CLB Chemie in Labor und Biotechnik

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CLB Chemie in Labor und Biotechnik
CLB
                                                          Analytik

                                                        Biotechnik

                                               Optimierte Prozesse

                                             Komplexe Materialien

                                        Maßgeschneiderte Moleküle

                                             Menschen und Chemie

     Chemie in Labor und Biotechnik         Aus- und Weiterbildung

      Spintronik
      Neuronen: Struktur und Funktion
      Jugend forscht: Ethen
      Jugend forscht: Cyclodextrine
      Kegelschnecken und Bionik
      Nardenöl

		   08 - 09 / 2011											                                   D 2046 E
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
CLB-Geschichte
Immer wieder erstaunen heutzutage die Erkenntnisse der Hirnforschung, wie sie in dieser CLB wiederholt angesprochen werden. Vor 40
Jahren berichtete die CLB auch bereits darüber; hier ein Artikel dazu. Das Titelbild zeigt übrigens die Arbeit mit einem Massenspektrometer.

                                                                                                               Fortsetzung Umschlagseite 3
U2        CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
Editorial

Liebe CLB-Leserin, lieber CLB-Leser,
mit dieser CLB setzen wir die Tradition fort,        befassen – wie es die Jugend forscht-Teilnehmer
heraus­ragende Arbeiten des Wettbewerbs „Ju-         ja vorbildlich zeigen. Oft sind Zusammenhänge
gend forscht“ vorzustellen. Was mich besonders       heute so komplex, dass eine oberflächliche Be-
freut ist aber auch, dass die Unterstützung der      trachtung nicht hilft.
jungen Leute immer wieder auf fruchtbaren
Boden fällt; die Danksagungen geben dazu Aus-        Für mich bemerkenswert war jüngst ein Urteil
kunft. Besonders schön diesmal: Dr. Roland Full,     des Europäischen Gerichtshofs. Demnach darf
Betreuungslehrer des Beitrags „Zauberformel          Honig mit Spuren von gentechnisch veränderten
gegen Mundgeruch“ ab Seite 374, war bereits          Pflanzen, die nicht für die Verwendung in Le-
Betreuungslehrer einer Jugend forscht-Teilneh-       bensmitteln zugelassen sind, in der EU nicht
merin, deren Beitrag 1994 in der CLB abge-           ohne Genehmigung verkauft werden. Konkret:
druckt worden ist. Erfreulicherweise engagieren      Sobald der Anteil der Pollen von gentechnisch
sich auch immer mehr Privatunternehmen und           veränderten Pflanzen 0,9 Prozent überschreitet,
Stiftungen für die Förderung von Jugendlichen        muss der Honig als „gentechnisch verändert“
in Naturwissenschaften und Technik. Zwei             gekennzeichnet werden, was nicht unbedingt
Beispiele dafür lesen Sie in dem „Erreichen &        verkaufsfördernd ist. Solch eine Entscheidung
Erhalten“-Teil ab Seite 408.                         mit derart spezifischen Grenzwerten geht doch
                                                     an wahren Schutzbedürfnissen der Verbraucher
Die Spintronik liegt mir seit längerem thematisch    vorbei. Wie oft ändern sich Gene in der Natur?
am Herzen. In dieser CLB hat sich das ab Seite       Wer prüft die daraus entstehenden Gefahren?
336 in einem Artikel niedergeschlagen. Fazit:        Wer überwacht die Grenzwerte? Und noch viel
noch in der Grundlagenforschung, faszinieren-        wichtiger: Wer kümmert sich endlich mal um
de Eigenschaften für neuartige Computerchips,        Gefahren, die aus vermeintlich besonders ge-
immer gut für Überraschungen – auf jeden Fall        sunder „Bio-Ernährung“ kommen? Immerhin
genug Stoff für einen gehaltvollen Artikel. Ich      ging die EHEC-Infektionswelle, durch die 4300
werde das Thema weiter verfolgen, ich hoffe in       Menschen infiziert wurde – 50 von ihnen starben
Ihrem Interesse. Und nicht vergessen, wozu die       – von Sprossen aus Bio-Bockshornklee aus. Der
Forschung auch dienen soll: Zur Simulation des       Agrarstatistiker Georg Keckl schrieb dazu: „Die
Gehirns. Dazu gilt es jedoch auch, die Bausteine     Häufung von EHEC-Infektionen bei Vegetariern,
des Gehirns zu erforschen. Wie sehr da eine Sym-     insbesondere Vegetarierinnen, bei Veganern,
biose von Informatik und Biologie hilft zeigt der    bei Kunden, die nur im Bioladen eingekauft ha-
Artikel „Von der Struktur zur Funktion einzelner     ben, hätte die Sperrung sämtlicher Bioprodukte
Nervenzellen“ ab Seite 346.                          in Deutschland zur Folge haben müssen, hätte
                                                     man die gleichen Sperrungsmaßstäbe wie beim
Blickt man auf solche Themen scheint die Ent-        Dioxinskandal angewendet.“ Die Tageszeitung
wicklung in Naturwissenschaft und Technik            „Welt“ berichtete: „Das Medikament Soliris aus
das Auffassungsvermögen des Menschen fast            den USA, durch das einige der Schwerkranken
zu überschreiten. Die Folge: Ängste entstehen.       doch noch gerettet werden konnten, wird übri-
Dagegen hilft nur Wissen. Heute glaubt auch          gens gentechnisch hergestellt. Eigentlich eine
niemand mehr an Thor, wenn der Donner grollt.        Steilvorlage für Gentechnikgegner, denn es ist
Für Wissen in den Naturwissenschaften rollt jetzt    hierzulande nicht zugelassen. Hoffentlich kommt
eine Wanderausstellung durch Deutschland: „T-        der Europäische Gerichtshof nicht dahinter.“
Shirts, Tüten und Tenside – Die Ausstellung zur
Nachhaltigen Chemie“ der Deutschen Bundes-           Dazu ist nichts weiter zu sagen,
stiftung Umwelt wurde anlässlich des GDCh-
Wissenschaftsforums Chemie 2011 in Bremen            Ihr
eröffnet (s. S. 413). Ich hoffe jedoch, diese und
ähnliche Ausstellungen haben nicht nur einen
Sensationseffekt, sondern geben dem einen oder
der anderen auch Anlass, sich tiefergehend mit
Fragen aus Naturwissenschaft und Technik zu

                                                    CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011        329
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
INHALT

                            Wenn Magnetmomente wechselwirken
       Aufsätze
                            Spintronik: Seltsame Effekte, ungewöhnliche Stoffe,
                            Memristoren, Supercomputer__________________________________ 336

                            So filigran und so komplex
                            Von der Struktur zur Funktion einzelner Nervenzellen______________ 346

                            Molekül mit sagenhaften Eigenschaften
                            Jugend forscht: Ethen – Schlüsselmolekül für Äpfel und Bananen_____ 352

                            Zauberformel gegen Mundgeruch: C42H70O36
                            Jugend forscht: Cyclodextrine führen Jungchemiker
                            zum Preis der Kanzlerin_______________________________________ 374

                            Die „Perlen“ der Kegelschnecken
                            Opercula: Verschlusssteine gegen Feinde und Austrocknung_________ 388

                            Editorial_ __________________________________________________       329
        Rubriken

                            Impressum_ ________________________________________________         331
                            F & E im Bild________________________________________________       331
                            Unternehmen_______________________________________________          332
                            Personalia__________________________________________________        334
                            Förderungen / Preise _________________________________________      335

                            Serie: Seltene Metalle________________________________________ 395
                            Teil 2: Arsen, Antimon und Bismut

                            Umschau___________________________________________________ 398
                            Gebündelt im Diamanten –
                            PSI-Forscher: Harte Röntgenlaserstrahlung 100 000fach konzentriert        Zum Titelbild: Das Bild
                                                                                                      weist hin auf den Artikel
                            Forschung und Technik________________________________________       400   Spintronik ab Seite 336
                            Literatur_ __________________________________________________       402   hin (Abb.: M. Menzel, Uni
                            Der neueste Stand___________________________________________        404   Hamburg).
                            Neue Produkte______________________________________________         405

                            Bezugsquellenverzeichnis_____________________________________ 423
                            CLB-Geschichte____________________________________________ U1, U3

                            Apps programmieren
     Erreichen & Erhalten

                            Sommercamp am HPI_________________________________________          408
                            Vor-Ort-Analytik: Mineralwasserquellen in der Eifel
                            19. Sommerakademie der Hochbegabten-Stiftung
                            der Kreissparkasse Köln_______________________________________      409
                            Kaukasischer Löwenzahn: künftige Kautschukquelle?
                            Zuchtmethoden gesucht, um schnell
                            zu ertragreichen Sorten zu gelangen____________________________     412
                            „T-Shirts, Tüten und Tenside“
                            DBU-Wanderausstellung in Bremen eröffnet______________________      413
                            Nardenöl – von Bibelzitaten zu Terpenoiden
                            Chemie vom Feinsten im Parfumöl der Antike_____________________     414
                            Massenspektrometrie
                            Mehrere richtige Antworten pro Frage sind möglich._______________   422

330        CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
F & E im Bild

Polymer
als Supercap
Superkondensatoren – kurz Supercaps – kön-
nen wie ein Kondensator bei Bedarf rasch hohe
Stromdichten liefern, gleichzeitig speichern sie
wie eine Batterie eine hohe Menge elektrischer
Energie. Sie bestehen aus elektrochemischen
Doppelschichten auf Elektroden, die mit einem
Elektrolyt befeuchtet sind. Beim Anlegen einer
Spannung sammeln sich an beiden Elektroden
Ionen entgegengesetzter Ladung und bilden
hauchdünne Zonen von unbeweglichen
Ladungsträgern. Anders als bei Akkus tritt
nur eine Ladungsverschiebung, aber keine
chemische Stoffänderung auf. Eine Stoffklasse
für Supercaps sind spezielle gerüstartig
aufgebaute, mikroporöse organische Polymere
(Abbildung), zeigte jetzt ein Team um Dinglin
Jiang von den National Institutes of Natural
Sciences in Okazaki (Japan). Aufgrund der
Anordnungen ihrer Doppelbindungen kann
sich ein Teil ihrer Elektronen in ausgedehnten
Bereichen des Gerüsts frei bewegen. Daher
sind solche Materialien elektrisch leitfähig. Die
hohe innere Oberfläche ist wichtig für die Bil-
dung von elektrostatischen Ladungstrennungs-
Schichten in den Poren. Die Forscher haben
jetzt ein stickstoffhaltiges Gerüst synthetisiert,
dessen Porengröße optimal ist, um Ionen rasch
hinein- und hinauszulassen – Voraussetzung
für eine schnelle Aufladung und Entladung
(Abb.: Wiley-VCH).

Impressum
CLB                                        Redaktion:                                        Abonnentenbetreuung:                          Erfüllungsort ist Heidelberg. Mitglieder
Chemie in Labor und Biotechnik             Rolf Kickuth (RK, verantwortlich;                 Natalia Bajramovic                            des VBTA, des VCÖ sowie des VDC erhal-
                                           E-Mail: kickuth@clb.de),                          E-Mail: service@clb.de                        ten die CLB zu Sonderkonditionen.
Verlag:                                    Dr. Christiane Soiné-Stark
Agentur & Verlag Rubikon                   (CS, E-Mail: stark@clb.de).                       Layout und Satz:                              Anzeigenpreisliste:
für technische und wissenschaftliche                                                         Agentur & Verlag Rubikon                      Nr. 46 vom 01. 12. 2006.
Fachinformation – Rolf Kickuth             Ständige Mitarbeiter:                             Druck: Printec Offset, Ochshäuser Straße
Anschrift:                                 Raymond Blavatt (Grafik) San Diego (USA);         45, 34123 Kassel                              Bei Nichterscheinen durch Streiks oder
CLB, Agentur & Verlag Rubikon              Dr. Maren Bulmahn, Bensheim;                                                                    Störung durch höhere Gewalt besteht kein
Bammentaler Straße 6–8                     Knut Burgdorf, Ried-Brig (CH);                    CLB erscheint monatlich.                      Anspruch auf Lieferung.
69251 Gaiberg bei Heidelberg               Prof. Dr. Wolfgang Hasenpusch, ­Hanau;            © 2011 Agentur und Verlag Rubikon             Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen
Deutschland                                Dr. Mechthild Kässer, Diekholzen;                 Rolf Kickuth                                  einzelnen Beiträge und Abbildungen sind
E-Mail: redaktion@clb.de                   Dr. Annette von Kieckebusch-Gück, Liestal (CH);                                                 urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer-
                                           Prof. Dr. Röbbe Wünschiers, Quedlinburg.                                                        tung außerhalb der engen Grenzen des
Gründungsherausgeber:                                                                        Bezugspreise:                                 Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustim-
Dr. Dr. h.c. Wilhelm Foerst (†)            VBTA-Verbandsmitteilungen:                        CLB Chemie in Labor und Biotechnik            mung des Verlags unzulässig und straf-
Prof. Dr. Wilhelm Fresenius (†)            Thomas Wittling,                                  Einzelheft – außerhalb des Abonnements        bar.
                                           Raiffeisenstraße 41, 86420 Diedorf                – 14,00 Euro, im persönlichen Abonne-         Für die Rückgabe unverlangt eingesand-
Herausgeber:                               Telefon (0821)327-2330                            ment jährlich 109,00 Euro zuzüglich Ver-      ter Buchbesprechungsexemplare kann
Prof. Dr. Dr. U. Fitzner, Ratingen         Fax (08 23 8) 96 48 50                            sandkosten; ermäßigter Preis für Schüler,     keinerlei Gewähr übernommen werden.
Prof. Dr. K. Kleinermanns, Düsseldorf,     E-Mail: info@vbta.de                              Studenten und Auszubildende (nur ge-
Prof. Dr. J. Schram, Krefeld                                                                 gen Vorlage der Bescheinigung) jährlich       ISSN 0943-6677
Prof. Dr. ­Georg Schwedt, Bonn             Anzeigenservice:                                  79,45 Euro zuzüglich Versandkosten, in-
Dr. Wolfgang Schulz, Stuttgart             Natalia Bajramovic                                kl. 7% MWSt. Ausland sowie Firmenbzw.
Prof. Dr. G. Werner, Leipzig.              CLB, Agentur & Verlag Rubikon                     Bibliothekenabonnements auf Anfrage.
                                           Bammentaler Straße 6–8                            Bezug durch den Buchhandel und den
                                           69251 Gaiberg bei Heidelberg                      Verlag. Das Abonnement verlängert sich
                                           Telefon (0 62 23) 97 07 43                        jeweils um ein weiteres Jahr, falls nicht 8
                                           Fax (0 62 23) 97 07 41                            Wochen vor Ende des Bezugsjahres Kün-
                                           E-Mail: service@clb.de                            digung erfolgt.

                                                                                                        CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011        331
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
Unternehmen

        NACHRICHTEN & NOTIZEN                                Verbot von Galliumarsenid?
 Bilfinger Berger Industrial Services Group (BIS
                                                             Optische Industrie fürchtet ECHA-Einstufung
 Group), München, übernimmt von der Funkwerk AG,

                                                             D
 Kölleda / Thüringen, zu 100 Prozent die Alpha Meß-               er Industrieverband „Spec-        ten herstellenden deutschen und
 Steuer-Regeltechnik GmbH mit Hauptsitz in Neustadt               taris“ kritisiert ein aktuelles   europäischen       Hochtechnologi-
 an der Weinstraße / Rheinland-Pfalz. Der EMSR-Spe-          Einstufungsverfahren der Euro-         eunternehmen in den Bereichen
 zialist mit den Branchenschwerpunkten Gas, Chemie           päischen Chemikalienagentur            Hochfrequenzelektronik und Tele-
 und Energie erzielte 2010 mit etwa 120 Mitarbeitern         (ECHA). Der Verband befürch-           kommunikation, Lasertechnik, Op-
 eine Jahresleistung von rund 17 Millionen Euro. Die         tet für die optischen Technolo-        toelektronik und Photovoltaik. Im
 Übernahme steht unter dem Vorbehalt der kartell-            gien massive Einschränkungen           zweiten Schritt wären aber auch
 rechtlichen Genehmigung. Über den Kaufpreis wurde           bei der Versorgung mit dem             massiv die nachgelagerten Indus-
 Stillschweigen vereinbart.                                  Halbleiterwerkstoff Gallium-           trien wie die Medizin-, Sicherheits-
 Evonik Industries und die Paramelt B.V. haben am 1.         arsenid. Dieses wurde von der          und Weltraumtechnik betroffen“,
 September 2011 einen Vertrag zum Verkauf des Dila-          ECHA jetzt als sehr gefähr-            so Tobias Weiler, Geschäftsführer
 vest-Dehnwachsgeschäfts an Paramelt unterzeichnet.          lich eingestuft. Die Industrie         des Industrieverbandes.
 Die Dehnwachse finden Einsatz in thermostatischen           mahnt an, dass die vorgelegte             Galliumarsenid wurde im Rah-
 Steuergeräten, die für die Automobil-, Marine- und          Einstufung dieses Stoffes wis-         men der CLP-Verordnung (Regu-
 Luftfahrtindustrie hergestellt werden. Darüber hinaus       senschaftlich nicht vollständig        lation on Classification, Labelling
 finden sie auch Anwendung in Gebäudeheiz- und               und korrekt ist, da sie aus der        and Packaging of Substances
 Kühlungssystemen. Paramelt wird das gesamte                 verfügbaren        umfangreichen       and Mixtures) von der ECHA als
 Geschäft mit sofortiger Wirkung übernehmen und in           Datenlage nicht ableitbar sei.         krebserregend und reprotoxisch
 eine moderne Anlage für die künftige Produktion der         Hingegen ließen die Ergebnisse         eingestuft. Diese Verordnung ist
 Wachse investieren. Die Produktion der Dehnwachse           intensiver toxikologischer als         Teil des europäischen Chemikali-
 verbleibt bis Mitte 2012 bei Evonik.                        auch arbeitsmedizinischer Stu-         enrechts und unter anderem für
 Air Products erhielt im August 2011 vom Stockton            dien keine tatsächliche, von           die Klassifizierung chemischer
 on Tees Borough Council die Baugenehmigung für              Galliumarsenid         ausgehende      Substanzen verantwortlich. Durch
 das bisher größte Projekt zur Energiegewinnung aus          Gefährdung erkennen.                   die Auswirkungen der CLP-Einstu-
 nicht-recyclebarem Abfall (EfW, energy from waste)            Galliumarsenid ist ein Halb-         fung auf andere EU-Rechtsbereiche
 in Großbritannien. Dabei entsteht auf dem Gelände           leiterwerkstoff und wird in der        (z.B. REACH und RoHS) könnte
 des nordenglischen Abfallentsorgers ‚Impetus Waste          Halbleiter-, Elektronik- und Opto-     eine entsprechende Einstufung
 Management’ in Tees Valley jährlich aus rund 300 000        elektronik-Industrie verwendet. In     als „sehr gefährlich“ mittelfristig
 Tonnen privater und gewerblicher Abfälle – die bis-         Form von Transistoren und Detek-       zu massiven Beschränkungen von
 her deponiert wurden – Strom für bis zu 50 000 Haus-        toren steckt es in einer Vielzahl      Galliumarsenid in Europa führen.
 halte. Die Anlage für Erneuerbare Energien ist mit 49       von Anwendungen wie z.B. Mobil-           Gemeinsam mit anderen betrof-
 MW (Megawatt) eine der größten ihrer Art und die            telefonen, Satelliten-, Kommuni-       fenen Verbänden und Unterneh-
 erste einer Reihe ähnlicher geplanter Anlagen, die in       kations- und Mikrowellentechnik        men bemüht sich „Spectaris“ nun
 den nächsten Jahren entstehen sollen. Abhängig von          und drahtloser Kommunikation.          durch Information und Gespräche
 den weiteren Genehmigungsschritten wird die Anlage          Zudem wird Galliumarsenid für          mit Vertretern der Bundes- und
 voraussichtlich bereits im Jahr 2014 in Betrieb gehen.      z.B. Hochleistungslaserdioden, in      Landesministerien, Abgeordneten
 Dekra übernimmt das Unternehmen für Explosi-                photovoltaischen Anwendungen           des Deutschen Bundestages und
 onsschutz und Prozess-Sicherheitsdienstleistungen           und für ultrahelle LEDs benöti-        des Europäischen Parlaments eine
 Chilworth Global in Southampton, Großbritannien.            gt. „Eine stark eingeschränkte         erneute Einstufung von Galliumar-
 Chilworth Global erzielt mit knapp 160 Mitarbeitern         Verfügbarkeit von Galliumarsenid       senid zu erwirken, die auch neues-
 einen Jahresumsatz von rund 15 Millionen Euro und           hätte zunächst Auswirkungen auf        te wissenschaftliche Erkenntnisse
 ist auf Sicherheitslösungen für die Prozessindustrie        die Bauelemente und Komponen-          einbezieht.
 spezialisiert.
 Rhodia Aroma Performance, Weltmarktführer bei
 LiTFSI (Lithium bis-Trifluoromethansulfonimid), und                 Elga sucht die ältesten Reinstwassergeräte
 das CEA–Liten kooperieren. Ziel dieser Zusammen-
                                                              Unter dem Motto „Frisch starten und gewinnen“ sucht Elga LabWater bis
 arbeit ist es, durch Erprobung des LiTFSI in Lithium-
                                                              Ende Oktober die ältesten Reinstwassergeräte Deutschlands. Jeder Teilneh-
 Ionen-Batterien die optimalen Nutzungsbedingungen
                                                              mer erhält ein Fachbuch für Laborwasseraufbereitung und kann mit etwas
 dieses Leitsalzes zu definieren. LiTFSI wird als Lithium-
                                                              Glück eine neue Purelab flex oder einen hochwertigen Miele Stand-Kaf-
 Salz in Flüssig-Elektrolyten eingesetzt. Das Salz besitzt
                                                              feevollautomaten CM 5100 für sein Labor gewinnen: Einfach unter www.
 eine große thermische und elektrochemische Stabili-
                                                              elgalabwater.com/gewinnspiel für die Verlosung anmelden und ein Foto des
 tät, ist nicht toxisch und auch unempfindlich gegenü-
                                                              aktuellen Reinstwassersystems hochladen oder mailen. Reinstwasser ist in
 ber Hydrolyse.
                                                              Laboren das am häufigsten eingesetzte Reagenz.

332        CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
Unternehmen

BASF investiert in Brasilien und Ludwigshafen
Acrylsäure-Produktionskomplex für 500 Mio. Euro – Bis 10 Mrd. Euro am Rhein

D    ie BASF wird in der brasi-
     lianischen Stadt Camaçari
im Bundes- staat Bahia den er-
                                      von 2-Ethylhexyl Acrylat in Guara-
                                      tinguetá soll ab 2015 auf Grund-
                                      lage der in Camaçari produzierten
sten Produktionskomplex für           Acrylsäure anlaufen.
Acrylsäure und Superabsorber            „Wir erwarten, dass die Investi-
(SAP) in Südamerika bauen. In         tion einen sehr positiven Einfluss
Ludwigshafen verbaut das Un-          auf die Außenhandelsbilanz haben
ternehmen bis 2015 neun bis           wird“, sagte Dr. Alfred Hackenber-
zehn Milliarden Euro.                 ger, Leiter des Regionalbereiches
   Mit einem Investitions- volu-      Südamerika der BASF. „Ich rech-
men von mehr als 500 Millionen        ne mit einem Effekt in Höhe von
Euro ist der Bau mehrerer World-      insgesamt 300 Millionen US-Dollar
Scale-Anlagen für die Produktion      pro Jahr, der sich aus einer Verrin-
von Acrylsäure, Butylacrylat und      gerung der Importe um 200 Mil-
Superabsorber die größte Ein-         lionen$ und einer Steigerung der
zelinvestition in der 100jährigen     Exporte um 100 Millionen US-
Geschichte der Geschäftstätigkeit     Dollar ergeben wird.“
der BASF in Südamerika. Zusätz-
lich wird die BASF im bereits
                                      Milliarden am Rhein verbaut
bestehenden Chemiepark Gua-              Die BASF investiert ebenso in
ratinguetá (São Paulo) die erste      bauliche Infrastruktur am Standort
Produktionsanlage für die Her-        Ludwigshafen. Es entsteht ein Zen-
stellung von 2-Ethylhexyl Acrylat     trum für Work-Life-Management
in Betrieb nehmen - ein wichtiges     entsteht. Man schafft 180 zusätz-
Vorprodukt für die Klebstoff- und     liche Plätze in Kinderkrippe LuKids.
Lackindustrie.                        Das Renovierte Feierabendhaus
   Mit dem Bau eines Acrylsäu-        steht vor der Wiedereröffnung.
                                                                           Das 1957 eingeweihte, 102 Meter hohe Friedrich-Engelhorn-
re-Produktionskomplexes        will   Künftig befinden sich zudem Be- Hochhaus muss renoviert werden (Foto: BASF).
die BASF die Lieferfähigkeit für      sucherzentrum und Archiv unter
wichtige Produkte in Südameri-        einem Dach. Parallel läuft aktuell
ka sicherstellen. Dazu gehören        die Modernisierung des benach-
Superabsorber für Windeln und         barten Friedrich- Engelhorn-
Hygieneprodukte, Acrylharze für       Hochhauses – benannt nach dem               Lanxess investiert in Kunststoffe
Lacke, Textilien und Klebstoffe so-   Gründer der BASF. Das 1957 ein-
wie Produkte für die Bauindustrie.    geweihte, mit 20 Etagen und ins- Lanxess investiert 15 Millionen Euro in sein Glasfaser-
   Die Entscheidung für den Stand-    gesamt 102 Meter Höhe bis 1962        Werk im Antwerpener Hafen. Für den Spezialchemie-
ort Camaçari fiel aufgrund der Ver-   höchste Bürogebäude Deutsch- Konzern sind Glasfasern ein wichtiges Zwischenprodukt
fügbarkeit des Rohstoffs Propylen     lands, ist heute Sitz einer Vielzahl  für die Herstellung seiner Hochleistungs-Kunststoffe. Mit
und weiterer Betriebsstoffe, die      von Marketing- und Verwaltungs-       der  Erweiterung steigt die jährliche Produktionskapazi-
von dem brasilianischen Petroche-     einheiten. Derzeit wird zudem ei-     tät für Glasfasern von aktuell rund 60 000 Tonnen um
mieunternehmen Braskem S.A. als       ne Reihe von Investitionen in der     zehn   Prozent.   Erst vor kurzem hatte das Leverkusener
strategischem Partner bei dieser      Produktion umgesetzt.                 Unternehmen       ein Investitionsprojekt in Höhe von 35
Investition vor Ort bereit gestellt      Ende 2010 hatten Unterneh-         Millionen   für die Erweiterung der Produktion von Capro-
werden.                               mensleitung und Arbeitnehmer-         lactam,   einem   weiteren  Kunststoff-Zwischenprodukt, in
   Der Baubeginn für den Acryl-       vertretung       unter     anderem    Antwerpen     abgeschlossen.   Durch die Erweiterung steigt
säure-Produktionskomplex ist für      beschlossen, bis 2015 insgesamt       die jährliche   Produktionskapazität   für Caprolactam von
2011 vorgesehen. Rund 1.000           neun bis zehn Milliarden Euro         derzeit  rund   200 000   Tonnen um  zehn  Prozent. Lanxess
Menschen werden während der           für die Zukunftsfähigkeit des Ver-    hat  in den   vergangenen     18  Monaten   eine Reihe von
Bauphase beschäftigt sein. Der        bundstandortes Ludwigshafen auf-      Investitionen    in  sein  Hightech-Kunststoff-Produktions-
Start der Produktion ist für das      zuwenden. Jährlich 1,15 bis 1,25      netzwerk umgesetzt. Mit der Erweiterung des Glasfaser-
Jahr 2014 geplant. Nach Inbetrieb-    Milliarden Euro sind pro Jahr allein  Werks   steigen die Investitionen auf insgesamt rund 90
nahme werden 230 Arbeitsplätze        für Investitionen, Modernisierungs-   Millionen    Euro. Die globale Nachfrage nach Hightech-
direkt, weitere 600 Arbeitsplätze     und Erhaltungsmaßnahmen vorge-        Kunststoffen    wird bis 2020 jedes Jahr voraussichtlich um
indirekt entstehen. Die Produktion    sehen.                                rund  sieben   Prozent  steigen.

                                                                             CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011        333
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
Personalia
FIZ Chemie Prof. René De-                          EHRUNGEN                              Der Körber-Preis wurde am 7.
planque, Geschäftsführer des                                                             September 2011 zum 27. Mal ver-
Leibniz-Institutes FIZ Chemie in                   Russell Lande (USA), Imperial         geben. Er ging dieses Jahr an Prof.
Berlin, wurde am 4. August zum                     College London (Großbritannien),      Stefan W. Hell. Der Preis ist mit
Generalsekretär der internationa-                  für Theoretische Biologie oder Bio-   750 000 Euro dotiert. Der Göttin-
len Chemie-Vereinigung IUPAC                       informatik, ist Balzan Preisträger    ger Physiker konstruierte hochauf-
gewählt. Die Amtszeit beginnt am       Deplanque   2011. Er erhält 750 000 Schwei-       lösende Lichtmikroskope, die um
1. Januar 2012. Der IUPAC gehö-                    zer Franken (zirka 670 000 Euro).     ein Vielfaches schärfer sehen kön-
ren 1.623 Chemieeinrichtungen                      Die Hälfte des Preisgeldes ist für    nen, als es bislang möglich schien.
aus 75 Mitgliedsländern an. FIZ                    die Finanzierung von Forschungs-      Stefan Hell, geboren 1962 im
Chemie ist ein Institut der wis-                   projekten zu verwenden. Lande         rumänischen Banat, ist seit 2002
senschaftlichen Infrastruktur in                   erhält den Preis für wegweisende      Direktor am Göttinger Max-Planck-
der Leibniz-Gemeinschaft (WGL).                    Beiträge zur Entwicklung und An-      Institut für biophysikalische Che-
René Deplanque kam 1994 als                        wendung der theoretischen Popu-       mie. Mit dem Körber-Preis werden
                                        Lande
wissenschaftlicher Geschäfts-                      lationsbiologie einschließlich der    jährlich herausragende und in
führer zum FIZ Chemie, ist seit                    modernen Entwicklung der Theo-        Europa tätige Wissenschaftler für
2005 alleiniger Geschäftsführer.                   rie der quantitativen Genetik und     zukunftsträchtige Forschungsar-
                                                   der Erforschung stochastischer Po-    beiten ausgezeichnet. Prämiert
Haltermann CEO der neuen                           pulationsdynamiken. Drei weitere      werden exzellente und innovative
Haltermann GmbH ist Dr. Uwe                        Balzan-Preise gab es für Geschich-    Forschungsansätze mit hohem An-
Nickel, ehemaliges Vorstandsmit-                   te, Philosophie bzw. Kosmologie.      wendungspotenzial.
glied der Clariant AG und Leiter
der Chemiegruppe der Beratungs-         Hell
gesellschaft Arthur D. Little. Hal-
termann produziert in Speyer und
Hamburg hochreine Raffineriepro-
dukte, die in der Automobil-, Phar-                      Wissenschaftsforum Chemie: Preise der GDCh
ma- und Kosmetikindustrie und in                    Auf dem Wissenschaftsforum Chemie 2011 der Gesellschaft Deutscher
der Druck-, Laborchemikalien- und                   Chemiker (GDCh) vom 4. bis 7. September in Bremen gehörten Auszeich-
Elektronikindustrie sowie in der                    nungen von Spitzenwissenschaftlern zu den Höhepunkten. Neben GDCh-
Kunststoffverarbeitung Anwen-                       Preisen werden auch mehrere Stiftungspreise vergeben.
dung finden. Die Firma gehört zum                   Der Fresenius-Preis für Analytische Chemie, benannt nach dem Grün-
Dow Konzern.                                        der des allseits bekannten Laboratoriums, wurde zum 24. Mal verge-
                                                    ben, und zwar an Prof. Christian Huber von der Universität Salzburg.
HZI      Das Helmholtz-Zentrum                      Er erhält den Preis für die Entwicklung und Anwendung von Analysen-
für Infektionsforschung (HZI) in                    methoden für biologisch relevante Moleküle. Die Methoden dienen vor
Braunschweig hat einen neuen                        allem der Proteincharakterisierung und der klinischen Analyse.
wissenschaftlichen Geschäftsfüh-        Huber       Der Arfvedson-Schlenk-Preis wurde von der Chemetall GmbH bei
rer. Das Bundesministerium für                      der GDCh für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Lithiumchemie
Bildung und Forschung (BMBF)                        eingerichtet und erstmals 1999 vergeben. Jetzt ging der Preis an Prof.
ernannte jetzt den Strukturbiolo-                   Peter Bruce von der University of St. Andrews in Schottland. Die For-
gen Prof. Dirk Heinz mit Wirkung                    schungsinteressen von Peter Bruce liegen auf der Entwicklung von neuen
zum 1. August zum Nachfolger des                    Materialien für die Energiewandlung und -speicherung. Insbesondere
vor einem Jahr im Amt verstor-                      befasst er sich mit Materialentwicklungen für Lithium-Ionen-Batterien.
benen Prof. Jürgen Wehland. Heinz                   Die Klaus-Grohe-, die Hellmut-Bredereck- und die Hermann-Schnell-Stif-
hatte die wissenschaftliche Leitung     Bruce
                                                    tung stellten herausragende Arbeiten junger Wissenschaftler vor. Zwei
des HZI bereits seit September                      Wissenschaftler werden mit dem Klaus-Grohe-Preis für Medizinische
2010 kommissarisch inne. Für die                    Chemie ausgezeichnet: Dr. Ralph Holl von der Universität Münster und
Zukunft plant er insbesondere den                   Dr. Simon Lucas, Grünenthal GmbH, Aachen. Der Preis der Hellmut-
Ausbau von Kooperationen mit aka-                   Bredereck Stiftung für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der
demischen Partnern und der Indus-                   bioorganischen Chemie geht an Prof. Christoph Arenz von der Hum-
trie, um die Grundlagenforschung                    boldt-Universität Berlin.
stärker mit der klinischen Anwen-                   Das Herrman Schnell-Stipendium, das Arbeiten zur makromoleku-
dung zu verknüpfen. Dirk Heinz                      laren Chemie, zu deren physikalisch-chemischen Grundlagen und deren
studierte Chemie und Biochemie                      Analytik fördert, erhalten in Bremen PD Dr. Dariush Hinderberger
in Freiburg, ehe er sich im Rahmen                  vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz und die Chine-
seiner Dissertation an der Univer-                  sin Dr. Yan Lu, die am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und
sität Basel auf die Strukturbiologie    Heinz       Energie GmbH arbeitet.
spezialisierte.

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CLB Chemie in Labor und Biotechnik
Förderungen / Preise
Eppendorf Young Investigator Award Ethanol aus Lignocellulose
Bis zum 15. Januar 2012 können sich in Europa          Kraftstoffe aus lignocellulosischer Biomasse ein-
tätige Forscherinnen und Forscher im Alter bis 35      schließlich Rest- und Abfallstoffe stehen vor dem
Jahren für den Eppendorf Award for Young Europe-       Hintergrund der aktuellen Diskussion um Nahrungs-
an Investigators bewerben. Dieser 1995 ins Leben       mittelsicherheit und Biodiversität besonders im Fokus
gerufene und international hoch angesehene Preis       bei den Zielformulierungen zum Ausbau der Bioe-
honoriert auf molekularbiologischen Methoden be-       nergienutzung. Bioethanol aus Lignocellulose wird
ruhende herausragende Leistungen auf dem Gebiet        hierbei als Substitut für Ottokraftstoffe eine große
der biomedizinischen Forschung. Eine unabhängige       Bedeutung beigemessen. Dies spiegelt sich in vielfäl-
Jury unter Vorsitz von Kai Simons (Max-Planck-         tigen Verfahrensansätzen zur Herstellung dieses Kraft-
Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik,      stoffs wider. Verfahren zur Gewinnung von Ethanol
Dresden) entscheidet über die Vergabe des Eppen-       aus Lignocellulose sind auf dem Weg hin zur Kom-
dorf Awards 2012. Der/die Preisträger/in erhält u.a.   merzialisierung. Allerdings beschränkt sich die Errich-
ein Preisgeld in Höhe von 15 000 Euro.                 tung von Industrieanlagen bislang noch auf Planungen.
                                                       Darüber hinaus ist festzustellen, dass Verfahren zur
                                                       Herstellung von Lignocellulose-Ethanol noch ein ho-
Themenfeld Kardiodiabetologie                          hes Potenzial zur Effizienzsteigerung aufweisen. Ge-
Noch bis zum 30. September 2011 läuft die              genstand dieses Förderschwerpunktes ist daher die
Frist für den Förderpreis der Stiftung DHD (Der        Erforschung und Entwicklung neuer und innovativer
herzkranke Diabetiker), mit dem herausragende          Verfahren und Konzepte zur Herstellung von Ethanol
Forschungsarbeiten im Themenfeld Kardiodiabe-          aus Lignocellulose. Hierbei soll das ganze Spektrum
tologie ausgezeichnet werden. Der Preis ist mit        der biotechnologischen und verfahrenstechnischen
10 000 Euro dotiert und wird an Wissenschaftler        Methoden abgedeckt werden. Dabei sind ausdrück-
vergeben, die ihre Forschung der Stoffwechsel-         lich nur neue, über den Stand der Technik hinausge-
und Gefäßmedizin widmen. Prämiert werden               hende Ansätze zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist
Arbeiten aus dem grundlagenwissenschaftlichen          eine enge Kooperation entlang der Verfahrenskette
und versorgungsmedizinischen Bereich, die zur          erforderlich.
Optimierung der Behandlung von herzkranken             Folgende Themenbereiche werden als besonders
Diabetikern beitragen. In Europa ansässige Wissen-     aktuell angesehen: 1. Biomassevorbehandlung, Bi-
schaftler, die zum Thema Diabetes mellitus, Herz       omasseaufschluss und enzymatische Hydrolyse 2.
und Gefäße geforscht haben, können sich einzeln        Fermentation / Mikroorganismen / Enzyme 3. Ver-
oder in Teams bewerben. Für die Bewerbung gilt         wertung der Nebenprodukte der Ethanolfermentation
keine Altersbeschränkung. Allerdings muss sich         Im Rahmen dieser Themenbereiche sind nachfolgend
das Forschungsprojekt an den Stiftungszielen ori-      problemorientierte FuE-Schwerpunkte formuliert. Im
entieren, die Ergebnisse sollten noch nicht publi-     Zentrum der FuE-Arbeiten sollten dabei insbesondere
ziert sein.                                            neue und innovative Prozesse und Verfahren stehen,
                                                       die eine möglichst kostengünstige Konversion von li-
                                                       gnocellulosischer Biomasse zu Ethanol erlauben. Im
Internationaler Bionic-Award                           Falle anwendungsorientierter FuE-Projekte ist eine
Bereits zum dritten Mal vergeben der Verein            angemessene Beteiligung der gewerblichen Wirtschaft
Deutscher Ingenieure (VDI) und die Deutsche            an den Vorhaben zu gewährleisten. Ein ausreichendes
Bundesstiftung Umwelt (DBU) den internationa-          Markt- und Wertschöpfungspotential ist sicherzustel-
len Bionic-Award für besondere wissenschaftliche       len. Wirtschaftlichkeitsaspekte sowie Aspekte der
Leistungen in der bionischen Produktentwicklung.       Nachhaltigkeit sind zu berücksichtigen.
Der von der Schauenburg-Stiftung mit 10 000 Euro       Es ist zu empfehlen, nach einer ersten Kontaktaufnah-
dotierte Preis richtet sich an den Forscher-Nach-      me mit der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
wuchs. Ausgezeichnet wird eine herausragende           (FNR) eine kurze Projektbeschreibung (Projektskizze)
Arbeit, z. B. in Form einer bionischen Produktent-     einzureichen, um die Förderwürdigkeit und die Zu-
wicklung oder einer Dissertation/Habilitation, die     ständigkeit prüfen zu lassen. Die elektronische Skiz-
in den letzten zwei Jahren vor dem Einreichungs-       zenerfassung „easy-Skizze“ kann über http://www.
termin fertig gestellt wurde. Teilnehmen kön-          kp.dlr.de/profi/easy/skizze/index.html heruntergela-
nen sowohl Einzelpersonen als auch Teams. Die          den werden. In den Fällen, in denen keine Möglich-
Ausschreibung ist international. Nachwuchswis-         keit auf Förderung gesehen wird, kann so unnötiger
senschaftler können ihre Arbeiten in englischer        Arbeitsaufwand vermieden werden. Nach der Verstän-
Sprache bis zum 29. Februar 2012 bei der VDI-          digung über die Projektskizze werden von der FNR die
Gesellschaft Technologies of Life Sciences (TLS)       entsprechenden Antragsformulare , Richtlinien und
einreichen. Weitere Informationen findet man im        Nebenbestimmungen zur Projektförderung an den
Internet unter www.vdi.de/bionic2012.                  Antragsteller gesandt.

                                                                        CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011        335
CLB Chemie in Labor und Biotechnik
Spintronik

               Wenn Magnetmomente wechselwirken
               Spintronik: Seltsame Effekte, ungewöhnliche Stoffe, Memristoren, Supercomputer

                Rolf Kickuth, Gaiberg

               1939 erfand der Science Fiction-Autor Isaac Asimov
               den Begriff des „positronischen Gehirns“. Damit
               waren Roboter ausgestattet, deren Denkvermögen
               dem des Menschen gleichkommen oder es übertref-
               fen sollten. Die Roboter „Data“ aus der Fernseh-
               serie „Star Treck“ sowie die NS-5-Roboter aus „I
               Robot“ verfügen über derartige Positronik. Offenbar
               sind den Science Fiction-Autoren die Leistungen
               der Elektronik nicht ausreichend genug für höher-
               stehende kognitive Fähigkeiten, seien es damals
               die Elektronenröhrentechnik oder sogar heute die
               hochintegrierten Mikrochips (Abbildung 1). Und es
               stimmt: Supercomputer sind ohne Bewustsein, aber
               wahre Großverbraucher an Energie; der aktuell
               schnellste Rechner „K“ aus Japan verschlingt fast
               zehn Megawatt. Ein Hirnsimulator wie im Human
               Brain Project angestrebt würde derzeit nur mit
               der Leistung einer nahezu dreistelligen Zahl von
               Kernkraftwerken betrieben werden können. Aber es
               zeichnen sich tatsächlich Lösungsmöglichkeiten für
               schnelle, energieeffiziente Computer ab; eine davon
               heißt Spintronik. Die andere sind Memristoren, die
               durchaus eine Schnittmenge mit Spintronik haben.
               Die Grundlagen dazu führen uns tief in die Welt des
               Magnetismus, der Materialwissenschaften – und der
               Quantenphysik.

               Dass Spintronik sich jetzt im Forschungsaufwind                      Abbildung 1: Auch wenn dieser Roboter „iCub“ Gefühle
               erhebt ist kein Zufall: Die bisherige Elektronik                     simulieren kann: An die Leistungen der Film-Roboter aus
               kommt buchstäblich an ihre Grenzen: Die Ab-                         „Star Treck“ oder „I Robot“ kann er nicht anknüpfen. Aber er
               messungen der einzelnen Bauelemente auf                              ist real, und vielleicht hilft die Spintronik dabei, ein solch lei-
               einem Chip – Transistoren, Dioden, Kondensa-                         stungsfähiges Robotergehirn zu entwickeln, wie man es sich
               toren – haben eine Größenordnung erreicht, in                        bei den Science Fiction-Robotern mit ihren „positronischen
                                                                                    Gehirnen“ vorstellte (Foto: RK).
               der Quanteneffekte eine Rolle spielen. Wenn
               die Dicke isolierender Schichten bei solchen Ele-
               menten nur noch etwa zehn Nanometer beträgt,                        stellen sie keine Barrieren mehr für die Elektro-
                                                                                   nen dar, sie durchtunneln solche Schichten. Und
                                                                                   die Tunnelströme werden natürlich größer, je
                                                                                   dünner diese Schichten werden. Bald erreichen
               Der Autor                                                           die Strukturgrößen von Mikrochips, also die Ab-
               Rolf Kickuth ist Verleger der CLB. Schon während seines             messungen eines einzelnen Transistors auf dem
               Chemiestudiums war er etwa für FAZ, Bild der Wissenschaft,          Chip, derartige Maße. Bei Prozessor-Chips auf
               WELT und Chemische Rundschau wissenschaftsjournalistisch            11-Nanometer-Basis wird die Dicke des Gate­
               tätig. Später gab er die AXON für Anwendungen und Methoden          oxids nur noch aus einer Atomlage bestehen.
               der künstlichen Intelligenz heraus. Er war zudem Chefredakteur      Intel und AMD wollen 2013 die ersten 14-Nano-
               des Informatik Spektrum, der Zeitschrift der Gesellschaft für       meter-Chips anbieten. Die Silicium-Technologie
               Informatik, sowie Kongressveranstalter; u.a. organisierte er 2007   wird dann wohl 2016 an ihre Grenzen stoßen;
               ein Symposium zu Brain Computer Interfaces.                         das betrifft auch Speicherchips.

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Spintronik

  Quanteneffekte nutzen                                  Topologische Isolatoren

Überlegungen zur Lösung des Quanteneffekt-              Lösungsmöglichkeiten zur Verwirklichung spin-
Problems gehen nun dahin, diese Effekte gezielt         tronischer Bauelemente könnten in der Verwen-
zu nutzen. Hier kommt der Elektronenspin ins            dung topologischer Isolatoren liegen, eventuell
Spiel. Der Spin (Eigendrehimpuls) ist eine quan-        verwirklicht durch Heusler-Verbindungen (Ab-
tenmechanische Eigenschaft von Teilchen. Er             bildungen 2 und 3). Kennzeichnend für die to-
bestimmt zum Beispiel über das Pauli-Prinzip ent-       pologischen Isolatoren ist, dass die Materialien
scheidend den atomaren Aufbau und die Chemie            eigentlich Isolatoren oder Halbleiter sind, an der
aller Substanzen.                                       Oberfläche oder an Grenzflächen sind sie aller-
   Elektronische Bauelemente, die den Spin der          dings metallisch, aber eben nicht wie normale
Elektronen zur Basis haben, könnten zudem das           Metalle. Ähnlich wie bei Supraleitern zeigen die
Problem wachsender Energiemengen zum Be-                Elektronen an der Oberfläche oder den Grenzflä-
trieb von Computerchips lösen. So ist die Ener-         chen keine Wechselwirkung mit ihrer Umgebung,
gie, die für das Umschalten der Spinorientierung        sie befinden sich in einem neuen Quantenzu-
benötigt wird, um Größenordnungen kleiner als           stand.
die benötigte Energie für Ladungstransporte. Die          Anders als in Supraleitern zeigen topologische
Hitzeentwicklung bei Chips, die bereits heute           Isolatoren zwei nichtwechselwirkende Ströme,
große Probleme aufwirft, ließe sich so vermeiden.       jeweils einen für jede Spinrichtung. Diese bei-
   Es gibt also etliche Anreize, sich mit Spintronik    den Spinströme, die weder Defekte noch Verun-
zu beschäftigen. Um spintronische Bauelemente           reinigungen im Material wahrnehmen, können
zu verwirklichen – etwa für neue Speicherele-           für die Spintronik genutzt werden. Die Eigen-
mente, muss man in der Lage sein, gezielt den           schaft eines topologischen Isolators wurde 2006
Spin einzelner Elektronen zu adressieren. Zudem         für eine Schicht Quecksilbertellurid zwischen
sind Fragen des Transports solcher Spin-kontrol-        Cadmiumtellurid vorhergesagt. [2] Ein Jahr spä-
lierter Teilchen sowie die Stabilität des Spinzu-       ter wurde der Effekt von Würzburger Forschern
standes zu klären.                                      um Laurens Molenkamp experimentell bestätigt
   Da grundsätzlich nur zwei elementare Spin-          (siehe auch CLB 06-2011, Seite 259: „Topolo-
richtungen möglich sind, liegt es nahe, diese als       gische Isolatoren für elektronische Bauelemente
binäre Informationsträger zu verwenden. Fest-          – Meta-Zinnober leitet elektrischen Strom an
platten sind ein alltägliches Beispiel dafür, wie       Oberfläche ohne Verluste“).
der Spin zur Speicherung von digitalen Informa-
tionen mithilfe von magnetischen Feldern von
einer in die andere Richtung dauerhaft „umge-
klappt“ werden kann. Besonders vorteilhaft wä-
re es jedoch, wenn man die Spinrichtung von
Elementarteilchen – genauso wie die Ladungsträ-
ger in Halbleitern – auf elektrischem Weg durch
                                                        Kurz gefasst
Anlegen von Spannungen beliebig beeinflussen
könnte. Davon verspricht man sich schnellere,           • Die herkömmliche Elektronik kommt bald an ihre Grenzen, weil isolierende
leistungsfähigere Bauelemente, die gleichzeitig           Wände in den Chips aufgrund ihrer Dünne von Elektronen durchtunnelt
mehrere Funktionen in sich vereinigen, wie Spei-          werden – ein quantenphysikalisches Phänomen.
cherung, Logik und Kommunikation für die Da-            • Die Spintronik macht sich Phänomene der Quantenwelt zu Nutze. Spinzu-
tenverarbeitung. Noch spekulativ und kontrovers           stände können zudem äußerst schnell und mit sehr wenig Energie geändert
diskutiert wird die Nutzung manipulierter Spins           werden – eine Hoffnung auf schnellste Computer.
für Quantencomputer. Beim Quantencomputer               • In topologischen Isolatoren und Heusler-Verbindungen sind materialtech-
würden die beiden Spinzustände nicht länger               nische Möglichkeiten vorhanden, Spintronik-Elemente zu bauen.
nur als „0“ oder „1“ eines üblichen Bits dienen.        • Erste Erfolge zur Verwirklichung spintronischer Bauelemente und Prozesse
Die quantenmechanische Überlagerung der bei-              sind bereits zu verzeichnen. So gibt es ein Logik-Bauteil, und auch die Ver-
den Spinzustände ergibt ein Quantenbit, in dem            stärkung von Spinströmen ist gelungen.
eine kontinuierliche Variation der Spinrichtung         • Memristoren, die als prädestiniert für die Simulation von synaptischen Funk-
möglich ist. [1] Bisher gibt es drei Anwendungs-          tionen gelten, lassen sich mit Spintronik verwirklichen. Dadurch sind völlig
bereiche, für die sich ein Quantencomputer be-            neue Computerkonzepte denkbar, die biologischen Gehirnen ähneln.
sonders eignete: Einer zur Faktorisierung großer        • Die Forschung ist noch sehr verzweigt und grundlegend. Immer wieder zei-
Zahlen, ein Problem der Verschlüsselungstech-             gen sich neue Mechanismen.
nik; ein weiterer Algorithmus betrifft Suchfunk-        • Ein weiteres Ziel der Spintronik ist der Bau eines Quantencomputers. Dies
tionen, uns schließlich bietet sich die Simulation        soll jetzt – in einer speziellen Ausrichtung – gelungen sein. Lockheed Mar-
quantenmechanischer Systeme für die Bearbei-              tin sowie Google arbeiten schon mit dieser Technik.
tung mit Quantencomputern an.

                                                                          CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011        337
Spintronik

                                                                                      Heusler-Verbindungen

                                                                                    Fähigkeiten als topologische Isolatoren werden
                                                                                    nun auch für Heusler-Materialien vorausgesagt.
                                                                                    Heusler-Verbindungen sind Verbindungen aus
                                                                                    drei Elementen, die häufig halbleitend oder
                                                                                    magnetisch sind. Schon um 1900 wurde diese
                                                                                    Verbindungsklasse von Fritz Heusler entdeckt.
                                                                                    Das Besondere an den Verbindungen ist, dass
                                                                                    sie ganz andere Eigenschaften zeigen, als man
                                                                                    aus der Kombination der Elemente, aus denen
                                                                                    sie hergestellt werden, vermuten könnte. So
                                                                                    wurde die erste Heusler-Verbindung aus den
                                                                                    nichtmagnetischen Elementen Kupfer, Mangan
                                                                                    und Aluminium hergestellt; Cu2MnAl ist aber ein
                                                                                    Ferromagnet, sogar bei Raumtemperatur.
                                                                                      Man unterscheidet zwei Typen von heusler-
                                                                                    schen Legierungen. Die „halben“ Heusler-Legie-
                                                                                    rungen haben allgemein eine Zusammensetzung
                                                                                    XYZ (jeder Buchstabe steht für ein Legierungsele-
                                                                                    ment; Abbildung 2), während die „vollständigen“
                                                                                    Heusler-Legierungen nach der Formel X2YZ zusam-
                                                                                    mengesetzt sind (Abbildung 3). Dabei sind X und Y
                                                                                    Übergangsmetalle, während Z ein Element der III.-
                                                                                    V. Hauptgruppe ist. Die Legierungselemente bil-
Abbildung 2: Struktur einer „halben“ Heusler-Legierung vom Typ XYZ. Prototypen
                                                                                    den Ordnungsphasen, so dass die Kristallstruktur
dafür sind AgAsMg oder AlLiSi. Es gibt aber noch eine Vielzahl anderer Verbin-
dungen mit dieser Struktur, beispielsweise MnNiSb, AuMgSn, CdLiP, BiMgNi oder
                                                                                    aus vier (beim XYZ-Typ ist eines unbesetzt) inei-
RhSnTi (Abb.: U.S. Naval Research Laboratory).                                      nander geschachtelten kubisch-flächenzentrierten
                                                                                    Teilgittern besteht. Die im Detail bis heute noch
                                                                                    nicht verstandenen Wechselwirkungen zwischen
                                                                                    den Atomen der Teilgitter bewirken eine nahezu
                                                                                    vollständige Ausrichtung (Spinpolarisation) der
                                                                                    magnetischen Dipolmomente des „richtig pola-
                                                                                    risierten“ Anteils (z. B. Spin aufwärts gerichtet)
                                                                                    der Elektronen, während die „falsch polarisierten“
                                                                                    Elektronen (z. B. Spin abwärts gerichtet) allesamt
                                                                                    nicht-metallisch sind, was sich makroskopisch bei
Abbildung 3: Struktur einer „vollen“ Heusler-Legierung vom Typ X2YZ. Ein            hinreichend tiefen Temperaturen (z. B. Zimmer-
typisches Beispiel dafür ist Cu2MnAl. Andere Vertreter sind Ni2TiAl sowie Ni2HfAl   temperatur und darunter) als Ferromagnetismus
(Abb.: U.S. Naval Research Laboratory).                                             äußert. Man hat es also mit „Halbmetall-Ferroma-
                                                                                    gnetismus“ zu tun. [3]
                                                                                      Dass Heusler-Materialien nun auch als topo-
                                                                                    logische Isolatoren in Frage kommen, hat welt-
                                                                                    weit für Aufregung gesorgt. „Dafür gibt es zwei
                                                                                    Gründe“, erklärt Claudia Felser, Professorin an
                                                                                    der Universität Mainz und Expertin für Heusler-
                                                                                    Materialien. „Zum einen gibt es in dieser groß-
                                                                                    en Materialklasse mit mehr als 1000 bekannten
                                                                                    Vertretern alleine mehr als 50 Verbindungen,
                                                                                    die den Fingerabdruck der TI zeigen. Zum an-
                                                                                    deren können ganz neue physikalische Effekte
                                                                                    designt werden, da die Materialien aus drei Ele-
                                                                                    menten bestehen und daher neben dem topo-
                                                                                    logischen Quantenzustand weitere interessante
                                                                                    Eigenschaften aufweisen können.“ Felser nimmt
                                                                                    an, es sind Kombinationen von zwei Quanten-
                                                                                    zuständen wie Supraleitung und topologischen
                                                                                    Oberflächenzuständen möglich. Es seien zudem
                                                                                    noch nicht entdeckte, aber teilweise schon vor-

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Spintronik

hergesagte Eigenschaften denkbar. Es ist völlig
neu, dass all diese Möglichkeiten in nur einem
Material zusammenkommen.
  Vor Kurzem hat der Arbeitskreis Felser anhand
von theoretischen Ermittlungen ein Design von
Spintronik-Bauteilen vorgeschlagen. Dazu gehö-
ren Schalter, um einen elektrischen Strom mit-
hilfe von kleinen magnetischen Feldern an- oder
abzuschalten. Ob und wie das funktioniert, hängt
direkt von der Spin-Polarisierung des Stroms ab,
also davon, ob die Elektronen vorwiegend eine
bestimmte Drehrichtung aufweisen. Die ideale
Situation wäre, dass alle Elektronen den glei-
chen Spin haben. In der Realität ist es aber so,
dass verschiedene Faktoren die Effizienz der
Spintronik-Bauteile schmälern, vor allem indem
die einheitliche Spin-Polarisierung zerstört wird.
Zu großen Verlusten bei der Spin-Polarisierung       Abbildung 4: Die Abbildung zeigt den Aufbau des kleinsten Nano-Spintronik-
                                                     Logikgatters der Welt. Die dreieckigen Strukturen sind magnetische Kobalt-Inseln
kommt es typischerweise an Schnittstellen zwi-
                                                     mit einer Höhe von zwei Atomlagen und die gelben Kugeln symbolisieren einzelne
schen halbmetallischen und halbleitenden Ma-         Eisen-Atome. Die roten und grünen Pfeile zeigen die magnetische Ausrichtung an.
terialien. Das liegt häufig an mechanischen und      Die Größe des eigentlichen logischen Gatters aus drei Eisen-Atomen beträgt ca. 3
chemischen Unverträglichkeiten unter den ver-        Nanometer (Abb.: A. A. Khajetoorians, J. Wiebe, Uni Hamburg).
wendeten Materialien. Computerberechnungen
zeigten nun, dass sich dieses Problem lösen lässt,
wenn man nur Heusler-Materialien für die Schal-
ter verwendet.                                         Durch die definierten Abstände der Eisen-
                                                     Atome zueinander und zu den Kobaltinseln neh-
  Erste Schritte zur Spintronik                      men die Spins der Atome einen anti-parallelen
                                                     Zustand ein, d.h. die winzigen Kompassnadeln
Tatsächlich verwirklicht haben Wissenschaftler       zeigen von Atom zu Atom in entgegen gesetzte
der Universität Hamburg ein Spintronik-Logik-        Richtungen.
Bauteil. Es ist nur aus wenigen magnetischen           Ändert man nun die magnetische Ausrichtung
Atomen aufgebaut.                                    der beiden Eingabe-Inseln, dann richten sich die
  Um das völlig neuartige Nano-Spintronik-Bau-       Spins der Eisen-Atome auch wieder anti-parallel
teil zu verwirklichen brachten die Hamburger         zu den Inseln aus und ähnlich wie bei einem Do-
Physiker um Dr. Alexander Khajetoorians und          minospiel kippen die Kompassnadeln nacheinan-
Dr. Jens Wiebe Kobalt auf eine Kupferoberflä-        der um und passen sich der neuen Eingabe an.
che auf. Dabei entstanden dreieckige Inseln, die     Das Ausgabe-Atom wird dabei logisch geschaltet
aus ca. 100 Kobalt-Atomen bestehen. Anschlie-        (Abbildung 5). Der Umschaltprozess eines der
ßend benutzten die Wissenschaftler die atomar        Spins erfolgt in einer extrem kurzen Zeit von
scharfe Nadel eines Rastertunnelmikroskops als       einem Zehnbillionstel einer Sekunde, was äu-
Werkzeug, um zwei der Kobalt-Inseln mit Ketten       ßerst schnelle Schaltfrequenzen der neuartigen
aus einzelnen Eisen-Atomen zu verbinden (Abbil-      Bauteile erwarten lässt; von 10 000 Gigahertz
dung 4). Wichtig war dabei, dass die Eisen-Atome     sprachen die Forscher. Zum Vergleich: Mit fünf
in definierten Abständen zueinander und zu den       Gigahertz schalten sehr schnelle Computer heu-
Kobalt-Inseln auf der Kupferoberfläche angeord-      te.
net wurden.                                            Eine andere Richtschnur für die Weiterent-
  Die beiden Kobalt-Inseln sind die Eingabe-Ein-     wicklung der Spintronik ist der Spin-Feldeffekt-
heiten für die zu verarbeitenden magnetischen        Transistor, der von S. Datta und B. Das im Jahr
Informationen. In der Mitte des Spintronik-          1990 vorgeschlagen wurde (Abbildung 6). Dies
Bauteils, dort wo die beiden Ketten auf einan-       ist eine lateral nanostrukturierte Ferromagnet/
der treffen, liegt ein einzelnes Eisen-Atom, das     Halbleiter-Hybridstruktur, in der die Vorzüge der
als Ausgabe-Einheit dient und in Abhängigkeit        Halbleiter-Technologie mit denen der Magneto­
von der Eingabe über die Kobalt-Inseln logisch       elektronik zu neuer Funktionalität verbunden
geschaltet wird. Der magnetische Zustand des         werden. Grundlegend neuartig an dem Vor-
Ausgabe-Atoms wird mit Hilfe der spinsensitiven      schlag ist, dass die Gate-Spannung nicht – wie
Nadel des Rastertunnelmikroskops ausgelesen,         herkömmlich – die Leitfähigkeit im Halbleiter-
die dafür mit einem magnetischen Material be-        Kanal steuert, sondern den Spin-Zustand der
schichtet wurde.                                     stromtragenden Elektronen. Maßgebliche Me-

                                                                        CLB   62. Jahrgang, Heft 08 - 09/2011        339
Spintronik

                     Abbildung 5: Bilder des Nano-Spintronik-Logikgatters, das mit der Nadel eines spinsensitiven Rastertunnelmikroskops ausge-
                     lesen wurde. Es handelt sich bei dem Bauteil um ein „Oder-Gatter“, d. h. zeigt der Spin von beiden Eingabe-Inseln nach unten
                     (D), dann zeigt auch der Spin des Ausgabe-Atoms nach unten (blau). Zeigen die Spins einer oder beider Inseln nach oben (A-C),
                     so wird auch der Spin des Ausgabe-Atoms nach oben ausgerichtet (rot; Abb.: A. A. Khajetoorians, J. Wiebe, Uni Hamburg).

Abbildung 6: Der Spin Feld-Effekt Transistor (Spin FET) wurde 1990 von S. Datta       chanismen in einem derartigen Transistor konn-
und B. Das vorgeschlagen. Er besteht aus einer Halbleiterheterostruktur, die          ten mittlerweile gezeigt werden. Der Datta-Das
ferromagnetische (FM) source- und drain- Kontakte besitzt. Elektronen, die am         Spin-Feldeffekttransistor beruht auf der Rashba-
linken Kontakt spin-polarisiert injiziert werden und sich ohne Streuung entlang des   Spin-Bahn-Wechselwirkung. Dabei wird eine
Kanals bewegen (2DEG = zweidimensionales Elektronengas), können aufgrund
                                                                                      Spinpräzession durch ein elektrisches Feld her-
der Spin-Bahn-Wechselwirkung (Rashba-Effekt) eine Spin-Präzessions-Bewegung
ausführen. Die am rechten Kontakt detektierte Spannung hängt vom Präzessions-         vorgerufen, das senkrecht auf der Bewegungs-
winkel ab, der mit Hilfe einer Gate-Spannung elektrisch gesteuert werden kann         richtung der Elektronen steht.
(Abb.: Japan National Institute for Materials Science).                                 Ein weiterer Schritt hin zu Computern, die
                                                                                      auf Spintronik basieren: Forscher der Universi-
                                                                                      täten Münster und Cambridge (England) haben
                                                                                      einen neuen, grundlegenden Effekt entdeckt,
                                                                                      der eine Verstärkung von Spinströmen möglich
                                                                                      macht. Das Problem: Spinströme „versiegen“,
                                                                                      weil die Spin-Ausrichtungen sich mit der Zeit
                                                                                      wieder zufällig anordnen. Entsprechend werden
                                                                                      die Drehimpulse an das Kristallgitter übergeben.
                                                                                      Den Physikern ist es nun erstmals gelungen, den
                                                                                      Drehimpuls-Fluss umzukehren. Der entdeckte
                                                                                      Effekt sorgt dafür, dass das Kristallgitter selbst
                                                                                      Drehimpuls an das magnetische System abgibt
                                                                                      und dort den Spinstrom verstärkt. Grundlage des
                                                                                      Effekts sind magnetischen Spinwellen in Fest-
                                                                                      körpern.

                                                                                        Spinwellen und Solitonen
                                                                                      Auf spezielle Welleneffekte setzt man auch wei-
                                                                                      tere Hoffnungen in der Spintronik. Anschaulich
                                                                                      erzeugt der Spin des Elektrons ein Magnetfeld
                                                                                      ähnlich dem eines winzigen Stabmagneten. Wie
                                                                                      eine Kette solcher Stabmagnete beeinflussen
                                                                                      sich benachbarte Elektronenspins gegenseitig.
                                                                                      Stößt man einen Spin an, so führt die Anregung

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