Leistungsentwicklung in der Leichtathletik - Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar?
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LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Schwerpunktthema MARTIN LAMES Leistungsentwicklung in der Leichtathletik – Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Einleitung weise recht genau die antiken Sprungweiten im Weit- sprung, allerdings sprang man damals mit zusätzlichen Dieser Vortrag1 bildet den Einstieg in die Ringvorlesung, Gewichten in der Hand, den Altyses (αλτησε ). Für den da hier einleitend die Problematik untersucht wird, wie hier verfolgten Zweck der Beschreibung der Leistungs- Belege für die Prävalenz von Doping im Hochleistungs- entwicklung in der modernen Leichtathletik ist allerdings sport zu finden sind. Es sei an dieser Stelle bereits vor- ein sehr viel kürzerer Zeitraum anzusetzen. Dieser kann weg genommen, dass sich zwar Befunde finden lassen, nur per Konvention fest gelegt werden, da natürlich die die als Belege für Doping-Effekte interpretiert werden historischen Grenzen fließend sind. können, aber mit der hier vorzustellenden Methode nicht der Anspruch auf einen kausalen und erst recht nicht auf Im hier vorgestellten Projekt wird die moderne Leicht- einen juristischen Beleg beansprucht werden kann. Zu athletik mit dem Zeitraum von 1960 bis heute verknüpft. welchem Schluss man, gestützt auf die Resultate, die mit Man kann argumentieren, dass der 2. Weltkrieg eine der vorzustellenden Methode ermittelt werden können, Zäsur darstellte. So wurden beispielsweise die Weltre- schließlich gelangt, ist in einem erheblichen Maß der in- korde aus 1939 von Rudolf Harbig über 400 und 800 terpretativen Freiheit unterworfen. Meter erst spät (1948 bzw. 1955) überboten. Wenn man die 50er Jahre als die Zeit der Überwindung dieser Die Untersuchung selbst geht zurück auf ein langjähriges Zäsur betrachtet, dann ist es plausibel, wenn ab 1960 Forschungsinteresse an der leichtathletischen Entwick- von der modernen Leichtathletik gesprochen wird. lungsdiagnostik. Während zunächst prognostische Un- tersuchungen durchgeführt wurden (Lames, 1983; Fuchs (2) Nach dieser Vorabentscheidung ist zu klären, mit & Lames, 1989), wandte sich das Interesse später mehr welchen Daten man die Entwicklung der Disziplin be- ihrer paradigmatischen Bedeutung für Zeitreihenanalyse schreibt. Gelegentlich wird das Niveau einer Disziplin und prozessuale Modellbildung im Sport zu (Lames, durch den Weltrekordstand oder die olympischen Sieg- 1994; Perl, Lames & Glitsch, 2002). Auch der für trai- leistungen operationalisiert. Gegen die Weltrekorde ist ningswissenschaftliche Zwecke hoch bedeutsame As- einzuwenden, dass diese manchmal mehrfach in einer pekt des Nachweises von Effekten in der Leistungsent- Saison verbessert werden, aber auch jahrelange Stagna- wicklung konnte an diesem Beispiel methodologisch un- tionen zu beobachten sind. Ein schönes Beispiel ist der tersucht werden. Weitsprung der Männer, dessen Entwicklung geprägt ist Da die resultierenden Ergebnisse stark von der gewähl- von den 8,90m von Bob Beamon 1968 bei den Olympi- ten Modellbildung beeinflusst werden, ist es notwendig, schen Spielen in Mexico City (vgl. Abb. 1). Es ist natür- zunächst auf methodisch-modellbildnerische Fragen lich Unfug, das Niveau dieser Disziplin in den Jahren der Analyse von Leistungsentwicklungen in der Leicht- nach 1968 bis 1991 mit diesem Wert zu repräsentieren. athletik einzugehen. Für olympische Siegleistungen gelten ebenfalls Ein- wände. Zunächst einmal fallen sie nur alle vier Jahre Methodologie der Analyse von Leistungsentwick- an. Gewichtiger ist aber noch, dass sie nicht unbedingt lungen das Leistungsniveau einer Disziplin repräsentieren, Die Datenbasis einmal weil Besonderheiten des jeweiligen Wettbewer- Die Leichtathletik provoziert geradezu mathematisch- bes (Wind, Regen, Höhenlage) dieses Bild verfälschen statistische Analysen, da ihre Ergebnisse konsequent in und dann weil es bei Olympia auf den Sieg ankommt – Metern und Sekunden gemessen werden. Es bleibt al- neben der Teilnahme. So gibt es Disziplinen, in denen lerdings die Frage, mit welchen dieser „harten“ Daten zwischen einer Sieg- und einer Rekordtaktik unter- man die Leistungsentwicklung in den einzelnen Diszip- schieden wird und in denen die Siegleistungen auf den linen beschreiben möchte. Diese Überlegungen kann Wettkampfhöhepunkten regelmäßig geringer ausfallen man auch als Operationalisierung des Terminus „Leis- als bei Rekordversuchen. tungsentwicklung einer Sportart“ verstehen. Es stellen sich im Einzelnen die Fragen (1) des untersuchten Zeit- raums, (2) der Dichte der Datenerhebung und (3) der Development of track and field performances – Aggregierung der Daten pro Erhebungszeitpunkt. is there evidence for doping-effects? (1) Erste Beschreibungen leichtathletischer Disziplinen, Track and field performance has always been subject to ma- thematical description and forecasting. In this study, the aim u.a. mit genauen Wettkampfergebnissen, stammen aus is to model and identify doping-related effects in track and der Antike (z.B. Weiler, 1981). Wir kennen beispiels- field development in the long-term. Three effects were mode- led and analysed: (1) dope_in describes the introduction of anabolic steroids in the sixties and early seventies, (2) do- 1 Unter dem Titel „Wer dopt nicht? Darstellung von Doping- pe_out models the effect of enhanced controls introduced in Effekten in der Leistungsentwicklung der Leichtathletik“ am 1988/89, and (3) epo analyses the effect of erythropoietin on 23. April 2001 gehaltener Vortrag im Rahmen der Ring- performance in endurance disciplines. vorlesung „Leistungssteigerung durch Doping“ an der Uni- versität Rostock. dvs-Informationen 17 (2002) 4 15
Schwerpunktthema LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Weit Männer − Neue Techniken: Als bestes Beispiel kann hier die 9,00 Einführung der Flop-Technik im Hochsprung durch Dick Fosbury 1968 in Mexiko angesehen werden, 8,80 die besonders im Frauenhochsprung einen Entwick- lungsschub auslöste. Aber auch weniger offensicht- 8,60 liche Details der Bewegungsausführung in der Leichtathletik werden ständig verbessert. 8,40 − Neue Trainingsmethoden: Hier kann beispielsweise die Einführung und Verfeinerung des Intervalltrainings 8,20 zu Beginn des untersuchten Datenzeitraumes er- wähnt werden oder die Einsicht in die Notwendigkeit 8,00 eines speziellen Krafttrainings in allen Disziplinen. − Verbesserte Trainingsorganisation: Die Steigerung 7,80 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 von Umfängen und Intensitäten ist auf ein immer besseres Verständnis der Belastungs- und Erho- Abb. 1. Weitsprung Männer. Verlauf der Weltjahresbestleis- lungsvorgänge zurück zu führen. tung (Ο ) und des Mittelwertes der 20 Weltjahresbes- − Legale unterstützende Mittel: Eine verbesserte Er- ten ( ) von 1960 bis 2000: Der Weltrekordstand ist nährung, Substitution und Medikation stellen endo- keine geeignete Repräsentation einer Disziplin. gene Effekte der Leistungssteigerung dar, die, wie In der vorliegenden Untersuchung wird daher auf die die Beispiele erläutern, nicht unbedingt nur auf Do- jährlich anfallenden Daten der Weltjahresbestenliste zu- pingmittel zurück zu führen sind. rück gegriffen. Wenn man davon ausgeht, dass jeder − Illegale unterstützende Mittel (Doping): Wenn Sub- Athlet im Laufe einer Saison versucht, seine Bestleis- stitution und Medikation auf Stoffe zurück greifen, tung zu realisieren, dann reflektiert eine Jahresbesten- die auf der Doping-Liste angeführt werden, dann liste in hervorragender Weise den augenblicklichen kann deren Wirkung als endogener leistungsför- Leistungsstand der Disziplin. Eine noch größere Daten- dernder Effekt bezeichnet werden. dichte als eine jährliche Erfassung scheidet aus, da das Gegenüber diesen endogenen Effekten der Leistungs- Wettkampfjahr die Planungsgröße der Athleten für die steigerung weisen die exogenen Effekte noch ein we- Trainingsperiodisierung darstellt. Die Weltjahresbesten- sentlich breiteres Spektrum auf: liste hat darüber hinaus den Vorteil, dass sie dokumen- − Verbesserte Sportgeräte: Paradebeispiel ist hier der taranalytisch verfügbar ist, da sie jährlich, beispielswei- Stab im Stabhochsprung, der gegenwärtig aus Kar- se von der Association of Track and Field Statisticians bonfasergeweben besteht und sich kaum noch mit veröffentlicht wird. den zu Beginn des Datenzeitraumes verwendeten (3) Betrachtet man die Verläufe der jeweiligen Jahres- Bambusstab vergleichen lässt, und damit wohl für weltbesten, so kann man häufig fest stellen, dass sich einen Großteil der erheblichen Leistungszuwächse die Entwicklung nicht besonders kontinuierlich darstellt, in dieser Disziplin verantwortlich ist. sondern von mehr oder weniger großen Sprüngen ge- − Verbesserte Ausrüstungen/Sportanlagen: Während kennzeichnet ist. Dies rührt natürlich daher, dass eine man zu Beginn des Datenzeitraums mit Nagelschu- Weltjahresbestleistung eine singuläre Leistung ist, die hen auf Aschenbahnen lief, erlauben die heutigen unter Umständen von Jahr zu Jahr große Schwankungen Schuhe und Kunststoffbahnen nicht nur bessere aufweisen kann. Es ist also fragwürdig, den Leistungs- Leistungen, sondern gewährleisten auch eine er- stand einer Disziplin mit einem singulären Ereignis abzu- höhte Witterungsunabhängigkeit der Leistungen. bilden. Als aggregiertes Datum bietet sich der Mittelwert über die besten drei, fünf oder zehn Weltbesten an. Um einen für mathematische Analysen zweckmäßigen „glat- 400m Frauen ten“ Verlauf der Daten zu erhalten, wurden in unserem 56,0 Projekt die Werte der 20 Weltbesten pro Jahr gemittelt und als Repräsentanten des Niveaus einer Disziplin im 55,0 jeweiligen Jahr betrachtet. In Abb. 2 wird am Beispiel des 54,0 400m Laufs der Frauen gezeigt, dass der Abstand zwi- 53,0 schen dem aggregierten Wert und der Jahresbestleis- 52,0 tung stark schwankt, aber durch die Aggregierung eine relativ kontinuierliche Entwicklung beschrieben wird. 51,0 Leistungsfördernde Effekte 50,0 Die Entwicklung des Leistungsniveaus in einer leicht- 49,0 athletischen Disziplin kann als Ausdruck einer Reihe 48,0 leistungsfördernder Effekte interpretiert werden. Es ist 47,0 zunächst nützlich, sich das Spektrum dieser Effekte zu 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 vergegenwärtigen, um anschließend über die Modellie- rung einzelner Effekte nachzudenken. Man unterschei- Abb. 2. Leistungsentwicklung im 400m Lauf der Frauen: Die det zunächst zwischen endogenen und exogenen Ef- Weltjahresbestleistung (Ο ) ist durch heraus ragende fekten, also solchen, die am Athleten lokalisiert werden Leistungen wie z.B. den Weltrekord durch Marita können und solchen, die im Umfeld anzusiedeln sind. Koch (Rostock) aus 1985 geprägt, während der Mit- Beispiele für endogene Effekte sind: telwert der besten 20 ( ) wesentlich „glatter“ verläuft. 16 dvs-Informationen 17 (2002) 4
LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Schwerpunktthema − Soziale Prozesse: Die Verbesserung der Lebensver- Leistungsstruktur der gesamten Weltspitze integriert hältnisse in den Entwicklungsländern erlaubt immer wird (vgl. Abb. 3, gestrichelte Linie, und Abb. 5, Kugel- mehr Menschen die Teilnahme an einem Leistungs- stoßen Männer, 60er Jahre). sporttraining. Zwar gab es immer schon Disziplinen, Eine wichtige Konsequenz für unser Erkenntnisinteres- die von Athleten aus Entwicklungsländern geprägt wa- se ist, dass ein Effekt nur dann statistisch isoliert wer- ren, aber dieser Effekt ist in den letzten Jahren über- den kann, wenn er die allgemeine Entwicklung deutlich, aus massiv geworden und hat die Leistung positiv d.h. schnell und intensiv, beeinflusst. Dies heißt aber im beeinflusst. Den gleichen Effekt hat der Gleichstel- Umkehrschluss nicht, dass ein solcher Effekt nicht vor- lungsprozess der Geschlechter, der es einer zu- handen ist, wenn er sich empirisch nicht nachweisen nehmenden Anzahl von Frauen, beispielsweise aus lässt! arabischen und Drittwelt-Ländern, erlaubt, die Welt- spitze in der Leichtathletik zu erreichen. − Politische Prozesse: Die jeweiligen staatlichen Ta- Stab Männer lent- und Leistungssport-Fördersysteme stellen wich- 6,2 tige exogene Effekte dar, die indirekt auf die Leis- 6,0 tungsentwicklung Einfluss nehmen. Insbesondere der Stellenwert, der der Leichtathletik oder dem Leis- 5,8 tungssport zur internationalen Repräsentation eines 5,6 Staates zubemessen wird, ist hier überaus bedeut- 5,4 sam. In diesem Zusammenhang muss als weiterer politischer Prozess die Politik der Doping-Verfolgung 5,2 in einem Staat genannt werden, die selbstredend 5,0 auch einen Einfluss auf das Leistungsniveau hat. 4,8 Modellierung leistungsfördernder Effekte 4,6 Wenn man davon ausgeht, dass die menschliche Leis- 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 tungsfähigkeit begrenzt ist, dann kann man den allge- meinen Entwicklungsverlauf als eine asymptotische Abb. 4. Stabhochsprung Männer, Weltbester (Ο ) und Mittel- Annäherung an eine Leistungsgrenze auffassen (vgl. wert 20 ( ): Kontinuierliche Verbesserung des Mate- Abb. 3, Leistungsgrenze 1). Dieses Verhalten ist jedoch rials überlagert wahrscheinlich die übrigen leistungs- nur dann zu erwarten, wenn entweder ein einziger Ef- fördernden Effekte. fekt während der gesamten Laufzeit die Entwicklung beeinflusst (vgl. Abb. 4, Stabhochsprung) oder wenn Kugel Männer sämtliche Effekte gleichmäßig wirken. 23,5 23,0 22,5 Leistungsgrenze 2 22,0 Leistung 21,5 Leistungsgrenze 1 21,0 20,5 20,0 19,5 19,0 18,5 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 Zeit Abb. 5. Kugelstoßen Männer: Mitte der 60er Jahre ist ein Leistungsschub beim Weltbesten (Ο ) zu registrieren, Abb. 3. Modellvorstellungen zur Wirkung von leistungsför- dieser leistungsfördernde Effekt ist bis 1972 in die dernden Effekten auf das Leistungsniveau. Leistungsstruktur der Weltspitze ( ) integriert und Wie sieht die Entwicklung aber aus, wenn ein einzelner wird bis 1988 eher kontinuierlich verbessert. Effekt neu einsetzt und von erheblicher Wirkung auf das Leistungsniveau ist? Dann wird die Leistungsgrenze auf Mathematische Modellierung ein neues Niveau gehoben, die Leistungsentwicklung Mathematische Modellierung des Leistungsverlaufs kann – b ei starken Effekten – m it einer Linkskrümmung reagieren, also eine Phase mit zunehmendem Wachs- Traditionelle Ansätze modellieren die Entwicklung einer tum aufweisen. Erst später flacht sie nach einem Wen- leichtathletischen Disziplin durch einen funktionalen depunkt ab und strebt wieder asymptotisch, nun jedoch Ansatz, also beispielsweise durch den linearen Ansatz gegen die neue Leistungsgrenze (vgl. Abb. 3, Leis- einer Gerade y = ax + b. Die Parameter des funktiona- tungsgrenze 2). Dabei kann man vermuten, dass zeit- len Ansatzes, hier a und b, werden so bestimmt, dass weilig auch eine Erhöhung der Leistungsvariation beo- die Summe der quadrierten Abweichungen zwischen bachtet wird, da zunächst die innovativen Athleten vom den Datenpunkten und der Funktion minimal wird (least neuen Effekt profitieren und dieser erst später in die squares-Kriterium der Regressionsanalyse). dvs-Informationen 17 (2002) 4 17
Schwerpunktthema LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Algorithmisch sehr einfach ist die Anpassung von Poly- politische und soziale Prozesse handelt, die kaum einer nomen (linear, quadratisch, kubisch usw.). Fragt man formalisierten Modellierung zugänglich sind und darüber sich allerdings aus der Perspektive der Modellbildung hinaus in ihrem Einfluss auf die sportliche Leistung nur nach den Eigenschaften dieser Modelle, dann treten schwer abzuschätzen sind. Wie viel Hundertstel Fort- Zweifel auf, ob sie dem Original der leichtathletischen schritt auf der 100m-Strecke bedeutete es, wenn alle Disziplinen gerecht werden können. Während einfache Frauen auf der Erde undiskriminierten Zugang zu ihren Polynome vielfach die Verlaufsstrukturen nicht nach- jeweiligen Leistungssportfördersystemen hätten? vollziehen können, verbietet sich auch der Rückgriff auf Man muss an dieser Stelle als Ergebnis jahrelanger höhergradige Polynome. Zwar kann theoretisch jeder Bemühungen um eine adäquate Modellierung der Leis- Verlauf von n+1 Datenpunkten durch ein Polynom des tungsentwicklung in der Leichtathletik fest halten, dass Grades n exakt nachvollzogen werden, aber dies nur im die Beschreibung dieses Prozesses durch einen ma- Sinne einer Interpolation, nicht jedoch im Sinne einer thematisch-funktionellen Ansatz unter Optimierung der Regression. Mit wachsendem Polynomgrad treten „Aus- Anpassung durch die Parameterwahl aus der Sicht der schläge“ zwischen den Datenpunkten auf, und eine Ext- Modellbildung als unzureichend begründbar betrachtet rapolation ist nicht einmal mehr für ein Jahr realistisch. werden muss. Es lässt sich bestenfalls die zurücklie- Das Extrapolationsargument betrifft grundsätzlich die gende Entwicklung in ihren allgemeinen Trends prüfen, Polynomregression, da alle Polynome mit der Zeit ge- aber Extrapolationen sind grundsätzlich unseriös. gen Unendlich streben, was nicht mit der Annahme von Eine Illustration, welchen historischen Irrtümern ein Leistungsgrenzen in Übereinstimmung zu bringen ist. Black-Box-Modellierer unterliegen kann, geben Perl, Auch der Nachweis von Gundlach (1968), dass die Lames und Glitsch (2002). Die Prognosen für die Leis- DDR-Leichtathletik auf einem guten Weg ist, die Welt- tungsentwicklung im Kugelstoßen der Frauen differieren spitze einzuholen und langfristig zu überholen, geht auf erheblich, je nachdem wann die Berechnungen ange- die unzulässige Extrapolation linearer Trends mit unter- stellt werden. Sowohl der zu unterstellende Trend als schiedlichen Steigungen zurück. auch die Prognoseergebnisse können nicht seriös über Aus Sicht der Modellbildung stellt es also sicherlich ei- einen längeren Zeitraum behauptet werden. nen Fortschritt dar, zur Beschreibung des Entwicklungs- Methode der Effektmodellierung verlaufs leichtathletischer Disziplinen solche Funktionen Die eben genannten Schwierigkeiten mit einer globalen zu verwenden, die einen Grenzwert einnehmen. Pfetsch Modellierung der Disziplinen führen dazu, dass man et al. (1975) setzen deshalb Exponentialfunktionen mit sich auf die Modellierung einzelner Effekte konzentriert. Grenzwert ein. Lames (1983) verwendet drei Typen Im Zusammenhang dieser Vorlesungsreihe sind natür- gebrochen rationaler Funktionen, die sowohl einen rein lich solche Effekte von besonderem Interesse, die man asymptotischen Verlauf als auch zwei Varianten eines mit der Dopingproblematik in Verbindung bringen kann. Wendepunktverhaltens (neuer, starker oder schwacher Im Folgenden wird die Vorgehensweise geschildert, die leistungsfördernder Effekt) beschreiben konnten. Fuchs es erlaubt, solche Effekte auf ihre Größe (Amplitude) und Lames (1989) setzen die arctan-Funktion ein, mit und Signifikanz zu überprüfen. Eine ausführliche Schil- der – j e nachdem in welchen Abschnitt der Datenzeit- derung und Kritik des Verfahrens ist Lames (1999) zu raum gelegt wird – ebenfalls sowohl ein asymptotisches entnehmen. Wachstum als auch ein Wendepunktverhalten nachvoll- Die Grundidee des Verfahrens besteht darin, eine zogen werden kann. Funktion, die den zu analysierenden Effekt beschreibt, Nur in der letzten Publikation wird das Vorgehen auch in- auf eine Basis-Modellierung aufzuschalten. Die Para- tensiv im Sinne einer inhaltlichen Modellierung diskutiert. meter dieser Effektfunktion für die beste Anpassung Die bis dahin beeindruckenden Resultate rührten daher, sind dann die Schätzungen für die Effektgröße, die Sig- dass die Entwicklung von einem sehr starken Wachstum nifikanz des Effektes kann aus der Verbesserung der geprägt war, das durch diverse Funktionen gut be- Anpassung abgeleitet werden. Die Vorgehensweise schreibbar war. Aus der Sicht der Modellbildung bezeich- umfasst drei Schritte: net man aber das einfache Nachvollziehen eines Verlaufs 1. Basis-Modellierung: In einem ersten Schritt ist dem als eine „Input-Output-Modellierung“ (Spriet & Vansteen- Problem zu begegnen, dass man es bei den be- kiste, 1982) oder nach Bossel (1994) eine „Verhaltens- trachteten Disziplinen mit autokorrelierten Zeitreihen modellierung“. Man interessiert sich nicht für das interne zu tun hat. Das Niveau einer Disziplin in einem Jahr Funktionieren des modellierten Systems, sondern bildet hängt offensichtlich immer mehr oder weniger mit lediglich die Input-Output-Relation (hier: Zeit-Leistungs- ihrem Niveau im letzten Jahr zusammen. Um diese niveau-Relation) ab. Man muss sich dann allerdings dar- seriellen Abhängigkeiten zu eliminieren wird als Ba- über im Klaren sein, dass beispielsweise Extrapolationen sis-Modellierung eine ARIMA-Analyse nach Box und nur unter dem Vorbehalt der Konstanz aller Einflussgrö- Jenkins (Lames, 1994) für einen Baseline-Zeitraum ßen sinnvoll sind, was bei verhaltenswissenschaftlich de- vorgenommen. terminierten Prozessen aber nicht unterstellt werden 2. Effekt-Modellierung: Unter Umsetzung der inhaltli- kann, wie das Beispiel leichtathletischer Disziplinen be- chen Annahmen wird eine Modellierung des zu unter- sonders deutlich macht (Perl, Lames & Glitsch, 2002). suchenden Effekts vorgenommen. Einfache, aber viel- Gefordert wäre eine Strukturmodellierung (ebd.), die fach hinreichende Effektfunktionen stellen die Step- sämtliche relevanten Subsysteme und deren Wechselwir- und die Slope-Funktion dar, die einen leistungswirk- kungen abbildet. Dies ist allerdings bei der aufgezählten samen Effekt modellieren, der sofort wirksam ist Vielfalt der Einflussgrößen auf das Niveau einer leichtath- (Step) oder über einen längeren Zeitraum in die Leis- letischen Disziplin nicht einzulösen, da es sich bspw. um tungsstruktur integriert wird (Slope, vgl. Abb. 6). 18 dvs-Informationen 17 (2002) 4
LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Schwerpunktthema Tab. 1. Die untersuchten Effekte und ihre Modellierung step-effect slope-effect durch Effektfunktionen. Effekt Modellierung Disziplinen Dope_in Slope-Funktion Wurf-/Stoss 1 1 Verbreitung anabo- Onset 1965/68 M/F M/F ler Steroide Offset 1972/76 M/F Dope_out Step-Funktion Wurf-/Stoss, Einführung von Onset 1988/89 Sprint, 0 0 Trainingskontrollen Sprung M/F onset t onset offset t auf anabole Steroide Epo Slope-Effekt Lauf M Verbreitung von Onset 1991-1994 Abb. 6. Die verwendeten Effektfunktionen: Step-Effekt und Erythropoietin Offset 1996-1998 Slope-Effekt. − Ausschließlich inhaltlich begründbar ist der Effekt 3. Effektberechnung: Die an der Baseline gefundene dope_out, da er durch eine Regeländerung be- Basis-Modellierung wird zusammen mit der Effekt- schrieben wird, die mit dem Saisonwechsel 1988/89 funktion auf den gesamten Datenzeitraum ange- in Kraft trat. Ab diesem Zeitpunkt wurden Doping- wendet. Damit erhält man eine Aussage über die Kontrollen – hauptsächlich zum Nachweis anaboler Größe (Amplitude) des Effekts und dessen Signifi- Steroide – nicht nur mehr auf Wettkämpfen durchge- kanz. Präzise formuliert sagt der Wert für die Ampli- führt, sondern können unangemeldet während des tude aus, wie groß der Effekt anzunehmen ist, wenn gesamten Jahres statt finden (Trainingskontrollen). damit der Gesamtverlauf der Daten optimal be- − Der Effekt dope_in soll die leistungsfördernde Wir- schrieben werden soll. Das Signifikanzniveau sagt kung anaboler Steroide beschreiben. Pharmakolo- aus, ob die Verbesserung der Anpassung mit Effekt- gisch verfügbar waren diese Substanzen zu Beginn funktion gegenüber der Anpassung ohne Effektfunk- der 60er Jahre zunächst in den USA, dann auch in tion überzufällig ist. Europa und im Ostblock. Bei den Frauen ist zu beo- bachten, dass die Entwicklungssprünge erst später Ein spezielles Erkenntnisinteresse dieser Untersuchung statt finden, was sicherlich mit der Dominanz von bezieht sich auf den Vergleich der Effektgrößen, die ja Ostblock-Sportlerinnen in den Kraftdisziplinen zu er- in den Einheiten und Größenordnungen der jeweiligen klären ist. Auch politisch besonders motivierte Einzel- Disziplinen ermittelt werden. Hier wurde in Anlehnung entwicklungen wie z.B. in der DDR (Hartmann, 1997) an die übliche Effektstärkenbestimmung (Cohen, 1977) haben den Anabolika-Einsatz in der Frauenleichtath- Vergleichbarkeit durch eine Standardisierung vorge- letik geprägt. Die genauen Jahreszahlen der Model- nommen, welche die Größe des Effekts an der Stan- lierung wurden durch Dateninspektion fest gelegt. dardabweichung in der Baseline relativiert. − Ähnliches gilt für den dritten untersuchten Effekt, den Epo-Effekt. Auch hier ist die pharmakologische Modellierte Effekte Verfügbarkeit bekannt. Die gentechnische Synthese Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die untersuchten Ef- gelang Ende der 80er Jahre, nur wenige Jahre spä- fekte. Die Effektmodellierung kann als eine Mischung ter setzen in den Ausdauerdisziplinen Leistungs- aus inhaltlicher Modellbildung und einer ex post-Modell- steigerungen ein. Die genauen Ränder des Effekts ierung betrachtet werden. wurden durch Dateninspektion gewonnen. Neuerscheinung in der dvs-Schriftenreihe Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft Band 129 KUNO HOTTENROTT (Hrsg.) Herzfrequenzvariabilität im Sport Hottenrott (Hrsg.) Prävention – R ehabilitation – T raining Symposium am 8. Dezember 2001 in Marburg Herzfrequenzvariabilität (Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, 129). im Sport Hamburg: Czwalina 2002. 228 Seiten. ISBN 3-88020-409-8. 25,00 €.* Prävention – Rehabilitation – Training Neben Grundsatzbeiträgen zur Bedeutung und Wertigkeit der Herzfrequenzvariabili- tät (HRV) für die Belastbarkeitsdiagnostik und Belastungssteuerung im Ausdauer- sport sind in diesem Band weitere Beiträge den Themenfeldern „Einfluss des Aus- Symposium am 8. Dezember 2001 in Marburg dauertrainings auf die HRV“, „Quantifizierung von Entspannungseffekten mit der HRV“ sowie zur „Standardisierung und Validierung der HRV-Analyseparameter“ zu- geordnet. Die Beiträge geben einen aufschlussreichen Überblick über aktuelle For- schungsarbeiten an deutschen Universitäten und Hochschulen.. Richten Sie Ihre Bestellung an (* dvs-Mitglieder erhalten 25% Rabatt auf den Ladenpreis): dvs-Geschäftsstelle · Postfach 73 02 29 · 22122 Hamburg · Tel.: (040) 67941212 · eMail: dvs.Hamburg@t-online.de dvs-Informationen 17 (2002) 4 19
Schwerpunktthema LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Wichtig festzuhalten an der Modellierung der untersuch- den, dass die Weltspitze in diesen Disziplinen bei den ten drei Effekte ist, dass natürlich auch jeder andere Frauen im Wesentlichen von Ländern aus dem Ost- leistungsfördernde Effekt, der in den modellierten Zeit- block gestellt wurde, die pharmakologische Innovati- räumen wirksam war, unter die Wirkung der modellier- on aber in den USA ihren Ausgang nahm. Mögli- ten Effekte subsumiert wird. Mit der hier vorgelegten cherweise gab es anfänglich auch Vorbehalte gegen Methode ist grundsätzlich kein Rückschluss auf die Na- eine Anwendung anaboler Stereoide bei Frauen. tur der leistungsfördernden Effekte möglich. Die Natur − Dope_in ist bei den Frauen wesentlich wirksamer der Effekte kann nur argumentativ belegt werden, die als bei Männern. Dies ist zu erwarten, da das Aus- weiteren Interpretationen stehen unter dem Vorbehalt, gangsniveau an männlichen Sexualhormonen bei dass diese Argumentation akzeptiert wird. den Frauen niedriger ist als bei den Männern und somit mehr Raum für die Entfaltung ihrer anabolen Ergebnisse Wirkungen vorhanden ist. Ergebnisse zum Einsatz der Verwendung anaboler Tab. 2. dope_in: Ergebnisse für Wurf- und Stoßdisziplinen. Steroide Wie aus den Abbildungen 7 und 8 grafisch und aus Ta- Effekt abs., Disziplin Onset-Offset Effektstärke belle 2 numerisch hervor geht, ist dope_in ein überaus Sign. starker Effekt in den Wurf- und Stoßdisziplinen der Kugel M 1965-1972 2,23m, ss 2,58 Männer und Frauen. Da der Effekt zeitlich die Verbrei- Diskus M 1965-1972 7,54m, ss 2,42 tung von anabolen Stereoiden modelliert, kann davon Speer M 1965-1972 7,65m, ss 2,70 ausgegangen werden, dass diese ab ca. 1972 für die Männer und ab ca. 1976 bei den Frauen in die Leis- Hammer M 1965-1972 12,12m, ss 2,15 tungsstruktur der Weltspitze integriert waren. Zwei Be- Kugel F 1967-1976 3,99m, ss 2,57 sonderheiten fallen im Geschlechtsvergleich auf: Diskus F 1967-1976 13,10m, ss 2,54 Speer F 1967-1976 8,43m, s 1,71 Kugel Männer 22,0 Die Ergebnisse in anderen Disziplingruppen sind nicht so 21,5 eindeutig wie in den Wurf- und Stoßdisziplinen. Es las- sen sich zwar deutliche Wachstumsraten in den Sprint- 21,0 und Sprungdisziplinen beobachten, doch diese setzen 20,5 teilweise später und uneinheitlich ein und ihre Integration in die Leistungsstruktur nimmt einen längeren Zeitraum 20,0 in Anspruch. Mit dem hier vorgestellten Verfahren ist 19,5 man aber nicht in der Lage, solche leistungsfördernden Effekte zu erfassen, es beschränkt sich auf Effekte, die 19,0 zeitlich gut eingrenzbar sind und zudem das Leistungs- 18,5 niveau auf Anhieb massiv verbessern. Aus dem Nicht- 18,0 Vorliegen statistischer Befunde darf bekanntlich aber 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 nicht auf das Nicht-Vorhandensein von Effekten ge- schlossen werden. Abb. 7. Im Kugelstoßen der Männer wird für den Effekt dope_in eine Amplitude von 2,23 Metern (ss) und Ergebnisse zur Einführung von Trainingskontrollen eine Effektstärke von 2,58 ermittelt. In den Abbildungen 9 und 10 ist zu erkennen, dass das Kugel Frauen Jahr 1988 einen gravierenden Einschnitt in die Leis- 21,00 tungsentwicklung (fast aller) Disziplinen gebracht hat. 20,00 Diskus Frauen 77,5 19,00 75,0 72,5 18,00 70,0 17,00 67,5 65,0 16,00 62,5 15,00 60,0 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 57,5 55,0 Abb. 8. Im Kugelstoßen der Frauen wird die Größe des Ef- fekts dope_in mit 3,99 Metern (ss) und die Effekt- 52,5 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 stärke mit 2,58 berechnet. − Dope_in setzt bei den Frauen mit einer ca. vierjähri- Abb. 9. Im Diskuswurf der Frauen wird Dope_out mit -2,58 Me- gen Verzögerung ein. Dies kann damit erklärt wer- tern (ss) und einer Effektstärke von 1,63 berechnet. 20 dvs-Informationen 17 (2002) 4
LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Schwerpunktthema In Tabelle 4 sind die Ergebnisse für eine ganze Reihe Hoch Männer 2,45 von Laufdisziplinen dargestellt. Hier ist der interessante Zusammenhang zu beobachten, dass der Epo-Effekt 2,40 umso stärker auftritt, je länger die Laufstrecke ist. Dies kann unmittelbar auf den Wirkmechanismus des Ery- 2,35 thropoietin zurück geführt werden, der die Sauerstoff- 2,30 Transportkapazität des Organismus durch die Erhö- hung der Anzahl der roten Blutkörperchen (Erythrozy- 2,25 ten) positiv beeinflusst. Es ist daher nahe liegend, dass vor allem solche Laufdisziplinen von Epo profitieren, die 2,20 kritisch von der Sauerstoff-Transportkapazität abhän- 2,15 gen, was mit zunehmender Streckenlänge der Fall ist. 2,10 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 10.000m Männer 28:00 Abb. 10. Im Hochsprung der Männer wird dope_out mit -1,7 Zentimetern (ns) berechnet. 27:30 Man beobachtet vielfach Leistungseinbrüche, wenn bis 1988 ein Plateau erreicht wurde (Diskus F, Abb. 9). Wenn jedoch die Einführung von Trainingskontrollen auf Anabolika Leistungsrückgänge bewirkt, dann legt 27:00 dies nahe, dass sie vor diesem Zeitpunkt eine Rolle im Leistungsaufbau gespielt haben. Wesentlich öfter kommt allerdings eine bis 1988 stetige Aufwärtsentwicklung 26:30 nach diesem Jahr zum Erliegen (Hochsprung M, Abb. 10). Hier ist zu konstatieren, dass diese Art und Weise 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 der Entwicklung, die als Indiz für die ausbleibende Wir- kung der Leistungsförderung durch anabole Stereoide Abb. 11. Der Epo-Effekt wird für den 10.000m-Lauf der Män- gedeutet werden kann, von der eingesetzten Methode, ner mit einer Amplitude von -24,7s (ss) und einer Ef- die den Effekt als Step-Funktion modelliert, nur unzu- fektstärke von 2,32 berechnet. reichend erfasst wird. 5.000m Männer Tab. 3. dope_out: Ergebnisse für ausgewählte Disziplinen der Männer und Frauen. 13:20 Disziplin Effekt abs., Sign. Effektstärke 13:10 Kugel M -0,20m, ns ,23 Diskus M -0,60m, ns ,19 13:00 Speer M -0,60m, ns ,21 Hammer M -1,13m, ns ,20 12:50 Kugel F -0,79m, ss 1,59 Diskus F -2,58m, ss 1,63 12:40 Speer F -2,33m, s 1,15 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 100m F 0,17s, ss 1,88 200m F 0,30s, s 1,40 Abb. 12. Der Epo-Effekt wird für den 5.000m-Lauf der Männer Hoch F -0,4cm, ns ,70 mit einer Amplitude von –18,2s (ss) und einer Effekt- Weit F -18,1cm, ss 2,36 stärke von 2,31 berechnet. Tab. 4. Epo: Ergebnisse für ausgewählte Laufstrecken der Ergebnisse zum Einsatz der Verwendung von Männer. Erythropoietin Auf den Langstreckendisziplinen der Männer lässt sich Effekt Disziplin Zeitraum Effektstärke abs., Sign. überaus deutlich die Signifikanz des Effektes nachwei- sen, der die Verwendung von EPO modellieren soll. Der 400m M 1994-2000 -0,37s, ns 1,20 Weltrekord über 10.000 Meter wurde beispielsweise um 400m H M 1994-2000 -0,53s, sT 1,54 über 40 Sekunden verbessert. Auch die Weltspitze 800m M 1993-1996 -0,82s, s 1,41 machte eine sprunghafte Entwicklung durch. Weiter ist 1500m M 1994-1997 -3,06s, ss 1,98 bemerkenswert, dass in den letzten Jahren des Daten- 3000m H M 1993-1997 -8,45s, ss 1,91 zeitraums das Niveau wieder stagniert, so dass man schließen kann, dass die Weltspitze mit diesem leis- 5000m M 1991-1996 -18,23s, ss 2,31 tungsfördernden Effekt „gesättigt“ ist. 10000m M 1992-1998 -24,72s, ss 2,32 dvs-Informationen 17 (2002) 4 21
Schwerpunktthema LAMES: Ist Doping als leistungsfördernder Effekt identifizierbar? Die Berechnung disziplinübergreifender Effektstärken Disziplinen, in denen die Effekte nicht nachgewiesen erlaubt den direkten Vergleich, und in Abbildung 13 ist werden konnten, vom Dopingverdacht rein gewaschen der geschilderte Zusammenhang zwischen Effektstärke seien. Vielmehr gilt hier lediglich die statistische Un- und Streckenlänge eindrucksvoll wiedergegeben. schuldsvermutung, da mit den eingesetzten Methoden aus verschiedenen Gründen die untersuchten Effekte nicht nachweisbar sind. 2,5 2,0 Literatur Bossel, H. (1994). Modellbildung und Simulation (2. Aufl.). 1,5 Braunschweig: Vieweg. 1,0 Cohen, J. (1977). Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences. Orlando: Academic Press. 0,5 Fuchs, P. & Lames, M. (1989). Mathematische Modellierung der Leistungsentwicklung und Leistungsprognosen in der 0,0 Leichtathletik. Sportwissenschaft, 19, 420-435. 400m 400m H 800m 1500m 3000m H 5000m 10000m Gundlach, H. (1968). Leistungsvorhersagen in leichtathletischen Disziplinen. Theorie und Praxis der Körperkultur, 17, 605-616. Abb. 13. Effektstärken des Epo-Effekts in Abhängigkeit von Hartmann, G. (1997). Goldkinder. Die DDR im Spiegel ihres der Streckenlänge. Spitzensports. Leipzig: Forum. Lames, M. (1983). Entwicklungsdiagnostik im Sport. Methodo- Zusammenfassung logische Untersuchung zum Verlauf, zur Periodizität und zu Wachstumsgrenzen in der Leichtathletik. Unveröff. Exa- Am Schluss der Betrachtungen ist noch einmal fest zu mensarbeit. Universität Mainz, Fachbereich Sport. halten, welchen exakten Status die getroffenen Aussa- Lames, M. (1994). Zeitreihenanalyse in der Trainingswissen- gen besitzen. Die Analysen können keinesfalls behaup- schaft. Spectrum der Sportwissenschaften, 6 (1), 27-50. ten, einen kausalen Nachweis darüber geführt zu ha- Lames, M. (1999). Harald goes to Work by Bike – M easuring ben, dass Doping für die Leistungssteigerungen bzw. the Effectiveness of a Physical Activity as Health Behav- Dopingkontrollen für die Leistungsrückgänge verant- iour by a Single-Case Time-Series Analysis. European Yearbook of Sport Psychology, 3, 38-57. wortlich sind. Es wurde allerdings versucht, drei Effekte Perl, J., Lames, M. & Glitsch, U. (2002). Modellbildung in der so zu gestalten, dass sie Dopingwirkungen modellieren. Sportwissenschaft. Schorndorf: Hofmann. Dabei lässt sich dope_out vollständig aus inhaltlichen Pfetsch, F.R., Beutel, P., Stork, H.M. & Treutlein, G. (1975). Lei- Annahmen ableiten, während bei dope_in und Epo stungssport und Gesellschaftssystem. Schorndorf: Hofmann. auch ex post-Dateninspektionen heran gezogen werden Spriet, J.A. & Vansteenkiste, G.C. (1982). Computer-aided mussten, da präzise Informationen über den Beginn der modelling and simulation. London: Springer. Wirksamkeit der Dopingmittel in der Weltspitze der Weiler, I. (1981). Der Sport bei den Völkern der Alten Welt. Leichtathletik naturgemäß nicht vorliegen. Darmstadt. Die „harte“ statistische Aussage, dass die Einbeziehung der so modellierten Effekte die Beschreibung der Daten überzufällig verbessert, kann zwar nicht als kausales, Prof. Dr. Martin Lames aber durchaus als starkes Plausibilitätsargument dafür Universität Augsburg angesehen werden, dass die modellierten Effekte auch Bewegungs- und Trainingswissenschaft tatsächlich inhaltlich wirksam waren. Wenn man dieser 86135 Augsburg Argumentation folgt, dann bedeutet dies nicht, dass die eMail: martin.lames@sport.uni-augsburg.de Neuerscheinung in der dvs-Schriftenreihe Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft Band 128 MONIKA ROSCHER (Hrsg.) Gerätturnen – E ine Bewegungskultur in der Diskussion Roscher (Hrsg.) 1. Tagung der dvs-Kommission Gerätturnen vom 25.-27.9.2000 in Melle. (Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, 128). Gerätturnen – Hamburg: Czwalina 2002. 128 Seiten. ISBN 3-88020-408-X. 16,50 €.* Eine Bewegungskultur in der Diskussion Wesentliche Fragen dieser Spannweite zwischen Tradieren und Reformieren in der Bewegungskultur des Turnens werden in diesem Band über die ersten Tagung der dvs- Kommission „Gerätturnen“ dokumentiert. Dabei wird die Bewegungskultur Gerätturnen 1. Tagung der dvs-Kommission Gerätturnen aus der Perspektive der Sportgeschichte, der Bewegungswissenschaft und der Sport- vom 25. – 27. September 2000 in Melle pädagogik/-didaktik diskutiert. Weiterhin werden schulische Lehrplaninhalte, Prü- fungsanforderungen und Konzepte der Turnausbildung an Hochschulen analysiert sowie zwei Projekte aus der Ausbildungspraxis vorgestellt. Richten Sie Ihre Bestellung an (* dvs-Mitglieder erhalten 25% Rabatt auf den Ladenpreis): dvs-Geschäftsstelle · Postfach 73 02 29 · 22122 Hamburg · Tel.: (040) 67941212 · eMail: dvs.Hamburg@t-online.de 22 dvs-Informationen 17 (2002) 4
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