Festschrift zum 60. Geburtstag von - Pfeil Verlag

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Festschrift zum 60. Geburtstag von - Pfeil Verlag
Festschrift
           zum 60. Geburtstag von

Prof. Dr. Gerhard Haszprunar

              Herausgeber der Spixiana

               Professor und Lehrstuhlinhaber für
     Systematische Zoologie am Department Biologie II sowie
            Vorstandsmitglied am GeoBio-Center der
        Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)

                         Direktor der
         Zoologischen Staatssammlung München (ZSM)

                       Generaldirektor der
 Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB)
SPIXIANA            40         1           2-5         München, August 2017           ISSN 0341-8391

                                                Laudatio

                  Ein Hoch auf unseren Chef zum 60. Geburtstag

                                                Martin Heß*

“Ich geh mal schnell zum Chef.” So heißt es oft, bevor        Trotz vieler paralleler Aufgaben als Professor,
wir an der Tür zu Gerhard Haszprunars Büro im            ZSM-Direktor, SNSB-Generaldirektor und führen-
Biozentrum oder zu seinem Direktionszimmer in            des Mitglied zahlreicher Gremien (z. B. GBCLMU,
der ZSM klopfen. Die Antwort ist ein freundliches        zeitweise chief editor ODE) und den nicht weniger
“Jaaa” (schon hier schimmert die wienerische Klang-      komplexen Anliegen seiner Mitarbeiter ruht Gerhard
farbe durch) und nach dem Absenden des letzten           in sich! Gedanklich stets glasklar dabei, gespickt mit
wichtigen E-Mails dreht er sich dem Ankömmling           Humor und zunehmend Lebensweisheit liefert er
zu. Mit breitem Lächeln, einem gebügelten Hemd           pragmatische Lösungen, ebnet Wege, fördert Karrie-
mit tagesaktuellem Farbakzent und immer noch             ren und publiziert fleißig, nicht nur als Senior-Autor
recht dunklen Haaren heiß es: “Was gibt’s Neues?”        (zum Jahreswechsel > 170 Paper). Er interessiert sich
oder “Aah, das ist gut, dass Sie kommen . . . !”. Die    für Zoologie (auch für Mollusken, aber bei weitem
Anliegen können beiderseits vielfältig sein. Eine        nicht nur), für Diversität, Systematik, Evolution,
Fachfrage wird rasch beantwortet und gleich in           Funktionsmorphologie, Meereskunde und setzt sich
den richtigen zoologischen oder weltanschaulichen        dafür immer noch selbst ans Elektronenmikroskop
Kontext gestellt; der Stand laufender Projekte wird      oder zieht Organismen der “Bröselkategorie” aus
besprochen und für die Abschlussarbeiten unserer         dem schlammigen Meeresboden. Auch wenn Me-
Studenten gleich zwei neue ersonnen – “da hab            thoden für ihn nur Mittel zum Zweck sind, geht er
ich doch seinerzeit in Wien oder Innsbruck etwas         mit der Zeit: computergestützte 3D-Rekonstruktion,
eingebettet . . .” und schwupps fördert er eine Pa-      algorithmische Kladistik, DNA-Barcoding und ver-
piertüte mit Kunstharzblöcken aus der Tiefe einer        schiedenerlei Daten-Banking sind hier anzuführen.
Schreibtischschublade; fehlende Literaturzitate (falls   Sein Spaß an der Lehre und seine Freude am Ver-
sie nicht schon vorher mit dem Vermerk “mag inte-        mitteln von Wissen sind weder für Studenten, noch
ressieren” elektronisch übermittelt wurden) können       für das Auditorium seiner Vorträge oder Festreden
in einem Fundus von ca. 15 000 verschlagworteten         zu übersehen bzw. zu überhören. Haszi steht oft
PDFs gefunden oder der wohlgeordneten und nicht          und gern vorne ohne ein Blatt vor den Mund zu
minder umfangreichen Sonderdrucksammlung                 nehmen, redet laut und deutlich, frei und überaus
entnommen werden; Lehrveranstaltungen oder               eloquent, gespickt mit eingängigen Merksätzen und
arbeitsgruppeninterne Treffen werden terminlich          witzigen Sprüchen, hält die zoologische Systematik
abgestimmt und in den Zeitrahmen erschreckend            jahresaktuell und zeichnet lebendige Bilder z. B. vom
zahlreicher Sitzungstermine und Vortragsreisen           Paarungsverhalten der Spinnen mit hinterlistigen
eingebettet (“ohne mein‘ Kalender sog i nix”);           Männchen und gnadenlosen Weibchen. Seinen
hochschulpolitische Entwicklungen im Großen wie          großen Erfolg als Koordinator, Lehrer und Forscher
im Kleinen und aktuelle Fördermöglichkeiten wer-         wird er weiter unten kommentieren, vorab: auch
den besprochen und der Kurs für ein erfolgreiches        wenn es sich ohne “Workaholismus” nicht erklären
Arbeiten und Kooperieren seiner Zoologen immer           lässt, es bleibt immer noch Platz für die menschliche
wieder optimiert.                                        Dimension, für ein Familienleben und für (aktive)
                                                         Entspannung mit seinen Hobbys.

*   Martin Heß, GeoBioCenterLMU und BioZentrum, Ludwig-Maximilians-Universität München, Großhaderner Str. 2,
    82152 Planegg-Martinsried, Germany; e-mail: hess@bio.lmu.de

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Um ein Bild davon zu bekommen, wer Gerhard           den Sinnesorganen von Tiefseenapfschnecken ein. So
ist, wo er herkommt und wie er zur Biologie kommt,        arbeitet Gerhard nun in Sachen Malakologie als Ver-
sei ein kurzer Blick auf seine Vita geworfen: Geboren     tragsassistent und Lektor am Zoologischen Institut
am 25.02.1957 in Wien lebt er bis zum Abitur (prä-        im Bereich Spezielle Zoologie und Phylogenetik. Das
ziser: Matura) in Kalksburg am Südrand der Stadt.         Projekt wird nicht verlängert und so sieht er sich am
Mit 11 Jahren richtet er sich ein Süßwasseraquarium       Scheideweg zwischen Wissenschaft und Industrie:
ein, züchtet Guppys und hält in der Folge auch            Er arbeitet 6 Wochen bei einer Pharmafirma, die von
Molche, Salamander und Skorpione – nicht immer            Kliniken abgelaufene Blutkonserven aufkauft und
zur Freude seiner Mutter. Sein Vater, seines Zeichens     Derivate wie Albumine und Gerinnungsfaktoren
Forstingenieur, führt Gerhard schon früh in die Welt      aufreinigt und wieder verkauft. Das Glück kommt
des Waldes ein. Ein zweiter Schub auf seiner noch         aber schnell zurück und so kann Gerhard von 1987
nicht absehbaren, steilen Biologenkarriere ergab          bis 1990 eine Assistentenstelle bei Prof. Reinhard
sich für den Jungforscher und Oberstufenschüler           Rieger im Bereich Ultrastrukturforschung und Evo-
des Halbinternats Kalksburg in Wien XXIII durch           lutionsbiologie an der Uni Innsbruck bekleiden. The-
den Zugang (das Schild “Betreten verboten” wurde          matisch erweitert er seine Expertise um die Welt der
als ausdrückliche Einladung aufgefasst) zu einem          Turbellarien, methodisch gibt er sich den Polierschliff
großen, stark verwilderten Park mit zwei Tümpeln,         in Sachen Elektronenmikroskopie und bereits nach
die es zu erforschen galt. Zunächst als Lieferanten für   1,5 Jahren reicht er seine Habilschrift zum System der
Fischfutter, dann aber als Quell einer faszinierenden     Schnecken ein (“On the origin and evolution of major
Vielfalt an Amphibien, Libellen und Wasserwanzen.         gastropod groups . . .”), der meist zitierte Artikel im
Matura 1975 mit Auszeichnung auch im Fach Biolo-          Journal of Molluscan Studies und prämiert 1989 mit
gie. Es folgte 1 Jahr Bund mit Ausbildung zum Mi-         dem Kardinal-Innitzer-Förderpreis.
lizoffizier (Oberleutnant der Reserve), in dem auch            Die Lehrbefugnis als Universitätsdozent der
Zeit war, über den weiteren Weg nachzudenken: die         naturwissenschaftlichen Fakultät der Leopold-Fran-
Richtung Mathe/Naturwissenschaften war “eh klar”          zens-Universität bestätigt nur, was er schon lange
und irgendwie war in der Biologie alles drin, vor         kann: dozieren. Heute, nach faktisch mehr als 30 Jah-
allem auch die geliebten Viecher! Das Studium der         ren ununterbrochener Lehre in Zoologie, Histologie
Zoologie und Botanik in Wien dauerte von Oktober          und Meereskunde sagt er ganz bescheiden: “ . . . dazu
1976 bis Januar 1982 und noch im Dezember des             weiß ich was”. Ebenso lange sieht und erfüllt er eine
gleichen Jahres promovierte Gerhard als 25-Jähriger       gefühlte Mission, über öffentliche Vorträge in der
wiederum mit Auszeichnung (sub auspiciis praesiden-       Volksbildung tätig zu sein, um Wissenschaft aus
tis rei publicae). Auch innerhalb der Biologie galt es    dem universitären Elfenbeinturm herauszutragen
sich wiederum geschickt auszurichten. Nach Konrad         und um einen Dialog zwischen Naturwissenschaft,
Lorenz’ Nobelpreis 1973 stand die Verhaltensfor-          Gesellschaftspolitik und Theologie zu führen. Auf
schung hoch im Kurs, aber nach einer meeresbio-           die Frage, warum er nicht irgendwann einmal er-
logischen Exkursion mit einem Ethologieprofessor          wogen habe Schullehrer zu werden meint Gerhard
nach Rovinj war Gerhard klar, dass er kein Verhal-        schmunzelnd: “Ich halt‘ mich ja scho für an guten
tensforscher werden will. Praktische Erwägungen           Didakten, aber irgendwann hätt i vermutlich oan
ließen zunächst eine entomologische Ausrichtung           daschlong J”. So lehrt und forscht er also lieber auf
schlau erscheinen – auf einem schwierigen Arbeits-        universitärem Niveau, bis 1995 als assoziierter Pro-
markt sah er eine mögliche Anwendung der Biologie         fessor weiterhin bei Prof. Rieger. Die bereits in Wien
in der Schädlingsbekämpfung – ein Zufall brachte          begonnen Arbeiten zu Monoplacophoren werden
ihn dann aber auf die malakologische Schiene. Als         1994 (zusammen mit Dr. Schaefer) mit dem “Preis der
Eingangsvoraussetzung für den beliebten Entomolo-         Landeshauptstadt Innsbruck für wissenschaftliche
giekurs galt die Abschlussklausur des anatomischen        Forschung an der LFU” prämiert.
Großpraktikums inklusive eines Spezialpraktikums               Selbstbewusst und fest entschlossen Karriere
zu den Mollusca unter der Leitung von Prof. Luit-         zu machen bewirbt er sich als “junger Hupfer” von
fried Salvini-Plawén. Überzeugt von dessen Art und        35 Jahren 1992 auf die Stelle als Zoologieprofessor
fasziniert von dieser Tiergruppe begann Gerhard im        an der LMU und Leiter der ZSM, auf die er nach 2
6. Semester bei ihm seine Dissertation über Osphra-       Jahren des Bangens (nun, das Glück ist bekanntlich
dien und das Beherrschen der zeitlos hochmodernen         mit den Tüchtigen) von Listenplatz 2 aus berufen
Elektronenmikroskopie versprach schließlich auch          wird. Seine Visionen waren es forschungsmäßig
beruflich, z. B. im medico-pharmazeutischen Bereich,      richtig loszulegen (verstärkt in den Bereichen zellu-
ein guter Schachzug zu sein. Salvini befindet ihn als     läre Homologie von Exkretionsorganen und Mikro-
“für die Forschung geeignet” und reicht erfolgreich       anatomie/Phylogenie von Kleinstgastropoden) und
ein 4-jähriges Postdoc-Projekt zur Anatomie und zu        die ZSM in jeder Hinsicht zu einem produktiven

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modernen Forschungsmuseum hochzurüsten. Dazu             “Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und
galt es freilich zuerst die Sammlung in ihrer Bedeu-     Kunst” für besonders hochstehende schöpferische
tung und Aufgabenfülle zu begreifen, in den Griff        Leistungen. Auf der feierlichen Verleihung durch
zu bekommen und mit Mikroskopen (LM + EM),               die Generalkonsulin wies er ausdrücklich darauf
Histolabor, Computertechnik und letztlich mit µCT        hin, dass er das ohne sein Team so nicht geschafft
aufzurüsten. Die Idee zu einem DNA-Labor für mole-       hätte und sie bemerkte: wäre er nicht so jung zu
kulare Großphylogenie/Taxonomie wuchs während            Ehren gekommen, sondern hätte noch wenige
eines Semesters 2001 als Miller-Gastprofessor an der     Jahre “gewartet”, hätte er das Kreuz in der großen
Universität Berkeley, der Einstieg in die Barcoding-     Ausführung bekommen. Schließlich setzt er sich in
Schiene erfolgte 2006. In gewisser Weise schließt sich   einem jahrelangen zähen Kampf für den Ausbau
hier für ihn ein Kreis, da das Barcoding mit großem      des Museums Mensch und Natur zu einem neuen
Erfolg an diversen Tiergruppen angewandt wurde.          Naturkundemuseum von Weltformat ein, das 2017
Parallel dazu sah er einen Einstellungsnachholbedarf     in der Taufe des “Biotopia” gipfelte und nun als “auf
“von Archivaren zu Forschern”, von “Einzelkämp-          der sicheren Seite” begriffen werden darf.
fern zu Teamplayern”, wozu er sich im Laufe der               Jede der genannten Aufgaben und Resultate
Zeit eine Reihe entsprechender Nachwuchswissen-          haben ihn ein Stück weitergebracht in seiner persön-
schaftler an die Seite holte, die an der ZSM und         lichen Entwicklung, im Versuch menschliche, the-
oder an der LMU sammeln und forschen, Studenten          matische und methodische Fortschritte zu bewirken
betreuen, selbständig Drittmittelprojekte einwerben      und Bleibendes zu schaffen bzw. bleibende Spuren
und den wissenschaftlichen wie den o. g. technischen     in dieser Welt zu hinterlassen. Besonders wichtig
Fortschritt hüben wie drüben mitgestalten oder selbst    ist ihm nach eigenen Aussagen die Emanzipation
maßgeblich antreiben. In Sachen Personalführung          seiner Schüler zu erfolgreichen Wissenschaftlern.
sieht er einen Zusammenhang von Fordern und              Dies gelingt ihm v. a. durch seine Vorbildrolle und
Fördern, leben und leben lassen und bleibt i. d. R.      die Haltung, Denkanstöße und Freiräume zu geben
tiefenentspannt, wenn irgendwo kurzfristig emotio-       und darauf zu vertrauen, dass die aufstrebenden
nale Wellen hochschlagen. Der “Überfluss an Platz-       Wissenschaftler das Beste daraus machen.
mangel” wird durch Kompaktierungsmaßnahmen                    Eine Laudatio dieser Art wäre nicht vollständig
kuriert (Bibliothek, Schmetterlingssammlung etc.)        würde man nicht sein schon lange bestehendes
und durch umfangreiche Sammlungseinwerbungen             Interesse zu bzw. Nachdenken über das Verhältnis
wiederhergestellt. Auch die Öffentlichkeitsarbeit        von Wissenschaft zu Religion erwähnen. Bereits 1994
ist Gerhard ein Anliegen, um die Attraktivität und       entstand in Zusammenarbeit mit der theologischen
Wichtigkeit der Sammlung vor der Öffentlichkeit          Fakultät der LFU Innsbruck der Symposiumsband
und gegenüber dem Ministerium klarzustellen. Er          “Evolution – eine Kontroverse” und in den letzten
setzt die Ideen von Dr. Fechter und Herrn Diller von     Jahren folgten zwei Bücher über “Evolution und
Kunstaustellungen in den Gängen der ZSM um und           Schöpfung . . .” und “Neue Antworten für Hiob . . .”.
fort, wirkt an der Umwandlung des Hintelmann-            Dass er zwischen Glauben und Wissen genau diffe-
Preises vom Kunstpreis zum Wissenschaftspreis für        renziert, zeigt die von ihm gern zitierte anekdotische
begabte Jungforscher mit (das erzeuge auf lange Sicht    Antwort auf die Frage, ob er an die Evolution glaube:
ein “Netz von Freunden”) und schafft es zusammen         “Nein, ich glaube auch nicht an die Schwerkraft!”.
mit seinen ZSM-Mitarbeitern die Besucherzahlen auf            Gerhards Erfolg und Energieeinsatz vor Augen
dem jährlichen Tag der offenen Tür von ca. 350 auf       haben wir uns nicht selten gefragt “Wie schafft er das,
regelmäßig über 3000 zu steigern. 2006 wird Gerhard      was treibt ihn immer wieder an?”. Die angeborene
zum Generaldirektor der SNSB gewählt (und jüngst         Komponente seiner Neugier, seines Intellekts und
zum 3. Mal in dieser Funktion verlängert bis Ende        eines gewissen Ehrgeizes müssen wir voraussetzen.
2021), was das Anforderungsprofil erhöht, den Ter-       Erworbene Fähigkeiten schimmern durch seine
minkalender noch dichter macht, Dienstreisen häu-        Lebensgeschichte und er verrät sie uns auch gerne
figer werden lässt und ihm noch mehr Hirnschmalz         direkt. Ja, er sei neugierig und ehrgeizig, er fände
und diplomatisches Geschick abverlangt. Er wird          Befriedigung darin, fleißig und zielstrebig zu arbei-
noch mehr als bisher zum Manager, nunmehr für            ten und Themen konsequent zu Ende zu denken, er
Großprojekte wie Barcoding Fauna Bavarica (BFB)          sei gut organisiert und unterziehe sich bewusster
und German Barcode of Life (GBOL), und die He-           Effizienzüberprüfung um Arbeit zu sparen (hierher
rausforderungen moderner Gesetzgebung machen             gehört auch sein Konzept der “konstruktiven Faul-
ihm das Leben nicht gerade leichter. Vor diesem          heit”) und das Pensum zu halten ohne Schaden zu
Hintergrund verwundert es den geneigten Leser            nehmen. Natürlich würden ihn einige Tage in Folge,
sicherlich kaum, dass Gerhard 2008 wieder einmal         in denen sein Kalender schwarz vor Einträgen ist
eine Ehrung zuteil wurde, nämlich das angesehene         auch ermüden. Er schöpfe jedoch immer wieder

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Energie aus neuen Erkenntnissen, Bildern, Begeg-        aktuelle Gruppe und jeden einzelnen maßgeschnei-
nungen und der Freude, anderen Menschen in jeder        derte Hymne vor. Mindestens einmal verschwindet
Hinsicht etwas beizubringen.                            Gerhard in der ansässigen Bibliothek, um die Zu-
      Zum Entspannen würde er nur selten die Beine      gangsrechte zu nutzen und Literatur anzuzapfen.
hoch legen, vielleicht mal mit Meeresblick auf den      Gutes Essen wird in Frankreich in Kauf genommen
Malediven. Ansonsten schaffe er das in einigen (dem     und auch der Rosé in Banyuls oder der Cidre in
Leser teils möglicherweise unerwarteten) Hobbys:        Roscoff (“man muss auf Opfer verzichten können”)
Gerhard singt gerne (z. B. im Rhythmuschor des          – ebenso der Ausblick auf den Sonnenuntergang am
Heilig Kreuzes Dachau Ost), sammelt altösterrei-        Abend “auf dem Molo”. Dort wird Seemannsgarn
chische Briefmarken, betaucht mit Pressluft die         gesponnen, Lebensweisheiten platziert, die Oper
Weltmeere (Hammer, Meißel und Sammelnetz nicht          in 3 Akten von Georg Kreisler gekonnt rezitiert
zu vergessen), liebt Fuchsien und seinen Garten,        und ggf. sogar ein Öttinger aus dem eigens dazu
schaut Game of Thrones und liest gerne auch nicht-      mitgebrachten Kasten spendiert.
wissenschaftliche Literatur (der e-Reader sei ein            Wohin geht der wissenschaftliche Weg, was
Segen). Der wichtigste Quell seiner Lebensenergie       hat Gerhard vor bis er Ende Februar 2023 in den
jedoch sei seine Familie mit der er so viel Zeit ver-   Unruhestand eintritt? Nix g’wiss was ma ned, aber
brachte und verbringt wie nur möglich: Gabi “die        zum Plan gehören mindestens zwei große Barcoding-
beste aller Ehefrauen”, die er bereits mit 23 Jahren    Projekte (Ameisenfauna von Panguana, Alpentiere),
heiratete und seine drei erwachsenen, beruflich und     einer Menge “Kleinzeug” innerhalb der Gastropoda
menschlich wohlgeratenen Kinder, auf die er sehr        ihren rechten Platz im System zuzuweisen, die
stolz sei und deren Erziehungserfolg zusammen mit       Etablierung von “Biotopia” zu begleiten und die
Gabi auch ihn zutiefst befriedige. Gabi ist also in     aktuellen beiden Assistentinnen “auf die Schiene zu
diesem Lobgesang in besonderer Weise zu berück-         setzen” und ihnen das Rüstzeug mitzugeben, um im
sichtigen, die genannten Erfolge sind mittelbar auch    Fach überleben und erfolgreich werden zu können.
ihre! Zudem schätzt sich die Arbeitsgruppe glücklich         Der zu Anfang genannte Ankömmling verlässt
ein bis zweimal jährlich lecker von ihr bekocht,        nun das Büro mit einer Lösung für sein Anliegen,
bewirtet und unterhalten zu werden.                     einem Bündel neuer Ideen und es hat nicht einmal
      Wer Gerhard im universitären Umfeld in seiner     eine Stunde gedauert. Mein Anliegen war diesmal,
ganzheitlichen Präsenz kennenlernen will, der be-       mehr über die Hintergründe dessen zu erfahren was
gleitet ihn am besten auf eine seiner meeresbiologi-    den Chef antreibt, was meines Erachtens gelungen
schen Freilandübungen. Hier fühlt er sich besonders     ist. Ob er noch eine wichtige Message zum 60. mit-
in seinem Element und kann sich vielschichtig           geben könne, frage ich. Nach kurzem Überlegen
ausleben und einbringen. Es beginnt und endet mit       meint Gerhard es sei zu beachten, dass Menschen
langen Gesprächen (und Meckern über links fahren-       nicht gleichartig aber quer durch alle Lebensalter
de LKWs) auf den 1400 km zwischen München und           und Jobsparten gleichwertig seien, dass man es sich
Banyuls respektive Roscoff. Es wird geschnorchelt,      nicht anmaßen dürfe auf irgendjemanden herabzu-
gerupft und gehämmert, gedredged, gesammelt,            schauen, vielmehr bemüht sein solle, anderen ein
sortiert, im Labor unter seiner Anleitung und der       Wertgefühl zu geben. “Sie oder Er kann bestimmt
seiner Assistenten beobachtet, klimaverschlechtert,     irgendetwas besser als ich . . . naja, nicht alle . . . hm,
relaxiert, fixiert und dokumentiert. Es gibt Vor- und   vielleicht nur wenige J”.
Nachbesprechungen zu den Organismen in ihren
Lebensräumen. Besonders dringend gesuchte (und          Wir, seine Kollegen, Mitarbeiter und Freunde an
i. d. R. schwierig zu findende) Organismen werden       den SNSB und der LMU, möchten ihm ganz herzlich
per Trophäe gesucht (je nach Ort Cidrianer oder         zum Geburtstag gratulieren, ihm eine gute nächste
Banyulensis), Themen mit Forschungspotential wer-       Dekade wünschen und wir freuen uns auf die kom-
den feilgeboten mit dem Satz “da können’s berühmt       menden Begegnungen und gemeinsamen Projekte.
werden” und am Ende liest der Chef eine auf die         Unsere Message: Gerhard, wir finden Dich klasse!

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