CLB Chemie in Labor und Biotechnik
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CLB Analytik Biotechnik Optimierte Prozesse Komplexe Materialien Maßgeschneiderte Moleküle Menschen und Chemie Chemie in Labor und Biotechnik Aus- und Weiterbildung Spintronik Neuronen: Struktur und Funktion Jugend forscht: Ethen Jugend forscht: Cyclodextrine Kegelschnecken und Bionik Nardenöl 08 - 09 / 2011 D 2046 E
CLB-Geschichte Immer wieder erstaunen heutzutage die Erkenntnisse der Hirnforschung, wie sie in dieser CLB wiederholt angesprochen werden. Vor 40 Jahren berichtete die CLB auch bereits darüber; hier ein Artikel dazu. Das Titelbild zeigt übrigens die Arbeit mit einem Massenspektrometer. Fortsetzung Umschlagseite 3 U2 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
Editorial Liebe CLB-Leserin, lieber CLB-Leser, mit dieser CLB setzen wir die Tradition fort, befassen – wie es die Jugend forscht-Teilnehmer herausragende Arbeiten des Wettbewerbs „Ju- ja vorbildlich zeigen. Oft sind Zusammenhänge gend forscht“ vorzustellen. Was mich besonders heute so komplex, dass eine oberflächliche Be- freut ist aber auch, dass die Unterstützung der trachtung nicht hilft. jungen Leute immer wieder auf fruchtbaren Boden fällt; die Danksagungen geben dazu Aus- Für mich bemerkenswert war jüngst ein Urteil kunft. Besonders schön diesmal: Dr. Roland Full, des Europäischen Gerichtshofs. Demnach darf Betreuungslehrer des Beitrags „Zauberformel Honig mit Spuren von gentechnisch veränderten gegen Mundgeruch“ ab Seite 374, war bereits Pflanzen, die nicht für die Verwendung in Le- Betreuungslehrer einer Jugend forscht-Teilneh- bensmitteln zugelassen sind, in der EU nicht merin, deren Beitrag 1994 in der CLB abge- ohne Genehmigung verkauft werden. Konkret: druckt worden ist. Erfreulicherweise engagieren Sobald der Anteil der Pollen von gentechnisch sich auch immer mehr Privatunternehmen und veränderten Pflanzen 0,9 Prozent überschreitet, Stiftungen für die Förderung von Jugendlichen muss der Honig als „gentechnisch verändert“ in Naturwissenschaften und Technik. Zwei gekennzeichnet werden, was nicht unbedingt Beispiele dafür lesen Sie in dem „Erreichen & verkaufsfördernd ist. Solch eine Entscheidung Erhalten“-Teil ab Seite 408. mit derart spezifischen Grenzwerten geht doch an wahren Schutzbedürfnissen der Verbraucher Die Spintronik liegt mir seit längerem thematisch vorbei. Wie oft ändern sich Gene in der Natur? am Herzen. In dieser CLB hat sich das ab Seite Wer prüft die daraus entstehenden Gefahren? 336 in einem Artikel niedergeschlagen. Fazit: Wer überwacht die Grenzwerte? Und noch viel noch in der Grundlagenforschung, faszinieren- wichtiger: Wer kümmert sich endlich mal um de Eigenschaften für neuartige Computerchips, Gefahren, die aus vermeintlich besonders ge- immer gut für Überraschungen – auf jeden Fall sunder „Bio-Ernährung“ kommen? Immerhin genug Stoff für einen gehaltvollen Artikel. Ich ging die EHEC-Infektionswelle, durch die 4300 werde das Thema weiter verfolgen, ich hoffe in Menschen infiziert wurde – 50 von ihnen starben Ihrem Interesse. Und nicht vergessen, wozu die – von Sprossen aus Bio-Bockshornklee aus. Der Forschung auch dienen soll: Zur Simulation des Agrarstatistiker Georg Keckl schrieb dazu: „Die Gehirns. Dazu gilt es jedoch auch, die Bausteine Häufung von EHEC-Infektionen bei Vegetariern, des Gehirns zu erforschen. Wie sehr da eine Sym- insbesondere Vegetarierinnen, bei Veganern, biose von Informatik und Biologie hilft zeigt der bei Kunden, die nur im Bioladen eingekauft ha- Artikel „Von der Struktur zur Funktion einzelner ben, hätte die Sperrung sämtlicher Bioprodukte Nervenzellen“ ab Seite 346. in Deutschland zur Folge haben müssen, hätte man die gleichen Sperrungsmaßstäbe wie beim Blickt man auf solche Themen scheint die Ent- Dioxinskandal angewendet.“ Die Tageszeitung wicklung in Naturwissenschaft und Technik „Welt“ berichtete: „Das Medikament Soliris aus das Auffassungsvermögen des Menschen fast den USA, durch das einige der Schwerkranken zu überschreiten. Die Folge: Ängste entstehen. doch noch gerettet werden konnten, wird übri- Dagegen hilft nur Wissen. Heute glaubt auch gens gentechnisch hergestellt. Eigentlich eine niemand mehr an Thor, wenn der Donner grollt. Steilvorlage für Gentechnikgegner, denn es ist Für Wissen in den Naturwissenschaften rollt jetzt hierzulande nicht zugelassen. Hoffentlich kommt eine Wanderausstellung durch Deutschland: „T- der Europäische Gerichtshof nicht dahinter.“ Shirts, Tüten und Tenside – Die Ausstellung zur Nachhaltigen Chemie“ der Deutschen Bundes- Dazu ist nichts weiter zu sagen, stiftung Umwelt wurde anlässlich des GDCh- Wissenschaftsforums Chemie 2011 in Bremen Ihr eröffnet (s. S. 413). Ich hoffe jedoch, diese und ähnliche Ausstellungen haben nicht nur einen Sensationseffekt, sondern geben dem einen oder der anderen auch Anlass, sich tiefergehend mit Fragen aus Naturwissenschaft und Technik zu CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011 329
INHALT Wenn Magnetmomente wechselwirken Aufsätze Spintronik: Seltsame Effekte, ungewöhnliche Stoffe, Memristoren, Supercomputer__________________________________ 336 So filigran und so komplex Von der Struktur zur Funktion einzelner Nervenzellen______________ 346 Molekül mit sagenhaften Eigenschaften Jugend forscht: Ethen – Schlüsselmolekül für Äpfel und Bananen_____ 352 Zauberformel gegen Mundgeruch: C42H70O36 Jugend forscht: Cyclodextrine führen Jungchemiker zum Preis der Kanzlerin_______________________________________ 374 Die „Perlen“ der Kegelschnecken Opercula: Verschlusssteine gegen Feinde und Austrocknung_________ 388 Editorial_ __________________________________________________ 329 Rubriken Impressum_ ________________________________________________ 331 F & E im Bild________________________________________________ 331 Unternehmen_______________________________________________ 332 Personalia__________________________________________________ 334 Förderungen / Preise _________________________________________ 335 Serie: Seltene Metalle________________________________________ 395 Teil 2: Arsen, Antimon und Bismut Umschau___________________________________________________ 398 Gebündelt im Diamanten – PSI-Forscher: Harte Röntgenlaserstrahlung 100 000fach konzentriert Zum Titelbild: Das Bild weist hin auf den Artikel Forschung und Technik________________________________________ 400 Spintronik ab Seite 336 Literatur_ __________________________________________________ 402 hin (Abb.: M. Menzel, Uni Der neueste Stand___________________________________________ 404 Hamburg). Neue Produkte______________________________________________ 405 Bezugsquellenverzeichnis_____________________________________ 423 CLB-Geschichte____________________________________________ U1, U3 Apps programmieren Erreichen & Erhalten Sommercamp am HPI_________________________________________ 408 Vor-Ort-Analytik: Mineralwasserquellen in der Eifel 19. Sommerakademie der Hochbegabten-Stiftung der Kreissparkasse Köln_______________________________________ 409 Kaukasischer Löwenzahn: künftige Kautschukquelle? Zuchtmethoden gesucht, um schnell zu ertragreichen Sorten zu gelangen____________________________ 412 „T-Shirts, Tüten und Tenside“ DBU-Wanderausstellung in Bremen eröffnet______________________ 413 Nardenöl – von Bibelzitaten zu Terpenoiden Chemie vom Feinsten im Parfumöl der Antike_____________________ 414 Massenspektrometrie Mehrere richtige Antworten pro Frage sind möglich._______________ 422 330 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
F & E im Bild Polymer als Supercap Superkondensatoren – kurz Supercaps – kön- nen wie ein Kondensator bei Bedarf rasch hohe Stromdichten liefern, gleichzeitig speichern sie wie eine Batterie eine hohe Menge elektrischer Energie. Sie bestehen aus elektrochemischen Doppelschichten auf Elektroden, die mit einem Elektrolyt befeuchtet sind. Beim Anlegen einer Spannung sammeln sich an beiden Elektroden Ionen entgegengesetzter Ladung und bilden hauchdünne Zonen von unbeweglichen Ladungsträgern. Anders als bei Akkus tritt nur eine Ladungsverschiebung, aber keine chemische Stoffänderung auf. Eine Stoffklasse für Supercaps sind spezielle gerüstartig aufgebaute, mikroporöse organische Polymere (Abbildung), zeigte jetzt ein Team um Dinglin Jiang von den National Institutes of Natural Sciences in Okazaki (Japan). Aufgrund der Anordnungen ihrer Doppelbindungen kann sich ein Teil ihrer Elektronen in ausgedehnten Bereichen des Gerüsts frei bewegen. Daher sind solche Materialien elektrisch leitfähig. Die hohe innere Oberfläche ist wichtig für die Bil- dung von elektrostatischen Ladungstrennungs- Schichten in den Poren. Die Forscher haben jetzt ein stickstoffhaltiges Gerüst synthetisiert, dessen Porengröße optimal ist, um Ionen rasch hinein- und hinauszulassen – Voraussetzung für eine schnelle Aufladung und Entladung (Abb.: Wiley-VCH). Impressum CLB Redaktion: Abonnentenbetreuung: Erfüllungsort ist Heidelberg. Mitglieder Chemie in Labor und Biotechnik Rolf Kickuth (RK, verantwortlich; Natalia Bajramovic des VBTA, des VCÖ sowie des VDC erhal- E-Mail: kickuth@clb.de), E-Mail: service@clb.de ten die CLB zu Sonderkonditionen. Verlag: Dr. Christiane Soiné-Stark Agentur & Verlag Rubikon (CS, E-Mail: stark@clb.de). Layout und Satz: Anzeigenpreisliste: für technische und wissenschaftliche Agentur & Verlag Rubikon Nr. 46 vom 01. 12. 2006. Fachinformation – Rolf Kickuth Ständige Mitarbeiter: Druck: Printec Offset, Ochshäuser Straße Anschrift: Raymond Blavatt (Grafik) San Diego (USA); 45, 34123 Kassel Bei Nichterscheinen durch Streiks oder CLB, Agentur & Verlag Rubikon Dr. Maren Bulmahn, Bensheim; Störung durch höhere Gewalt besteht kein Bammentaler Straße 6–8 Knut Burgdorf, Ried-Brig (CH); CLB erscheint monatlich. Anspruch auf Lieferung. 69251 Gaiberg bei Heidelberg Prof. Dr. Wolfgang Hasenpusch, Hanau; © 2011 Agentur und Verlag Rubikon Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Deutschland Dr. Mechthild Kässer, Diekholzen; Rolf Kickuth einzelnen Beiträge und Abbildungen sind E-Mail: redaktion@clb.de Dr. Annette von Kieckebusch-Gück, Liestal (CH); urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer- Prof. Dr. Röbbe Wünschiers, Quedlinburg. tung außerhalb der engen Grenzen des Gründungsherausgeber: Bezugspreise: Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim- Dr. Dr. h.c. Wilhelm Foerst (†) VBTA-Verbandsmitteilungen: CLB Chemie in Labor und Biotechnik mung des Verlags unzulässig und straf- Prof. Dr. Wilhelm Fresenius (†) Thomas Wittling, Einzelheft – außerhalb des Abonnements bar. Raiffeisenstraße 41, 86420 Diedorf – 14,00 Euro, im persönlichen Abonne- Für die Rückgabe unverlangt eingesand- Herausgeber: Telefon (0821)327-2330 ment jährlich 109,00 Euro zuzüglich Ver- ter Buchbesprechungsexemplare kann Prof. Dr. Dr. U. Fitzner, Ratingen Fax (08 23 8) 96 48 50 sandkosten; ermäßigter Preis für Schüler, keinerlei Gewähr übernommen werden. Prof. Dr. K. Kleinermanns, Düsseldorf, E-Mail: info@vbta.de Studenten und Auszubildende (nur ge- Prof. Dr. J. Schram, Krefeld gen Vorlage der Bescheinigung) jährlich ISSN 0943-6677 Prof. Dr. Georg Schwedt, Bonn Anzeigenservice: 79,45 Euro zuzüglich Versandkosten, in- Dr. Wolfgang Schulz, Stuttgart Natalia Bajramovic kl. 7% MWSt. Ausland sowie Firmenbzw. Prof. Dr. G. Werner, Leipzig. CLB, Agentur & Verlag Rubikon Bibliothekenabonnements auf Anfrage. Bammentaler Straße 6–8 Bezug durch den Buchhandel und den 69251 Gaiberg bei Heidelberg Verlag. Das Abonnement verlängert sich Telefon (0 62 23) 97 07 43 jeweils um ein weiteres Jahr, falls nicht 8 Fax (0 62 23) 97 07 41 Wochen vor Ende des Bezugsjahres Kün- E-Mail: service@clb.de digung erfolgt. CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011 331
Unternehmen NACHRICHTEN & NOTIZEN Verbot von Galliumarsenid? Bilfinger Berger Industrial Services Group (BIS Optische Industrie fürchtet ECHA-Einstufung Group), München, übernimmt von der Funkwerk AG, D Kölleda / Thüringen, zu 100 Prozent die Alpha Meß- er Industrieverband „Spec- ten herstellenden deutschen und Steuer-Regeltechnik GmbH mit Hauptsitz in Neustadt taris“ kritisiert ein aktuelles europäischen Hochtechnologi- an der Weinstraße / Rheinland-Pfalz. Der EMSR-Spe- Einstufungsverfahren der Euro- eunternehmen in den Bereichen zialist mit den Branchenschwerpunkten Gas, Chemie päischen Chemikalienagentur Hochfrequenzelektronik und Tele- und Energie erzielte 2010 mit etwa 120 Mitarbeitern (ECHA). Der Verband befürch- kommunikation, Lasertechnik, Op- eine Jahresleistung von rund 17 Millionen Euro. Die tet für die optischen Technolo- toelektronik und Photovoltaik. Im Übernahme steht unter dem Vorbehalt der kartell- gien massive Einschränkungen zweiten Schritt wären aber auch rechtlichen Genehmigung. Über den Kaufpreis wurde bei der Versorgung mit dem massiv die nachgelagerten Indus- Stillschweigen vereinbart. Halbleiterwerkstoff Gallium- trien wie die Medizin-, Sicherheits- Evonik Industries und die Paramelt B.V. haben am 1. arsenid. Dieses wurde von der und Weltraumtechnik betroffen“, September 2011 einen Vertrag zum Verkauf des Dila- ECHA jetzt als sehr gefähr- so Tobias Weiler, Geschäftsführer vest-Dehnwachsgeschäfts an Paramelt unterzeichnet. lich eingestuft. Die Industrie des Industrieverbandes. Die Dehnwachse finden Einsatz in thermostatischen mahnt an, dass die vorgelegte Galliumarsenid wurde im Rah- Steuergeräten, die für die Automobil-, Marine- und Einstufung dieses Stoffes wis- men der CLP-Verordnung (Regu- Luftfahrtindustrie hergestellt werden. Darüber hinaus senschaftlich nicht vollständig lation on Classification, Labelling finden sie auch Anwendung in Gebäudeheiz- und und korrekt ist, da sie aus der and Packaging of Substances Kühlungssystemen. Paramelt wird das gesamte verfügbaren umfangreichen and Mixtures) von der ECHA als Geschäft mit sofortiger Wirkung übernehmen und in Datenlage nicht ableitbar sei. krebserregend und reprotoxisch eine moderne Anlage für die künftige Produktion der Hingegen ließen die Ergebnisse eingestuft. Diese Verordnung ist Wachse investieren. Die Produktion der Dehnwachse intensiver toxikologischer als Teil des europäischen Chemikali- verbleibt bis Mitte 2012 bei Evonik. auch arbeitsmedizinischer Stu- enrechts und unter anderem für Air Products erhielt im August 2011 vom Stockton dien keine tatsächliche, von die Klassifizierung chemischer on Tees Borough Council die Baugenehmigung für Galliumarsenid ausgehende Substanzen verantwortlich. Durch das bisher größte Projekt zur Energiegewinnung aus Gefährdung erkennen. die Auswirkungen der CLP-Einstu- nicht-recyclebarem Abfall (EfW, energy from waste) Galliumarsenid ist ein Halb- fung auf andere EU-Rechtsbereiche in Großbritannien. Dabei entsteht auf dem Gelände leiterwerkstoff und wird in der (z.B. REACH und RoHS) könnte des nordenglischen Abfallentsorgers ‚Impetus Waste Halbleiter-, Elektronik- und Opto- eine entsprechende Einstufung Management’ in Tees Valley jährlich aus rund 300 000 elektronik-Industrie verwendet. In als „sehr gefährlich“ mittelfristig Tonnen privater und gewerblicher Abfälle – die bis- Form von Transistoren und Detek- zu massiven Beschränkungen von her deponiert wurden – Strom für bis zu 50 000 Haus- toren steckt es in einer Vielzahl Galliumarsenid in Europa führen. halte. Die Anlage für Erneuerbare Energien ist mit 49 von Anwendungen wie z.B. Mobil- Gemeinsam mit anderen betrof- MW (Megawatt) eine der größten ihrer Art und die telefonen, Satelliten-, Kommuni- fenen Verbänden und Unterneh- erste einer Reihe ähnlicher geplanter Anlagen, die in kations- und Mikrowellentechnik men bemüht sich „Spectaris“ nun den nächsten Jahren entstehen sollen. Abhängig von und drahtloser Kommunikation. durch Information und Gespräche den weiteren Genehmigungsschritten wird die Anlage Zudem wird Galliumarsenid für mit Vertretern der Bundes- und voraussichtlich bereits im Jahr 2014 in Betrieb gehen. z.B. Hochleistungslaserdioden, in Landesministerien, Abgeordneten Dekra übernimmt das Unternehmen für Explosi- photovoltaischen Anwendungen des Deutschen Bundestages und onsschutz und Prozess-Sicherheitsdienstleistungen und für ultrahelle LEDs benöti- des Europäischen Parlaments eine Chilworth Global in Southampton, Großbritannien. gt. „Eine stark eingeschränkte erneute Einstufung von Galliumar- Chilworth Global erzielt mit knapp 160 Mitarbeitern Verfügbarkeit von Galliumarsenid senid zu erwirken, die auch neues- einen Jahresumsatz von rund 15 Millionen Euro und hätte zunächst Auswirkungen auf te wissenschaftliche Erkenntnisse ist auf Sicherheitslösungen für die Prozessindustrie die Bauelemente und Komponen- einbezieht. spezialisiert. Rhodia Aroma Performance, Weltmarktführer bei LiTFSI (Lithium bis-Trifluoromethansulfonimid), und Elga sucht die ältesten Reinstwassergeräte das CEA–Liten kooperieren. Ziel dieser Zusammen- Unter dem Motto „Frisch starten und gewinnen“ sucht Elga LabWater bis arbeit ist es, durch Erprobung des LiTFSI in Lithium- Ende Oktober die ältesten Reinstwassergeräte Deutschlands. Jeder Teilneh- Ionen-Batterien die optimalen Nutzungsbedingungen mer erhält ein Fachbuch für Laborwasseraufbereitung und kann mit etwas dieses Leitsalzes zu definieren. LiTFSI wird als Lithium- Glück eine neue Purelab flex oder einen hochwertigen Miele Stand-Kaf- Salz in Flüssig-Elektrolyten eingesetzt. Das Salz besitzt feevollautomaten CM 5100 für sein Labor gewinnen: Einfach unter www. eine große thermische und elektrochemische Stabili- elgalabwater.com/gewinnspiel für die Verlosung anmelden und ein Foto des tät, ist nicht toxisch und auch unempfindlich gegenü- aktuellen Reinstwassersystems hochladen oder mailen. Reinstwasser ist in ber Hydrolyse. Laboren das am häufigsten eingesetzte Reagenz. 332 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
Unternehmen BASF investiert in Brasilien und Ludwigshafen Acrylsäure-Produktionskomplex für 500 Mio. Euro – Bis 10 Mrd. Euro am Rhein D ie BASF wird in der brasi- lianischen Stadt Camaçari im Bundes- staat Bahia den er- von 2-Ethylhexyl Acrylat in Guara- tinguetá soll ab 2015 auf Grund- lage der in Camaçari produzierten sten Produktionskomplex für Acrylsäure anlaufen. Acrylsäure und Superabsorber „Wir erwarten, dass die Investi- (SAP) in Südamerika bauen. In tion einen sehr positiven Einfluss Ludwigshafen verbaut das Un- auf die Außenhandelsbilanz haben ternehmen bis 2015 neun bis wird“, sagte Dr. Alfred Hackenber- zehn Milliarden Euro. ger, Leiter des Regionalbereiches Mit einem Investitions- volu- Südamerika der BASF. „Ich rech- men von mehr als 500 Millionen ne mit einem Effekt in Höhe von Euro ist der Bau mehrerer World- insgesamt 300 Millionen US-Dollar Scale-Anlagen für die Produktion pro Jahr, der sich aus einer Verrin- von Acrylsäure, Butylacrylat und gerung der Importe um 200 Mil- Superabsorber die größte Ein- lionen$ und einer Steigerung der zelinvestition in der 100jährigen Exporte um 100 Millionen US- Geschichte der Geschäftstätigkeit Dollar ergeben wird.“ der BASF in Südamerika. Zusätz- lich wird die BASF im bereits Milliarden am Rhein verbaut bestehenden Chemiepark Gua- Die BASF investiert ebenso in ratinguetá (São Paulo) die erste bauliche Infrastruktur am Standort Produktionsanlage für die Her- Ludwigshafen. Es entsteht ein Zen- stellung von 2-Ethylhexyl Acrylat trum für Work-Life-Management in Betrieb nehmen - ein wichtiges entsteht. Man schafft 180 zusätz- Vorprodukt für die Klebstoff- und liche Plätze in Kinderkrippe LuKids. Lackindustrie. Das Renovierte Feierabendhaus Mit dem Bau eines Acrylsäu- steht vor der Wiedereröffnung. Das 1957 eingeweihte, 102 Meter hohe Friedrich-Engelhorn- re-Produktionskomplexes will Künftig befinden sich zudem Be- Hochhaus muss renoviert werden (Foto: BASF). die BASF die Lieferfähigkeit für sucherzentrum und Archiv unter wichtige Produkte in Südameri- einem Dach. Parallel läuft aktuell ka sicherstellen. Dazu gehören die Modernisierung des benach- Superabsorber für Windeln und barten Friedrich- Engelhorn- Hygieneprodukte, Acrylharze für Hochhauses – benannt nach dem Lanxess investiert in Kunststoffe Lacke, Textilien und Klebstoffe so- Gründer der BASF. Das 1957 ein- wie Produkte für die Bauindustrie. geweihte, mit 20 Etagen und ins- Lanxess investiert 15 Millionen Euro in sein Glasfaser- Die Entscheidung für den Stand- gesamt 102 Meter Höhe bis 1962 Werk im Antwerpener Hafen. Für den Spezialchemie- ort Camaçari fiel aufgrund der Ver- höchste Bürogebäude Deutsch- Konzern sind Glasfasern ein wichtiges Zwischenprodukt fügbarkeit des Rohstoffs Propylen lands, ist heute Sitz einer Vielzahl für die Herstellung seiner Hochleistungs-Kunststoffe. Mit und weiterer Betriebsstoffe, die von Marketing- und Verwaltungs- der Erweiterung steigt die jährliche Produktionskapazi- von dem brasilianischen Petroche- einheiten. Derzeit wird zudem ei- tät für Glasfasern von aktuell rund 60 000 Tonnen um mieunternehmen Braskem S.A. als ne Reihe von Investitionen in der zehn Prozent. Erst vor kurzem hatte das Leverkusener strategischem Partner bei dieser Produktion umgesetzt. Unternehmen ein Investitionsprojekt in Höhe von 35 Investition vor Ort bereit gestellt Ende 2010 hatten Unterneh- Millionen für die Erweiterung der Produktion von Capro- werden. mensleitung und Arbeitnehmer- lactam, einem weiteren Kunststoff-Zwischenprodukt, in Der Baubeginn für den Acryl- vertretung unter anderem Antwerpen abgeschlossen. Durch die Erweiterung steigt säure-Produktionskomplex ist für beschlossen, bis 2015 insgesamt die jährliche Produktionskapazität für Caprolactam von 2011 vorgesehen. Rund 1.000 neun bis zehn Milliarden Euro derzeit rund 200 000 Tonnen um zehn Prozent. Lanxess Menschen werden während der für die Zukunftsfähigkeit des Ver- hat in den vergangenen 18 Monaten eine Reihe von Bauphase beschäftigt sein. Der bundstandortes Ludwigshafen auf- Investitionen in sein Hightech-Kunststoff-Produktions- Start der Produktion ist für das zuwenden. Jährlich 1,15 bis 1,25 netzwerk umgesetzt. Mit der Erweiterung des Glasfaser- Jahr 2014 geplant. Nach Inbetrieb- Milliarden Euro sind pro Jahr allein Werks steigen die Investitionen auf insgesamt rund 90 nahme werden 230 Arbeitsplätze für Investitionen, Modernisierungs- Millionen Euro. Die globale Nachfrage nach Hightech- direkt, weitere 600 Arbeitsplätze und Erhaltungsmaßnahmen vorge- Kunststoffen wird bis 2020 jedes Jahr voraussichtlich um indirekt entstehen. Die Produktion sehen. rund sieben Prozent steigen. CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011 333
Personalia FIZ Chemie Prof. René De- EHRUNGEN Der Körber-Preis wurde am 7. planque, Geschäftsführer des September 2011 zum 27. Mal ver- Leibniz-Institutes FIZ Chemie in Russell Lande (USA), Imperial geben. Er ging dieses Jahr an Prof. Berlin, wurde am 4. August zum College London (Großbritannien), Stefan W. Hell. Der Preis ist mit Generalsekretär der internationa- für Theoretische Biologie oder Bio- 750 000 Euro dotiert. Der Göttin- len Chemie-Vereinigung IUPAC informatik, ist Balzan Preisträger ger Physiker konstruierte hochauf- gewählt. Die Amtszeit beginnt am Deplanque 2011. Er erhält 750 000 Schwei- lösende Lichtmikroskope, die um 1. Januar 2012. Der IUPAC gehö- zer Franken (zirka 670 000 Euro). ein Vielfaches schärfer sehen kön- ren 1.623 Chemieeinrichtungen Die Hälfte des Preisgeldes ist für nen, als es bislang möglich schien. aus 75 Mitgliedsländern an. FIZ die Finanzierung von Forschungs- Stefan Hell, geboren 1962 im Chemie ist ein Institut der wis- projekten zu verwenden. Lande rumänischen Banat, ist seit 2002 senschaftlichen Infrastruktur in erhält den Preis für wegweisende Direktor am Göttinger Max-Planck- der Leibniz-Gemeinschaft (WGL). Beiträge zur Entwicklung und An- Institut für biophysikalische Che- René Deplanque kam 1994 als wendung der theoretischen Popu- mie. Mit dem Körber-Preis werden Lande wissenschaftlicher Geschäfts- lationsbiologie einschließlich der jährlich herausragende und in führer zum FIZ Chemie, ist seit modernen Entwicklung der Theo- Europa tätige Wissenschaftler für 2005 alleiniger Geschäftsführer. rie der quantitativen Genetik und zukunftsträchtige Forschungsar- der Erforschung stochastischer Po- beiten ausgezeichnet. Prämiert Haltermann CEO der neuen pulationsdynamiken. Drei weitere werden exzellente und innovative Haltermann GmbH ist Dr. Uwe Balzan-Preise gab es für Geschich- Forschungsansätze mit hohem An- Nickel, ehemaliges Vorstandsmit- te, Philosophie bzw. Kosmologie. wendungspotenzial. glied der Clariant AG und Leiter der Chemiegruppe der Beratungs- Hell gesellschaft Arthur D. Little. Hal- termann produziert in Speyer und Hamburg hochreine Raffineriepro- dukte, die in der Automobil-, Phar- Wissenschaftsforum Chemie: Preise der GDCh ma- und Kosmetikindustrie und in Auf dem Wissenschaftsforum Chemie 2011 der Gesellschaft Deutscher der Druck-, Laborchemikalien- und Chemiker (GDCh) vom 4. bis 7. September in Bremen gehörten Auszeich- Elektronikindustrie sowie in der nungen von Spitzenwissenschaftlern zu den Höhepunkten. Neben GDCh- Kunststoffverarbeitung Anwen- Preisen werden auch mehrere Stiftungspreise vergeben. dung finden. Die Firma gehört zum Der Fresenius-Preis für Analytische Chemie, benannt nach dem Grün- Dow Konzern. der des allseits bekannten Laboratoriums, wurde zum 24. Mal verge- ben, und zwar an Prof. Christian Huber von der Universität Salzburg. HZI Das Helmholtz-Zentrum Er erhält den Preis für die Entwicklung und Anwendung von Analysen- für Infektionsforschung (HZI) in methoden für biologisch relevante Moleküle. Die Methoden dienen vor Braunschweig hat einen neuen allem der Proteincharakterisierung und der klinischen Analyse. wissenschaftlichen Geschäftsfüh- Huber Der Arfvedson-Schlenk-Preis wurde von der Chemetall GmbH bei rer. Das Bundesministerium für der GDCh für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Lithiumchemie Bildung und Forschung (BMBF) eingerichtet und erstmals 1999 vergeben. Jetzt ging der Preis an Prof. ernannte jetzt den Strukturbiolo- Peter Bruce von der University of St. Andrews in Schottland. Die For- gen Prof. Dirk Heinz mit Wirkung schungsinteressen von Peter Bruce liegen auf der Entwicklung von neuen zum 1. August zum Nachfolger des Materialien für die Energiewandlung und -speicherung. Insbesondere vor einem Jahr im Amt verstor- befasst er sich mit Materialentwicklungen für Lithium-Ionen-Batterien. benen Prof. Jürgen Wehland. Heinz Die Klaus-Grohe-, die Hellmut-Bredereck- und die Hermann-Schnell-Stif- hatte die wissenschaftliche Leitung Bruce tung stellten herausragende Arbeiten junger Wissenschaftler vor. Zwei des HZI bereits seit September Wissenschaftler werden mit dem Klaus-Grohe-Preis für Medizinische 2010 kommissarisch inne. Für die Chemie ausgezeichnet: Dr. Ralph Holl von der Universität Münster und Zukunft plant er insbesondere den Dr. Simon Lucas, Grünenthal GmbH, Aachen. Der Preis der Hellmut- Ausbau von Kooperationen mit aka- Bredereck Stiftung für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der demischen Partnern und der Indus- bioorganischen Chemie geht an Prof. Christoph Arenz von der Hum- trie, um die Grundlagenforschung boldt-Universität Berlin. stärker mit der klinischen Anwen- Das Herrman Schnell-Stipendium, das Arbeiten zur makromoleku- dung zu verknüpfen. Dirk Heinz laren Chemie, zu deren physikalisch-chemischen Grundlagen und deren studierte Chemie und Biochemie Analytik fördert, erhalten in Bremen PD Dr. Dariush Hinderberger in Freiburg, ehe er sich im Rahmen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und die Chine- seiner Dissertation an der Univer- sin Dr. Yan Lu, die am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und sität Basel auf die Strukturbiologie Heinz Energie GmbH arbeitet. spezialisierte. 334 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
Förderungen / Preise Eppendorf Young Investigator Award Ethanol aus Lignocellulose Bis zum 15. Januar 2012 können sich in Europa Kraftstoffe aus lignocellulosischer Biomasse ein- tätige Forscherinnen und Forscher im Alter bis 35 schließlich Rest- und Abfallstoffe stehen vor dem Jahren für den Eppendorf Award for Young Europe- Hintergrund der aktuellen Diskussion um Nahrungs- an Investigators bewerben. Dieser 1995 ins Leben mittelsicherheit und Biodiversität besonders im Fokus gerufene und international hoch angesehene Preis bei den Zielformulierungen zum Ausbau der Bioe- honoriert auf molekularbiologischen Methoden be- nergienutzung. Bioethanol aus Lignocellulose wird ruhende herausragende Leistungen auf dem Gebiet hierbei als Substitut für Ottokraftstoffe eine große der biomedizinischen Forschung. Eine unabhängige Bedeutung beigemessen. Dies spiegelt sich in vielfäl- Jury unter Vorsitz von Kai Simons (Max-Planck- tigen Verfahrensansätzen zur Herstellung dieses Kraft- Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik, stoffs wider. Verfahren zur Gewinnung von Ethanol Dresden) entscheidet über die Vergabe des Eppen- aus Lignocellulose sind auf dem Weg hin zur Kom- dorf Awards 2012. Der/die Preisträger/in erhält u.a. merzialisierung. Allerdings beschränkt sich die Errich- ein Preisgeld in Höhe von 15 000 Euro. tung von Industrieanlagen bislang noch auf Planungen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass Verfahren zur Herstellung von Lignocellulose-Ethanol noch ein ho- Themenfeld Kardiodiabetologie hes Potenzial zur Effizienzsteigerung aufweisen. Ge- Noch bis zum 30. September 2011 läuft die genstand dieses Förderschwerpunktes ist daher die Frist für den Förderpreis der Stiftung DHD (Der Erforschung und Entwicklung neuer und innovativer herzkranke Diabetiker), mit dem herausragende Verfahren und Konzepte zur Herstellung von Ethanol Forschungsarbeiten im Themenfeld Kardiodiabe- aus Lignocellulose. Hierbei soll das ganze Spektrum tologie ausgezeichnet werden. Der Preis ist mit der biotechnologischen und verfahrenstechnischen 10 000 Euro dotiert und wird an Wissenschaftler Methoden abgedeckt werden. Dabei sind ausdrück- vergeben, die ihre Forschung der Stoffwechsel- lich nur neue, über den Stand der Technik hinausge- und Gefäßmedizin widmen. Prämiert werden hende Ansätze zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist Arbeiten aus dem grundlagenwissenschaftlichen eine enge Kooperation entlang der Verfahrenskette und versorgungsmedizinischen Bereich, die zur erforderlich. Optimierung der Behandlung von herzkranken Folgende Themenbereiche werden als besonders Diabetikern beitragen. In Europa ansässige Wissen- aktuell angesehen: 1. Biomassevorbehandlung, Bi- schaftler, die zum Thema Diabetes mellitus, Herz omasseaufschluss und enzymatische Hydrolyse 2. und Gefäße geforscht haben, können sich einzeln Fermentation / Mikroorganismen / Enzyme 3. Ver- oder in Teams bewerben. Für die Bewerbung gilt wertung der Nebenprodukte der Ethanolfermentation keine Altersbeschränkung. Allerdings muss sich Im Rahmen dieser Themenbereiche sind nachfolgend das Forschungsprojekt an den Stiftungszielen ori- problemorientierte FuE-Schwerpunkte formuliert. Im entieren, die Ergebnisse sollten noch nicht publi- Zentrum der FuE-Arbeiten sollten dabei insbesondere ziert sein. neue und innovative Prozesse und Verfahren stehen, die eine möglichst kostengünstige Konversion von li- gnocellulosischer Biomasse zu Ethanol erlauben. Im Internationaler Bionic-Award Falle anwendungsorientierter FuE-Projekte ist eine Bereits zum dritten Mal vergeben der Verein angemessene Beteiligung der gewerblichen Wirtschaft Deutscher Ingenieure (VDI) und die Deutsche an den Vorhaben zu gewährleisten. Ein ausreichendes Bundesstiftung Umwelt (DBU) den internationa- Markt- und Wertschöpfungspotential ist sicherzustel- len Bionic-Award für besondere wissenschaftliche len. Wirtschaftlichkeitsaspekte sowie Aspekte der Leistungen in der bionischen Produktentwicklung. Nachhaltigkeit sind zu berücksichtigen. Der von der Schauenburg-Stiftung mit 10 000 Euro Es ist zu empfehlen, nach einer ersten Kontaktaufnah- dotierte Preis richtet sich an den Forscher-Nach- me mit der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe wuchs. Ausgezeichnet wird eine herausragende (FNR) eine kurze Projektbeschreibung (Projektskizze) Arbeit, z. B. in Form einer bionischen Produktent- einzureichen, um die Förderwürdigkeit und die Zu- wicklung oder einer Dissertation/Habilitation, die ständigkeit prüfen zu lassen. Die elektronische Skiz- in den letzten zwei Jahren vor dem Einreichungs- zenerfassung „easy-Skizze“ kann über http://www. termin fertig gestellt wurde. Teilnehmen kön- kp.dlr.de/profi/easy/skizze/index.html heruntergela- nen sowohl Einzelpersonen als auch Teams. Die den werden. In den Fällen, in denen keine Möglich- Ausschreibung ist international. Nachwuchswis- keit auf Förderung gesehen wird, kann so unnötiger senschaftler können ihre Arbeiten in englischer Arbeitsaufwand vermieden werden. Nach der Verstän- Sprache bis zum 29. Februar 2012 bei der VDI- digung über die Projektskizze werden von der FNR die Gesellschaft Technologies of Life Sciences (TLS) entsprechenden Antragsformulare , Richtlinien und einreichen. Weitere Informationen findet man im Nebenbestimmungen zur Projektförderung an den Internet unter www.vdi.de/bionic2012. Antragsteller gesandt. CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011 335
Spintronik Wenn Magnetmomente wechselwirken Spintronik: Seltsame Effekte, ungewöhnliche Stoffe, Memristoren, Supercomputer Rolf Kickuth, Gaiberg 1939 erfand der Science Fiction-Autor Isaac Asimov den Begriff des „positronischen Gehirns“. Damit waren Roboter ausgestattet, deren Denkvermögen dem des Menschen gleichkommen oder es übertref- fen sollten. Die Roboter „Data“ aus der Fernseh- serie „Star Treck“ sowie die NS-5-Roboter aus „I Robot“ verfügen über derartige Positronik. Offenbar sind den Science Fiction-Autoren die Leistungen der Elektronik nicht ausreichend genug für höher- stehende kognitive Fähigkeiten, seien es damals die Elektronenröhrentechnik oder sogar heute die hochintegrierten Mikrochips (Abbildung 1). Und es stimmt: Supercomputer sind ohne Bewustsein, aber wahre Großverbraucher an Energie; der aktuell schnellste Rechner „K“ aus Japan verschlingt fast zehn Megawatt. Ein Hirnsimulator wie im Human Brain Project angestrebt würde derzeit nur mit der Leistung einer nahezu dreistelligen Zahl von Kernkraftwerken betrieben werden können. Aber es zeichnen sich tatsächlich Lösungsmöglichkeiten für schnelle, energieeffiziente Computer ab; eine davon heißt Spintronik. Die andere sind Memristoren, die durchaus eine Schnittmenge mit Spintronik haben. Die Grundlagen dazu führen uns tief in die Welt des Magnetismus, der Materialwissenschaften – und der Quantenphysik. Dass Spintronik sich jetzt im Forschungsaufwind Abbildung 1: Auch wenn dieser Roboter „iCub“ Gefühle erhebt ist kein Zufall: Die bisherige Elektronik simulieren kann: An die Leistungen der Film-Roboter aus kommt buchstäblich an ihre Grenzen: Die Ab- „Star Treck“ oder „I Robot“ kann er nicht anknüpfen. Aber er messungen der einzelnen Bauelemente auf ist real, und vielleicht hilft die Spintronik dabei, ein solch lei- einem Chip – Transistoren, Dioden, Kondensa- stungsfähiges Robotergehirn zu entwickeln, wie man es sich toren – haben eine Größenordnung erreicht, in bei den Science Fiction-Robotern mit ihren „positronischen Gehirnen“ vorstellte (Foto: RK). der Quanteneffekte eine Rolle spielen. Wenn die Dicke isolierender Schichten bei solchen Ele- menten nur noch etwa zehn Nanometer beträgt, stellen sie keine Barrieren mehr für die Elektro- nen dar, sie durchtunneln solche Schichten. Und die Tunnelströme werden natürlich größer, je dünner diese Schichten werden. Bald erreichen Der Autor die Strukturgrößen von Mikrochips, also die Ab- Rolf Kickuth ist Verleger der CLB. Schon während seines messungen eines einzelnen Transistors auf dem Chemiestudiums war er etwa für FAZ, Bild der Wissenschaft, Chip, derartige Maße. Bei Prozessor-Chips auf WELT und Chemische Rundschau wissenschaftsjournalistisch 11-Nanometer-Basis wird die Dicke des Gate tätig. Später gab er die AXON für Anwendungen und Methoden oxids nur noch aus einer Atomlage bestehen. der künstlichen Intelligenz heraus. Er war zudem Chefredakteur Intel und AMD wollen 2013 die ersten 14-Nano- des Informatik Spektrum, der Zeitschrift der Gesellschaft für meter-Chips anbieten. Die Silicium-Technologie Informatik, sowie Kongressveranstalter; u.a. organisierte er 2007 wird dann wohl 2016 an ihre Grenzen stoßen; ein Symposium zu Brain Computer Interfaces. das betrifft auch Speicherchips. 336 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
Spintronik Quanteneffekte nutzen Topologische Isolatoren Überlegungen zur Lösung des Quanteneffekt- Lösungsmöglichkeiten zur Verwirklichung spin- Problems gehen nun dahin, diese Effekte gezielt tronischer Bauelemente könnten in der Verwen- zu nutzen. Hier kommt der Elektronenspin ins dung topologischer Isolatoren liegen, eventuell Spiel. Der Spin (Eigendrehimpuls) ist eine quan- verwirklicht durch Heusler-Verbindungen (Ab- tenmechanische Eigenschaft von Teilchen. Er bildungen 2 und 3). Kennzeichnend für die to- bestimmt zum Beispiel über das Pauli-Prinzip ent- pologischen Isolatoren ist, dass die Materialien scheidend den atomaren Aufbau und die Chemie eigentlich Isolatoren oder Halbleiter sind, an der aller Substanzen. Oberfläche oder an Grenzflächen sind sie aller- Elektronische Bauelemente, die den Spin der dings metallisch, aber eben nicht wie normale Elektronen zur Basis haben, könnten zudem das Metalle. Ähnlich wie bei Supraleitern zeigen die Problem wachsender Energiemengen zum Be- Elektronen an der Oberfläche oder den Grenzflä- trieb von Computerchips lösen. So ist die Ener- chen keine Wechselwirkung mit ihrer Umgebung, gie, die für das Umschalten der Spinorientierung sie befinden sich in einem neuen Quantenzu- benötigt wird, um Größenordnungen kleiner als stand. die benötigte Energie für Ladungstransporte. Die Anders als in Supraleitern zeigen topologische Hitzeentwicklung bei Chips, die bereits heute Isolatoren zwei nichtwechselwirkende Ströme, große Probleme aufwirft, ließe sich so vermeiden. jeweils einen für jede Spinrichtung. Diese bei- Es gibt also etliche Anreize, sich mit Spintronik den Spinströme, die weder Defekte noch Verun- zu beschäftigen. Um spintronische Bauelemente reinigungen im Material wahrnehmen, können zu verwirklichen – etwa für neue Speicherele- für die Spintronik genutzt werden. Die Eigen- mente, muss man in der Lage sein, gezielt den schaft eines topologischen Isolators wurde 2006 Spin einzelner Elektronen zu adressieren. Zudem für eine Schicht Quecksilbertellurid zwischen sind Fragen des Transports solcher Spin-kontrol- Cadmiumtellurid vorhergesagt. [2] Ein Jahr spä- lierter Teilchen sowie die Stabilität des Spinzu- ter wurde der Effekt von Würzburger Forschern standes zu klären. um Laurens Molenkamp experimentell bestätigt Da grundsätzlich nur zwei elementare Spin- (siehe auch CLB 06-2011, Seite 259: „Topolo- richtungen möglich sind, liegt es nahe, diese als gische Isolatoren für elektronische Bauelemente binäre Informationsträger zu verwenden. Fest- – Meta-Zinnober leitet elektrischen Strom an platten sind ein alltägliches Beispiel dafür, wie Oberfläche ohne Verluste“). der Spin zur Speicherung von digitalen Informa- tionen mithilfe von magnetischen Feldern von einer in die andere Richtung dauerhaft „umge- klappt“ werden kann. Besonders vorteilhaft wä- re es jedoch, wenn man die Spinrichtung von Elementarteilchen – genauso wie die Ladungsträ- ger in Halbleitern – auf elektrischem Weg durch Kurz gefasst Anlegen von Spannungen beliebig beeinflussen könnte. Davon verspricht man sich schnellere, • Die herkömmliche Elektronik kommt bald an ihre Grenzen, weil isolierende leistungsfähigere Bauelemente, die gleichzeitig Wände in den Chips aufgrund ihrer Dünne von Elektronen durchtunnelt mehrere Funktionen in sich vereinigen, wie Spei- werden – ein quantenphysikalisches Phänomen. cherung, Logik und Kommunikation für die Da- • Die Spintronik macht sich Phänomene der Quantenwelt zu Nutze. Spinzu- tenverarbeitung. Noch spekulativ und kontrovers stände können zudem äußerst schnell und mit sehr wenig Energie geändert diskutiert wird die Nutzung manipulierter Spins werden – eine Hoffnung auf schnellste Computer. für Quantencomputer. Beim Quantencomputer • In topologischen Isolatoren und Heusler-Verbindungen sind materialtech- würden die beiden Spinzustände nicht länger nische Möglichkeiten vorhanden, Spintronik-Elemente zu bauen. nur als „0“ oder „1“ eines üblichen Bits dienen. • Erste Erfolge zur Verwirklichung spintronischer Bauelemente und Prozesse Die quantenmechanische Überlagerung der bei- sind bereits zu verzeichnen. So gibt es ein Logik-Bauteil, und auch die Ver- den Spinzustände ergibt ein Quantenbit, in dem stärkung von Spinströmen ist gelungen. eine kontinuierliche Variation der Spinrichtung • Memristoren, die als prädestiniert für die Simulation von synaptischen Funk- möglich ist. [1] Bisher gibt es drei Anwendungs- tionen gelten, lassen sich mit Spintronik verwirklichen. Dadurch sind völlig bereiche, für die sich ein Quantencomputer be- neue Computerkonzepte denkbar, die biologischen Gehirnen ähneln. sonders eignete: Einer zur Faktorisierung großer • Die Forschung ist noch sehr verzweigt und grundlegend. Immer wieder zei- Zahlen, ein Problem der Verschlüsselungstech- gen sich neue Mechanismen. nik; ein weiterer Algorithmus betrifft Suchfunk- • Ein weiteres Ziel der Spintronik ist der Bau eines Quantencomputers. Dies tionen, uns schließlich bietet sich die Simulation soll jetzt – in einer speziellen Ausrichtung – gelungen sein. Lockheed Mar- quantenmechanischer Systeme für die Bearbei- tin sowie Google arbeiten schon mit dieser Technik. tung mit Quantencomputern an. CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011 337
Spintronik Heusler-Verbindungen Fähigkeiten als topologische Isolatoren werden nun auch für Heusler-Materialien vorausgesagt. Heusler-Verbindungen sind Verbindungen aus drei Elementen, die häufig halbleitend oder magnetisch sind. Schon um 1900 wurde diese Verbindungsklasse von Fritz Heusler entdeckt. Das Besondere an den Verbindungen ist, dass sie ganz andere Eigenschaften zeigen, als man aus der Kombination der Elemente, aus denen sie hergestellt werden, vermuten könnte. So wurde die erste Heusler-Verbindung aus den nichtmagnetischen Elementen Kupfer, Mangan und Aluminium hergestellt; Cu2MnAl ist aber ein Ferromagnet, sogar bei Raumtemperatur. Man unterscheidet zwei Typen von heusler- schen Legierungen. Die „halben“ Heusler-Legie- rungen haben allgemein eine Zusammensetzung XYZ (jeder Buchstabe steht für ein Legierungsele- ment; Abbildung 2), während die „vollständigen“ Heusler-Legierungen nach der Formel X2YZ zusam- mengesetzt sind (Abbildung 3). Dabei sind X und Y Übergangsmetalle, während Z ein Element der III.- V. Hauptgruppe ist. Die Legierungselemente bil- Abbildung 2: Struktur einer „halben“ Heusler-Legierung vom Typ XYZ. Prototypen den Ordnungsphasen, so dass die Kristallstruktur dafür sind AgAsMg oder AlLiSi. Es gibt aber noch eine Vielzahl anderer Verbin- dungen mit dieser Struktur, beispielsweise MnNiSb, AuMgSn, CdLiP, BiMgNi oder aus vier (beim XYZ-Typ ist eines unbesetzt) inei- RhSnTi (Abb.: U.S. Naval Research Laboratory). nander geschachtelten kubisch-flächenzentrierten Teilgittern besteht. Die im Detail bis heute noch nicht verstandenen Wechselwirkungen zwischen den Atomen der Teilgitter bewirken eine nahezu vollständige Ausrichtung (Spinpolarisation) der magnetischen Dipolmomente des „richtig pola- risierten“ Anteils (z. B. Spin aufwärts gerichtet) der Elektronen, während die „falsch polarisierten“ Elektronen (z. B. Spin abwärts gerichtet) allesamt nicht-metallisch sind, was sich makroskopisch bei Abbildung 3: Struktur einer „vollen“ Heusler-Legierung vom Typ X2YZ. Ein hinreichend tiefen Temperaturen (z. B. Zimmer- typisches Beispiel dafür ist Cu2MnAl. Andere Vertreter sind Ni2TiAl sowie Ni2HfAl temperatur und darunter) als Ferromagnetismus (Abb.: U.S. Naval Research Laboratory). äußert. Man hat es also mit „Halbmetall-Ferroma- gnetismus“ zu tun. [3] Dass Heusler-Materialien nun auch als topo- logische Isolatoren in Frage kommen, hat welt- weit für Aufregung gesorgt. „Dafür gibt es zwei Gründe“, erklärt Claudia Felser, Professorin an der Universität Mainz und Expertin für Heusler- Materialien. „Zum einen gibt es in dieser groß- en Materialklasse mit mehr als 1000 bekannten Vertretern alleine mehr als 50 Verbindungen, die den Fingerabdruck der TI zeigen. Zum an- deren können ganz neue physikalische Effekte designt werden, da die Materialien aus drei Ele- menten bestehen und daher neben dem topo- logischen Quantenzustand weitere interessante Eigenschaften aufweisen können.“ Felser nimmt an, es sind Kombinationen von zwei Quanten- zuständen wie Supraleitung und topologischen Oberflächenzuständen möglich. Es seien zudem noch nicht entdeckte, aber teilweise schon vor- 338 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
Spintronik hergesagte Eigenschaften denkbar. Es ist völlig neu, dass all diese Möglichkeiten in nur einem Material zusammenkommen. Vor Kurzem hat der Arbeitskreis Felser anhand von theoretischen Ermittlungen ein Design von Spintronik-Bauteilen vorgeschlagen. Dazu gehö- ren Schalter, um einen elektrischen Strom mit- hilfe von kleinen magnetischen Feldern an- oder abzuschalten. Ob und wie das funktioniert, hängt direkt von der Spin-Polarisierung des Stroms ab, also davon, ob die Elektronen vorwiegend eine bestimmte Drehrichtung aufweisen. Die ideale Situation wäre, dass alle Elektronen den glei- chen Spin haben. In der Realität ist es aber so, dass verschiedene Faktoren die Effizienz der Spintronik-Bauteile schmälern, vor allem indem die einheitliche Spin-Polarisierung zerstört wird. Zu großen Verlusten bei der Spin-Polarisierung Abbildung 4: Die Abbildung zeigt den Aufbau des kleinsten Nano-Spintronik- Logikgatters der Welt. Die dreieckigen Strukturen sind magnetische Kobalt-Inseln kommt es typischerweise an Schnittstellen zwi- mit einer Höhe von zwei Atomlagen und die gelben Kugeln symbolisieren einzelne schen halbmetallischen und halbleitenden Ma- Eisen-Atome. Die roten und grünen Pfeile zeigen die magnetische Ausrichtung an. terialien. Das liegt häufig an mechanischen und Die Größe des eigentlichen logischen Gatters aus drei Eisen-Atomen beträgt ca. 3 chemischen Unverträglichkeiten unter den ver- Nanometer (Abb.: A. A. Khajetoorians, J. Wiebe, Uni Hamburg). wendeten Materialien. Computerberechnungen zeigten nun, dass sich dieses Problem lösen lässt, wenn man nur Heusler-Materialien für die Schal- ter verwendet. Durch die definierten Abstände der Eisen- Atome zueinander und zu den Kobaltinseln neh- Erste Schritte zur Spintronik men die Spins der Atome einen anti-parallelen Zustand ein, d.h. die winzigen Kompassnadeln Tatsächlich verwirklicht haben Wissenschaftler zeigen von Atom zu Atom in entgegen gesetzte der Universität Hamburg ein Spintronik-Logik- Richtungen. Bauteil. Es ist nur aus wenigen magnetischen Ändert man nun die magnetische Ausrichtung Atomen aufgebaut. der beiden Eingabe-Inseln, dann richten sich die Um das völlig neuartige Nano-Spintronik-Bau- Spins der Eisen-Atome auch wieder anti-parallel teil zu verwirklichen brachten die Hamburger zu den Inseln aus und ähnlich wie bei einem Do- Physiker um Dr. Alexander Khajetoorians und minospiel kippen die Kompassnadeln nacheinan- Dr. Jens Wiebe Kobalt auf eine Kupferoberflä- der um und passen sich der neuen Eingabe an. che auf. Dabei entstanden dreieckige Inseln, die Das Ausgabe-Atom wird dabei logisch geschaltet aus ca. 100 Kobalt-Atomen bestehen. Anschlie- (Abbildung 5). Der Umschaltprozess eines der ßend benutzten die Wissenschaftler die atomar Spins erfolgt in einer extrem kurzen Zeit von scharfe Nadel eines Rastertunnelmikroskops als einem Zehnbillionstel einer Sekunde, was äu- Werkzeug, um zwei der Kobalt-Inseln mit Ketten ßerst schnelle Schaltfrequenzen der neuartigen aus einzelnen Eisen-Atomen zu verbinden (Abbil- Bauteile erwarten lässt; von 10 000 Gigahertz dung 4). Wichtig war dabei, dass die Eisen-Atome sprachen die Forscher. Zum Vergleich: Mit fünf in definierten Abständen zueinander und zu den Gigahertz schalten sehr schnelle Computer heu- Kobalt-Inseln auf der Kupferoberfläche angeord- te. net wurden. Eine andere Richtschnur für die Weiterent- Die beiden Kobalt-Inseln sind die Eingabe-Ein- wicklung der Spintronik ist der Spin-Feldeffekt- heiten für die zu verarbeitenden magnetischen Transistor, der von S. Datta und B. Das im Jahr Informationen. In der Mitte des Spintronik- 1990 vorgeschlagen wurde (Abbildung 6). Dies Bauteils, dort wo die beiden Ketten auf einan- ist eine lateral nanostrukturierte Ferromagnet/ der treffen, liegt ein einzelnes Eisen-Atom, das Halbleiter-Hybridstruktur, in der die Vorzüge der als Ausgabe-Einheit dient und in Abhängigkeit Halbleiter-Technologie mit denen der Magneto von der Eingabe über die Kobalt-Inseln logisch elektronik zu neuer Funktionalität verbunden geschaltet wird. Der magnetische Zustand des werden. Grundlegend neuartig an dem Vor- Ausgabe-Atoms wird mit Hilfe der spinsensitiven schlag ist, dass die Gate-Spannung nicht – wie Nadel des Rastertunnelmikroskops ausgelesen, herkömmlich – die Leitfähigkeit im Halbleiter- die dafür mit einem magnetischen Material be- Kanal steuert, sondern den Spin-Zustand der schichtet wurde. stromtragenden Elektronen. Maßgebliche Me- CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011 339
Spintronik Abbildung 5: Bilder des Nano-Spintronik-Logikgatters, das mit der Nadel eines spinsensitiven Rastertunnelmikroskops ausge- lesen wurde. Es handelt sich bei dem Bauteil um ein „Oder-Gatter“, d. h. zeigt der Spin von beiden Eingabe-Inseln nach unten (D), dann zeigt auch der Spin des Ausgabe-Atoms nach unten (blau). Zeigen die Spins einer oder beider Inseln nach oben (A-C), so wird auch der Spin des Ausgabe-Atoms nach oben ausgerichtet (rot; Abb.: A. A. Khajetoorians, J. Wiebe, Uni Hamburg). Abbildung 6: Der Spin Feld-Effekt Transistor (Spin FET) wurde 1990 von S. Datta chanismen in einem derartigen Transistor konn- und B. Das vorgeschlagen. Er besteht aus einer Halbleiterheterostruktur, die ten mittlerweile gezeigt werden. Der Datta-Das ferromagnetische (FM) source- und drain- Kontakte besitzt. Elektronen, die am Spin-Feldeffekttransistor beruht auf der Rashba- linken Kontakt spin-polarisiert injiziert werden und sich ohne Streuung entlang des Spin-Bahn-Wechselwirkung. Dabei wird eine Kanals bewegen (2DEG = zweidimensionales Elektronengas), können aufgrund Spinpräzession durch ein elektrisches Feld her- der Spin-Bahn-Wechselwirkung (Rashba-Effekt) eine Spin-Präzessions-Bewegung ausführen. Die am rechten Kontakt detektierte Spannung hängt vom Präzessions- vorgerufen, das senkrecht auf der Bewegungs- winkel ab, der mit Hilfe einer Gate-Spannung elektrisch gesteuert werden kann richtung der Elektronen steht. (Abb.: Japan National Institute for Materials Science). Ein weiterer Schritt hin zu Computern, die auf Spintronik basieren: Forscher der Universi- täten Münster und Cambridge (England) haben einen neuen, grundlegenden Effekt entdeckt, der eine Verstärkung von Spinströmen möglich macht. Das Problem: Spinströme „versiegen“, weil die Spin-Ausrichtungen sich mit der Zeit wieder zufällig anordnen. Entsprechend werden die Drehimpulse an das Kristallgitter übergeben. Den Physikern ist es nun erstmals gelungen, den Drehimpuls-Fluss umzukehren. Der entdeckte Effekt sorgt dafür, dass das Kristallgitter selbst Drehimpuls an das magnetische System abgibt und dort den Spinstrom verstärkt. Grundlage des Effekts sind magnetischen Spinwellen in Fest- körpern. Spinwellen und Solitonen Auf spezielle Welleneffekte setzt man auch wei- tere Hoffnungen in der Spintronik. Anschaulich erzeugt der Spin des Elektrons ein Magnetfeld ähnlich dem eines winzigen Stabmagneten. Wie eine Kette solcher Stabmagnete beeinflussen sich benachbarte Elektronenspins gegenseitig. Stößt man einen Spin an, so führt die Anregung 340 CLB 62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
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