ORT DES ERINNERNS UND DER BEGEGNUNG MIT POLEN KONZEPT
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Grußwort Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Er brachte unermessliches Leid über die Menschen des Landes: Die Zerstörung ganzer Städte, Umsiedlungen und Massenerschießungen sollten Polen für immer von Landkarte tilgen. Die unmenschliche Gewalt des rassenideologischen Vernichtungskrieges in Mittel- und Osteuropa – sie zeigte sich erstmals in Polen. Das Leid der polnischen Zivilbevölkerung in diesem Krieg war zu lange Zeit nur ein Splitter in der deutschen Erinne- rung. Der Bundestag hat daher vergangenes Jahr mit seinem Beschluss für einen Ort der Erinnerung und der Begeg- nung mit Polen einen wegweisenden Schritt getan. Diesen Auftrag unseres Parlaments habe ich für das Auswärtige Amt gerne angenommen – er war mir ein persönliches Anliegen. Binnen eines halben Jahres haben wir nun – in enger Abstimmung mit unseren polnischen Partnern – ein ambitio- niertes Konzept für diesen Ort vorgelegt. In seinem Zentrum stehen das gemeinsame Erinnern, die Vermittlung von historischem Wissen und die Begegnung zwischen Polen und Deutschen. Das Konzept stellt die Weichen für Planung und Bau der Gedenk- und Begegnungsstätte in der nächsten Legislaturperiode. Für die Erarbeitung des Konzeptes danke ich Botschafter Nikel und den Mitgliedern der Expertenkommission und des Politischen Beirates von Herzen. Der zukünftige Ort der Erinnerung und der Begegnung mit Polen kann ein Meilenstein der deutsch-polnischen Aussöhnung werden. Denn nicht nur den Toten schulden wir die Aufarbeitung der Vergangenheit. Für Deutsche und Polen bleibt sie die Grundlage unseres gemeinsamen Wegs in die Zukunft. Heiko Maas, Bundesminister des Auswärtigen
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 3 Zusammenfassung und Empfehlungen Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung in sei- Bundestag zu bestimmende künftige Träger nach den Bun- ner Entschließung vom 30. Oktober 2020 aufgefordert, „an destagswahlen einen architektonisch/künstlerischen Wett- prominenter Stelle in Berlin einen Ort zu schaffen, der im bewerb zügig ausschreiben. Kontext des besonderen deutsch-polnischen Verhältnisses den polnischen Opfern des Zweiten Weltkriegs und der na- Deutschland trägt die volle Verantwortung für die in deut- tionalsozialistischen Besatzung Polens gewidmet ist und schem Namen und von deutscher Hand verübten Verbre- ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit der chen und wird dies auch in Zukunft tun. Die Experten- Geschichte ist“. Bundesminister Maas unterstrich den ho- kommission ist der festen Überzeugung, dass ein Ort des hen Stellenwert dieses Projekts: „Dieser Ort des Erinnerns Erinnerns und der Begegnung wesentlich zur Stärkung des und der Begegnung muss historisch und zukunftsgewandt Vertrauens zwischen unseren beiden Staaten und Gesell- zugleich sein, deutsch-polnisch und europäisch.“ schaften beitragen wird. Er wird auch dem Zusammen- wachsen in Europa einen neuen kraftvollen Impuls geben. Der Deutsche Bundestag hat das Auswärtige Amt beauf- tragt, diesen Beschluss umzusetzen. Eine deutsch-polni- Die Expertenkommission hat folgende konkrete Schlussfol- sche Expertenkommission und ein Politischer Beirat wur- gerungen und operative Empfehlungen ausgearbeitet. Der den entsprechend ins Leben gerufen. Sie haben in ihren Deutsche Bundestag wird eingeladen, über die folgenden sechseinhalbmonatigen Beratungen eine Vielzahl von Empfehlungen so bald wie möglich in der 20. Legislatur- Gesprächen und Konsultationen durchgeführt, die in das periode zu entscheiden und diese zügig zu implementieren. nachstehende Konzept zur Umsetzung des Bundestagsbe- schlusses münden. Der Ort des Erinnerns und der Begegnung soll mahnen, in- formieren und bilden. Er stützt sich auf zwei Wesenskerne. Der erste Wesenskern besteht aus dem Gedenken an den millionenfachen Mord an den Bürgerinnen und Bürgern der Republik Polen; der zweite Wesenskern vermittelt Wis- sen über die Geschichte Polens und die deutsch-polnische Beziehungsgeschichte und schafft insbesondere Voraus- setzungen für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den deutschen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg. Beide Wesenskerne sollen an einem Ort abgebildet werden, der stilles genauso wie offizielles Gedenken möglich macht und über Information, Bildung und Begegnung zu Dialog und Verständigung beiträgt. In diesem Sinne ist ein Denkmal genauso wichtig wie ein Gebäude, das sich insbesondere für junge Menschen als Ausstellungs, Bildungs- und Begeg- nungsstätte versteht. Die erste Phase des Vorhabens endet mit der Übermittlung des Konzepts und der Empfehlungen an den Deutschen Bundestag. In der zweiten Phase sollte der vom Deutschen
4 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept 1. Ein zentrales Element des Ortes des Erinnerns und der Begegnung mit Polen sollte ein Denkmal sein. Der Ort soll erinnern, mahnen und aufrütteln. Er soll die Möglichkeit bieten, sich vor allen Opfern der Republik Polen im Zweiten Weltkrieg und durch die deutsche Besatzung in Polen zu verbeugen. 2. Würdiges Gedenken setzt Wissen darüber voraus, wessen man gedenkt und warum man dies tut. Die Experten- kommission empfiehlt daher, durch eine Dauer- und durch Wechselausstellungen eine deutsch-polnische Beziehungsgeschichte zu vermitteln, die die zentrale Darstellung des Zweiten Weltkrieges in eine Betrachtung der Vor- und der Nachgeschichte einbettet und gerade für junge Menschen zugänglich macht. Dabei sollen schwierige Themen nicht ausgeklammert und alle Opfergruppen der Republik Polen, insbesondere auch die jüdischen Bürgerinnen und Bürger und Minderheiten, in den Blick genommen werden. 3. Die am Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen geplanten Veranstaltungen und die Bildungsarbeit sollen eine aktive Auseinandersetzung mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft der deutsch-polnischen Beziehungen ermöglichen. Besucherinnen und Besucher sollen befähigt werden, sich aktiv in den Prozess der Annäherung beider Gesellschaften einzubringen. Dabei sollen bewusst unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden. Digitale Angebote spielen dabei – wie auch bei der Konzeption der Ausstellungen – eine zentrale Rolle. Die Expertenkommission hat eine Strategie zur digitalen Begleitung sowohl als Handreichung für den zukünftigen Träger als auch für Interimsmaßnahmen bis zur Errichtung des Ortes des Erinnerns und der Begegnung mit Polen entworfen. 4. Die Expertenkommission hat das Gelände der ehemaligen Kroll-Oper südlich des Bundeskanzleramts im Tiergar- ten sowie das Grundstück neben der Ruine des Anhalter Bahnhofs am Askanischen Platz als grundsätzlich geeignete Orte für die Errichtung des Ortes des Erinnerns und der Begegnung mit Polen identifiziert. Als Ergeb- nis der notwendigen und ergebnisoffenen planungs- und baurechtlichen Prüfungen seitens des Landes Berlin ist für beide Optionen die zeitintensive Aufstellung eines Bebauungsplans erforderlich. 5. Ziel sollte es sein, den Grundstein für den Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen in der 20. Legislatur- periode 2021-2025 zu legen. Bis dahin sind Maßnahmen, vor allem in den Bereichen Bildung und Begegnung erforderlich, um das Vorhaben mit Leben zu füllen. Konkretes Handeln erhält die Glaubwürdigkeit und Nach- haltigkeit des Vorhabens aufrecht. Die Expertenkommission begrüßt die Absicht des Auswärtigen Amtes, hierfür eine Anschubfinanzierung in Höhe von 200.000 Euro für das Haushaltsjahr 2022 zur Verfügung zu stellen. Umgesetzt werden könnten diese Maßnahmen durch das Deutsche Polen-Institut (DPI). Damit könnte eine erweiterte Rolle des DPI im Bereich Bildung und Begegnung des Vorhabens vorbereitet werden. 6. Die Expertenkommission hält es für erforderlich, in künftigen Haushaltsjahren ausreichend Haushaltsmittel im Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen. Diese sind für den möglichen Erwerb eines Grundstücks, den Bau und den Betrieb des Ortes des Erinnerns und der Begegnung mit Polen sowie bis zu dessen Eröffnung für die temporäre inhaltliche Arbeit notwendig. 7. Die Expertenkommission empfiehlt die Aufnahme eines Passus in den künftigen Koalitionsvertrag, der die zügige bauliche und institutionelle Umsetzung des Vorhabens konkret vorgibt. 8. Die Expertenkommission hält eine Stiftung des öffentlichen Rechts als institutionelle Struktur des Vorhabens als am besten geeignet, um den praktischen Herausforderungen, die sich bei Bau und Betrieb stellen, zu entspre- chen. Der Deutsche Bundestag wird gebeten zu entscheiden, ob eine solche Stiftung neu gegründet oder mit bereits existierenden Stiftungen, die eine inhaltliche Nähe zur Thematik aufweisen, zusammengelegt werden soll.
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 5 Bei der Schaffung dieser Gremien gilt es, erinnerungs- und gedenkpolitische Kompetenz mit deutsch-polnischer Expertise zu verbinden. 9. Der Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen soll sich räumlich, institutionell wie auch konzeptionell organisch in die bestehende Gedenkstättenkonzeption und Museumslandschaft einfügen. Er soll Netzwerk- charakter haben und in und von Berlin aus nach ganz Deutschland und Polen sowie darüber hinaus strahlen. Er soll als „Schaufenster“ für Gedenkstätten und andere Einrichtungen der Erinnerungskultur dienen, in dem sich die jeweiligen Institutionen präsentieren können. Die Expertenkommission empfiehlt Abstimmung mit dem ebenfalls vom Deutschen Bundestag beschlossenen Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg. 10. Zivilgesellschaftliche Akteure haben die Verwirklichung des Ortes des Erinnerns- und der Begegnung mit Polen ganz wesentlich vorangetrieben. Daher sollte er auch Raum für Organisationen bieten, die sich im deutsch- polnischen Verhältnis besonders engagieren. Das starke zivilgesellschaftliche Engagement wird und sollte den Prozess auch zukünftig weiter prägen. Die Expertenkommission empfiehlt daher, dass zivilgesellschaftliche Akteure in Deutschland und Polen, Religionsgemeinschaften, Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, sowie Opfer und deren Vertreterinnen und Vertreter und deren Nachkommen zur Bewahrung der Zeugenschaft an den weiteren Arbeiten zur Ausarbeitung des Konzeptes ggf. in den zu schaffenden Gremien beteiligt werden.
6 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept Konzept zum Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen Der Bundestag hat die Bundesregierung mit Beschluss vom 30.10.2020 aufgefordert, „mit einem Ort des Erinnerns und der Begegnung dem Charakter der deutsch-polnischen Geschichte gerecht [zu] werden und zur Vertiefung der besonderen bila- teralen Beziehungen bei[zu]tragen.“ Dafür soll die Bundesregierung „an prominenter Stelle in Berlin einen Ort schaffen, der den polnischen Opfern des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Besatzung Polens gewidmet ist und ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit der Geschichte ist“. Der Beschluss besteht aus zwei Wesenskernen: Aus einem ersten Wesenskern des symbolischen Gedenkens und aus einem zweiten Wesenskern der inhaltlichen Auseinandersetzung, der Bildung und Begegnung ermöglicht. Dies wird durch drei Ebenen verwirklicht, denn symbolisches Erinnern (Ebene 1) sowie Bildung und Begegnung (Ebene 2) sind ohne Informa- tion/Dokumentation (Ebene 3) über das Geschehene nicht denkbar.
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 7 Inhalt Grußwort Zusammenfassung und Empfehlungen | Seite 3 Konzept zum Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Seite 6 I. Gedenken | Seite 8 II. Information und Dokumentation | Seite 9 III. Bildung und Begegnung | Seite 12 IV. Digitale Begleitung | Seite 15 V. Infrastrukturelle Notwendigkeiten | Seite 17 VI. Standort | Seite 18 VII. Zukünftige Organisation | Seite 20 VIII. Nächste Schritte | Seite 21 Anhang | Seite 22
8 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept I. Gedenken Der „Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen“ an die Opfer zum Ausdruck bringen. Die exakte Formu- soll eine Verbeugung vor allen Opfern der Republik Po- lierung sollte im Rahmen des künstlerisch/architektoni- len im Zweiten Weltkrieg und durch die deutsche Be- schen Wettbewerbs in der zweiten Phase des Vorhabens satzung symbolisieren. Er drückt Verständnis und Em- nach den Bundestagswahlen diskutiert werden, da die pathie für das Leid der Bürgerinnen und Bürger Polens Widmung auch mit dem Standort und der gewählten Ge- unter der NS-Besatzung aus, befördert Begegnungen und staltung des Orts des Erinnerns und der Begegnung kor- ist ein Lernort über Geschichte, Gegenwart und Zukunft respondieren sollte. Die Widmung sollte möglichst kurz, deutsch-polnischer Nachbarschaft. Der erste Wesens- jedoch auch klar – in deutscher und in polnischer Sprache kern des symbolischen Gedenkens steht im Vordergrund unmissverständlich – sein. des Ortes, der über gemeinsame historische Perspektiven Hindernisse in der deutsch-polnischen Kommunikation Die Expertenkommission empfiehlt für die zweite Pha- beseitigen und dem Zusammenwachsen Europas einen se der Verwirklichung des Vorhabens nach den Bundes- neuen kraftvollen Impuls geben soll. Es soll ein deut- tagswahlen einen gemeinsamen künstlerisch/architekto- scher, polnischer, europäischer und universeller Ort sein, nischen Wettbewerb für den symbolischen Ort und das historisch und zukunftsgewandt zugleich. für Information, Bildung und Begegnung erforderliche Gebäude. Symbolischer Ort und Gebäude können eine Ein Denkmal soll Deutsche und Polen, aber auch Besu- künstlerisch-architektonische Einheit bilden. cherinnen und Besucher aus anderen Staaten gleicherma- ßen ansprechen. Es soll durch die Erinnerung an Gewalt Unabhängig von der Frage, ob eine Widmung in Schrift- und Terror aufrütteln und durch das mahnende Geden- form Teil der künstlerischen Umsetzung sein wird, soll- ken zukunftsgewandt wirken. Das Denkmal sollte sich ten auf einer erklärenden Schrifttafel und ggf. durch in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit ergänzende Medien die Intention des Orts in mehreren dem Gebäude für Bildung, Begegnung und Information Sprachen knapp erläutert und die verschiedenen Opfer- befinden und mit diesem ein bauliches Ensemble bilden. gruppen auf dem Gebiet der Zweiten Polnischen Repub- Der symbolische Ort ermöglicht stilles privates Gedenken lik genannt werden. Zusätzliche Inhalte sollten digital zur ebenso wie offizielle bzw. halboffizielle Gedenkrituale. Verfügung gestellt werden. Er sollte sich organisch in die Berliner und deutsche Ge- denklandschaft einfügen. Regelmäßig sollten, vor allem rund um den 1. September, ausgewählte Begleitveranstaltungen vor Ort stattfinden, Der symbolische Ort bedarf einer konkreten Widmung, um den Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen um seine Aussage entfalten zu können. Im Kern dieser mit Leben zu füllen: Feierliche Gedenkversammlungen, Aussage stehen die Opfer des Krieges und der national- offizielle deutsch-polnische Begegnungen, Fachkonfe- sozialistischen Besatzung in Polen. Dabei geht es um alle renzen, Ausstellungseröffnungen und vor allem Veran- Bürgerinnen und Bürger der Zweiten Polnischen Repub- staltungen der Zivilgesellschaft. Gerade in den Reihen der lik, die auf polnischem Boden oder darüber hinaus direkt deutsch-polnischen Zivilgesellschaft besteht hieran, wie oder indirekt infolge deutscher Verbrechen und durch die Vergangenheit gezeigt hat, großes Interesse. Krieg und Besatzungsherrschaft ums Leben gekommen sind oder Leid und Verluste erfahren haben. Die Wid- mung sollte folgende Elemente enthalten: Bezüge auf Polen, auf den Zweiten Weltkrieg und auf die deutsche Besatzungsherrschaft. Außerdem sollte sie das Gedenken
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 9 II. Information und Dokumentation Die Ebene Information und Dokumentation gehört zum Adressaten: Die Ausstellung wird so gestaltet, dass alle Al- zweiten Wesenskern des Orts des Erinnerns und der Be- tersgruppen, insbesondere auch Jugendliche angesprochen gegnung mit Polen. Sie präsentiert das notwendige Wis- werden. Sie soll sowohl deutsche als auch polnische Besu- sen über Polen im Zweiten Weltkrieg, die deutsche Besat- cherinnen und Besucher und außerdem ein internationales zungspolitik und deutsche Verbrechen, um zu verstehen, Publikum in den Blick nehmen. Durch Vertiefungsebenen wessen und warum an diesem Ort gedacht wird. Auch in – auch digitaler Natur – kann die Erzählung in unterschied- Abgrenzung zum parallel entstehenden Dokumentations- licher Komplexität präsentiert und für den Besucher und die zentrum Zweiter Weltkrieg soll eine deutsch-polnische Besucherin erfahrbar gemacht werden. Beziehungsgeschichte erzählt werden, in deren Mittel- punkt die Kriegszeit steht, diese jedoch in den Kontext Inhaltliche Gestaltung: Die Ausstellung hat die deutsch- der deutsch-polnischen Beziehungen zwischen dem 18. polnische Beziehungsgeschichte vom 18. Jahrhundert mit Jahrhundert und der Gegenwart stellt. Dadurch erlangt den Teilungen Polens bis heute zum Gegenstand. In ihrem diese Ausstellung ihre besondere Bedeutung. Die Ebene Zentrum steht als Kernerzählung (mit einem Umfang von „Information und Dokumentation“ soll die Gedenkebe- etwa 60 Prozent der Ausstellung) die Zeit des Zweiten ne um historische Hintergründe und Kontexte ergänzen. Weltkriegs, besonders die deutschen Besatzungsverbre- Sie ist inhaltliche Grundlage für die Ebene „Bildung und chen an polnischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern, Begegnung“ und wird mit den pädagogischen Konzepten sowie an der polnischen Minderheit im Reichsgebiet. Der verzahnt sein. An der Ausarbeitung des Informations- deutsche Angriff auf Polen soll nicht als Ergebnis einer und Dokumentationsteils sollten polnische Expertinnen „zwangsläufigen Logik“ deutsch-polnischer Konflikt- und und Experten sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen bzw. Gewaltgeschichte, bzw. als Fatalismus der Geschichte er- Opfer/Vertreterinnen und Vertreter der Opfer beteiligt zählt werden, sondern es soll eine differenzierte Sicht auf werden. die deutsch-polnischen Beziehungen präsentiert werden, die ein (kritisches) Verständnis und zugleich Empathie für A) Dauerausstellung Polen vermittelt. Dabei soll auch die Lebenssituation der Arbeitstitel: Polen und Deutschland - Jahrhunderte Bewohner des besetzten Polens, insbes. Widerstand und der Nachbarschaft. Der Zweite Weltkrieg bewaffneter Kampf im Untergrund gezeigt werden. Idee: Die Dauerausstellung beantwortet Fragen an die Um diesen Zielen gerecht zu werden und die angesproche- Geschichte nicht nur, sondern wirft sie auch auf, um nen Lernanlässe zu schaffen, ist eine Multiperspektivität Lernanlässe zu schaffen und Diskussionen anzuregen. vonnöten, die sich auch methodisch widerspiegelt. So wird Sie wird es den Besucherinnen und Besuchern ermögli- eine Erzählung entworfen, die Schwerpunktsetzungen auf chen, die Geschichte zu reflektieren, sie wird historische politische Entwicklungen der nachbarschaftlichen Bezie- Beziehungen und Verflechtungen als wichtigen Faktor hungen und auf gesellschaftliche Phänomene ermöglicht. für die deutsche und die polnische Geschichte aufzeigen Diese werden mit den Alltagserfahrungen der Menschen und die Dimensionen der deutschen Kriegsverbrechen in verbunden, um so eine ganze Bandbreite an historischen Polen verständlich machen. An zentraler Stelle soll ein Perspektiven zu vermitteln. Grundsätzlich werden zwei Bild vermittelt werden, welche Rolle der Zweite Welt- weitere Erzählebenen berücksichtigt. Erstens: Ausgewählte krieg für Polen bis in die Gegenwart hat; daneben soll Lebensläufe historischer Persönlichkeiten, aber auch „ge- dargestellt werden, wie sich Deutschland mit seiner Ge- wöhnlicher Menschen“ begleiten mit Hilfe von Berichten waltgeschichte und den Beziehungen zu Polen ausein- von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen einzelne Zeitabschnit- andersetzt, und es wird zum Dialog darüber eingeladen. te und berichten den Besuchenden mit anschaulichem
10 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept Material von persönlichen Erfahrungen und Eindrücken. 2. Besatzungsherrschaft Zweitens: Längsschnitte durch die Geschichte am Beispiel 3. Untergrundstaat, Widerstand und Zukunftspläne ausgewählter Städte und deren multiethnischer und sozial 4. Polinnen und Polen im „Altreich“ differenzierter Bevölkerungen und Nachbarschaften (zum 5. Vernichtung, Aufstand, Zerstörung Beispiel Bydgoszcz/Bromberg, Kazimierz Dolny, Region 6. Die Westverschiebung Polens und Deutschlands Bilgoraj/Zamość). Beide Erzählebenen decken – über die gesamte Dokumentation verteilt – die gesamte dargestell- Deutschland und Polen 1945-1990: te Zeitspanne ab und ermöglichen es, Kollektivgeschich- • Auf dem Weg zu Verständigung und Versöhnung? ten und -schicksale zu veranschaulichen. Dadurch sollen • Neue Nachbarschaft in Europa auch die Erfahrungswelten der unterschiedlichsten Be- völkerungsgruppen gezeigt werden: Neben der polnischen Ausblick: Mehrheitsgesellschaft wird das Schicksal von Staatsbürge- • Fragen an die Zukunft rinnen und -bürgern der Republik Polen jüdischer, deut- scher, ukrainischer, belarussischer sowie Sinti und Roma B) Wechselausstellungen Herkunft, gezeigt. Gleichzeitig sollen die vielfältigen Aspek- te der deutsch-polnisch-jüdischen Beziehungsgeschichte Idee: In Wechselausstellungen können ausgewählte As- angerissen werden. pekte der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte, der Geschichte Polens, der Geschichte des Zweiten Weltkriegs Bei schwierigen, umstrittenen Themen können verschiede- oder gegenwartsbezogene Themen dargestellt werden. ne Sichtweisen nebeneinander präsentiert werden. Einzelne Wechselausstellungen sollten einen wichtigen Arbeitsbe- Aspekte können in Form zugespitzter „Exkurse“ bzw. „Ver- reich des „Orts des Erinnerns und der Begegnung“ darstel- tiefungen“ dargestellt werden. len. Sie bieten die Möglichkeit, mehrmals im Jahr Medien- ereignisse zu generieren, die öffentliche Aufmerksamkeit Form: Texte, Abbildungen, Multimedia in architektonisch auf den „Ort“ lenken. Auch Debatten oder Bildungsangebote darauf abgestimmter Raumgestaltung. Texte auf Deutsch, können durch Wechselausstellungen angeregt werden. Im Polnisch, Englisch (alternativ: Deutsch mit Guides auf Pol- Idealfall werden Wechselausstellungen so angelegt, dass sie nisch und Englisch). Exponate / Artefakte sind nicht oder anschließend als Wanderausstellungen durch Deutschland nur in geringer Zahl vorgesehen (besonders aussagekräftige und Polen reisen können. Es könnten auch Wechselausstel- Stücke). Die Ausstellung sollte in einer Buchpublikation so- lungen anderer Einrichtungen übernommen oder gesonder- wie im Internet mehrsprachig dokumentiert werden (min- te Wanderausstellungen vorbereitet werden. destens Deutsch, Polnisch, Englisch). Form: Ausgewählte Exponate (fakultativ), Texte (Deutsch, Vorschlag einer Untergliederung: Polnisch, Englisch), Abbildungen, Multimedia in einem ge- eigneten, multifunktional anpassbaren Saal. Begleitpublika- Prolog: tionen und Internetpräsenz. • Fragen an die Geschichte Themen: Thematisch sollten sich die Wechselausstellungen Vorgeschichte: in ihrer Mehrzahl mit dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen, • kurzer Rückblick auf das ungeteilte Polen als Nachbar sie können aber prinzipiell auch andere Zeiträume betreffen. des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation Denkbar wären als Themen: Die Geschichte einzelner polni- • Die Deutschen und das geteilte Polen scher Orte unter deutscher Besatzung (mit der Möglichkeit, • Von Weltkrieg zu Weltkrieg heutige Einwohnerinnen und Einwohner zur Mitarbeit zu • Der Weg in den Krieg und der Hitler-Stalin-Pakt animieren), die Geschichte einzelner Opfergruppen, beson- dere Persönlichkeiten, Aspekte wirtschaftlicher Ausbeutung Der Zweite Weltkrieg: usw., die Verfolgung von Polinnen und Polen in einzelnen 1. September 1939 Regionen Deutschlands. „Polnische Spuren“ in verschiede-
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 11 nen deutschen Gegenden, deutsch-polnische Biographien, deutsche und polnische (oder auch weitere) erinnerungs- kulturelle Narrative im Vergleich, einzelne Aspekte der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte, besondere his- torische Exponate, künstlerische Artefakte usw. Ausstellun- gen können auch Jahrestage zum Anlass nehmen. C) Schaufenster Idee: Es gibt in Polen wie in Deutschland bereits eine gro- ße Zahl von Museen, Gedenkstätten oder Einrichtungen für Bildung und Begegnung, die sich mit der Geschichte Polens sowie mit dem Schicksal von Menschen aus Polen im Zwei- ten Weltkrieg beschäftigen. Durch die Schaufenster sollen Besucher die Arbeit dieser Einrichtungen kennenlernen und zu ihrem Besuch ermuntert werden. Auch eine Auswahl der in ganz Deutschland bereits bestehenden Gedenkorte, wie etwa das zur DDR-Zeit entstandene „Denkmal des polni- schen Soldaten und des deutschen Antifaschisten“ in Ber- lin-Friedrichshain, könnte in Form von Schaufenstern prä- sentiert und dadurch kontextualisiert werden. Dadurch führt das Projekt zu einer sichtbaren Vernetzung der Erinnerungs- landschaft und regt weitere Auseinandersetzungen mit den Gedenkorten an. Form: Ausgewählte „Fenster“ in Form multimedialer Sta- tionen oder Tafeln, die Einblick in die Gestalt und Arbeit unterschiedlicher Gedenkstätten, Museen und Orte er- möglichen. Diese „Schaufenster“ könnten wechselnd be- spielt werden. Sie können in die Dauerausstellung integ- riert werden, aber auch an anderen Orten stehen, etwa im Eingangsbereich, in der Cafeteria oder sogar im Außenbe- reich. Sie könnten zudem digital abgebildet werden und Relevantes verlinken. Die Expertenkommission hat mit deutschen und polni- schen Historikerinnen und Historikern sowie mit Aus- stellungsfachleuten über dieses Konzept diskutiert. Wei- tere Konkretisierungen müssen in der zweiten Phase des Vorhabens nach den Bundestagswahlen erfolgen, wobei vorbereitende Arbeiten der Expertenkommission aufge- griffen werden sollten. 1 Als Grundlagen für eine genauere inhaltliche Konzeption können herangezogen werden: Dieter Bingen, Hans-Jürgen Bömelburg, Peter Oliver Loew (Hg.): Deutsch-polnische Geschichte. Darmstadt 2013 ff. (Es liegen vor Bd. 1-3, Bd. 4 und 5 erscheinen demnächst; eine polnische Ausgabe ist in Vorbereitung); Europa – unsere Geschichte. 4 Bde., Wiesbaden 2016-2020 (auch auf Polnisch).
12 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept III. Bildung und Begegnung Der Bundestag hat mit seinem Beschluss vom 30. Oktober Expertinnen und Experten sowie inhaltlichen Angeboten an 2020 die Weichen für einen Ort gestellt, an dem profun- Bildungseinrichtungen, Kooperationen mit auf diesem Ge- de Bildungs- und Begegnungsarbeit stattfinden soll. Laut biet aktiven Gedenkstätten, Initiierung von gemeinsamen, Beschluss gilt es, durch den Ort „Deutsche und Polen zu- neuen Projekten) und damit die deutsche Erinnerungskul- sammen[zu]bringen und damit zur Vertiefung unserer Be- tur insgesamt stärkt. Kooperationen bringen inhaltliche ziehungen, zu Verständigung und Freundschaft sowie zum Synergien sowohl für den künftigen Ort als auch für die in Abbau von Vorurteilen bei[zu]tragen“. dem Feld bereits tätigen Akteurinnen und Akteure mit. Relevanz und Ziele: „Bildung und Begegnung“ sind Kern- Inhalte und Methodologie: Es gilt, Verständnis zwischen funktionen des Projekts und besitzen großes Potenzial, um den Menschen in beiden Staaten und das Zusammenle- seine Lebendigkeit und Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Sie ben im zusammenwachsenden Europa zu fördern. Daher sollen dazu beitragen, den Besucherinnen und Besuchern kommt es nicht nur auf historische Faktenvermittlung interdisziplinär Wissen/Fachkompetenz und weitere soziale (mit dem Schwerpunkt Besatzung im Zweiten Weltkrieg) oder kulturelle Kompetenzen zu vermitteln und ihnen eine an, sondern gefragt sind auch Transfer von Kompetenzen aktive, partizipative Auseinandersetzung mit Geschichte, und Werten ganz im Sinne der UNESCO, die schon 1945 Gegenwart und Zukunft im Einklang mit modernen museo- „Friedensverankerung im Geist der Menschen“ proklamier- logischen Konzepten zu ermöglichen. te oder auch im Sinne der allseits bekannten Forderungen „Nie wieder Auschwitz!“, „Nie wieder Krieg!“ und „Seid nicht Optimalerweise sollte die historische Thematik für die Le- gleichgültig!“. Entsprechende Projekte gehören zum integ- benswelt der heutigen Gesellschaft und ihrer Zukunftsthe- ralen Bildungskanon der weltweit auf diesem Feld tätigen men erfahrbar gemacht werden. Dies ist die Voraussetzung Einrichtungen und erscheinen gerade für jüngere Teilneh- dafür, dass im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen merkreise sinnvoll, um gemeinsame demokratische Wer- gute Nachbarschaft und partnerschaftliche Zusammen- te zu stärken und Vorurteilen oder Diskriminierungen wie arbeit sowie gegenseitiges Verständnis bzw. Empathie ver- Antisemitismus, Rassismus, Gruppenhass, Antipolonismus tieft werden können. Mit der Hilfe dieses Bereichs können und Antiziganismus etc. vorzubeugen. die verschiedenen Ebenen des Projekts auf sinnvolle Weise miteinander verknüpft werden (z. B. Führungs- und Begeg- Da Menschen nach pädagogischen Erkenntnissen am bes- nungsformate im Dokumentationsbereich). ten partizipativ lernen, empfehlen sich erfahrungsorientier- te Formate. Diese sollten von Fachleuten gemeinsam mit Mehrwert des Orts: den jeweiligen Zielgruppen entwickelt werden. Digitale A) Plattformfunktion: Bildung und Begegnung am „Ort des Komponenten sprechen besonders jüngere Zielgruppen Erinnerns und der Begegnung“ zeichnet sich zum einen an und sollten daher auf möglichst nutzerfreundliche wie durch einen Netzwerkansatz aus. Statt bereits Vorhandenes kreative Art und Weise zum Einsatz kommen. Erste Ideen zu replizieren, sollte der neue Ort die Funktion überneh- hierfür sind eine Internetpräsenz, Online- oder hybride men, bereits in dem Feld existierende Projekte einer breite- Veranstaltungsformate, Filme, Virtual-Reality-Formate, ren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Social-Media-Kanäle. Darüber hinaus sollten die analogen Formate auf eine Weise digital begleitet werden, die den B) Zum anderen sollte unter dem Dach des neuen Orts eine physischen Besuch nicht überflüssig macht. „Fliegende Akademie“ geschaffen werden, die mit ihrer inhaltlichen Tätigkeit mit ausgewählten Aktivitäten in das Zielgruppen und jeweilige Angebote: Ausschlaggebend gesamte Bundesgebiet hineinwirkt (z. B. Vermittlung von für den Erfolg und die Wirkung der Bildungs- und Begeg-
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 13 nungsformate werden passgenaue Angebote sowie die • Zeitzeuginnen und Zeitzeugen im weiteren Sinne: Ko- sensible Kommunikation mit deutschen, polnischen und operationsangebote, auch digitaler Natur, welche das er- internationalen Besucherinnen und Besuchern sein. Da- innerungskulturelle Knowhow der Erlebnisgeneration bei gilt es besonders, den sich verändernden Charakter erschließen, pflegen und für künftige Generationen zu- der Gesellschaften zu berücksichtigen, darunter auch gänglich machen (z. B. durch „Oral histories“). Spezifische interkulturelle Besonderheiten der polnischen oder deut- Angebote für nachgeborene Generationen vor dem Hinter- schen Gesellschaft, die sich in unterschiedlicher Erinne- grund der manchmal spät begonnenen, jedoch mit viel In- rungs- und Bildungskultur widerspiegeln. Pädagoginnen teresse betriebenen Aufarbeitung der Thematik in den Fa- und Pädagogen bzw. Kulturtätige sowohl polnischer als milien sowie der möglichen Weitervererbung von Traumata. auch deutscher und anderer Herkunft sollten einbezogen werden. Die Ethik der Zeugenschaft über die Vernichtung, legt nahe, dass die Stimme der Nachkommen der Überlebenden in Folgende Gruppen bzw. Angebote scheinen aus der Erinnerungsarbeit hörbarer wird. Daher leisten auch die heutiger Sicht relevant: Nachkommen der ehemals Verfolgten einen essenziellen • Jugendliche / junge Erwachsene, Schülerinnen und Beitrag zur Bewahrung der Erinnerung für künftige Genera- Schüler, Studierende: niedrigschwellige und unkonventi- tionen. Die Bedeutung der Nachkommen und Nachfahren onelle (auch digitale) Formate hauptsächlich außerschu- der Überlebenden wird in Zukunft entscheidend sein, da lischer Natur (s.u.), bi- und multilaterale Begegnungen/ sie an der Weitergabe der Erinnerung über die Vernichtung Seminare, Führungen sowie Materialien, Lernvideos, for- teilhaben und bezeugen, welchen Einfluss diese auf ihre schendes Lernen und gemeinsam entwickelte oder durch- Angehörigen und Gemeinschaften, in denen sie leben, hatte geführte Projekte (Peer-Ansatz) sowie ferner ausgewählte und weiterhin hat. schulische Formate (evtl. anknüpfend an die Projekte des Deutschen Polen-Instituts „Polen in der Schule“/„Polen- • Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der außerschu- mobil“ mit Materialen, (virtuelle) Besuche, Vermittlung lischen Bildung, ferner Lehrkräfte: partizipative Formate von Inhalten und Studienreisen); Bildungsprojekte, die wie (Online)-Workshops, Seminare und Fort- und Weiter- das Lernen aus der Geschichte mit interdisziplinärem bildungskurse/-reisen etc., Fortbildungsworkshops für Wissens- und Kompetenztransfer verbinden. Entwicklung Freiwillige, die das Bildungsangebot u.a. der „Fliegenden innovativer Konzepte, die bewährte pädagogische Ansät- Akademie“, gesellschaftliche Kampagnen und andere Akti- ze und den technologischen Fortschritt miteinander zeit- vitäten bundesweit begleiten und durchführen werden. gemäß verbinden z. B. in einem Podcast-Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler, in dem Jugendliche in ihrem • Angebote auf der Metaebene für (deutschlandweit täti- nächsten Umfeld intergenerationelle Interviews führen ge) gesellschaftspolitische Bildungsakademien und weitere und das Thema anhand von Biografien und der Vielfalt Bildungsträger, die selbst Multiplikatorinnen und Multi- persönlicher Geschichten ihrer Interviewpartner erfor- plikatoren weiterbilden, aber noch entsprechende Inhalte schen. ausbauen können und wollen. • Breite Erwachsenenbildung: Seminare/Workshops, Vor- • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: (Online-)Vor- träge, Podiumsdiskussionen, Mehrgenerationen-Forma- trags- und Diskussionsreihen, auch partizipativer und evtl. te, (digitale) Führungen und Begegnungsformate, Rei- auch evaluierender Natur, Förderung von Forschungsvor- sen und Themencafés, auch „Drop-in“-Angebote für haben. Berlin-Touristinnen und -Touristen. Angebote für Fachkreise (z. B. Journalistinnen und Journalisten, Uniformträgerinnen • Interessierte Öffentlichkeit in Deutschland: Lesungen, und Uniformträger). Kooperation mit internationalen Pro- Stadtrundgänge, Filmgespräche, gesellschaftliche Kam- grammen, wie Fellowships für Nachwuchsführungskräfte pagnen (lokal und bundesweit) in Zusammenarbeit mit oder Menschenrechtsakademien, um das Geschichtsbe- Kooperationspartnern aus der Zivilgesellschaft, Bildungs- wusstsein zu fördern und international zu wirken. institutionen, Medien, Politik, Wirtschaft sowie prominen-
14 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept ten Persönlichkeiten als fachkundigen „Botschafterinnen und Botschaftern“, z. B. eine symbolische, im öffentlichen Raum sichtbare Aktion, die jährlich anlässlich der Gedenk- feierlichkeiten am 1. September am Platz des entstehenden Ortes / in Berlin und bundesweit sowie im digitalen Raum stattfindet. Die Zielgruppen- und Angebotspalette ist vor dem Hinter- grund der bereits in dem Feld tätigen Einrichtungen und bestehenden Projekte sorgsam zu recherchieren bzw. aus- zuwählen; danach sind zunächst Modellversuche zu starten und auf ihren Erfolg hin auszuwerten. Nächste Schritte: Der Arbeitsbeginn sollte baldmöglichst erfolgen, insbesondere durch digitale Angebote sowohl in Berlin als auch bundesweit (siehe VIII. „Nächste Schritte“). Hier kann auf Vorerfahrungen aufgebaut werden.
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 15 IV. Digitale Begleitung Hintergrund / Relevanz: Der „Ort des Erinnerns und Begeg- dern, dass entweder zu viel Analoges oder zu viel Digitales nung mit Polen“ sollte jetzt und künftig möglichst breit in für sich steht und ermöglichen Erzählungen in unterschied- der gesamten Gesellschaft wirksam werden. Dadurch wird lich komplexen Vertiefungsebenen. Daher sollten analoge er ein moderner und attraktiver Ort in Berlin und kann da- Ausstellungsinhalte möglichst umfassend mit digitalem rüber hinaus ausstrahlen. Er darf daher nicht nur analog, Material verlinkt werden. BYOD-(Bring Your Own Device)- sondern muss auch digital präsent sein. Seine digitale Ebene Strukturen (z. B. über spezifische Apps) erscheinen dabei wird dabei als ein fester Bestandteil betrachtet, der mit dem aus heutiger Sicht als sinnvolle Technologie, über die Nut- Analogem möglichst zusammengedacht und parallel dazu zung von QR-Codes ist nachzudenken. Es gilt, neben den in weiterentwickelt werden sollte. Dadurch entstehen wert- die analoge Ausstellung integrierten digitalen (multimedia- volle Synergien. Die Auseinandersetzung mit Geschichte, len) Vertiefungsebenen auch an virtuelle Ausstellungen im Gegenwart und Zukunft soll auf möglichst interaktive Art Netz bzw. digitale Erweiterungsangebote zu denken. und Weise stattfinden. • Im Bildungs- und Begegnungsbereich gelten digitale Gerade in der Corona-Zeit sind die Vorteile dieser Arbeits- Komponenten inzwischen als selbstverständliche Ergän- weisen deutlich geworden. Nach und nach kristallisieren zung von Analogem, da sie dabei helfen, neue Zielgruppen sich Best practices heraus, die es auch in der postpande- zu erschließen und die öffentliche Sichtbarkeit zu erhöhen. mischen Zeit zu bewahren bzw. weiter auszubauen gilt. Be- Daher sollte stets eine wohlüberlegte, den physischen Be- sonders überzeugend sind die digitalen Möglichkeiten dort, such nicht ersetzende, digitale Begleitung der analogen wo es gelang, Menschen ortsunabhängig und auch über Formate vorgesehen werden, z. B. hybride Veranstaltungen, Grenzen hinweg zusammenzubringen. Neue, kreative For- die dann online gestreamt Wirkung entfalten, oder auch mate und Methoden sprechen junge „digital natives“ oder regelmäßige Online-Begegnungen von Schulklassen nach Menschen an, die sonst nicht erreicht werden – wie immo- einer analogen Begegnung. bile Personen oder Menschen im ländlichen Raum. Digitale Komponenten sprechen breit diverse Zielgrup- Es empfiehlt sich daher, künftig – bestenfalls unter perso- pen an, konkurrieren mit vielen anderen digitalen An- nellem Einbezug eines/-r Spezialisten/-in, eines sog. „digi- geboten und sollten auf möglichst frische und kreative talen/-r Kurators/-in“, eine umfassende digitale Strategie Art zum Einsatz kommen. Dazu zählen eine Internet- für den gesamten Ort zu entwickeln. präsenz, Online- oder hybride Veranstaltungsformate, Filme bzw. Videos, Podcasts, Online-Ausschreibungen Eckpunkte: und -Wettbewerbsaktionen, Virtual- und Augmented- • Ein übersichtliches Daten- und Informationsmanagement Reality-Formate (z. B. Game-Based-Learning-Formate wird als besucher- bzw. nutzerfreundlich wahrgenommen. wie sog. „serious games“ bzw. dreidimensionale Ele- Analoges kann im Vergleich zur digitalen Welt entschleu- mente im Raum), Licht-, Klang- und Erlebnisräume nigend wirken. Digitales bietet die Gelegenheit von Vernet- (z. B. Klanginstallationen) sowie sonstige Denk- oder zung und ist inzwischen für viele ein gewohntes Aktions- Themenräume, digitales Storytelling, Social-Media-Ka- feld. Es muss sorgsam und interaktiv aufgebaut sowie im näle. Es muss nicht alles selbst erarbeitet werden, son- Zeitverlauf gelegentlich aktualisiert werden, um modern zu dern mit Hilfe von Vernetzung sowie der „Fliegenden bleiben. Akademie“ (ausgewählte Aktivitäten in der Fläche der Bundesrepublik) sollen Kooperationen mit potenziel- • Im Ausstellungsbereich sorgen intelligent eingesetzte len Partnerinstitutionen in dem Bereich hergestellt und digitale Methoden für mehr Übersichtlichkeit. Sie verhin- genutzt werden.
16 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept • Im Gedenkbereich scheint zwar die analog-physische Begegnung besonders wichtig zu sein, doch würde man eine Chance verpassen, würden Gedenkveranstaltungen nicht zugleich von digitalen Formaten begleitet. Es ist deshalb an lebendige und partizipative virtuelle Gedenkprojekte rund um den symbolischen Gedenkort zu denken, die auch mit wohlüberlegten digitalen Aktionen (z. B. digitale Zeitzeu- gen/-innen-Projekte wie Kurzporträts oder Gespräche, auch intergenerationeller Natur) verknüpft werden könnten. Um den Ort herum soll eine ihm zugeneigte digitale Com- munity entstehen und gepflegt werden, die auch über Berlin hinauswirkt und in ihrer Natur nicht nur deutsch-polnisch, sondern auch international ist. Bekanntmachungen und Interaktionen über Social-Media-Kanäle (z. B. über Face- book, Twitter, Instagram) zu den o. g. Punkten erhöhen im Vorfeld der jeweiligen Aktionen die Aussicht, ein breites Publikum von Anfang an zu erreichen sowie diskursiv ein- zubeziehen. Es wird empfohlen, eine digitale Strategie für den Ort von vorneherein unter Beteiligung von Expertinnen und Ex- perten, bestenfalls auch potenziellen Zielgruppen wie z. B. Jugendlichen auszuarbeiten. Im Zeitverlauf ist diese dann regelmäßig zu aktualisieren, um technisch den Anschluss nicht zu verlieren. Wie umfassend und tiefgreifend der Digitalisierungsprozess implementiert wird, hängt von der ihm zugemessenen Re- levanz und vom vorgesehenen Budget ab. In diesem Bereich sollte nicht gespart werden, da dies die Konkurrenzfähig- keit des Ortes des Erinnerns und der Begegnung mit Polen zu anderen attraktiven und touristisch gut frequentierten (erinnerungskulturellen) Orten in Berlin gewährleistet. Der digitalen Arbeitsweise kommt auch in der Übergangs- zeit, sprich nach dem Beschluss einer Konzeption und vor der Inbetriebnahme eines konkreten Orts in Berlin, eine ge- wichtige Rolle zu, denn sie kann ortsunabhängig im virtu- ellen Raum Wirkung entfalten und über Berlin weit hinaus ausstrahlen.
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 17 V. Infrastrukturelle Notwendigkeiten Der Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen - Cafeteria/Bistro mit ansprechendem Angebot, vereinigt an einem Ort ein Gedenkelement mit Information um als Besuchermagnet zu wirken (ggf. mit sowie Bildung und Begegnung. Der Ort sollte als Einheit polnischem Profil) wahrgenommen und räumliche Trennungen sollten ver- - Kasse und Shop mit Buchverkauf mieden werden. - öffentliche Sanitärräume - öffentliche Garderobe Der Ort des Erinnerns und Begegnung mit Polen bettet sich ein in die vielfältige und stark ausgeprägte Erinnerungs- Die zu Rate gezogenen Museumsfachleute gehen für die und Gedenkstättenlandschaft Berlins. Der Ort ergänzt beschriebenen Räumlichkeiten – grob geschätzt – von ei- diese; es mag inhaltliche Überschneidungen geben, wo- nem Bedarf von 3000 bis 4000 qm Nutzfläche aus. Dieser möglich sind diese sogar besonders interessant. Bezüge zu Raumbedarf kann je nach Standort durch die Bereitstellung manchen Berliner Institutionen stehen außer Frage, andere einer entsprechend großen Grundfläche bzw. durch die Er- sind nicht zuletzt abhängig von der Wahl des Standortes. richtung eines mehrgeschossigen Gebäudes erreicht wer- Jedenfalls sollte der Ort des Erinnerns und der Begegnung den. mit Polen Attraktivität aus der Situation in Berlin und seiner Nachbarschaft ziehen. Daher sollte der Dialog mit den be- Wie ein Vergleich mit anderen ähnlichen Orten zeigt, bleibt reits vorhandenen Einrichtungen der Erinnerungs- und Ge- dieser angemeldete Raumbedarf eher am unteren Ende denkstättenkultur zur Selbstverständlichkeit dieses Ortes anderer Einrichtungen. Die Topographie des Terrors um- werden. In konzeptioneller Hinsicht ist dies ebenso zu be- fasst einschließlich der für Ausstellungszwecke genutzten achten wie mit Blick auf die zukünftigen Leitungsgremien. Außenflächen mehrere Hektar. Das Dokumentationszent- rum Flucht, Vertreibung, Versöhnung weist eine Nutzfläche Folgende Flächen werden benötigt: von mehr als 5000 qm auf. Der Ort Stiftung Denkmal für - Fläche für Denkmal die ermordeten Juden Europas kommt auf 19 000 qm für - Ausstellungsflächen für Dauerausstellung das Stelenfeld und knapp 1500 qm für den Informationsort. - multifunktionale Ausstellungsfläche für Wechsel- Für Bau und Betrieb der Einrichtung müssen auskömm- ausstellungen liche und ressourceneffiziente Finanzmittel bereitgestellt - barrierefreie Ausstattung des gesamten Gebäudes werden, einmalig für den Bau und ggf. den Erwerb eines - Multimediastationen für „Schaufenster“, Handbi- Grundstücks (s.u. die Ausführungen zum Standort), sowie bliothek, Multimediaraum für weitere Quellenstu- stetig für den Betrieb. Letzteres schließt auch die Kosten dien und Textlektüre, Vortragssaal mit Dolmet- für Reparaturen und Ersatzanschaffungen, die notwendi- schertechnik inklusive Kabinen (ca. 150 Personen), gen Personalstellen für den Betrieb einschließlich Kon- ggf. in Seminarräume unterteilbar, durch Raum- zeptionierung von Dauer- und Wechselausstellungen, für teilungskonzept mit entsprechender Bestuhlung Bildungsangebote, für Publikationen (online, Print), für die - Seminarräume mit Dolmetschertechnik inklusive Organisation von Gedenkveranstaltungen etc. ein. Kabinen (2 x ca. 75 Personen) - Büroräume für Hausleitung, Räume für Personal (für die inhaltliche und organisatorische Betreuung von Dauer- und Wechselausstellungen, pädago- gisches Personal, Verwaltung/Rezeption, Haus- meister/in, Aufsicht), auch Aufenthaltsraum, Küche, Sanitärräume, Räume für Lager und Technik.
18 | Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept VI. Standort Sowohl die deutsch-polnische Expertenkommission als In der Expertenkommission und im Politischen Beirat auch der Politische Beirat haben die Frage des Standorts wurden folgende sechs Optionen, die unterschiedlichen breit und ausführlich diskutiert. Da prominente Orte in Gruppierungen vorgeschlagen hatten, vorgestellt und Berlin, vor allem im Zentrum, rar sind, haben eine Viel- diskutiert: zahl von Gesprächen auf allen Ebenen, einschließlich der Ministerebene und der Ebene des Regierenden Bürger- 1. Die Grünfläche am Askanischen Platz neben der meisters von Berlin stattgefunden, um einen geeigneten Ruine des Anhalter Bahnhofs und dem entstehenden Ort zu identifizieren. Exilmuseum Auf der Grundlage des in den vorherigen Kapiteln auf- 2. Das Gelände der ehemaligen Kroll-Oper südlich des gezeigten inhaltlichen Konzepts für Gedenken, Infor- Bundeskanzleramts mation sowie Bildung/Begegnung wird ein Ort benötigt, der sowohl für eine Verbeugung vor den millionenfachen 3. Der Geschichtspark Zellengefängnis Moabit nördlich Opfern der Republik Polen als auch für eine inhaltliche des Hauptbahnhofs Auseinandersetzung mit den deutschen NS-Verbrechen geeignet ist. 4. Umgestaltung des bereits existierenden Denkmals des Polnischen Soldaten im Volkspark Friedrichshain Objektive Anknüpfungspunkte an den Standort sind aus der Sicht der Expertenkommission ein Polenbezug und 5. Ein Teil des Luisenblocks entlang der Spree bis fast ein Bezug zu den NS-Verbrechen. zum S-Bahnhof Friedrichstraße In diesem Zusammenhang gilt es auch der Tatsache 6. Haus Ungarn: ehemaliges Polnisches Kulturinstitut in Rechnung zu tragen, dass der Deutsche Bundestag nahe- der Karl-Liebknecht-Straße zu gleichzeitig zum Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen die Schaffung eines Dokumentationszentrums In der Diskussion in beiden Gremien haben sich zwei Zweiter Weltkrieg beschlossen hat. Zwischen beiden Standorte als Favoriten herauskristallisiert, die den Krite- Projekten besteht ein inhaltlicher Zusammenhang und rien entsprechen und gleichermaßen geeignet erscheinen. ein Synergiepotenzial. Die Beauftragte für Kultur und Ein einheitliches Meinungsbild zur Präferenz für einen der Medien der Bundesregierung hat die Erarbeitung eines beiden Orte ließ sich weder in der Expertenkommission, Konzepts für dieses andere Vorhaben dem Direktor des noch im Politischen Beirat herstellen: Deutschen Historischen Museums, Professor Raphael Gross, übertragen. Aus der Perspektive der Experten- 1. Gelände der ehemaligen Kroll-Oper südlich kommission ergibt sich das Erfordernis einer gewissen des Bundeskanzleramts Anschlussfähigkeit des Ortes des Erinnerns und der Be- gegnung mit Polen zum Dokumentationszentrum Zwei- Der Ort der ehemaligen Kroll-Oper liegt im Bezirk Mit- ter Weltkrieg. Die Expertenkommission regt an, dass der te-Tiergarten in einem eher ruhigen großen Grünflächen- Deutsche Bundestag dieser Frage bei der weiteren Be- areal zwischen Bundeskanzleramt und Scheidemannstraße, fassung mit dem Thema seine besondere Aufmerksam- Heinrich von-Gagern-Straße und dem Tipi-Zelt. Der Ort keit widmet. grenzt schräg von hinten an das sowjetische Ehrenmal und ist fußläufig vom Reichstag, vom Denkmal für die ermorde- ten Sinti und Roma, vom Denkmal für die ermordeten Juden
Ort des Erinnerns und der Begegnung mit Polen | Konzept | 19 Europas sowie vom Haus der Kulturen der Welt erreichbar. schaftlichen Initiative zur Errichtung eines Denkmals für Bereits jetzt existiert dort in einem Areal ein Skulpturenpark die Opfer der deutschen Besatzung Polens 1939-1945. Am gegen Krieg und Gewalt. 1.9.2019 fand zum 80 Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen am Askanischen Platz eine Kranzniederlegung durch Der Bezug zu Polen und zur NS-Zeit ergibt sich aus der Bundestagspräsident Schäuble und Sejmmarschallin Witek Tatsache, dass Hitler am 1.9.1939 in der Kroll-Oper (Aus- statt. weichort des Reichstags nach dem Brand von 1933) seine berüchtigte Rede zum deutschen Angriff auf Polen gehal- Das mögliche Grundstück für den Ort des Erinnerns und ten hat. Die Möglichkeit einer räumlichen Anschlussfähig- der Begegnung mit Polen ist knapp 1500 qm groß und keit zum Dokumentationszentrum Zweiter Weltkrieg wäre liegt unmittelbar neben der Ruine des Anhalter Bahnhofs hier gegeben. Die polnische Regierung hat bei hochrangi- und dem dort entstehenden, von einer bürgerschaftlichen gen Gesprächen in Warschau ihre Präferenz für diesen Ort Initiative getragenen Exilmuseum, auf der westlichen Seite geäußert. wird es von der Schöneberger Straße begrenzt. Das Grund- stück liegt über der S-Bahn-Station Anhalter Bahnhof und Die Fläche ist auch als einer der Standorte für das Mahn- sollte bereits einmal bebaut werden. Es wurde 2006 als mal für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft Ausgleichsfläche für den Neubau des Tempodroms aus- im Gespräch. Der Ort befindet sich in unmittelbarer Nähe gewiesen. In die Herstellung der Parkanlage sollten auch zu den repräsentativen Gebäuden der Exekutive und der Le- Ausgleichsmittel für den Umbau des Bahnhofs Charlotten- gislative der Bunderepublik Deutschland. Einige Mitglieder burg fließen. Aufgrund der Raumverhältnisse wäre hier eine des Politischen Beirats befürchten dadurch eine Marginali- potenzielle räumliche Anschlussfähigkeit zum Dokumenta- sierung der Gedenkkomponente und wegen der räumlichen tionszentrum Zweiter Weltkrieg nicht gegeben. Distanz zu anderen Gedenkstätten „einen toten Winkel der Aufmerksamkeit“. Beide Grundstücke befinden sich im Eigentum des Lan- des Berlin. Fragen der Verfügbarkeit und der Bebaubarkeit 2. Grünfläche am Askanischen Platz neben möglicher Grundstücke wurden ergebnisoffen im Kontakt dem Anhalter Bahnhof mit dem Land Berlin erörtert. Die bau- und planungsrechtli- chen Prüfungen für die in Aussicht genommenen Standorte Der Askanische Platz mit dem Wahrzeichen der Portalruine Askanischer Platz und Gelände der ehemaligen Kroll-Oper des Anhalter Bahnhofs ist ein urbaner Ort im Bezirk Fried- im Tiergarten seitens des Lands Berlin haben folgende vor- richshain Kreuzberg. Der Anknüpfungspunkt zum NS-Re- läufige Ergebnisse erbracht: Beide Standorte sind als öf- gime ergibt sich aus der räumlichen Nähe zur Topographie fentliche Grünflächen gewidmet. In beiden Fällen besteht des Terrors auf dem früheren Gelände des Gestapo-Haupt- ein Erfordernis zur Aufstellung eines Bebauungsplans. Hier- quartiers sowie zum früheren Reichsluftfahrtministerium für sind ca. zwei Jahre zu veranschlagen, die aber bei Einlei- an der Wilhelmstraße, in dem heute das Bundesfinanz- tung entsprechender paralleler Prozesse evtl. auf 1 ½ Jahre ministerium untergebracht ist. In unmittelbarer Nähe des verkürzt werden können. Die Berliner Senatskanzlei hat da- Askanischen Platzes befindet sich auch das Deutschland- rüber hinaus mitgeteilt, dass der Standort am Askanischen haus an der Stresemannstraße mit der kürzlich eröffneten Platz planungsrechtlich deutlich schwieriger zu bewältigen Ausstellung „Flucht Vertreibung, Versöhnung“ sowie dem sei, da der Bebauungsplan noch nicht so alt ist (von 2006 geplanten Exilmuseum, wodurch im Falle einer Errichtung und nicht wie bei der Kroll-Oper seit 1995 nicht weiterver- des Orts in diesem Umfeld sowohl ein Spannungsverhält- folgt), Ausgleichsmittel geflossen sind und die Fläche als nis zwischen Ursache und Wirkung („Polyphonie der Er- Ausgleichsfläche ausgewiesen wurde. innerung“) entstünde als auch Vergleiche hinsichtlich Um- fangs und finanziellen Aufwands zwischen den Komplexen Die Frage des Standorts sollte zügig durch den neugewähl- auf der Hand lägen. Anstoß für die öffentliche Debatte um ten Deutschen Bundestag entschieden werden. ein Polengedenken an diesem Ort und den Beschluss des Deutschen Bundestages ist der Aufruf einer zivilgesell-
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