Die üblichen Verdächtigen - Freilich
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LINKSEXTREMISMUS Die üblichen Verdächtigen VON: RECHERCHE ÖSTERREICH Das gesamte linke Spektrum ist da, von den Rändern bis in die Mitte der etablierten Medien, dazu das Dokumentationsarchiv. Ein Koordinierungstreffen zur Ausrichtung der öffentlichen Debatte über den „rechten Feind“. Linke unter sich – beim Konstruieren des Diskurses. Wir waren dabei. I nstitut für Publizistik der Universität Wien, Ende Demokratie durch Rechtsextremismus und dem November 2018, die IG Publizistik lädt zur Ta- journalistischen Umgang“ mit diesem gewidmet. gung „Rechtsextremismus als Herausforderung für den Journalismus“. Es referieren, man ist versucht Feind bestimmen? Richtig definieren zu sagen: die üblichen Verdächtigen aus Main- Den ersten Vortrag hält Judith Goetz, heute Li- stream-Medien von ORF bis „profil“, dazu die teratur- und Politikwissenschaftlerin an mehreren „Koryphäen“ der Rechtsextremismusforschung in österreichischen Universitäten mit den Schwer- Österreich von Universitätslektorinnen bis zum punktthemen Feministische Theorie („Feminismus: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Wider- Ich bremse auch für Männer“), Rechtsextremis- stands (DÖW). Der Veranstaltungssaal der Uni- mus und Gedenkkultur, in früheren Zeiten auch versität ist zu zwei Dritteln leer. Die 40 bis 50 An- KPÖ-Spitzenkandidatin bei einer Kärntner Land- wesenden glänzen durch ethnische Homogenität. tagswahl. Goetz führt neben ihrer universitären Außer einer Muslima und einem Südasiaten, später Tätigkeit die „Forschungsgruppe Ideologien und ergänzt durch eine Afrikanerin, befinden sich nur Politiken der Ungleichheit“ (FIPU), eine linke Autochthone im Raum. Publizistikprofessor Fritz Arbeitsgruppe. Über diese Gruppe ist sie mit dem Hausjell vom Institut betont zu Beginn, dass man DÖW vernetzt, die DÖW-Mitarbeiter Bernhard eine „substanzielle Summe in die Sicherheit des heu- Weidinger und Andreas Peham gehören ebenfalls der tigen Abends“ investiert habe, um „einen ruhigen Gruppe FIPU an, letzterer unter seinem alten Pseu- Ablauf “ garantieren zu können. Ja, freilich … Haus- donym (Dr.) Heribert Schiedel. Goetz veröffentliche jell betreute die Diplomarbeit des ORF-Journalisten 2018 das Buch „Untergangster des Abendlandes. Eduard „Ed“ Moschitz, die sich der „Authentizität Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identi- in realitätsnahen Fernsehformaten“ (2008) widmete. tären‘“, das definiert auch schon ihr Lieblingsobjekt. Ausgerechnet Moschitz brachte dann für eine „Am Um den wissenschaftlichen Minimalstandard zu Schauplatz“-Reportage 2010 zwei Skinheads mit zu halten, beginnt Goetz zunächst mit einer Begriffs- einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung. definition. Zwar sei der Rechtsextremismusbegriff Seitens der FPÖ gab es noch weitere Vorwürfe ihrer Meinung nach, und hier scheinen sich auch der Manipulation, die aber letztlich nicht bewiesen alle Referenten einig zu sein, inhaltlich bestimmt werden konnten. Es folgten jahrelange Rechts- und nicht ordnungsstaatlich. Der inhaltliche oder streitigkeiten zwischen der Partei und Moschitz auch nach Bernhard Weidinger „ideologiezentrierte“ bzw. dem ORF. Der heutige Abend, so Hausjell bei Rechtsextremismusbegriff lehnt die rein gesetzliche der Begrüßung, sei jedoch den „Gefährdungen der Bestimmung, die den Rechtsextremismus an der 82 FR E I L I CH
„An der Stelle muss man eines auch einmal klar sagen: Ohne die kostenfreie Arbeit antifaschistischer Netzwerke wäre ein Großteil der Berichterstattung so nicht möglich. Danke dafür. In Deutschland zitiert der Verfassungsschutz Antifa-Stellen übrigens schon offiziell in Berichten.“ — Fabian Schmid („Der Standard“) am 27. Jänner 2019 auf Twitter über die Arbeit mit linksextremen Quellen. Unter sich: Am Institut für Publizistik diskutieren linke Medien und Meinungsmacher über Rechte. N ° / 02 / M Ä R Z 2019 83
LINKSEXTREMISMUS Z U R D E F I N I T I O N VO N RECHTSEXTREMISMUS Willibald Ingo Holzers „Rechts- extremismusbegriff“ ist das wissenschaftliche Arbeitswerk- zeug linker Organisationen in Österreich schlechthin, wenn es um die Feindbestimmung geht. Zur Auseinandersetzung mit dem Begriff selbst vgl. Patrick Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grund- Radikalismus, der die bestehende Ordnung von Lenart: „Ist die Identitäre Be- ordnung festmacht, ab. Goetz zitiert stattdessen die Grund auf umstürzen wolle. Sie nimmt hier eine be- wegung Österreich extremis- „klassische“ Definition Willibald Holzers aus dem deutungsvolle Begriffsumkehrung vor. Nach rechts- tisch?“, Graz 2018 (online: www. DÖW-Handbuch. Rechtsextremismus beinhalte: staatlicher Definition bezeichnet der Radikalismus ak-nautilus.com). Holzer bewegt 1. Antiliberalismus und Antipluralismus, eine extreme Ausprägung innerhalb der Grenzen des sich seit vielen Jahren im Um- 2. eine „verkürzte“ Kapitalismuskritik, Systems, wohingegen der Extremismus diese über- feld der Kommunistischen Partei 3. die Volksgemeinschaftsideologie (Vorstellung schreite und das System als solches ablehne. Wird und ihrer Vorfeldorganisationen, eines homogenen und gewachsenen Volkes und auch hier die Wortbedeutung mit einem Hinter- etwa der Parteiakademie nicht einer Bevölkerung aus allen, die auf einem gedanken verkehrt? Ja, denn so kann die „radikale „Alfred-Klahr-Gesellschaft“. Staatsgebiet leben), Linke“ als moralische Systemopposition gerettet Seine 1971 erschienene Dissertation befasst sich 4. Rassismus und Antisemitismus, werden, während die „extreme Rechte“ als Feindbild u. a. mit Freiwilligenver- 5. und am wichtigsten: den Antiegalitarismus. Das nach Belieben erweitert und unter einem Begriff ver- bänden der KPÖ in der jugo- Individuum zähle nichts, man sei immer Teil einheitlicht werden kann. slawisch-kommunistischen eines Kollektivs, einer Zwangsgemeinschaft. Da- Die Vortragende beleuchtet im Weiteren das Volksbefreiungsarmee während raus entstünden globale Hierarchien, die einige Spektrum des Rechtsextremismus in Österreich aus des Zweiten Weltkrieges. Völker über andere erheben würden. ihrer Sicht. Dazu gehöre neben Burschenschaften, „neuen rechtsextremen Gruppen“ wie der Identi- Goetz vermisst bei dieser Begriffsbestimmung je- tären Bewegung und „verschwörungsmythischen“ doch den Antifeminismus, der auch einen wichtigen Kreisen wie den „Freemen“ auch die FPÖ. So wird Teil der rechtsextremen Ideologie darstelle. Sie be- die Suppe dünn und groß. Die FPÖ sei, darin sind tont, dass mit dieser Definition eine Ablehnung der sich alle Referenten einig, eine ganz klar rechts- Demokratie und der Verfassung nicht vonnöten sei extreme Partei. Rechtsextreme Bürgerbewegungen und Rechtsextremismus folglich auch demokratisch wie PEGIDA brauche man in Österreich nicht, da sein könne. Die Autorin sieht ihren Rechtsextremis- die FPÖ deren Anliegen bereits im Parlament ver- musbegriff auch weiter gefasst als den ordnungsstaat- trete. Es werden des Weiteren auch neonazistische lichen, nach welchem, wie auch Weidinger betont, Gruppen und migrantische Rechtsextreme wie die Rechtsextremismus in der österreichischen Gesell- Grauen Wölfe genannt. schaft eigentlich nur ein Randphänomen darstellen Goetz mag auch keine Medien, die auf der würde. Ob man womöglich deswegen zu der den Rechten entstehen. Auf Basis einer „angeblichen Feindbegriff erweiternden ideologiezentrierten De- Gefährdung der völkisch und biologistisch de- finition greift? terminierten österreichischen Kultur“ gründe man Judith Goetz selbst folgt einem sehr ideo- gegen die Marginalisierung in den Mainstream- logisierten Ansatz, der den Rechtsextremismus medien eigene Plattformen. Die „Leistungsschau“ auch nicht gegen die bestehende Ordnung gerichtet dieser rechtsextremen Zeitungen und Verlage sei der sieht, er sei im Gegenteil „eine extreme Ausformung zuletzt im Frühjahr 2018 stattgefundene Kongress der bürgerlichen Gesellschaft“ im Gegensatz zum „Verteidiger Europas“, der „nur für Rechtsextreme 84 FR E I L I CH
„Es ist zum Heulen: die Menschen, die ihm zukreischen LINKSEXTREMISMUS und wie sie aussehen. Es sind die hässlichsten Menschen Wiens, ungestalte, unförmige Leiber, strohige, stumpfe Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen, Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne, ausgeleierte Schuhe. Die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sind ein schönerer Menschenschlag. Und jünger. Und irgendwie schwant ihnen das, den abgearbeiteten, älteren Österreichern. Und sie werden sehr böse und würden die Flüchtlinge gern übers Meer zurückjagen. Aber das kann man ja nicht laut sagen. Sagen sie.“ — Christa Zöchling im „prof il “ vom 6. September 2015 über FPÖ-Wähler bei einer Kundgebung. JEROME TREBING Trebing ist gelernter Sozial- arbeiter und stammt aus Hessen. Er ist im linksextremen Milieu zu verorten und hat hervor- ragende Kontakte in die gewalt- affine Antifa-Szene, etwa zur Autonomen Antifa Wien. Unter seinem Twitter-Konto „Mensch zugänglich“ sei. Goetz spricht auch die intensive und kämpfende Wissenschaftler. Am Engagement ver- Merz“, das mittlerweile still- professionelle Social-Media-Nutzung an sowie die abschiedet sich auch die Objektivität. Es gibt in die- gelegt wurde, veröffentlichte Manipulation von Medien durch Social Bots und sem Diskurs kein Zwiegespräch, sondern nur einen er jahrelang „Beobachtungen“ russische Trollfabriken. ideologisierten Monolog. über patriotische Akteure, Den folgenden Vortrag leistet Bernhard Wei- insbesondere die Identitäre Richtig berichten? dinger. Weidinger ist Politologe und arbeitet beim Bewegung. Dabei äußerte er Richtiges „Framing“ DÖW sowie als Lehrbeauftragter für Internationale sich mehrfach positiv über die Und die Medien? Kritisch sieht Goetz, dass die Entwicklung an der Universität Wien. Sein Arbeits- Anwendung von körperlicher Gewalt gegen Patrioten. Trebing Mainstreammedien beispielsweise bei der Bericht- schwerpunkt sind Burschenschaften. Weidinger steht außerdem in Verdacht, die erstattung über Aktionen der Identitären Bewegung bemüht sich merklich um einen objektiv-wissen- linksextreme Szene in Leipzig lediglich beschreiben würden, was passiert sei. Wich- schaftlichen Ansatz. Sein Vortrag wirkt ruhig und zum schweren Angriff auf das tig sei hier allerdings, „kritisch“ zu hinterfragen und bedächtig, er ist weit weniger emotional als andere Haus der Identitären Bewegung den rechtsextremen Hintergrund der Gruppierung Referenten der Tagung. in Halle im November 2017 ani- zu betonen. In der Medienwissenschaft bezeichnet Dieses verträglichere Auftreten kann jedoch miert zu haben. Damals bombar- man das als „Framing“. Die Nachricht wird durch nicht über Weidingers klares politisches Bekennt- dierten Dutzende Vermummte die Beleuchtung bzw. die Hervorkehrung eines be- nis hinwegtäuschen. Sein früheres Twitter-Profil- das Gebäude mit Pflaster- stimmten Gesichtspunktes gerahmt und erzielt bild beispielsweise zeigte ein Logo, das aus links- steinen. damit einen anderen Effekt beim Leser. Nach Goetz extrem-anarchistischen Kreisen bekannt ist: „No ist ein solches Framing vonnöten, um beim Leser Heart For A Nation“, zu deutsch etwa: „Kein Herz „die richtigen Assoziationen“ zu wecken. Wichtig für ein Volk (eine Nation)“. Weidinger Vortrag wid- sei auch, besonders Kinder schon früh gegen Rechts- met sich explizit der Frage, wie über Rechtsextremis- extremismus zu sensibilisieren, sodass bei ihnen kein mus zu berichten sei und wie nicht. Wichtig ist Ansatzpunkt rechtsextremer Medienarbeit ent- ihm in erster Linie, die Phänomene „beim Namen stehen könne. [zu] nennen“. So solle man die rechtsextreme FPÖ Für Schmunzeln sorgt nach diesem – sogar für auch wirklich so bezeichnen und nicht „als rechts- dieses Publikum – einschlägigen Vortrag eine Frage populistisch verharmlosen“, wie das in Österreich aus dem Publikum, ob „alle Rechtsextremismus- gang und gäbe sei. Hingegen seien der französische forscher links“ seien. Goetz weicht der Frage aus, Front National (mittlerweile Rassemblement Natio- kann und will wohl auch nicht negieren. nal) sowie die Identitäre Bewegung „rechtsextrem, Goetz’ Vortragsstil wirkt insgesamt sehr unent- aber nicht neonazistisch“. Wenn man diese Phäno- spannt, durchaus verbissen. Sie referiert hier über mene als neonazistisch bezeichne, müsse man zum den Feind, wohl den der gesamten Menschheit, aber einen den Beweis dafür liefern, dass sie gegen das sicher ihren ganz persönlichen. Aus Forschung wird Verbotsgesetz verstoßen würden, was nicht gelingen Bekämpfung. Linke Wissenschaftler und die dazu- werde. Zum anderen würde man damit den Be- gehörigen Journalisten, die die gegebenen Stich- griff (Neo-)Nazi verharmlosen und mithin die Ver- wörter willig – auch als Framing – weitertragen, sind brechen des NS-Regimes relativieren. N ° / 02 / M Ä R Z 2019 85
LINKSEXTREMISMUS N ATA S C H A S T R O B L Strobl machte unter anderem als Frontfrau der VSStÖ-na- hen Gruppe „Offensive gegen Rechts“, die 2014 auch gegen den Wiener Akademikerball mo- bilisierte, von sich reden. Bei den Demonstrationen kam es damals zu massiven Ausschreitungen und erheblichem Vandalismus in der Wiener Innenstadt. In einer diese Vorkommnisse be- Weidinger betont, dass ein Hauptanliegen der werde in Österreich hingegen zu wenig Beachtung treffenden ORF-Diskussions- Medien darin bestehen sollte, Rechtsextremen geschenkt. Rechtsextremismus komme in den Me- sendung „Im Zentrum“ konnte keine Plattform zu bieten. Man solle „über Rechts- dien allgemein zu kurz. Andererseits werde der sich Strobl nicht zur Distanzie- extreme reden, nicht mit ihnen“, es müsse nicht alles Identitären Bewegung wiederum zu viel Aufmerk- rung von Gewalt als politischem Mittel durchringen. Wenige zur Diskussion stehen. Stattdessen solle man sich samkeit gewidmet, diesen „20 Hanseln“ (Bonvalot). Wochen später zeichnete sie ein an „Rechtsextremismusexperten“ richten, die den Dass die Identitäre Bewegung auch an diesem Abend Exemplar ihres Buches über die Medien die nötigen Informationen liefern könnten. den Hauptgegenstand der Unterhaltung darstellt, Identitäre Bewegung mit ihrem Zu diesen Experten zählt Weidinger Mitarbeiter fällt den Beteiligten wohl nicht auf. Ein Beispiel Autogramm und dem Satz: „Im des DÖW und der Universitäten, aber auch „Freie solle man sich an Deutschland nehmen, wo Rechts- Zweifelsfall eignet sich dieses Wissenschaftler*innen“ wie Natascha Strobl und Je- extreme in den Medien deutlich schärfer angegriffen Buch auch zum Entglasen von rome Trebing. würden. Malle empfiehlt in diesem Zusammenhang Geschäften.“ auch die Antifa-Website „Recherche Wien“, die Qualitätsjournalismus? „gute Arbeit“ leiste. Auf die Frage Hausjells, wie man Die richtigen Quellen am besten mit Hasspostings und Shitstorms um- Als nächster Programmpunkt folgen drei paral- gehe, entgegnet Malle, dass der Radiojournalismus lele Workshops zum Thema mit Michael Bonvalot, bei Ö1 glücklicherweise ein Einwegkanal sei und sie AU T O N O M E A N T I FA W I E N Tanja Malle und Eva Zelechowski. Bonvalot be- folglich kaum Rückmeldung aus der Zuhörerschaft Linksextreme Gruppe, die im zeichnet sich als „freier Journalist“, stilisiert sich im bekomme. Internet einen „Patrioten- Vortrag als Experte und schreibt regelmäßig über Zur abschließenden Podiumsdiskussion, die sich pranger“ betreibt und sich aus- Dunkeleuropa. So verfasste er 2017 das Buch „Die thematisch von den bisherigen Programmpunkten drücklich zur Anwendung von FPÖ – Partei der Reichen“. Malle ist Redakteurin nicht abhebt, sind Christa Zöchling vom „profil“ Gewalt bekennt. Die Gruppe des ORF-Radiosenders Ö1 mit den Schwerpunkten und Hans Rauscher vom „Standard“ anwesend. wird von einer ÖH-Funktionärin Zeitgeschichte und Südosteuropa, Zelechowski Zöchling, die 1983 in Graz für die KPÖ kandidier- angeführt. Aus diesem mutmaß- arbeitet als Journalistin bei der „Wiener Zeitung“. te, 1989 beim ehemaligen SP-Parteiorgan „Arbeiter- lichen Umfeld wurden etliche Angriffe verübt, etwa auf Gast- Malles Workshop befasst sich mit einer möglichen zeitung “ volontierte, 1991 zum „Kurier“ ging und häuser, in denen Rechte sich Alternative zu der – in ihren Augen zu stark rechts 1992 innenpolitische Redakteurin beim „profil“ trafen, sowie Brandanschläge geframten – Berichterstattung über eine Aktion der wurde, vollführt zu Beginn die Unterscheidung auf Autos. Identitären Bewegung an der Universität Klagen- zwischen altem und neuem Rechtsextremismus. furt. Die Ergebnisse der Workshops sollen bei der Den alten Rechtsextremismus stellten die klar zu- anschließenden Podiumsdiskussion besprochen wer- zuordnenden Skinheads dar, zu denen HC Strache den, allerdings entwickelt sich diese eher zu einem eine zu geringe Distanz gehalten habe. Der neue agie- Selbstgespräch der drei Referenten. Die Rede dreht re anders: Einerseits gebe es hier Morddrohungen sich in erster Linie um die zu rechte Politik in Öster- und sexuelle Anspielungen, die Menschen auf ganz reich. So würdigt laut Malle das neu errichtete Denk- persönliche Weise einschüchterten, womit Zöchling mal für die Trümmerfrauen verurteilte „Nazissen“, auf private Nachrichten in den Soziale Medien an- weibliche Nazis. Opfern von Rechtsextremismus spielt. Andererseits seien die neuen Rechtsextremen 86 FR E I L I CH
„Es ist kein politischer Nazismus, der sich in einer Formation LINKSEXTREMISMUS wie der NSDAP ausdrückt. Es ist ein Nazismus im Privaten. Er geht ins Habituelle. Er bricht aus bei Zeltfesten am Land, im Fasching und ist meistens verkleidet als Spaß. Wenn man Naziland als nationalsozialistische Diktatur versteht, dann ist es falsch. Wenn man das in das Private und in die Alltagskultur übersetzt, dann ja. “ — Andreas Peham (DÖW/KSV) im Schweizer Magazin „Republik.CH“ am 22 . Februar 2018 über das „Naziland Österreich“ . Learning Lessons. M I C H A E L B O N VA L O T intellektuell beschlagen und auf Basis ihrer Ideologie und ihres Auftretens nicht mehr leicht zuzuordnen. Die Linke rückt zusammen Bonvalot glitt schon mit 15 Jah- Sie agierten subtiler. Die wohl wirklich zur Gänze internalisierte ren in die linksextreme Szene ab: Von ersten Kontakten mit Rauscher, der sich eitel damit brüstet, seit 30 Jah- politische Landschaft in Österreich sorgt auf der der Sozialistischen Jugend ren gegen rechts zu schreiben, konstatiert, dass trotz Linken dafür, dass auch die Grenzen zwischen in Wien über eine Vorgänger- seiner Bemühungen die Rechte stärker dastehe denn Linksextremismus und Qualitätsjournalismus organisation der trotzkistischen je. Nichtdestotrotz gelte es, ihr mutig und entschieden offen verschwimmen, wenn Österreichs etablier- Sozialistischen Linkspartei (SLP) entgegenzutreten. „Dennoch die Schwerter halten“, te Politjournalisten extremistische Antifa-Web- bis hin zur Antifaschistischen sozusagen … Qualitätsmedien und Zivilgesellschaft sites als seriöse Informationsquellen empfehlen Linken (AL) und später zur Re- seien gefragt, der Rechten nicht die Meinungshoheit und Mitarbeiter des DÖW wissbegierige Bericht- volutionär Sozialistischen Or- zu überlassen. Ein sogenannter „Both-Siderism“, bei erstatter an „freie Wissenschaftler“ wie Jerome ganisation (RSO). Seit 2016 gibt dem in den Medien beide Seiten gehört werden sol- Trebing verweisen, die fest im Linksaußen-Milieu er sich als Journalist aus, wor- len, sei zu vermeiden. Wenn eine Seite sich „durch verwurzelt sind. unter er v. a. das Fotografieren ihre Äußerungen delegitimiere“, könne sie „keinen Unter Türkis-Blau rückt die angeschlagene patriotischer Aktivisten und öffentlichen Raum für sich beanspruchen“. Es gibt Linke zusammen und gemeinsam in Richtung poli- entsprechend „geframte“ Be- richterstattung versteht. Bis also keine ausgewogene Berichterstattung. So viel zu tischer Rand. Berührungsängste zwischen links- auf eigene Publikationen oder „audiatur et altera pars“. extremen Antifas und linksliberalen Mainstream- szenerelevante Medien konnte Im Gegensatz zu Zöchling, die sich selbst vor- journalisten bestehen kaum mehr. Die Imagination Bonvalot bisher nur im „VI- nehmlich als Opfer des Rechtsextremismus in- einer alle Strukturen durchdringenden „rechten CE“-Magazin (Österreich-Aus- szeniert (sie erhalte ständig Hassnachrichten über Gefahr“ lässt aus linken Journalisten „Widerstands- gabe), im Antifa-Blog der deut- Soziale Medien), stilisiert sich Rauscher zum breit- kämpfer“ werden. schen Wochenzeitung „Die Zeit“ schultrigen Träger des antifaschistisch-bürgerlichen Die von sozialen Konstrukten ach so freie Linke („Störungsmelder“) und auf der Widerstands gegen rechts. Ohne ihn, hat man – oder bildet so einen eigenen Mythos aus. So baut sich Netzseite des ORF-Jugendra- vielleicht besser: hat er – das Gefühl, bräche die der Qualitätsjournalismus ein eigenes Framing, zu- dios FM4 publizieren. Nachdem Zweite Republik unter dem Ansturm der rechten sammengesetzt aus ideologischen Versatzstücken, er linksextreme Plünderungen Horden zusammen. wie in einem schamanischen Kreis. Welchen Ein- im Rahmen der Ausschreitungen Zöchling und Rauscher gehen plötzlich beide fluss diese Realitätsverweigerung und das Leben in rund um den G20-Gipfel 2017 euphemistisch kommentiert auf die vermeintliche Präsenz eines scheinbar auf- einer eigenen Blase auf die Qualität des Journalis- hatte, stellte „Die Zeit“ die Zu- gedeckten identitären Zuhörers im Saal ein, wobei mus hat, lässt sich seit Jahren an der Mainstream- sammenarbeit ein. Beim Staats- diese laut Rauscher „einen klaren Einschüchterungs- berichterstattung ablesen. Dazu gehört auch, dass sender FM4 kann Bonvalot versuch“ darstellt. Zöchling legt sogar noch eine die ideologischen Sympathien von mitte-links nach weiterhin publizieren. Schippe drauf: Früher habe man beim Betreten linksaußen – und im Hinblick auf Recherchenetz- eines Saals „immer die Staatssicherheit begrüßt, werke und anonyme Plattformen – klar verteilt heute müsse man die Identitären begrüßen“. Eine für sind. Koordinierungstreffen wie an der Wiener Pu- eine öffentliche Veranstaltung eine ganz erstaunlich blizistik zeigen: Sie alle fühlen sich wie im „letzten überzogene Erregung … Gefecht“. N ° / 02 / M Ä R Z 2019 87
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