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Geburtshilfe ∕ Frauen-Heilkunde ∕ Strahlen-Heilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen Blaicher W, Schmid M Fallbericht aus der pränatalen genetischen Beratung Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2009; 27 (2) (Ausgabe für Österreich), 27-28 Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2009; 27 (2) (Ausgabe für Schweiz), 27-27 Homepage: www.kup.at/speculum Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031112 M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Mozartgasse 10
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27. Jahrgang, 2/2009 Fallberichte aus der pränatalen genetischen Beratung W. Blaicher, M. Schmid Die Betreuung einer Patientin, sichts, in der Folge entwickeln sich dann deren Partner an Chorea Schwierigkeiten beim Sprechen, Schlucken Huntington erkranken wird und Gehen. Die Krankheit bricht üblicher- weise um das 40. Lebensjahr aus, kann aber ■ Hintergrund und Fragestellung auch wesentlich früher oder später die ers- ten Symptome zeigen [1]. Die Therapie be- Die 29-jährige Ratsuchende kommt mit ihrem steht im Wesentlichen darin, die Sympto- Partner auf eigenen Wunsch bereits vor be- me zu lindern [2]. Die Erkrankung führt stehender Schwangerschaft in unsere prä- immer zum Tod, wobei der zeitliche Verlauf natale genetische Beratung. Der Vater ihres variabel ist und Jahre bis Jahrzehnte dau- Partners ist an Chorea Huntington erkrankt, ern kann. die Diagnose ist molekulargenetisch gesi- chert. Im Rahmen der molekulargenetischen Die Chorea Huntington folgt üblicherweise Untersuchung ihres Partners wurde eben- einem autosomal dominanten Erbgang mit falls die für diese Erkrankung typische patho- einem empirischen Wiederholungsrisiko logische CAG-Repeat-Expansion im Chorea von 50 % für Nachkommen betroffener In- Huntington-Gen nachgewiesen. Dementspre- dividuen. Rein technisch ist eine pränatale chend muss man davon ausgehen, dass ihr Diagnostik mittels molekulargenetischer Un- Partner mit großer Wahrscheinlichkeit zu- tersuchung des Huntington-Gens nach Cho- künftig an Chorea Huntington erkranken rionzottenbiopsie (CVS) ab der 11. Schwan- wird. Bei potentiellem Kinderwunsch wird gerschaftswoche problemlos möglich. Die ausdrücklich nach pränatalen Abklärungs- Untersuchung dauert in der Regel nur eini- möglichkeiten und der Option auf einen ge Tage, so dass theoretisch nach zeitgerech- Schwangerschaftsabbruch im Falle eines be- ter CVS im Falle eines betroffenen Feten troffenen Kindes gefragt. ein Schwangerschaftsabbruch noch im Rah- men der „Fristenlösung“ durchführbar ist. ■ Inhalt der Beratung ■ Procedere und Verlauf Die Chorea Huntington („erblicher Veitstanz“) ist eine fortschreitende neuropsychiatri- Im Rahmen der Erstvorstellung erfolgt eine sche Erkrankung mit einer Inzidenz von 5 ausführliche Beratung über die Erkrankung, auf 100.000, für die es nach heutigem das Wiederholungsrisiko und auf Wunsch Wissensstand keine Heilung gibt. Die Krank- des Paares auch über die Möglichkeiten der heit beruht auf einer Veränderung im pränataldiagnostischen Abklärung. Da das Huntingtin-Gen auf dem kurzen Arm des Paar im Falle einer Schwangerschaft aus- Chromosoms 4. Das Eiweiß Huntingtin, das drücklich eine invasive pränatale Diagnos- von diesem Gen gebildet wird, wird in sei- tik wünscht, wird auch im Rahmen der bei ner Struktur verändert und Nervenzellen uns in diesen Fällen üblichen psychologi- werden zerstört. Daraus ergibt sich ein schen Betreuung insbesondere auf die Pro- schleichender Abbau körperlicher, geisti- blematik der prädiktiven Diagnostik (nicht ger und psychischer Funktionen. Die ers- manifeste, sondern zukünftige Erkrankung ten Symptome sind meist Persönlichkeits- des Feten wird abgeklärt) eingegangen. veränderungen, Depressionen und andere Letztendlich wird dem Paar nach Vorstel- psychische Symptome. Danach kommt es lung des Falles in einem Gremium („Ethik- zu unwillkürlichen schnellen Bewegungen kommission“) eine invasive pränatale Diag- der Extremitäten, des Rumpfes und des Ge- nostik für Chorea Huntington zugesichert 27 For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
27. Jahrgang, 2/2009 und einige Monate später auch durchge- In unserem Fall bedeutet dies, dass wir führt. Der Fetus war – zum Glück – nicht die pränataldiagnostische Abklärung zur betroffen. Information nicht vorenthalten kön- nen, nur weil wir derzeit der Meinung Kommentar sind, dass eine bestimmte Erkrankung keine Indikation für einen Schwanger- Durch die Zunehmende technische Mach- schaftsabbruch aus medizinischer oder barkeit werden wir immer häufiger mit embryopathischer Indikation gemäß ethisch komplexen Fragestellungen kon- § 97 Abs.1 Z2 StGB darstellt. Unser Ziel frontiert. Da uns in heiklen Situationen ist es, in solchen Fällen die entspre- transparente Entscheidungen besonders chenden Ergebnisse so früh zu erhal- wichtig sind, werden Fälle dieser Art bei ten, dass ein Schwangerschaftsabbruch uns meist im Rahmen eines Gremiums gemäß § 97 Abs. 1 Z1 StGB („Fristen- diskutiert und der Entscheidungspro- lösung“ – innerhalb von drei Monaten zess entsprechend dokumentiert. nach Nidation) im Sinne der Patienten- autonomie möglich ist. Hilfreich dabei ist unser Konsensus- statement „Bedingungen spezieller prä- nataler genetischer Diagnostik“ [3], in dem unter anderem folgendes festge- LITERATUR legt wird: Pränataldiagnostische geneti- 1. Cattanaeo E et al. Das Rätsel der Chorea Hun- sche Abklärungen sind umso eher ver- tington. Spektrum der Wissenschaft 2004; 1: 60–6. tretbar, je weniger weit die Entwicklung 2. AWMF-Leitlinien Register Nr. 030/028. Leitlinien des Ungeborenen fortgeschritten ist, je für Diagnostik und Therapie in der Neurologie; 4. früher die Erkrankung einzutreten droht, überarbeitete Auflage. Georg Thieme Verlag Stutt- je gravierender sie ist, je höher ihre Pe- gart, 2008. netranz ist und je geringer die Chancen 3. Konsensusstatement „Spezielle pränatale gene- ihrer Therapie sind. Letztendlich geht es tische Diagnostik“. Speculum 2007; 25 (2): 20–4. um die Abwägung zwischen dem Wunsch der Schwangeren nach invasiver Abklä- Korrespondenzadresse: rung und gegebenenfalls Beendigung Univ.-Prof. Dr. Wibke Blaicher der Schwangerschaft (Patientenautono- Dr. Maximilian Schmid mie) und der Schutzverpflichtung gegen- Univ.-Klinik für Frauenheilkunde, über dem Ungeborenen. Eine Abwägung AKH Wien zwischen diesen Gegensätzen wird un- A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18–20 ter Berücksichtigung der jeweiligen in- E-Mail: dividuellen Umstände von Fall zu Fall wibke.blaicher@meduniwien.ac.at, entschieden. maximilian.schmid@meduniwien.ac.at 28
Mitteilungen aus der Redaktion Die meistgelesenen Artikel ISSN 1011-8772 1/2018 36. Jahrgang Geburtshilfe ∕ Frauenheilkunde ∕ Strahlenheilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen Speculum Editorial: Das österreichische Gesundheitswesen Hüftkopfnekrose bei Schwangeren Quecksilber – Empfehlungen für Schwangere und Stillende Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure bei Präeklampsie Neue Rubrik Mut zu Veränderungen: Urinanalyse in der Schwangerschaft Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031112 M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Mozartgasse 10 15. Jahrgang 2018 // Nummer 1 // ISSN_Online 1810-9292 Journal für Reproduktionsmedizin No.1 2018 und Endokrinologie – Journal of Reproductive Medicine and Endocrinology – Andrologie • Embryologie & Biologie • Endokrinologie • Ethik & Recht • Genetik Gynäkologie • Kontrazeption • Psychosomatik • Reproduktionsmedizin • Urologie Journal für Das Zikavirus in der andrologischen Beratung Stellungnahme des Arbeitskreises Andrologie der Deutschen Dermatologischen Reproduktionsmedizin Gesellschaft e.V., der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin e.V., des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (Nationales Referenzzentrum für tropische Infektionserreger) unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V. zur Zikavirusproblematik T. Weberschock, J. Schmidt-Chanasit, F. Ochsendorf, J.-P. Allam, H.-C. Schuppe, F.-M. Köhn 51st Annual Conference of Physiology and Pathology of Reproduction and 43rd Mutual Conference of Veterinary and Human Reproductive Medicine, und Endokrinologie 21st–23rd February, 2018, Hannover – Abstracts Offizielles Organ: AGRBM, BRZ, DVR, DGA, DGGEF, DGRM, DIR, EFA, OEGRM, SRBM/DGE www.kup.at/repromedizin Indexed in EMBASE/Excerpta Medica/Scopus Krause & Pachernegg GmbH, Verlag für Medizin und Wirtschaft, A-3003 Gablitz
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