Die üblichen Verdächtigen - Freilich

 
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Die üblichen Verdächtigen - Freilich
LINKSEXTREMISMUS

                        Die üblichen
                        Verdächtigen
                            VON: RECHERCHE ÖSTERREICH

                            Das gesamte linke Spektrum ist da, von den Rändern bis in die
                            Mitte der etablierten Medien, dazu das Dokumentationsarchiv.
                            Ein Koordinierungstreffen zur Ausrichtung der öffentlichen
                            Debatte über den „rechten Feind“. Linke unter sich – beim
                            Konstruieren des Diskurses. Wir waren dabei.

                        I
                            nstitut für Publizistik der Universität Wien, Ende      Demokratie durch Rechtsextremismus und dem
                            November 2018, die IG Publizistik lädt zur Ta-          journalistischen Umgang“ mit diesem gewidmet.
                            gung „Rechtsextremismus als Herausforderung für
                            den Journalismus“. Es referieren, man ist versucht      Feind bestimmen? Richtig definieren
                            zu sagen: die üblichen Verdächtigen aus Main-               Den ersten Vortrag hält Judith Goetz, heute Li-
                            stream-Medien von ORF bis „profil“, dazu die            teratur- und Politikwissenschaftlerin an mehreren
                            „Koryphäen“ der Rechtsextremismusforschung in           österreichischen Universitäten mit den Schwer-
                            Österreich von Universitätslektorinnen bis zum          punktthemen Feministische Theorie („Feminismus:
                            Dokumentationsarchiv des Österreichischen Wider-        Ich bremse auch für Männer“), Rechtsextremis-
                            stands (DÖW). Der Veranstaltungssaal der Uni-           mus und Gedenkkultur, in früheren Zeiten auch
                            versität ist zu zwei Dritteln leer. Die 40 bis 50 An-   KPÖ-Spitzenkandidatin bei einer Kärntner Land-
                            wesenden glänzen durch ethnische Homogenität.           tagswahl. Goetz führt neben ihrer universitären
                            Außer einer Muslima und einem Südasiaten, später        Tätigkeit die „Forschungsgruppe Ideologien und
                            ergänzt durch eine Afrikanerin, befinden sich nur       Politiken der Ungleichheit“ (FIPU), eine linke
                            Autochthone im Raum. Publizistikprofessor Fritz         Arbeitsgruppe. Über diese Gruppe ist sie mit dem
                            Hausjell vom Institut betont zu Beginn, dass man        DÖW vernetzt, die DÖW-Mitarbeiter Bernhard
                            eine „substanzielle Summe in die Sicherheit des heu-    Weidinger und Andreas Peham gehören ebenfalls der
                            tigen Abends“ investiert habe, um „einen ruhigen        Gruppe FIPU an, letzterer unter seinem alten Pseu-
                            Ablauf “ garantieren zu können. Ja, freilich … Haus-    donym (Dr.) Heribert Schiedel. Goetz veröffentliche
                            jell betreute die Diplomarbeit des ORF-Journalisten     2018 das Buch „Untergangster des Abendlandes.
                            Eduard „Ed“ Moschitz, die sich der „Authentizität       Ideologie und Rezeption der rechtsextremen ‚Identi-
                            in realitätsnahen Fernsehformaten“ (2008) widmete.      tären‘“, das definiert auch schon ihr Lieblingsobjekt.
                            Ausgerechnet Moschitz brachte dann für eine „Am             Um den wissenschaftlichen Minimalstandard zu
                            Schauplatz“-Reportage 2010 zwei Skinheads mit zu        halten, beginnt Goetz zunächst mit einer Begriffs-
                            einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung.                       definition. Zwar sei der Rechtsextremismusbegriff
                                 Seitens der FPÖ gab es noch weitere Vorwürfe       ihrer Meinung nach, und hier scheinen sich auch
                            der Manipulation, die aber letztlich nicht bewiesen     alle Referenten einig zu sein, inhaltlich bestimmt
                            werden konnten. Es folgten jahrelange Rechts-           und nicht ordnungsstaatlich. Der inhaltliche oder
                            streitigkeiten zwischen der Partei und Moschitz         auch nach Bernhard Weidinger „ideologiezentrierte“
                            bzw. dem ORF. Der heutige Abend, so Hausjell bei        Rechtsextremismusbegriff lehnt die rein gesetzliche
                            der Begrüßung, sei jedoch den „Gefährdungen der         Bestimmung, die den Rechtsextremismus an der

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„An der Stelle muss man eines auch einmal klar
                           sagen: Ohne die kostenfreie Arbeit antifaschistischer
                           Netzwerke wäre ein Großteil der Berichterstattung
                           so nicht möglich. Danke dafür. In Deutschland zitiert
                           der Verfassungsschutz Antifa-Stellen übrigens schon
                           offiziell in Berichten.“
                          — Fabian Schmid („Der Standard“) am 27. Jänner 2019 auf Twitter
                          über die Arbeit mit linksextremen Quellen.

                                                                                Unter sich: Am Institut für Publizistik
                                                                                diskutieren linke Medien und
                                                                                Meinungsmacher über Rechte.

N ° / 02 / M Ä R Z 2019                                                                                                   83
LINKSEXTREMISMUS

                   Z U R D E F I N I T I O N VO N
                   RECHTSEXTREMISMUS

                   Willibald Ingo Holzers „Rechts-
                   extremismusbegriff“ ist das
                   wissenschaftliche Arbeitswerk-
                   zeug linker Organisationen in
                   Österreich schlechthin, wenn es
                   um die Feindbestimmung geht.
                   Zur Auseinandersetzung mit
                   dem Begriff selbst vgl. Patrick    Ablehnung der freiheitlich-demokratischen Grund-        Radikalismus, der die bestehende Ordnung von
                   Lenart: „Ist die Identitäre Be-    ordnung festmacht, ab. Goetz zitiert stattdessen die    Grund auf umstürzen wolle. Sie nimmt hier eine be-
                   wegung Österreich extremis-        „klassische“ Definition Willibald Holzers aus dem       deutungsvolle Begriffsumkehrung vor. Nach rechts-
                   tisch?“, Graz 2018 (online: www.   DÖW-Handbuch. Rechtsextremismus beinhalte:              staatlicher Definition bezeichnet der Radikalismus
                   ak-nautilus.com). Holzer bewegt    1. Antiliberalismus und Antipluralismus,                eine extreme Ausprägung innerhalb der Grenzen des
                   sich seit vielen Jahren im Um-     2. eine „verkürzte“ Kapitalismuskritik,                 Systems, wohingegen der Extremismus diese über-
                   feld der Kommunistischen Partei    3. die Volksgemeinschaftsideologie (Vorstellung         schreite und das System als solches ablehne. Wird
                   und ihrer Vorfeldorganisationen,      eines homogenen und gewachsenen Volkes und           auch hier die Wortbedeutung mit einem Hinter-
                   etwa der Parteiakademie
                                                         nicht einer Bevölkerung aus allen, die auf einem     gedanken verkehrt? Ja, denn so kann die „radikale
                   „Alfred-Klahr-Gesellschaft“.
                                                         Staatsgebiet leben),                                 Linke“ als moralische Systemopposition gerettet
                   Seine 1971 erschienene
                   Dissertation befasst sich
                                                      4. Rassismus und Antisemitismus,                        werden, während die „extreme Rechte“ als Feindbild
                   u. a. mit Freiwilligenver-         5. und am wichtigsten: den Antiegalitarismus. Das       nach Belieben erweitert und unter einem Begriff ver-
                   bänden der KPÖ in der jugo-           Individuum zähle nichts, man sei immer Teil          einheitlicht werden kann.
                   slawisch-kommunistischen              eines Kollektivs, einer Zwangsgemeinschaft. Da-          Die Vortragende beleuchtet im Weiteren das
                   Volksbefreiungsarmee während          raus entstünden globale Hierarchien, die einige      Spektrum des Rechtsextremismus in Österreich aus
                   des Zweiten Weltkrieges.              Völker über andere erheben würden.                   ihrer Sicht. Dazu gehöre neben Burschenschaften,
                                                                                                              „neuen rechtsextremen Gruppen“ wie der Identi-
                                                          Goetz vermisst bei dieser Begriffsbestimmung je-    tären Bewegung und „verschwörungsmythischen“
                                                      doch den Antifeminismus, der auch einen wichtigen       Kreisen wie den „Freemen“ auch die FPÖ. So wird
                                                      Teil der rechtsextremen Ideologie darstelle. Sie be-    die Suppe dünn und groß. Die FPÖ sei, darin sind
                                                      tont, dass mit dieser Definition eine Ablehnung der     sich alle Referenten einig, eine ganz klar rechts-
                                                      Demokratie und der Verfassung nicht vonnöten sei        extreme Partei. Rechtsextreme Bürgerbewegungen
                                                      und Rechtsextremismus folglich auch demokratisch        wie PEGIDA brauche man in Österreich nicht, da
                                                      sein könne. Die Autorin sieht ihren Rechtsextremis-     die FPÖ deren Anliegen bereits im Parlament ver-
                                                      musbegriff auch weiter gefasst als den ordnungsstaat-   trete. Es werden des Weiteren auch neonazistische
                                                      lichen, nach welchem, wie auch Weidinger betont,        Gruppen und migrantische Rechtsextreme wie die
                                                      Rechtsextremismus in der österreichischen Gesell-       Grauen Wölfe genannt.
                                                      schaft eigentlich nur ein Randphänomen darstellen           Goetz mag auch keine Medien, die auf der
                                                      würde. Ob man womöglich deswegen zu der den             Rechten entstehen. Auf Basis einer „angeblichen
                                                      Feindbegriff erweiternden ideologiezentrierten De-      Gefährdung der völkisch und biologistisch de-
                                                      finition greift?                                        terminierten österreichischen Kultur“ gründe man
                                                          Judith Goetz selbst folgt einem sehr ideo-          gegen die Marginalisierung in den Mainstream-
                                                      logisierten Ansatz, der den Rechtsextremismus           medien eigene Plattformen. Die „Leistungsschau“
                                                      auch nicht gegen die bestehende Ordnung gerichtet       dieser rechtsextremen Zeitungen und Verlage sei der
                                                      sieht, er sei im Gegenteil „eine extreme Ausformung     zuletzt im Frühjahr 2018 stattgefundene Kongress
                                                      der bürgerlichen Gesellschaft“ im Gegensatz zum         „Verteidiger Europas“, der „nur für Rechtsextreme

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„Es ist zum Heulen: die Menschen, die ihm zukreischen

                                                                                                                                                 LINKSEXTREMISMUS
 und wie sie aussehen. Es sind die hässlichsten Menschen
 Wiens, ungestalte, unförmige Leiber, strohige, stumpfe
 Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen,
 Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne,
 ausgeleierte Schuhe.

Die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sind ein schönerer
Menschenschlag. Und jünger. Und irgendwie schwant ihnen das,
den abgearbeiteten, älteren Österreichern. Und sie werden sehr
böse und würden die Flüchtlinge gern übers Meer zurückjagen.
Aber das kann man ja nicht laut sagen. Sagen sie.“
— Christa Zöchling im „prof il “ vom 6. September 2015 über FPÖ-Wähler bei einer Kundgebung.
                                                                                                                   JEROME TREBING

                                                                                                                   Trebing ist gelernter Sozial-
                                                                                                                   arbeiter und stammt aus Hessen.
                                                                                                                   Er ist im linksextremen Milieu
                                                                                                                   zu verorten und hat hervor-
                                                                                                                   ragende Kontakte in die gewalt-
                                                                                                                   affine Antifa-Szene, etwa zur
                                                                                                                   Autonomen Antifa Wien. Unter
                                                                                                                   seinem Twitter-Konto „Mensch
zugänglich“ sei. Goetz spricht auch die intensive und     kämpfende Wissenschaftler. Am Engagement ver-            Merz“, das mittlerweile still-
professionelle Social-Media-Nutzung an sowie die          abschiedet sich auch die Objektivität. Es gibt in die-   gelegt wurde, veröffentlichte
Manipulation von Medien durch Social Bots und             sem Diskurs kein Zwiegespräch, sondern nur einen         er jahrelang „Beobachtungen“
russische Trollfabriken.                                  ideologisierten Monolog.                                 über patriotische Akteure,
                                                              Den folgenden Vortrag leistet Bernhard Wei-          insbesondere die Identitäre
Richtig berichten?                                        dinger. Weidinger ist Politologe und arbeitet beim       Bewegung. Dabei äußerte er
Richtiges „Framing“                                       DÖW sowie als Lehrbeauftragter für Internationale        sich mehrfach positiv über die
    Und die Medien? Kritisch sieht Goetz, dass die        Entwicklung an der Universität Wien. Sein Arbeits-       Anwendung von körperlicher
                                                                                                                   Gewalt gegen Patrioten. Trebing
Mainstreammedien beispielsweise bei der Bericht-          schwerpunkt sind Burschenschaften. Weidinger
                                                                                                                   steht außerdem in Verdacht, die
erstattung über Aktionen der Identitären Bewegung         bemüht sich merklich um einen objektiv-wissen-
                                                                                                                   linksextreme Szene in Leipzig
lediglich beschreiben würden, was passiert sei. Wich-     schaftlichen Ansatz. Sein Vortrag wirkt ruhig und        zum schweren Angriff auf das
tig sei hier allerdings, „kritisch“ zu hinterfragen und   bedächtig, er ist weit weniger emotional als andere      Haus der Identitären Bewegung
den rechtsextremen Hintergrund der Gruppierung            Referenten der Tagung.                                   in Halle im November 2017 ani-
zu betonen. In der Medienwissenschaft bezeichnet              Dieses verträglichere Auftreten kann jedoch          miert zu haben. Damals bombar-
man das als „Framing“. Die Nachricht wird durch           nicht über Weidingers klares politisches Bekennt-        dierten Dutzende Vermummte
die Beleuchtung bzw. die Hervorkehrung eines be-          nis hinwegtäuschen. Sein früheres Twitter-Profil-        das Gebäude mit Pflaster-
stimmten Gesichtspunktes gerahmt und erzielt              bild beispielsweise zeigte ein Logo, das aus links-      steinen.
damit einen anderen Effekt beim Leser. Nach Goetz         extrem-anarchistischen Kreisen bekannt ist: „No
ist ein solches Framing vonnöten, um beim Leser           Heart For A Nation“, zu deutsch etwa: „Kein Herz
„die richtigen Assoziationen“ zu wecken. Wichtig          für ein Volk (eine Nation)“. Weidinger Vortrag wid-
sei auch, besonders Kinder schon früh gegen Rechts-       met sich explizit der Frage, wie über Rechtsextremis-
extremismus zu sensibilisieren, sodass bei ihnen kein     mus zu berichten sei und wie nicht. Wichtig ist
Ansatzpunkt rechtsextremer Medienarbeit ent-              ihm in erster Linie, die Phänomene „beim Namen
stehen könne.                                             [zu] nennen“. So solle man die rechtsextreme FPÖ
    Für Schmunzeln sorgt nach diesem – sogar für          auch wirklich so bezeichnen und nicht „als rechts-
dieses Publikum – einschlägigen Vortrag eine Frage        populistisch verharmlosen“, wie das in Österreich
aus dem Publikum, ob „alle Rechtsextremismus-             gang und gäbe sei. Hingegen seien der französische
forscher links“ seien. Goetz weicht der Frage aus,        Front National (mittlerweile Rassemblement Natio-
kann und will wohl auch nicht negieren.                   nal) sowie die Identitäre Bewegung „rechtsextrem,
    Goetz’ Vortragsstil wirkt insgesamt sehr unent-       aber nicht neonazistisch“. Wenn man diese Phäno-
spannt, durchaus verbissen. Sie referiert hier über       mene als neonazistisch bezeichne, müsse man zum
den Feind, wohl den der gesamten Menschheit, aber         einen den Beweis dafür liefern, dass sie gegen das
sicher ihren ganz persönlichen. Aus Forschung wird        Verbotsgesetz verstoßen würden, was nicht gelingen
Bekämpfung. Linke Wissenschaftler und die dazu-           werde. Zum anderen würde man damit den Be-
gehörigen Journalisten, die die gegebenen Stich-          griff (Neo-)Nazi verharmlosen und mithin die Ver-
wörter willig – auch als Framing – weitertragen, sind     brechen des NS-Regimes relativieren.

N ° / 02 / M Ä R Z 2019                                                                                                                        85
LINKSEXTREMISMUS

                   N ATA S C H A S T R O B L

                   Strobl machte unter anderem
                   als Frontfrau der VSStÖ-na-
                   hen Gruppe „Offensive gegen
                   Rechts“, die 2014 auch gegen
                   den Wiener Akademikerball mo-
                   bilisierte, von sich reden. Bei den
                   Demonstrationen kam es damals
                   zu massiven Ausschreitungen
                   und erheblichem Vandalismus
                   in der Wiener Innenstadt. In
                   einer diese Vorkommnisse be-              Weidinger betont, dass ein Hauptanliegen der            werde in Österreich hingegen zu wenig Beachtung
                   treffenden ORF-Diskussions-           Medien darin bestehen sollte, Rechtsextremen                geschenkt. Rechtsextremismus komme in den Me-
                   sendung „Im Zentrum“ konnte
                                                         keine Plattform zu bieten. Man solle „über Rechts-          dien allgemein zu kurz. Andererseits werde der
                   sich Strobl nicht zur Distanzie-
                                                         extreme reden, nicht mit ihnen“, es müsse nicht alles       Identitären Bewegung wiederum zu viel Aufmerk-
                   rung von Gewalt als politischem
                   Mittel durchringen. Wenige
                                                         zur Diskussion stehen. Stattdessen solle man sich           samkeit gewidmet, diesen „20 Hanseln“ (Bonvalot).
                   Wochen später zeichnete sie ein       an „Rechtsextremismusexperten“ richten, die den             Dass die Identitäre Bewegung auch an diesem Abend
                   Exemplar ihres Buches über die        Medien die nötigen Informationen liefern könnten.           den Hauptgegenstand der Unterhaltung darstellt,
                   Identitäre Bewegung mit ihrem         Zu diesen Experten zählt Weidinger Mitarbeiter              fällt den Beteiligten wohl nicht auf. Ein Beispiel
                   Autogramm und dem Satz: „Im           des DÖW und der Universitäten, aber auch „Freie             solle man sich an Deutschland nehmen, wo Rechts-
                   Zweifelsfall eignet sich dieses       Wissenschaftler*innen“ wie Natascha Strobl und Je-          extreme in den Medien deutlich schärfer angegriffen
                   Buch auch zum Entglasen von           rome Trebing.                                               würden. Malle empfiehlt in diesem Zusammenhang
                   Geschäften.“                                                                                      auch die Antifa-Website „Recherche Wien“, die
                                                         Qualitätsjournalismus?                                      „gute Arbeit“ leiste. Auf die Frage Hausjells, wie man
                                                         Die richtigen Quellen                                       am besten mit Hasspostings und Shitstorms um-
                                                             Als nächster Programmpunkt folgen drei paral-           gehe, entgegnet Malle, dass der Radiojournalismus
                                                         lele Workshops zum Thema mit Michael Bonvalot,              bei Ö1 glücklicherweise ein Einwegkanal sei und sie
                   AU T O N O M E A N T I FA W I E N
                                                         Tanja Malle und Eva Zelechowski. Bonvalot be-               folglich kaum Rückmeldung aus der Zuhörerschaft
                   Linksextreme Gruppe, die im           zeichnet sich als „freier Journalist“, stilisiert sich im   bekomme.
                   Internet einen „Patrioten-            Vortrag als Experte und schreibt regelmäßig über                Zur abschließenden Podiumsdiskussion, die sich
                   pranger“ betreibt und sich aus-       Dunkeleuropa. So verfasste er 2017 das Buch „Die            thematisch von den bisherigen Programmpunkten
                   drücklich zur Anwendung von           FPÖ – Partei der Reichen“. Malle ist Redakteurin            nicht abhebt, sind Christa Zöchling vom „profil“
                   Gewalt bekennt. Die Gruppe            des ORF-Radiosenders Ö1 mit den Schwerpunkten               und Hans Rauscher vom „Standard“ anwesend.
                   wird von einer ÖH-Funktionärin
                                                         Zeitgeschichte und Südosteuropa, Zelechowski                Zöchling, die 1983 in Graz für die KPÖ kandidier-
                   angeführt. Aus diesem mutmaß-
                                                         arbeitet als Journalistin bei der „Wiener Zeitung“.         te, 1989 beim ehemaligen SP-Parteiorgan „Arbeiter-
                   lichen Umfeld wurden etliche
                   Angriffe verübt, etwa auf Gast-
                                                         Malles Workshop befasst sich mit einer möglichen            zeitung “ volontierte, 1991 zum „Kurier“ ging und
                   häuser, in denen Rechte sich          Alternative zu der – in ihren Augen zu stark rechts         1992 innenpolitische Redakteurin beim „profil“
                   trafen, sowie Brandanschläge          geframten – Berichterstattung über eine Aktion der          wurde, vollführt zu Beginn die Unterscheidung
                   auf Autos.                            Identitären Bewegung an der Universität Klagen-             zwischen altem und neuem Rechtsextremismus.
                                                         furt. Die Ergebnisse der Workshops sollen bei der           Den alten Rechtsextremismus stellten die klar zu-
                                                         anschließenden Podiumsdiskussion besprochen wer-            zuordnenden Skinheads dar, zu denen HC Strache
                                                         den, allerdings entwickelt sich diese eher zu einem         eine zu geringe Distanz gehalten habe. Der neue agie-
                                                         Selbstgespräch der drei Referenten. Die Rede dreht          re anders: Einerseits gebe es hier Morddrohungen
                                                         sich in erster Linie um die zu rechte Politik in Öster-     und sexuelle Anspielungen, die Menschen auf ganz
                                                         reich. So würdigt laut Malle das neu errichtete Denk-       persönliche Weise einschüchterten, womit Zöchling
                                                         mal für die Trümmerfrauen verurteilte „Nazissen“,           auf private Nachrichten in den Soziale Medien an-
                                                         weibliche Nazis. Opfern von Rechtsextremismus               spielt. Andererseits seien die neuen Rechtsextremen

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„Es ist kein politischer Nazismus, der sich in einer Formation

                                                                                                                                                     LINKSEXTREMISMUS
 wie der NSDAP ausdrückt. Es ist ein Nazismus im Privaten.
 Er geht ins Habituelle. Er bricht aus bei Zeltfesten am Land,
 im Fasching und ist meistens verkleidet als Spaß. Wenn man
 Naziland als nationalsozialistische Diktatur versteht, dann
 ist es falsch. Wenn man das in das Private und in die
 Alltagskultur übersetzt, dann ja. “
— Andreas Peham (DÖW/KSV) im Schweizer Magazin „Republik.CH“
am 22 . Februar 2018 über das „Naziland Österreich“ .

                                                            Learning Lessons.                                        M I C H A E L B O N VA L O T
intellektuell beschlagen und auf Basis ihrer Ideologie
und ihres Auftretens nicht mehr leicht zuzuordnen.          Die Linke rückt zusammen                                 Bonvalot glitt schon mit 15 Jah-
Sie agierten subtiler.                                          Die wohl wirklich zur Gänze internalisierte          ren in die linksextreme Szene
                                                                                                                     ab: Von ersten Kontakten mit
     Rauscher, der sich eitel damit brüstet, seit 30 Jah-   politische Landschaft in Österreich sorgt auf der
                                                                                                                     der Sozialistischen Jugend
ren gegen rechts zu schreiben, konstatiert, dass trotz      Linken dafür, dass auch die Grenzen zwischen
                                                                                                                     in Wien über eine Vorgänger-
seiner Bemühungen die Rechte stärker dastehe denn           Linksextremismus und Qualitätsjournalismus               organisation der trotzkistischen
je. Nichtdestotrotz gelte es, ihr mutig und entschieden     offen verschwimmen, wenn Österreichs etablier-           Sozialistischen Linkspartei (SLP)
entgegenzutreten. „Dennoch die Schwerter halten“,           te Politjournalisten extremistische Antifa-Web-          bis hin zur Antifaschistischen
sozusagen … Qualitätsmedien und Zivilgesellschaft           sites als seriöse Informationsquellen empfehlen          Linken (AL) und später zur Re-
seien gefragt, der Rechten nicht die Meinungshoheit         und Mitarbeiter des DÖW wissbegierige Bericht-           volutionär Sozialistischen Or-
zu überlassen. Ein sogenannter „Both-Siderism“, bei         erstatter an „freie Wissenschaftler“ wie Jerome          ganisation (RSO). Seit 2016 gibt
dem in den Medien beide Seiten gehört werden sol-           Trebing verweisen, die fest im Linksaußen-Milieu         er sich als Journalist aus, wor-
len, sei zu vermeiden. Wenn eine Seite sich „durch          verwurzelt sind.                                         unter er v. a. das Fotografieren
ihre Äußerungen delegitimiere“, könne sie „keinen               Unter Türkis-Blau rückt die angeschlagene            patriotischer Aktivisten und
öffentlichen Raum für sich beanspruchen“. Es gibt           Linke zusammen und gemeinsam in Richtung poli-           entsprechend „geframte“ Be-
                                                                                                                     richterstattung versteht. Bis
also keine ausgewogene Berichterstattung. So viel zu        tischer Rand. Berührungsängste zwischen links-
                                                                                                                     auf eigene Publikationen oder
„audiatur et altera pars“.                                  extremen Antifas und linksliberalen Mainstream-
                                                                                                                     szenerelevante Medien konnte
     Im Gegensatz zu Zöchling, die sich selbst vor-         journalisten bestehen kaum mehr. Die Imagination         Bonvalot bisher nur im „VI-
nehmlich als Opfer des Rechtsextremismus in-                einer alle Strukturen durchdringenden „rechten           CE“-Magazin (Österreich-Aus-
szeniert (sie erhalte ständig Hassnachrichten über          Gefahr“ lässt aus linken Journalisten „Widerstands-      gabe), im Antifa-Blog der deut-
Soziale Medien), stilisiert sich Rauscher zum breit-        kämpfer“ werden.                                         schen Wochenzeitung „Die Zeit“
schultrigen Träger des antifaschistisch-bürgerlichen            Die von sozialen Konstrukten ach so freie Linke      („Störungsmelder“) und auf der
Widerstands gegen rechts. Ohne ihn, hat man – oder          bildet so einen eigenen Mythos aus. So baut sich         Netzseite des ORF-Jugendra-
vielleicht besser: hat er – das Gefühl, bräche die          der Qualitätsjournalismus ein eigenes Framing, zu-       dios FM4 publizieren. Nachdem
Zweite Republik unter dem Ansturm der rechten               sammengesetzt aus ideologischen Versatzstücken,          er linksextreme Plünderungen
Horden zusammen.                                            wie in einem schamanischen Kreis. Welchen Ein-           im Rahmen der Ausschreitungen
     Zöchling und Rauscher gehen plötzlich beide            fluss diese Realitätsverweigerung und das Leben in       rund um den G20-Gipfel 2017
                                                                                                                     euphemistisch kommentiert
auf die vermeintliche Präsenz eines scheinbar auf-          einer eigenen Blase auf die Qualität des Journalis-
                                                                                                                     hatte, stellte „Die Zeit“ die Zu-
gedeckten identitären Zuhörers im Saal ein, wobei           mus hat, lässt sich seit Jahren an der Mainstream-
                                                                                                                     sammenarbeit ein. Beim Staats-
diese laut Rauscher „einen klaren Einschüchterungs-         berichterstattung ablesen. Dazu gehört auch, dass        sender FM4 kann Bonvalot
versuch“ darstellt. Zöchling legt sogar noch eine           die ideologischen Sympathien von mitte-links nach        weiterhin publizieren.
Schippe drauf: Früher habe man beim Betreten                linksaußen – und im Hinblick auf Recherchenetz-
eines Saals „immer die Staatssicherheit begrüßt,            werke und anonyme Plattformen – klar verteilt
heute müsse man die Identitären begrüßen“. Eine für         sind. Koordinierungstreffen wie an der Wiener Pu-
eine öffentliche Veranstaltung eine ganz erstaunlich        blizistik zeigen: Sie alle fühlen sich wie im „letzten
überzogene Erregung …                                       Gefecht“.

N ° / 02 / M Ä R Z 2019                                                                                                                             87
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