BERICHT der Medienanstalten - Hans-Bredow-Institut

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BERICHT der Medienanstalten - Hans-Bredow-Institut
VIELFALTS-
BERICHT
der Medienanstalten

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BERICHT der Medienanstalten - Hans-Bredow-Institut
Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Publikation in der
Regel das generische Maskulinum verwendet. Die Angaben beziehen
sich immer auf Angehörige aller Geschlechter.

Herausgeber
die medienanstalten – ALM GbR
Friedrichstraße 60
10117 Berlin

Tel: + 49 30 206 46 90 0
Fax: + 49 30 206 46 90 99

E-Mail: info@die-medienanstalten.de
Website: www.die-medienanstalten.de

Verantwortlich
Cornelia Holsten – Vorsitzende der Direktorenkonferenz
der Landesmedienanstalten (DLM)

Projektleitung und Redaktion
Dagmar Grigoleit, Dr. Wolfgang Flieger

Copyright © 2019 by
die medienanstalten – ALM GbR

Stand: September 2019
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-948350-00-0

Design, Bildkonzept, Illustrationen und Satz
Rosendahl x Borngräber UG
Website: www.rosendahl-berlin.de

Bildnachweise:
Illustrationen: © Rosendahl x Borngräber UG
Fotos: Cover, Robert Katzki, Unsplash; S. 8 Simone Hutsch, Unsplash;
S. 82 Mario Gogh, Unsplash; S. 88 Simone Hutsch, Unsplash;

Druck
PIEREG Druckcenter Berlin GmbH
BERICHT der Medienanstalten - Hans-Bredow-Institut
Vielfaltsbericht 2019
der Medienanstalten
herausgegeben von
ALM GbR
BERICHT der Medienanstalten - Hans-Bredow-Institut
Vorwort
Die neue Bedeutung der Medienvielfalt

                             Cornelia Holsten
                             Direktorin der Bremischen
                             Landesmedienanstalt und
                             Vorsitzende der DLM

Die Skandale rund um Facebook, die ­Aufregung             Die Sicherung und der Schutz der Menschen­
wegen YouTuber Rezo oder die online e     ­ ntstandene    würde, der Jugend und der Nutzer sowie der
Fridays-for-future-Bewegung zeigen, was wir               Medien- und Meinungsvielfalt sind wichtiger
                                                          ­
eigentlich schon lange wissen: Die Meinungs-
­                                                         denn je zuvor. Wer es unerschrocken mit den gro-
macht verlagert sich besonders in den R          ­eihen   ßen Internetgiganten aufnimmt und Regulierung
der jungen Zielgruppen zunehmend ins Internet.            einfordert, übernimmt Verantwortung. Das tun
Das Internet als einer der wichtigsten, wenn nicht        wir Landesmedienanstalten, denn es ist unsere
dem wichtigsten Raum für die M    ­ einungsbildung –      ureigene Aufgabe. Der Wert einer staatsfernen,
das verlangt der Medienregulierung, die noch              unabhängigen Medienaufsicht ist unbezahlbar.
mit rundfunkzentrierten Rechtsgrundlagen aus
dem vergangenen Jahrhundert zu ­kämpfen hat,              Weil das Internet mit seinen ­       Tech-Giganten
so ­ einiges ab. Um dem veränderten Medien­               wie ­Facebook und Google immer weiter in alle
nutzungsverhalten, der Macht von algorithmenba-           ­Bereiche des Lebens hineinwächst und für die
sierten Inhalten und neuen Distributions­formen            Meinungsbildung einen immer größeren Platz
                                                           ­
Rechnung zu tragen, brauchen wir dringend                  in den Medienrepertoires der Nutzer ­einnimmt,
eine regulatorische Anpassung. Wie schön, dass             zeigt sich die Sicherung von Medienvielfalt als
das zurückliegende Jahr nun ­endlich den ange-             ­herausfordernder und wichtiger denn je. D   ­ amit
kündigten Schub gebracht hat und die notwen-                erklärt sich auch die Relevanz des ­vorliegenden
dige Modernisierung durch den sogenannten                   Vielfaltsberichts. Der nun im ­     zweiten Jahr
­Medienstaatsvertrag auf dem Weg ist. Wir ­müssen           erscheinende Bericht enthält die aktuellen
                                                            ­
 endlich regulatorisch für die ­digitale Welt gewapp-       ­Ergebnisse der Mediengewichtungsstudie und des
 net werden, in der wir schon so l­ange leben.               ­MedienVielfaltsMonitors der Medien­anstalten.
                                                              Beide Studien erfassen die Machtverhältnisse auf

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dem Meinungsmarkt gattungsübergreifend und             ­ mständen ab. Entscheidend ist: Wo die Medien-
                                                       U
sorgen so für Transparenz. Die Mediengewich-           vielfalt ­berührt wird, schauen wir genau hin, legen
tungsstudie erfasst auch die Nutzung und Bedeu-        auch mal den Finger in die Wunde und geben erst
tung von Informationsintermediären wie zum             Ruhe, wenn die Gefahr gebannt ist. Denn Medien­
Beispiel Google, YouTube und ­Facebook für die         vielfalt heißt auch Meinungsvielfalt und ist für
Meinungsbildung in Deutschland. Dafür ­erhebt          ­unsere ­Demokratie nicht verhandelbar.
sie unter anderem die täglichen Reichweiten für
die einzelnen Mediengattungen, die ­informierend
genutzt werden, und ermittelt anhand der ­Anteile
von Medienangeboten und Unternehmen am
Meinungsmarkt die Wichtigkeit der einzelnen
­Mediengattungen für die Meinungsbildung.

Bei der Lektüre des Berichts und der Sichtung
unserer Forschung und Ansätze werden Sie
­
­feststellen: Die Medien verändern sich weiter-
 hin und wir uns mit ihnen. Die Medienanstalten
 werden technische Entwicklungen, kurzlebige
 Medienphänomene, langfristige Nutzungstrends
 und die Auffächerung von Angeboten und
 ­Inhalten auch weiterhin beobachten und wo es
  ­nötig ist, eingreifen. Ob dies steuernd, moderie-
   rend oder regulierend geschieht, hängt von den

                                                                                                         5
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Autoren und Autorinnen

            Regina Deck ist stellvertretende Bereichs­     Michael Petri ist stellvertretender Leiter des
            leiterin Kommunikation und Medien­             Bereichs Medienkonzentration der Gemein­
            wirtschaft der BLM. Sie vertritt die           samen Geschäftsstelle der Medienan­
            Landeszentrale als Mitglied in der agma        stalten und als juristischer Referent für die
            und betreut hauptverantwortlich die            Kommission zur Ermittlung der Konzentra­
            Forschungsaktivitäten der BLM. Zuvor war       tion im Medienbereich (KEK) tätig.
            sie bei Kantar in der Medienforschung tätig.

            Prof. Dr. Uwe Hasebrink ist Direktor des       Dr. Tobias Schmid ist Direktor der
            Leibniz-Instituts für Medienforschung |        Landes­anstalt für Medien NRW,
            Hans-Bredow-Instituts und Professor für        ­Europabeauftragter der DLM sowie Vize-
            Empirische Kommunikationsforschung              Vorsitzender der European Regulators Group
            an der Universität Hamburg. Er forscht im       for Audiovisual Media Services (ERGA).
            Bereich Mediennutzung und –wirkung.             Zuvor war er Bereichsleiter Medienpolitik
                                                            bei der Mediengruppe RTL Deutschland.

            Dr. Sascha Hölig ist Senior Researcher am      Siegfried Schneider ist seit 1. Oktober 2011
            Leibniz-Institut für M
                                 ­ edienforschung |        Präsident der Bayerischen Landeszentrale
            Hans-­Bredow-­Institut in Hamburg. Sein        für neue Medien (BLM). Von 2008 bis
            Forschungsschwerpunkt ist die informati­       Februar 2011 gehörte er als Leiter der bayeri­
            onsorientierte Mediennutzung in neuen          schen Staatskanzlei bereits dem Medienrat
            Medienumgebungen.                              an. Davor war er Bayerischer Staatsminister
                                                           für Unterricht und Kultus.

            Cornelia Holsten ist Direktorin der Bremi­     Prof. Dr. Birgit Stark ist Direktorin des
            schen Landesmedienanstalt und seit 2018        Mainzer Medieninstituts und Professorin
            Vorsitzende der Direktorenkonferenz der        für Kommunikationswissenschaft an der
            Landesmedienanstalten (DLM) und der            Universität Mainz. Forschungsschwer­
            Kommission für Zulassung und Aufsicht          punkte: Medienwandel, Medienqualität,
            (ZAK). Zuvor war Cornelia Holsten als          Informationsintermediäre, vergleichende
            Richterin tätig.                               Forschung.

            Dr. Kristian Kunow ist stellvertretender       Dr. Anja Zimmer ist Direktorin der Medien­
            Direktor der Medienanstalt Berlin-Bran­        anstalt Berlin-Brandenburg. Zuvor war sie
            denburg (mabb) und Leiter des Bereichs         Geschäftsführerin des DJV-NRW, Senior
            Förderung und Projekte. Er verantwortet        Manager Government Relations bei der
            u. a. die Forschungsprojekte der mabb und      Telekom sowie Rechtsanwältin mit Schwer­
            begleitet gemeinsame Projekte wie den          punkt Medien- und Telekommunikations­
            MedienVielfaltsMonitor.                        recht bei Beiten Burkhardt und Lovells.

            David Liebermann ist in der Gemeinsamen
            Geschäftsstelle der Medienanstalten für
            rechtliche Grundsatzangelegenheiten und
            die Beratung der Fachausschüsse Regu­
            lierung und Netze, Technik, Konvergenz
            verantwortlich. Zudem ist er Beauftragter
            für den Datenschutz.

6
Inhalt

1 Medienanstalten sichern Meinungsvielfalt                                               8
	Ergebnisse der aktuellen Mediengewichtungsstudie
  Siegfried Schneider

2 Anteile der ­Medien­konzerne am Meinungsmarkt                                         18
	Die Ergebnisse des MedienVielfaltsMonitors 2019-I
  Regina Deck

3 Die Medien­datenbank der Medienanstalten                                              34
  Michael Petri

4 Die Relevanz lokaler Medien für die Meinungsbildung                                   38
  Dr. Kristian Kunow

5 Intermediäre und Meinungsbildung                                                      46
  Dr. Anja Zimmer und Dr. Kristian Kunow

6 Nachrichteninteresse und Nachrichtennutzung in der digitalen Medienumgebung           60
 Prof. Dr. Uwe Hasebrink und Dr. Sascha Hölig

7 Messung von Medien­qualität                                                           74
	Das länderübergreifende Projekt „Media Performance and ­Democracy“ als Fallbeispiel
  Prof. Dr. Birgit Stark

8 Kollaterale Effekte des Urheberrechts auf das Medienrecht                             82
 Dr. Tobias Schmid, David Liebermann und Dr. Laura Braam

9 Medienpolitischer ­Ausblick                                                          88
  Cornelia Holsten

                                                                                         7
Internet
                              2019

                        35,1 %
                                                                         TV
                                                     TV                 2009

                                                                       44,0 %
                                                    2019

                                                  34,0 %

                                                            Internet
                                                              2009

                                                           15,1 %

Wichtigstes
Informations-
medium
2009 / 2019
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungs­
studie 2009 (TNS Infratest) und 2019-I (Kantar)
Medienanstalten
sichern
Meinungsvielfalt
Ergebnisse der aktuellen Mediengewichtungsstudie

Siegfried Schneider

             Aus Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes ergibt sich unmittelbar der
             verfassungsrechtliche Auftrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt, die
             ­
             ­vorherrschende Meinungsmacht verhindert und die Freiheit der Meinungs­
              bildung ermöglicht. Das Bundesverfassungsgericht leitet hieraus die
              ­Schaffung einer positiven Rundfunkordnung ab, die seit 1987 in den Rund-
               funkstaatsverträgen umgesetzt wird.

             Medienkonzentrationsrecht nicht mehr zeitgemäß

             Mit der Novellierung des Rundfunkstaatsvertrags 1997 wurde das mittler-
             weile seit 22 Jahren gültige Zuschaueranteilsmodell im Medienkonzentra-
             tionsrecht verankert. Das auf das Fernsehen zentrierte Modell hatte Ende
             der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zweifellos seine Berechti-
             gung. ­Inzwischen aber haben sich sowohl die Medienmärkte als auch das
             Nutzungsverhalten und damit die Einflussfaktoren auf die Meinungs­bildung
             drastisch verändert. Die traditionellen Medien, vor allem das Fernsehen, üben
             zwar immer noch einen wichtigen Einfluss auf die Meinungsbildung der
             ­Öffentlichkeit aus, daneben sind aber im Netz zahllose Angebote entstanden,
              deren Relevanz für die Meinungsbildung stetig wächst, die durch das­­geltende
              ­Medienkonzentrationsrecht jedoch nur unzureichend erfasst ­werden. Ein
               weiterer Aspekt betrifft die Intermediäre, vor allem ­Suchmaschinen und

                                                                                              9
s­ oziale Medien, die im Meinungsbildungsprozess     ermöglicht der Medienvielfaltsmonitor so eine
 eine immer größere Rolle spielen, im derzeitigen    gattungsübergreifende Sicht auf den Gesamt­
 Medienkonzentrationsrecht aber keine Berück-        meinungsmarkt in Deutschland (s. Kap. 2).
 sichtigung finden.
                                                     In die Berechnung des Meinungsbildungsge-
Diese längst etablierten Angebote und die damit      wichts eines Medientyps gehen der Anteil der
einhergehende Änderung des Nutzungsverhal-           informierenden Nutzung und die subjekti-
tens des Publikums müssen in einem ­zeitgemäßen      ve Einschätzung der Wichtigkeit eines Medium
Medienkonzentrationsrecht dringend berücksich-       zu Informationszwecken ein. Ein wesentlicher
tigt werden. Es ist bedauerlich, dass sich weder     ­Bestandteil des Medienvielfaltsmonitors ist ­damit
im ersten Entwurf des Medienstaatsvertrags vom        die M ­ediengewichtungsstudie, die wie der
Sommer vergangenen Jahres noch im aktuellen           Medienviel­faltsmonitor seit 2015 zweimal jährlich
Entwurf, der am 3. Juli 2019 veröffentlicht wurde,    veröffentlicht wird. Die Mediengewichtungsstudie
Ansätze für ein Gesamtmeinungsmarktmodell             erfasst repräsentativ die Bedeutung der einzelnen
finden, obwohl das u. a. von der Kommission zur       Mediengattungen für die Meinungsbildung in
Ermittlung der Konzentration im Medienbereich         Deutschland (deutschsprechende Bevölkerung ab
(KEK), den Landesmedienanstalten und den Rund-        14 Jahren; derzeit 70,445 Mio. Personen). Seit 2018
funkanbietern immer ­wieder angemahnt wurde.          liefert sie über die Relevanz der Medien zur Mei-
                                                      nungsbildung zu Themen aus Deutschland und
Zwar sind in beiden Entwürfen Transparenz­            der Welt hinaus zusätzlich auch Ergebnisse zur
gebote und Diskriminierungsverbote im H  ­ inblick    ­Information zu regionalen und lokalen Themen.
auf Intermediäre enthalten, die aber deren
­Meinungsmacht im Hinblick auf eine Medien-          Fernsehen bleibt insgesamt das wichtigste
 konzentrationskontrolle nicht in ausreichendem      Informationsmedium
 Maße einbeziehen.
                                                     Die aktuellen Ergebnisse der Mediengewichtungs-
                                                     studie 2019-1 zeigen, dass das Fernsehen weiter-
MedienVielfaltsMonitor als geeignete Basis
                                                     hin das meistgenutzte Medium ist. 75 Prozent der
einer zeitgemäßen Konzentrationskontrolle
                                                     ab 14-Jährigen in Deutschland schalten an einem
Mit dem von der BLM bereits 2009 entwickelten        Durchschnittstag den Fernseher ein. Mit deutli-
und seit 2012 regelmäßig veröffentlichten Medien­    chem Abstand folgen nahezu gleichauf das R   ­ adio
vielfaltsmonitor, der seit 2015 von der Gemein-      (58,6 Prozent) und das Internet (58,4 Prozent) weit
schaft der Landesmedienanstalten fortgeführt         vor der Tageszeitung, die von gut jedem Dritten an
wird, liegt ein erstes Gesamtmarktmodell vor, das    einem Durchschnittstag gelesen wird (34,2 Pro-
die mögliche Gefahr vorherrschender Meinungs-        zent). Das Schlusslicht bilden Publikumszeitschrif-
macht gattungsübergreifend ermittelt. Über das       ten und Wochenzeitungen mit einer Tagesreich-
Fernsehen hinaus berücksichtigt er auch die vier     weite von 10,5 Prozent.
Teilmärkte Hörfunk, Internet, Tageszeitungen
und Publikumszeitschriften und verknüpft d ­ eren    Fragt man nach der informierenden Nutzung
Meinungsbildungsgewichte mit den Reichwei-           der einzelnen Mediengattungen „über das Zeit-
tendaten der jeweiligen Gattung. Im Ergebnis         geschehen in Politik, Wirtschaft und Kultur in

10
Deutschland und aller Welt“, ändert sich zwar                          und zwar primär zu ­Lasten von ­Fernsehen und
nicht die Rangfolge, dennoch kommt es zu deut-                         Print. Die ­informierende Nutzung von Radio ist
lichen ­   Verschiebungen. Das Fernsehen bleibt                        in den zurückliegenden J­ahren hingegen weit-
mit ­  einer informierenden Tagesreichweite von                        gehend stabil geblieben, zumindest lässt sich
53,8 Prozent zwar vorne, das Radio rückt hier aber                     kein ­  kontinuierlicher Abwärtstrend erkennen.
deutlich ­näher an das Fernsehen heran. Knapp                          ­Insgesamt belegen die Daten zudem, dass sich
j­eder zweite ab 14-Jährige in Deutschland nimmt                        die deutsche Bevölkerung insgesamt nach wie
über das Radio Informationen wahr (47,6 Prozent).                       vor aus unterschiedlichen Quellen informiert. Im
An dritter Stelle und mit etwas Abstand folgt das                       ­Durchschnitt nutzt­­jeder ab 14-Jährige an ­einem
­Internet, das von knapp 40 Prozent an einem                             Durchschnittstag rund 1,8 Medien­gattungen zu
 Durchschnittstag auch informierend genutzt wird,                        informierenden Zwecken.
 vor der Tageszeitung mit einer Info-Reichweite von
 30,5 Prozent. Die P   ­ ublikumszeitschriften ­spielen                Unter 30-jährige informieren sich vor allem im
 mit 5,7 Prozent bei der informierenden Nutzung                        Internet
 eine deutlich untergeordnete Rolle. Im Vorjah-
                                                                       Ein völlig anderes Bild ergibt sich, wenn man die
 resvergleich zeigen sich lediglich geringfügige
                                                                       Ergebnisse für die informierende Mediennut-
 Veränderungen. Ganz anders sieht es aber aus,
                                                                       zung in den Altersgruppen 14 bis 29 Jahre, 30 bis
 wenn man den gesamten Zeitraum betrachtet,
                                                                       49 ­Jahre und 50+ betrachtet (s. Abb. 2). Mit einer
 seit die ­Mediengewichtungsstudie kontinuierlich
                                                                       Tagesreichweite von 67,1 Prozent ist das Internet
 ­erhoben und zweimal pro Jahr veröffentlicht wird
                                                                       bei den 14- bis 29-jährigen Digital Natives das
  (s. Abb. 1). Die informierende Tagesreichweite des
                                                                       mit Abstand am häufigsten genutzte Medium
  Internets ist seit 2015-1 um 36 Prozent ­gestiegen
                                                                       im Hinblick auf die informierende Nutzung. Fast

Abbildung 1

Informierende Nutzung gestern im Trend

              80                 73,9
                    62,4                                                   61,1
                                              59,9          59,6                    58,4     57,5       58,1
              60                 53,2                                                                             53,8
                    47,3                      49,9          51,0           50,8                         50,7
                                                                                    47,5     47,6                 47,6
                                 42,7
 in Prozent

                                                                                             38,8       40,1      39,4
              40                              36,6          35,3           34,6
                    41,7                                                            34,4                32,7      30,5
                                 25,8         24,7                                           33,5
                    19,2                                    29,1           28,9     29,3
              20
                     8,4          8,7          8,4          7,9              6,7              6,3                  5,7
                                                                                    5,3                 5,0
              0

                     2009        2011          2013         2014           2015-I   2016-I   2017-I     2018-I    2019-I

      Fernsehen    Radio    Internet    Tageszeitung      Zeitschriften*

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis 2019-I: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar)

                                                                                                                           11
20 Prozentpunkte liegen zwischen dem Internet             ­ ildung das Fernsehen das weitaus am häufigsten
                                                          B
und dem Radio an zweiter Stelle mit 3­ 9,6 ­Prozent.      genutzte Informationsmedium ist (62,0 Prozent),
Erst auf dem dritten Platz folgt das Fernsehen,           gefolgt von Radio (41,6 Prozent), Tageszeitung (33,1
über das sich 29,5 Prozent der 14- bis 29-Jähri-          Prozent) und Internet (21,2 Prozent), zeigt sich bei
gen an einem Durchschnittstag informieren.                Personen mit formal hohem Bildungsabschluss
Weit ­abgeschlagen sind bei den unter 30-Jähri-           dieselbe Reihenfolge wie bei den 14- bis 29-Jähri-
gen die Printmedien. Die Tageszeitung kommt               gen: Bei ihnen steht das ­Internet an erster Stelle
noch auf eine Tagesreichweite von 15,5 Prozent,           (56,9 Prozent), gefolgt von ­Radio, Fernsehen und
Publikumszeitschriften auf 5,0 Prozent. Gänzlich          Tageszeitung.
­entgegengesetzt ­gestaltet sich die informieren-
 de Mediennutzung bei den ab 50-Jährigen: Hier            Tageszeitungen mit höchstem informierenden
 dominiert eindeutig das Fernsehen mit annä-
 ­                                                        Nutzungsanteil
 hernd 70 P ­ rozent vor ­Radio (49,4 ­Prozent) und der
                                                          Eine der grundlegenden Annahmen der KEK bei
 Tageszeitung (42,4 Prozent). Erst an vierter Stelle
                                                          der Konzentrationskontrolle ist es, dass ­       jeder
 folgt das ­Internet mit 23,0 Prozent und schließ-
                                                          unterhaltende Medieninhalt im ­
                                                          ­                                           Fernsehen
 lich die ­Publikumszeitschriften mit 6,1 Prozent.
                                                          für die Nutzer meinungsrelevant ist. Von der
 Was die Bedeutung von Fernsehen, ­Internet und
                                                          KEK wird bei Prüffällen daher nicht die infor-
 ­Tageszeitung angeht, haben wir also eine völlig
                                                          mierende M      ­ ediennutzung zur Ermittlung der
  unterschiedliche ­informierende ­Mediennutzung
                                                          ­Meinungsmacht der entsprechenden Angebote
  bei den unter 30-Jährigen im Vergleich zu den über
                                                           zu Grunde gelegt, ­sondern die Gesamtnutzung.
  50-Jährigen. Relativ ähnlich über die ­Generationen
                                                           Die Medienanstalten erheben deshalb im ­Rahmen
  hinweg ist die Bedeutung des ­Radios für die infor-
                                                           der ­Gewichtungsstudie auch die Gesamtnutzung
  mierende Nutzung.
                                                           der Medien unabhängig von der Art des Inhalts.
                                                           Wie bereits dargestellt, ist bei der allgemeinen
Neben der altersspezifischen Betrachtung
                                                           Medien­nutzung das Fernsehen mit 75 Prozent
wirft die Gewichtungsstudie seit Beginn auch
                                                           Tagesreichweite das meistgenutzte ­Medium vor
immer e
­         ­inen Blick auf geschlechtsspezifische
                                                           Radio, Internet, Tageszeitung und Publikumszeit-
­Unterschiede im Hinblick auf das Informationsver-
                                                           schriften/Wochenzeitungen. Eine interessan-
 halten. ­Dabei springen – im Gegensatz zu Fernse-
                                                           te Perspektive bietet der Vergleich zwischen der
 hen, Radio und Print, die bei Männern wie F­ rauen
                                                           ­allgemeinen Mediennutzung einerseits und der
 ein sehr ähnliches Nutzungsniveau erreichen –
                                                            informierenden Mediennutzung a          ­ndererseits
 die unterschiedlichen Tagesreichweiten in Bezug
                                                            (s. Abb. 3). Der Quotient verdeutlicht, von welchen
 auf die informierende Nutzung des Internets ins
                                                            Medien und Inhalten sich die Rezipienten aus i­ hrer
 Auge. Während mit 34,7 Prozent nur gut jede drit-
                                                            Sicht informiert fühlen, und kann so als von den
 te Frau an e
            ­ inem Durchschnittstag Informationen
                                                            Nutzern selbst bestimmter Indikator für das Public
 im ­Internet wahrnimmt, liegt die ­informierende
                                                            Value der Mediengattungen interpretiert werden.
 Online-­Nutzung bei Männern mit 44,2 Prozent
 um fast 10 Prozentpunkte höher. Auch im Hin-
                                                          Erwartungsgemäß erreichen die Tageszeitun-
 blick auf die formale Bildung gibt es große Unter-
                                                          gen mit 89 Prozent den höchsten informieren-
 schiede. Während bei Personen mit eher geringer
                                                          den Nutzungsanteil, d. h. rund neun von zehn

12
Abbildung 2

 Informierende Mediennutzung gestern nach Alter, Geschlecht, Bildung

               14 – 29
                         29,5                        40,1 39,6                      71,0 67,1     15,5             5,0

               30 – 49
Alter

                            45,0                       56,3 50,2               48,6 47,2           21,4            5,6

               50 +
                                73,2 69,4              51,6 49,4        22,0 23,0                          42,4    6,1

               Männer
                                 53,2                 40,1 47,2               71,0 44,2                  31,7      6,6
Geschlecht

               Frauen
                                 54,4                 56,3 48,0            48,6 34,7                 29,4          4,9

               gering
                                   62,0              56,3 41,6         48,6 21,2                         33,1      3,6

               mittel
Bildung

                                 51,2                  56,3 49,3             48,6 40,2               28,5          5,2

               hoch
                                49,0                    56,3 52,7                48,6 56,9           30,4           8,3

             Fernsehen      Radio         Internet      Tageszeitung   Zeitschriften*

 Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
 Basis: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978
 Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar)

 ­ ehmen beim Lesen oder Durchblättern einer
 n                                                                                  Banking eine erhebliche Rolle. Den geringsten
 Tageszeitung (auch) Informationen zum Zeit-                                        Anteil an ­informierender Nutzung erreichen die
 geschehen aus Deutschland und der Welt wahr.                                       Publikumszeitschriften/Wochenzeitungen mit
 Den zweithöchsten Infoanteil hat das Radio,                                        54 ­Prozent. Hier muss man wohl davon ausgehen,
 das für 81 Prozent seiner Hörer an einem Durch-                                    dass es ­große Unterschiede gibt zwischen Publi-
 schnittstag auch meinungsrelevante Informatio-                                     kationen wie dem Spiegel und der ZEIT ­einerseits
 nen bietet. An dritter und vierter Stelle folgen das                               und ­   primär auf Boulevard und Unterhaltung
 Fernsehen und das Internet mit einem Anteil an                                     ­ausgerichtete Zeitschriften wie die BUNTE ande-
 informierender ­Nutzung von 72 bzw. 67 Prozent.                                     rerseits. Insgesamt ist im Vergleich zum Vorjahr
 Auch wenn die Mehrheit der Nutzer in beiden Gat-                                    fest­zuhalten, dass der Anteil der informieren-
 tungen ­meinungsbildende Inhalte wahrnimmt,                                         den Nutzung über alle Mediengattungen hinweg
 spielen unterhaltende Elemente oder andere                                          ­stabil ­geblieben ist.
 Nutzungsarten wie e-Commerce oder Online-­

                                                                                                                                  13
Abbildung 3

Mediennutzung gestern – gesamt vs. informierend

              100

              80      75,0          72                     81                      67                       89              54

                                             58,6                     58,4
              60             53,8
 in Prozent

                                                    47,6
                                                                             39,4
              40                                                                              34,2
                                                                                                     30,5

              20
                                                                                                                 10,5
                                                                                                                         5,7
               0

                       Fernsehen                 Radio                  Internet              Tageszeitung       Zeitschriften*

      Mediennutzung gesamt     (Auch) informierende Mediennutzung      Anteil (auch) informierend an gesamt

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar)

TV-Anbieter, Radiostationen, Tageszeitungen und                       Online-Medien werden von den unter 30-Jähri-
Publikumszeitschriften als klassische Anbieter                        gen etwa doppelt so häufig genutzt wie von der
von Medieninhalten sind längst nicht mehr nur                         Gesamtbevölkerung
in ­  ihren angestammten Bereichen unterwegs,
                                                                      An einem durchschnittlichen Wochentag nutzen
­sondern bieten auch im Internet über unterschied­
                                                                      aktuell 16,6 Prozent der ab 14-Jährigen in Deutsch-
 liche Kanäle ihre Inhalte an. Sie verlängern damit
                                                                      land die Website, eine App oder ein e-Paper einer
 einerseits ihre Geschäftsmodelle ins Netz, ande-
                                                                      Tageszeitung. Während die Zeitschriften in ihrer
 rerseits bietet ihnen das Internet die Möglichkeit,
                                                                      analogen Nutzung für die informierende Medien-
 neue Geschäftsmodelle zu erproben und damit
                                                                      nutzung lediglich eine sehr geringe Rolle spielen,
 Verluste aus der analogen Welt zu kompensieren.
                                                                      zeigt sich im Internet ein völlig anderes Bild. Hier
 Ihr Plus gegenüber vielen Internet Only-­Anbietern
                                                                      stehen die Online-Angebote von Zeitschriften mit
 liegt in der Bekanntheit ihrer Marken, die den
                                                                      13,2 Prozent an zweiter Stelle hinter den Tageszei-
 ­Nutzern vertraut und in den meisten Fällen posi-
                                                                      tungen. 12,2 Prozent greifen auf die Internetan-
  tiv konnotiert sind. Dies spiegelt sich deutlich in
                                                                      gebote von TV-Sendern zurück und 6,0 Prozent
  der Nutzung ihrer Angebote im Web wider.
                                                                      auf das Internetangebot von Radiostationen, die
                                                                      d­amit in der Reihe der Webangebote klassischer
                                                                      Medien das Schlusslicht bilden.

14
Neben den Internetangeboten publizistischer                 ­ latzieren sich die Online-­Angebote der Fernseh­
                                                            p
Medien gibt es im Web eine Reihe von Free-
­                                                           anbieter, die mit einer Tagesreichweite von
mail-Portalen wie z. B. gmx, t-online oder web.             25,1 ­Prozent im ­Vergleich zum Bevölkerungsdurch-
de, die selbst publizistische Inhalte erstellen             schnitt stark überproportional genutzt w   ­ erden.
bzw. v­ orhandene Inhalte kuratieren. Auch wenn             Über die ­Online-Angebote der Radiosender: Dort
­diese Portale primär der Individualkommunikati-            ­informiert sich an einem Durchschnittstag nur gut
 on dienen, geben 11,1 Prozent der Bevölkerung ab            jeder Zehnte aus dieser Altersgruppe. Ä ­ hnliches
 14 ­Jahren in Deutschland an, dort auch Informatio-         gilt für die ­Freemail-Portale, deren Nachrichten
 nen zum Zeitgeschehen aus Deutschland und der               und / oder Agenturmeldungen 17,2 Prozent der
 Welt wahrzunehmen. In fast gleichem Umfang                  14- bis 29-Jährigen an einem Durchschnittstag
 werden bei Wikipedia Informationen gesucht. Mit             ­wahrnehmen.
 3,2 ­Prozent spielen andere Wikis und Blogs eine
 deutlich geringere Rolle. Internetangebote ande-           Überproportional hohe Bedeutung h          ­ingegen
 rer Web Only-Anbieter, wie etwa die Angebote               erlangt Wikipedia im jüngsten A
                                                            ­                                   ­ lterssegment.
 von Buzzfeed oder Vice, liegen bei 6,2 Prozent und         Die Online-Enzyklopädie ­erreicht unter 30-Jäh-
 ­haben damit in der Gesamtbevölkerung eine eher            rigen mit 22,2 Prozent Tagesreichweite ­anteilig
  nachrangige Bedeutung für die Meinungsbildung.            doppelt so viele wie im Bevölkerungsdurchschnitt,
  Insgesamt ist festzustellen, dass sich die aktuellen      was vermutlich auch daran liegt, dass das Ange-
  Ergebnisse der genutzten Online-Angebote kaum             bot auch für Schule und Studium genutzt wird.
  von den Ergebnissen des Vorjahres unterscheiden,          Auch die Reichweiten anderer ­Wikis und Blogs
  sondern sich mit Bewegungen von jeweils weni-             ­sowie sonstiger Online-Only-Angebote liegen mit
  ger als einem Prozentpunkt stabil halten.                  6,5 bzw. 12,0 Prozent jeweils etwa doppelt so hoch
                                                             wie in der Bevölkerung ab 14 Jahren insgesamt.
Vergleicht man die Durchschnittswerte für die
­Bevölkerung ab 14 Jahren für die Online-­Medien            Seit Jahren dokumentiert die Gewichtungsstudie
 mit den Ergebnissen für die 14- bis 29-Jährigen,           eine Veränderung der Mediennutzung insgesamt
 stellt man wenig überraschend sehr deutliche               und zu informierenden Zwecken. Auf Basis der
 Unterschiede fest (Abbildung 4). Bei den unter             ­Beobachtungen über die letzten Jahre muss davon
 30-Jährigen erreichen die Online-Medien durch-              ausgegangen werden, dass die Nutzung der tradi-
 weg erheblich höhere Reichweiten. Auch in ­dieser           tionellen publizistischen Medien über die klassi-
 Altersgruppe haben die Online-Angebote der                  schen Verbreitungswege weiter zurückgehen und
 ­Tageszeitungen mit 27,9 Prozent die höchste Reich-         die Nutzung von Online-Angeboten, seien dies
  weite vor allen anderen Angeboten. Das zeigt,              crossmediale „Verlängerungen“ e  ­ tablierter Player
  dass die Digital Natives sehr wohl Interesse an            oder neue ­Online-Only-Angebote, im Gegenzug
  Angeboten von Tageszeitungen haben, d      ­ iese aber     wachsen wird. Die spannende Frage wird sein,­
  lieber digital lesen. Gleiches gilt für die d­ igitalen    ­inwieweit sich die traditionellen publizistischen
  Angebote von Zeitschriften, die mit 22,3 Prozent            Anbieter, die in der Onlinewelt vielfältig präsent
  mehr als jeder fünfte unter 30-Jährige an einem             sind, sich mit ihren starken Marken gegen die
  Durchschnittstag informierend nutzt. Zwischen               ­reinen Online-Anbieter behaupten können.
  den ­ Angeboten der beiden ­        Print-­
                                            Gattungen

                                                                                                             15
Abbildung 4

Genutzte Online-Medien – Alle Personen ab 14 Jahren / 14 – 29 Jahre

Internetangebot / App eines Fernsehsenders
                                         12,2
                                                                                      25,1

Website / App / e-Paper einer Tageszeitung
                                                         16,6
                                                                                                27,9

Website / App / e-Paper von Zeitschriften*
                                               13,2
                                                                             22,3

Internetangebot / App eines Radiosenders
                 6,0
                                 10,6

Internetangebot / App von Portalen
                                   11,1
                                                           17,2

Wikipedia
                                  11,0
                                                                             22,2

Andere Wikis oder Blogs
       3,2
                   6,5

Internetangebot eines anderen Anbieters
                  6,2
                                        12,0

0%                                10 %                                20 %                                30 %          40 %

   Alle Personen ab 14 Jahren      14 - bis 29-Jährige

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978; 14,427 Mio. 14- bis 29-Jährige, n = 394
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar)

Meinungsmacht von Intermediären muss beim                                    ökonomisch haben sich die klassischen Medien-
Konzentrationsrecht berücksichtigt werden                                    häuser inzwischen weitgehend auf den digitalen
                                                                             Wettbewerb mit den reinen Internetkonzernen
Diese Frage hat einerseits einen ökonomischen
                                                                             eingestellt, indem sie deren Plattformökonomie
­Aspekt, anderseits aber auch den Aspekt publizis-
                                                                             übernommen haben. Vieles spricht derzeit ­dafür,
 tischer Relevanz und Meinungsmacht. Medien-
                                                                             dass sie damit im ökonomischen Wettbewerb

16
­ estehen können, auch und vor allem weil sie
b                                                          Akteure in den ­sozialen Netzwerken wahrgenom-
in neue Geschäftsfelder vordringen, in denen es            men. Das entspricht mehr als jedem vierten ab
nicht um publizistische Inhalte, sondern eher um           14-Jährigen in Deutschland. Knapp ein Fünftel der
das Anzeigengeschäft und e-Commerce geht. Auf              Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland gibt an,
dem Feld der publizistischen Relevanz und damit            sogar regelmäßig mit politischer Kommunikation
der ­Meinungsmacht muss aber damit gerechnet               in sozialen Medien in Kontakt zu kommen, und
werden, dass die klassischen Medienhäuser an               gut ein Zehntel nimmt neben politischen Beiträ-
­Boden verlieren. In diese Lücke stoßen vor allem die      gen zumindest hin und wieder auch politische
 ­Intermediäre, also die Plattformgiganten Google,         Werbung auf Facebook, Instagram oder Twitter
  Facebook, Amazon & Co. Gegenüber den traditi-            wahr (s. a. Kap. 5).
  onellen Massenmedien findet damit im Internet
  eine Umverteilung von Meinungsmacht statt:               Die gesellschaftliche Wahrnehmung der ­Realität
  Die traditionellen Medienunternehmen verlieren           insgesamt und insbesondere der aktuellen
  durch den Verlust ihrer A   ­ lleinstellung als Gate-    ­Geschehnisse mag zwar immer noch stark durch
  keeper an Meinungsmacht. Diese verlagert sich             die klassischen Massenmedien geprägt sein,
  ­zunehmend zu Intermediären die im Netz optima-           aber längst sind es nicht mehr nur die klassi-
   le Bedingungen vorfinden, durch ­algorithmische          schen ­Medien, die Informationen filtern und so
   S­elektion und Techniken der strategischen Kom-          ­Öffentlichkeit für ein bestimmtes Thema schaf-
   munikation ihre Botschaften verbreiten zu k­ önnen.       fen, analysieren und einordnen. Angebote wie das
   Ihr ­tatsächlicher und p
                          ­ otenzieller Einfluss auf die     ­„Rezo-Video“ kurz vor der Europawahl ­führen uns
   gesellschaftliche M­ einungsbildung stellt die Viel-       das beispielhaft vor Augen. Sie erwecken zumin-
   faltssicherungen vor neue Herausforderungen.               dest kurzfristig den Eindruck, dass die ­sozialen
                                                              Medien bereits eine größere Relevanz für die
                                                              ­
Seit 2016 beobachten die L­ andesmedienanstalten              individuelle wie ­
                                                              ­                      gesellschaftliche Meinungs­
daher im Rahmen der Mediengewichtungsstudie                   bildung haben als die klassischen Medien. Eine
die Nutzung von Intermediären. Dass ­diese als                allein auf das Fernsehen zentrierte Konzentrati-
wesentliche Elemente der Kommunikation auch                   onskontrolle ist jedenfalls nicht in der Lage, die
unser Informationsverhalten fundamental ver-                  geänderte und sich stetig verändernde Vertei-
ändern und zunehmend an Relevanz gewinnen,                    lung der medialen Meinungsmacht angemes-
belegen die Ergebnisse. Ein Drittel der deutschen             sen widerzuspiegeln und vielfaltsgefährdenden
Bevölkerung ab 14 Jahre nutzt an einem Durch-                 Entwicklungen im Onlinebereich wirksam zu
schnittstag mindestens einen ­Int­ermediär, um                ­begegnen. Vielmehr muss von einem Gesamt-
sich über das Zeitgeschehen zu informieren, unter              medienmarkt ausgegangen werden, wie er im
den 14- bis 29-Jährigen liegt der Anteil fast doppelt          ­Medienvielfaltsmonitor der ­Medienanstalten
so hoch. Seit Anfang des Jahres widmet sich die                 angelegt ist. Diesen gilt es weiterzuentwickeln,
Gewichtungsstudie darüber hinaus der Relevanz                   indem neue „Machtträger“ ­integriert und neue
politischer Kommunikation in sozialen Medien.                   „Machtformen“ wie die ­     Fähigkeit zur strategi-
Den ersten Ergebnissen zufolge haben zwei von                   schen ­Kommunikation ­berücksichtigt ­werden.
drei Nutzern von Facebook, Twitter oder Instagram               Nur so können wir ein ­     umfassendes Bild der
in letzter Zeit politische Botschaften ­verschiedener           ­Medienvielfalt und ­möglicher Gefahren erhalten.

                                                                                                                17
Top 5
ARD      Bertelsmann

ZDF      Springer

ProSiebenSat.1

                                                                        54
                                                                          ,6
                                                               19,

                                                                             %
                                                                  2%
                                                Sonstige

                                                     12,
                                                        1%
Top 16 – 30
Verizon Communications        F. Wolff & Sohn

Rheinisch-Bergische Verl.-Ges.     Regiocast                                         Top 6 – 15
Disney      Presse Druck- und Verl.-Ges.                            Burda           Medien Union
Fazit-Stiftung    Comcast     Müller Medien         United Internet              FUNKE            Bauer
Microsoft     Discovery     ddvg                              DuMont             Madsack             KKR
                                                  Ströer
Nordwest-Zeitung       ZVD Mediengesellschaft
                                                                                      DvH Medien
Verlagsgruppe Ebner

                                                                              Sonstige 21,0 %

Verteilung der Meinungs-                                     Eine Überschreitung von 100 % ergibt sich daraus,
                                                           dass Beteiligungs-Anteile von 25 % und mehr einem
                                                                       Unternehmen voll zugerechnet werden.

macht im Gesamtmarkt                                                            Quelle: die medienanstalten:
                                                                          MedienVielfaltsMonitor 2019-I (BLM)
Anteile der ­Medien­
konzerne am
Meinungsmarkt
Die Ergebnisse des MedienVielfaltsMonitors 2019-I

Regina Deck

              Für das Funktionieren politischer Öffentlichkeit in liberalen Demokratien
              ist die Begrenzung von Meinungsmacht bzw. Vielfaltssicherung eine not-
              wendige Voraussetzung. Entsprechend leitet das Bundesverfassungsgericht
              aus den Mediengrundrechten in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes den
              ­verfassungsrechtlichen Auftrag her, durch gesetzgeberische Maßnahmen
               Medienvielfalt zu gewährleisten. Die publizistische Konzentrationskontrolle
               fällt dabei in den Aufgabenbereich der Landesmedienanstalten und s­ peziell
               ihrer Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medien­       bereich
               (KEK). In diesem Rahmen prüft sie, ob ein Unternehmen durch die Ertei-
               lung von Fernsehzulassungen oder durch die Veränderung von Beteiligungs-
               verhältnissen vorherrschende Meinungsmacht erlangt. Die Messung von
               ­Meinungsmacht stützt sich dabei auf das Zuschaueranteilsmodell (§ 26(2)
                RStV), nach dem im Fall des bundesweiten Fernsehens vorherrschende Mei-
                nungsmacht ab einem Nutzungsanteil von 30 Prozent vermutet wird, sowie
                den ­verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff, nach dem die besonders große
                Meinungsmacht des Fernsehens mit den Merkmalen Aktualität, Breitenwir-
                kung und Suggestivkraft begründet wird.

              Ob die Fernsehzentriertheit des Medienkonzentrationsrechts der sich r­ apide
              wandelnden und konvergenten Medienlandschaft noch gewachsen ist, wird
              spätestens seit der gescheiterten Übernahme von ProSiebenSat.1 durch
              den Springer-Konzern intensiv diskutiert und zunehmend in Frage gestellt.

                                                                                             19
Zum einen zeigt ein Rückblick auf die Arbeit der        Reichweitendaten im Markt. Für das Fernsehen
KEK, dass nahezu alle der annähernd 1.000 ­bislang      sind das – wie auch für die aktuelle Medienkon-
intensiv behandelten Fälle ­aufgrund zu geringer        zentrationskontrolle – die Zuschauermarktantei-
Zuschaueranteile per se ­keinen rechtlichen Prüf-       le der Arbeitsgemeinschaft Video­forschung (AGF),
bedarf ­erfordert hätten. Die 1997 ­eingeführte Kon-    für das Radio die von der Arbeitsgemeinschaft
zentrationsgrenze hat also schlicht ­keine R
                                           ­ elevanz.   ­Media-Analyse (agma) ermittelten Marktanteile
Zum anderen sind Aktualität, Breitenwirkung und          der Hörfunkprogramme, die in der ma Audio aus-
Suggestivkraft bewegter ­Bilder in der digitalen         gewiesen werden. Auch die Daten für den ­Zeitungs-
Welt, in der alle großen Medienhäuser c­ rossmedial      und Zeitschriftenmarkt stammen von der agma
aktiv sind, längst nicht mehr dem Fernsehen
­                                                        bzw. aus der ma Pressemedien. Zur ­Ermittlung
­vorbehalten. Deshalb hat die ­Bayerische Landes-        der Reichweiten publizistischer Internetangebote
 zentrale für neue Medien (BLM) bereits 2009 mit         greift der MedienVielfalts­Monitor auf d  ­ ie ­Daten
 dem MedienVielfaltsMonitor ein gattungsüber-            von Nielsen zurück. Anhand ­dieser Reichweiten
 greifendes Gesamtmarktmodell als mögliche               lassen sich die relativen Markt­anteile der Angebo-
 Grundlage für eine moderne Vielfaltssicherung           te in ihren jeweiligen Gattungen ­feststellen.
 entwickelt. Seit 2015 ist der MedienVielfalts­
 Monitor ein Gemeinschafts­projekt der Landes-          In Stufe 2 werden die Marktanteile der einzelnen
 medienanstalten.                                       Medienangebote den Konzernen zugeordnet,
                                                        die Anteile an ihnen besitzen. Auch hier ­bedient
In vier Stufen zur Gesamtmarktbetrachtung               sich der MedienVielfaltsMonitor der Daten, die
des MedienVielfaltsMonitors                             in der aktuellen M   ­ edienkonzentrationskontrolle
                                                        Verwendung finden. Die Datenbank der KEK
                                                        ­
Der MedienVielfaltsMonitor knüpft in seiner
                                                        wurde dafür ergänzt um die Inhaber- und
Methodik unmittelbar an die geltende medien-
                                                        ­Beteiligungsverhältnisse in den Bereichen Radio,
rechtliche Konzentrationskontrolle an. Allerdings
                                                         ­Zeitungen, Zeitschriften sowie relevanter publi-
werden über das Fernsehen hinaus auch die
                                                          zistischer Internetangebote und wird fortlaufend
­Gattungen Radio, Tageszeitungen, Zeitschriften/­
                                                          gepflegt. Aktuell beinhaltet die Datenbank Anga-
 Wochenzeitungen/Nachrichtenmagazine und
                                                          ben zu den Inhaber- und Beteiligungsverhältnis-
 das Internet berücksichtigt. Es fließen also neben
                                                          sen von knapp 4.150 Medienangeboten und rund
 den Zuschauermarkteilen auch die Anteile der
                                                          7.100 G­ esellschaften in Deutschland bis in die
 Medienunternehmen im Hörer- und Lesermarkt
                                                          ­unterste Beteiligungsebene (s. a. Kap. 3). Anhand
 sowie im Markt der Nutzer publizistischer Inter-
                                                           dieser umfassenden Mediendatenbank und der
 netangebote in die Gesamtbetrachtung ein. Dabei
                                                           zurechenbaren Anteile der Unternehmen kann die
 ­gelangt der MedienVielfaltsMonitor in vier Stufen
                                                           Verteilung der Meinungsmacht in den jeweiligen
  zum Gesamtmarkt.
                                                           Medienmärkten ermittelt werden.

In Stufe 1 werden die Reichweitenzahlen der
                                                        In Stufe 3 ermittelt die im Rahmen des Medien-
­Medienangebote in den einzelnen Gattungsmärk-
                                                        VielfaltsMonitors kontinuierlich durchgeführte
 ten zusammengetragen bzw. ermittelt. D  ­ abei
                                                        bevölkerungsrepräsentative     Gewichtungsstu-
 beruft sich der MedienVielfaltsMonitor auf die
                                                        die die Relevanz der einzelnen Mediengattungen
 „Währungsstudien“ bzw. allgemein anerkannten

20
Abbildung 1

Ermittlung des potenziellen Gewichts für die Meinungsbildung

                                                                                                                       3,2

Marktanteil informierende
                                              30,4                                27,0          22,2          17,2
Mediennutzung
                                                                                                                       1,6
                                               +
Marktanteil wichtigstes
                                             34,0                          10,5          35,1                 18,8
Informationsmedium
                                             = 64,4
Mittelwert                                   64,4 : 2
                                                                                                                       2,4

 Potenzielles Gewicht für
                                               32,2                          18,7           28,7              18,0
 die Meinungsbildung

  Fernsehen       Radio     Internet    Tageszeitung      Zeitschriften*

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar)

für die Meinungsbildung. Die Befragten ­geben                          In Stufe 4 werden schließlich die zurechenba-
hier Antwort auf die Fragen, ob sie am Vortag                          ren Anteile der Medienunternehmen in den
­Informationen zum Zeitgeschehen in den fünf                           fünf M
                                                                            ­ edienmärkten anhand der Ergebnisse der
 Medien­     gattungen wahrgenommen haben und                          ­Gewichtungsstudie gewichtet und addiert.
 ­welche ­Mediengattung dabei für sie persönlich
  die ­  wichtigste Informationsquelle ist. Aus der                    Informierende Mediennutzung – das Internet
  ­empirisch ermittelten informierenden Tagesreich-                    gewinnt kontinuierlich an Marktanteil
   weite und subjektiven Bedeutung wird schließ-
                                                                       Eine der grundlegenden Annahmen der KEK bei
   lich das j­eweilige Meinungsbildungsgewicht von
                                                                       der aktuellen Konzentrationskontrolle ist die, dass
   Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften und
                                                                       auch jeder unterhaltende Medieninhalt ­Relevanz
   ­Internetangeboten berechnet (s. Abb.1). Vorher –
                                                                       für die Meinungsbildung hat. Der Medien­
    sozusagen als rechnerisch erforderlicher Zwischen-
                                                                       VielfaltsMonitor stellt dies nicht grundsätzlich
    schritt – werden die jeweiligen Antworten in eine
                                                                       in Frage. Vielmehr ist die Fragestellung nach der
    Marktanteilsbetrachtung konvertiert, oder einfa-
                                                                       informierenden Mediennutzung gestern in der
    cher gesagt: auf 100% umgerechnet. Die kontinuier-
                                                                       ­Gewichtungsstudie bewusst so formuliert, dass
    liche ­Beobachtung des Informationsverhaltens der
                                                                        die ­Befragten bei ihrer Antwort auch an Medienin-
    deutschen ­Bevölkerung ist für sich allein betrachtet
                                                                        halte zum Zeitgeschehen in Politik, Wirtschaft und
    schon ein wertvoller Datenfundus, für den Medien­
                                                                        Kultur denken, die sie jenseits von Nachrichten
    VielfaltsMonitor sind die Gewichte der einzelnen
                                                                        oder anderen dem Genre Information zuzurech-
    Gattungen sogar unabdingbar. Sie dienen nämlich
                                                                        nenden Sendungen oder Beiträgen wahrnehmen.
    als „Hub“, der die einzelnen Märkte zusammen-
    führt und zueinander in Beziehung setzt.

                                                                                                                       21
Im Ergebnis zeigt sich bei der Marktanteilsbetrach-      mit einem ihrer Nutzung in etwa entsprechenden
tung der informierenden Mediennutzung, dass              Anteil von 18,8 Prozent Nennungen hier also klar
Fernsehen und Hörfunk aufgrund ihrer ­hohen              vor dem Radio positionieren.
­Tagesreichweite in der Bevölkerung ab 14 Jahre
 in Deutschland mit 30,4 Prozent bzw. 27,0 Pro-          Relevanz der Medien für die Meinungsbildung:
 zent vorne liegen, gefolgt von Onlineangeboten,         TV bleibt insgesamt knapp vorne – dank der
 die bereits einen Anteil von 22,2 Prozent der infor-    über 50-Jährigen
 mierenden Mediennutzung auf sich verbuchen
                                                         Die Entwicklung der Anteile der informieren-
 ­können. Tageszeitungen erreichen einen Anteil
                                                         den Mediennutzung und der subjektiven Wich-
  von 17,2 Prozent, Schlusslicht bilden schließlich
                                                         tigkeit der Medien für die Information legen den
  die Zeitschriften mit einem Anteil von 3,2 Prozent
                                                         Schluss bereits nahe, das aus den beiden resul-
  an der informierenden Mediennutzung. Mit Blick
                                                         tierende ­    Meinungsbildungsgewicht bestätigt
  auf den Trend über die letzten Jahre lässt sich kurz
                                                         es (s. Abb.2): Das Fernsehen ist keineswegs das
  zusammenfassen: Das Internet hat kontinuierlich
                                                         ­unangefochtene Leitmedium für die Meinungs­
  an Marktanteil gewonnen und zwar in erster Linie
                                                          bildung in Deutschland. Zwar hat das lineare Fern-
  zulasten von TV und Tageszeitung – auch weil ein
                                                          sehen mit 32,2 ­Prozent in der Gesamtbevölkerung
  großer Teil der informierenden Internetnutzung
                                                          nach wie vor das h    ­ öchste Gewicht, aber seine
  mittlerweile auf die Onlineangebote der Verlage
                                                          ­Relevanz für die Meinungsbildung nimmt sukzessi-
  und Rundfunkveranstalter entfällt.
                                                           ve ab. ­Zunehmend geringer wird der ­Abstand zum
                                                           Internet auf Platz zwei mit 28,7 Prozent, das konti-
Subjektive Bedeutung der Medien für die
                                                           nuierlich zum Fernsehen aufrückt und sich immer
­Meinungsbildung – Internet erstmals vor TV
                                                           ­deutlicher vom Radio mit 18,7 Prozent ­absetzen
Die zweite Variable, die in das Meinungsbildungs-           kann. Zum wiederholten Male ­behauptet das ­Radio
gewicht einfließt, ist die subjektive Wichtigkeit           mit einem stabilen ­    Meinungsbildungsgewicht
der Mediengattung für die Information. Im Längs-            den dritten Platz knapp vor den Tageszeitungen
schnitt sind hier dieselben Trends zu beobachten            mit 18,0 Prozent, ­deren ­potenzieller Einfluss auf
wie bei der informierenden Nutzung, allerdings              die ­Meinungsbildung schleichend, aber stetig
mit einem bemerkenswerten Ergebnis: Erstmals                nachlässt. Mit ­großem A­bstand folgen schließlich
wird das Internet mit 35,1 Prozent der Antwor-              die Zeitschriften, auf die aktuell ein Meinungs­
ten aktuell von mehr Personen ab 14 Jahren in               bildungsgewicht von l­ ediglich 2,4 Prozent entfällt.
Deutschland als wichtigste I­nformationsquelle
genannt als das Fernsehen (34,0 Prozent). Die            Im Längsschnitt verdeutlichen die Ergebnisse, wie
­Ergebnisse zeigen zudem, dass Tagesreichweite           stark die traditionellen Medien an potenziellem
 und Bedeutung nicht in jedem Fall kongruent sind.       Einfluss auf die Meinungsbildung verloren und
 Während bei den Onlinemedien der Bedeutungs-            die publizistischen Onlineangebote im G­ egenzug
 anteil den Nutzungsanteil übersteigt, verhält es        gewonnen haben. Um 39 Prozent ist die R  ­ elevanz
 sich beim Radio umgekehrt. Der reichweitenstar-         des Internets für die Meinungsbildung in der
 ke Hörfunk ist nur für 10,5 Prozent der Bevölkerung     Gesamtbevölkerung seit 2015 gestiegen, wäh-
                                                         ­
 ab 14 Jahren in Deutschland das wichtigste Infor-       rend das potenzielle Meinungsbildungsgewicht
 mationsmedium. Die Tageszeitungen können sich           von Tageszeitungen – in ähnlichem Ausmaß auch

22
Abbildung 2

Potenzielles Meinungsbildungsgewicht im Trend

              50

              40
                      35,9               35,7
                                                          33,0             33,4           32,2
              30                                                           26,7
                                                          25,7
 in Prozent

                                                                                          28,7
                      20,6               22,3
                      21,0                                19,9             19,0           18,7
              20                         20,7
                      19,7
                                         18,7             18,5             18,7
                                                                                          18,0
              10
                       2,8               2,6               2,9              2,2            2,4
              0

                     2015-I          2016-I              2017-I           2018-I         2019-I      2020-I      2021-I     2022-I

      Fernsehen    Radio      Internet          Tageszeitung      Zeitschriften*

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen
Basis 2019-I: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar); lineare Trendlinie ergänzt

von Zeitschriften – um 14 Prozent und das des                                     (­aktuell 9,7 Prozent). Und Zeitschriften haben in
Fernsehens um 10 Prozent gesunken ist. Einzig das                                 dieser Altersgruppe seit Jahren ein ähnlich gerin-
Radio hat sich einigermaßen stabil halten können.                                 ges Gewicht wie in der Gesamtbevölkerung.

Gleichzeitig dokumentiert die Gewichtungs-                                        Das Internet ist bei den Jüngeren längst an die
studie, wie sehr sich das Informationsverhal-                                     Stelle der klassischen M
                                                                                                         ­ edien getreten, auch wenn
ten der Generationen unterscheidet (s. Abb. 3).                                   es um Informationen geht. Mit einem potenziel-
­Deutlich stärker als in der Gesamtbevölkerung                                    len Meinungsbildungsgewicht von 58,2 Prozent
 ist der ­  Bedeutungsverlust des Fernsehens bei                                  haben Onlineangebote einen dominierenden Ein-
 den 14- bis 29-Jährigen im selben Zeitraum. Seine                                fluss auf die Meinungsbildung der 14- bis 29-Jähri-
 ­Relevanz hat sich in den letzten vier Jahren nahe-                              gen und – wie später dargelegt wird – damit auch
  zu halbiert (von 25,8 auf 13,7 Prozent) und liegt in                            auf den Meinungsmarkt in dieser Altersgruppe.
  ­dieser ­Altersgruppe aktuell unter der des Radios
   (16,2 Prozent). Dass die ­Tageszeitungen hier einen                            Nehmen wir einmal an, die Entwicklung der
   vergleichsweise geringen Rückgang ihres Einflus-                               Meinungsbildungsgewichte würde sich l­inear
                                                                                  ­
   ses auf die Meinungsbildung verzeichnen, liegt in                              fortsetzen, dann würde das Internet voraus-
   erster Linie daran, dass ihre Relevanz bereits 2015                            sichtlich ­bereits in zwei Jahren das Fernsehen
   bei den 14- bis 29-Jährigen nur bei 10,0 Prozent lag                           als Leitmedium abgelöst haben. Ob das tatsäch-
                                                                                  lich eintreten wird, wird ganz wesentlich auch
                                                                                  davon abhängen, in welchem Tempo sich das

                                                                                                                                     23
Abbildung 3

Potenzielles Meinungsbildungsgewicht 2019 vs. 2015

                                                                                                                                           2,4

                     2019-I                32,2                                  18,7                 28.7                    18,0
  Ab 14 Jahren
    gesamt

                                                                                                                                           2,8

                     2015-I                       35,9                                  19,7           20,6                 21,0

                                                                                                                                           2,2

                     2019-I        13,7                  16,2                                  58,2                                  9,7
     14 – 29 Jahre

                                                                                                                                           2,8

                     2015-I               25,8                        18,1                             43,3                        10,0

   Fernsehen          Radio   Internet     Tageszeitung         Zeitschriften*

Angaben in Prozent; *) Zeitschriften, Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen;
Basis 2019-I: 70,445 Mio. Personen ab 14 Jahren in Deutschland, n = 3.978; davon 14,427 Mio. 14- bis 29-Jährige (n = 394)
Quelle: die medienanstalten: Mediengewichtungsstudie 2019-I (Kantar)

I­nformationsverhalten der Generation der ab                                 legen dieselben Unternehmen die v­orderen ­Plätze,
 50-Jährigen ändern wird, zu der fast jeder zwei-                            allen voran die ARD, die – Das ­Erste, ihre ­Dritten
 te ab 14-Jährige in Deutschland gehört. Sie hält                            und Spartenprogramme zusammengefasst – auf
 ­aktuell noch die ­Fahne für das Fernsehen so hoch,                         einen Zuschauermarktanteil von 30,2 Prozent
  dass die Zuschauermarktanteile in der Gesamt-                              kommt. Platz zwei m ­ achen seither die RTL Group
  marktbetrachtung des ­MedienVielfaltsMonitors                              (Bertelsmann) und das ZDF unter sich aus. A  ­ ktuell
  nach wie vor das größte ­Gewicht haben. Werfen                             positioniert sich Bertelsmann mit 22,3 Prozent
  wir zunächst aber einen Blick auf die Einzelmärk-                          ganz knapp vor dem ZDF, das inkl. s­einer Spar-
  te (s. Abb. 4).                                                            tenkanäle 22,2 Prozent ­erreicht. An vierter Stelle
                                                                             folgt ProSiebenSat.1 mit 17,8 Prozent. Addiert man
Meinungsmarkt Fernsehen                                                      die Werte der vier größten Fernsehveranstalter
                                                                             auf, so ergibt sich ein ­zurechenbarer Zuschauer-
Das Fernsehen hat nicht nur bislang das größte Mei-
                                                                             marktanteil von zusammen 92,5 ­Prozent, der sich
nungsbildungsgewicht, sein Markt zeichnet sich
                                                                             aus den Teilsummen von 52,4 Prozent für die Öf-
auf Unternehmensebene nach wie vor durch eine
                                                                             fentlich-Rechtlichen und von 40,2 Prozent für die
hohe Konzentration aus. Stand Mitte 2019 entfal-
                                                                             Privaten zusammensetzt. ARD und ZDF machen
len auf die TOP 5 Player im Fernsehmarkt 96,3 Pro-
                                                                             also rund die Hälfte des Meinungsmarkts Fern-
zent. Seit Beginn des Medien­­Vielfalts­Monitors be-
                                                                             sehen aus. Die TOP 5 komplettiert schließlich mit

24
einem ­Zuschauermarktanteil von 3,8 Prozent der            Monitor findet ihre Relevanz bislang allerdings
US-Finanzinvestor KKR, der im Frühjahr 2019 die            noch keine Berücksichtigung, da es sich nicht
Tele München Gruppe und damit auch deren Be-               um ­   publizistische Angebote handelt. Ebenso
teiligungen an den Veranstaltern der Programme             ­bleiben Angebote wie ­e-Commerce oder Dating-­
Tele 5 und RTL II übernommen hat. Nennenswerte              Plattformen außen vor.
Anteile entfallen noch auf Disney und Bauer mit
jeweils 2,9 Prozent, gefolgt von Discovery (2,1 Pro-       Um die Anteile von Unternehmen am Meinungs­
zent) und Comcast, ehemals Murdoch (1,8 Prozent).          markt Internet bestimmen zu können, wird
                                                           zunächst die Nutzung aller publizistischen
                                                           ­
Mit Blick auf die derzeitige Verteilung der A
                                            ­ nteile       ­Internetangebote mit relevanten Marktanteilen
am Fernsehmarkt vor dem Hintergrund des                     ­aufsummiert. So entsteht die Bezugsgröße des
­aktuellen Medienkonzentrationsrechts wird                   unmittelbar meinungsbildungsrelevanten Teils
 zudem deutlich: Nur in einem einzigen und
 ­                                                           des Internets für Deutschland. Angeführt wird
 ­zugleich sehr unwahrscheinlichen Fall könnte die           die Rangreihe der Medienunternehmen mit pub-
  KEK tätig werden, nämlich wenn ProSiebenSat.1              lizistischen Internetangeboten von Bertelsmann
  und Bertelsmann (RTL Group) eine Fusion anstre-            mit einem Anteil von 8,5 Prozent vor Burda mit
  ben würden.                                                8,1 Prozent. An dritter Stelle folgt der Webprovider
                                                             United Internet (7,9 Prozent), der sich mit seinen
Meinungsmarkt Internet                                       ­Onlineportalen web.de und gmx.net vor Springer
                                                              mit ­einem Anteil von 7,4 Prozent am Meinungs-
Das Internet mit dem zweithöchsten Meinungs­
                                                              markt Internet platziert. Diese vier Unternehmen
bildungsgewicht weist im Gegensatz zum
                                                              machen seit Beginn der Berichterstattung des
­Fernsehen die geringste Konzentration aller Ein-
                                                              MedienVielfaltsMonitors der Landesmedienan-
                                                              ­
 zelmärkte auf. Das mag zunächst verwunderlich
                                                              stalten (2015) die Ränge eins bis vier unter sich aus,
 erscheinen angesichts der Internetriesen ­Google,
                                                              auch wenn sie die Plätze hin und wieder tauschen.
 Apple, Facebook und Amazon, gilt allein doch
                                                              Dass Onlineportale an Relevanz gewinnen, wird
 schon die von der EU eingeführte Abkürzung GAFA
                                                              auch dadurch deutlich, dass Ströer mit 6,4 Pro-
 als Mahnung vor deren Macht. Dass die neuen
                                                              zent aktuell die ARD auf Platz fünf verdrängt. Der
 ­Geschäftsmodelle der Plattformökonomie nicht
                                                              Sprung in die TOP 5 gelingt in erster Linie durch den
  nur in wirtschaftlicher Hinsicht alte Strukturen
                                                              relevanten Marktanteil des Newsportals ­T-Online.
  und Regeln auf den Kopf stellen, sondern insbe-
                                                              Ähnliches gilt für den Verizon Communications-
  sondere die Suchmaschinen und sozialen M     ­ edien
                                                              Konzern, der vor allem durch sein prominentes
  der US-amerikanischen Plattformgiganten auch
                                                              Angebot yahoo.com in Summe auf 3,1 Prozent
  zunehmend Einfluss auf unser Kommunikations-
                                                              kommt, sowie für Microsoft mit 2,5 Prozent. Unter
  und Informationsverhalten und damit auf die
                                                              den weiteren Unternehmen mit mehr als einem
  Meinungsbildung nehmen, steht außer Frage.
                                                              Prozent Anteil am Meinungsmarkt Internet be-
  In der Gewichtungsstudie lassen die Landes-
                                                              finden sich ausschließlich Rundfunkveranstalter
  medienanstalten daher auch die informie-
                                                              und Verlage – mit einer Ausnahme: Netflix nimmt
  rende ­  Tagesreichweite und Bedeutung als
                                                              erstmals mit 1,3 Prozent die 1-Prozent-­       Hürde.
  Informations­quelle von Google, Facebook & Co.
                                                              Insgesamt 36,5 Prozent des Marktes entfallen
  seit 2016 ­erheben (s. a. Kap. 5). Im MedienVielfalts­

                                                                                                                 25
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