PRESSEGESPRÄCH Weibliche Genitalverstümmelung - Die Krise in der Krise Die Auswirkungen von COVID-19 und die aktuelle Lage in Österreich - stopFGM
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PRESSEGESPRÄCH Weibliche Genitalverstümmelung – Die Krise in der Krise Die Auswirkungen von COVID-19 und die aktuelle Lage in Österreich Freitag, 5. Februar 2021 10:00 Uhr Petra Bayr Sprecherin der Plattform stopFGM Carlien Scheele Director of the European Institute for Gender Equality (EIGE)
Die Vereinten Nationen haben den 6. Februar zum International Day of Zero Tolerance to Female Genital Mutilation (FGM) erklärt. FGM ist eine Menschenrechtsverletzung, von der Mädchen und Frauen weltweit betroffen sind. Mindestens 200 Millionen Mädchen und Frauen in mehr als 30 Ländern wurden dieser Praxis unterzogen. Mehr als die Hälfte von ihnen leben in nur drei Ländern: Indonesien, Ägypten und Äthiopien. 44 Millionen der Betroffenen sind Mädchen unter 15 Jahren. FGM hat für die Betroffenen lebenslange seelische und körperliche Folgen. Anlässlich des internationalen Gedenktages gilt es, nationale und internationale Vereinbarungen im Kampf gegen FGM zu erneuern. Es gilt die Aufmerksamkeit auf das Problem und dessen Ursachen zu lenken, es gilt Aktivitäten kritisch zu hinterfragen, erzielte Erfolge zu feiern, neue Schritte zu planen und politisch Verantwortliche daran zu erinnern, aktiv gegen dieses Ritual der manifestierten Ungleichbehandlung aufzutreten. Die seit 2003 bestehende Österreichische Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung stopFGM informiert aus diesem Anlass über Aktivitäten gegen FGM im In- und Ausland und trägt so zur Bewusstseinsbildung für die Rechte von Mädchen und Frauen bei. Kontakt: Petra Bayr Sprecherin der Plattform stopFGM 01 - 40110 - 3685 petra.bayr@parlament.gv.at www.stopFGM.net Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Petra Bayr, Sprecherin der Plattform StopFGM FGM weltweit – Die Krise in der Krise Weltweit müssen laut UNICEF etwa 200 Millionen Mädchen und Frauen mit den körperlichen und seelischen Folgen von FGM leben. Im Jahr 2021 sind weltweit 4,16 Millionen Mädchen in Gefahr FGM ausgesetzt zu sein. Das Thema des Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung ist im Jahr 2021: "No Time for Global Inaction, Unite, Fund, and Act to End Female Genital Mutilation." Die Vereinten Nationen rufen dazu auf eine Welt zu erschaffen in der Mädchen und Frauen eine Stimme, eine Wahl und Kontrolle über ihr eigenes Leben haben.1 In den sozialen Medien werden Aktionen dazu mit dem Hashtag #Act2EndFGM! markiert. Laut Schätzungen des United Nations Population Fund (UNFPA) würde es 95 Dollar pro Mädchen kosten FGM zu verhindern.2 Die Hälfte der Länder in denen es eine hohe Prävalenz von FGM gibt sind Länder, die in den letzten Jahren von Katastrophen heimgesucht wurden, zum Beispiel Somalia, Mali, Sudan, Eritrea, Burkina Faso, Gambia, Guinea Bissau, Liberia und Tschad. Naturkatastrophen oder politische Umwälzungen haben diese Länder schwer erschüttert. 3 Die COVID-19 Pandemie ist in diesem Fall nur eine weitere Krise in der Krise.4 Anders als beim EBOLA Ausbruch 2014-2016 in Westafrika, wo aufgrund von Isolations- Maßnahmen FGM rückläufig war, haben die aktuellen Eindämmungsmaßnahmen das Vorkommen von FGM nicht reduziert. Im Gegenteil, nach Schätzungen der UNFPA wird die COVID-19 Pandemie zu 2 Millionen mehr Fällen von FGM führen, die sonst verhindert worden wären. Es wird erwartet, dass ein Drittel des Fortschritts der bereits erzielt worden ist wieder verloren geht. Das Ziel der Vereinten Nationen FGM bis 2030 zu eliminierten (Sustainable Development Goal 5.3) ist damit wieder in weitere Ferne gerückt. 1“The United Nations calls on the global community to reimagine a world that enables girls and women to have voice, choice, and control over their own lives.” International Day of Zero Tolerance for Female Genital Mutilation | United Nations 2Chapter 3: Cost of Ending Female Genital Mutilation | UNFPA - United Nations Population Fund 3Report_Preventing-and-responding-to-FGM-in-Emergency-and-Humanitarian-Contexts_17.12.20.pdf (copfgm.org) 4RESILIENCE_IN_ACTION_LESSONS_LEARNED_FROM_THE_JOINT_PROGRAMME_DURING_THE_COVID -19_CRISIS.pdf (unfpa.org) Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Untersuchungen der UNFPA ergaben, dass Schulschließungen und die damit einhergehende Isolation, sowie der Anstieg von Armut die Ursachen der drohenden Verschlechterung sind. Mögliche Langzeitfolgen sind auch durch einen früheren Abbruch der Schullaufbahn von Mädchen zu erwarten. Studien zeigen, dass Kinder weniger gebildeter Frauen eher dem Risiko von FGM ausgesetzt sind. o In Somalia glauben 31 Prozent der Befragten, dass es zu einer Zunahme von FGM während der Pandemie kommen wird o In Burkina Faso befürchten 66 Prozent der Befragten Schüler*innen, dass es zu einer Zunahme von Armut und damit von FGM kommen wird o In Äthiopien, Kenia und Nigeria wird befürchtet, dass es zu einer Zunahme von FGM kommt, da Mädchen schneller und früher verheiratet werden um der drohenden ökonomischen Krise zu entgehen Dennoch gibt es auch spannende Beispiele, wie selbst in Zeiten der Pandemie Aufklärungsarbeit gemacht werden kann5: o In Ägypten hat die Organisation Y-PEER einen Podcast mit dem Namen „Peer Cast“ entwickelt. Junge Menschen sprechen zu jungen Menschen unter anderem zum Thema FGM. o In Uganda sind Gerichte teilweise wegen der Pandemie geschlossen. Deswegen können Mädchen und Frauen nun online auf ein Rechtsberatungsservice zugreifen, wenn sie von FGM betroffen oder bedroht sind. Welche Maßnahmen wären in Österreich sinnvoll? Der Mutter-Kind-Pass sollte in Österreich zukünftig eine zentrale Rolle in der Prävention spielen. Dabei gilt es Stigmatisierung zu vermeiden. Das Wohl der betroffenen Frauen und ihrer Töchter muss im Vordergrund stehen. 5https://www.unfpa.org/sites/default/files/resource-pdf/RESILIENCE_IN_ACTION- _LESSONS_LEARNED_FROM_THE_JOINT_PROGRAMME_DURING_THE_COVID-19_CRISIS.pdf Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Carlien Scheele, Director EIGE Carlien Scheele ist Leiterin des European Institute for Gender Equality (EIGE) in Vilnius, Litauen. EIGE ist die einzige Agentur der Europäischen Union, die ausschließlich zu Geschlechtergerechtigkeit arbeitet. EIGE publiziert Studien und Forschungsergebnisse und unterstützt die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten bei der Förderung und Stärkung der Gleichstellung der Geschlechter. Seit Februar 2020 leitet Carlien Scheele EIGE und ist für dessen strategische Programme und Budget verantwortlich. Sie setzt sich dafür ein, die Position von EIGE als Kompetenzzentrum für Geschlechtergerechtigkeit in der EU weiter zu stärken und für mehr Kooperationen innerhalb und außerhalb von Europa. Zuvor arbeitete Carlien Scheele als Senior Gender Equality Adviser/Senior Human Resources Adviser im Europarat, nominiert von der niederländischen Regierung. Davor hat sie als Director for Gender and LGBT Equality für die niederländische Regierung gearbeitet und die Erstellung der nationalen Richtlinien für Geschlechtergerechtigkeit und LGBT koordiniert. Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Gender-based violence Female genital mutilation How many girls are at risk in Austria? 12–18 % (1) Girls at risk at risk The European Institute for Gender Equality (EIGE) estimates that 12–18 % of girls (735–1 083 of FGM girls) aged 0–18 are at risk of female genital mutilation (FGM) in Austria out of a total popula- tion of 5 910 girls aged 0–18 in 2019 and originating from countries where FGM is practised. Of these 5 910 migrant girls, 38 % (2 243) are second generation. Girls at risk of FGM in Austria mostly originate from Egypt and Somalia. Smaller groups originate from Ethiopia, Guinea, Iraq, Nigeria and Sudan (2). Asylum-seeking and refugee girls 31 % of asylum- From 2016 until the first half of 2020, there were 2 899 asylum-seeking girls aged 0–18 ori seeking girls ginating from FGM-practising countries. No official data on the number of people granted asy- at risk lum and living in Austria was found. Taken separately from resident migrants, EIGE estimates of FGM that 31 % of asylum-seeking girls are at risk of FGM in Austria (2019). FGM is a severe form of gender-based violence, leaving deep physical and psychological scars and affecting the lives of victims around the world. It is a violent form of subordination of women and girls and it stands in gross contradiction to the principles of gender equality. It is a violation of women’s and girls’ human rights. © Chiara Luxardo According to the World Health Organization, FGM refers to ‘all procedures involving the partial or total removal of the external female genitalia or other injury to the female genital organs for non-medical reasons’ (3). About the study EIGE has developed a methodology to estimate the number of girls at risk of FGM in the EU and has applied it to a total of 13 Member States. The calculation of FGM risk considers two scenarios. In the high-risk scenario, it is assumed that there is no influence of migration and that girls originating from an FGM-practising country and living in an EU Member State face the same risk as if they had never migrated. In the low-risk scenario, it is assumed that migration and acculturation influence changing attitudes and behaviours regarding FGM (4). The latest study, ‘Estimation of girls at risk of female genital mutilation in the European Union – Denmark, Spain, Lux- embourg and Austria’ was conducted in 2020. It provides the EU institutions and EU Member States with accurate information on FGM and its risks among girls in the EU. This enables the design of targeted policies to eradicate FGM. (1) This percentage refers to girls aged 0-18 originating from countries where female genital mutilation is practised. Data for Denmark, Luxembourg and Austria is from 2019. Data for Spain is from 2018. ( 2) EIGE, Estimation of girls at risk of female genital mutilation in the European Union – Denmark, Spain, Luxembourg and Austria, Publications Office of the Europe- an Union, Luxembourg, 2021. ( 3) World Health Organization, factsheet on female genital mutilation, 2020, (http://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/female-genital-mutilation). (4) EIGE, Estimation of girls at risk of female genital mutilation in the European Union - Denmark, Spain, Luxembroug, and Austria, Publications Office of the Europe- an Union, Luxembourg, 2021.
European Institute Female genital mutilation – How many girls are at risk in Austria? for Gender Equality What are the trends over time? The absolute number of girls at risk of FGM in Austria has tries of origin of migrant girls. In 2011, the largest group increased due to an increase in the number of migrant of girls was from Ethiopia, which has an FGM prevalence girls from FGM-practising countries (from 1 507 in 2011 to rate of 47 % for girls and women aged 15–19. In 2019, the 5 910 in 2019). However, the percentage of girls at risk in largest group was girls from Iraq, which has a much lower the high-risk scenario has decreased, from 29 % in 2011 to prevalence rate of FGM at 5 % of girls and women aged 18 % in 2019. The decrease in the share of girls in the high- 15–19. See Figure 1 for an illustration of the changes over risk scenario may be attributed to a change in the coun- time. Figure 1. Change in the estimated number and proportion of girls in the resident migrant population at risk of FGM from 2011 to 2019 (2011); No = 11 525 24 % Denmark 13 % (2019); No = 12 462 21 % 11 % (2011); No = 25 634 24 % 15 % Spain 15 % (2018); No = 39 734 9% (2011); No = 161 9% Luxembourg 5% 17 % (2019); No = 822 12 % (2011); No = 1 507 29 % Austria 20 % (2019); No = 5 910 18 % 12 % No = Total population of girls (aged 0–18) from FGM-practising countries High-risk scenario Low-risk scenario The overall size of the female migrant population from FGM-practising countries differs substantially across the four Member States. FGM is a problem that consequently affects countries to varying extents. The current estimated proportion of girls at risk varies from 15 % in Spain to 21 % in Denmark in the high-risk scenario for this study and from 9 % in Spain to 12 % in both Luxembourg and Austria in the low-risk scenario. There have also been variations in the trends over time. Luxembourg is the only Member State examined in which the estimated percentage of girls at risk has increased since 2011. Source: EIGE, Estimation of girls at risk of female genital mutilation in the European Union - Denmark, Spain, Luxembourg, and Austria, 2021. Community perspectives To gain in-depth knowledge and understanding about FGM at least one of their daughters cut. Egyptian young women among the diaspora living in Austria, four focus groups were spoke about having experienced anti-Islamic sentiment and held with women and men from Egypt and Sudan. discrimination (for example while wearing a hijab), and high- lighted that FGM’s perceived association with Islam reflects All participants stated that FGM is a historical practice that badly on their religion. mostly continues in rural areas in the countries of origin among less-educated people. Despite not seeing the prac- Participants in all focus groups thought that at least some tice as belonging to their social group, FGM was given a cer- people in their communities in Europe had practised FGM tain sociocultural importance by all participants in terms of and travelled to their countries of origin for that purpose. marriageability, beautification and control of sexuality and Participants in all four focus groups were generally aware virginity. Participants agreed that not being cut is viewed of the existence of a law against FGM in Austria, or at least negatively in Egyptian and Sudanese societies and especially assumed that there might be one. However, some were not in their home countries. Both men and women consider men aware of the law in Austria, nor in their country of origin the most important decision-makers about FGM due to fa- (FGM is against the law in both Egypt and Sudan). milial power dynamics. One of the central risks highlighted by participants is the Second-generation Egyptian participants had the clearest medicalisation of FGM in Egypt and the assumption that neg- standpoint against FGM, while first-generation women from ative health consequences can be avoided if it is performed Egypt and Sudan were more ambivalent and several had had in a ‘safe way’.
Female genital mutilation – How many girls are at risk in Austria? European Institute for Gender Equality How does Austria tackle female genital mutilation? Specific criminal law provision on FGM FGM-specific asylum legal provisions FGM-related child protection interventions Official process for professionals to report Criminal law. In Austria, FGM is a crime against sexual integrity and autonomy under the Penal Code, and a crim- inal offence that is punishable even when committed abroad. The most recent amendments to relevant laws in Austria came into effect on 1 January 2020. Section 85(1) of the Austrian Penal Code (subsection 2a on bodily harm with severe and sustainable adverse effects) specifically mentions genital mutilation. The practice can be penalised with up to 10 years’ imprisonment. However, there is no data available on FGM-related prosecutions in Austria. LEGAL FRAMEWORK Child protection law. A recently amended law places a legal obligation on health professionals to immediately pro- vide written notification to the local child and youth welfare office if, during a professional activity concerning the birth or registration of a birth, a health institution suspects that the welfare of a child (whose mother is a victim of FGM) is in danger and that this danger cannot be prevented otherwise. The current version of this law (the National Children and Youth Services Law Section 37(1a)) came into effect in January 2020. Asylum law. Austria’s Asylum Act (2005) does not specifically mention FGM or gender-based persecution. However, asylum on the grounds of FGM can be granted in Austria if the applicant is at risk in their country of origin due to membership to a particular social group (FGM would be considered gender-based persecution), as outlined in the Geneva Convention. Case-law analysis indicates that FGM has been accepted as grounds to grant asylum in some cases, or at least a right to residence. Official process for professionals to report FGM. Medical doctors are obliged to report a crime of bodily harm that was caused by an illegal act under Section 54(4) of the amendment of the Physicians Law, which came into effect in October 2019. The governmental action plan ‘Women's Health – 40 measures for the health of women in Austria’ entered into force in 2017. The action plan outlines measures for violence prevention, including specific issues faced by migrant women. However, FGM is not explicitly mentioned. In 2019, the Austrian Ministry of Health published a document on intercultural care in the context of sexual and re- productive health. It contains key details for health professionals, including a list of all institutions that are concerned with migrant women’s health in Austria, such as those working with victims of FGM. Education and information points, support services such as translation and interpretation and those supporting women during pregnancy and childbirth. POLICY FRAMEWORK From 2018 to 2019, the Austrian government (Ministry for Europe, Integration and Foreign Affairs) funded the project INTACT, a cooperation between FEM Süd (Vienna) and women’s health centres in Salzburg and Linz. As part of the pro- ject, individuals from different FGM-affected communities were trained to become peer educators on FGM eradication in their communities. The individuals who took part had backgrounds in education, pharmacy, interpretation, social work, healthcare and nursing. Since 2018, the government’s Austrian Integration Funds have provided courses on Austrian values to recent migrants and people granted asylum, including one on FGM. In early 2020, the Viennese Programme for Women’s Health published an online training programme on FGM for teachers and other educators to be better prepared if girls require their support. It was developed together with experts in the field. The first health counselling establishment in Austria to exclusively target women from countries where FGM is prevalent (FGM Süd) was established in September 2007 and remains one of the key institutions dealing with FGM in Austria. Today, there are other women’s health and migrant counselling centres that provide education and counselling to victims of FGM – including Diakonie, Caritas and the Red Cross. There are also three FGM clinics in hospitals in Vienna, all led by gynaecologists experienced in providing healthcare for women with FGM and trained in defibulation and other reconstructive surgery.
Female genital mutilation – How many girls are at risk in Austria? European Institute for Gender Equality Recommendations for Denmark, Spain, Luxembourg and Austria • Strengthen professional capacity. There are gaps in the profi- FGM, as well as the legislative consequences. Support should be pro- ciency and sensitivity of public services offered to women and girls vided for community members raising awareness on FGM to develop who have undergone – or are at risk of – FGM, including in the platforms of dialogue within their communities. healthcare, education, law enforcement, child protection, asylum and • Strengthen local initiatives on FGM within municipalities. Af- migration sectors. Specialised training for staff in these sectors can fected communities and civil society organisations should be involved give them the knowledge they need to provide an effective service. in developing and implementing local initiatives to ensure effective Training should be tailored to each professional field and should be messaging and outreach on the harmful effects of FGM. In order for provided by relevant ministries and agencies responsible for estab- local initiatives to be relevant and well targeted, with specific cultural lishing professional training and workplace standards and guidance. factors taken into consideration, it is important to identify communi- • Align the implementation of asylum provisions with the Of- ties where FGM is prevalent. This should be based on available data fice of the United Nations High Commissioner for Refugees on migrant populations. Community-based organisations and individ- guidance note on FGM (5). Asylum claims should recognise FGM as uals should be recognised for their awareness-raising work and initia- a form of gender-based persecution and an act of violence against tives should receive adequate long-term funding. women, as per international conventions. Women and girls who • Implement a national registration system to record cases of have undergone FGM should be considered refugees and the asy- FGM. In Spain, Luxembourg and Austria there is no national regis- lum procedure strengthened through additional guidance or law tration system to record cases of FGM, while in Denmark the registry changes. exists but is not systematically used. There should be a mandatory • Engage men. FGM is a taboo topic within affected communities requirement for all healthcare professionals to register cases of FGM and is often considered ‘women’s business’. However, men are often using the diagnosis code consistently and anonymously. Healthcare considered the key decision-makers about FGM, so awareness cam- professionals should be trained on this mandatory recording require- paigns should aim to improve their knowledge of the harm caused by ment. Recommendations for Austria • Improve monitoring of reported FGM cases that result in and community-based organisations should be put in place to coor- prosecution and conviction. There is limited information on the dinate implementation. A single ministry, such as the Federal Minis- number of cases and prosecutions. This makes it difficult to assess try for Social Affairs, Health, Care and Consumer Protection should the extent to which anti-FGM legislation has been enforced. Moni- oversee the action plan, which should run for multiple years. toring should be enhanced to include systematic collection of data on the number of FGM cases reported, the number of FGM-related • Build trust with FGM-affected communities. Fear of detection prosecutions and convictions, and the number and nature of puni- by healthcare professionals can hinder the creation of relationships tive measures imposed. of trust. Healthcare professionals should be trained on FGM, the law, ethical professional principles and non-stigmatising interven- • Develop a national action plan on FGM with accompany- tions. Healthcare professionals should establish respectful dialogue ing budget. The government should create a working group with relevant ministries, professional networks, civil society and commu- and, in cases of FGM risk, ensure quick referral to specialised organ- nity-based organisations to establish what measures are needed to isations and social services. A risk assessment tool should be cre- better tackle FGM. A national action plan on FGM should be put to- ated, for example by the Federal Ministry for Social Affairs, Health, gether based on their findings, outlining what human and financial Care and Consumer Protection for all professionals to ensure evi- resources are needed to implement the required measures. A mul- dence-based, systematic case analysis. FGM-affected communities ti-stakeholder platform including professional networks, civil society should be involved in the design of anti-FGM awareness campaigns. (5) Office of the United Nations High Commissioner for Refugees, Guidance Note on Refugee Claims relating to Female Genital Mutilation, 2009, available at https://www.refworld.org/docid/4a0c28492.html European Institute for Gender Equality Contact details The European Institute for Gender Equality (EIGE) is the EU knowledge http://eige.europa.eu/ centre on gender equality. EIGE supports policymakers and all relevant facebook.com/eige.europa.eu institutions in their efforts to make equality between women and men twitter.com/eurogender a reality for all Europeans by providing them with specific expertise and youtube.com/user/eurogender comparable and reliable data on gender equality in Europe. https://www.linkedin.com/company/eige © European Institute for Gender Equality, 2021 eige.sec@eige.europa.eu Reproduction is authorised provided the source is acknowledged. +370 52157444 https://eurogender.eige.europa.eu/ European Institute for Gender Equality Gedimino pr. 16 LT-01103 Vilnius Lithuania Print: MH-06-20-131-EN-C ISBN 978-92-9482-693-0 doi:10.2839/576602 PDF: MH-06-20-131-EN-N ISBN 978-92-9482-694-7 doi:10.2839/894283
Frauenstimmen zu FGM Born Complete Zwei wichtige Projekte des UNFPA machen die Stimmen von Frauen und Mädchen hör- und erlebbar. Abida Dawud aus Äthiopien ist selbst betroffen und leidet immer noch an den Auswirkungen der Genitalverstümmelung. Ihre Tochter lässt sie nicht beschneiden. Sie macht Bewusstseinsarbeit mit Mädchen und Frauen zum Thema FGM. “I teach women and girls about the harm of FGM. I tell them that it harms you physically and takes away your sexual desire. FGM took away my sexual desire, and it would do the same to my daughter. (…) I want to say to the world: Stop FGM, it has harmed me and damaged my life. If you don’t stop it, you will witness the suffering.”6 Tabitha (Bild) lebt in Kenia. Sie wird von ihren Eltern dabei unterstützt sich gegen die gesellschaftlichen Vorurteile durchzusetzen und sich nicht FGM zu unterziehen. Mitglieder ihrer Gemeinde haben versucht die Jugendliche unter Zwang zu verstümmeln. Sie wurde von ihren Eltern und ihrem Pastor gerettet. “I said that there is no day that I will be cut. I will continue and finish my education and fight for the rights of girls, so that they do not undergo FGM.”7 6 https://www.unfpa.org/a-piece-of-me#abida 7 https://www.unfpa.org/born-complete/intact Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
© Luca Zordan for UNFPA Empfehlungen der Plattform für Journalist*innen Sensibler Umgang mit der Terminologie Immer wieder wird – international wie auch in Österreich – darüber diskutiert, welcher der richtige Begriff für die Menschenrechtsverletzung FGM ist. Als österreichische Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung halten wir uns dabei an die Begrifflichkeiten, wie sie TERRE DES FEMMES empfiehlt. Im Umgang mit betroffenen Frauen schlagen wir vor, den Begriff Beschneidung zu verwenden, weil viele Frauen, die davon betroffen sind, nicht als verstümmelt wahrgenommen werden wollen, da sie dadurch zusätzlich stigmatisiert und zu „Exotinnen“ gemacht werden. Damit wird im direkten Umgang mit den Frauen Rücksicht auf ihre Würde als Betroffene in Österreich genommen. Diese Verwendung des Wortes Beschneidung soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die weibliche Genitalbeschneidung ungleich schwerwiegender ist als die männliche Vorhautbeschneidung, weil sie meist der Amputation des männlichen Gliedes gleichkommt. Im Bereich der Politik und der Kampagnisierung verwenden wir jedoch den Begriff Verstümmelung, weil dies die reale Schwere des Eingriffs widerspiegelt und die dafür notwendige politische Aufmerksamkeit weckt. Wir setzen uns damit dafür ein, dass FGM nicht verharmlost wird. Mit der Abwägung, welcher Begriff wann zu verwenden ist, versuchen wir je nach Situation auch in unserer Sprache jene Sensibilität an den Tag zu legen, die das Problem verlangt. International wird manchmal der Terminus FGM/C (für mutilation und cutting bzw. circumcision – also Verstümmelung und Beschneidung) verwendet, was sich im Deutschen allerdings nicht leicht umsetzen lässt. Internationale Dokumente verwenden in ihrer englischen Fassung immer öfter „female genital mutilations“, um darauf hinzuweisen, dass es unterschiedliche Formen von FGM gibt. Definition von weiblicher Genitalverstümmelung durch die Weltgesundheits- organisation: Gemäß der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2010) versteht man unter weiblicher Genitalverstümmelung (FGM – Female Genital Mutilation) alle Prozeduren, die die teilweise oder völlige Entfernung der externen weiblichen Genitalien oder andere Verletzungen der weiblichen Genitalien - aus kulturellen oder anderen nicht-therapeutischen Gründen - umfassen. Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Nationale Gesetzgebung zu FGM in Österreich Trotz guter rechtlicher Lage bisher kein Urteil o 2001: FGM fällt unter den Tatbestand der (schweren) Körperverletzung, auch wenn es eine Zustimmung zum Eingriff seitens des Opfers gibt. o 2006: Verlängern der Verjährungsfrist, sodass die Verjährungsfirst von drei Jahren erst mit dem 18. Lebensjahr beginnt. o 2009: Die Zeit von der Tat bis zum Erreichen des 28. Lebensjahres des Opfers wird nicht in die Verjährung gerechnet, wenn das Opfer zum Tatzeitpunkt minderjährig war. o 2011: Ausweiten auf das Prinzip der Extraterritorialität: d.h. Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt in Österreich haben, können auch außerhalb des Hoheitsgebiets belangt werden, wenn sie FGM durchführen, dazu beitragen oder sie anstiften. o 2013: Ratifizieren der „Istanbul Konvention“: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen – explizite Nennung von FGM o 2020: Durch eine Änderung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz wird die Meldepflicht vom begründeten Verdacht, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist auf den Umstand, dass die „Mutter Opfer von weiblicher Genitalverstümmelung geworden ist“ ausgeweitet. Expert*innen begrüßen jede Meldepflicht prinzipiell als Präventionsmaßnahme, merken aber an, dass die nötige Expertise beim zuständigen Gesundheitspersonal nicht flächendeckend vorhanden ist und befürchten Traumatisierungen. In Österreich fehlt zudem Personal, das für gynäkologische Begutachtungen an Kindern und zum Thema FGM geschult ist. Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
Warum wird FGM praktiziert? FGM ist Ausdruck tief verwurzelter Diskriminierung von Frauen In jeder Gesellschaft, in der FGM durchgeführt wird, ist weibliche Genitalverstümmelung Ausdruck tief verwurzelter Diskriminierung von Frauen. Ist FGM in einer Gemeinschaft weit verbreitet, wird das Ritual üblicherweise von Männern und Frauen ohne hinterfragt zu werden, durchgeführt und akzeptiert. Für einzelne Familien kann es sehr schwer sein, diese schädliche Tradition zu beenden, wenn die Unterstützung der Gemeinschaft fehlt. Denn leider wird FGM selbst dann praktiziert, wenn die negativen körperlichen und seelischen Folgen bekannt sind, weil der Glaube an die sozialen Vorteile größer als alle Nachteile erscheint. Der Weltbevölkerungsfonds der Vereinten Nationen8 hat fünf Kategorien identifiziert, warum FGM durchgeführt wird: Psychosexuelle Gründe: FGM wird durchgeführt, um die weibliche Sexualität zu beherrschen. Es gibt den Glauben, dass weibliche Lust unstillbar ist, solange nicht Teile der äußeren Genitalien, im Speziellen die Klitoris, entfernt/beschnitten/verstümmelt sind. FGM soll Jungfräulichkeit vor und Treue während der Ehe versichern und die sexuelle Lust der Männer steigern. Soziologische und kulturelle Gründe: FGM wird als Initiationsritus gesehen. Ist das Ritual vollbracht, wurde aus dem Mädchen eine Frau, die das kulturelle Erbe der Gesellschaft weiterleben lässt. Zudem sorgen Mythen, wie dass eine nicht beschnittene/nicht verstümmelte Klitoris bis zur Größe eines Penis anwachse, FGM fruchtbar mache oder die Gesundheit des Kindes sicherstelle, für das Weiterleben von FGM. Hygienische und ästhetische Gründe: In manchen Kulturen gelten die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane als schmutzig und abstoßend. Sie zu verstümmeln sei ein Gebot der Hygiene und Ästhetik. Religiöse Gründe: Obwohl FGM weder im Christentum noch im Islam begründet ist, werden angebliche religiöse Gebote genannt, um FGM zu rechtfertigen. FGM ist jedoch kulturgeschichtlich viel Älter als alle Buchreligionen. Sozio-ökonomische Gründe: In manchen Gesellschaften wird FGM als Bedingung für die Ehe gesehen. Ökonomische Abhängigkeit zwingt so Frauen zu FGM, das auch eine Bedingung sein kann, um Erbe antreten zu können. Manche Frauen, so genannte Beschneiderinnen, hängen von dem Einkommen ab, das sie durch FGM erlangen. 8http://www.unfpa.org/resources/female-genital-mutilation-fgm-frequently-asked-questions#women_affected Online-Pressegespräch, 05.02.2021 - Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung
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