Bundes-
       bank) für ihre Wirkungsanalyse des deutschen Konjunkturprogramms.

   Einleitung                                             von Firmen, Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt
                                                          und die Wirksamkeit von Home­office-Regelungen
In der dritten Auflage seit 2018 fand das diesjährige     sowie über kombinierte Strategien, wie den ge-
Fiscal Policy Seminar erstmalig im neuen franzö-          sundheitlichen und wirtschaftlichen Gefahren der
sisch-deutschen Format statt. Internationale For-         COVID-19-Pandemie begegnet werden kann.
scherinnen und Forscher traten so gleichzeitig in
den Austausch mit Fachleuten des BMF in Berlin            Neben Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus
sowie des französischen Finanzministeriums in             Deutschland und Frankreich nahmen insgesamt
Bercy.                                                    circa 70 Fachleute aus Europa und den USA an der
                                                          Konferenz teil. Um den Hygiene- und Abstandsre-
Unter dem Leitthema „Economic lessons from the            geln Rechnung zu tragen, fand die Konferenz erst-
COVID-19 pandemic – first findings“ stellten zwölf        malig in einem rein virtuellen Format statt. Der
internationale Forscherinnen und Forscher aktuelle        Veranstaltung war ein international publizierter so-
Studien zu den Auswirkungen der COVID-19-Pan-             genannter Call for Papers vorausgegangen. Aus den
demie vor. Ein besonderer Fokus galt dabei den            zahlreichen Einsendungen hatte ein unabhängiges
wirtschafts- und finanzpolitischen Implikationen          wissenschaftliches Komitee um Prof. Dr. Andreas
der Analysen. So diskutierten sie mit den Fachleu-        Peichl (ifo Institut, Ludwig-Maximilians-Universi-
ten des BMF und des französischen Finanzministe-          tät München) die zwölf Vorträge und das beste For-
riums u. a. über die Wirksamkeit der beschlossenen        schungspapier ausgewählt.
Stützungs- und Konjunkturprogramme, die Aus-
wirkungen auf Erwartungen und Verhaltensweisen

                                                        23
Analysen und Berichte                                                         Monatsbericht des BMF
           Erstes „Franco-German Fiscal Policy Seminar“                                        November 2020

   Verleihung des Best Paper                                zur Förderung von Humankapital, Innovation und
   Award                                                    grüner Transformation. Im Ergebnis verspreche
                                                            man sich nachhaltig positive Impulse für das BIP
Der mit 5.000 € dotierte Best Paper Award ging an           und die Erwerbstätigkeit in Frankreich.
Natascha Hinterlang, Stéphane Moyen, Oke Röhe
und Nikolai Stähler von der Deutschen Bundesbank            Michèle Tertilt präsentierte in ihrer Keynote Ergeb-
für ihr Papier „Gauging the EffEcts of the German           nisse ihrer aktuellen Forschung zur Frage, wie stark
COVID-19 Fiscal Stimulus Package“. Darin analy-             erwerbstätige Frauen von der COVID-19-Krise be-
sieren sie die Wirksamkeit des deutschen Konjunk-           troffen sind. „This Time it’s Different“, heißt es im
turprogramms in einem eigens für Deutschland                Titel der Studie. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass
weiterentwickelten Dynamic Stochastic General               Frauen in den USA von der COVID-19-Krise deut-
Equilibrium Model, kurz DSGE-Modell. Dieses er-             lich stärker betroffen sind als Männer. Zurückzu-
laubt es, die Wirksamkeit der einzelnen Maßnah-             führen sei dies im Wesentlichen auf zwei Gründe:
men für sechs verschiedene Wirtschaftszweige zu             Zum einen gingen Frauen weniger häufig Tätig-
quantifizieren. Das Papier kommt zu dem Ergebnis,           keiten nach, die auch in Telearbeit verrichtet wer-
dass die wirtschaftspolitischen Maßnahmen be-               den könnten. Zum anderen übernähmen Frauen
sonders den Dienstleistungs- und Automobilsektor            in Haushalten, in denen beide Elternteile arbeiten,
gestützt haben. Gesamtwirtschaftlich habe sich die          nach wie vor den Großteil der Kinderbetreuung.
Erhöhung der öffentlichen Investitionen als beson-          Dies wirke sich in der COVID-19-Krise deutlich ne-
ders effektiv erwiesen. Insgesamt hätten die kom-           gativ auf das Arbeitseinkommen von Frauen aus
binierten Maßnahmen den Wirtschaftseinbruch                 und führe zu einem Anstieg des bereits bestehen-
gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) um                   den Lohngefälles zwischen Männern und Frauen.
3 Prozentpunkte abgemildert und somit die Wohl-
fahrtskosten gemessen am Konsum sogar um rund
ein Drittel reduziert. In seiner Laudatio würdigte             Inhaltliche Schwerpunkte
der Chefökonom des BMF, Jakob von Weizsäcker,
das Papier als wichtigen Beitrag zur Debatte über
die Wirksamkeit des Stabilisierungs- und Konjunk-              Session 1: Big Picture
turpakets in Deutschland.
                                                            In der ersten Session stellten die Forscher Michael
                                                            Weber (University of Chicago), Sascha Steffen
   Policy Note und Keynote                                  (Frankfurt School of Finance & Management) und
                                                            Benjamin Moll (London School of Economics) ihre
Erstmalig im Programm des Fiscal Policy Seminars            Papiere vor. Darin ging es u. a. um die Auswirkun-
vorgesehen waren eine Policy Note, vorgetragen              gen von Lockdowns auf die Erwartungen und das
von der Chefvolkswirtin des französischen Finanz-           Verhalten von Haushalten. So zeigten Michael
ministeriums, Agnès Bénassy-Quéré, sowie eine               Weber und seine Koautoren Olivier Coibion und
Keynote von Prof. Michèle Tertilt von der Univer-           Yuriy Gorodnichenko in seiner empirischen Studie
sität Mannheim.                                             „The Cost of the COVID-19-Crisis“, dass Lockdowns
                                                            in den USA zu deutlichen Einkommens- und Ver-
Im Zeichen der französischen Partnerschaft stellte          mögenseinbußen geführt haben. Gleichzeitig sei
Agnès Bénassy-Quéré die französische Strategie              der private Konsum stark zurückgegangen. Ben-
zur Überwindung der COVID-19-Krise vor. Mit                 jamin Moll und seine Koautoren Greg Kaplan und
der Strategie verfolge Paris zwei Ziele: zunächst die       Giovanni L. Violante untersuchten anhand eines
kurzfristige Stabilisierung und beschleunigte Erho-         um epidemiologische Einflüsse erweiterten ökono-
lung der Wirtschaft sowie langfristig ein nachhal-          mischen Modells („The Great Lockdown an the Big
tiges Wachstum, unterstützt durch Investitionen             Stimulus: Tracing the Pandemic Possinlity Frontier

                                                          24
Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
          Erstes „Franco-German Fiscal Policy Seminar“                                       November 2020

for the U.S.“) den möglichen Zielkonflikt zwischen         relative Bedeutsamkeit von Angebots- und Nach-
der Dauer von Maßnahmen zum Schutz der Ge-                 fragetreibern während der Krise zu ziehen. Ihre
sundheit und wirtschaftlicher Aktivität. Sie stell-        Analyse ergab, dass die COVID-19-Pandemie die

                                                                                                                 Analysen und Berichte
ten fest, dass ihr Modell tatsächlich auf einen ne-        Wahrscheinlichkeit für Preissenkungen bei Firmen
gativen Trade-off hindeute: Ein längerer Lockdown          signifikant erhöht hat. Daraus folgerten sie eine
senke die Sterblichkeitsrate in der Bevölkerung bei        relativ größere Bedeutung von Nachfrageschwä-
gleichzeitig größeren Wohlfahrtseinbußen. Durch            chen als Krisenursache. Das Team (Lukas Buch-
Fiskalmaßnahmen ließen sich die Wohlfahrtsver-             heim, Carla Krolage und Sebastian Link) um Jonas
luste jedoch deutlich reduzieren. Gemessen am              Dovern (FAU Erlangen-Nürnberg) untersuchte
Einkommen verzeichneten die mittleren Einkom-              mittels Unternehmensumfragen, wie sich zu Be-
mensklassen die größten Wohlfahrtseinbußen. Von            ginn der Krise Erwartungen bezüglich der Dauer
staatlichen Transferleistungen hätten vorwiegend           der Pandemie und der Einschränkungen auf Fir-
untere Einkommensschichten profitiert.                     menentscheidungen auswirkten („Sentiment and
                                                           Form Behaviour During the COVID-19 Pandemic“).
Sascha Steffen und sein Koautor Viral V. Acharya           Firmen hätten umso drastischere Maßnahmen er-
richteten mit einer empirischen Analyse den                griffen, wie Aufschiebung von Investitionen oder
Blick auf die Liquidität von Firmen während der            Arbeitsplatzabbau, je länger die erwartete Dauer
COVID-Krise. Für die frühe Phase der Krise doku-           der Pandemie eingeschätzt worden sei. Bereits fi-
mentiert ihre Arbeit „The risk of being a fallen an-       nanziell geschwächte Firmen seien am stärksten
gel and the corporate dash for cash in the midst of        von der Pandemie getroffen worden und hätten
COVID-19“ einen sogenannten „Dash for Cash“,               pessimistischere Erwartungen gehabt. In der Folge
also einen Wettlauf um ausreichende Liquidität,            hätten sie in einem höheren Maße Beschäftigung
der im Extremfall eine Gefahr für die Finanzsta-           und Investitionen reduziert als vergleichsweise ge-
bilität darstellen könne. Um stets ausreichende Li-        sunde Firmen. Relativ günstige Maßnahmen wie
quidität durch den Finanzsektor zu gewährleisten,          Telearbeit seien unabhängig von der erwarteten
empfehlen die Autoren, dass zuständige Aufsichts-          Dauer der Pandemie umgesetzt worden. Aus diesen
behörden vorübergehende Kapitalerhaltungs-                 Erkenntnissen leitet die Studie eine hohe Bedeu-
maßnahmen wie Ausschüttungsbeschränkungen                  tung für eine klare Kommunikation der Eindäm-
im Finanzsektor durchsetzen sollten. In der an-            mungsmaßnahmen selbst sowie deren Dauer ab,
schließenden Diskussion wurde darüber debat-               um Planungsfehler bei Unternehmen zu vermei-
tiert, ob tatsächlich ein Zielkonflikt zwischen dem        den. In der anschließenden Diskussion wurden u. a.
Schutz der Gesundheit und der Stabilisierung der           die Fragen aufgeworfen, ob in den verwendeten
Wirtschaft bestehe und ob dieser in Wirklichkeit           Daten Hinweise auf Ankündigungseffekte sichtbar
nicht weitaus geringer ausfalle als in den Modellen        seien und ob nach Abklingen des anfänglichen An-
dargestellt.                                               gebotsschocks bereits ein Rückgang des Sparens zu
                                                           erkennen sei.

   Session 2: Firm-level Evidence
                                                              Session 3: Policy
In der zweiten Session standen Analysen zu Aus-
wirkungen auf Firmenebene im Mittelpunkt.                  In Session 3 wurden verschiedene Analysen zur
Almut Balleer (RWTH Aachen) und ihre Koautoren             Effektivität der Stabilisierungs- und Konjunktur-
Manuel Menkhoff und Peter Zorn hatten in ihrem             pakete während der COVID-19-Krise sowie zur
Papier „Demand or Supply? Price Adjustment dur-            optimalen Ausgestaltung von Politikmaßnah-
ing the COVID-19 Pandemic“ in der Frühphase der            men zur Eindämmung der Pandemie vorgestellt.
Krise Firmenumfragen zu geplanten Preisänderun-            Martin Spindler (Universität Hamburg) präsen-
gen ausgewertet, um daraus Rückschlüsse auf die            tierte ein epidemiologisches Modell zur optimalen

                                                         25
Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
          Erstes „Franco-German Fiscal Policy Seminar“                                       November 2020

Abwägung des möglichen Zielkonflikts zwischen                 Session 4: Labour Markets
Kontaktbeschränkungen und wirtschaftlicher Ak-
tivität in Deutschland („Gaining Insights from Op-         In Session 4 lag der inhaltliche Fokus auf den Aus-
timal Planning Problems for COVID-19 Shielding             wirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt.
in Germany – A Multi-Group SEIR Framework“,                Jan Schymik (Universität Mannheim) präsentierte
Koautoren Philipp Bach und Victor Chernozhu-               ein Papier („My home is my castle – The benefits of
kov). Demnach gelinge die Eindämmung der Pan-              working from home during a pandemic crisis: Evi-
demie, bei vergleichsweise geringem Verlust der            dence from Germany“, Koautoren Harald Fadinger
wirtschaftlichen Aktivität, am besten durch Kon-           und Jean-Victor Alipour) seines Teams zu der Frage,
taktbeschränkungen für besonders gefährdete                welchen Beitrag Homeoffice-Regelungen zur Ab-
Zielgruppen wie Seniorinnen und Senioren. Diese            milderung des negativen Schocks auf den Arbeits-
Zielgruppe trage beispielsweise ein erhöhtes Ge-           markt geleistet haben. Die Studie kommt zu dem
sundheitsrisiko bei vergleichsweise geringerem             Ergebnis, dass hierdurch die Anträge auf Kurzar-
Anteil an der wirtschaftlichen Aktivität. Die Effek-       beit deutlich reduziert wurden und das Arbeiten im
tivität der Eindämmungsmaßnahmen könne zu-                 Home­office somit eine wichtige Rolle spielte, um
sätzlich durch begleitende Maßnahmen wie ver-              die Arbeitsmarktschocks abzufedern. Darüber hi­
mehrtes Testen oder den Nachweis von Immunität             naus weisen die Autoren einen positiven Beitrag des
bei erhöhtem sozialem Kontakt gesteigert wer-              Homeoffice zur Reduzierung von Infektionszahlen
den. Benjamin Born (Frankfurt School of Finance &          in der frühen Phase der Pandemie nach, und dies
Management) und seine Koautoren Christian Bayer,           noch vor dem verordneten Lockdown. Somit seien
Ralph Luetticke und Gernot J. Müller untersuchten          Homeoffice-Regelungen und Lockdown-Maßnah-
die Wirksamkeit von staatlichen Transfers wäh-             men zu gewissem Grad Substitute. Etienne Wasmer
rend der COVID-19-Pandemie in den USA („Labor              (New York University Abu Dhabi) erforschte mit sei-
Reallocation and Labor Policy after COVID-19“).            nen Koautoren Jean-Benoît Eyméoud und Raül
Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Transferzah-              Santaeulàlia Llopis potenzielle mittel- und lang-
lungen den Wirtschaftseinbruch um rund 5 Pro-              fristige Folgen der COVID-19-Pandemie in Bezug
zentpunkte verringert haben, verglichen mit einem          auf sektorale Beschäftigung, sektorale Arbeitskräf-
Szenario ohne Transferzahlungen. Als besonders             tebewegungen und Job-Qualifikationen („The Co-
effektiv hätten sich konditionierte Transferzahlun-        rona Stimulus Package: How large is the transfer
gen erwiesen, die gezielt an Arbeitslose ausgezahlt        multiplier?“). Nach Auffassung der Verfasser müsse
wurden. Die hohe Effektivität dieser Maßnahmen             sich die Arbeitsmarktpolitik danach richten, ob die
beruhe auf der Absicherung von Einkommensrisi-             COVID-19-Pandemie temporäre oder permanente
ken in Gruppen mit besonders hoher Konsumnei-              (strukturelle) Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
gung. Zudem reduzierten Transferzahlungen das              habe. Bei temporären Einschränkungen könne
Risiko einer steigenden Ungleichheit infolge der           Kurzarbeit den Schock abmildern, indem sie den
COVID-19-Krise. In der Diskussion wurde u. a. da-          Verbleib von Arbeitskräften im Betrieb sicherstelle
rauf hingewiesen, dass Modelle zur Quantifizie-            und somit berufsspezifische Fähigkeiten für das Un-
rung des Zielkonflikts zwischen Gesundheit und             ternehmen sichere. Bei einem strukturellen Schock,
Wirtschaft sogenannte weiche Faktoren nicht aus-           bei dem bestimmte Sektoren langfristig betroffen
reichend berücksichtigten, wie z. B. die Einschrän-        sind, plädieren die Autoren für staatlich geförderte
kungen persönlicher Kontakte. Dies liege an der            berufliche Umschulungen, um Arbeitskräften ei-
schwierigen Messbarkeit solcher Faktoren.                  nen schnelleren Wechsel in produktivere Sektoren
                                                           zu ermöglichen. In der Diskussion wurde u. a. nach
                                                           Forschungserkenntnissen zur Produktivität im Ho-
                                                           meoffice gefragt und über mögliche Politikmaßnah-
                                                           men beraten, die das Arbeiten im Homeoffice und
                                                           seine Produktivität weiter verbessern.

                                                         26
Analysen und Berichte                                                        Monatsbericht des BMF
           Erstes „Franco-German Fiscal Policy Seminar“                                       November 2020

   Session 5: Fiscal Policy                                 notwendigen Staatsschuldentitel mit ausreichend
                                                            langer Laufzeit begeben werden. In der anschlie-
In Session 5 standen die Rolle und Effektivität von         ßenden Diskussion ging es um die Implikationen

                                                                                                                   Analysen und Berichte
Fiskalpolitik im Zentrum. Francesco Zanetti (Ox-            für die Fiskalpolitik, wenn die Ursache für eine Re-
ford University) stellte hierzu mit Mishel Ghas-            zession von angebots- zu nachfragebedingt wech-
sibe ein gemeinsam verfasstes Papier („State                sele und nicht immer sichergestellt werden könne,
dependence of fiscal multipliers: The source of             dass die Fiskalpolitik schnell und gezielt genug da-
fluctuation matters“) vor. Anhand eines formalen            rauf reagieren könne.
Modells argumentieren die Autoren, dass die Ef-
fektivität von Fiskalpolitik – gemessen an soge-
nannten Multiplikatoren – nicht nur von der kon-               Ausblick
junkturellen Lage abhängt, sondern auch davon, ob
die Konjunktur angebots- oder nachfragebedingt              Das dritte Fiscal Policy Seminar war zugleich das
schwankt. Dies belegen sie durch eine erste empi-           erste in einer neuen Reihe französisch-deutscher
rische Untersuchung. So erwiesen sich beispiels-            Seminare. Mit seinem thematischen Fokus auf die
weise Maßnahmen, die die gesamtwirtschaftliche              COVID-19-Krise lieferte es mehr denn je hochak-
Nachfrage stimulieren, besonders in nachfragebe-            tuelle Impulse zu drängenden finanzpolitischen
dingten Rezessionen als effektiv und antizyklisch           Fragestellungen. Wie bereits in den Vorjahren bot
wirkend. Folglich müsse die Fiskalpolitik genau auf         das Seminar Expertinnen und Experten aus der Fi-
die Ursachen der Rezession schauen, um effektive            nanzpolitik eine Plattform, um mit Fachleuten im
Maßnahmen beschließen zu können. Jean-Baptiste              Bereich Finanzwissenschaften und Makroökono-
Michau (Institut Polytechnique de Paris) präsen-            mik zu innovativen Konzepten und Strategien in
tierte ein Papier zu der Frage, ob eine expansive Fi-       den Austausch zu treten. Diesen Aspekt hob auch
nanzpolitik dazu beitragen könne, eine Volkswirt-           Staatssekretär Wolfang Schmidt in seiner Be-
schaft aus der säkularen Stagnation zu befreien (dies       grüßungsrede ausdrücklich hervor, indem er die
ist ein Zustand mit niedrigen Zinsen, niedriger In-         wertvolle Zusammenarbeit zwischen Ökonomin-
flation und niedrigem Wachstum). In einem eigens            nen und Ökonomen und dem BMF während der
entwickelten formalen Modell könne dies durch               COVID-19-Krise lobte. Mit Blick auf nächstes Jahr
massive öffentliche Ausgaben gelingen. Um der               kündigten Agnès Bénassy-Quéré und Jakob von
dabei entstehenden Inflationsgefahr zu begegnen             Weizsäcker an, dass das Franco-German Fiscal Pol-
und die finanzielle Belastung auf den Staatshaus-           icy Seminar 2021 im französischen Finanzministe-
halt zu begrenzen, könnten die zur Finanzierung             rium in Bercy stattfinden werde.

                                                          27
Sie können auch lesen