FLUCHTPUNKT KONSTANZ FLUCHTPUNKT KONSTANZ - GEFLÜCHTETE ERZÄHLEN FLÜCHTLINGSORGANISATIONEN IN KONSTANZ

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FLUCHTPUNKT KONSTANZ FLUCHTPUNKT KONSTANZ - GEFLÜCHTETE ERZÄHLEN FLÜCHTLINGSORGANISATIONEN IN KONSTANZ
Das Hochschulmagazin von Seezeit
1 - Sommersemester 2015

    FlUchtpunkt
      Konstanz
        Fluchtpunkt Konstanz – Geflüchtete erzählen
          Flüchtlingsorganisationen in Konstanz
       Umfrage: Was wünschst du dir für die Zukunft?

               mit Mensaplan für Uni und HTWG Konstanz
FLUCHTPUNKT KONSTANZ FLUCHTPUNKT KONSTANZ - GEFLÜCHTETE ERZÄHLEN FLÜCHTLINGSORGANISATIONEN IN KONSTANZ
Druckerei Fabian GmbH

                                                                                                                     Q Beratung

                                                                                                                     Q Druckvorstufe

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       Wer clever ist,                                                                                               Q Weiterverarbeitung
       informiert sich hier!

                                                                      ZGH 0037/27 · 09/14 · Foto: www.peterheck.de
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       Weitere Informationen auf aok-on.de/bw                                                                        Maybachstraße 19
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                                                                                                                     Tel +49 (0) 75 31 / 99 07 - 0
                                                                                                                     Fax +49 (0) 75 31 / 99 07 - 10
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       Studenten-Service · Inselgasse 30 · 78462 Konstanz
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       AOK Baden-Württemberg
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                                                                                                                     Entspannt durchs Studium...
           Studiticket - GünStiG vernetzt                                                                            ...mit unseren PBS-Kursen:
                                                                                                                     Ŷ Atementspannung ab 15.04.2015 HTWG Konstanz
                                                                                                                                          ab 27.05.2015 Uni Konstanz
                           Mit unserem Studiticket günstig mit dem                                                   Ŷ Stressbewältigung ab 08.05.2015 Uni Konstanz
                           Bus unterwegs. Weitere Infos unter:                                                       Anmeldung ab sofort im Seezeit Service Center
                           www.stadtwerke-konstanz.de                                                                www.seezeit.com/pbs/kurse
FLUCHTPUNKT KONSTANZ FLUCHTPUNKT KONSTANZ - GEFLÜCHTETE ERZÄHLEN FLÜCHTLINGSORGANISATIONEN IN KONSTANZ
Editorial

Christin Gas Redaktionsleitung                         Helmut Baumgartl Geschäftsführer
Campuls Hochschulmagazin                               Seezeit Studierendenwerk Bodensee

Liebe Leser,                                           Liebe Studierenden,
„Studieren, wo andere Urlaub machen“, heißt es über    wenn aktuell neue Bewerbungen eintrudeln, so
Konstanz. Für manche ist die neue Studienstadt ein     kommt es mir sehr drauf an, wie sehr die Bewerbe-
Fluchtpunkt von zu Hause, der Startschuss zum ei-      rInnen ‚irgendwo weg‘, oder besser, zu uns ‚hinkom-
genständigen Leben. Auch die Urlauber, die sich für    men‘ wollen. So sehe ich das auch mit Ihnen, unseren
den See entscheiden, flüchten: vor dem Alltäglichen,   Studierenden. Den Begriff ‚Fluchtpunkt-Konstanz‘
dem Arbeitsstress. Diese Ausgabe beschäftigt sich      spezifiziere ich näher, im Sinne von ‚Zielpunkt-Kon-
mit dem ‚Fluchtpunkt Konstanz‘, doch nicht mit         stanz‘: Sie wollen ja hier her! Egal ob nun Flucht- oder
den Studierenden oder den Urlaubern, sondern mit       Zielpunkt, Fakt ist, dass diese Anlaufstellen meist
denen, die aus Notsituationen heraus in Konstanz       überrannt werden, und oft niemand auf die Eintref-
ein neues Heim finden müssen. Die im Konstanzer        fenden ‚wartet‘.
Landkreis lebenden Geflüchteten zählten zum Jah-       Doch als Studierendenwerk ist gerade das unsere
resende 911 Menschen. Jeder einzelne hat seine ei-     gesetzte Aufgabe. Wir wollen Sie bestmöglich ver-
gene Geschichte, Ängste, aber auch Hoffnungen für      sorgen, mit Essen, Wohnen, Finanzen und Beratung.
die Zukunft. Durch Said, Nevin und andere, die uns     Gerne würden wir noch mehr Wohnanlagen bauen
ihre Geschichten erzählten, geben wir dem Begriff      oder das Essen günstiger halten. Aber gerade beim
‚Flüchtling‘ ein Gesicht. Zu ihrem Schutz wurden       Essen hat uns die Zeit überrollt. Seit drei Jahren
die Namen in dieser Ausgabe geändert. Außerdem         halten wir die Preise konstant, nur können wir die
berichtete ein Lehrer der Internationalen Vorberei-    Kostensteigerungen von Energie, Rohstoffen und
tungsklasse von den Aufgaben und Problemen, die        Personal nicht länger ignorieren. Wir kommen da-
ihm begegnen, wenn er Kinder von Migranten un-         her leider nicht umhin zum Beginn des Sommerse-
terrichtet. Und in einem Interview werden die Kon-     mesters unsere Mensapreise um 10 bis 20 Cent anzu-
stanzer Organisationen näher beleuchtet, die den       heben. Wir versichern Ihnen, alles zu unternehmen,
Geflüchteten hier Unterstützung und eine Anlauf-       um Ihnen auch weiterhin zuverlässig eine vollwer-
stelle bieten – und jedem die Möglichkeit, selbst zu   tige, gesunde und abwechslungsreiche Mahlzeit an-
helfen.                                                bieten zu können.
                                                       Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Semester.

                                                                                                             
FLUCHTPUNKT KONSTANZ FLUCHTPUNKT KONSTANZ - GEFLÜCHTETE ERZÄHLEN FLÜCHTLINGSORGANISATIONEN IN KONSTANZ
Impressum
                                          CAMPULS Heft Nr. 1 Sommersemester 2015­
               Herausgeber
    Seezeit Studierendenwerk Bodensee     Fluchtpunkt Konstanz					                                                                    5
                Jochen Mink               Kommentar und Glosse 					                                                                   11
            Universitätsstraße 10         Seezeit ist grün						                                                                       12
              78464 Konstanz
                                          Orientierung für ausländische Studierende			                                                 13
            Chefredakteurin               Zwischen Deutschland und dem Iran				                                                        14
              Christin Gas                Umfrage: Was wünschst du dir für deine Zukunft in Deutschland?                               16
          LKM, 4. SEM. V.I.S.D.P.         Internationale Vorbereitungsklassen in Deutschland		                                         18
      Art Direction & Illustration        Studenten für Flüchtlinge					                                                               20
             Maike Hofma
              LKM, 4. SEM.                BAföG
                                          In allen Förderungsfragen nach dem BAföG berät kompetent und freund-
              Maike Holzke                lich das BaföG-Amt.
               LKM, 2.SEM.
                                          Mo – Do 9.00 – 12.00 / 13.00 – 15.30 Uhr
               Anzeigen                   Gustav-Schwab-Straße 5, 78467 Konstanz
             Corinna Voigt                Tel +497531-88 7265 • Fax +49 7531-88 7299
      CORINNA.VOIGT@SEEZEIT.COM
                                          bafoeg@seezeit.com
              Fotografie
            Nicolas Kienzler              Service Center
    POLITIK UND VERWALTUNG, 4. SEM.       Anlaufstelle für Erstinformationen zu den Bereichen Studentisches
                                          Wohnen, BAföG, Privatzimmer, und Jobbörse. Darüber hinaus bieten wir
            Harald Waldrich               folgende Services an: Wohnen für Hilfe, Finanzierungsberatung, Aufnah-
              LKM, 8. SEM.                me von Unfallanzeigen, Ausstellung von ISIC-Ausweisen, Vergabe von
                                          Musikraumschlüsseln, Verlängerung und Bearbeitung von fehlerhaften
               Redaktion
             Jacqueline Berl              MensaCards, Annahme und Herausgabe von BaföG-Anträgen sowie
          TGA, 2. SEM. MASTER             Beglaubigungen von BaföG-Bescheiden etc.
                                          Mo – Do 9.00 – 15.30 / Fr 9.00 – 13.30 Uhr
               Lisa Zacher                Eingangsbereich der Uni Konstanz
              LKM, 6. SEM.                Universitätsstraße 10, 78464 Konstanz
          Marc-Julien Heinsch             Tel +497531-887400 • Fax +497531-88 7444
              LKM, 4. SEM.                servicecenter@seezeit.com
            Charlotte Hütten              Studentisches Wohnen
              LKM, 4. SEM.                Wir betreiben in Konstanz, Ravensburg, Weingarten und Friedrichshafen
                                          18 Wohnanlagen mit insgesamt rund 2.950 Bettplätzen.
            Nicolas Kienzler
    POLITIK UND VERWALTUNG, 4. SEM.       Mo – Do 9.00 – 15.00 / Fr. 9.00 – 12.00 Uhr
                                          Ebene K3 (Uni Konstanz) • studentisches.wohnen@seezeit.com
               Uwe Braun
    SPRACHWISSENSCHAFTEN, 4. SEM.         Sozialberatung
              MASTER                      Die Sozialberatung hilft bei Finanzierungsfragen (Sozialleistungen, Studi-
                                          enkredite), hat Tipps zum Studium mit Kind, zum barrierefreien Studieren
             Anna Lisa Alves
              LKM, 4. SEM.                u.v.m. Die Beratung ist vertraulich und kostenfrei.
                                          Mo + Di 9.30 – 11.30 Uhr im Seezeit Service Center
              Mensa-Pläne                 Vormittags Raum K401 (Uni KN)
           Elias Zimmermann               Tel +49 7531-88 7305 • sozialberatung@seezeit.com
        BIOLOGIE, 3. SEM. MASTER

         Kontakt zur Redaktion            Psychotherapeutische Beratung (PBS)
          campuls@seezeit.com             Hilfe und Beratung bei Krisen im Studium sowie psychischen und see-
                                          lischen Problemen bietet die PBS. Anmeldung und Terminvereinbarung
Campuls erscheint während des Semesters   schriftlich, telefonisch, per E-Mail oder persönlich.
 an der Universität und HTWG Konstanz     Mo, Mi, Fr 11.00 – 12.00 Uhr, Raum K313 (Uni Konstanz)
              sowie online
        www.seezeit.com/campuls           Reinhard Mack, Tel +49 7531-88 7310
www.facebook.com/SeezeitStudierenden-     Tina Scheu, Tel +49 7531-88 7311 • pbs@seezeit.com
                                                                                       Facebook “f ” Logo   CMYK / .eps   Facebook “f ” Logo   CMY

             werkBodensee

                                                                                                                    Campuls-
                                                                                                                     Archiv


FLUCHTPUNKT KONSTANZ FLUCHTPUNKT KONSTANZ - GEFLÜCHTETE ERZÄHLEN FLÜCHTLINGSORGANISATIONEN IN KONSTANZ
Text:
                                                                                         Marc-Julien Heinsch &
                                                                                           Nicolas Kienzler
                                                                                         Foto: Nicolas Kienzler

                   Innenhof im Atrium: Treffpunkt der Bewohner und Ort zum Wäschetrocknen.

                       Fluchtpunkt Konstanz
Steinstraße und Atrium heißen die beiden Gemeinschaftsunterkünfte im
Stadtgebiet Konstanz. Dort sind über 300 Asylbewerber aus 50 Nationen
untergebracht. Ein Besuch in der Gemeinschaftsunterkunft in der Steinstra-
ße, wo für viele das neue Leben in Konstanz, fern der Heimat seinen Anfang
                                   nimmt.

   Zwischen sechs und sieben Uhr morgens steht         auch Nevin in seinen Alltag. Der besteht aus: drei
Nevin*, 27, aus Syrien, auf. So, wie der Durch-        festen Mahlzeiten und ebenso vielen Kaffeepau-
schnittsdeutsche. Ob er gleich duschen geht oder       sen in der Gemeinschaftsküche. Daran anschlie-
zuerst frühstückt, ist davon abhängig, ob nicht ge-    ßend: Spaziergänge um den Block oder zum See.
rade einer seiner Mitbewohner unter der Dusche         Und dazwischen: Nichts. Keine Verpflichtungen,
steht – wie in jeder WG eben. Und auch davon,          keine Aufgabe, keine Möglichkeit, irgendetwas
ob die Vergangenheit Nevin in seinen Träumen           zu tun. Viel zu viel Zeit, um über alles nachzu-
heimgesucht hat. Dann sind das nämlich rich-           denken.
tige Albträume. Dann liegt er mindestens noch             Da ist das Sprachcafé, das jeden Mittwoch
eine Viertelstunde wach, bis die Emotionen ein         stattfindet, eine willkommene Abwechslung.
wenig abgeklungen sind. Das kommt ungefähr             Dort erprobt Nevin gemeinsam mit anderen
jeden zweiten Tag vor. Während sich der Durch-         Flüchtlingen und der Deutschlehrerin Claudia
schnittsdeutsche nach Dusche und Frühstück             Grohmann die neue Sprache. An diesem Tag sit-
auf den Weg zur Schule oder zur Universität, zur       zen außer Nevin noch vier andere Männer mit
Arbeitsstelle oder zum Arbeitsamt macht, startet       am Tisch. Genau wie der junge Syrer sind auch
                                                       *Die Namen aller Flüchtlinge wurden zu ihrem Schutz
                                                        geändert

                                                                                                             
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sie Flüchtlinge. Sie warten in der Gemeinschafts-     eritreischen Sitznachbarn. Gut gefalle es ihnen
unterkunft in der Steinstraße auf die Bearbei-        in Deutschland, da sind sich alle fünf einig. „Die
tung ihres Asylantrags und hoffen, nicht wieder       Menschen und die Situation sind gut“, sagt Ab-
in die Hölle zurückgeschickt zu werden, zu der        del und lächelt. Die Stimmung scheint gelöst,
ihre Heimat für sie geworden ist. Das ehemalige       hin und wieder nur geht der Blick der Männer
französische Offizierscasino bietet etwa 190 von      abwesend ins Leere. Auf die Frage, warum sie
ihnen ein Dach über dem Kopf.                         aus ihrer Heimat im Nordosten Afrikas geflohen
                                                      sind, nennen die Drei in ihrem etwas holprigen
    „Uns gefällt es gut in Deutschland.“              Deutsch ähnliche Gründe: Diktatur und Krieg,
                                                      Verfolgung und Willkür. Auf ihre Flucht nach
   Die fünf Männer im Sprachcafé sitzen zusam-        Europa musste jeder von ihnen alleine aufbre-
men mit ihrer Lehrerin um einen runden Tisch,         chen. Im Vorfeld habe man mit niemandem über
auf dem ein Plastikbeutel voller Erdnüsse liegt.      seine Fluchtpläne sprechen dürfen, da man sonst
Durch die Fensterfront in ihrem Rücken blickt         Gefahr gelaufen wäre, aufgegriffen und bestraft
man auf eine Baustelle. Drei der Männer sind          zu werden. Man kann nur erahnen, wie viele
aus Eritrea und leben bereits seit zehn Monaten       schwere Tage sich hinter diesen wenigen Worten
in einem gemeinsamen Zimmer in der Gemein-            verbergen. Dann müssen sich Abdel, Birhan und
schaftsunterkunft Steinstraße; Abdel und Birhan       Isaac verabschieden. Sie gehen noch in die Schule
sind 20 Jahre alt, Isaac ist 24. Daneben sitzt noch   und zum Volleyball an diesem Nachmittag. Die
Samir, 39, aus Afghanistan als Ältester am Tisch.     drei Eritreer verabreden sich für nächste Woche
Nevin und Samir sind beide erst seit kurzem in        wieder im Sprachcafé. Sie scheinen in ihrem neu-
Konstanz und können nach gerade einmal zwei           en Leben angekommen zu sein, zumindest so gut
Monaten noch nicht so gut Deutsch wie ihre drei       das nach zehn Monaten als Flüchtling in einem

                                                               Das deutsche Asylrecht
                                                                 gilt nicht für jeden
                                                      Artikel 16 a Absatz 1 des Grundgesetzes
                                                      der Bundesrepublik Deutschland garantiert:
                                                      „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Seit
                                                      dem öffentlich sehr umstrittenen Asylkom-
                                                      promiss 1993 folgten dem zuvor schranken-
                                                      losen Recht auf politisches Asyl zudem einige
                                                      Einschränkungen: Bestimmte Staaten können
                                                      als sichere Herkunftsländer eingestuft wer-
                                                      den; Flüchtlinge aus diesen Ländern müssen
                                                      ihre politische Verfolgung zuerst ausreichend
                                                      „beweisen“. Außerdem wurde damals die
                                                      Drittstaatenregelung eingeführt: Personen,
                                                      die in ihrem Herkunftsland zwar politisch
                                                      verfolgt wurden, jedoch über einen sicheren
                                                      Drittstaat eingereist sind, erhalten kein Asyl
                                                      aufgrund von politischer Verfolgung. Rein
                                                      rechtlich erhalten somit alle über den Land-
                                                      weg eingereisten Flüchtlinge in Deutschland
             Samir, 39, aus Afghanistan               kein Asyl.


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fremden Land möglich ist.
   Samir und Nevin bleiben am Tisch zurück. Ihre
Deutschkenntnisse belaufen sich bislang auf ein
paar Brocken und so läuft das Gespräch mit ih-
nen auf Englisch ab. Samir aus Afghanistan trägt
einen weiten, weißen Pullover und hat bereits
ein paar Falten im Gesicht und graue Strähnen
in seinem dunklen Haar. Der Syrer Nevin wirkt
dagegen jünger als seine 27 Jahre, hat längeres
schwarzes Haar, eine Brille und ein freundliches
Gesicht. Die beiden haben neben dem Sprachca-
fé keine Verpflichtungen an diesem Nachmittag
und sind bereit, ihre Geschichte zu erzählen.

     „Wir haben den Taliban doch nichts
                  getan.“

   Samirs Gesicht wirkt hart und sehr ernst wäh-                     Nevin, 27, aus Syrien
rend er davon erzählt, wie es dazu kam, dass er      anzutun. Als der Druck zu groß wurde, entschied
nun in der Steinstraße ist. „Ich habe meinen Ba-     er sich, seine Familie zu verlassen und zu ihrem
chelor in Law and Politics gemacht“, erklärt er.     und seinem eigenen Schutz seine Arbeit aufzuge-
„Dann habe ich von 2002 bis 2012 für verschie-       ben und nach Europa zu fliehen. Zuerst reiste er
dene Organisationen, wie die UNHCR, UNOPS            auf legalem Weg nach Schweden, wo man seine
und UNAMA1, gearbeitet.“ Wegen seiner Arbeit         Originaldokumente beschlagnahmte und damit
für die Vereinten Nationen wurde Samir von den       drohte, ihn umgehend nach Afghanistan zurück-
Taliban bedroht, doch weil er zu gut geschützt       zuschicken. Samir musste damit rechnen, jeder-
wurde und die Taliban nicht an ihn herankamen,       zeit festgenommen und wieder zurückgebracht
drohten sie damit, seine Frau und seine zwei klei-   zu werden. Er entschloss sich, ein weiteres Mal
nen Söhne zu entführen oder ihnen Schlimmeres        zu fliehen und reiste illegal nach Deutschland
                                                     ein. „Die Amerikaner haben die Situation nicht
                                                     verbessert. Die Amerikaner und Ex-Präsident
1
    UNHCR
                                                     Karsai haben den Taliban von heute und dem IS
United Nations High Commissioner for Hu-
man Rights = Hoher Kommissar für                     in Afghanistan den Boden bereitet“, zieht Samir
Menschenrechte der Vereinten Nationen                ein bitteres Fazit des amerikanischen Kampfein-
                                                     satzes in seinem Land. „Heute kannst du der Ar-
UNOPS                                                mee und der Polizei nicht vertrauen. Sie alle sind
United Nations Office for Project Services =         unterwandert von den Taliban.“ In der Provinz
Entwicklungsprogramm der Vereinten                   Kunar im Nordosten Afghanistans, wo er her-
Nationen                                             komme, sagt Samir, „werden die Leute von der
                                                     Polizei entführt und zu den Taliban gebracht“.
UNAMA                                                Auf die Frage, ob seine Kinder verstünden, wa-
United Nations Assistance Mission in Afgha-          rum ihr Vater das Land hatte verlassen müssen,
nistan = Unterstützungsmission der
                                                     antwortet der Afghane: „Sie sind noch zu klein.
Vereinten Nationen in Afghanistan

                                                                                                     
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Angehörigensuche an der Pinnwand des Flüchtlingsheims

Erst zwei und sechs Jahre alt. Aber der Ältere         Jeep. „Rumsitzen, trinken, schlafen – das hier ist
hat manchmal gesagt: ‚Was wollen die Taliban           kein Leben. Ich habe studiert und möchte arbei-
von uns? Wir haben ihnen doch nichts getan‘.“          ten. Hätte ich nicht fliehen müssen, wäre ich nie
Über das Internet steht Samir noch regelmäßig          nach Deutschland gekommen. Schon allein we-
in Kontakt mit seiner Familie in Afghanistan. Er       gen meiner Familie“, sagt Samir kopfschüttelnd
zeigt ein paar Bilder aus seiner Vergangenheit auf     und mit versteinerter Miene.
seinem Handy. Besonders lange verweilt er auf             Sprachlehrerin Claudia Grohmann packt ihre
einem Bild mit seinen Kollegen vor einem UN-           Unterlagen zusammen und hört Samirs Erzäh-

                                 Eine Flucht, viele Stationen
Bis ein Mensch auf der Flucht in Deutschland           1.000 Asylbewerber auf 15 Gemeinschaftsun-
ankommt, hat er meist schon viele Länder               terkünften untergebracht - und dort müssen
durchquert. Die typischen Flüchtlingsrou-              sie auch bleiben, bis der Asylantrag durch ist.
ten führen über das Mittelmeer durch Italien           In den Gemeinschaftsunterkünften Atrium
und über die Balkanstaaten - angesichts des            und Steinstraße sind viele Familien mit jungen
Grenzschutzes durch „Frontex“ und die EU-              Kindern; unbegleitete Jugendlichen kommen
weite Zusammenarbeit kommen die meisten                zum Beispiel ins Pestalozzi-Dorf Wahlwies.
aber per Flugzeug in Deutschland und Europa            Die Zimmer werden nach Nationalitäten bzw.
an. Ein Flüchtling kann sich bei jeder Behörde         Sprachen belegt. Nach einer Sperrfrist von
als asylsuchend zu erkennen geben. Die Erst-           neun Monaten dürfen Asylbewerber eine Ar-
aufnahmestellen in Baden-Württemberg sind              beit aufnehmen - unter der Bedingung, dass
Meßstetten und Karlsruhe, bundesweit gibt              sich kein EU-Bürger um die Stelle bewirbt.
es rund 20 hiervon. Nach der Registrierung             Gerade für Flüchtlinge gestaltet sich die Woh-
und der Antragsstellung geht es von dort               nungssuche nach erfolgreichem Asylantrag
nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel             schwierig; hierfür können sie in sogenannte
weiter in eine zugewiesenen Stadt oder einen           Anschlussunterkünfte ziehen. Erst, wenn aus
zugewiesenen Landkreis: 12.98 Prozent der              der Aufenthaltserlaubnis eine unbefristete
Flüchtlinge in Deutschland kommen nach Ba-             Niederlassungserlaubnis geworden ist, be-
den-Württemberg, 2.67 Prozent davon in den             steht die Möglichkeit zur Einbürgerung.
Landkreis Konstanz. Dort sind derzeit rund


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„Flüchtlingseigenschaft“, „Subsidiärer Schutz“
                           und andere Aufenthaltsgründe
Unter Berücksichtigung der Genfer Flücht-             Einwanderer. Diese Fluchtgründe gelten auch
lingskonvention lässt sich auch Flüchtlingen,         nicht als „ernsthafter Schaden“, der nach EU-
die wegen ihrer religiösen, ethnischen, nati-         Recht zu einem „subsidiären Schutz“ berech-
onalen oder sozialen Zugehörigkeit verfolgt           tigt. Klima- und Wirtschafsflüchtlinge erhal-
werden, die Flüchtlingseigenschaft zuer-              ten einzig Zuflucht in Deutschland, sofern
kennen. Somit können auch Menschen, die               sie als Kontingentsflüchtlinge im Zuge einer
nicht zu politischem Asyl berechtigt sind, in         humanitären Hilfsaktion in Deutschland auf-
Deutschland Zuflucht finden. Gegebenenfalls           genommen werden - oder sie finden in ei-
treffen sowohl Asyl- als auch Flüchtlingsei-          ner deutschen Botschaft Unterkunft, erhalten
genschaft zu. Menschen, die aufgrund von              also diplomatisches Asyl, was vor allem im
wirtschaftlicher Not oder Naturkatastrophen           Zuge der Wiedervereinigung relativ häufig
fliehen, gelten jedoch zumeist als illegale           vorkam.

lung bis zu ihrem Ende zu, um sich erst danach        nicht töten und floh über verschiedene Zwischen-
zu verabschieden. Nevin und Samir begleiten sie       stationen nach Europa. Seine Frau und seine zwei
nach draußen. Grohmann schüttelt die Hände            Jahre alte Tochter sind noch immer in einem
der beiden Männer und sagt, sie wünsche beiden,       kurdischen Grenzdorf nördlich von Aleppo und
dass alles gut gehe. Nevin und Samir stehen vor       unweit von Kobane. Über WhatsApp kann Ne-
der gläsernen Eingangstür der Gemeinschaftsun-        vin in unregelmäßigen Abständen Kontakt mit
terkunft. Gegenüber liegt eine Baustelle, links ein   ihnen aufnehmen. Jedes Mal muss er fürchten,
Kinderspielplatz. Die sonnenbeschienene Front         dass die Truppen des IS oder die syrische Armee
des Gebäudes in ihrem Rücken ist mit Satelliten-      in sein Dorf gekommen sind. Der junge Famili-
schüsseln übersäht. Ein paar vereinzelte Gesichter    envater lenkt sich so gut es geht ab und versucht
sind in den Fenstern zu sehen, die sich der Sonne     nur wenig in seinem Zimmer zu sitzen, wo er
entgegenstrecken oder einfach nur eine Zigarette      nichts anderes tun könne, als an Syrien zu den-
rauchen. Ein Mann sitzt mit seiner Shishapfeife       ken. Immer wieder wolle er zurück nach Syrien,
auf einer Bank neben der Eingangstür. Nevin           auch wenn er wisse, dass es sehr gefährlich sei.
zündet sich eine Zigarette an und hält kurz inne:     Dann sagt er: „Wenn ich sterben muss, dann mit
„Alles, was ich habe, wurde mir genommen.“            meiner Familie.“
                                                         Samir lädt zu Kaffee und Tee in seinem Zimmer
„Wenn ich sterben muss, dann mit meiner               ein. Der Weg dorthin führt wieder zurück durch
                Familie“                              die große Eingangshalle der Gemeinschaftsun-
                                                      terkunft, wo sich das Sonnenlicht verliert. Vor
   Der junge Syrer hat Mechanical Enigineering        der gewunden Treppe ins Obergeschoss stehen
studiert und kam gerade von seiner Arbeit auf         einige leere Kinderwägen. Der Geruch von ange-
einer Baustelle in Dubai zurück, als er am Flug-      branntem Essen und trocknender Wäsche liegt
hafen festgenommen und von der syrischen Ar-          in der Luft. Aus den oberen Stockwerken drin-
mee dazu gezwungen wurde, für Präsident Assad         gen Männer-, Frauen-, und Kinderstimmen, die
gegen die Rebellen zu kämpfen. „Mir wurde ein         in dem großen Gebäude ein wenig widerhallen.
Gewehr in die Hand gedrückt und ich sollte Men-       Samirs Zimmer im obersten Stockwerk ist eines
schen erschießen“, erinnert sich Nevin. Er wollte     der Schöneren in der Unterkunft. Er teilt es sich

                                                                                                     
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mit zwei weiteren Afghanen. Es gibt drei Betten        das auch wehmütig und sehnsüchtig.“
und ein Waschbecken, einen Fernseher und ein              Bevor der Krieg in Syrien begann, hatte Nevin
Fenster, durch das man den Turm des Münsters           eine hohe Meinung von seinem Präsidenten. Er
in der Ferne erkennen kann. Samir reicht Kaffee        sagt: „Wir alle mochten ihn wirklich. Wir dach-
und Tee. Auch Nevin zeigt nun einige Bilder auf        ten, er wüsste auf alle Probleme eine Antwort.“
dem Smartphone: Bilder seiner Frau und seiner          Das hat sich geändert. Über die momentane Ent-
Tochter, die noch im Kriegsgebiet sind. Die rest-      wicklung in Syrien und Kobane ist er genaue-
liche Familie – seine Eltern, sein siebenjähriger      stens informiert, ganz im Gegensatz zu Samir –
Bruder und seine beiden Schwestern, 19 und 24, -       der, auf die aktuelle Situation angesprochen, nur
sind ebenfalls in Deutschland, in einer Gemein-        meint: „Ich schaue keine Nachrichten mehr. Ich
schaftsunterkunft bei Stuttgart. Und sein Onkel,       will keine Neuigkeiten mehr sehen, nach allem,
der mittlerweile Asyl bewilligt bekommen hat,          was geschehen ist. Nie mehr.“
wohnt und arbeitet in Konstanz. „Ich bin froh, so         Es ist fünf Uhr am Nachmittag. Samir will
schnell Anschluss gefunden zu haben, an ande-          noch mit seinem Zimmergenossen etwas kochen.
re Kurden“, erzählt Nevin. „Nächste Woche wird         Nevin macht, mal wieder, einen Spaziergang.
hier in Konstanz das kurdische Neujahrsfest            Was sie heute sonst noch so machen?
Newroz gefeiert – einerseits ist es schön, ein biss-      „Ins Bett gehen. Hoffentlich gleich einschla-
chen Heimat hierher zu holen, anderseits macht         fen. Nicht zu viel nachdenken.“

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                                                                    Geflüchtete
    Ein Kommentar zur Flüchtlingspolitik in             Eine Glosse über Sprachprobleme von Jacqueline
         Deutschland von Uwe Braun                                               Berl

Durch den wachsenden Strom an Flüchtlingen wer-         Der aktive ´Geflüchtete´ tritt stärker auf als der ver-
den Länder und Kommunen vor unterschiedlichste          niedlichte ´Flüchtling´. Der ´Flüchtling´ wiederum,
Herausforderungen gestellt. So muss etwa Wohn-          hat die verbale Tradition auf seiner Seite und be-
raum gefunden, Betreuung organisiert und Integra-       harrt auf die allgemeine Gebräuchlichkeit. Dagegen
tion gefördert werden. Zudem gilt es, Aufklärungs-      trumpft der ´Geflüchtete´ mit politischer Korrekt-
arbeit in der Bevölkerung zu leisten. Zu diskutieren    heit. Ich überlege hin und her, welche Bezeichnung
und zu informieren, um unbegründete Ängste und          zu meinem Artikel, meiner Leserschaft und meinem
Vorbehalte unter den Einheimischen zu zerstreuen.       Stil am besten passt. Einerseits kenne ich Menschen,
Nur so können eine tiefergehende Willkommenskul-        die sich selbst als ´Flüchtlinge´ bezeichnen. Nie ist
tur und eine breitere Akzeptanz für die Aufnahme        mir in den Sinn gekommen, dass die Benutzung jenes
von politischen Flüchtlingen erreicht werden. Dass      Wortes bereits als Angriff gewertet werden könnte.
wir davon jedoch noch ein ganzes Stück entfernt         Andererseits gibt der Anhang „-ling“ in der deut-
sind, ist unter anderem ein Resultat der verfehlten     schen Sprache einem neutralen Wort schnell einen
(Asyl-)Politik der letzten Jahre. Zu lange scheuten     negativen Beigeschmack. Der ´Jüngling´ ist doch
sich die Granden der Parteien, das heikle Thema und     um einiges dämlicher als der Junge, der ´Fremdling´
die damit verbundenen Probleme aktiv und offensiv       verstörender als der Fremde und der ´Schönling´ we-
anzugehen. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.    niger sympathisch als der Schöne. Hinzu kommt die
Die Quittung für diesen Kurs der Untätigkeit hat die    Passivität, die dem „-ling“ anhaftet. Häftling, Prüf-
Politik jetzt bekommen: Massendemos à la Pegida,        ling, Schützling, Findling und Zögling lassen ihren
Drohungen gegen Migrationspolitiker sowie den ra-       Sein-Zustand eher über sich ergehen, als diesen zu
piden Anstieg von flüchtlingsbezogenen Straftaten.      bestimmen. Nein, die deutsche Sprache meint nichts
Immer deutlicher wird, welche Sprengkraft in der        Gutes, wenn sie einem Wort ein „-ling“ anhängt. Da
Flüchtlingswelle steckt. Gleichzeitig wachsen Unzu-     ereilt mich eine Erkenntnis, die mein Privatleben in
friedenheit und Unsicherheit bei Bevölkerung und        einem völlig anderen Licht erscheinen lässt. Ich habe
Asylbewerben gleichermaßen. Der Bund muss nun           meinen Freund jahrelang mit der Bezeichnung ´Lieb-
entschlossen handeln und gemeinsam mit Ländern          ling´ entwürdigt und bevormundet, ohne dies über-
und Gemeinden an umfassenden Lösungen arbei-            haupt zu bemerken. Oh deutsche Sprache! Nur einmal
ten, anstatt sie weiterhin mit ihren Problemen allein   will ich dich gebrauchen, ohne wie ein Arschloch da-
zu lassen. Nur so kann Deutschlands Asylpolitik im      zustehen! Warum machst du es mir so schwer?
Sinne von Flüchtlingen und Einheimischen gestaltet
werden. Denn wir alle verdienen ein Leben in Frei-
heit, ohne Krieg und Angst. Und die Hoffnung auf
eine bessere Zukunft; egal ob Flüchtling oder nicht.

                                                                                                            11
Seezeit ist grün – im Großen wie im
                                            Kleinen
                      Text: Anna Lisa Alves Illustration: Maike Holzke
                     100 Prozent Ökostrom in allen Seezeit-
                     Einrichtungen
                     Schon seit 2011 bezieht ein Großteil der Seezeit-
                     Wohnanlagen Ökostrom – seit dem 1. Januar 2015
                     werden alle Einrichtungen mit sauberem Strom ver-
                     sorgt. Somit erhalten neben den 18 Wohnanlagen
                     jetzt auch acht Mensen und Cafeterien, zwei Kinder-
                     tagesstätten beziehungsweise –krippen sowie die Ver-
                     waltungseinrichtungen des Studierendenwerks den
                     umweltfreundlichen Strom. Geschäftsführer Helmut
                     Baumgartl betont die Bedeutsamkeit des Ökostroms:
                     „Mit der kompletten Umstellung sind wir einen
                     Schritt weiter, hin zu einer nachhaltigen Ressourcen-
                     Nutzung, gegangen. Als Großverbraucher können
                     wir damit einen bedeutenden ökologischen Beitrag
                     leisten: Wir kochen pro Jahr fast eine Million Mensa-
                     essen, bearbeiten über 6.000 BAföG-Anträge und ver-
Seezeit informiert

                     sorgen permanent rund 3.000 Mieter – und das alles
                     ab sofort klimaneutral mit Strom aus regenerativen
                     Energiequellen.“ Den Ökostrom aus Wasserkraft be-
                     zieht Seezeit nach einer öffentlichen Ausschreibung
                     von den Stadtwerken Bad Kissingen, mit denen das
                     Studierendenwerk im letzten Jahr einen Zweijahres-
                     vertrag abgeschlossen hat.

                                                                             Kaffee trinken, Klima schützen
                                                                             Kaffee an der Uni ist für viele Studenten ein Muss
                                                                             – und in der Menseria Gießberg und dem Campus-
                                                                             Café auch ein interessantes Projekt zum Klimaschutz.
                                                                             Jeder hier verkaufte To-Go-Becher unterstützt mit
                                                                             einem beziehungsweise fünf Cent verschiedene Kli-
                                                                             maschutzprojekte der Organisation Atmosfair. At-
                                                                             mosfair investiert dieses Geld unter anderem in ver-
                                                                             schiedene Effizienz-Projekte in Nigeria, Indien und
                                                                             Kenia. Durch die Spenden aus To-Go-Bechern konn-
                                                                             ten Atmosfair im vergangenen Jahr mehr als 5000,-
                                                                             Euro übergeben werden, was einer Einsparung von
                                                                             rund 240 Tonnen CO2 entspricht. Wer noch umwelt-
                                                                             freundlicher Kaffee – der übrigens fair gehandelt ist
                                                                             – bei Seezeit trinken möchte, wählt im Campus-Café
                                                                             den klassischen Pfand-Porzellanbecher.
Text: Lisa Zacher Illustration: Maike Holzke

 Orientierung für ausländische Studierende – Seezeit
           unterstützt, berät und regt an

                                                                                                                  Seezeit informiert
„Studieren, wo andere Urlaub machen“, lautet der         zusammen. Das Forum hat unter anderem beim Aus-
Werbeslogan der Konstanzer Hochschulen. Das reizt        länderamt einen Infoflyer angeregt, der auf Deutsch,
nicht nur deutsche Studenten, sondern lockt Men-         Englisch und Chinesisch erhältlich ist. Dieser infor-
schen aus der ganzen Welt an. Doch wer hier leben        miert über einzelne rechtliche Aspekte, die auslän-
will, braucht auch eine Wohnung.                         dische Studierende bei ihrem Aufenthalt in Deutsch-
                                                         land beachten müssen.
Da es nicht leicht ist, in einem fremden Land eine Un-
terkunft zu finden, bietet Seezeit Unterstützung: Für    Weitere Angebote der Sozialberatung von Seezeit,
Programmstudenten ist ein Zimmerkontingent reser-        die auch ausländische Studierende wahrnehmen
viert. Sogenannte Freemover, die ihr Auslandsstudi-      können, umfassen beispielsweise finanzielle Unter-
um autonom organisieren, können sich aber ebenfalls      stützung über Studienkredite, Freitisch oder Nothil-
für ein Zimmer bei Seezeit bewerben. Eine günstige       fen, Studienabschlusshilfen, Jobben im Studium und
Bleibe ist jedoch nicht alles: Tutoren in den Wohnhei-   ausländerrechtliche Regelungen. Außerdem können
men kümmern sich um die ausländischen Studenten,         ausländische Studierende die Angebote der psycho-
sind Ansprechpartner bei Problemen und bieten sozi-      therapeutischen Beratungsstelle nutzen.
ale und kulturelle Betreuung. Durch die Organisation     Insgesamt 1786 ausländische Studenten hat es im Win-
von Kennenlern-Aktionen sorgen sie für die Integra-      tersemester 2013/14 an die Konstanzer Hochschulen
tion der internationalen Studenten.                      getrieben, Tendenz steigend. Die Studenten kommen
                                                         aus der ganzen Welt. Knapp 70 Prozent sind europä-
Um die Beratungsangebote für ausländische Studie-        ische Staatsbürger, etwas über 20 Prozent stammen
rende weiterzuentwickeln und miteinander zu ver-         aus dem asiatischen Raum. Andere kommen aus Afri-
netzen organisiert Seezeit regelmäßig einen runden       ka, Australien, den USA oder Südamerika.
Tisch. Verschiedene Betreuungseinrichtungen der
Hochschulen, der Hochschulgemeinden, der Stadt
sowie der Studierendenvertretungen kommen hier

                                                                                                           13
Text aufgeschrieben von: Christin Gas Foto: Nicolas Kienzler

      Zwischen Deutschland und
              dem Iran
Mein Name ist Said*, ich bin 32 Jahre alt. Der      Es ist schwer, nicht zu wissen, was aus dir wird.
Iran ist meine Heimat. Dort bin ich aufgewach-      Ich habe angefangen, die Sprache zu lernen, jeden
sen, dort habe ich meine Freunde und dort habe      Tag habe ich gelernt und ein paar Kurzpraktika
ich studiert. Wirtschaftingenieurwesen. Hier in     konnte ich auch machen. Nur die Arbeitserlaub-
Deutschland zu sein fühlt sich an, als wäre ich     nis habe ich lange nicht bekommen. Ich glaube,
ein Baum, der jahrelang in der gleichen Erde ge-    die Behörden wollen nicht, dass wir hier arbei-
steckt hat, plötzlich mit seinen Wurzeln rausge-    ten oder bessere Jobs bekommen. Die von der
rissen wird, und in eine neue Erde kommt. Es ist    Ausländerbehörde schauen dich sowieso immer
immer noch Erde, aber nicht die Gleiche.            so schief an. Ganz am Anfang habe ich gesagt,
                                                    dass ich Englisch sprechen kann. Die haben sich
    Meine Familie und ich waren in Teheran po-      dann über mich lustig gemacht, komische Fragen
litisch aktiv und Gegner von Expräsident Ahma-      gestellt. Die nutzen es aus, den Sprachvorteil zu
dinedschad. Bis zu dem Tag, an dem der Verlobte     haben, machen dich fertig. Meine Mutter sagt
meiner Schwester festgenommen wurde. Wir            immer, dass ich nicht so über die Behörden reden
wissen bis heute nicht, was aus ihm geworden ist.   soll. Sie hat Angst, dass dann etwas passiert. Aber
Verwandte haben uns daraufhin versteckt und         die Gruppen und Organisationen für Flüchtlinge
organisierten einen Schlepper. 30.000 Euro zahl-    wie ‚Save Me‘ machen die Arbeit ja auch ganz gut.
ten wir ihm für die Überfahrt nach Deutschland,     Dadurch fühlt man sich angenommen, und es ist
für mich, meine drei Schwestern und meine Mut-      besser, seit es die Essensmarken nicht mehr gibt,
ter. Der Schlepper brachte uns mit unseren Ruck-    für die man Lebensmittel bekommen hat. Damit
säcken und Tüten zur türkischen Grenze und be-      an der Kasse zu stehen war peinlich. Aber die
stach die Wachposten. Auch an dem türkischen        Kultur hier ist ganz anders. Die Deutschen sind
Flughafen kannte er fast jeden und schon waren      meistens völlig verschlossen, da weiß ich nie, ob
wir in Deutschland. Erst, als ich die Geschich-     mich die anderen Menschen mögen oder nicht.
te eines anderen iranischen Flüchtlings hörte,      Und die Isolation hier finde ich schlimm. Wenn
wusste ich, dass wir es damals gut hatten: er       du sagst, dass du Asylant bist, sind die Men-
sagte, er sei mit dem Boot bis nach Griechenland    schen immer nur interessiert oder mitleidig statt
gefahren. Den restlichen Weg musste er laufen.      freundschaftlich und gehen dann auf Abstand.

   Wir kamen im Oktober 2012 in Köln an und            Ich würde gerne an der Fachhochschule BWL
reisten weiter nach Düsseldorf. Am 28. Januar       studieren, das ist zurzeit mein Lichtblick. Mein
2015 wurden wir als Flüchtlinge anerkannt und       Abschluss aus dem Iran wird hier als Abitur an-
nach Konstanz geschickt. In Konstanz haben          erkannt. Wenn man mich dann fragt, was ich
wir erst in einer Gemeinschaftsunterkunft in        mache, muss ich nicht mehr sagen: „Ich bin Asy-
der Steinstraße gewohnt. Das war eine schwere       lant.“ Dann bin ich Student und habe eine Auf-
Zeit, es war dort überall dreckig, kalt und laut.   gabe. Doch von zu Hause, dem Iran, träume ich
Da wurde auch sehr oft geklaut, aber das kann       nachts immer noch.
man eigentlich nicht pauschalisieren, die meisten
Syrer sind zum Beispiel sehr warmherzige Men-         *Name wurde geändert.
schen. Später haben wir eine Wohnung in der He-
gaustraße bekommen.

                                                                                                     15
Text: Marc-Julien Heinsch Illustration: Maike Holzke

             Umfrage: Was wünschst du dir für
              deine Zukunft in Deutschland?

           Samir, 39, aus Afghanistan,
         seit zwei Monaten in Konstanz
  I want to make my Master’s Degree at the
 university. I studied Law and Politics in Af-
ghanistan and I want to continue this part of
 my life. My original documents are kept in
Sweden and they will only give them back to
 me if I go back to Afghanistan. But without
my documents I can’t study at the university.

             Birhan,20, aus Eritrea,
         seit zehn Monaten in Konstanz
 Ich wünsche mir nur Frieden. Ich gehe in
 Radolfzell in die Berufsschule. Ich habe in
Eritrea schon zwei Jahre eine Ausbildung als
Automechaniker gemacht. Ich will auch hier
 in Deutschland Automechaniker werden.

                                                                        Abdell, 24, aus Eritrea,
                                                                    seit zehn Monaten in Konstanz
                                                            Wie kann ich Frieden finden? Ich gehe in die
                                                            Schule und lerne dort. Ich möchte mir eine
                                                            Zukunft aufbauen. Wenn ich mir einen Beruf
                                                            wünschen könnte, dann würde ich KFZ-Me-
                                                                       chatroniker werden.
    16
Eine Ausgabe mit dem Schwerpunkt Flüchtlinge. Hier soll das große,
    hohle Schlagwort, das durch alle Medien geistert, mit den Menschen
      und ihren Geschichten gefüllt werden. An dieser Stelle kommen
      deshalb, nicht wie sonst, Studenten zu Wort, sondern sechs nach
     Deutschland geflüchtete Männer aus der Gemeinschaftsunterkunft
       Steinstraße. Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

                                               Said, 32, aus dem Iran, bereits aus der Stein-
                                               strasse aus- und in eine Wohngemeinschaft
                                               eingezogen, seit zwei Jahren und sechs Mo-
                                                             naten in Konstanz
                                               Ich wünsche mir eine bessere und warm-
                                               herzigere Umgebung. Mir geht es richtig auf
                                               die Nerven, dass Menschen mir gegenüber
                                               zurückhaltend und abweisend sind. Im Ver-
                                               gleich zu vielen anderen bin ich aber super
                                               integriert. Ich wohne aber schon lange nicht
                                               mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft und
                                               nutze alles, was mir zusteht richtig aus. So-
                                               wohl Freizeitangebote, wie das Fitnessstudio,
                                               als auch soziale Kontakte, um Unterstützung
                                                               zu bekommen.

                                                            Nevin, 27, aus Syrien,
                                                      seit zwei Monaten in Konstanz
                                               Number one is to bring my wife and daughter
                                               here to Germany. That is the most important
                                               thing for me. Second would be to work here in
                                               Germany. Back in Syria I studied Mechanical
                                               Engineering and then I always heard of Ger-
                                               many. That the Germans are good with me-
                                               chanics and they have got famous companies
           Isaac, 20, aus Eritrea,
      seit zehn Monaten in Konstanz            like Mercedes, BMW and Audi. But the most
Ich hoffe, hier Frieden zu haben. Ich möchte           important thing is my family.
       auch Automechaniker werden.
                                                                                        17
Text: Charlotte Hütten Foto: Harald Waldrich

     Internationale Vorbereitungsklassen in
                    Konstanz

Die Aussicht auf Arbeit, Asyl oder Freunde und Verwandte, viele Gründe führen
die Menschen nach Deutschland. Häufig sind unter den Migranten Kinder und
Jugendliche, für die in Deutschland die Schulpflicht gilt. Doch wie soll ein Kind,
         das kaum oder gar nicht Deutsch spricht, diese Pflicht erfüllen?

Abhilfe sollen sogenannte Internationale        Anfangs wird das Arbeitsverhalten der Schü-
Vorbereitungsklassen (VKL) schaffen. Die-       ler beobachtet, sowie der Lernstand in Ma-
se werden gegründet, sobald es mindestens       thematik und Englisch festgestellt. Die amt-
zehn Schüler vor Ort gibt, die auf eine sol-    lich geforderte, sofortige Teileingliederung
che Klasse angewiesen sind. Verantwortlich      in die Regelklassen findet zunächst in den
für die Sekundarstufe in Konstanz zeich-        spracharmen Fächern, wie Sport und Bilden-
net sich in diesem Bereich die Geschwister-     de Kunst statt. Der Aufenthalt in der VKL
Scholl-Schule (GSS). Dirk Tinner, Leiter der    soll in der Regel ein Jahr nicht überschreiten.
Werkrealschule der GSS und Klassenleh-          Es kann jedoch sein, dass ein Kind in seinem
rer der VKL3, nahm sich die Zeit, Campuls       Herkunftsland keinen regelmäßigen Schul-
das VKL-Programm zu erläutern. Die Kin-         besuch kannte, mit vierzehn Jahren also auf
der der VKL stammen aus Syrien, Ländern         dem Bildungsstand eines deutschen Erstkläss-
des ehemaligen Jugoslawien, aber auch aus       lers ist. Das aufzuholen, ist in der Kürze un-
Nachbarstaaten wie Italien. So vielseitig die   möglich. „Man braucht eine gepflegte Kultur
Nationalitäten, so auch ihr Weg in die VKL.     des Scheiterns“, meint Tinner und ermuntert
Über Verwandte, Sozialarbeiter oder Kon-        dazu, auch mal einen Schritt zurückzugehen.
takte zur Moschee werden die Kinder an die      Man müsse die Besonderheiten akzeptieren,
Schule vermittelt. Die Lehrer der GSS erhe-     sie vielleicht auch als Stärke sehen. Um die-
ben in einem etwa einstündigen Gespräch,        sen Besonderheiten gerecht zu werden, glie-
zu dem gegebenenfalls ein ehrenamtlicher        dert sich der Aufgabenbereich der VKL, die
Dolmetscher hinzugezogen wird, die bishe-       seit diesem Jahr aufgrund der stark erhöhten
rige Schullaufbahn des Schülers. Das kann       Nachfrage nicht mehr nach Sprachstand-
durchaus schwierig sein, da sich die Schulsy-   niveau, sondern nach Altersstufen aufgeteilt
steme oftmals elementar unterscheiden. Zu-      wird, in drei Hauptbereiche: Deutsch lernen,
dem sind bei Kindern aus Kriegsgebieten die     Fachspracherwerb und schulische Eingliede-
Zeugnisse oft verloren oder zerstört.           rung. Zur Letzteren gehören grundlegende

18
Im Gespräch mit Dirk Tinner von der Geschwister-Scholl-Schule Konstanz

Dinge wie das Erledigen der Hausaufgaben,              Tag ein Neuer kommen.“ Zurzeit sind es 78
eine aktive Elternrolle oder das Einhalten der         Schüler. Auch die Notengebung muss indi-
Schulpflicht. Auch kulturelle Unterschiede             viduell getroffen werden und zugleich Hand
spielen eine Rolle: „Einer der Schüler steht           und Fuß haben. Die Frage nach der Form des
immer auf, wenn ich mit ihm spreche. Das ist           Nachteilsausgleiches stellt sich daher immer
so in Syrien“, erklärt Tinner. Zudem müssen            wieder. „Ich muss Verantwortung tragen,
Räume und Möglichkeiten für die Kinder ge-             für das, was ich tue“, stellt Tinner klar und
schaffen werden, um in Ruhe zu lernen. Ge-             rekurriert auf die im Baden-Württember-
rade in Flüchtlingsheimen, in denen sich bis           gischen Schulrecht festgesetzte pädagogische
zu acht Personen ein Zimmer teilen, herrscht           Verantwortung. Gleichzeitig müsse er sich
selten Stille. Hilfreich ist hier die Zusammen-        der Grenzen des Möglichen bewusst sein.
arbeit mit ehrenamtlichen Patenprogram-                „Ich habe auch Schüler, wo ich einfach ak-
men, sowie die Kooperation mit der Universi-           zeptieren muss: Ein deutscher Schulabschluss
tät Konstanz, deren Studierende im Rahmen              wird schwer zu erreichen sein.“ Hier wird
eines Seminars zur Mehrsprachigkeit in der             die Nähe zum Arbeitsmarkt gesucht. „Das
Schule in den VKLs assistieren. Die Organi-            ganze System basiert darauf, dass man sagt:
sation solcher Projekte, so hofft Tinner, wird         Schüler, die nicht gut genug Deutsch können,
sich in Zukunft dank einer neu geschaffenen            können halt nur einen Hauptschulabschluss
Koordinationsstelle der Stadt Konstanz und             machen“, kritisiert Tinner. Erst ein Ministe-
des Landratsamtes effektiver gestalten.                rialerlass des Kultusministers Andreas Stoch
Trotz vierjähriger Erfahrung an der GSS kann           befähigte neben den Hauptschulen auch Re-
man nie von einem Regelfall sprechen. Jeder            alschulen und Gymnasien zur Gründung ei-
Schüler hat einen individuell zugeschnittenen          ner VKL. Die Geschwister-Scholl-Schule, die
Stundenplan, der dreimal jährlich überarbei-           alle Schulformen unter einem Dach vereint,
tet wird. Zudem ist die Anzahl der Schüler             ist für diese Aufgabe bestens geeignet.
nur schwer einzuschätzen. „Es kann jeden

                                                                                                 19
Text: Jacqueline Berl Foto: Harald Waldrich, Nicolas Kienzler

                 Studenten für Flüchtlinge
Lorenz hilft Flüchtlingen in Konstanz Fuß zu fassen und bietet Pegida mit mul-
tikulturellen Festen lautstark die Stirn. Mit seinem Engagement zeigt er, wie Stu-
denten die Stadt Konstanz weltoffener und hilfsbereiter machen können. Hier er-
zählt er über die Arbeit mit Flüchtlingen, die Kämpfe mit den Behörden und wie
               Musik Sprach- und Kulturgrenzen überwinden kann.

Warum engagierst du dich für Flüchtlinge?            Patenschaften für Flüchtlinge übernehmen und
Lorenz: Ein Schlüsselerlebnis war für mich, als      so zum persönlichen Ansprechpartner werden,
ich von Marokko nach Spanien gereist bin und         der beispielsweise bei Behördengängen und bei
am Containerhafen von Tanger direkt miterlebt        der Wohnungssuche hilft. Die Hochschulgrup-
habe, wie sogenannte „Illegale“ versucht haben,      pe B-welcome leitet unter anderem das Über-
sich unter LKWs zu verstecken, um auf die Boote      setzungsbüro TransKon im Treffpunkt Peters-
zu kommen und wie brutal sie da teilweise von        hausen. Dort werden immer Leute gesucht, die
der Polizei mit Spürhunden gesucht und rausge-       beispielsweise Russisch, Serbisch oder Arabisch
zerrt wurden. Das zu beobachten war für mich         sprechen können, um beim Übersetzen zu hel-
ein Schock. Eine Person, die mich inspiriert hat,    fen. Außerdem hat B-welcome ein Welcome-Pa-
ist Andrea Pacheco Pacífico, eine Dozentin bei       cket für Flüchtlinge zusammengestellt, in dem
der ich während meines Auslandsaufenthalts in        alle nützlichen Informationen (wo ist das Aus-
Brasilien ein Seminar zum Thema Migration und        länderamt? Wo ist das Jobcenter? Wo kann man
Asyl besucht habe. Da wurde ich inhaltlich über      günstig ein Fahrrad bekommen?) zusammenge-
den ganzen rechtlichen Hintergrund der Asyl-         fasst sind. Das Aktionsbündnis Abschiebestopp
frage, die bestehenden Konventionen und wie sie      versucht, wie der Name schon sagt, vor allem Ab-
verletzt werden, aufgeklärt. Als ich letzten April   schiebungen zu verhindern, beispielsweise durch
nach Konstanz zurückkam, wurde mir schnell           politischen Druck, Petitionen, Kundgebungen
klar, dass ich mich hier vor Ort engagieren will.    und Rechtsbeistand. Unsere neueste Organisa-
                                                     tion ist das Café Mondial. Wir wollen einen Ort
Was für Flüchtlingsorganisationen gibt es in         in Konstanz schaffen, der dem Grandhotel Cos-
Konstanz?                                            mopolis in Augsburg nachempfunden ist, wo Ho-
Lorenz: Amnesty International organisiert            tel, Flüchtlingsunterkunft, Gaststätte, Café-Bar
momentan jeden Mittwoch einen offenen Treff-         und Künstler-Ateliers unter einem Dach vereint
punkt im Thomas-Blarer-Haus in der Rhein-            werden. Leider haben wir noch keinen festen
gutstraße. Dort können Flüchtlinge und Anwoh-        Veranstaltungsort und sind deshalb „on Tour“ in
ner im lockeren Umfeld miteinander Kontakte          Konstanz. Das Konzept ist einfach: Wir wollen
knüpfen. Gemeinsam spielen und gemeinsam             einen multikulturellen Treffpunkt schaffen, wo
kochen hilft beim Deutsch lernen und verbessert      Menschen zusammen essen, reden, musizieren,
die Integration. Bei Save me Konstanz kann man       singen und sich einfach kennen lernen können.

20
Lorenz Neuberger hat Politik studiert und schreibt nun seine Doktorarbeit über international vergleichende
                                                  Flüchtlingspolitik.

Eine Plattform, wo sich kontaktfreudige Flücht-             gewinnen. Manchmal fragen mich Personen mit
linge, interessierte Studenten und alle ehrenamt-           Fluchthintergund: „Warum willst du mir hel-
lich Engagierten aus dem Bereich austauschen                fen? Warum tust du das?“. Die meisten sind von
können. Am 6. Juni werden wir zum Beispiel                  der Flucht traumatisiert und haben hierzulande
im Stadtgarten ein multikulturelles Open-air                nur selten zwischenmenschliche Unterstützung
Fest veranstalten mit Musikern, DJs und einem               erfahren. Dennoch haben wir inzwischen gute
Büffet, wo wie immer „all you can pay“ gilt, also           Verhältnisse mit manchen von ihnen aufbauen
jeder kann essen was er will und geben was er               können.
kann. Die ersten Veranstaltungen von Café Mon-
dial fanden am 15. März im Kunstatelier von Do-             Bekommt ihr für euer Engagement Unter-
minik Böhringer und am 22. März im Treffpunkt               stützung durch die Stadt Konstanz?
Petershausen statt und wurde von Konstanzern,               Lorenz: Zumindest offiziell pflegt die Stadt eine
Asylsuchenden und Gästen aus aller Welt super               Willkommenskultur. Die Integrationsbeauftrag-
aufgenommen. Es war schön zu sehen, wie all die             te Elke Cybulla unterstützt uns beispielsweise
Menschen mit unterschiedlichsten Hintergrün-                dadurch, dass die Miete für den Treffpunkt Pe-
den und Herkunftsorten miteinander in Kontakt               tershausen übernommen wird. Von der Stadt
kommen. Viele unsere Gäste bleiben sonst eher               würde ich mir noch wünschen, dass die Stelle
unter sich, auch wegen der Isolation, die sie nach          einer/s Flüchtlingsbeauftragten geschaffen wird,
ihrer Flucht hierzulande erfahren. In der ent-              welche/r sich ausschließlich um die Anliegen der
spannten, familiären Café Atmosphäre ist es da              Flüchtlinge und der ehrenamtlich Engagierten
leichter aus sich heraus zu kommen.                         kümmert, und wo alle Informationen zusam-
                                                            menlaufen und koordiniert werden können.
Hast du während deiner sozialen Arbeit auch                 Wenn die Stadt uns dazu noch bei der Suche nach
schon persönliche Freundschaften zu Flücht-                 einem festen Standort für das Café Mondial hel-
lingen aufgebaut?                                           fen würde, wären wir sehr dankbar. Es ist schwer
Lorenz: Ich denke, um eine richtige Freund-                 einen gemütlichen Ort mit Café-Atmosphäre, am
schaft aufzubauen, dauert es längere Zeit. Erst             besten auch noch in Laufweite zu den Flücht-
einmal muss man das Vertrauen des Anderen                   lingsunterkünften zu finden.

                                                                                                                   21
Im Café Mondial wird gemeinsam gegessen, geredet und gesungen. In dem multikulturellen Treffpunkt können sich
                                 Musiker, Poeten und Hobbyköche kreativ einbringen.

In welchen Bereichen braucht ihr noch mehr                   fets helfen. Ansonsten wäre es zum Beispiel noch
tatkräftige Unterstützung?                                   toll, einen Fahrradkurs für Flüchtlinge zu orga-
Lorenz: Vor allem bei der Rechtsberatung                     nisieren. Dafür bräuchte man eben noch Leute,
und der psychotherapeutischen Betreuung der                  die beim Fahren lernen und beim Reparieren der
Flüchtlinge. Viele der Helfer haben nicht so viel            Fahrräder helfen. Was wir auch immer brauchen
Ahnung von den gesetzlichen Hintergründen                    sind Leute, die bei der Kinderbetreuung helfen,
und die wenigen Rechtsanwälte, die bereit sind               sowie solche, die beim Deutschlernen Hilfe an-
Flüchtlinge zu vertreten, sind mit den ganzen                bieten können.
Anfragen komplett überlastet. Da kommen wir
mit unseren Anliegen kaum noch durch. Was es                 Was waren für dich die schönsten und was
auch gibt, ist die traumatologische Betreuung,               die traurigsten Momente, die du bei deiner
die von der Psychologin Maggie Schauer orga-                 Arbeit mit Flüchtlingen erlebt hast?
nisiert wird. Dort können ein paar Flüchtlinge               Lorenz: Es ist immer schön, wenn man jemanden
psychologischen Beistand bekommen, aber bei                  begleitet, der es schafft sich hier ein neues Leben
weitem nicht alle. Das ist auch ein Feld, wo wir             aufzubauen. Ein syrischer Flüchtling beispiels-
dringend noch mehr Unterstützung brauchen,                   weise, der erst letztes Jahr hier angekommen ist
denn jeder Asylbewerber, der nach Deutschland                und kein bisschen Deutsch verstand, kann sich
kommt, hat mindestens ein Trauma, wenn nicht                 heute fast flüssig mit mir auf Deutsch unter-
mehrere, erlitten. Für die Veranstaltungen des               halten. Wenn ich mitbekomme, wie es jemand
Café Mondial suchen wir auch immer Musiker,                  schafft, hier einen Job und eine Wohnung zu fin-
die vorbei kommen, um ein bisschen zu jammen,                den, ist das ein tolles Erfolgserlebnis. Die Veran-
Poeten, etc, die etwas vortragen oder Leute die              staltungen vom Café Mondial gehören natürlich
gerne kochen und bei der Vorbereitung des Buf-               auch zu den schönen Seiten der Flüchtlingsarbeit.

22
Wenn man da mit einem multikulturellen Fest
potentiellen Pegida-Mitläufern die Stirn bieten
und Präsenz zeigen kann, ist das ein tolles Erleb-      Amnesty International
nis. Auf der anderen Seite ist es natürlich frustrie-   Offene Gruppentreffen finden jeden
rend, wenn wir miterleben müssen, dass jemand           zweiten Mittwoch (in den geraden Ka-
abgeschoben wird, was zum Beispiel durch die            lenderwochen) um 20 Uhr statt, im
neue Gesetzeslage für Flüchtlinge aus dem West-         „Weltladen“ in der Rheingasse 13 in
balkan jetzt noch schneller geht. Dieses Denken         Konstanz.
in den Schubladen „guter Flüchtling“, „schlechter       Eine Untergruppe von Amnesty In-
Flüchtling“ sehe ich sehr kritisch. Für mich sind       ternational trifft sich außerdem jeden
das alles Menschen, die Hilfe brauchen.                 Mittwoch von 17 bis 19 Uhr im Erdge-
                                                        schoss des Thomas Blarer Hauses in der
Was rätst du Leuten, die selber aktiv werden
                                                        Rheingutstraße zum offenen Treffpunkt
wollen?
                                                        für Menschen mit und ohne Fluchthin-
Lorenz: Alle Organisationen von denen ich er-
                                                        tergrund.
                                                        http://www.amnesty-konstanz.de
zählt habe, suchen ehrenamtliche Mitarbeiter!
                                                        Facebook: Amnesty International Grup-
Ich weiß, es ist immer eine Überwindung das er-
                                                        pe Konstanz
ste Mal zu so einem Treffen oder in die Gemein-
schaftsunterkünfte zu gehen, wenn man nie-
                                                        Save me Konstanz
manden kennt. Deshalb sind die Veranstaltungen
                                                        Unter patenschaft@save-me-konstanz.de
vom Café Mondial, oder die Vernetzungstreffen,
                                                        kann man sich über Patenschaften für
welche momentan einmal pro Quartal stattfin-
                                                        Flüchtlinge in Konstanz informieren.
den, auch gute Möglichkeiten, einfach mal un-
                                                        B-welcome
verbindlich vorbei zu schauen und mit verschie-         http://b-welcome.org
denen Leuten ins Gespräch zu kommen.                    Facebook: b-welcome

Aktionsbündnis Abschiebestopp
http://abschiebestoppkn.blogsport.de
Facebook: abschiebestoppKN
Café Mondial
http://cafe-mondial.org
Facebook: Café Mondial Konstanz e.V.
Alle die mitmachen wollen oder Fragen
haben wenden sich am besten direkt an
post@cafe-mondial.org
Nächste bereits geplante Veranstaltung:
Café Mondial Open Air im Stadtgarten
am 6. Juni

                                                                                            23
„Englischer Rasen vom
 Konstanzer Studenten“

          WOHNEN.HELFEN.LEBEN.
          Wohnen für Hilfe Konstanz
          )CTVGPRƀGIG -KPFGT J×VGP 9QJPWPIURWV\ )GUGNNUEJCHV NGKUVGP Ō
          PCEJ FGO 2TKP\KR œ9QJPGP H×T *KNHGő WPVGTUV×V\GP -QPUVCP\GT
          5VWFKGTGPFGKJTG8GTOKGVGTKO#NNVCIWPFURCTGPUQGKPGP6GKNFGT/KGVG

          9GKVGTG+PHQTOCVKQPGPWPVGT
          Tel +49 7531 - 88 7405
          www.wfh-konstanz.com
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