Erwerb des Schweizer Bürgerrechts - Demos 2/2020 - Bundesamt für Statistik
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01 Bevölkerung Neuchâtel, Dezember 2020 Demos 2/2020 Erwerb des Schweizer Bürgerrechts Vorwort Die Einbürgerung beeinflusst die demografische Entwicklung, Wie steht es mit dem Kontakt zu nahen Verwandten im Aus- denn sie wirkt sich auf die Nationalitätenstruktur der Wohn- land ? Schwächt oder stärkt der Erwerb des Schweizer Bürger- bevölkerung der Schweiz aus. Da eingebürgerte Personen alle rechts die transnationalen Beziehungen? staatsbürgerlichen Rechte erhalten und die Gesellschaft so aktiv mitgestalten können, trägt sie zudem massgeblich zur Integration Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre ! bei. Demos 2/2020 befasst sich genauer mit dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts und beleuchtet dabei verschiedene Fabienne Rausa, BFS Aspekte. Die Schweiz hat ein komplexes Einbürgerungssystem. Ob sich eine Person für den Schweizer Pass eignet, wird in einem Verfah- Übersicht : ren geprüft, in das alle drei Staatsebenen (Gemeinde, Kanton und 1. Welche Ausländerinnen und Ausländer erfüllen die Vor- Bund) involviert sind. Es gibt verschiedene Einbürgerungsarten, aussetzungen für eine Einbürgerung ? bei denen die Gesuchstellenden jeweils bestimmte Voraussetzun- 2. Erwerb des Schweizer Bürgerrechts : gen erfüllen müssen. Welche sind das genau ? Und lässt sich ein Entwicklung und Überblick Profil der Bewerberinnen und Bewerber erstellen? 3. Transnationale Praktiken der Personen mit Migrations- Auch wenn die Zahl der Einbürgerungen insgesamt steigt, hintergrund : Verbindung mit dem Herkunftsland und erwirbt nur eine kleine Anzahl der Personen, die die Wohnsitz- Rolle der Staatsangehörigkeit erfordernisse grundsätzlich erfüllen würden, das Schweizer Bür- gerrecht. Wie häufig ist dieses Ereignis und wie entwickelt sich Weiterführende Informationen diese Zahl im Zeitverlauf ? Die Einbürgerung kann sowohl als Ausdruck einer Zugehörig- keit zu einem Staat als auch als Ausdruck einer Änderung des Rechtsstatus verstanden werden. Besteht diesbezüglich ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb des Schweizer Passes und den Beziehungen zum Herkunftsland ? Espace de l’Europe 10 CH-2010 Neuchâtel www.statistik.ch
BFS AKTUELL Welche Ausländerinnen und Ausländer erfüllen für eine Gesamtaufenthaltsdauer von mindestens zwölf Mona- die Voraussetzungen für eine Einbürgerung? ten (Ausweise B/C/L/F/N2 oder EDA-Ausweis, d.h. internationale Funktionär/innen, Diplomat/innen und deren Familienangehörige). Die Einbürgerung eröffnet viele Möglichkeiten der aktiven po- Das Konzept der ständigen Wohnbevölkerung wird in der Statistik litischen Beteiligung. Erst mit der Einbürgerung erfolgt eine der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) verwendet. formale rechtliche Gleichstellung mit Schweizer Staatsbür- 2018 lebten in der Schweiz mehr als 2 Millionen Ausländerin- gerinnen und -bürgern, einschliesslich direkter und indirekter nen und Ausländer. Sie machten 25% der ständigen Wohnbevöl- Formen demokratischer Mitbestimmung. Somit ist die Einbür- kerung aus. 81% der ausländischen Staatsangehörigen wurden gerung Ausdruck einer gelungenen staatsbürgerlichen Integra- im Ausland geboren und gehören somit zur ersten Generation, tion. Wer eingebürgert ist, verfügt über alle staatsbürgerlichen das übrige Fünftel wurde in der Schweiz geboren und zählt zur Rechte und politischen Partizipationsmöglichkeiten. zweiten Generation. Der Ausländeranteil ist das Ergebnis mehrerer Einwanderungswellen, einer restriktiven Einbürgerungspolitik so- Die Einbürgerung zeugt von Integrationsbereitschaft, da sie eine wie einer hohen Geburten- und einer tiefen Sterbeziffer bei der aus- gewisse Identifikation und Verbundenheit mit dem Aufnahmeland ländischen Bevölkerung. Letztere lässt sich hauptsächlich durch voraussetzt. Sie widerspiegelt aber auch die Einbürgerungspraxis Einbürgerungen und die Rückkehr ins Herkunftsland erklären. des Aufnahmelandes. Obwohl das Recht auf eine Staatsange- Die meisten im Ausland geborenen Personen mit auslän- hörigkeit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte discher Staatsbürgerschaft und ständigem Wohnsitz in der und in mehreren Menschenrechtsabkommen festgeschrieben Schweiz stammen aus Europa (EU28/EFTA). 2018 bildeten sie ist, gilt die Staatsbürgerschaft in vielen Ländern noch immer mit 1 415 900 Personen bzw. 66% aller im Ausland geborenen als Privileg, das durch Geburt oder Einbürgerung erlangt wird Ausländerinnen und Ausländer ab 15 Jahren die grösste aus- (von Rütte, 2020). Die Schweiz kennt keine automatische Einbür- ländische Gemeinschaft. Die übrigen 730 000 ausländischen gerung. Wer sich um den Schweizer Pass bemüht, muss zahl- Staatsbürgerinnen und Staatsbürger stammen aus : reiche Voraussetzungen erfüllen und viele Hürden überwinden – anderen europäischen Staaten ausserhalb der EU28/EFTA : (siehe Kasten zum Bundesgesetz über das Schweizer Bürger- 370 000 Personen (17%) recht). Das dreistufige Einbürgerungsverfahren (Bund, Kanton, – anderen Staaten: 356 000 Personen (20%) Gemeinde) gestaltet sich komplex und lässt den Behörden viel – 2400 Personen (0,1%) können keinem Land zugeordnet werden. Spielraum (Kristol, 2019). In diesem Artikel wird zunächst die Zusammensetzung der ständigen ausländischen Wohnbevölkerung der Schweiz Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes (BüG) präsentiert. Anschliessend werden die verschiedenen Einbürge- und Einbürgerungsarten rungsarten sowie die seit 1953 erfolgten Änderungen des Bürger- rechtsgesetzes beschrieben. Zum Schluss liefert der Artikel Im Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht sind der Erwerb Kennzahlen zu den Ausländerinnen und Ausländern, die die Vor- und der Verlust des Schweizer Bürgerrechts geregelt.3 aussetzungen für eine Einbürgerung erfüllen. Der Zusammenhang zwischen dem Bürgerrechtsgesetz und der Anzahl Einbürgerungen ist zwar offensichtlich, lässt sich aber nicht präzis messen. Die verschiedenen Gesetzesrevisionen wirken Erwerb des Schweizer Bürgerrechts sich einerseits auf den Bestand der einbürgerungsberechtigten In der Schweiz gilt das ius sanguinis oder Abstammungs- Personen und andererseits auf die Zahl der von diesen einbürge- prinzip, d.h. Kinder von Schweizerinnen und Schweizern rungsberechtigten Personen gestellten Einbürgerungsgesuche aus erhalten die Schweizer Staatsangehörigkeit mit der Geburt, und haben daher Einfluss auf die Einbürgerungsziffer. Vor allem unabhängig von ihrem Geburtsort. Sie kann aber auch spä- aber können sie den zeitlichen Verlauf von Einbürgerungen beein- ter durch die ordentliche oder die erleichterte Einbürgerung flussen (Wanner & D’Amato, 2003). oder durch Adoption erworben werden (siehe Kasten zum Das Bürgerrechtsgesetz wurde seit seiner Einführung mehrfach Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht). revidiert. Hier die wichtigsten Änderungen (Wanner & Steiner, 2012): 1876: Alle Personen mit festem Wohnsitz in der Schweiz können sich einbürgern lassen, es wird keine Mindestaufenthaltsdauer vorausgesetzt. Wer gehört zur ständigen ausländischen 1903: Für die Einreichung eines Einbürgerungsgesuchs wird eine Wohnbevölkerung der Schweiz? Aufenthaltsdauer von mindestens zwei Jahren eingeführt. 1920: Gesuchstellende müssen mindestens sechs Jahre mit ei- Gemäss Definition umfasst die ständige ausländische Wohnbe- ner gültigen Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung in der völkerung alle in der Schweiz lebenden Personen ohne Schweizer Schweiz gelebt haben. In der Schweiz geborene Ausländerinnen Pass. Dazu gehören alle ausländischen Staatsangehörigen mit und Ausländer, die bis zum vollendeten 20. Lebensjahr mindes- einer Aufenthaltsbewilligung1 für mindestens zwölf Monate oder tens zehn Jahre in der Schweiz gelebt haben, werden eingebürgert, 1 Wer während seines Aufenthaltes in der Schweiz arbeitet oder sich länger als 2 Im Asylbereich gibt es insbesondere den F-Ausweis für vorläufig aufgenom- drei Monate in der Schweiz aufhält, benötigt eine Bewilligung. Diese wird von mene Personen und den N-Ausweis für Asylsuchende. den kantonalen Migrationsämtern erteilt. Es wird unterschieden zwischen SEM: www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/aufenthalt/nicht_eu_efta.html). Kurzaufenthalts- (weniger als ein Jahr, Ausweis L), Aufenthalts- (befristet, Ausweis B) und Niederlassungsbewilligung (unbefristet, Ausweis C) 3 SR 141.0 Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht : www.admin.ch/opc/ (SEM : www.sem.admin.ch/sem/de/home/themen/aufenthalt.html). de/classified-compilation/20092990/index.html 2
BFS AKTUELL sofern sie in den fünf Jahren vor Gesuchseinreichung mindestens 5 Auszug aus dem Bundesgesetz über das Schweizer während drei Jahren, davon zwei Jahre ununterbrochen, in der Bürgerrecht vom 20. Juni 2014 (Stand : 9. Juli 2019), Schweiz gewohnt haben. SR 141.05 1952: Das Gesetz über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürger- rechts (Bürgerrechtsgesetz BüG) wird eingeführt. Es unterschei- Art. 9 Formelle Voraussetzungen (ordentliche Einbürgerung) det drei Einbürgerungsarten: die ordentliche und die erleichterte 1. Der Bund erteilt die Einbürgerungsbewilligung nur, wenn Einbürgerung sowie die Wiedereinbürgerung. Erstere schreibt eine die Bewerberin oder der Bewerber : Aufenthaltsdauer von mindestens zwölf Jahren vor, davon drei a. bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung Jahre in den letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs. Die besitzt ; und zwischen dem vollendeten 10. und 20. Altersjahr in der Schweiz b. bei der Gesuchstellung einen Aufenthalt von insgesamt verbrachte Zeit zählt für die Berechnung der Aufenthaltsdauer dop- zehn Jahren in der Schweiz nachweist, wovon drei in den pelt. Ausserdem wird ein Eignungstest eingeführt. Die erleichterte letzten fünf Jahren vor Einreichung des Gesuchs. Einbürgerung hingegen gilt für Kinder von Schweizer Müttern, die 2. Für die Berechnung der Aufenthaltsdauer nach Absatz 1 ihr Bürgerrecht bei der Heirat verloren haben. Die Wiedereinbürge- Buchstabe b wird die Zeit, während welcher die Bewerbe- rung betrifft Frauen, die ihr Schweizer Bürgerrecht durch die Heirat rin oder der Bewerber zwischen dem vollendeten 8. und mit einem Ausländer verloren haben. Ausländerinnen erhalten bei 18. Lebensjahr in der Schweiz gelebt hat, doppelt gerech- der Heirat mit einem Schweizer automatisch den Schweizer Pass. net. Der tatsächliche Aufenthalt hat jedoch mindestens 1978: Die Schweizer Staatsangehörigkeit wird von der Mutter an sechs Jahre zu betragen. die Kinder weitergegeben, wenn die Eltern zum Zeitpunkt der Ge- burt des Kindes in der Schweiz wohnen. Art. 10 Voraussetzungen bei eingetragener Partnerschaft 1985: Kinder von Schweizer Müttern erhalten die Schweizer Staats- (ordentliche Einbürgerung) bürgerschaft automatisch. Weder Geburtsort noch Wohnsitz in der 1. Ist die Bewerberin oder der Bewerber eine eingetragene Schweiz sind massgebend. Partnerschaft mit einer Schweizer Bürgerin oder einem 1992: Doppelbürgerschaften werden zugelassen. Der automati- Schweizer Bürger eingegangen, so muss sie oder er bei sche Erwerb des Schweizer Bürgerrechts durch Ausländerinnen der Gesuchstellung nachweisen, dass sie oder er : bei der Heirat mit einem Schweizer wird aufgehoben. Stattdessen a. sich insgesamt während fünf Jahren in der Schweiz wird die erleichterte Einbürgerung für Frauen und Männer, die eine aufgehalten hat, wovon ein Jahr unmittelbar vor der Ge- Schweizerin oder einen Schweizer heiraten, eingeführt. Die Rege- suchstellung; und lung, nach der Schweizerinnen, die einen Ausländer heiraten, die b. seit drei Jahren mit dieser Person in einer eingetragenen Schweizer Staatsbürgerschaft verlieren, wird abgeschafft. Partnerschaft lebt. 2006: Eine neue Verordnung über die Gebühren zum Bürgerrechts- gesetz wird eingeführt. Kinder von nicht verheirateten Eltern erhalten Art. 21 Ehefrau eines Schweizers oder Ehemann einer durch Abstammung die Schweizer Staatsbürgerschaft des Vaters. Schweizerin (erleichterte Einbürgerung) Seit 1. Januar 2018: Für die ordentliche Einbürgerung werden eine 1. Wer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, kann Wohnsitzdauer von zehn Jahren (und nicht mehr zwölf) und eine nach der Eheschliessung mit einer Schweizerin oder ei- Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) vorausgesetzt (nähere nem Schweizer ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung Informationen siehe Kasten). stellen, wenn sie oder er : Wie erwähnt kann das Schweizer Bürgerrecht gemäss den im a. seit drei Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit dem Ehe- Bürgerrechtsgesetz festgelegten Kriterien durch Abstammung, mann oder der Ehefrau lebt ; und Adoption4 oder Einbürgerung erlangt werden. Es werden zwei b. sich insgesamt fünf Jahre in der Schweiz aufgehalten hat, Einbürgerungsarten unterschieden: die ordentliche und die er- wovon ein Jahr unmittelbar vor Einreichung des Gesuchs. leichterte Einbürgerung. Die ordentliche Einbürgerung betrifft den überwiegenden Teil der ausländischen Staatsangehörigen sowie Art. 23 Staatenloses Kind (erleichterte Einbürgerung) der Ausländerinnen und Ausländer, die in einer eingetragenen Part- Ein minderjähriges staatenloses Kind kann ein Gesuch um nerschaft mit einer Schweizerin oder einem Schweizer leben. Wer erleichterte Einbürgerung stellen, wenn es einen Aufenthalt mit einer Schweizerin oder mit einem Schweizer verheiratet ist oder von insgesamt fünf Jahren in der Schweiz nachweist, wovon einen Schweizer Elternteil hat, kann unter bestimmten Vorausset- ein Jahr unmittelbar vor der Gesuchstellung. zungen ein Gesuch um erleichterte Einbürgerung stellen. Über eine erleichterte Einbürgerung entscheidet ausschliesslich der Bund. Art. 30 Einbezug der Kinder In die Einbürgerung werden in der Regel die minderjährigen Kinder der Bewerberin oder des Bewerbers einbezogen, wenn sie mit dieser oder diesem zusammenleben. 4 Wird ein minderjähriges ausländisches Kind von einer Person mit Schweizer Bürgerrecht adoptiert, so erwirbt es das Kantons- und Gemeindebürgerrecht 5 Es sind nur die Voraussetzungen aufgeführt, die in die Berechnung des BFS- der adoptierenden Person und damit das Schweizer Bürgerrecht (BüG, Art. 4 Integrationsindikators «Ausländerinnen und Ausländer, die die Einbürgerungs- Adoption : www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20092990/index.html#a4 bedingungen erfüllen» einfliessen. 3
BFS AKTUELL Einbürgerungsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer Die Einbürgerungsziffer entwickelt sich je nach Geburtsort unterschiedlich Welche Bedeutung hat der Geburtsort? Im Zeitraum von 2011 bis 2017 hat der Anteil aller Ausländerinnen Nicht jede Person ausländischer Staatsangehörigkeit, die zur und Ausländer, die die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die ständigen Wohnbevölkerung der Schweiz zählt, kann sich einbür- Einbürgerung erfüllen, leicht abgenommen (–1,5 Prozentpunkte). gern lassen. Wie erwähnt ist die Schweiz ein Land mit strengen Während der Anteil der im Ausland geborenen einbürgerungs- Einbürgerungsbedingungen. Seit dem 1. Januar 2018 müssen berechtigten Ausländerinnen und Ausländer zwischen 2011 und Ausländerinnen und Ausländer zwar nicht mehr zwölf, sondern 2017 zurückgegangen ist (–2,6 Prozentpunkte), ist derjenige der nur noch zehn Jahre in der Schweiz gewohnt haben, um einen in der Schweiz geborenen Personen ausländischer Staatsange- Einbürgerungsantrag zu stellen, sie können aber nur ein Gesuch hörigkeit im gleichen Zeitraum gestiegen (+3,6 Prozentpunkte). für eine ordentliche Einbürgerung einreichen, wenn sie über eine Zwischen 2017 und 2018 hat sich der Anteil der Ausländerin- Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) verfügen. nen und Ausländer, die die Wohnsitzerfordernisse des Bundes 55% der in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Aus- für die Einbürgerung erfüllen, um 1,7 Prozentpunkte erhöht (siehe länder erfüllten 2018 die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für Grafik G 2). Diese Zunahme ist auf die Anzahl der im Ausland ge- die Einbürgerung.6 Die in der Schweiz geborenen Ausländerinnen borenen einbürgerungsberechtigten Personen zurückzuführen und Ausländer wiesen einen um über 30 Prozentpunkte höheren (+2,5 Prozentpunkte). Umgekehrt hat sich der Anteil der in der Anteil auf als die im Ausland geborenen Ausländerinnen und Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer, die besagte Ausländer (80% gegenüber 49% ; vgl. Grafik G1). Voraussetzungen erfüllen, verringert (–1,5 Prozentpunkte). Wie es scheint, erfüllen seit der Inkraftsetzung des revidier- ten Bürgerrechtsgesetzes am 1. Januar 2018 mehr im Ausland Entwicklung der Anzahl Ausländer/innen, geborene Ausländerinnen und Ausländer die Einbürgerungsbe- die die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für dingungen. die Einbürgerung erfüllen, 2011–20181 Nach Geburtsort G1 Ausländer/innen, die die Wohnsitzerfordernisse 90% des Bundes für die Einbürgerung erfüllen, 2018 80% Nach Geburtsort G2 70% 60% 90% N= 322 388 50% 80% 70% 40% 60% N= 1 120 110 30% N= 797 722 50% 20% 40% 10% 30% 0% 20% 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 10% Total 0% in der Schweiz Geborene Total in der Schweiz im Ausland im Ausland Geborene Geburtsort 1 Änderung des Bürgerrechtgesetzes am 1. Januar 2018 Quelle: BFS – Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) © BFS 2020 Quelle: BFS – Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) © BFS 2020 6 Die Voraussetzungen des Bundes bezüglich der Eignung (z.B. Sprachkompe- tenzen oder wirtschaftliche und soziale Integration) werden bei der Berech- nung dieses Indikators nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht einbezogen werden die kantonalen und kommunalen Voraussetzungen für die ordentliche (jedoch nicht die erleichterte) Einbürgerung. Ihre Berücksichtigung wäre in diesem Fall kompliziert, da die Gemeinden und Kantone unterschiedliche Mindestwohn- sitzfristen vorschreiben können. 4
BFS AKTUELL Alter und Staatsangehörigkeit spielen Schlussfolgerungen eine wichtige Rolle Trotz mehrerer Gesetzesänderungen im vergangenen Jahrhun- Im Zeitraum von 2011 bis 2018 erfüllten mehr Männer als Frauen dert müssen für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts noch die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung immer zahlreiche Voraussetzungen erfüllt werden. So wurde die (Unterschied von 0,8 Prozentpunkten im Jahr 2018). Wird zusätz- Mindestaufenthaltsdauer zwar gesenkt, einige Kriterien wie der lich zum Geschlecht der Geburtsort berücksichtigt, variieren die Besitz einer Niederlassungsbewilligung für die ordentliche Ein- Ergebnisse stärker. In der Schweiz geborene Ausländer erfüllen bürgerung wurden hingegen verschärft. die Einbürgerungskriterien etwas häufiger als in der Schweiz Wie die Analyseergebnisse zeigen, weisen Personen, die die geborene Ausländerinnen (+2 Prozentpunkte). Werden die im Einbürgerungsbedingungen erfüllen, ein besonderes Profil auf. Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländer betrachtet, Sie sind mehrheitlich in der Schweiz geboren und Männer sind ist das Verhältnis umgekehrt (–0,1 Prozentpunkte). leicht übervertreten. Ausserdem steigt die Anzahl der einbürge- Im Beobachtungszeitraum erhöhte sich der Anteil der im Ausland rungsberechtigten Ausländerinnen und Ausländer mit dem Alter geborenen einbürgerungsberechtigten Ausländerinnen und Auslän- stark an. Personen aus europäischen Ländern ausserhalb der der mit zunehmendem Alter. Während 2018 nur 3% der im Ausland EU28/EFTA erfüllen die Einbürgerungskriterien zudem häufiger geborenen Ausländerinnen und Ausländer unter zehn Jahren die als Angehörige anderer Nationalitätengruppen. Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllten, waren es bei den Perso- nen ab 50 Jahren mehr als 75%. Bei den in der Schweiz geborenen Florence Bartosik, BFS Ausländerinnen und Ausländern sind diese Unterschiede weniger ausgeprägt (Personen unter 10 Jahren: 64%; Personen ab 50 Jahren: 95%). Demgegenüber zeigen sich bei den in der Schweiz geborenen Literatur Personen ausländischer Staatsangehörigkeit ab zehn Jahren in Bezug auf die Erfüllung der Einbürgerungskriterien nur geringfügige Kristol, Anne (2019): «Ist die Umsetzung des Einbürgerungsverfah- altersspezifische Unterschiede (Anteile zwischen 90% und 95%). rens diskriminierend?» Policy briefs «kurz und bündig #14», 1–4. Grund dafür ist die längere Anwesenheitsdauer in der Schweiz. In der Schweiz oder im Ausland geborene Staatsangehörige von Rütte, Barbara (2020): «Was bedeutet das Menschenrecht auf der europäischen Länder ausserhalb der EU28/EFTA erfüllen Staatsangehörigkeit für das Schweizer Bürgerrecht?», Policy briefs die Einbürgerungsvoraussetzungen des Bundes 1,2 bis 1,9-mal «kurz und bündig #15», 1–4. häufiger als Personen aus den EU28- und EFTA-Staaten und aus dem aussereuropäischen Raum. Bei den im Ausland geborenen Wanner, Philippe und Gianni D’Amato (2003): «Einbürgerungen in Ausländerinnen und Ausländern fallen die Unterschiede zwischen der Schweiz», Die Volkswirtschaft., 9, 56–60. den Personen aus europäischen Ländern ausserhalb der EU28/ EFTA und den anderen Nationalitätengruppen hingegen grösser Wanner, Philippe und Ilka Steiner (2012): «Einbürgerungslandschaft aus als bei den in der Schweiz geborenen. Diese Unterschiede sind Schweiz: Entwicklungen 1992–2010», Eidgenössische Kommission im Zeitverlauf relativ stabil. für Migrationsfragen EKM. Einbürgerungsberechtigte Personen sind räumlich ungleich verteilt Beim Anteil der in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer, die die Einbürgerungsvoraussetzungen des Bundes erfüllen, zeigen sich kantonale Unterschiede. Den tiefsten Anteil verzeichnete im Jahr 2018 Graubünden mit 9,6 Prozentpunkten weniger als der Schweizer Durchschnitt, die höchsten Anteile (über 85%) registrierten die Kantone Glarus, Solothurn, Basel-Land- schaft, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen, Aargau und Thurgau. Im Zeitraum von 2011 bis 2017 wies der Kanton Waadt diesbezüg- lich jedes Jahr den tiefsten Anteil aus. Die höchsten Werte waren in fast allen Jahren in den Kantonen Jura und Tessin auszumachen. Bei den im Ausland geborenen Ausländerinnen und Ausländern wies 2018 der Kanton Uri den tiefsten Anteil an einbürgerungsbe- rechtigten Personen auf (41%). Die höchsten Anteile waren in den Kantonen Solothurn, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen und Aargau zu beobachten (über 55%). Im Zeitraum 2011 bis 2017 notierte meist der Kanton Zug den kleinsten Anteil an im Ausland geborenen einbürgerungsberechtigten Personen. Umgekehrt verbuchte der Kanton Solothurn systematisch den höchsten Anteil. 5
BFS AKTUELL Erwerb des Schweizer Bürgerrechts: Die Bevölkerung mit Schweizer Staatsangehörigkeit ist seit Entwicklung und Überblick 1992 um durchschnittlich 0,5% pro Jahr gewachsen. Zurückzu- führen ist dieser Anstieg hauptsächlich auf Personen, die nicht Die Bevölkerung mit schweizerischer Staatsangehörigkeit nur die Einbürgerungsvoraussetzungen in Bezug auf Anwesen- wächst seit 1992 durchschnittlich um 0,5% pro Jahr, was in heitsdauer, Sprache, öffentliche Ordnung und Lebensgewohnhei- erster Linie auf Einbürgerungen zurückzuführen ist. Im vorlie- ten erfüllen, sondern auch den Schweizer Pass erwerben11. Ihre genden Artikel wird diese Entwicklung genauer betrachtet. Wie Anzahl ist von 11 100 im Jahr 1992 auf 42 500 im Jahr 2018 häufig sind Einbürgerungen und welche soziodemografischen angestiegen. Die Hälfte entfällt auf Personen, die vor ihrer Einbür- Merkmale zeichnen die Personen aus, die das Schweizer Bür- gerung die deutsche (6100), die italienische (5100), die kosovari- gerrecht erwerben? sche (3400), die portugiesische (3300) oder die französische (2900) Staatsbürgerschaft besassen. Dabei ist zu beachten, dass Die demografische Entwicklung der Bevölkerung mit Schweizer die Personen für den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts seit Staatsangehörigkeit wird von drei Komponenten beeinflusst : 1992 nicht mehr auf ihre frühere Staatsangehörigkeit verzichten dem Geburtenüberschuss7, dem Wanderungssaldo8 und dem Er- müssen12, da Doppelbürgerschaften oder mehrfache Staatsan- werb des Schweizer Bürgerrechts9 (siehe Grafik G 3). Der jährliche gehörigkeiten erlaubt sind. Geburtenüberschuss ist seit 1973 niedrig (< 10 000 Personen), Mit einem quantitativen Ansatz allein lässt sich die Entwick- in einigen Jahren fiel er sogar negativ aus10. Auch der Wande- lung der Einbürgerungen jedoch nicht abschliessend erklären. rungssaldo ist seit 1992 negativ, das heisst, es wandern mehr Wird die Zahl der Einbürgerungen in einem Kalenderjahr mit der Schweizerinnen und Schweizer aus als wieder ein. Würde die Zahl der Personen, die zu Beginn des gleichen Kalenderjahrs über Bevölkerung schweizerischer Nationalität nur von diesen beiden eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung verfügten, ins Komponenten bestimmt, würde sie zurückgehen und altern. Verhältnis gesetzt, ergibt sich trotz der schwankenden absoluten Zahlen eine niedrige rohe Einbürgerungsziffer13. Anhand dieser Entwicklungen der Bevölkerung Ziffer können verschiedene Gruppen (nach Geschlecht, Alter, mit Schweizer Staatsangehörigkeit Staatsangehörigkeit usw. differenziert) miteinander verglichen nach Komponenten, 1951–2018 G3 werden. Sie bildet daher auch den roten Faden dieser Analyse. 1992 lag die rohe Einbürgerungsziffer in der Schweiz bei knapp 50 000 1%, derzeit bewegt sie sich in einer Grössenordnung von 2% 40 000 (siehe Grafik G 4). 30 000 Erwerb des Schweizer Bürgerrechts 20 000 und rohe Einbürgerungsziffer, 1970–2018 G4 10 000 Bürgerrechtserwerb Rohe Einbürgerungsziffer 0 50 000 5,0% –10 000 45 000 –20 000 40 000 4,0% 1951 1956 1961 1966 1971 1976 1981 1986 1991 1996 2011 2018 2001 2006 35 000 Geburtenüberschuss Erwerb des Schweizer Bürgerrechts 30 000 3,0% Wanderungssaldo 25 000 Quellen: BFS – ESPOP, STATPOP © BFS 2020 20 000 2,0% 15 000 10 000 1,0% 5 000 0 0,0% 1970 1980 1990 2000 2010 2018 rohe Einbürgerungsziffer 1 Bürgerrechtserwerb 1 Anzahl der das Schweizer Bürgerrecht erwerbenden Personen bezogen auf die ständige ausländische Wohnbevölkerung (Ausweise B und C) am Jahresanfang. Die Änderungen des Bürgerrechtsgesetzes von 1952, 1978, 1992, 2006 und 2018 haben die Entwicklung der jährlichen Einbürgerungen in der Schweiz beeinflusst. 7 Differenz zwischen Geburten und Todesfällen 8 Differenz zwischen Ein- und Auswanderung Quellen: BFS – PETRA, STATPOP © BFS 2020 9 Das Schweizer Bürgerrecht kann auf verschiedene Arten erworben werden, die häufigsten sind die ordentliche Einbürgerung und die erleichterte Einbür- gerung. 11 Nicht alle Personen, die die Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, beantra- 10 Ein negativer Geburtenüberschuss bedeutet, dass die Zahl der Todesfälle über gen den Schweizer Pass. derjenigen der Geburten liegt, wie das in der Schweiz von 1998 bis 2007 der 12 Das Recht des Herkunftslands kann hingegen den automatischen Verlust der Fall war. Staatsbürgerschaft bei einer Einbürgerung in einem anderen Staat vorsehen. 13 Es können auch standardisierte Einbürgerungsziffern berechnet werden, sie werden aber im BFS nicht verwendet. 6
BFS AKTUELL Die Zahl der eingebürgerten Personen ist je nach früherer Die meisten Personen, die 2018 die Schweizer Staatsbür- Staatsangehörigkeit unterschiedlich hoch. Ein Grossteil der Per- gerschaft erhielten, stammten – in dieser Reihenfolge – aus sonen, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben (75%–80%, je Deutschland, Italien, Kosovo, Portugal oder Frankreich. Sie mach- nach Jahr) stammt aus einem europäischen Land, gefolgt von ten nahezu zwei Drittel der Europäerinnen und Europäer und die Asien (rund 10%). Die restlichen Anteile verteilen sich auf Perso- Hälfte aller Ausländerinnen und Ausländer aus, die im gleichen nen aus Amerika, Afrika und Ozeanien. Kalenderjahr das Schweizer Bürgerrecht erwarben. 3% bis 5% der An der rohen Einbürgerungsziffer lässt sich erkennen, wie in der Schweiz geborenen Ausländerinnen und Ausländer aus den häufig Personen mit B- oder C-Ausweis aus den verschiedenen obengenannten Staaten liessen sich 2018 einbürgern. Das sind Herkunftsregionen das Schweizer Bürgerrecht erwerben. 2018 deutlich mehr als bei den im Ausland geborenen Personen aus wurden 2% der Personen aus EU- oder den EFTA-Staaten ein- Deutschland, Italien, Kosovo, Portugal oder Frankreich, die im gebürgert, bei den Personen aus übrigem Europa (ausserhalb Jahr 2018 den Schweizer Pass erhielten (1% bis 2%). der EU/EFTA), Asien und Ozeanien waren es je 3% und bei den Aussereuropäische Staatsangehörige, die in der Schweiz ge- amerikanischen oder afrikanischen Staatsangehörigen weniger boren wurden und 2018 das Schweizer Bürgerrecht erwarben, als 3,4%. stammen nach Kontinent betrachtet zur Hauptsache aus Sri Lanka (Asien), Brasilien (Amerika), Marokko (Afrika) und Austra- lien (Ozeanien). Ihre rohen Einbürgerungsziffern liegen zwischen Welche Bedeutung hat der Geburtsort? 2% und 8%. Auch in Bezug auf den Geburtsort und die Anwesenheitsdauer vor dem Erwerb des Schweizer Bürgerrechts zeigen sich bei der Jugendliche und Frauen auf dem Vormarsch Zahl der Einbürgerungen Unterschiede. 1992 waren 27% der Ein- gebürgerten in der Schweiz geboren worden und 31% wohnten Junge Ausländerinnen und Ausländer (15- bis 19 Jahre) lassen seit mindestens 20 Jahren in der Schweiz. Sie machten somit sich eher einbürgern als Personen über 20. Sie verzeichnen dop- die Mehrheit der eingebürgerten Personen aus. Heute bilden die pelt so hohe rohe Einbürgerungsziffern wie die älteren Altersgrup- in der Schweiz geborenen Personen die grösste Gruppe (37%), pen (siehe Grafik G 6). Diese vermehrte Einbürgerung in jungen gefolgt von den Ausländerinnen und Ausländern, die seit 10 bis Jahren könnte gesetzlich bedingt sein. Bis zum 31. Dezember 14 Jahren in der Schweiz leben (28%). 2017 zählten die zwischen der Vollendung des 10. und des 20. Le- Wer von Geburt an in dem Land lebt, in dem er die Staatsbür- bensjahres in der Schweiz verbrachten Jahre doppelt. Seit 1. Ja- gerschaft beantragt, ist mit den dort herrschenden Lebensge- nuar 2018 gilt diese Doppelzählung für den Zeitraum vom 8. bis wohnheiten vertraut, kennt die Grundsätze, die Sicherheitsbe- 18. Lebensjahr. Die erforderliche Mindestanwesenheitsdauer wird stimmungen und die öffentliche Ordnung, spricht eine in diesen jungen Altersjahren schneller erreicht. Landessprache und nimmt am Wirtschafts- und Sozialleben teil, was die Einbürgerung erleichtern kann. Im Ausland geborene Personen können sich diese Kenntnisse zu einem späteren Zeit- Rohe Einbürgerungsziffer punkt aneignen. Wird die Zahl der Einbürgerungen mit der Zahl nach Geschlecht und Alter, 2018 G6 der Personen, die über eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbe- 6 willigung verfügen, ins Verhältnis gesetzt, zeigt sich, dass die rohe Einbürgerungsziffer bei in der Schweiz geborenen Personen 5 durchschnittlich doppelt so hoch ist wie bei den im Ausland ge- 4 borenen (2018 : 4,0% gegenüber 1,7% ; siehe Grafik G5). 3 Rohe Einbürgerungsziffer 2 nach Geburtsort, 1991–2018 G5 1 5 0 0–14 15–19 20–29 30–39 40–49 50 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre und älter 4 Männer Frauen 3 Quelle: BFS – Statistik der Bevölkerung und der Haushalte (STATPOP) © BFS 2020 2 1 0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2000 in der Schweiz geboren im Ausland geboren Quellen: BFS – PETRA, STATPOP © BFS 2020 7
BFS AKTUELL Frauen lassen sich generell häufiger einbürgern als Männer. Wie wirkt sich der Zivilstand aus? Bis 1992 war die Übervertretung der Frauen vor allem darauf zurückzuführen, dass diese bei der Heirat mit einem Schweizer Wird die rohe Einbürgerungsziffer nach Zivilstand aufgeschlüs- automatisch die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielten. Mit selt14, ergeben sich weitere Unterschiede. Seit 1992 ist die rohe dem 1992 in Kraft getretenen Bürgerrechtsgesetz wurde die er- Einbürgerungsziffer bei Personen, die mit einer Schweizerin oder leichterte Einbürgerung geschlechterunabhängig für alle Perso- einem Schweizer verheiratet sind, höher als in den anderen Grup- nen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, eingeführt. Infolge pen. Hier zeigt sich, wie wichtig gemischtnationale Eheschlie- dieser Änderungen erhielten bis 1997 mehr Männer die Schweizer ssungen im Integrationsprozess von Personen aus anderen Staatsbürgerschaft. Anschliessend kehrte sich dieser Trend er- Kulturen und insbesondere für die Verbundenheit mit der Aufnah- neut zugunsten der Frauen. Seit 2000 ist die rohe Einbürgerungs- megesellschaft sind. 2018 lag die entsprechende Einbürgerungs- ziffer der Frauen durchschnittlich 0,5 Prozentpunkte höher als die ziffer bei 5,3%, gegenüber 2,1% bei nicht verheirateten Personen der Männer (siehe Grafik G7). und 1,5% bei Personen, die mit einer Ausländerin oder einem Ausländer verheiratet sind (siehe Grafik G 8). Rohe Einbürgerungsziffer nach Geschlecht, 1991–2018 G7 Rohe Einbürgerungsziffer 4,0 nach Zivilstand, 1991–2018 G8 3,5 7 3,0 6 2,5 5 4 2,0 3 1,5 2 1,0 1 0,5 0 0,0 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2018 Männer Frauen nicht verheiratet mit einer Ausländerin / mit einer Schweizerin / einem Ausländer verheiratet Quellen: BFS – PETRA, STATPOP © BFS 2020 einem Schweizer verheiratet Quellen: BFS – PETRA, STATPOP © BFS 2020 Die Analyse nach früherer Staatsangehörigkeit zeigt aber auch, dass die Frauen in Bezug auf die Einbürgerung in absoluten Zahlen nicht überall in der Mehrheit sind, insbesondere in den Wird die rohe Einbürgerungsziffer zusätzlich nach individuel- grössten Nationalitätengruppen, die 2018 den Schweizer Pass ler vorheriger Staatsangehörigkeit betrachtet, ergeben sich für erhielten, d.h. den Personen aus Italien, Kosovo und Frankreich. Personen, die mit einer Schweizerin oder einem Schweizer ver- Relativ gesehen, d.h. pro 100 Personen mit einem B- oder C-Aus- heiratet sind, generell höhere Werte als bei den anderen Staats- weis, sind hingegen die eingebürgerten Frauen in der Mehrzahl. angehörigkeitskombinationen. In sehr wenigen Ausnahmen zeigt sich ein umgekehrtes Bild. Bei den Europäerinnen und Europäern aus Liechtenstein, Norwegen, Nordmazedonien und der Türkei weisen Männer eine höhere rohe Einbürgerungsziffer auf als Frauen. Bei den aussereuropäischen Staatsangehörigen, die 2018 das Schweizer Bürgerrecht erwar- ben, ist dies bei den Personen aus Irak und Tunesien der Fall. Dort ist sowohl die Zahl der Einbürgerungen als auch die rohe Einbürgerungsziffer bei den Männern höher als bei den Frauen. 2018 waren 22 200 der insgesamt 42 500 eingebürgerten Personen Frauen. Dieser vergleichsweise höhere Frauenanteil ist bei allen Einbürgerungsarten festzustellen, wobei er bei der erleichterten Einbürgerung höher ausfällt (2018 : 56% Frauen) als bei der ordentlichen Einbürgerung (2018 : 51% Frauen). 14 Es werden drei Gruppen unterschieden : Nicht verheiratete Personen, Perso- nen mit einer Schweizer Ehepartnerin oder einem Schweizer Ehepartner sowie Personen mit einer ausländischen Ehepartnerin oder einem ausländischen Ehepartner. 8
BFS AKTUELL Kantonal unterschiedliche Einbürgerungsziffern 2018 lag die rohe Einbürgerungsziffer der im Ausland gebore- nen Personen in den meisten Kantonen zwischen 1% und 2%. Am tiefsten war sie in den Kantonen Glarus und Solothurn, am höchsten mit über 2% in den Kantonen Zürich, Waadt, Wallis und Genf. Bei den im Ausland geborenen Personen verzeichneten von 2011 bis 2018 Glarus und Appenzell Innerrhoden die tiefsten ro- hen Einbürgerungsziffern. Genf hingegen war im Beobachtungs- zeitraum in Bezug auf die im Ausland geborenen Personen meist der Kanton mit der höchsten Ziffer. Bei der in der Schweiz geborenen Bevölkerung weichen die Er- gebnisse stärker voneinander ab. In den Kantonen Zürich, Luzern, Waadt, Wallis und Genf liessen sich zwischen 4% und 7% dieser Bevölkerungsgruppe einbürgern. Demgegenüber liegen die Werte in den Kantonen Schwyz und Glarus bei weniger als 2%. Im Ver- gleich dazu beträgt der gesamtschweizerische Durchschnitt 4%. Im Zeitraum von 2011 bis 2018 wies der Kanton Glarus bei den in der Schweiz geborenen Personen am häufigsten den niedrigsten Wert auf. Im gleichen Zeitraum verzeichnete der Kanton Waadt mit mehr als 5% meistens die höchsten Werte. Schlussfolgerung Die meisten Personen, die das Schweizer Bürgerrecht erwerben, stammen aus einem EU- oder EFTA-Staat, obwohl ihre rohe Einbürgerungsziffer tiefer liegt als bei den Personen aus den anderen europäischen und den aussereuropäischen Ländern. Wie ist das zu verstehen? Bezogen auf alle ausländischen Staats- angehörigen mit einem B-oder C-Ausweis lassen sich Personen aus EU/EFTA-Ländern weniger häufig einbürgern als andere Staatsangehörige. Auch der Geburtsort spielt eine wichtige Rolle beim Erwerb des Schweizer Bürgerrechts. Derzeit ist die rohe Einbürgerungs- ziffer bei den in der Schweiz geborenen Personen doppelt so hoch wie bei den im Ausland geborenen. Ebenso verzeichnen junge Menschen gegenüber älteren, Frauen gegenüber Männern und Personen mit einer Schweizer Ehepartnerin oder einem Schweizer Ehepartner gegenüber den anderen Zivilstands- gruppen höhere rohe Einbürgerungsziffern. Pro 100 Personen, die 2018 eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung besa- ssen, liessen sich in keiner der untersuchten Gruppen mehr als sechs Personen einbürgern. Dies ist nur ein sehr kleiner Teil der in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer, die 2018 die Wohnsitzerfordernisse des Bundes für die Einbürgerung er- füllten (55% der ausländischen Wohnbevölkerung; siehe Artikel «Welche Ausländerinnen und Ausländer erfüllen die Vorausset- zungen für eine Einbürgerung ?» in dieser Ausgabe). Fabienne Rausa, BFS 9
BFS AKTUELL Transnationale Praktiken der Personen mit Mi- Der erste Teil des Artikels beschreibt die transnationalen Prak- grationshintergrund: Verbindung mit dem Her- tiken von drei Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund: kunftsland und Rolle der Staatsangehörigkeit gebürtige Schweizerinnen und Schweizer17, eingebürgerte Schwei- zerinnen und Schweizer sowie Ausländerinnen und Ausländer. Unter Transnationalismus wird die (geistige oder reale) Verbin- Im zweiten Teil wird der Einfluss verschiedener Faktoren auf die dung verstanden, die Migrantinnen und Migranten mit ihrem Häufigkeit der transnationalen Praktiken betrachtet. Hierzu gehö- Herkunftsland und der Aufnahmegesellschaft herstellen.15 ren die Staatsangehörigkeit und die Einbürgerungserfahrung, Sie bildet den sogenannten transnationalen Raum. In diesem deren Gewicht im Verhältnis zum Gewicht der anderen Faktoren Artikel wird dieser Raum näher durchleuchtet. Unterscheidet ermittelt wird. sich seine Grösse und seine Struktur je nach Herkunftsland der Personen mit Migrationshintergrund und wird er von der Einbür- gerungserfahrung beeinflusst? Schwächt oder stärkt der Erwerb Quelle und Daten : Modul «Migration» des Schweizer Bürgerrechts die transnationalen Beziehungen? der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) Und pflegen eingebürgerte Personen im Gegensatz zu Auslände- Das SAKE-Modul «Migration» liefert Daten zum Kontext rinnen und Ausländern besondere transnationale Beziehungen? und zur Geschichte der Bevölkerung mit Migrationshinter- grund. Es behandelt verschiedene Aspekte in Zusammen- Der transnationale Raum ist von komplexen Beziehungen zwi- hang mit der Situation der eingewanderten Personen und schen dem «Hier» (Schweiz) und dem «Dort» (Herkunftsland) ihrer Nachkommen wie Transnationalismus, Einbürgerung, geprägt. Er wird von den Migrantinnen und Migranten und ihren Staatsbürgerschaft, Gründe der Migration und Rückkehrab- Nachkommen im Lauf der Zeit geschaffen. Die Verbindungen sichten. Die erhobenen Merkmale beziehen sich nicht nur werden über verschiedene Kanäle hergestellt und gepflegt: über auf die eingewanderte Person, sondern auch auf allfällige Kontakte per Telefon und via Internet, Besuche, Geldüberweisun- Partnerinnen bzw. Partner und Kinder. gen sowie über den Hausbau oder Wohneigentum im Ausland. Fa- Die Fragen des Moduls werden alle drei bis fünf Jahre in milienmitglieder im Herkunftsland sind in den meisten Fällen eine die SAKE integriert. Die Verknüpfung mit den Standarddaten wesentliche Voraussetzung für die Beziehungen zum Herkunfts- der SAKE erlaubt Aussagen zum Zugang der Bevölkerung land und somit auch für das Bestehen transnationaler Praktiken. mit Migrationshintergrund zum Arbeitsmarkt und Bildungs- In der Schweiz wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer, aber system bzw. zu ihrer strukturellen Integration in die schwei- auch eingebürgerte Personen bauen am ehesten einen transna- zerische Gesellschaft. tionalen Raum auf. Die Einbürgerung, die hier als Erwerb des Schweizer Bürgerrechts verstanden wird, kann sowohl als Aus- druck einer Zugehörigkeit zu einem Staat als auch als Ausdruck einer Statusänderung verstanden werden. Wenn nicht zwischen zwei Staatsangehörigkeiten gewählt werden muss, ist die Doppel- bürgerschaft Ausdruck einer doppelten Angehörigkeit: derjenigen zum Aufnahme- und derjenigen zum Herkunftsland. Dabei han- delt es sich um einen anerkannten «transnationalen Zustand». Die Themen «Transnationalismus» und «Einbürgerung» werfen zwei miteinander verknüpfte Fragen auf : Werden die transnati- onalen Praktiken von der Staatsangehörigkeit bestimmt ? Und besteht zwischen der Staatsangehörigkeit von Personen mit Migrationshintergrund und ihren Praktiken ein Zusammenhang ? Dieser Artikel befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Staatsangehörigkeit, Einbürgerungserfahrung und transnationalen Praktiken. Mit Fokus auf die Situation in der Schweiz wird unter- sucht, ob sich die Praktiken je nach Staatsangehörigkeit der Perso- nen mit Migrationshintergrund16 unterscheiden. Ausserdem werden die komplexen Verbindungen zwischen dem Aufnahme- und dem Herkunftsland anhand mehrerer Indikatoren, die auf den Daten des Moduls «Migration» der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE; siehe Kasten «Quelle und Daten») beruhen, analysiert. 15 Quelle : Fibbi Rosita, D’Amato Gianni, 2008 16 Der Migrationsstatus der Personen wird anhand der Staatsangehörigkeit der 17 Zu den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern mit Migrationshintergrund Zielperson und ihrem Geburtsort bestimmt. Der Geburtsort der Eltern kann zählen zum Beispiel im Ausland geborene Schweizerinnen und Schweizer oder aufgrund des Aufbaus des Fragebogens zum Modul «Migration» nicht zur in der Schweiz geborene Personen, deren beide Eltern im Ausland geboren Bestimmung des Migrationsstatus herangezogen werden. wurden. 10
BFS AKTUELL Transnationale Praktiken eingebürgerter Personen: Die häufigste Kontaktart ist der Fernkontakt per Telefon oder deskriptive Analyse Internet. Sie wird von nahezu 90% der Personen mit Migrations- hintergrund, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, gepflegt. Transnationalismus kann unter verschiedenen Gesichtspunkten Dahinter folgen Besuche bei nahen Verwandten und Reisen in betrachtet werden. Statistisch bieten sich dazu mehrere Indika- das Herkunftsland, die von drei Vierteln (75%) der Personen mit toren an. In diesem Artikel werden die transnationalen Praktiken Migrationshintergrund getätigt werden. Ihre Häufigkeit hängt von anhand der Kontakte zwischen den in der Schweiz wohnhaften bestimmten Faktoren wie der räumlichen Distanz und den Reise- Personen mit Migrationshintergrund und ihren nahen Verwand- kosten ab. Von den drei betrachteten transnationalen Praktiken ten18 im Herkunftsland untersucht. Bei den Kontakten kann es am wenigsten verbreitet21 ist die Geldüberweisung. Sie betrifft sich um Fernkontakte oder um persönliche Kontakte handeln. 20% der Personen mit Migrationshintergrund. Dabei werden mehrere Arten unterschieden: Kontakt per Telefon Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund, die über oder Internet (Fernkontakt), Geldüberweisung19 (Fernkontakt), Be- die analysierten Kontaktarten mit ihrem Herkunftsland in Verbin- suche bei nahen Verwandten (persönlich), Reisen ins Herkunfts- dung bleiben, variiert je nach Staatsangehörigkeit bzw. je nach- land (persönlich). Das Konzept des Transnationalismus lässt sich dem, ob es sich um gebürtige oder eingebürgerte Schweizerinnen mithilfe eines Sammelindikators erfassen, der die verschiedenen und Schweizer oder Ausländerinnen und Ausländer handelt. 81% Informationen zu den einzelnen Kontaktarten kombiniert und die der in der Schweiz wohnhaften Ausländerinnen und Ausländer Reisen ins Herkunftsland ausschliesst20. Das Wohneigentum im reisen häufig in ihr Herkunftsland (siehe Grafik G 9). Bei den Ausland wird dabei nicht berücksichtigt (vgl. Kasten «Wohneigen- Schweizerinnen und Schweizern mit Migrationshintergrund ist tum im Ausland»). dieser Anteil tiefer. Er beträgt 70% bei den eingebürgerten und 54% bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant. Wohneigentum im Ausland Eine Wohnung oder ein Haus im Ausland kann auch ein Verbindungspunkt mit dem Herkunftsland sein. 2017 gaben Reisen ins Herkunftsland, 2% der Bevölkerung mit Migrationshintergrund zwischen 15 nach Staatsangehörigkeit, 2017 G9 und 74 Jahren an, eine Wohnung oder ein Haus ausserhalb 100% der Schweiz zu besitzen und darin mehrere Monate pro Jahr 90% zu verbringen. Aufgrund des geringen Anteils an Personen 80% mit einem solchen Wohneigentum im Ausland wird dieses 70% Kriterium nicht in den Sammelindikator zur Messung der 60% transnationalen Praktiken aufgenommen. 50% 40% 30% 20% 10% 0% gebürtige eingebürgerte Ausländer/innen Schweizer/innen Schweizer/innen Quelle: BFS – SAKE, Modul Migration © BFS 2020 18 (Ehe)partner/in, Geschwister, Vater, Mutter, Grosseltern, Kinder. In den meis- ten Fällen handelt es sich bei den im Herkunftsland gebliebenen nahen Verwandten um Geschwister, Eltern oder Grosseltern. 19 "Remittances" 20 Diese werden über die Besuche bei nahen Verwandten erfasst. 21 bzw. in der Erhebung am wenigsten erwähnt 11
BFS AKTUELL Analog zu den Reisen ins Herkunftsland stehen auch die Kon- Migrationshintergrund 50%. Bei den verschiedenen, mit dem In- takte mit den nahen Verwandten im Ausland sowie deren Häufig- dikator gemessenen Anteilen liegen die eingebürgerten Personen keit in Zusammenhang mit der Staatsangehörigkeit (siehe Gra- praktisch immer zwischen den gebürtigen Schweizerinnen und fik G10). 93% der Ausländerinnen und Ausländer pflegen häufigen Schweizern und den Ausländerinnen und Ausländern. Fernkontakt. Bei den Personen mit Schweizer Pass sind es deut- lich weniger : 87% bei den eingebürgerten, 73% bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern. Die in Prozentpunkten ausge- Kontakt mit der Familie im Ausland, nach Anzahl drückten Unterschiede zwischen ausländischen Staatsangehöri- der Kontakte und Staatsangehörigkeit, 2017 G11 gen, eingebürgerten sowie gebürtigen Schweizerinnen und 100% Schweizern sind statistisch signifikant und deuten darauf hin, 90% dass der Rechtsstatus und die Einbürgerungserfahrung eine 80% Rolle spielen. Ähnliche Trends und Unterschiede sind bei den 70% Besuchen bei nahen Verwandten festzustellen. 81% der Auslän- 60% derinnen und Ausländer besuchen ihre Familie häufig. Bei den 50% eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizern sinkt dieser 40% Anteil auf 69%, bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schwei- 30% zern sogar auf 59%. Bezüglich Geldüberweisungen unterscheiden 20% sich die Anteile nach Staatsangehörigkeit nicht. Dennoch über- 10% weisen Ausländerinnen und Ausländerinnen tendenziell häufiger 0% mindestens eine Art mindestens zwei Arten alle Arten Geld an nahe Verwandte als eingebürgerte und gebürtige Schwei- von Kontakt von Kontakten von Kontakten zerinnen und Schweizer. gebürtige Schweizer/innen eingebürgerte Schweizer/innen Ausländer/innen Kontakt mit der Familie im Ausland, nach Art Quelle: BFS – SAKE, Modul Migration © BFS 2020 des Kontaktes und Staatsangehörigkeit, 2017 G10 100% Die transnationalen Praktiken werden sowohl von der Ein- 90% bürgerungserfahrung als auch von der Staatsangehörigkeit 80% 70% bzw. vom Rechtsstatus beeinflusst. Obwohl die eingebürgerten 60% Personen hinsichtlich der Praktiken in der Regel zwischen den 50% beiden anderen Gruppen liegen, tendieren sie in einigen Fällen 40% eher in Richtung der Ausländerinnen und Ausländer. Dies zeigt 30% der Sammelindikator beim Anteil der Bevölkerung mit Migrati- 20% onshintergrund mit mindestens einer Art von Kontakt oder ei- 10% ner Form des häufigen Austauschs mit nahen Verwandten im 0% Fernkontakte Besuche Geldüberweisungen Ausland. In diesem Fall ist der Unterschied in Prozentpunkten zwischen Eingebürgerten und Ausländerinnen und Ausländern gebürtige Schweizer/innen eingebürgerte Schweizer/innen nur gering und kleiner als gegenüber den gebürtigen Schweize- Ausländer/innen rinnen und Schweizern. Quelle: BFS – SAKE, Modul Migration © BFS 2020 Angesichts dieser konsistenten Ergebnisse sind die transnati- onalen Praktiken der Eingebürgerten als spezifisch zu betrachten. Es kann davon ausgegangen werden, dass mit der Einbürgerung Der Sammelindikator zur Messung der transnationalen Prak- eine allmähliche Ablösung vom Herkunftsland stattfindet. Zudem tiken über den Kontakt mit dem Herkunftsland zeigt ähnliche kann postuliert werden, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft Trends wie die einzelnen Kontaktarten22 (siehe Grafik G11). 97% des Wohnlandes den transnationalen Raum einschränkt oder der Ausländerinnen und Ausländer pflegen mindestens eine Art verkleinert und dadurch die Verbindungen mit dem Herkunftsland von Kontakt, gegenüber 92% der eingebürgerten Schweizerinnen seltener werden. und Schweizer und 81% der gebürtigen Schweizerinnen und Schweizer. Werden im Sammelindikator mindestens zwei Kon- taktarten berücksichtigt, vergrössern sich die Unterschiede nach Staatsangehörigkeit. Während 78% der Ausländerinnen und Ausländer mindestens zwei Arten von Kontakt haben, sind es bei den eingebürgerten Schweizerinnen und Schweizern 65% und bei den gebürtigen Schweizerinnen und Schweizern mit 22 Kontakt per Telefon oder Internet, Geldüberweisungen, Besuch bei nahen Verwandten ; Reisen ins Herkunftsland wurden nicht berücksichtigt. 12
BFS AKTUELL Faktoren, die das Fortbestehen der transnationalen Weitere Merkmale und Faktoren können kombiniert trans- Praktiken beeinflussen: analytischer Ansatz nationale Praktiken erklären. Hierzu zählen Merkmale, die in Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Status der Per- Welche Rolle die Staatsangehörigkeit bei transnationalen Prakti- sonen stehen und deren Beziehung zum Transnationalismus ken spielt, wurde in der deskriptiven Analyse der Migrationsdaten erklären. Sie haben allerdings einige geringere Erklärungskraft. dargelegt (siehe Kapitel «Transnationale Praktiken eingebürgerter Neben der Staatsangehörigkeit spielen das Einkommen und das Personen: deskriptive Analyse»). Nachfolgend wird die Bedeutung Bildungsniveau eine Rolle. Bei Personen mit einem hohen sozia- der Staatsangehörigkeit unter dem Gesichtspunkt weiterer Merk- len Status ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass sie häufigen male betrachtet (siehe Kasten «Methode»). Da die Entstehung Kontakt zu den nahen Verwandten im Herkunftsland pflegen. eines transnationalen Raums von vielen Faktoren beeinflusst Deutlich wird dieser Trend vor allem beim Bildungsniveau und werden kann, muss der Fokus auf diejenigen gelegt werden, mit beim Einkommen. Bei Personen mit Tertiärausbildung besteht denen sich das soziodemografische und sozioökonomische eine 1,5-mal höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie die Verbindung Profil der Personen erstellen lässt. Hierzu gehören neben aufrechterhalten, als bei Personen mit einem Abschluss der Se- den demografischen Standardvariablen wie Geschlecht oder kundarstufe II (Referenzkategorie). Ebenso haben die Personen Alter auch ökonomische Variablen wie Einkommen, Erwerbs- im 5. Einkommensquintil23 (höchste Einkommensklasse) eine 1,3- status und Bildungsniveau. mal höhere Wahrscheinlichkeit, häufige Kontakte zu pflegen als solche im 3. Quintil (Referenzkategorie), wobei das Einkommen die Ausübung transnationaler Praktiken in Form von Kontakten Methode : Logistische Regression stärker beeinflusst als das Bildungsniveau. Eine Erklärung für die Die logistische Regression, auch Logit-Modell genannt, ist Bedeutung des Einkommens können die Kosten sein, die beim ein mathematisch-statistisches Verfahren zur Schätzung Besuch oder für die finanzielle Unterstützung von nahen Ver- der gleichzeitigen Auswirkungen verschiedener Merkmale wandten im Ausland anfallen. Während Kontakte per Telefon oder auf ein bestimmtes Phänomen. Internet nicht von solchen finanziellen Betrachtungen abhängig Mithilfe dieser Methode wurden die gleichzeitigen Aus- sind, erfordern die beiden anderen Arten von Kontakt unter Um- wirkungen von neun soziodemografischen und regionalen ständen erhebliche Mittel. Je nach räumlicher Distanz zwischen Merkmalen auf die Wahrscheinlichkeit, transnationale dem Aufnahmeland und dem Herkunftsland wird mehr Geld für Praktiken zu pflegen, geschätzt. Berücksichtigt wurden die transnationale Praktiken wie Besuche benötigt. folgenden Merkmale : Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit Die demografischen Schlüsselmerkmale Geschlecht und Alter einschliesslich Einbürgerungserfahrung, Bildungsniveau, haben zwar einen signifikanten, aber geringen Einfluss auf die Arbeitsmarktstatus, Wirtschaftssektor, Einkommen, Urba- Wahrscheinlichkeit häufiger transnationaler Praktiken. Bei Män- nisierungsgrad der Wohngemeinde, Sprache der Wohnge- nern ist diese Wahrscheinlichkeit gegenüber Frauen allerdings ne- meinde (Schätzer [Proxy] : gesprochene Sprache). gativ (0,8), d.h. sie halten die Verbindung weniger häufig aufrecht. Im Verhältnis zur Altersgruppe der 40- bis 64-Jährigen weisen die jüngeren und älteren Gruppen positive Wahrscheinlichkeiten auf : Bei den 15- bis 24-Jährigen besteht eine um 1,8-mal höhere, bei In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der deskriptiven den Personen ab 65 Jahren eine um 1,1-mal höhere Wahrschein- Analyse lassen sich die häufigen transnationalen Praktiken in lichkeit, dass sie die Verbindung mit den nahen Verwandten im Form von Kontakten mit nahen Verwandten am ehesten mit Ausland pflegen. Bei den älteren Personen könnte die Tatsache der Staatsangehörigkeit erklären (siehe Tabelle T 1 im Anhang). eine Rolle spielen, dass sie mehr Zeit zur Verfügung haben, bei Am höchsten ist die Wahrscheinlichkeit, häufig transnationale den jüngeren, dass sie sich mit Technologien besser auskennen. Praktiken zu pflegen, bei Ausländerinnen und Ausländern mit Im Gegensatz zu den genannten Faktoren scheinen die regio- Migrationshintergrund. Sie weisen gegenüber gebürtigen Schwei- nalen Merkmale wie der Urbanisierungsgrad und die Sprache der zerinnen und Schweizern (Referenzkategorie) eine 4,3-mal höhere Wohngemeinde keine Erklärungsfaktoren für den Aufbau und den Wahrscheinlichkeit auf, solche Praktiken zu entwickeln und so die Erhalt häufiger transnationaler Praktiken zu sein. Der Wohnort in Verbindung mit ihren nahen Verwandten im Ausland aufrecht- der Schweiz scheint somit keinen Einfluss auf die Bildung eines zuerhalten. Auch bei den eingebürgerten Schweizerinnen und transnationalen Raums zu haben. Schweizern ist die Wahrscheinlichkeit transnationaler Praktiken Wie die Analyse zeigt, lassen sich häufige transnationale höher als bei der Referenzkategorie, allerdings in geringerem Praktiken in Form von Fernkontakten mit den nahen Verwandten Ausmass (2,0-mal). Die Staatsangehörigkeit hat im Modell sehr im Herkunftsland, Besuchen dieser Verwandten und Geldüber- viel Gewicht und erklärt weitgehend, welchen Stellenwert der weisungen am ehesten mit der Staatsangehörigkeit erklären, Aufbau und Erhalt eines transnationalen Raums mittels Pflege obschon auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle spielen. von Kontakten hat. 23 Das 5. Quintil entspricht den 20% der Bevölkerung mit dem höchsten Einkommen. 13
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