Strategien zur Bekämpfung von Ebola? - Umfassende Entwicklung benötigt!

 
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PERSPEKTIVE | FES SENEGAL

Strategien zur Bekämpfung von Ebola?
                              Umfassende Entwicklung benötigt!

                                                                  ANNETTE LOHMANN
                                                                        Oktober 2014

      n Die Ebola-Krise zeigt strukturelle Entwicklungsdefizite auf, die weit über eine Ge-
        sundheitskrise hinausgehen: Aus einer Gesundheitskrise droht eine Nahrungsmittel-
        krise bzw. eine ökonomische und soziale Krise zu werden. All dies zeigt: Infektions-
        krankheiten sind unabdingbar mit grundsätzlichen Fragen von politischer, sozialer
        und ökonomischer Entwicklung und funktionierender Staatlichkeit verbunden. Nicht
        Ebola ist das zentrale Problem, sondern die Entwicklungsdefizite, die die Krankheit
        brutal offenlegt und die wiederum die Auswirkungen von Ebola massiv verstärken.

      n Entwicklungsländer und internationale (Geber-)gemeinschaft müssen frühzeitig und
        entschlossen strukturelle Probleme bekämpfen. Erst wenn es gelingt, nachhaltige,
        inklusive Gesundheitsversorgungsysteme zu etablieren, die zumindest eine
        Basisabsicherung für alle anbieten, der Staat eine fürsorgende Rolle einnimmt und
        ein angemessenes Wirtschaftswachstum erzielt, das sozial gerecht und nachhaltig
        verteilt wird, können Schocks wie der durch das Auftreten von Ebola in Westafrika
        deutlich abgemindert werden – und werden weniger zu einer globalen Bedrohung.

      n Eine Fokussierung auf einige wenige (eher entwickelte) Länder Subsahara Afrikas
        greift zu kurz und verkennt die Notwendigkeit, dass Entwicklung auch in internati-
        onal weniger beachteten Ländern im unmittelbaren Interesse der Weltgemeinschaft
        liegt.
ANNETTE LOHMANN | STRATEGIEN ZUR BEKÄMPFUNG VON EBOLA

                                                               Ebenso wenig rechtfertigen die Übertragungswege
   Ebola oder das Ebolafieber ist eine Viruserkran-            eine panische Reaktion. So wird Ebola bisher nicht – an-
   kung. Sie befällt sowohl Primaten als auch Men-             ders als beispielsweise die Vogelgrippe – über die Luft
   schen. Erstmalig trat die Krankheit Mitte der               übertragen, sondern durch den Austausch von (gerings-
   1970er Jahre in der heutigen Demokratischen                 ten Mengen) an Körperflüssigkeiten (oder den Verzehr
   Republik Kongo und im Sudan in Erscheinung.                 von infiziertem Wildfleisch). In Conakry, Guinea, haben
   Sie ist benannt nach dem kongolesischen Fluss               sich in letzter Zeit deshalb überwiegend Ärzte bzw.
   Ebola. Übertragen wird der Virus über Körper-               Krankenhausmitarbeiter_innen angesteckt. Sie sind be-
   flüssigkeiten, die Inkubationszeit beträgt bis zu           sonders von mangelnder Ausstattung der Krankenhäu-
   21 Tage. Bislang gibt es keine zugelassenen Me-             ser und Überarbeitung, die in Nachlässigkeit resultiert,
   dikamente zur Behandlung oder Impfungen zur                 betroffen. Darüber hinaus sind sie oft mit erkrankten
   Prophylaxe. In vielen Ansteckungsfällen verläuft            Familienangehörigen konfrontiert, die Angst vor einer
   die Krankheit tödlich.                                      Behandlung durch einen Arzt in Schutzkleidung haben.

                                                               Um nicht missverstanden zu werden: Die aktuelle Ebola-
Ebola beherrscht in diesen Tagen die Medien. In Euro-          Krise in Westafrika hat eine bisher nicht gekannte Di-
pa und in den USA fürchtet man sich vor einer globa-           mension erreicht und stürzt die betroffenen Länder in
len Ausbreitung der Infektionskrankheit – nun werden           eine tiefe Krise. Schon werden apokalyptische Hoch-
das amerikanische Militär und die Bundeswehr beim              rechnungen angestellt, die zeigen, dass die jetzt bereits
Aufbau von Kranken- bzw. Quarantänestationen sowie             dramatische Situation sich noch um ein Vielfaches ver-
beim Schutz internationaler Helfer in den betroffenen          schlimmern kann. Jedoch zeigt die Ebola-Krise vor allem
Ländern Westafrikas helfen. In ganz Afrika werden aus          strukturelle Entwicklungsdefizite auf, die weit über eine
Angst Grenzen geschlossen, auch in nicht betroffenen           Gesundheitskrise hinausgehen.
Ländern laufen Aufklärungskampagnen und insgesamt
werden Reise-, Wirtschafts- und Konferenzaktivitäten           Nach Bekanntwerden des Ausbruchs von Ebola in Gui-
massiv zurückgefahren.                                         nea Ende März 2014 (der tatsächliche Ausbruch erfolgte
                                                               bereits Ende 2013) und einem scheinbaren Abklingen
Ohne Tote gegeneinander aufzurechnen oder etwas                in den folgenden Monaten, sahen die Regierungen von
relativieren zu wollen: Mit der derzeitigen rein zahlen-       Guinea, Liberia und Sierra Leone sowie die internatio-
mäßigen Verbreitung von Ebola sind diese drastischen           nale Gemeinschaft keinen Anlass für ein konsequen-
Maßnahmen nicht zu erklären. Bis Ende September 2014           tes, schnelles Handeln und unterschätzten die Lage
gab es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 6 574            dramatisch. Mangelnde Kapazitäten seitens der WHO,
Fälle und 3 091 Tote in Westafrika. Zum Vergleich: 2012        die durch Kürzungen der internationalen Gemeinschaft
starben 1,6 Millionen Menschen weltweit an AIDS, rund          geschwächt ist, sowie der betroffenen Länder, die zu
2,3 Millionen Menschen infizierten sich neu. Im gleichen       den ärmsten weltweit zählen und nur über unzurei-
Jahr starben laut WHO 627 000 Menschen an Malaria,             chende Gesundheitssysteme verfügen, verhinderten
der überwiegende Teil von ihnen in Afrika. Ebenfalls           eine schnelle, effektive und effiziente Eindämmung. So
2012 starben an Tuberkulose laut WHO 1,3 Millionen             traf die zweite Welle an Infektionen die Verantwortli-
Menschen weltweit. Während die Welt angstvoll auf die          chen unvorbereitet. Das Virus konnte sich aufgrund des
Ausbreitung von Ebola in Westafrika schaut, erlebt die         Reiseverkehrs zudem auf weitere Länder in Westafrika
Hauptstadt Ghanas zeitgleich einen massiven Ausbruch           ausdehnen: Über die nigerianische Stadt Lagos wurde
von Cholera mit 6 000 Infizierten und 200 Toten bis An-        Ebola im Juli 2014 in das bevölkerungsreichste Land Afri-
fang September 2014 – bei einer katastrophalen Versor-         kas eingeschleppt, dort sind bis Anfang September 2014
gung in den Krankenhäusern. Auch in Kamerun gibt es            rund 21 Fälle und sieben Tote bestätigt worden. Eine
gegenwärtig stark ansteigende Zahlen von Cholera und           weitere Verbreitung scheint inzwischen aufgehalten.
Tuberkulose Erkrankten – ohne dass darüber internati-
onal berichtet wird oder Krisenunterstützungsmaßnah-           Im Senegal gab es Ende August 2014 den ersten und
men anlaufen.                                                  bislang einzigen Ebola-Fall. Es handelte sich um einen

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illegal aus Guinea eingereisten Studenten. Berichte über          den, weil viele Menschen, darunter auch Bauern, unter
Versuche von illegalen Grenzübertritten aufgrund der              Quarantäne gestellt wurden und Straßensperren errich-
vergleichsweise guten medizinischen Behandlungsmög-               tet wurden; Händler verlassen die betroffenen Gebiete
lichkeiten in Dakar mehren sich. Bereits jetzt macht sich         und der (interregionale) Handel leidet. Dies trifft insbe-
ein deutlicher Rückgang im Tourismussektor und im re-             sondere den »kleinen Grenzhandel«, also überwiegend
gionalen und internationalen Konferenzbetrieb, der für            informell getätigte Geschäfte, die für Hundertausende
den Standort Dakar enorm wichtig ist, bemerkbar.                  Menschen eine zentrale ökonomische Basis darstellen.

In der Demokratischen Republik Kongo kam es Ende Au-              Zudem werden nun auch düstere Prognosen für die
gust zu einem (erneuten) Ebola-Ausbruch, allerdings ist           weitere wirtschaftliche Entwicklung bekannt. So wird
hier ein anderer Stamm des Virus verantwortlich. Bis Mit-         die Wachstumsprognose für Liberia laut UN und Inter-
te September 2014 wurden 71 Fälle bestätigt, 40 davon             nationalem Währungsfonds (IWF) von 5,9 auf 2,9 Pro-
verliefen tödlich. Mittlerweile gibt es jedoch Anzeichen          zent nach unten korrigiert, für Guinea laut Weltbank
für eine erfolgreiche Verhinderung einer Weiterverbrei-           und IWF um ein Prozent von 4,5 auf 3,5. Dies mag noch
tung weil sich die Fälle besser als in Westafrika isolieren       immer nach einem guten Wirtschaftswachstum aus-
lassen und die Regierung mit der Infektionskrankheit be-          sehen, jedoch täuscht der erste Blick. Die vermeintlich
reits vertraut ist.                                               hohen Wachstumsraten in Subsahara-Afrika von oft
                                                                  fünf Prozent und mehr werden von einem anhaltenden
Andernorts ist die Lage inzwischen teilweise dramatisch.          Bevölkerungswachstum meistens neutralisiert – für eine
In Liberia wird dies an der Überforderung des Gesund-             wirkliche ökonomische Entwicklung wären höhere Ra-
heitssystems besonders deutlich. Vor dem Ausbruch                 ten, die nicht auf dem Export von Rohstoffen basieren,
kam bei einer Bevölkerung von 4,4 Millionen Menschen              erforderlich. Eine Industrialisierung Westafrikas mit der
auf 100 000 Einwohner ein einziger Arzt. Dieses Ver-              Schaffung von Wertschöpfungsketten, um der Anfäl-
hältnis hat sich laut UN aufgrund der Ansteckung des              ligkeit von Preisschwankungen von Rohstoffen auf dem
medizinischen Personals deutlich verschlechtert.                  Weltmarkt zu entgehen, hat bislang nicht stattgefun-
                                                                  den. In Guinea, Liberia und Sierra Leone droht die Ebola-
Die Defizite in der öffentlichen Gesundheitsversorgung            Epidemie zudem Haushaltslöcher von jeweils bis zu 130
werden nicht nur an der Überforderung durch den Um-               Millionen US-Dollar (ca. 101 Millionen Euro) zu reißen.
gang mit Ebola deutlich, sondern auch am Beispiel der
Sekundäreffekte. Menschen, die an anderen Krankhei-
ten als Ebola leiden, können aufgrund der Überlastung             Das eigentliche Problem: Entwicklungsdefizite
der Infrastruktur oft keine Behandlung mehr erhalten
bzw. suchen aus Angst vor Ansteckung keine Kranken-               Es droht die Gefahr, dass aus einer Gesundheitskrise
häuser mehr auf. Somit kann bereits eine einfache Ma-             eine Nahrungsmittelkrise bzw. eine ökonomische und
laria-Erkrankung, die gegenwärtig aufgrund der Regen-             soziale Krise erwachsen. All dies zeigt: Infektionskrank-
zeit häufig ist und die unter normalen Umständen relativ          heiten sind unabdingbar mit grundsätzlichen Fragen von
problemlos zu behandeln wäre, jetzt lebensgefährlich              politischer, sozialer und ökonomischer Entwicklung und
werden.                                                           funktionierender Staatlichkeit verbunden. Nicht Ebola ist
                                                                  das zentrale Problem, sondern die Entwicklungsdefizite,
Die Ebola-Krise verschlechtert auch die allgemeine Ver-           die die Krankheit brutal offenlegt und die wiederum die
sorgungslage – auch hier ist Liberia bereits jetzt beson-         Auswirkungen von Ebola massiv verstärken. Benötigt
ders hart von Preissteigerungen für Grundnahrungs-                wird – über die dringend erforderliche massive Hilfe zur
mittel betroffen. Langfristig werden nach Ansicht von             Bekämpfung von Ebola hinaus – eine langfristige und
Experten die Menschen in allen von Ebola betroffenen              stärkere Entwicklungskooperation.
Ländern auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein. Die
Landwirtschaft in Liberia, Sierra Leone und Guinea leide          Ein zentrales Entwicklungsdefizit, das nun offen zutage
enorm, warnte die UN-Organisation für Ernährung und               tritt, sind die maroden öffentlichen Gesundheitswesen,
Landwirtschaft (FAO). Felder können nicht bestellt wer-           die oft chronisch unterfinanziert sind. Laut der Welt-

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bank lagen die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit 2012            Faso haben mittlerweile begonnen, die Idee des SPF
zwischen 32 US-Dollar in Guinea und 96 US-Dollar in             umzusetzen. Dieser Ansatz bietet die Möglichkeit einer
Sierra Leone. Zum Vergleich: Im selben Jahr betrugen            ökonomischen und sozialen Stabilisierung und Entwick-
die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Deutschland             lung und sollte weiterverfolgt und international unter-
4 683 US-Dollar. Die Gesundheitswesen in vielen Län-            stützt werden.
dern des globalen Südens können oft nur durch Subven-
tionen internationaler Geber aufrechterhalten werden.           Die Prävention einer Krise wie der jetzigen, bzw. ein
Öffentliche Gesundheit wird somit zum Spiegelbild des           entsprechendes Krisenmanagement, benötigen ein Min-
Entwicklungsstandes eines Landes.                               destmaß an funktionierender Staatlichkeit. So zeugen
                                                                die vordergründig konsequenten Grenzschließungen
Hinzu kommt, dass es zwar staatliche Sozialversiche-            eher von einer Hilf- und Ratlosigkeit der Regierungen
rungssysteme einschließlich Krankenversicherungen               als von einer überzeugenden, adäquaten Strategie.
gibt. Jedoch haben meistens nur formell Beschäftigte            Gleichzeitig sind die vermeintlich geschlossenen Lan-
Zugang zu diesen häufig bestenfalls rudimentär ent-             desgrenzen porös und werden nicht ausreichend kon-
wickelten Systemen. Der überwiegende Teil der in                trolliert – die Absicht der Abschottung wird durch vie-
Subsahara-Afrika Beschäftigten ist jedoch informell be-         le illegale Grenzübertritte konterkariert. Auch können
schäftigt und bleibt somit auf sich selbst bzw. traditio-       sich die Ökonomien vieler Länder Grenzschließungen
nelle Familiennetzwerke gestellt. Selbst minderschwere          wirtschaftlich nicht leisten. Eine wirtschaftliche
Krankheiten können ganze Familien massiv bedrohen. Es           Robustheit gegen externe Schocks wie die Ebola-Krise
mangelt an solidarisch finanzierten, nationalen Gesund-         fehlt – und lässt keine starke Staatlichkeit entstehen.
heitswesen, die zumindest eine grundsätzliche Absiche-
rung aller – unabhängig von der Art ihrer Beschäftigung         Funktionierende Staatlichkeit geht jedoch noch weiter:
– garantieren. Dabei wird deutlich, dass Gesundheit             Erst wenn der Staat in der Lage ist, ausreichend öffent-
mittlerweile zu einem globalen öffentlichen Gut gewor-          liche Güter bereitzustellen – und von der Bevölkerung
den ist, das langfristiges und nachhaltiges Engagement          mit dieser Bereitstellung auch assoziiert wird –, können
sowohl der internationalen Gemeinschaft als auch der            die Bürger_innen Vertrauen entwickeln und ein Min-
Regierungen der einzelnen Länder benötigt. So forder-           destmaß an kollektivem, solidarischem Gemeinsinn
te der US-amerikanische Ökonom und Sonderberater                kann entstehen. Häufig fungieren traditionelle großfa-
der Millennium Development Goals, Jeffrey D. Sachs,             miliäre Strukturen als Substitute. Gegenwärtig verlieren
kürzlich zu Recht, »eine gesundheitliche Grundversor-           die Regierungen der Länder jedoch an Vertrauen in der
gung in jedem Slum und in jeder ländlichen Gemeinde             Bevölkerung, da die Überforderung des Staates deutlich
einzurichten«, um eine flächendeckende Gesundheits-             zutage tritt. Dies ist besonders problematisch, da in den
versorgung zu erzielen und somit den ärmsten Ländern            hauptsächlich betroffenen Ländern ein Rückfall in alte
zu helfen (Eine Antwort auf Ebola – was ist zu tun, um          Konflikte droht.
weltweite Epidemien in den Griff zu bekommen? http://
www.ipg-journal.de/kommentar/artikel/eine-antwort-              Und schließlich: Länder wie Guinea, Liberia und Sierra
auf-ebola-544/).                                                Leone sind arm und kämpfen mit vielen Herausforderun-
                                                                gen. Dennoch werden aufgrund von Missmanagement
Die Social Protection Floor-Initiative (SPF) der Interna-       und endemischer Korruption häufig Ressourcen in Staat
tionalen Arbeitsorganisation ILO aus dem Jahr 2009              und Gesellschaft verschwendet und vorhandene Poten-
schlägt erstmalig soziale Grundsicherungsmaßnahmen              ziale nicht ausgeschöpft.
aller Bürger_innen auch in armen Ländern vor und trägt
damit dem Ausschluss vieler Menschen aus sozialen Ab-           Um den genannten Entwicklungsdefiziten angemessen
sicherungsmechanismen Rechnung. Damit wird aner-                begegnen zu können, ist ein entsprechendes wirtschaft-
kannt, dass ein Mindestmaß an sozialer Sicherung eine           liches Wachstum zu erzielen. Trotz positiver Trends bei
grundlegende Voraussetzung für Wachstum, Beschäfti-             der wirtschaftlichen Entwicklung vieler Staaten Subsaha-
gung und damit Entwicklung ist. Einige Schwellen- und           ra-Afrikas erfüllt sich die Hoffnung, dass dies auch zu ei-
Entwicklungsländer wie Brasilien, Thailand und Burkina          ner allgemeinen Verbesserung der Lebensumstände der

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Mehrheit der Menschen führt, nur selten. Ein (schein-            Entwicklung auch im internationalen Interesse
bar) hohes Wirtschaftswachstum führt häufig nicht zu
spürbaren wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen            Guinea, Liberia und Sierra Leone gehören zu den
bzw. verpufft ohne Wirkung (»jobless growth«), und               ärmsten und unterentwickeltsten Ländern weltweit.
dies lässt Zweifel an dem Narrativ des »Africa rising«           Lange Zeit stellten sie trotzdem für die internationale
bzw. der »Lions on the Move« aufkommen. Fehlende                 Entwicklungszusammenarbeit keine Priorität dar. Im
Umverteilung sowie fehlende Mechanismen der sozialen             Zuge der Ebola-Krise erfahren sie eine sehr große inter-
Absicherung – gerade für den großen informellen Sektor           nationale Aufmerksamkeit, die doch (zu) spät kommt
– führen zu hohen sozialen Risiken und Unwägbarkei-              und womöglich (noch) nicht ausreicht. Zur Verhinde-
ten für einen großen Teil der Bevölkerung. Ein Minimum           rung der Wiederholung eines solchen Szenarios müs-
an gesellschaftlicher Teilhabe ist für einen Großteil der        sen Entwicklungsländer und die internationale (Geber-)
Gesellschaft genauso wenig möglich wie eine politische           gemeinschaft frühzeitig und entschlossen strukturelle
Partizipation. Der Ausschluss der Bevölkerungsmehrheit           Probleme bekämpfen. Erst wenn es gelingt, nachhaltige,
vom gesellschaftlichen Fortschritt verhindert die Nach-          inklusive Gesundheitsversorgungsysteme zu etablieren,
haltigkeit politischer Transformationsprozesse. Demo-            die zumindest eine Basisabsicherung für alle anbieten,
kratie muss auch in dieser Hinsicht »liefern« und eine           der Staat eine fürsorgende Rolle einnimmt und ein an-
gerechte Teilhabe gewährleisten. Andernfalls werden              gemessenes Wirtschaftswachstum erzielt, das sozial ge-
politische Fortschritte immer labil und anfällig für Rück-       recht und nachhaltig verteilt wird, können Schocks wie
schritte bleiben.                                                der durch das Auftreten von Ebola in Westafrika deutlich
                                                                 abgemindert werden – und werden weniger zu einer
Und schließlich gilt es, dem mangelnden Bildungsstand            globalen Bedrohung. Eine politische Fokussierung auf
in Teilen der Bevölkerungen mit einer sensiblen Aufklä-          einige wenige (eher entwickelte) Länder Subsahara-Afri-
rungs- und Bildungsarbeit zu begegnen. Die Menschen              kas, wie von manchen Beobachtern oder politischen Ak-
in Westafrika sind erstmalig mit dem Ebola-Virus kon-            teuren vorgeschlagen, greift hier zu kurz und verkennt
frontiert und massiv verunsichert. Gleichzeitig befördern        die Notwendigkeit, dass Entwicklung auch in interna-
traditionelle Rituale (wie zum Beispiel bei Begräbnissen)        tional weniger beachteten Ländern im unmittelbaren
die Weiterverbreitung. Die (Überzeugungs-)Arbeit, die            Interesse der Weltgemeinschaft liegt. Neben den kurz-
die Helfer gegenwärtig teilweise unter Einsatz ihres Le-         fristigen Krisenmaßnahmen zur Bekämpfung von Ebo-
bens leisten, verdient große Anerkennung. Darüber hin-           la gilt es zudem, auch weiterhin Krankheiten wie AIDS,
aus müssen jedoch Grundlagen der Aufklärung zu Fra-              Malaria und Tuberkulose entschlossen zu bekämpfen
gen von Gesundheit und Hygiene für die Zeit nach der             bzw. in Prävention und Impfstoffe zu investieren. Ge-
Krise gelegt werden.                                             sundheitliche Versorgung ist als einem öffentlichen Gut
                                                                 eine Priorität einzuräumen – gepaart mit politischen,
                                                                 sozialen und wirtschaftlichen Reformen. Die Ebola-Krise
                                                                 in Westafrika bietet die Chance, mit einer umfassenden
                                                                 und nachhaltigen Politik langfristig zu einer Stabilisie-
                                                                 rung der Region beizutragen.

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Über die Autorin                                                   Impressum

Annette Lohmann leitet das Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung       Friedrich-Ebert-Stiftung | Referat Afrika
in Dakar, Senegal. Zuvor war sie die Leiterin der FES in Bamako,   Hiroshimastr. 17 | 10785 Berlin | Deutschland
Mali. Sie hat von 2007 bis 2010 im Nahostreferat der FES in Ber-
lin gearbeitet. Von 2005 bis 2007 war sie Vertreterin der FES      Verantwortlich:
in der Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt).       Manfred Öhm, Leiter des Referats Afrika

                                                                   Tel.: +49-30-26935-7440 | Fax: +49-30-26935-9217
                                                                   http://www.fes.de/afrika

                                                                   Bestellungen:
                                                                   caroline.lemmer@fes.de

                                                                   Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES)
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Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Ansichten                                             ISBN 978-3-86498-971-1
sind nicht notwendigerweise die der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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