FB2.aktuell Neues aus dem Fachbereich 2 - Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften - TU Darmstadt
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FB2.aktuell Neues aus dem Fachbereich 2 – Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften Jahrgang 7 | Ausgabe 2 | Oktober 2021 Bild: Nikolaus Heiss
Seite 2 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Inhalt ABSCHIED DER FACHBEREICH TRAUERT UM PROF. DR. ELKE HARTMANN *24. März 1969 – ✝ 21. Juli 2021 Wir haben Elke Hartmann verloren. Mitten aus dem akademischen Leben, aus unserer Mitte wurde Elke gerissen. Im Jahr 2011 übernahm sie die Pro- fessur für Alte Geschichte am Institut für Geschichte. Elke Hartmanns Antike war farbig, lebensnah und vielfältig, niemals aber abgehoben und ein heh- res Ideal. Sie war vertraute Kollegin, geschätzte Vorgesetzte und inspirieren- de akademische Lehrerin. Wir beklagen einen schmerzlichen Verlust. Wir sind unendlich traurig. NEUES DFG-NETZWERK NETZWERK OFFENES MITTELALTER DFG bewilligt Projekt Mediävistische Forschungsgegenstände sind Teil des kulturellen Erbes. Dieses zu bewahren, zu erschließen, vielfältig zugänglich zu machen und zu erforschen, gehört zu den zentralen Aufgaben von Mediävist*innen. Das »Netzwerk Offenes Mittelalter« soll qualifizierten Nachwuchswissenschaftler*innen eine interdisziplinäre Plattform bieten, um einschlägige bestehende Angebote der digitalen Mediävistik mit innova- tiven Verfahren zu erschließen, diese Verfahren zu evaluieren und die Res- sourcen anhand von Pilotstudien gemeinsam exemplarisch zu erforschen. NEUES FORSCHUNGSPROJEKT WEIBLICHKEIT UND FLEISCHKONSUM Eine empirische Untersuchung zur Vergeschlechtlichung von Ernährungspraktiken Das Forschungsprojekt folgt der These, dass demgegenüber Frauen in ihrem Fleischkonsum kulturell weitestgehend auf den Verzicht, die Mäßigung oder die Auswahl spezifischer Fleischsorten festgelegt sind. Mit Hilfe eines empirischen Forschungsdesigns, welches sowohl qualitative Interviews mit fleischkonsumierenden Frauen, Expert*innen in der Ernährungskommunika- tion als auch Gruppendiskussionen umfasst, soll die symbolische Bedeutung von Fleisch als Nahrungsmittel für Frauen und auch der praktische Verzehr im Bezug auf Mengen, Arten, Formen, Zubereitungsweisen etc. untersucht werden. Impressum: Herausgeber: Dekanat Fachbereich 2 – Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften, Dolivostraße 15, 64293 Darmstadt ' 06151 1657300 | 6 06151 1657302 | 8 https://www.gugw.tu-darmstadt.de | h monica.holtz@tu-darmstadt.de
Seite 3 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Editorial Neues aus dem Fachbereich Liebe Mitglieder des Fachbereichs, herzlich willkommen im Winterse- von Elke Hartmann, welche nach mester 2021/2022, welches uns hof- schwerer Krankheit im Juli diesen fentlich der Normalität in vielerlei Jahres verstarb. Der Nachruf am Hinsicht ein wenig näher bringen Ende des Newsletters erinnert noch wird! einmal an die vielen professionellen und persönlichen Beiträge, welche Die Pandemie hat die letzten drei Se- Elke für das Institut für Geschichte mester dominiert und auch die aktu- und den Fachbereich erbrachte. Äu- elle Debatte um mehr Präsenzlehre ßerst unerfreulich und auch beäng- steht im Vordergrund vieler Aktivi- stigend waren die Giftanschläge auf täten unseres Fachbereichs. Manche TU Angehörige auf der Lichtwiese von uns hätten sich einen schnelleren und mehr als dass die Ermittlungen Übergang zu mehr persönlichen Be- noch laufen, kann leider nicht be- gegnungen vorstellen können, aber richtet werden. Wir als Fachbereich die ersten Schritte sind gegangen werden daher unsere Teeküchen vor Dekan Prof. Dr. Markus Lederer; Bild: Katrin Binner und sie stimmen zuversichtlich. Wir allem im Schloss gut im Auge behal- sollten daher auch immer wieder kre- ten müssen und diese abschließbar ative und flexible Lösungen für die gestalten. Die generelle Linie des und die ersten Ergebnisse werden die Lehre anbieten und mit den Studie- Präsidiums, dass die TU Darmstadt Kolleginnen um Sybille Frank auf der renden diskutieren. Auch werden wir trotzdem eine offene Universität blei- Fachbereichsklausur am 9. Dezember im neuen Jahr sowohl im Studienbü- ben soll, wird sicher von allen Ange- vorstellen. ro und Dekanat als auch in den Insti- hörigen unseres Fachbereichs vollauf tuten wieder sehr viel mehr Präsenz geteilt. Welche Impulse die Landes- und im Alltagsgeschäft leben und können Bundespolitik in nächster Zukunft uns hier auf ein »normaleres« Mitei- Aktuell besetzen wir die Professur für in die Universitätslandschaft gibt, nander freuen. Technik- und Wissenschaftsgeschich- ist schwer abzusehen. Die Debat- te und die Vorträge hierfür fanden te um die Reform des Hessischen Sehr froh bin ich, dass wir bereits am 12. Oktober statt. Weiterhin tagt Hochschulgesetzes findet aktuell im bei unserer Fachbereichsklausur am auf Ebene der Universität regelmäßig Landtag statt und es zeigt sich, dass 9. Dezember wieder mehr persön- die sogenannte MIR AG in welcher die Universitäten sich weiter öffnen, lichen Austausch haben werden und das Mittelverteilungsmodell der TU aber gleichzeitig auch noch stärker gemeinsam gute Ideen entwickeln Darmstadt diskutiert wird. Spannend Rechenschaft über ihr Handeln ab- können. So sollten wir offen darüber wird für unseren Fachbereich sicher, legen sollen. Inwieweit dies zu mehr sprechen, welche digitalen Formate dass das Präsidium das Thema Kom- Studierenden oder nur zu mehr Bü- und Prozeduren uns in den letzten munikation stärker in den Vorder- rokratie für unseren Fachbereich Jahren das Leben leichter gemacht grund rückt und mit Herrn Honecker führt, bleibt abzuwarten. haben und wir in die »neue Norma- einen Chief Communication Officer lität« mitnehmen möchten. Den digi- eingestellt und auf Präsidiumsebene Ganz konkret steht nun aber der Um- talen Modernisierungsschub unseres angesiedelt hat. Auch wir werden uns zug in das Schloss tatsächlich kurz Studienbüros zum Beispiel schätzen des Themas verstärkt annehmen und bevor und im März ziehen wir zu- Studierende, Dozierende sowie die planen zum Beispiel die Homepage rück in unser »natürliches Habitat«. Mitarbeiter*innen sehr! des Fachbereichs als Kommunika- Teils wird es kuschelig eng werden, tionsmedium zu stärken. Schließlich aber wir dürfen uns auf ein schön re- Was passierte sonst im letzten halben hat eine Arbeitsgruppe unseres Fach- noviertes Gebäude, helle Büros und Jahr? Sicherlich am traurigsten war bereichs begonnen, eine Internatio- ein Forschen und Unterrichten im für uns alle die Nachricht vom Tod nalisierungsstrategie zu erarbeiten Zentrum der Stadt freuen. Auch die
Seite 4 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Personalia Nähe des Marktplatzes werden wir si- PERSONALIA cher zu würdigen wissen... Bis dahin Fachbereichsratssitzungen PD Dr. phil. Désirée Schauz, Institut für müssen wir noch den Umzug in den Details planen, aber dank der Unter- WiSe 2021/22 Geschichte, Vertretung der Professur für Tech- nikgeschichte vom 1. Oktober 2021 bis 31. März stützung durch die Zentrale sowie donnerstags 14 Uhr 2022 durch unsere Umzugsbeauftragten in r 28. Oktober 2021 Professor Dr. phil. Christoph Hubig, emeri- den Instituten werden wir das sicher r 9. Dezember 2021 tierter Professor für Philosophie: Ehrenmitglied des Vereins Deutscher Ingenieure e. V.(VDI). gut hinbekommen. Ich freue mich r 27. Januar 2022 daher auf spannende Gespräche und GESTORBEN einen kreativen Gedankenaustausch Fachbereichsklausur Professor Dr. Klaus Bringmann, ehem. Institut von uns allen im Schloss und in Prä- für Geschichte, verstarb am 14. Juli 2021 im Alter r 9. Dezember 2021 senz! von 85 Jahren. Professorin Dr. Elke Hartmann, Institut für Mit herzlichen Grüßen Absolvent*innenfeier Geschichte, verstarb am 21. Juli 2021 im Alter Markus Lederer im Namen des neuen r 27. Januar 2022 von 52 Jahren. Dekanatsteams Professor Dr. Akos Pauliny, ehem. Institut für Geschichte, verstarb am 9. August 2021 im Alter von 92 Jahren. DIENSTJUBILÄEN Professorin Dr. phil. Michèle Knodt, Institut für Politikwissenschaft: 25-jähriges Dienstjubiläum am 1. Juni 2021. Dr. phil. Detlev Mares, Akad. Oberrat, Institut für Geschichte, Fachgebiet Neuere Geschichte: 25-jähriges Dienstjubiläum am 1. Juli 2021 LOB & PREIS Der Artikel »Sustainable transformations in an age of populism, post-truth politics, and local resistance« von Dr. Cornelia Fraune und Professorin Dr. Michèle Knodt, Institut für Politikwissenschaft, gehört laut dem Wissen- schaftsverlag Elsevier zu den meistzitierten Artikeln seit 2018. Bild: Jan-Christoph Hartung
Seite 5 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Rückblick Krisenfest durch dunkle Zeiten EMERGENCITY POLICY PAPER & ONLINE PODIUM IM SCHADER-FORUM INFORMATION → Online-Podium »Krisenfest durch dunkle Zeiten: Wie resilient sind Kommunen gegenüber Stromausfällen?« → Schader-Stiftung: Alexander Gemeinhardt (Schader-Stiftung), Prof. Dr. Michèle Knodt (TU Darmstadt), Dr. Alice Knauf (TU Darmstadt), Klaus Andres (e-netz Südhessen AG) und Tobias Fuß (THW Darmstadt). KONTAKT Prof. Dr. Michèle Knodt h michele.knodt@tu-darmstadt.de POLICY PAPER 8 https://bit.ly/3EEw7Op Bild: https://unsplash.com/photos/j-MPRQOJfVU Dauert ein Stromausfall länger an, sagen, Naturkatastrophen, Pande- Um zukünftig gegenüber dem Szena- wird es ernst: Das Kommunikations- mien, Cyber- oder Terrorangriffe rio besser gewappnet zu sein, zeigen netz bricht zusammen, der Verkehr können auch in Deutschland zu die Autorinnen sechs Handlungsopti- kommt zum Erliegen, Wasserver- einem überregionalen Stromausfall onen für häufig auftretende Problem- sorgung und Abwasserversorgung führen, der länger als 24 Stunden felder auf: So soll etwa der Umgang brechen zusammen, an Bargeld ist anhält. Städte stehen dann als unte- mit dem Szenario stärker geübt wer- nicht mehr ranzukommen und Kran- re Katastrophenschutzbehörden vor den sowie mehr lokale Akteure aktiv kenhäusern geht der Notstrom aus. der großen Herausforderung, auf in die Kooperation für eine solche Wie gut sind deutsche Städte auf den dieses Szenario zu reagieren und bis Situationsvorbereitung einbezogen Katastrophenfall eines über 24 Stun- zu seiner Bewältigung möglichst gut werden. Auch die Herausforderung den anhaltenden Stromausfall vorbe- durch die Krise zu kommen. An der einer sehr heterogenen Stadtbevöl- reitet? Technischen Universität Darmstadt kerung müssen Städte noch mehr in wurden im Rahmen von emergen- den Blick nehmen, wobei die ange- Dieser Frage geht ein neues Policy CITY die Maßnahmen der lokalen spannte Personalsituation eine große Paper des Loewe-Kompetenzzentrum Katastrophenschutzämter deutscher Hürde darstellt. emergenCITY »Krisenfest durch dun- kreisfreier Großstädte auf das Szena- kle Zeiten: Wie resilient sind Kom- rio untersucht. ANNA STÖCKL munen gegenüber Stromausfällen?« nach, dass von Michèle Knodt und Es zeigt sich, dass sich die meisten Alice Knauf verfasst wurde. Die zen- Katastrophenschutzämter mit dem tralen Ergebnisse diskutierten die Szenario auseinandersetzen. Dabei Autorinnen am 16. Juni 2021 auf stehen interne Vorbereitungen im einem gleichnamigen Online-Podi- Bereich der Ressourcenausstattung um im Schader-Forum mit rund 80 im Vordergrund. Die Zusammenar- Zuhörern. beit des Katastrophenschutzamtes beschränkt sich jedoch in vielen Das eingangs skizzierte Szenario Städten auf einen einmaligen Aus- zeigt, dass das System unserer kri- tausch mit wenigen weiteren loka- tischen Infrastrukturen immer kom- len Akteuren. Dies wird im Ernstfall plexer und krisenanfälliger wird. nicht reichen. Menschliches oder technisches Ver-
Seite 6 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Ausblick Vom Buch aufs Feld – vom Feld ins Buch INTERDISZIPLINÄRE UND INTERNATIONALE KONFERENZ | LORSCH 31. MÄRZ – 2. APRIL 2022 INFORMATION In der Gegenwart führt der men- die Entdeckung Amerikas 1492, den schengemachte Klimawandel in der globalen Speiseplan (z. B. Mais, Pa- → Interdisziplinäre und internationale Konferenz Landwirtschaft, der Nahrungsmit- prika). »Vom Buch aufs Feld – vom Feld ins Buch. Verflechtungen von Theorie und Praxis in Ernäh- telproduktion und -konsumption Unter der Leitung von Prof. Dr. Ger- rung und Landwirtschaft (ca. 1300–1600)« zu intensiven Debatten. Zugleich rit Jasper Schenk und Dr. Stephan → Lorsch 31. März–2. April 2022 wandeln sich durch moderne Medi- Ebert wird die Tagung »Vom Buch KONTAKT en und Techniken die Informations- aufs Feld – vom Feld ins Buch. Ver- Stephan F. Ebert h ebert@pg.tu-darmstadt.de möglichkeiten und die Nahrungsmit- flechtungen von Theorie und Praxis telbeschaffung tiefgreifend. Auch in in Ernährung und Landwirtschaft WEITERE INFORMATIONEN der Vergangenheit haben Umbruchs- (ca. 1300–1600)« aus mediävis- 8 https://bit.ly/3AFezzg zeiten Transformationsprozesse von tischer, geographischer und archäo- Wirtschaftsweisen und Konsumver- botanischer Perspektive hinter diese halten ausgelöst. Klimatische Trends vielfältigen Prozesse blicken und dis- mung bestehender Ökosysteme bei- wie die Kleine Eiszeit (ab ca. 1300), kutieren, in welchem Verhältnis hier getragen haben. Die Diskussionen Hungerkrisen und die Große Pest Traditionswissen, Ansätze zur Empi- werden nicht nur den Forschungs- (1347–52) aber auch der Huma- rie und praktisches Erfahrungswis- diskurs anregen, sie können auch die nismus und die Medienrevolution sen (z. B. local knowledge) zueinan- oben genannten Debatten der Gegen- des 15. Jahrhunderts (Buchdruck) der standen. Dabei soll auch geklärt wart um eine historische Perspektive sorgten in der Agrargesellschaft des werden, inwiefern volkssprachliche bereichern. ausgehenden Mittelalters für Verän- Fachliteratur dabei half, Wissen ‚vom derungen im Bereich der Interaktion Buch auf das Feld‘ zu bringen (oder Die Beiträge sollen im Anschluss an mit Ökosystemen und dem Wissen umgekehrt) und inwiefern neues die Tagung in einem peer reviewed darüber. Ferner bereicherte der Co- Wissen und neue Praktiken zu einer Sammelband veröffentlicht werden. lumbian Exchange, ausgelöst durch gesellschaftlich getragenen Umfor- STEPHAN F. EBERT InsightsNet BMBF-VERBUNDPROJEKT BEWILLIGT INFORMATION Ziel des Projekts ist die Entwicklung Use Cases – Diskurse zum Klimawan- → Verbundprojekt »InsightsNet – Entwicklung und Erprobung eines Konzepts zur del und Künstlicher Intelligenz – auf- einer Meta-Methodik und eines konzeptuellen Tiefenerschließung multimodaler gebaut, manuell und automatisch Rahmens zur transdisziplinären Tiefener- schließung und Analyse multimodaler digitaler Datenbestände. Grundlage ist die annotiert, vernetzt und analysiert. Objekte. Demonstriert an den Use Cases KI- und Vernetzung unterschiedlicher Typen Die so entwickelten Korpusdaten Klimawandel-Diskurse« → Förderung: BMBF digitaler Objekte, so dass eine echte und Analyseszenarien werden in → Projektlaufzeit: 2021 – 2024 Generierung von Wissen auf Basis Expert*innenworkshops erprobt und multimodaler digitaler Korpora und iterativ verbessert. KONTAKT Dr. Sabine Bartsch Daten möglich wird. Das Projekt h sabine.bartsch@tu-darmstadt.de basiert auf aktuellen geisteswissen- Ziel der Analyse und Bereitstellung WEITERE INFORMATIONEN schaftlichen und informationstech- vernetzter multimodaler Korpora ist 8 https://insightsnet.org nologischen Theorien und Methoden die Entwicklung und Erprobung kor- mit dem Ziel einer transdisziplinären pus- und computerlinguistischer Ver- Erweiterung und Teilung von Wis- fahren zu Aufbau, Annotation und nen Klimawandel und Künstliche sen, die bislang durch mangelnde Analyse multimodaler Korpora. Da- Intelligenz, Merkmale identifiziert Vernetzung der Bestände und das bei wird zwischen den Partnern ein werden können, die sich als Grund- Fehlen von Möglichkeiten der Anrei- auf zwei Themenbereiche fokussier- lage für die semantische Vernetzung cherung durch Annotation und Kom- tes Korpus so aufbereitet, dass durch textueller und intertextueller lingu- mentierung verhindert wird. Zur Er- eine Kombination automatischer und istischer und multimodal kodierter probung der entwickelten Konzepte manueller Annotationsverfahren Konzepte eignen und so die Zugriffs- werden transdisziplinäre multimo- und darauf aufbauenden Analysen möglichkeiten auf Text- und Daten- dale Korpora zu den exemplarischen eines Korpus aus den Beispieldomä- korpora erweitern.
Seite 7 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Neue Projekte Netzwerk Offenes Mittelalter DFG-NETZWERK BEWILLIGT INFORMATION → DFG-Netzwerk »Netzwerk Offenes Mittelalter« → Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft KONTAKT Dr. Luise Borek h luise.borek@tu-darmstadt.de WEITERE INFORMATIONEN 8 https://offenesmittelalter.org 8 Twitter: https://twitter.com/offenesMA von Forschungsdaten bislang kaum eine Rolle. Die per se interdisziplinär aufgestellte Mediävistik bietet einen geeigneten Use Case für eine for- schungsorientierte Adaption dieser Bild: Des Teufels Netz. Cod. Donaueschingen 113. Badische Landesbibliothek Verfahren. Karlsruhe. (Hier 1v, Ausschnitt) urn:nbn:de:bsz:31-28668. Anhand konkreter Ressourcen und Im Mai 2021 startete mit dem »Netz- gemeinsam exemplarisch zu erfor- Forschungskontexte der beteiligten werk Offenes Mittelalter« ein DFG- schen. Wissenschaftler*innen wird im Netzwerk unter Leitung von Dr. Luise Mit LOD sollen Qualität und Er- Rahmen des Netzwerks erstmals sy- Borek (Technische Universität Darm- schließungstiefe der Daten derart stematisch erprobt, inwieweit LOD- stadt) und Dr. Katharina Zeppezau- optimiert werden, dass sich neue Zu- Verfahren implementiert werden er-Wachauer (Universität Salzburg, gänge auf die Forschungsgegenstän- können, um die Qualität der Daten Co-Koordinatorin). Das Netzwerk de eröffnen, die nicht nur nachhaltig und damit auch die Möglichkeiten erprobt und implementiert Linked- erschlossen werden, sondern deren und die Qualität ihrer Erforschung Open-Data-Verfahren (LOD) für die Kontextualisierung auch zu einem zu verbessern. germanistische Mediävistik. besseren Verständnis der Daten bei- Dazu werden über die Dauer der trägt. Bei LOD handelt es sich um Projektlaufzeit fünf Arbeitstreffen Mediävistische Forschungsgegen- eine pragmatisch sinnvolle Option, zu verschiedenen Datentypen, zur stände sind Teil des kulturellen Erbes. Ressourcen zu erschließen, weiter Schnittstellenfunktion der Mediävi- Dieses zu bewahren, zu erschließen, anzureichern und somit sichtbar, stik und zur Methodenkritik statt- vielfältig zugänglich zu machen und verfügbar und für ganz unterschied- finden, zu denen einschlägige in- zu erforschen, gehört zu den zentra- liche Forschungsansätze/-fragen ternationale Gäste geladen werden. len Aufgaben von Mediävist*innen. nachnutzbar zu machen. Gleichzeitig Abgerundet wird das Netzwerk von Digitale Ansätze und Praktiken werden LOD-Verfahren den FAIR- einer internationalen Fachkonferenz, schaffen dafür beständig neue Mög- Prinzipien (»Findable, Accessible, In- in der die Ergebnisse vorgestellt, mit lichkeiten, wodurch sich nach und teroperable, and Re-usable«) gerecht der Community diskutiert und in nach auch der Modus der Forschung und spiegeln damit den Anspruch des einem Sammelband Open Access pu- verändert: Das »Netzwerk Offenes hier skizzierten offenen Netzwerks bliziert werden. Mittelalter« bietet qualifizierten im Sinne von Open Science wider. Die im Rahmen der Netzwerk-Akti- Nachwuchswissenschaftler*innen vitäten gewonnenen Erkenntnisse eine interdisziplinäre Plattform, um Digitalisierung macht aus Objekten lassen sich auf andere Disziplinen einschlägige bestehende Angebote Forschungsdaten von hoher Evidenz übertragen und werden der Scien- der digitalen Mediävistik mit innova- für einen zeitgemäßen Fachdiskurs. tific Community als ‘Best-Practices’ tiven Verfahren zu erschließen, die- Während LOD-Verfahren für die Er- zur Verfügung gestellt. se Verfahren zu evaluieren und die fassung von Kulturgütern etabliert LUISE BOREK, JULIA HÖPFNER UND LEONIE WEIß Ressourcen anhand von Pilotstudien sind, spielen sie in der Erschließung
Seite 8 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Neue Projekte Weiblichkeit und Fleischkonsum EINE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ZUR VERGESCHLECHTLICHUNG VON ERNÄHRUNGSPRAKTIKEN INFORMATION → Forschungsprojekt »Weiblichkeit und Fleisch- konsum. Eine empirische Untersuchung zur Ver- geschlechtlichung von Ernährungspraktiken« → Förderung: Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst → Projektlaufzeit: 07/2021 – 12/2022 → Fördervolumen: ca. 62.000 € KONTAKT Prof. Dr. Tanja Paulitz h paulitz@ifs.tu-darmstadt.de Ricarda Kramer, M.A. h kramer@ifs.tu-darmstadt.de WEITERE INFORMATIONEN 8 https://www.ifs.tu-darmstadt.de Bild: Institut für Soziologie Das Forschungsprojekt, gefördert danach, wie der Konsum von Fleisch Das Projekt »Weiblichkeit und vom Hessischen Ministerium für bei Frauen praktiziert und symbo- Fleischkonsum. Eine empirische Un- Wissenschaft und Kunst (HMWK) lisch legitimiert wird. Außerdem tersuchung zur Vergeschlechtlichung im Forschungsschwerpunkt »Dimen- geht es um die Frage, welche Vorstel- von Ernährungspraktiken« ist am sionen der Kategorie Geschlecht – lungen von Weiblichkeit, vom Frau- 01. Juli 2021 im Arbeitsbereich Kul- Frauen- und Geschlechterforschung enkörper und vom Nahrungsmittel tur- und Wissenssoziologie, Institut in Hessen« zielt auf die Erforschung Fleisch in diesen Praktiken leitend für Soziologie, unter der Leitung von Konstruktionsweisen von Weiblich- sind. Die kultur- und wissenssoziolo- Professorin Tanja Paulitz und der keit in Verbindung mit Fleischkon- gische Analyse richtet sich in diesem stellvertretenden Leitung von Ricar- sum, eines bisher weitgehend unter- Zusammenhang vor allem an das in da Kramer, M.A. gestartet und läuft belichteten Aspekts sowohl in der die alltägliche Praxis und daher auf bis zum 31. Dezember 2022. Ernährungssoziologie als auch in der das gemeinhin in Routinen und vor- RICARDA KRAMER UND TANJA PAULITZ Geschlechterforschung. reflexiven Vollzügen eingelagerte ge- schlechtlich konnotierte Wissen über Das Projekt baut auf bisherigen Un- Fleischkonsum. tersuchungen im Themenfeld auf, die v.a. auf den kulturellen Zusammen- Mit Hilfe eines empirischen For- hang zwischen Fleisch und Männ- schungsdesigns, welches sowohl qua- lichkeit fokussieren. Aus diesen geht litative Interviews mit fleischkonsu- hervor, dass Fleisch als ein kulturelles mierenden Frauen, Expert*innen Symbol für Männlichkeit, Macht und in der Ernährungskommunikation (körperliche) Stärke gilt. Das neue als auch Gruppendiskussionen um- Projekt folgt der These, dass demge- fasst, soll die symbolische Bedeutung genüber Frauen in ihrem Fleischkon- von Fleisch als Nahrungsmittel für sum kulturell weitestgehend auf den Frauen und auch der praktische Ver- Verzicht, die Mäßigung oder die Aus- zehr im Bezug auf Mengen, Arten, wahl spezifischer Fleischsorten fest- Formen, Zubereitungsweisen etc. un- gelegt sind. Damit steht im Zentrum tersucht werden. des Vorhabens die empirische Frage
Seite 9 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Neue Projekte Infrastrukturen (in) der Pandemie GRADUIERTENKOLLEG KRITIS: ZUSATZANTRAG BEWILLIGT INFORMATION 8 https://www.kritis.tu-darmstadt.de Vier neue Doktorand:innen am Graduiertenkolleg KRITIS im Rahmen des Zusatzantrages »Infrastrukturen (in) der Pandemie« Das Graduiertenkolleg KRITIS er- struktur – ein Phänomen das aus forscht seit 2016 städtische Tech- vergangenen Pandemien durchaus niksysteme, aber auch die Wechsel- bekannt ist. Die aus dem Infekti- wirkungen von Technik und (Stadt) onsgeschehen abgeleiteten Eindäm- Gesellschaften in Geschichte und mungsmaßnahmen führen zu Unter- Gegenwart. Im Mittelpunkt stehen brechungen oder Umnutzungen in netzgebundene Systeme der Ver- und der Infrastruktur: Flug- und Zugver- Entsorgung, der Kommunikation und bindungen über Grenzen werden un- des Transports. Die Angehörigen des terbrochen oder stark eingeschränkt, Kollegs forschen insbesondere zur öffentliche Transportmittel werden »Konstruktion«, zu »Funktionskri- zugunsten von PKW gemieden (ob- sen« sowie zum »Schutz« von Infra- wohl der Trend in den letzten Jahren strukturen. zugunsten der Öffentlichen ausfiel). Informations- und Kommunikati- Die nun im Rahmen des Zusatz- onsinfrastrukturen erleben dagegen antrages neu hinzukommenden infolge des Homeoffice und Home- Doktorand:innen widmen sich dabei schooling einen Boom. Information besonders dem Teilprojekt »Infra- über die Pandemie ebenso wie Des- strukturen (in) der Pandemie«. Ihr information verbreitet sich über das Gegenstand ist die Erforschung der Netz. Die Verteilung von Impfstoffen Wechselwirkung von Pandemien und verlangt nach einer aufwändigen Lo- Infrastrukturen. gistik mit funktionierenden Trans- port- und Kühlketten. Die hier beste- Denn in der öffentlichen Diskussi- henden Kapazitäten sind also ebenso on um COVID-19 haben Bildungs- zentral für die Bewältigung der Krise infrastrukturen (Schule) und vor wie die Unterbrechung der Reisezir- allem medizinische Infrastrukturen kulation. Daraus lässt sich ableiten: (Intensivbetten) zwar gewiss einen Infrastrukturen sind zugleich Teil höheren öffentlichen Stellenwert des Problems wie auch der Lösung. eingenommen. Doch auch die netz- Sie sind gewandelten Anforderun- gebundenen Infrastrukturen sind gen ausgesetzt und in einem Prozess vielfach betroffen: Auch in diesem möglicherweise nachhaltiger Trans- Bereich geht es um eine drohende, formation begriffen. zum Teil manifeste, zum Teil bislang vermiedene Funktionskrise und auch Die Stellen sind folgenden Fachrich- in diesen Sektoren ist ein Lernen aus tungen und Betreuer:innen zugeord- der Krise von hoher Bedeutung. net: Philosophie (Prof. Nordmann), Politikwissenschaft (Prof. Knodt), Die COVID-19 bedingte Funktions- Geschichtswissenschaft (Prof. En- krise wirkt anders auf Infrastruk- gels), Informatik (Natural Language turen als ein Erdbeben oder ein Ter- Processing) (Prof. Gurevych). roranschlag: Das Virus bewirkt keine JENS IVO ENGELS UND BENEDIKT VIANDEN technischen Zusammenbrüche. Viel- mehr zirkuliert und verbreitet sich das Virus mitsamt den menschlichen Nutzer:innen von Transportinfra-
Seite 10 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Neue Projekte Das Habitat als Pfand VERSCHULDETES EIGENTUM UND FINANZIALISIERUNG INFORMATION → Forschungsprojekt »Das Habitat als Pfand: Verschuldetes Eigentum und Finanzialisierung« → Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs/ Transregio 294 »Strukturwandel des Eigentums« (SFB TRR 294/1–424638267) → Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft → Projektlaufzeit: 2021 – 2024 KONTAKT Prof. Dr. Ute Tellmann h tellmann@ifs.tu-darmstadt.de WEITERE INFORMATIONEN 8 https://bit.ly/3uulEAj Daniel Kunze, Ute Tellmann und Lukas Lachenicht. Bild: Anna Scheidemann Am 01. April 2021 startete das neue die klassischen Arbeiten von Durk- Empirisch stehen die Städte Detroit, Forschungsprojekt »Das Habitat als heim und Mauss zurückgebunden, Berlin und Madrid im Fokus eines Pfand: Verschuldetes Eigentum und von denen die ANT sich im Entstehen vergleichenden Forschungsdesigns. Finanzialisierung« unter Leitung zunächst abgegrenzt hatten. Ziel ist Es handelt sich um paradigmatische von Prof. Dr. Ute Tellmann und be- es, eine kultursoziologische Theorie »Labore der Finanzialisierung«, in arbeitet durch die wissenschaftli- der Obligation zu entwickeln, wel- denen unterschiedliche Formen und chen Mitarbeiter Daniel Kunze und che die vertraglichen, materiellen, Phasen der Finanzialisierung auf un- Lukas Lachenicht. Das Projekt ist im politischen und familialen Verpflich- terschiedliche Rechtssysteme, und Sonderforschungsbereich/Transre- tungen sichtbar macht, die Eigentum politische Verfasstheit städtischer gio 294 »Strukturwandel des Eigen- zum Pfand für Finanzprodukte wer- Regierung stoßen. Der Vergleich tums« (Jena/Erfurt) angesiedelt und den lassen. soll ermöglichen, das Verhältnis von wird durch die Deutsche Forschungs- Wohneigentum, Schulden und Fi- gemeinschaft gefördert. Die bisherige sozialwissenschaftliche nanzialisierung im Hinblick auf die Debatte hat das Wohneigentum vor Soziologie der Verpflichtung und die Das Projekt widmet sich dem allem als kulturelles und politisches Politiken der Immunisierung neu zu Wohneigentum unter Bedingungen Motiv betrachtet, das Verschuldungs- untersuchen. der Finanzialisierung und geht der verkettungen in Gang setzt. Für die Frage nach, wie sich Eigentum ver- Erklärung von Finanzialisierungs- Als Teil des Sonderforschungsbe- ändert, wenn es die Funktion über- prozessen und den gesellschaftlichen reichs/Transregio 294 »Struktur- nimmt, finanzialisierte Schuldenbe- Streit darum spielt die Kategorie des wandel des Eigentums«, welcher aus ziehungen abzusichern. Das Projekt Eigentums dementsprechend keine insgesamt 23 Teilprojekten an fünf entwickelt eine neue kultursoziolo- prominente Rolle in den sozialwissen- Standorten besteht, folgt das hier gische Perspektive auf den Komplex schaftlichen Auseinandersetzungen. vorgestellte Projekt dem zentralen Finanzialisierung, Schulden und Das Projekt möchte an dieser Stelle Anliegen, den Strukturwandel des Wohnen, indem es die Soziologie eine Korrektur vorschlagen, indem Eigentums als eingebettet in einen der Verpflichtung und die Politiken es in den Blick nimmt, wie Wohnei- Strukturwandel durch Eigentum zu der Immunisierung in das Zentrum gentum zum stabilisierenden, aber untersuchen. rückt. Dabei werden die Ansätze der auch umstrittenen Element finanzia- Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) an lisierter Schuldenbeziehungen wird.
Seite 11 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Neue Projekte Die Bürger frühzeitig beteiligen FORSCHUNGSPROJEKT DER TU ZUR ENERGIEWENDE – UMFRAGE IN DER LINCOLNSIEDLUNG INFORMATION → BMWi-Verbundprojekt »Partizipative Energie- transformation: Innovative digitale Tools für die gesellschaftliche Dimension der Energiewende« KONTAKT Prof. Dr. Michèle Knodt h knodt@pg.tu-darmstadt.de PaEGIE-Koordination (Fragen & Interviews) Marie Lortz, M.A. h lortz@pg.tu-darmstadt.de WEITERE INFORMATIONEN 8 https://bit.ly/3cUK1yD INTUITIV ZU BEDIENEN: Ein Multitouch-Tisch wird bei den Bürgerworkshops im Rahmen des Forschungs- projekts PaEGIE im Mittelpunkt stehen. Mit der Programmierung befassen sich Wissenschaftler des Fraunhofer IGD und der TU Darmstadt, hier im Bild Luisa Ritter, Hans-Joachim Linke, Benjamin Abb, Kim Nobis und Marie bisherigen Verlauf der Umfrage sind Lortz (von links). Sie werden dabei die Ergebnisse von Umfragen in der Lincolnsiedlung, der Mollerstadt und der Heimstättensiedlung einfließen lassen. (Bild: TU Darmstadt/ Gerd Keim) die Verantwortlichen sehr zufrieden. »Wir sind überrascht, wie engagiert Post von der Technischen Universität Wege zur Arbeit und zum Einkaufen sich die Bürger beteiligen, das hilft Darmstadt flattert demnächst rund darstellt, und wie sie gerne an der der Forschung enorm weiter«, freut 1700 Bewohnern der Lincolnsiedlung Verkehrsplanung für die Zukunft be- sich Professorin Michèle Knodt, Pro- ins Haus. Die Empfänger sind aufge- teiligt sein wollen. jektleiterin von PaEGIE und Wissen- rufen, sich an einem Forschungspro- schaftlerin am Institut für Politik- jekt zur Energiewende zu beteiligen, Basierend auf den Antworten sollen wissenschaft an der TU. Wer in der das die TU gemeinsam mit dem digitale Anwendungen zur Bürgerbe- Lincolnsiedlung angeschrieben wird Fraunhofer-Institut für Graphische teiligung entwickelt werden. Hierbei und an der Umfrage teilnehmen Datenverarbeitung IGD gestartet hat. setzen die Wissenschaftler auf mo- möchte, kann dies online oder auch Konkret geht es darum, wie eine bes- dernste Möglichkeiten der Visualisie- am Telefon tun. sere Beteiligung der Anwohner an rung: Bei den im nächsten Schritt ge- Planungsprozessen in den Bereichen planten Bürgerworkshops wird eine Wenn die Befragung abgeschlossen Mobilität und Verkehr erreicht wer- dreidimensionale Darstellung des ist, sind je zwei Bürger-workshops den kann, um so die Akzeptanz für jeweiligen Quartiers im Mittelpunkt pro Quartier geplant, bei denen die eine umweltorientierte Politik zu er- stehen. Auf einem Multitouch-Tisch 3D-Anwendungen zum Einsatz kom- höhen. können dann beispielsweise inter- men. Eine große Abschlussveranstal- aktiv Radwege verändert, Bushalte- tung wird das Projekt abrunden, so Mit an Bord bei dem Verbundpro- stellen verschoben oder Ladesäulen Michèle Knodt. Sollten sich die neuen jekt namens »Partizipative Energie- für E-Autos installiert werden. Die Beteiligungsmöglichkeiten bewäh- transformation«, kurz PaEGIE, ist Bürger können so frühzeitig in Pla- ren, könnten sie zukünftig in wei- die Stadt Darmstadt, deren Einwoh- nungen eingebunden werden und als tere Quartiere übertragen werden. ner in drei recht unterschiedlichen ortskundige Berater fungieren, die Die entwickelten Instrumente wären Quartieren ihre mobile Zukunft aktiv der Verwaltung neue Ideen und Ver- darüber hinaus auch für gleichartige mitgestalten sollen. Im Juni wurden besserungsvorschläge unterbreiten. Fragestellungen in anderen Städten, dazu bereits Umfragen in der Heim- Gemeinden und Landkreisen ein- stättensiedlung und der Mollerstadt Gerade aus der Lincolnsiedlung, de- setzbar. durchgeführt, nun folgt ab dem 3. ren innovatives Mobilitätskonzept September die Lincolnsiedlung. Die auf möglichst wenig private Autos, Das Forschungsprojekt »Partizipative Forscher wollen zunächst wissen, mehr Aufenthaltsqualität und nach- Energietransformation: Innovative was den Menschen in Bezug auf ihre haltige Verkehrsmittel abzielt, erhof- Tools für die gesellschaftliche Dimen- Mobilität wichtig ist, wie sich ihre fen sich die Wissenschaftler weitere sion der Energiewende« wird vom aktuelle Situation etwa bezüglich der Anregungen für ihr Projekt. Mit dem Bundesministerium für Wirtschaft
Seite 12 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Neue Projekte und Energie (BMWi) gefördert. Die GmbH, um die grafische Darstel- digitale Stadt der Zukunft ermögli- Technische Universität Darmstadt lung und die spätere Verwertung cht die Digitalstadt Darmstadt GmbH ist für den politikwissenschaftlichen der Ergebnisse, und die Stadt Darm- den Transfer der Forschungsergeb- und den mobilitätsplanerischen Teil stadt bietet als strategischer Partner nisse in Politik und Gesellschaft. zuständig, das Fraunhofer IGD küm- vielfältige Hilfe bei der Umsetzung. MARIE LORTZ mert sich gemeinsam mit seiner Aufgrund ihrer herausgehobenen Neuausgründung, der smarticipate Stellung als Modellprojekt für die Hauseigentümer & Energiewende WIE GEHEN SIE DAMIT UM? TECHNISCHE UNIVERSITÄT FRAGT IN DER DOPPELSTADT NACH Die Energiewende muss an Fahrt ßend Maßnahmenpläne aufstellen«, wie Wärmepumpen, Pelletheizungen aufnehmen, um dem Klimawandel ergänzt Nadine Cyrannek. Dabei oder Brennstoffzellen gemacht, ist und seinen katastrophalen Folgen werden auch die Themen eine Rolle ihnen die enorme Preissteigerung entgegenzuwirken. Wie und unter spielen, die jetzt von der Technischen bewusst, die künftig mit fossilen welchen Bedingungen die Bürger Universität abgefragt werden. Brennstoffen einhergeht? Wie viel bereit sind, dabei mitzumachen, er- Geld wären sie bereit, in neue Tech- forscht die Technische Universität Konkret geht es den Darmstädter nologien zu investieren, und unter (TU) Darmstadt in einer Vielzahl von Wissenschaftlern bei ihrem neuen welchen Bedingungen würden sie Projekten. Für ein neues Forschungs- Projekt um die »Wärmewende« im das tun? projekt zur Umstellung auf erneuer- Gebäudebereich. Hier sehen sie be- bare Energien im Gebäudesektor ist sonders die Kopplung von Wärme-, Ein entsprechender Fragebogen geht nun die Doppelstadt von Politikwis- Kälte und Stromerzeugung basierend Mitte September an 5000 Haushalte senschaftlern und Ingenieuren der auf dem Energieträger Wasserstoff in der Doppelstadt. Wer an der Um- TU als Kooperationspartner und Ziel als vielversprechende Technologie frage teilnehmen möchte, kann dies einer Umfrage auserkoren worden. der Zukunft, um den Energiebedarf dann online oder am Telefon tun. umweltfreundlicher abzudecken. »Wir hoffen auf die Unterstützung Die Verbindung zwischen Mörfelden- Dass Alternativen zu Kohle, Heizöl der Mörfelden-Walldorferinnen«, Walldorf und der Uni ist dabei leicht und Erdgas nötig seien, werde nicht betont Michèle Knodt, denn die Um- nachzuvollziehen, denn die Projekt- zuletzt beim Blick auf das neue Ge- frage soll der Startpunkt für weiter- leiterin, Professorin Michèle Knodt bäudeenergiegesetz klar, das ab führende Forschungen sein. Hand- vom Institut für Politikwissenschaft, 2026 beispielsweise den Einbau neu- lungsbedarf besteht ohne Zweifel, wohnt hier und wirkt in der städ- er Ölheizungen verbietet, unterstrei- denn in Deutschland entfallen rund tischen Klimaschutz-Kommission cht Michèle Knodt. ein Drittel des Endenergieverbrauchs mit. Die Stadt bekommt die Ergeb- und 30 Prozent der CO2-Emissionen nisse der Umfrage im Zuge des Pro- Durch neue, dezentrale Ansätze wie auf den Gebäudesektor. jekts kostenfrei zur Verfügung ge- die Kraft-Wärme-Kälte-Koppelung stellt und kann sie für ihre eigene würden gleichzeitig Hauseigentü- Klimaschutz-Strategie nutzen. Bür- mer, Planer und Installateure stär- Aus den Medien germeister Thomas Winkler und die ker in den Entscheidungsprozess um Klimaschutzbeauftragte Nadine Cy- eine Technologie miteinbezogen, da rannek begrüßen dementsprechend die Konsumenten zu Betreibern der »Darmstädter Echo«: »For- die Aktivitäten der TU. Anlagen und somit auch zu Unter- schungsprojekt zur Verkehrswen- nehmern werden. »Das Umweltbe- de in der Lincoln-Siedlung«. Prof. »Wir sind sehr auf die Resultate der wusstsein, der Wissensstand über Dr. Michèle Knodt über ein Projekt Umfrage gespannt und erhoffen uns verschiedene Technologien und auch zur Mobilitätswende (01.09.2021). davon neue Ansatzpunkte«, so Bür- das mit der Technologie assoziier- 8 https://bit.ly/39CToBL germeister Winkler. Schon jetzt bietet te gesellschaftliche Prestige spielen die Stadt Förderprogramme und Be- eine zunehmend wichtige Rolle«, »Groß-Gerauer Echo«: »Grüner ratungen in Sachen Energieeffizienz weiß die Politikwissenschaftlerin. heizen. TU Darmstadt forscht in und Klimaschutz, möchte zukünftig Mörfelden-Walldorf zur Energie- aber noch besser aufgestellt sein. Die Vor diesem Hintergrund will die TU wende «. Prof. Dr. Michèle Knodt Studie kann dazu einen Beitrag lei- in Mörfelden-Walldorf nachfragen: über ein Projekt zur Wärmewende sten. »Aktuell erarbeitet die neu ge- Wie gehen Hauseigentümer mit der im Gebäudebereich (15.09.2021). gründete Klimaschutz-Kommission Energiewende um? Haben sie sich 8 https://bit.ly/3kA0f5j ein Leitkonzept und wird anschlie- bereits Gedanken über Alternativen
Seite 13 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Pulbikationen Publikationen International Organization as Technocratic Utopia Jens Steffek Oxford University Press, 2021 Dieses Buch ist als Ideengeschichte Der Aufstieg internationaler Orga- technokratischer Weltordnungsent- nisationen als »Fachbürokratien«, würfe seit dem 19. Jahrhundert kon- um Max Webers Ausdruck zu ver- zipiert. Es dokumentiert eine Tradi- wenden, wird in diesem Buch als ein tion politischen Denkens, das zur typisches Phänomen der Industrie- Zivilisierung und Rationalisierung moderne gedeutet, als Teil einer um- internationaler Beziehungen die fassenden Organisation der sozialen Gründung internationaler Organisa- Welt, die sich unter anderem in der tionen empfahl. Statt staatlicher Par- Gründung zahlloser spezialisierter 8 https://bit.ly/3Ag1cFw tikularinteressen sollten Problem- Behörden zeigte. Technokratisch ge- orientierung und Fachwissen die prägtes Regieren wird heute meist in internationalen Beziehungen prägen. kritischer Absicht dem Ideal der de- Das Buch zeigt, wie problemlos sich mokratischen Selbstregierung gegen- technokratische Weltordnungsent- übergestellt. Der schlechte Ruf der würfe an verschiedene politische Technokratie verdeckt jedoch biswei- Großideologien, vom Liberalismus len, dass die Idee der Expertenherr- über den Sozialismus bis zum Fa- schaft utopisches Potenzial hatte und schismus, anlagern konnte. Tech- bis heute hat. Dieses Potenzial zeigt nokratische Visionen beeinflussten sich insbesondere in Debatten über nicht nur die Gründungsgeschichte internationale Politik, in denen eine der Vereinten Nationen und der Eu- idealisierte Expertenherrschaft der ropäischen Union. Sie wurden auch Realität einer rücksichtslosen, oft ge- fester Bestandteil der Selbstlegitima- waltsamen Machtpolitik von Staaten tion dieser Organisationen. gegenübergestellt werden kann. Lokale Wohnungspolitik Beispiele aus deutschen Städten Dieter Rink, Björn Egner (Hrsg.) Nomos, 2020 Angesichts einer neuen Wohnungs- die Ausgestaltung der lokalen Woh- frage erfahren Städte einen Bedeu- nungspolitik hinsichtlich ihrer Pro- tungsgewinn bei deren Lösung, es blemwahrnehmungen, Instrumente lässt sich eine Kommunalisierung und Maßnahmen, die Kommunal- der Wohnungspolitik beobachten. politik, die Rolle gesellschaftlicher Auf der Basis von Fallstudien aus 14 Organisationen und Gruppen sowie Städten analysiert das Buch verglei- das Zustandekommen der lokalen chend Möglichkeiten, Grenzen und wohnungspolitischen Strategien und Spielarten lokaler Wohnungspolitik Programme. 8 https://bit.ly/3tKmSXL in Deutschland. Die Darstellung der Städte umfasst dabei jeweils den lo- kalen Miet- und Immobilienmarkt,
Seite 14 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Forschung | Pulbikationen Bedingungen lokaler Innovationen Zur Bedeutung von kommunika- tiven Mechanismen und lokalen Narrativen Björn Egner, Hubert Heinelt, Nikolaos-Komninos Hlepas (Hrsg.) Nomos, 2021 Einige Städte schaffen es, Innovati- in erster Linie unter wirtschaftli- onspotenziale zu mobilisieren und chen, sozialen oder institutionellen auf Herausforderungen wie den de- Gegebenheiten gesucht. Stattdessen mografischen Wandel, Einwande- konzentrieren sich die Überlegungen rung oder wirtschaftliche Umstruk- auf kommunikative Interaktionen, 8 https://bit.ly/397xh6z turierungen zu reagieren, andere durch die Akteure ein lokal veran- hingegen nicht. In diesem Buch wird kertes Verständnis oder Wissen über die Frage behandelt: Was sind Bedin- diese Gegebenheiten sowie über die gungen für die Entwicklung lokaler sich daraus ergebenden Zwänge und Innovation? Die Bedingungen für Möglichkeiten entwickeln. lokale Innovationen werden nicht Solidarität zuerst Zur Neuentdeckung einer politischen Idee Hermann-Josef Große Kracht [transcript], 2021 Die Solidarität ist im Vergleich zur Alfred Fouillée und Charles Gide er- Freiheit und zur Gerechtigkeit merk- innernd, fragt Hermann-Josef Große würdig »theorielos«. Liegt dies an Kracht, ob es nicht an der Zeit ist, die der Dominanz eines politischen Libe- philosophischen Freiheitslektionen ralismus aus vorindustriellen Zeiten, des 18. Jahrhunderts mit den soziolo- der unser Denken bis heute prägt? gischen Solidaritätslektionen des 19. An die sozialphilosophischen Aufbrü- Jahrhunderts zu einem postliberalen che des französischen Solidarismus Solidarismus zu verbinden. 8 https://bit.ly/3AeGndF von Akteuren wie Léon Bourgeois, Der Umwelt begegnen Extremereignisse und die Verflechtung von Natur und Kultur im Frankenreich vom 8. bis menschengemachten Faktoren ein- 10. Jahrhundert traten. Nicht selten war der Mensch Stephan F. Ebert sogar maßgeblich an der Entstehung Franz Steiner Verlag, 2021 extremer Ereignisse beteiligt. Eberts innovativer, interdisziplinärer Ansatz aus Natur- und Geisteswissenschaf- Vormoderne Gesellschaften wurden ten berücksichtigt soziale Faktoren besonders in der älteren Forschung stärker als bisher und macht so ent- als 'passive' Opfer gesehen, die den scheidende Akteure bei der Erarbei- 'Launen der Natur' wenig bis nichts tung von Bewältigungsmaßnahmen entgegenzusetzen hatten. Solch ein- greifbar. In der gegenwärtigen Dis- 8 https://bit.ly/3i3BM6J seitige Erklärungen sind nicht sinn- kussion über den Klimawandel und voll. Stephan F. Ebert zeigt an sechs der Frage, wie die globale Gemein- Beispielen aus dem Frankenreich, schaft den prognostizierten ökolo- dass Hungersnöte, Seuchen und To- gischen Herausforderungen begeg- desfälle in der Zeit vom 8. bis 10. nen soll, können diese Erkenntnisse Jahrhundert häufig erst durch eine ein historisches Orientierungswissen Kombination aus natürlichen und bereitstellen.
Seite 15 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Abschied Trauer um Prof. Dr. Elke Hartmann W 24. März 1969 – ✝ 21. JULI 2021 | INSTITUT FÜR GESCHICHTE Das Institut für Geschichte trauert um Prof. Dr. Elke Hartmann. Sie ver- starb am 21.07.2021 im Kreise ihrer Familie. Wir haben Elke Hartmann verloren. Mitten aus dem akademischen Le- ben, aus unserer Mitte wurde Elke gerissen. Im Jahr 2011 übernahm Elke Hartmann, von der Humboldt- Universität in Berlin kommend, die Professur für Alte Geschichte am In- stitut – keine ganz leichte Aufgabe an einer technischen Universität. Sie führte die Professur gleich so, wie wir sie seitdem kannten: zupackend und mit engagiertem Optimismus. Sie war sofort vertraute Kollegin, geschätzte Vorgesetzte und inspirie- rende akademische Lehrerin. Prof. Dr. Ekle Hartmann. Bild: Privat. In den folgenden Jahren vernetzte sie das Fachgebiet in die Universität Akzente. In ihrer Studie Ordnung in zugewandt und sorgte sich um sie. hinein. Elke Hartmann setzte blei- Unordnung. Kommunikation, Kon- Sie gewann ihre Autorität durch bende Akzente in der Lehre, die sie sum und Konkurrenz in der stadtr- unprätentiöse Sachlichkeit. Ihre stets auch dazu nutzte, den Studie- ömischen Gesellschaft der frühen Kolleginnen und Kollegen schätz- renden innovative Forschungsansät- Kaiserzeit spürte sie dem habituellen ten eine engagierte und immer zu- ze zu vermitteln. und mentalen Wandel im Übergang verlässige Professorin. Ihre akade- von der Republik zur Kaiserzeit mischen Schülerinnen und Schüler In der Alten Geschichte war Elke nach. Sie war eine Meisterin darin, wussten eine verständnisvolle und Hartmann weithin sichtbare Vertre- den Klatschgeschichten, an denen äußerst anregende Lehrerin an ih- terin der Geschlechtergeschichte – die antike Literatur so reich ist, ihre rer Seite. Ihre Studentinnen und ein Forschungsansatz, der ihr auch subtilen politischen Botschaften zu Studenten hatten eine zugängliche ganz persönlich sehr viel bedeutete. entreißen und die Logiken aufzude- und anspruchsvolle Dozentin. Elke Ihre Dissertation Heirat, Konkubinat cken, die hinter sozialen Praktiken Hartmann nahm sich Zeit für die und Hetärentum im antiken Athen wie etwa dem kaiserlichen Kuss Menschen und genoss vor allem den entwickelte sich schnell zum Stan- oder dem Denunziations- und Erb- persönlichen Austausch mit ihren dardwerk. Ihre zweite Monogra- schleicherwesen stehen. In der aka- Studierenden. Sie wurde nicht nur phie, die gut lesbare und zugleich demischen Lehre fanden diese sub- wegen ihrer beeindruckenden fach- wissenschaftlich anspruchsvolle tilen Analysen großen Anklang. Elke lichen Expertise sehr geschätzt, son- Überblicksdarstellung zu Frauen Hartmanns Antike war farbig, le- dern auch wegen ihrer fürsorglichen in der Antike, geht gerade in die bensnah und vielfältig, niemals aber Art. zweite Auflage. Mit ihrer Deutung abgehoben und ein hehres Ideal. bestimmter Spielarten des Hetären- Wir beklagen einen schmerzlichen wesens als Verallgemeinerung der Elke setzte sich leidenschaftlich für Verlust. Wir sind unendlich traurig. aristokratischen Symposionskul- die Erhaltung der akademischen tur im Zeitalter der Demokratie er- Standards ein. Keine Autorität war BEATE WAGNER-HASEL UND JENS IVO ENGELS langte sie Aufmerksamkeit über die vor ihrer milden Ironie sicher. Sie IM NAMEN DES INSTITUTS FÜR GESCHICHTE Grenzen der deutschsprachigen Al- verstand die Universität als eine Ge- tertumswissenschaft hinaus. Auch meinschaft von interessierten Men- auf dem Gebiet der Kulturgeschich- schen, nicht als Spiel von nackten te des Politischen setzte sie eigene Kennzahlen. Sie war den Menschen
Seite 16 | FB2.aktuell | Oktober 2021 Abschied Nachruf: Prof. Dr. Akos Paulinyi W 7. Februar 1929 – ✝ 9. AUGUST 2021 | INSTITUT FÜR GESCHICHTE Akos Paulinyi lehrte von 1977 bis Sein Buch zur Industriellen Revo- Partei und er entschied, in die Bun- 1997 Technikgeschichte an der TH lution von 1989 ist dabei so etwas desrepublik zu gehen. Dank eines Darmstadt. Im Alter von 92 Jahren wie die Summe seines wissenschaft- Stipendiums der Alexander von ist er nun verstorben. lichen Lebens, behandelt es doch Humboldt-Stiftung konnte er in Mar- neben den genannten Themen auch burg Fuß fassen, wo er 1971 Profes- Zu Beginn des Jahres 1977 trat Akos die Frage nach technischen Revo- sor wurde, bevor er schließlich den Paulinyi die Professur für Technik- lutionen innerhalb der Technikge- Ruf an die TH Darmstadt annahm. und Wirtschaftsgeschichte an der schichte. Zwei Festschriften, eine Nach seiner Emeritierung im Jahr Technischen Hochschule Darmstadt zum 65. Geburtstag, eine zur Eme- 1997 lehrte er mit großem Enga- an. Dies war nicht nur für das Insti- ritierung, nahmen diese Themen gement als DAAD-Professor, später tut für Geschichte, den Fachbereich auf. Sein Ansehen im Fach belegt die auch im Auftrag der Stiftungsinitia- und die TH von Bedeutung, sondern Mit-Herausgabe des dritten Bandes tive Johann Gottfried-Herder, außer auch für das Fach Technikgeschich- der Propyläen Technikgeschichte in Wien an tschechischen, slowa- te, das zu diesem Zeitpunkt erst (1991). kischen und ungarischen Univer- langsam als historische Disziplin in sitäten, so auch an der Universität der Bundesrepublik etabliert wurde. An der TH bzw. TU Darmstadt hat Miskolc in Ungarn. Letzteres kom- Akos Paulinyi war einer der Pionie- sich Akos Paulinyi nachdrücklich für mentierte er 2001 mit der für ihn re des damals noch jungen Faches. deren geisteswissenschaftliches und typischen Ironie, dass er nun wieder Er profilierte es mit klaren Positi- interdisziplinäres Profil eingesetzt dort sei, wo man ihn einst hinausge- onen, mit seinem genauen Blick auf und dies nach innen und außen ge- worfen hatte. Sein Herz blieb immer das technische Artefakt, mit seinen stärkt. Für den Einsatz von EDV am mit der alten Heimat verbunden. Ge- wegweisenden Publikationen und Institut nahm er eine Pionierrolle lebt und gewirkt hat er jedoch seit mit seiner umtriebigen und dyna- ein. Sein Lehrstuhl hatte den ersten seinem Ruf an die TH bis zu seinem mischen Persönlichkeit. PC und nutzte als erster eine Da- Tod am 9. August 2021 in Darmstadt. tenbank für die Literaturerfassung. Paulinyis zentrales Forschungsfeld Paulinyi unterstützte Studierende, Das Institut für Geschichte wird sei- war die Geschichte der Industriali- Promovierende und Habilitieren- ne Aufbauarbeit, seine heute wieder sierung. Dabei brachte er seine kri- de mit Neugier und Kritik. Er hatte aktuell werdende Weise der Tech- tische Beschäftigung mit dem histo- allen gegenüber immer ein offenes nikgeschichtsschreibung, besonders rischen Materialismus ein, mit dem Ohr und Freude am Gespräch und aber seine starke Persönlichkeit in er sich in seiner früheren wissen- Austausch. ehrender Erinnerung behalten. schaftlichen Laufbahn in der Tsche- choslowakei auseinandergesetzt 1929 in Budapest als Sohn eines MARTINA HESSLER UND CHRISTOF DIPPER hatte. Seine Leser_innen informierte Historikers geboren, emigrierte die er gleichermaßen über das Puddeln, Familie nach dem Zweiten Weltkrieg das Siemens-Martin-Verfahren, die nach Bratislava, bzw. Wien, wo der Spinning-Jenny, über Kinderarbeit Vater arbeitete. In Bratislava machte oder den Wandel der Arbeitspro- Paulinyi das Abitur und studierte zesse und der Qualifikationen, die, an der Philosophischen Fakultät Ge- das war ihm wichtig, nur mit Kennt- schichte und Archivwesen. Anschlie- nis der Funktionsweisen der Maschi- ßend war er dort als Assistent und nen zu verstehen seien. Die histo- Oberassistent tätig. Nach dem Pra- rische Bedeutung des Übergangs von ger Frühling verließ er das Land und der Bearbeitung eines Werkstückes kehrte 1969 nach Ungarn zurück, mittels menschlicher Hand hin zur wo er in Miskolc einen Lehrauftrag Bearbeitung durch eine Maschine übernahm. Dann traf ihn auch dort wurde in Paulinyis Publikationen der harte Arm der Kommunistischen eindrücklich klar.
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