Alveoläre Echinokokkose: Eine Herausforderung für Diagnostik, Therapie und Klinisches Management - RKI
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Epidemiologisches Bulletin 10. Oktober 2019 / Nr. 41 aktuelle daten und informationen zu infektionskrankheiten und public health Alveoläre Echinokokkose: Eine Herausforderung für Diagnostik, Therapie und Klinisches Management Diese Woche 41/2019 Einleitung Die Echinokokkosen des Menschen sind Zoonosen. Sie entstehen als Folge einer Alveoläre Echinokokkose: Eine Infektion mit den Larvenstadien der Gattung Echinococcus, bei denen der Mensch Herausforderung für Diagnostik, als Fehlzwischenwirt fungiert. Für Mitteleuropa bzw. Deutschland humanmedi- Therapie und Klinisches zinisch relevant sind die zystische Echinokokkose (CE), verursacht durch den Management Hundebandwurm (Echinococcus granulosus), und die alveoläre Echinokokkose (AE), verursacht durch den Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis). Da das Listeriose-Ausbruch mit Listeria Wachstumsverhalten der beiden Spezies unterschiedlich ist, resultieren zwei in monocytogenes Sequenz-Cluster- Diagnostik, Therapie und Prognose verschiedene Erkrankungen, zudem gibt es Typ 2521 (Sigma1) in Deutschland epidemiologische Unterschiede zu beachten.1-3 Der Nachweis von Echinococcus spp. ist in Deutschland gemäß § 7 Abs. 3 IfSG meldepflichtig. Die Meldung er- Informationsmaterial zur Grippe- folgt nichtnamentlich direkt an das Robert Koch-Institut (RKI). impfung für die Praxis Die weiteren Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die in Deutsch- Aktuelle Statistik meldepflichtiger land endemische Fuchsbandwurmerkrankung. Infektionskrankheiten 38. Woche 2019 Eine Erkrankung an AE liegt vor, wenn neben dem serologischen Nachweis auch ein morphologisches Korrelat in der Bildgebung bzw. ein positiver histo- pathologischer Befund oder ein Nukleinsäurenachweis (PCR) aus einer Gewe- beprobe vorliegt. Der alleinige Nachweis einer positiven Serologie ohne ein ent- sprechendes bildmorphologisches Korrelat ist nach derzeitigem Wissensstand nicht als Erkrankung zu werten.4 Verbreitung und Infektionswege Der Fuchsbandwurm, E. multilocularis, kommt überwiegend in den gemäßigten bis kalten Klimaebenen der Nordhalbkugel vor. In den letzten Jahrzehnten wird in Europa eine zunehmende Ausbreitung des Parasiten über die klassischen bekannten Endemiegebiete Süddeutschland, Ostfrankreich, Nordschweiz und Westösterreich hinaus berichtet.4-8 Einschließlich nicht autochthoner Fälle wur- den von 2001 – 2018 in 36 Ländern der nördlichen Hemisphäre humane Erkran- kungsfälle berichtet.9 Als nicht autochthone Fälle werden jene bezeichnet, die aus Ländern stammen, welche nicht als bekannte Gebiete für den Erwerb einer AE gelten, z. B. Südamerika und Afrika, wo überwiegend die CE vorkommt. Die meisten humanen AE-Erkrankungsfälle wurden in Frankreich, Deutschland, der Schweiz und Polen gemeldet, einschließlich China und Kirgisistan mit den höchsten Prävalenzzahlen. Erste Veröffentlichungen berichten von AE-Erkrankungsfällen auch in Tad- schikistan, Pakistan, Südkorea, Belgien, den Niederlanden, der Slowakei, Un- garn, Litauen, Lettland, Slowenien und Marokko in diesem Jahrhundert (s. Abb. 1, S. 424). Weitere erste Fälle in Taiwan, Thailand und Dänemark müssen als nicht-autochthone Fälle angesehen werden.9
424 Robert Koch-Institut Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 10. Oktober 2019 Legende Legende keine Berichte keine Berichte 1-2 Fälle 1-2 Fälle 3-28 Fälle 3-28 Fälle 29-99 Fälle >99 Fälle 29-99 Fälle >99 Fälle Abb. 1: Verbreitungskarte humaner alveolärer Echinokokkose-Erkrankungsfälle im Zeitraum 2001 bis 2018 9 Im Rahmen der Meldepflicht wurden dem RKI 2018 insge- weitere wichtige Risikofaktoren dar, ebenso wie direkter Kon- samt 56 Erkrankungsfälle berichtet (Stand: 07.10.2019).10 takt zu Füchsen im Rahmen von jagd- und forstwirtschaftli- Von einer deutlichen Dunkelziffer ist auszugehen, wie chen Tätigkeiten.15-16 Die Fuchsbandwurm-Erkrankung gilt Daten der Echinokokkose-Datenbank Deutschland am in Deutschland als anerkannte Berufskrankheit bei Land- Universitätsklinikum Ulm zeigen. Auch wenn verbesserte wirten. Zusätzlich scheint der Verzehr selbst angebauter diagnostische Verfahren, Prävention und Aufklärung so- Gemüse- und Gewürzpflanzen mit einem erhöhten Risiko wie die Verbesserung der Meldestrukturen und -verfahren assoziiert zu sein.15-16 Der Verzehr von Waldbeeren konnte sicher zum Anstieg beitragen, spielen wahrscheinlich wei- als Risikofaktor nicht bestätigt werden.15-16 tere Aspekte eine Rolle. Baden-Württemberg und Bayern tragen mit ca. 80 % aller Erkrankungsfälle die Hauptlast in Inkubationszeit und Infektionsweg Deutschland, aber auch die Fallzahlen in nördlicheren Bun- Die genaue Inkubationszeit der AE ist nicht bekannt, man desländern (z. B. Hessen und Rheinland-Pfalz) steigen an.10 geht davon aus, dass 10 – 15 Jahre vergehen, bevor eine Lä- Es zeigt sich eine deutliche Konzentration von humanen sion erkennbar wird. Beim Mensch kommt es nach oraler Erkrankungsfällen im Bereich der schwäbischen Alb, der Aufnahme der Eier des Parasiten und Magenpassage zum Alpen und dem Alpenvorland.11 Studien aus Deutschland, Schlüpfen der Onkosphärenlarven.1-3 Nach deren Darm- Frankreich und China zeigen eine Korrelation zwischen hu- durchtritt gelangen diese über die Portalvene zur Leber, manen Erkrankungsfällen und Umweltfaktoren wie Höhe, wo sich die Metazestode entwickeln kann. Der Befall der Niederschlag sowie Temperatur und Landschaftsstruktur, Leber ist mit > 98 % die häufigste Primärmanifestation die vermutlich Einfluss auf die Etablierung des Wirtszyklus der AE. Das Larvengewebe von E. multilocularis zeigt ein und Übertragungsrisikos im jeweiligen Gebiet haben.12-14 infiltrierendes, tumorartiges Wachstum, das sich von der Leber aus kontinuierlich auf benachbarte Strukturen bzw. Lebens- und Entwicklungszyklus Organe ausbreiten und/oder zu Fernmetastasen – die Be- Der adulte Parasit E. multilocularis besiedelt den Dünndarm siedelung entfernter Organe -– führen kann. Nicht selten des Rotfuchses (Vulpes vulpes) oder anderer Karnivoren (wie wird zunächst der Verdacht auf ein Malignom von Leber- Hunde, Marderhunde, seltener Katzen).1-3 Diese Endwirte bzw. Gallenwegen geäußert bzw. werden Lebermetastasen scheiden infektiöse Bandwurmeier über den Kot aus. So in vermutet.17 Nach Daten des europäischen Echinokokkose- die Umwelt gebracht bleiben sie unter günstigen klimati- Registers lag bei 34 % der Patienten bei Erstdiagnose bereits schen Bedingungen über Monate ansteckungsfähig. Aus der ein extrahepatischer Befall vor.7 Parasitäre Fernmetastasen Umwelt werden die Eier von kleinen Nagetieren oral auf- der AE finden sich am häufigsten in Lunge und Gehirn. genommen. In der Folge kommt es in diesen natürlichen Ein primär extrahepatischer Befall von Milz, Knochen bzw. Zwischenwirten zur Ausbildung viszeraler Tumore, in deren Retroperitoneum ist beschrieben. Unbehandelt wird die Le- Inneren sich neue infektiöse Kopfanlagen ausbilden. Wird talität der AE mit 90 % innerhalb 10 – 15 Jahren nach Diag- ein infizierter Zwischenwirt von einem Fuchs gefressen, nosestellung angegeben, damit ist die AE eine der wenigen schließt sich der Entwicklungszyklus. Der Mensch als Fehl- potenziell letal verlaufenden Helminthosen.3 zwischenwirt nimmt akzidentiell Eier oral auf.1-3 Da die Zeit zwischen Infektion und Diagnose auch Jahrzehnte betragen Klinische Symptomatik kann, ist der Infektionszeitpunkt meist nicht bestimmbar Typische Frühsymptome gibt es bei der AE nicht, häufig und der genaue Übertragungsvorgang bleibt ungeklärt. wird die Diagnose zufällig bei einer Sonografie bzw. Bild- gebung aus anderen Gründen oder im Rahmen von Scree- Das Risiko für die AE ist bei der Bevölkerung im ländlichen ninguntersuchungen gestellt. Auch die Abklärung patho- Bereich erhöht. Landwirtschaftliche Tätigkeiten und Waldar- logischer Laborparameter (vorrangig Erhöhung von Leber- beiten stellen neben der Haltung von Hunden und Katzen werten) führt über bildgebende Verfahren zur Diagnose.
10. Oktober 2019 Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 Robert Koch-Institut 425 Klinisch Auffallend ist die Diskrepanz zwischen fehlenden P Lokalisation des Parasiten in der Leber oder minimalen bzw. unspezifischen Beschwerden bei bild- PX Beurteilung nicht möglich gebend bereits großem parasitären Lebertumor (oft > 10 cm P0 Kein Hinweis auf Lebertumor Durchmesser).18 Meist treten erst im späteren Verlauf, Sym- P1 Peripherer Herd ohne Beteiligung proximaler Gallengänge oder ptome wie abdominelles Druckgefühl, Schmerzen, Übelkeit Gefäße oder Fieber auf. Bei der klinischen Untersuchung kann eine P2 Zentraler Herd mit Beteiligung proximaler Gallengänge oder vergrößerte und verhärtete Leber getastet werden. Der Para- Gefäße eines Leberlappensa sit involviert regelhaft Gallengänge und Gefäße, konsekutiv P3 Zentraler Herd mit Beteiligung hiliärer Gallengänge oder Gefäße beider Leberlappen und/oder Beteiligung zweier Lebervenen sind Cholestase/Ikterus bzw. Pfortaderthrombose/portale Hypertension typisch im weiteren Verlauf. Liegt der Leber- P4 Jeder Herd mit Ausbreitung entlang der Gefäßeb und Gallenwege herd hilär können sich Cholestase/Ikterus bereits früher zei- N Extrahepatische Beteiligung von Nachbarorganen gen. Erst mit zunehmender Durchsetzung der Leber durch NX Beurteilung nicht möglich parasitäres Gewebe verschlechtert sich die Leberfunktion.3,19 N0 Kein Hinweis auf Beteiligung angrenzender Organe oder Gewebe N1 Beteiligung angrenzender Organe oder Gewebe WHO-Falldefinition M Fernmetastasen Die Diagnose der AE basiert auf dem typischen morphologi- MX Beurteilung nicht möglich schen Befund eines Lebertumors mit entsprechender Ana- M0 Kein Hinweis auf Fernmetastasenc mnese und Epidemiologie sowie positiver Echinokokkoken- M1 Fernmetastasen Serologie. Nach Falldefinition der Weltgesundheitsorga- Tab. 1: PNM-Klassifikation der Alveolären Echinokokkose nisation (WHO) – die europäische Falldefinition ist unter a Leberlappenteilung gemäß Projektionsebene zwischen Gallenblasenlager https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri= b V.-cava-inferior, Pfortader und Arterien c Röntgen-Thorax und kranielles CT negativ CELEX:32018D0945&from=LV zu finden – wird eine AE als „bestätigt“ angesehen, wenn folgende Kriterien vorliegen: neben sorgfältiger Anamnese die Kombination von Bildge- 1. bildgebend typische Organläsion, 2. positive Echinokok- bung mit Sero- und Immundiagnostik erforderlich. ken-Serologie in 2 Tests (sensitiver Suchtest + spezifischer Bestätigungstest) und 3. kompatibler histopathologischer Immundiagnostik und Serologie Befund von Metazestoden-Gewebe bzw. der Nachweis von Die aktuell verfügbaren serologischen Tests für die Echino- E. multilocularis Nukleinsäure in klinischen Proben.4 Bei le- kokkose zeigen nur den stattgefundenen Antigenkontakt diglichem Vorliegen eines typischen Leberherdes und einer mit Echinococcus-Onkosphären an, nicht jedoch ob eine positiven Echinokokkoken-Serologie (ohne Gewebeprobe) aktive parasitäre Erkrankung vorliegt. Demnach sollte eine kann die Diagnose als „wahrscheinlich“ angesehen werden, Echinokokkoken-Serologie in erster Linie zur Bestätigung und auch damit besteht regelhaft eine Therapieindikation.4 einer bildgebend vermuteten Echinokokkose herangezo- „Mögliche“ AE-Fälle mit lediglich positiver Echinokokken- gen werden. Die Serodiagnostik wird stufenweise empfoh- Serologie oder mit Nachweis kleiner (verkalkter) Leberläsi- len: initial ein sensitiver Suchtest, der durch einen spezifi- onen sollten nicht regelhaft therapiert, jedoch längerfristig schen Bestätigungstest ergänzt wird. kontrolliert werden, sonografische Kontrolle etwa jährlich. Für den Echinokokken-Suchtest wird als Rohantigen WHO-Klassifikation meist Hydatidenflüssigkeit von E. granulosus verwendet. Da die AE selten ist, das Bild eines malignen Tumors zeigt Hierdurch können aufgrund der Antigenverwandtschaft und das klinische Bild stark variieren kann, wurde von sowohl für die AE als auch für die CE Antikörper nach- Experten der WHO-Arbeitsgruppe und des europäischen gewiesen werden. Die Sensitivität wird mit 94 – 97 % für Echinokokkose-Registers eine Klassifikation analog zum die AE angegeben. Am Konsiliarlabor für Echinokokkose TNM-System (T – Tumor, N – Nodus, M – Metastasen) er- am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität arbeitet, nämlich die PNM-Klassifikation (s. Tab. 1). Hier- Würzburg steht auch Gesamtlarven-Antigen von E. multi- mit ist eine standardisierte Beurteilung des Stadiums bei locularis zur Verfügung, der Em-Gesamtlarven-ELISA hat Diagnosestellung und ein Austausch zwischen Zentren eine Sensitivität von ca. 95 %.23-26 vor allem in Hinblick auf die Therapie möglich. Die PNM- Klassifikation beruht auf bildgebenden Verfahren und be- Im Bestätigungstest werden zur Verbesserung der Spezifi- rücksichtigt das Wachstumsverhalten des Larvengewebes. tät verschiedene aufgereinigte bzw. rekombinante Antigene Hierbei steht P für die Lokalisation des parasitären Herdes der Germinal- bzw. Laminarschicht von E. multilocularis ein- in der Leber, N für den Befall von Nachbarorganen und M gesetzt, zum Beispiel Em10, Em18, EmII/3 bzw. Em2. Hier- für das Vorliegen von Fernmetastasen.20-21 für werden eine hohe Sensitivität mit 90 – 100 % sowie eine Spezifität von 95 – 100 % angegeben. Für spezielle Fragestel- Diagnostik der Alveolären Echinokokkose lungen sollten Referenzlabore hinzugezogen werden.23-26 Die Diagnostik der AE ist eine Herausforderung. Das RKI geht davon aus, dass im Zeitraum von 2003 – 2005 ins- Bei bis zu 2 % der ländlichen Bevölkerung fanden sich posi- gesamt 67 % aller diagnostizierten AE-Fälle nicht gemäß tive serologische Befunde ohne Hinweis für eine Leber-Echi- IfSG gemeldet worden sind.22 Für die Diagnostik der AE ist nokokkose, wobei nicht immer eruiert werden kann, ob es
426 Robert Koch-Institut Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 10. Oktober 2019 Muster Schematische Beispiel Beschreibung Darstellung Sturm- und Unklare Abgrenzbarkeit - unregelmäßiger Rand Hagelmuster - inhomogenes Muster - echoreiche Textur - mit/ohne Schallschatten. Pseudozystisches Gut abgrenzbar, inhomogen / irregulär, nicht Muster vaskularisiert, echoreicher Rand - zentral echoarmes, inhomogenes Areal, mit teils echoreichen Signalen - initial oder nach Behandlung mit Benzimidazol. Hämangiomartiges Teils unscharfe Abgrenzbarkeit, inhomogen zum Muster umgebenden Lebergewebe - Anteile unterschiedlicher Echogenität - differenzial- diagnostisch teilthrombosiertes Hämangiom. Verknöcherungs- Umschrieben demarkierte Läsion mit dorsalem muster Schallschatten - unifokales oder multifokales Auftreten möglich - differenzialdiagnostisch: Hepatolithiasis, echoreiche Metastase bei Rektumkarzinom. Metastasenartiges Echoarme Läsion - meist ohne Halo - typisches Muster Zeichen ist eine zentrale echoreiche Struktur - schwierige differenzialdiagnostische Abgrenzbarkeit zu Metastasen unterschiedlicher Primärtumore. Abb. 2: Echinococcus multilocularis Ulm classification – Ultrasound (EMUC-US); nach Kratzer et al. 32 werden 5 Muster unterschieden sich dabei um abgelaufene abortive Infektionen oder falsch- Die US ist das bildgebende Verfahren der Wahl bei der Ab- positive serologische Ergebnisse handelt.27 Die Punktion pa- klärung symptomatischer Patienten und wird insbesondere rasitärer AE-Herde zur Diagnostik, insbesondere bei differen- als Screening-Tool verwendet. Die Einführung der CEUS zialdiagnostischem Verdacht auf eine maligne Erkrankung, hat zu einer Verbesserung der US-Diagnose der hepati- kann sinnvoll sein und ist nicht kontraindiziert. Auch ist im schen AE geführt.30-31 Die Weiterentwicklung der CEUS Falle einer vermuteten AE keine Vorbehandlung vor einer hat in den letzten Jahren die US-Bewertung der Vitalität Punktion erforderlich (im Gegensatz zu jedweder Manipula- von AE-Läsionen bei der Nachbeobachtung erleichtert. Die tion bei einer CE, die immer unter Albendazol-Schutz erfol- Beurteilung der Vaskularisation von hepatischen AE-Läsio- gen sollte). Wird die AE in die Differenzialdiagnose einbezo- nen mit CEUS korreliert mit deren metabolischer Aktivität, gen, kann neben der Histologie ggf. eine PCR aus Nativmate- welche in der Kombination aus PET und CT unter Verwen- rial, die u. a. am Konsiliarlabor für Echinokokkose angeboten dung radioaktiver Glukose 2-Deoxy-2-[18F]fluoroglucose wird, angestrebt werden.23 Erfahrungsgemäß wird jedoch (18F-FDG) nachgewiesen werden kann. Die fusionierte häufiger ein Leberherd unter Malignomverdacht punktiert Bildgebung aus PET und PET-CT verbindet die Beurteilung und dann vom Pathologen die Diagnose einer Echinokokko- der entzündlichen Aktivität mit einer hohen Ortsauflösung se erst nachträglich und meist ohne Speziesdifferenzierung der Computertomografie. zwischen AE und CE gestellt. Hier besteht inzwischen die Möglichkeit zur immunhistochemischen Bestätigung unter Neuere Studien bestätigen die Überlegenheit der CEUS Anwendung des monoklonalen Antikörpers Em2G11, der gegenüber der konventionellen US bei der Diagnose der spezifisch für E. multilocularis ist und demnach eine AE mit hepatischen AE. hoher Sensitivität und Spezifität bestätigen kann.28 Zur besseren und frühzeitigen Erkennung der im US sehr Bildgebende Diagnostik unterschiedlich auftretenden AE-Läsionen wurde im Jahr Für die Beurteilung der hepatischen AE stehen derzeit 2015 erstmals eine US-Klassifikation der AE veröffent- eine Reihe von bildgebenden Verfahren zur Verfügung, die licht.32 wichtigsten sind: B-Bild Sonografie (US), kontrastverstärkte Sonografie (CEUS) und Computertomografie (CT). Die Ma- Ultraschall-Klassifikation nach Kratzer et al.: Die US- gnet-Resonanz-Tomografie (MRT) kann ergänzend zur CT Klassifikation „Echinococcus multilocularis Ulm Classifica- zusätzliche Informationen liefern. Die Positronen-Emissi- tion – Ultrasound“ (EMUC-US) unterscheidet 5 Muster (s. ons-Computertomografie (PET-CT) ist das einzige Verfahren, Abb. 2). Am häufigsten kann das Sturm- und Hagelmuster, welches anhand der Stoffwechselaktivität eine Einschätzung sowie das hämangiomartige und das pseudozystische Mus- der entzündlichen Aktivität der Erkrankung ermöglicht.29 In ter beobachtet werden. Seltener findet man ein typisches einer Studie mit Positronen-Emissions-Tomographie (PET) Verknöcherungsmuster oder ein metastasenartiges Mus- und CT konnte gezeigt werden, dass die PET ein zuverlässi- ter.32 Ein Überblick über die unterschiedliche Präsentation ges Werkzeug zur Beurteilung der Stoffwechselaktivität und findet sich in Abbildung 2. Früherkennung von Rezidiven bei hepatischer AE ist.29
10. Oktober 2019 Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 Robert Koch-Institut 427 In der Ultraschallklassifikation von Kratzer et al. wurde von Duewell et al. veröffentlicht.35 In diesen wurde die erstmals ein sogenanntes metastasenähnliches Muster be- Überlegenheit von CT gegenüber MRT beim Nachweis von schrieben, das als kleine Läsionen mit einer mittleren Größe Verkalkungen bestätigt. Der erste Vergleich zwischen CT von 35,3 ± 33,1 mm aufgetreten war.32 Diese scheinen von und Ultraschall bei der hepatischen AE zeigte eine signi- besonderer Bedeutung zu sein. In einer aktuellen Studie zu fikant bessere Darstellung der Läsionen in der CT. Die Ge- kleinen Läsionen bei AE von Cai et al. betrug die mittlere genüberstellung aller drei bildgebenden Verfahren (Ultra- Läsionsgröße in einer kleinen Stichprobengröße von 9 Pati- schall, CT und MRT) bestätigt die Überlegenheit der CT. enten mit 17 Läsionen 18 mm.30-31 Nach der EMUC-US Klas- Der zusätzliche Einsatz der farbkodierten Dopplersonogra- sifikation konnten 10 Läsionen dem hämangiomähnlichen fie im Vergleich zu CT und MRT konnte die Ultraschalldia- und 3 dem metastasenähnlichen Muster zugeordnet wer- gnose bei der hepatischen AE nicht signifikant verbessern. den, insgesamt 4 von 17 Läsionen konnten nicht klassifiziert Eine Vergleichsstudie zwischen CT und MRT unter Be- werden. Interessanterweise zeigten alle Patienten in dieser rücksichtigung der PNM-Klassifikation zeigte keine signi- Studie einen negativen Befund bei den serologischen Tests, fikanten Ergebnisse für ein spezifisches Erscheinungsbild dies unterstreicht die Bedeutung der bildgebenden Diagnos- der AE in Korrelation mit der PNM-Klassifikation. tik bei Verdacht auf hepatische AE.30-31 Histopathologie Computertomografie-Klassifikation nach Gräter et al.: Die Das Vorkommen der Metacestoden von E. multilocularis CT-Klassifikation „Echinococcus multilocularis Ulm Classi- oder E. granulosus im Rahmen einer Infektion ist in vielen fication – Computed tomography“ (EMUC-CT) soll analog humanen Geweben beschrieben. Primäres Zielorgan der zur EMUC-US das Erkennen und die Interpretation von Infektion ist durch die intestinale Eintrittspforte in den Läsionen bei hepatischer AE erleichtern.33 Sie besteht aus meisten Fällen jedoch die Leber. Echinokokkosen können 2 Säulen: Der Primärmorphologie mit 5 Typen, welche teils sich allerdings auch primär klinisch in anderen Organen durch Subkriterien weiter differenziert werden können, so- wie zum Beispiel der Lunge manifestieren.1-3 Weiter kann wie 6 Kalzifikationsmustern. Primärmorphologie-Muster auch eine sekundäre Ausbreitung in andere Organe durch (ggf. mit Subkriterien, falls solche für den jeweiligen Typ Metastasierung (v. a. bei AE) oder traumatische Zysten- definiert sind) und Kalzifikationsmuster werden zunächst ruptur (v. a. CE) erfolgen. Bei AE wurde auch die Möglich- getrennt voneinander betrachtet und dann zu einem Be- keit der metastatischen Disseminierung in die regionären fund kombiniert.33 Lymphknoten beschrieben. Die primär extrahepatische Ma- nifestation ist grundsätzlich selten. Die Metacestode wächst Anders als im Fall der bekannten Ultraschall WHO-Klassi- bei AE schlauchförmig zu einer mehrfach gekammerten, fikation bei CE, bezieht sich vorliegende CT-Klassifikation brotartigen Tumormasse heran, die das umgebende Gewe- (und auch die US-Klassifikation) der AE nicht primär auf un- be pilzhyphenartig wie bei einem Myzel infiltriert. Dieser terschiedliche Verlaufsstadien der Erkrankung, sondern defi- Prozess weist histologisch eine massive Begleitentzündung niert die sehr unterschiedlich vorkommenden Erscheinungs- mit ausgedehnten Nekrosen auf. Mikroskopisch ist die bilder in der Leber unabhängig vom Krankheitsverlauf. Im Konfiguration der Laminarschicht in einer PAS-Reaktion Rahmen der CT-Klassifikation können insbesondere Ver- (Periodic acid-Schiff reaction) wegweisend für die histopatho- änderlichkeiten von Subkriterien oder der Ausprägung der logische Diagnose, da beweisende Protoskolizes beim Men- Kalzifikationsmuster möglicherweise künftig Rückschlüsse schen nur in weniger als 10 % des diagnostischen Materials über den Krankheitsverlauf ermöglichen. Die US- und CT- vorkommen. Zusätzlich konnte ein immunhistologisches Klassifikationen helfen insbesondere den weniger Geübten Verfahren etabliert werden, das es erlaubt mit Hilfe des mo- die oft heterogene Morphologie der Erkrankung besser ein- noklonalen Antikörpers Em2G11 ein spezifisches Glykopro- zuordnen. Goldstandard für die Beurteilung der Aktivität tein in der Laminarschicht der Metacesode von E. multilocu- einer Erkrankung bleibt derzeit das FDG-PET-CT. laris nachzuweisen.28 Mittels dieser immunohistologischen Technik gelingt es, auch kleinste, sogenannte SPEMS (small Magnetresonanztomografie-Klassifikation nach Kodama particles of E. multilocularis) im Sinne von hoch fragmentier- et al.: Die MRT hilft in manchen Fällen die gelegentlich ten Anteilen der Laminarschicht mikroskopisch im histo- schwierige Differentialdiagnose einer E.-multilocularis-Er- logischen Schnittpräparat aber auch in Feinnadelaspiraten krankung zu stellen.34 In dieser Modalität lassen sich mit- beweisend für die Diagnose einer AE darzustellen.28 unter typische kleine vesikuläre Strukturen am besten dar- stellen. Eine orientierende Einordnung MR-tomografischer Therapie Erscheinungsbilder der AE bietet die Klassifikation von Ko- dama et al. 2003.34 Die häufig auftretenden Kalzifikationen Medikamentöse Therapie lassen sich demgegenüber schlechter in der MRT und wie- Bei der AE besteht angesichts des potenziell malignen Cha- derum sehr gut in der CT darstellen. rakters immer eine Therapieindikation, zunächst medika- mentös. Nur etwa ein Drittel der Patienten wird in einem Vergleich der unterschiedlichen bildgebenden Verfahren primär lokal operablen Stadium diagnostiziert. Bei etwa Vergleichende bildgebende Studien zur Diagnose der hepa- 70 % ist bereits ein Großteil der Leber befallen bzw. liegen tischen AE zwischen CT und MRT wurden erstmals 1990 extrahepatische Manifestationen vor, so dass eine kurative
428 Robert Koch-Institut Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 10. Oktober 2019 Resektion nicht möglich ist. Primäres Ziel ist die radika- Bei der Mehrzahl der Erkrankten (etwa 2/3) ist zum Zeit- le (R0) Resektion eines Herdes. Auch sollten kurativ rese- punkt der Diagnosestellung der Befall der Leber schon so zierte AE-Patienten mindestens 10 Jahre lang hinsichtlich weit fortgeschritten, dass eine operative Resektion der be- eines eventuellen Rezidivs überwacht werden. Mit Einfüh- fallenen Bereiche nicht sinnvoll ist. Ebenso kann eine Infil- rung der Benzimidazole in die Therapie 1976 verbesserte tration in die Leberpforte oder Lebervenen zu einer Inope- sich die Prognose für inoperable Patienten erheblich. rabilität führen. Vor jeder Operation sollte eine zeitnahe Schnittbildgebung in hoher Auflösung vorliegen. Eine rein Eine medikamentöse Benzimidazol-Therapie ist bei allen palliative Massenreduktion bei ausgedehntem, intraope- Patienten indiziert und mitunter lebenslang erforderlich, rativ festgestelltem Befall wird nach den aktuellen Daten da sie nur parasitostatisch wirkt. Albendazol (ABZ) wird nicht empfohlen, da sich kein Vorteil gegenüber der kon- in einer Dosis von 10 – 15 mg/kg/Tag in 2 geteilten Dosen servativen Behandlung ergibt. gegeben, einzunehmen mit einer fettreichen Mahlzeit, um die Resorption zu gewährleisten.36-38 Nicht selten kommt Palliative Therapie es anfangs zum deutlichen Anstieg der Transaminasen, Sollte es bei fortgeschrittenem Befall der Leber zu Kom- was temporäre Pausen und ein Wiedereinschleichen von plikationen wie Cholestase, Cholangitis oder Abszessen ABZ erforderlich macht. Die Bestimmung eines ABZ- kommen, so sind palliative Maßnahmen indiziert. Diese Spiegels unter Therapie ist sinnvoll (Blutabnahme 4 Std. können in seltenen Fällen auch eine inkomplette Resektion nach Einnahme der Medikation), zumal erhebliche in- bzw. eine Resektion ohne Sicherheitsabstand beinhalten, terindividuelle Schwankungen der Resorption in Abhän- wenn dadurch z. B. eine durch eine AE herbeigeführte gigkeit vom Fettgehalt der Nahrung bestehen können. Cholestase behoben werden kann, eine Superinfektion Einzig verfügbares Alternativpräparat ist Mebendazol, eines eingeschmolzenen Echinokokkoseherdes besteht, welches mit 40 – 50 mg/kg/Tag verteilt auf 3 Dosen ver- ein Infektherd saniert oder eine Druck- und Schmerzent- teilt einzunehmen ist.36-38 Unter bestimmten Umständen lastung bei sehr großen Befunden herbeigeführt werden kann bei dokumentiertem Ansprechen auf die antihel- kann. Eine alleinig interventionell eingebrachte Drainage minthischen Therapie ein Auslassversuch bei fehlender und Spülbehandlung wird mit großer Wahrscheinlichkeit metabolischer Aktivität im FDG-PET erfolgen, hierunter nicht zu einer Ausheilung eines eingeschmolzenen absze- sollte jedoch auf regelmäßige klinische und bildgebende dierten und superinfizierten Befundes führen.39-40 Kontrollen geachtet werden. Lebertransplantation Operative Therapie Lebertransplantationen wurden bei hepatisch weit fortge- Bei der AE handelt es sich um eine sich langsam im Le- schrittenem Befall ohne extrahepatische Manifestationen berparenchym ausbreitende Erkrankung, bei welcher nur in vereinzelten Fällen durchgeführt und sind als Ultima durch die operative Resektion der betroffenen Leberanteile Ratio anzusehen. Im Eurotransplantbereich ist die Höhe im Gesunden eine Chance auf Heilung besteht. Vor dem des MELD Score (Model-of-Endstage Liver-Disease) wesent- Hintergrund, dass ein langfristiges Überleben auch durch lich für die Organzuteilung. Da Patienten auch mit fortge- eine konstante parasitostatische Therapie erreicht werden schrittener AE nur selten einen für eine Organzuteilung kann, muss das Risiko der Operation sehr sorgfältig ge- ausreichend hohen MELD Score erreichen, ist eine Trans- genüber den potenziellen Heilungschancen abgewogen plantation bei AE unwahrscheinlich.39-40 werden.39-40 Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen über die Erkrankung und den Nutzen einer lebenslangen Prognose, Prävention und Prophylaxe Behandlung mit Benzimidazolen, die das Wachstum zu- Trotz des hohen Prozentsatzes von befallenen Füchsen ist meist aufhalten, jedoch nicht zum Absterben des Erregers eine AE beim Menschen auch in Endemiegebieten eine führen, stehen nach der aktuellen Datenlage folgende ope- sehr seltene Erkrankung. Zusammenfassend ist festzuhal- rative Verfahren zur Diskussion. ten, dass sie in den meisten Fällen gut behandelbar, aber ge- genwärtig nur in etwa 30 % der Fälle heilbar ist. Die 10-Jah- Kurative Resektion res-Überlebensrate liegt bei adäquater Therapie bei ca. Eine kurative Resektion ist nur zu erwarten, wenn eine 90 %. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist bei Pa- Resektion im Gesunden erfolgen kann. Ein Sicherheits- tienten mit einer AE deutlich reduziert.41 Die Behandlung abstand von über 1 cm kann vorteilhaft sein, da die Larven an einem Zentrum, das Erfahrung mit der Erkrankung hat, okkulte Ausläufer in das umliegende Gewebe besitzen, die ist empfehlenswert. Auch nach kurativer Resektion ist eine weder makroskopisch noch in der präoperativen Bildge- langjährige Kontrolle (mindestens 10 Jahre postoperativ) bung sichtbar sind.39-40 Je nach Ausmaß des Leberbefalls empfohlen. Ein spezielles Kollektiv stellen immunsuppri- kann eine atypische Resektion der Leber, die Resektion ein- mierte Patienten dar, wobei bei ihnen die meisten Daten zelner oder mehrerer Segmente, eine Hemihepatektomie zur AE und Lebertransplantation existieren.42 Hier werden rechts bzw. links oder erweiterte Hemihepatektomie erfol- unter der immunsuppressiven Therapie Rezidive im Sin- gen. Werden benachbarte Organe per continuitatem durch ne von Befall des Transplantates und auch disseminierte die alveoläre Echinokokkose infiltriert, muss ggf. eine multi- Verläufe beschrieben, so dass immer eine antihelminthi- viszerale Resektion erfolgen.39-40 sche Therapie nach Lebertransplantation indiziert ist. Eine
10. Oktober 2019 Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 Robert Koch-Institut 429 3. Eckert J, Deplazes P. Biological, Epidemiological, and Clinical Aspects of rasche Progredienz der AE unter TNF-alpha-Blocker-The- Echinococcosis, a Zoonosis of Increasing Concern: Clinical Microbiology rapie ist beschrieben, zudem wird die AE als opportunis- Reviews 2004; DOI: 10.1128/CMR.17.1.107-135.2004 tische Infektion aufgefasst und bedarf einer angepassten 4. Brunetti E, Kern P, Vuitton D: Expert consensus for the diagnosis and antihelminthischen Therapie, unter Beachtung möglicher treatment of cystic and alveolar echinococcosis in humans. Acta Tropica 2009; DOI: 10.1016/j.actatropica.2009.11.001 Interaktionen bei Co-Medikation und nach Möglichkeit 5. Torgerson P, Keller K, Magnotta M, Ragland N, Brooker S: The Global auch die Reduktion der Immunsuppression.37,39,42 Burden of Alveolar Echinococcosis. PLoS Negl Trop Dis 2010; DOI: 10.1371/journal.pntd.0000722 Für die Minimierung des AE-Ansteckungsrisikos sollten 6. Piarroux M, Piarroux R, Knapp J, et al.: Populations at Risk for Alveolar Echi- allgemeine Hygienemaßnahmen (insbesondere Hände- nococcosis, France Emerg Infect Dis 2013; DOI: 10.3201/eid1905.120867 und Nahrungsmittelhygiene, sorgfältiges Waschen boden- 7. Kern P, Bardonnet K, Renner E, et al.: European Echinococcosis Registry: Human Alveolar Echinococcosis, Europe, 1982 – 2000. Emerg Infect Dis nah wachsender Nahrungsmittel) eingehalten werden, zu- 2003; DOI: 10.3201/eid0903.02034 dem das Anbringen fuchssicherer Zäune um Gemüsegär- 8. Deplazes P, Rinaldi L, Alvarez Rojas CA, et al.: Global distribution of alve- ten. Bei direktem Kontakt zu Füchsen müssen Schutzmaß- olar and cystic echinococcosis. Adv Parasitol. 2017;95:315 – 493 nahmen ergriffen werden.39 Haustiere sollten regelmäßig 9. Baumann S, Shi R, Liu W, et al.; interdisciplinary Echinococcosis Working entsprechend den European Scientific Counsel Companion Group Ulm: Worldwide literature on epidemiology of human alveolar echinococcosis: a systematic review of research published in the twenty- Animal Parasites (ESCCAP) Richtlinien entwurmt und der first century. Infection 2019 May 30. doi: 10.1007/s15010-019-01325-2 Kot vergraben bzw. verbrannt werden. E.-multilocularis-Eier 10. Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0: Alveoläre und Zystische Echino- sind gegen Erhitzen über 60 °C und Austrocknung emp- kokkose in Deutschland 2018. Im Internet: https://survstat.rki.de/Con- findlich, während sie Einfrieren bei -20 °C überstehen. Zur tent/Query/Create.aspx; Stand: 07.10.2019 Abtötung durch tiefe Temperaturen sind -80 °C erforder- 11. Schmidberger J, Kratzer W, Stark K, Grüner B; Echinococcosis Working Group: Alveolar echinococcosis in Germany, 1992-2016. An update lich. Eine Beköderung von Fuchspopulationen mit Prazi- based on the newly established national AE database. Infection 2018 quantel scheint effektiv zu sein, ist jedoch wiederholt erfor- Apr;46(2):197 – 206. doi: 10.1007/s15010-017-1094-0. Epub 2017 Oct 31. derlich und entsprechend aufwendig.43 12. Cadavid Restrepo AM, Yang YR, McManus DP, et al.: Environmental risk factors and changing spatial patterns of human seropositivity for Echi- nococcus spp. in Xiji County, Ningxia Hui Autonomous Region, China. Fazit für die Praxis Parasit Vectors 2018;11:159 Die Larvenstadien von E. granulosus bzw. E. multilocularis 13. Cadavid Restrepo AM, Yang YR, McManus DP, et al.: Spatiotemporal führen beim Menschen zu zystischer bzw. alveolärer Echi- patterns and environmental drivers of human echinococcoses over a nokokkose. Die beiden Erkrankungen unterscheiden sich twenty-year period in Ningxia Hui Autonomous Region, China. Parasit Vectors 2018;11:108 in Hinblick auf Epidemiologie und klinischem Bild und 14. Piarroux M, Gaudart J, Bresson-Hadni S, et al.: Landscape and climatic müssen für eine adäquate Therapieentscheidung unter- characteristics associated with human alveolar echinococcosis in France, schieden werden. Beide Erkrankungen sind meist über 1982 to 2007. Euro Surveill 2015;20:1 – 10 Jahre asymptomatisch und werden häufig im Rahmen 15. Kern P, Ammon A, Kron M, et al.: Risk factors for alveolar echinococcosis bildgebender Untersuchungen „zufällig“ entdeckt. Für die in humans. Emerg Infect Dis. 2004 Dec;10(12):2088 – 93 Diagnosestellung sind Anamnese, Epidemiologie und ins- 16. Conraths FJ, Probst C, Possenti A, et al.: Potential risk factors associa- ted with human alveolar echinococcosis: Systematic review and meta- besondere Bildgebung kombiniert mit Immundiagnostik analysis. PLoS Negl Trop Dis. 2017 Jul 17;11(7):e0005801. doi: 10.1371/ (Serologie) einzubeziehen. journal.pntd.0005801. eCollection 2017 Jul. Review 17. Stojkovic M, Mickan C, Weber TF, Junghanss T: Pitfalls in diagnosis Im vorliegenden Artikel wird ausführlich auf die in and treatment of alveolar echinococcosis: a sentinel case series. BMJ Open Gastroenterol. 2015 Jul 16;2(1):e000036. doi: 10.1136/bmj- Deutschland endemische AE eingegangen. Bei der AE gast-2015-000036. eCollection 2015 besteht nahezu immer eine Therapieindikation, für die 18. Echinokokkose Datenbank Deutschland: www.fuchsbandwurm.eu/de/ Benzimidazole die Grundlage bilden. Diese wirken bei der mediziner/alveolaere-echinokokkose/fuchsbandwurm-symptome AE nur parasitostatisch und müssen daher langjährig ein- 19. Eckert J, Gemmel MA, Meslin F-X, Pawlowski ZS: WHO/OIE Manual on genommen werden. Eine Heilung ist mittels kompletter Echinococcosis in Humans and Animals: a Public Health Problem of Glo- bal Concern. World Organisation for Animal Health, Paris, 2001;1 – 286 Resektion des Leberherdes und medikamentöser Nachbe- 20. Kern P, Kurz S, Beurton I, Bresson-Hadni S, Vuitton D: Alveoläre Echi- handlung möglich. Leider werden aber nur ~ 30 % der Pati- nokokkose Entwicklung und Vorschlag einer klinischen Klassifikation in enten in einem lokal operablen Stadium diagnostiziert. Bei Anlehnung an das TNM-System. Chemother J 2002;(11):151 – 153 der AE muss aufgrund besserer diagnostischer Verfahren, 21. Kern P, Wen H, Sato N, et al.: WHO classification of alveolar echinococ- verbesserter Erfassungs- und Meldestrukturen, Prävention cosis: Principles and application. Parasitology International 2005; DOI: 10.1016/j.parint.2005.11.041 und klimatischer Veränderungen künftig mit einer Zunah- 22. Jorgensen P, an der Heiden M, Kern P, Set al.: Underreporting of hu- me der Inzidenz und dem Auftreten von humanen AE-Fäl- man alveolar echinococcosis, Germany. Emerg Infect Dis. 2008 len auch in bisher als nichtendemisch geltenden Gebieten Jun;14(6):935 – 7. doi: 10.3201/eid1406.071173 Deutschlands bzw. Europas gerechnet werden. 23. Brehm K: Die Echinokokkose – Eine Übersicht und neue Erkennt- nisse in der Diagnostik, Therapie und Parasitenbiologie. Epid Bull 2017;15:127 – 132. DOI 10.17886/EpiBull-2017-01 Literatur 24. Bresson-Hadni S, Laplante J, Lenys D, et al :Seroepidemiologic screening 1. Pawlowski Z, Eckert J, Vuitton D: WHO/OIE Manual on Echinococcosis of Echinococcus multilocularis infection in an European area endemic in Humans and Animals: a Public Health Problem of Global Concern: for alveolar echinococcosis. Am J Trop Med Hyg 1994;(51):837 Echinococcosis in humans: clinical aspects, diagnosis and treatment 25. Frosch M: Labordiagnose der zystischen und alveolärenEchinokokkose. J 2. Ammann RW: Cestodes. Echinococcus. Gastroenterol Clin North Am Lab Med 2003; DOI: 10.1046/j.1439-0477.2003.03072.x 1996;25(3):655
430 Robert Koch-Institut Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 10. Oktober 2019 26. Reiter-Owona I, Grüner B, Frosch M, et al.: Serological confirmatory tes- 38. Reuter S, Buck A, Manfras B, Ket al.: Structured treatment interruption in ting of alveolar and cystic echinococcosis in clinical practice: results of patients with alveolar echinococcosis. Hepatology 2004; DOI: 10.1002/ a comparative study with commercialized and in-house assays. Clin Lab hep.20078 2009; 55(1 – 2): 41 – 48 39. Henne-Bruns D, Barth T FE, et al.: Echinokokkosen der Leber. Allgemein- 27. Romig T, Kratzer W, Kimmig P: An epidemiological survey of human al- und Viszeralchirurgie up2date 2016;10(05):369 – 394. DOI: 10.1055/s- veolar echinococcosis in southwestern Germany. Am J Trop Med Hyg 0042-110842 1999;(61): 566 – 773 40. Buttenschoen K, Kern P, Reuter S, Barth T: Hepatic infestation of Echino- 28. Barth T, Herrmann T, Tappe D, Stark L, et al.: Sensitive and Specific coccus multilocularis with extension to regional lymph nodes. Langen- Immunohistochemical Diagnosis of Human Alveolar Echinococcosis becks Arch Surg 2009. DOI: 10.1007/s00423-009-0481-0 with the Monoclonal Antibody Em2G11. PLoS Negl Trop Dis 2012; DOI: 41. Schmidberger J, Weimer H, Schlingeloff P, et al; Echinococcosis Wor- 10.1371/journal.pntd.0001877 king Group, Ulm: Health-related quality of life in patients with alveolar 29. Reuter S, Gruener B, Buck A, et al.: Long-term follow-up of metabolic ac- echinococcosis: a cross-sectional study. Infection 2019 Feb;47(1):67 – 75. tivity in human alveolar echinococcosis using FDG-PET. Nuklearmedizin DOI: 10.1007/s15010-018-1219-0. Epub 2018 Sep 17 2008. DOI: 10.3413/nukmed-0139 42. Chauchet A, Grenouillet F, Knapp J, E et al.: Increased Incidence and 30. Cai D, Li Y, Jiang Y, et al.: The role of contrast-enhanced ultrasound in Characteristics of Alveolar Echinococcosis in Patients With Immunosup- the diagnosis of hepatic alveolar echinococcosis. Medicine (Baltimore) pression-Associated Conditions. Clinical Infectious Diseases 2014 DOI: 2019;98:e14325. doi: 10.1097/MD.0000000000014325 10.1093/cid/ciu520 31. Cai DM, Wang HY, Wang XL, et al.: Ultrasonographic findings of small 43. König A, Romig T, Holzhofer E: Effective long-term control of Echino- lesion of hepatic alveolar echinococcosis. Acta Trop 2017;174:165 – 70 coccus multilocularis in a mixed rural-urban area in southern Germany. 32. Kratzer W, Grüner B, Kaltenbach T, et al.: Proposal of an ultrasonogra- PLoS ONE 2019;14(4): e0214993. DOI: 10.1371/journal.pone.0214993 phic classification for hepatic alveolar echinococcosis: Echinococcosis multilocularis Ulm classification-ultrasound. World J Gastroenterol. 2015. DOI: 10.3748/wjg.v21.i43.12392 33. Graeter T, Kratzer W, Oeztuerk S, et al.: Proposal of a computed tomo- ▪ Prof. Dr. Wolfgang Kratzer1 | Dr. Julian Schmidberger1 | graphy classification for hepatic alveolar echinococcosis. World J Gastro- Priv.-Doz. Dr. Andreas Hillenbrand2 | Prof. Dr. Doris Henne-Bruns2 | enterol 2016. DOI: 10.3748/wjg.v22.i13.3621 Priv.-Doz. Dr. Tilmann Gräter3 | Prof. Dr. Thomas F. E. Barth4 | Priv.-Doz. Dr. Beate Grüner 5 34. Kodama Y, Fujita N, Shimizu T, et al.: Alveolar echinococcosis: MR fin- 1 Klinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Ulm dings in the liver. Radiology 2003;228:172 – 177 2 Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Universitätsklinikum Ulm 3 Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitäts- 35. Duewell S, Marincek B, von Schulthess GK, Ammann R: MRT and CT in klinikum Ulm alveolar echinococcosis of the liver. Rofo 1990;152:441 – 5 4 Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Ulm 5 36. Vuitton D, Bresson-Hadni S: Alveolar echinococcosis: Evaluation of Klinik für Innere Medizin III, Universitätsklinikum Ulm therapeutic strategies. Expert Opinion on Orphan Drugs 2013. DOI: Korrespondenz: Wolfgang.Kratzer@uniklinik-ulm.de 10.1517/21678707.2014.870033 ▪ Vorgeschlagene Zitierweise: Kratzer W, Schmidberger J, Hillenbrand A, Henne-Bruns D, Gräter T, 37. Vuitton D: Benzimidazoles for the treatment of cystic and alveolar echi- Barth TFE, Grüner B: Alveoläre Echinokokkose: Eine Herausforderung für nococcosis: What is the consensus? Expert Review of Anti-infective The- Diagnostik, Therapie und Klinisches Management rapy 2014. DOI: 10.1586/14787210.7.2.145 Epid Bull 2019;41:423 – 430 | DOI 10.25646/6307
10. Oktober 2019 Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 Robert Koch-Institut 431 Listeriose-Ausbruch mit Listeria monocytogenes Sequenz-Cluster-Typ 2521 (Sigma1) in Deutschland Ausbruchsbeschreibung tungsbereich für Listeriose-Patienten. Es sind 18 Frauen Mittels Genomsequenzierung wurde im Jahr 2018 ein und 19 Männer betroffen. Es gibt keine schwangerschafts- Listeriose-Cluster mit dem Listerien-Sequenz-Cluster-Typ assoziierten Fälle. Vierzehn Sigma1-Listeriose-Patienten (CT) 2521 (Serogruppe IIa) im Konsiliarlabor (KL) für Lis- sind als verstorben übermittelt bzw. wurden bei ihnen In- terien im Robert Koch-Institut (RKI) identifiziert. Das RKI formationen zum Tod übermittelt (4 in Nordrhein-Westfa- hat zur Identifizierung und Abgrenzung zu anderen Aus- len (2017: 2, 2018: 2), 3 in Baden-Württemberg (2018), 2 in brüchen und Clustern innerhalb des Dienstgebrauchs für Niedersachsen (2018 und 2019), 2 in Sachsen-Anhalt (2018) diesen Ausbruch den Namen Sigma1 vergeben. und jeweils einer in Brandenburg (2018), Bayern (2017) und Sachsen (2019)). Davon sind 3 Patienten (in Baden-Würt- Es besteht eine Labormeldepflicht für L. monocytogenes bei temberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt) als direkt invasiven Listeriose-Erkrankungen nach Infektionsschutzge- oder indirekt an der Listeriose verstorben übermittelt. Zehn setz (IfSG). Zu diesem Ausbruch werden bisher 38 Isolate Listeriose-Meldefälle sind als nicht an den direkten oder in- gezählt, von denen 37 Listeriose-Meldefällen zugeordnet wer- direkten Folgen der Listeriose verstorben übermittelt. Bei den konnten (siehe Abb. 1). Die Genomsequenzen (mikrobi- einem Patienten war die Todesursache nicht ermittelbar. eller genetischer Fingerabdruck) dieser Listerien-Isolate sind sehr nah verwandt, so dass davon auszugehen ist, dass die In der Listeriose-Krankheitssurveillance und damit auch Patienten sich an einer gemeinsamen Quelle infiziert haben. bei diesem Listeriose-Ausbruch ist von einer Untererfas- sung auszugehen. Für eine Untererfassung spricht z. B., In den Jahren 2014, 2016 und 2017 wurden wenige spora- dass nicht immer eine erregerspezifische Diagnostik (Blut- dische Fälle übermittelt, die retrospektiv dem Ausbruch zu- kultur) vom Arzt eingeleitet wird und diese nicht in allen geordnet werden konnten. Mitte 2018 gab es einen leichten Fällen erfolgreich ist. Nachweise von Listerien in Stuhlpro- Anstieg an Fällen, die durch die Genomsequenzierung am ben sind nicht meldepflichtig und daher wird die Listeriose- RKI detektiert wurden. Die bisher gemeldeten Fälle vertei- Gastroenteritis durch die Meldepflicht nicht erfasst. Be- len sich auf 12 Bundesländer: Nordrhein-Westfalen (11 Fäl- züglich einer Zuordnung zu einem bestimmten Listeriose- le), Hessen (5 Fälle), Baden-Württemberg (4 Fälle), Bayern Ausbruchsgeschehen muss eine Typisierung (mikrobieller (3 Fälle), Niedersachsen (3 Fälle), Brandenburg (3 Fälle), genetischer Fingerabdruck) erfolgen. Für Erkrankungsfälle Sachsen-Anhalt (2 Fälle), das Saarland (2 Fälle) und jeweils ohne diese Ganzgenomanalyse des Erregers ist diese Zu- 1 Fall in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sach- ordnung zu einem Ausbruch nicht möglich. sen und Thüringen (siehe Abb. 1). Es wurden bisher keine Erkrankungsfälle in Zusammenhang mit diesem Ausbruch Falldefinition innerhalb des Listeriose-Ausbruchs assoziiert mit im europäischen Ausland bekannt. Die Fälle wurden in den dem Sequenz-Cluster-Typen Sigma1 Jahren 2014 (1 Fall), 2016 (3 Fälle), 2017 (4 Fälle), 2018 (21 Eine an das RKI übermittelte erkrankte Person mit klinischem Bild einer Fälle) und 2019 (8 Fälle) gemeldet. Das letzte bekannte Er- akuten, invasiven Listeriose mit Erkrankungsbeginn seit 2014 und Wohn- ort in Deutschland mit Erregerisolierung aus normalerweise sterilen klini- krankungsdatum eines gemeldeten Falles ist der 13.07.2019. schen Materialien, wobei das Isolat in der core genome MLST (cgMLST) dem Sequenz-Cluster-Typen CT25211 zugeordnet werden kann. Die Altersspanne der betroffenen Personen liegt zwischen 1 Nomenklatur cgMLST, Ridom SeqSphere (Ruppitsch et. al.: 2015) 31 und 91 Jahren (Median 74 Jahre), dies liegt im Erwar- Anzahl Fälle 6 5 4 3 2 1 0 12 2014 2015 2016 2017 2018 2019 Meldejahr Abb. 1: Epidemiekurve der übermittelten Listeriose-Ausbruchsfälle in Deutschland nach Monat und Jahr des Meldedatums (Stand 07.10.2019, n = 37).
432 Robert Koch-Institut Epidemiologisches Bulletin Nr. 41 10. Oktober 2019 Ausbruchsuntersuchungen um als Startpunkt für die Ermittlungen zu Gemeinsamkei- Aufgrund des bundeslandübergreifenden Geschehens ten der Lieferbeziehungen zu dienen. führt das RKI nach Absprache mit den zuständigen Lan- desgesundheitsbehörden in den Bundesländern eine Daraufhin haben das Nationale Referenzlabor für Listeria Ausbruchsuntersuchung auf Bundesebene durch. Dafür monocytogenes (NRL) am Bundesinstitut für Risikobewertung hat das RKI unter anderem Befragungen bei 6 Patienten (BfR) und das KL für Listerien am RKI ein Listerien-Isolat durchführen können. Die Teilnahme an der Befragung der aus Lebensmitteln eines nicht näher benannten Betriebs aus Patienten zu verzehrten Lebensmitteln wurde häufig aus Hessen mit Patienten-Isolaten des Ausbruchs Sigma1 vergli- Alters- oder Krankheitsgründen von den Patienten bzw. chen und dabei eine sehr nahe Verwandtschaft der Listerien- von den Angehörigen verstorbener Patienten abgelehnt. Isolate der Patienten und aus dem Lebensmittel festgestellt. Bei den Patientenbefragungen des RKI fiel auf, dass mehrere Hintergrund Listeriose, Listeriose-Ausbrüche und inte- Betroffene angegeben haben, dass sie sich bereits vor der Lis- grierte molekulare Surveillance (IMS) teriose-Erkrankung aufgrund eines anderen medizinischen Listeriose-Erkrankungen, verursacht durch das Bakterium Grundes längere Zeit in stationärer Behandlung oder Reha- L. monocytogenes, treten in verschiedenen Formen auf. In- bilitation befunden hatten. Auch die zusätzlichen Informati- fektionen während der Schwangerschaft können zu Fehl-, onen im Meldesystem deuteten darauf hin, dass sich einige Früh-, Totgeburt oder zur Geburt eines erkrankten Kindes Patienten vor der Listeriose-Erkrankung bereits in Kranken- führen. Ansonsten treten invasive Listeriosen vor allem häusern, Reha-Einrichtungen, Altersheimen oder Ähnlichem bei älteren oder abwehrgeschwächten Personen auf; dabei („Gesundheitseinrichtungen“, GE) befanden. Aufgrund des kann es zu Sepsis, Meningitis oder Enzephalitis kommen. Verdachts, dass zumindest ein Teil der Infektionen in GE er- Die Krankheit ist mit einer hohen Sterblichkeit assoziiert. worben worden waren, wurden die zuständigen Gesundheits- Im Jahr 2018 wurden Meldungen von 701 invasiven Liste- ämter gebeten, Informationen zu Aufenthalten der Patienten riosen in Deutschland an das RKI übermittelt. Die Übertra- in GE in den 2 Wochen (maximale Inkubationszeit für Lis- gung von L. monocytogenes erfolgt fast ausschließlich durch teriose-Sepsis und -Meningitis) vor Erkrankungsbeginn der den Konsum kontaminierter Lebensmittel. Listeriose zu überprüfen und, soweit möglich, zu ergänzen. Die Integrierte Molekulare Surveillance (IMS) basiert auf Von den 29 Erkrankungsfällen aus dem Zeitraum 2018 – 2019 der Nutzung von Informationen aus der Genomanalyse konnten von 28 Fällen Angaben zum Aufenthalt in GE er- von mikrobiellen Erregern (mikrobieller genetischer Fin- fasst werden. Davon hatten 20 von 28 Fällen im Zeitraum gerabdruck) in Verbindung mit epidemiologischen Daten von 2 Wochen vor Erkrankung einen stationären Aufenthalt für den Gesundheitsschutz in Deutschland. Listerien kön- in einer GE. Dieser Anteil liegt deutlich höher als aufgrund nen lokale, aber auch bundeslandübergreifende Ausbrüche der Erfahrung mit anderen Listeriose-Ausbrüchen zu erwar- verursachen, die durch den öffentlichen Gesundheitsdienst ten wäre. Da es sich um verschiedene Arten von GE und (ÖGD) oder das RKI untersucht werden. In Deutschland Aufenthalte wegen unterschiedlicher Erkrankungen handel- werden seit 2018 alle an das KL eingesendeten Isolate von te, erschienen Arzneimittel und Medizinprodukte als Infek- Patienten mit Listeriose mittels Ganzgenomsequenzierung tionsquelle unwahrscheinlich. Vielmehr vermutete das RKI, (Next Generation Sequencing, NGS) auf genetische Ver- dass die Infektionsquelle eher im Bereich der Lebensmittel- wandtschaft untersucht. Die Informationen aus der Genom- versorgung der GE liegen könnte. Deshalb hat das RKI die analyse ermöglichen die Untersuchungen von möglichen zuständigen Gesundheitsämter gebeten, Informationen zur gemeinsamen Infektionsquellen, oder anders gesagt, die Lebensmittelversorgung in den betroffenen GE zu ermitteln. Identifikation von Infektionsausbrüchen. Die konkreten In- fektionsquellen können dann ermittelt und abgestellt wer- Eine Liste mit 9 GE aus mehreren Bundesländern, in de- den. Eine große Herausforderung ist die Sicherstellung des nen sich die Patienten während der Inkubationszeit aufge- Informationsflusses zwischen allen Beteiligten: vom Pati- halten haben, wurde an das Bundesamt für Verbraucher- enten bis zur Bundesebene und auch wieder zurück zum schutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) weitergeleitet, Gesundheitsamt und dem Patienten, um Zusammenhänge zwischen den Erkrankungsfällen und einem kontaminier- Nachtrag (11. Oktober 2019) zum Bericht: „Listeriose-Ausbruch ten Lebensmittel aufzeigen oder bestätigen zu können. mit Listeria monocytogenes Sequenz-Cluster-Typ 2521 (Sigma1) in Deutschland“ Das RKI konnte 5 Erkrankungsfälle in Hessen zuordnen. Von diesen 5 Patienten sind 2 Personen aufgrund anderer Ursache als die Listeriose- Erkrankung verstorben. Die Informationen zu den Todesfällen wurden ▪ Dr. Hendrik Wilking1 | Dr. Raskit Lachmann1 | Alexandra Holzer1 | dem RKI am 10. und 11. Oktober 2019 übermittelt. Dr. Idesbald Boone1 | PD Dr. Sven Halbedel2 | Prof. Dr. Antje Flieger2 | Prof. Dr. Klaus Stark1 Damit sind mit Stand 11.10.2019 insgesamt 16 Sigma1-Listeriose-Pati- 1 Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionsepidemiologie enten als verstorben übermittelt bzw. wurden bei ihnen Informationen 2 Robert Koch-Institut, Abteilung für Infektionskrankheiten zum Tod übermittelt. Davon sind 3 Patienten als direkt oder indirekt an ▪ Vorgeschlagene Zitierweise: der Listeriose verstorben übermittelt. Zwölf Listeriose-Meldefälle sind als Wilking H, Lachmann R, Holzer A, Boone I, Halbedel S, Flieger A, nicht an den direkten oder indirekten Folgen der Listeriose verstorben Stark K: Listeriose-Ausbruch mit Listeria monocytogenes Sequenz- übermittelt. Bei einem Patienten war die Todesursache nicht ermittelbar. Cluster-Typ 2521 (Sigma1) in Deutschland. Epid Bull 2019;41:431 – 432 | DOI 10.25646/6308.2
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