Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln auf Ackerflächen?
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272 Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln auf Ackerflächen? Untersuchungsergebnisse aus der Hecken-Landschaft Schleswig-Holsteins Von Helge Neumann, Ralf Loges und Friedhelm Taube, Kiel 1 Einleitung Der Anteil an landwirtschaftlicher Nutzfläche, die nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus bewirtschaftet wird, hat in Europa seit den 1990er-Jahren stetig zugenommen und betrug im Jahr 2004 europaweit 3,4 %, in Deutschland 4,5 % (129). Die Einführung und/oder Beibehaltung der ökologischen Wirtschaftsweise wird in den meisten europä- ischen Ländern finanziell gefördert. Ziel der Zuwendungen für ökologische Produktions- verfahren ist die „nachhaltige Verbesserung der natürlichen und wirtschaftlichen Produk- tionsbedingungen, die mit den Belangen des Schutzes der Umwelt und der Erhaltung des natürlichen Lebensraumes vereinbar sind und zum Gleichgewicht auf den Märkten beitragen“ (EG-Verordnung 1257/1999). Positive Effekte des ökologischen Landbaus auf wild lebende Tiere und Pflanzen sind in vielen Fällen belegt (7; 52; Übersicht in 65). Untersuchungen zum Einfluss der ökologischen Wirtschaftweise auf Brutvögel liegen bisher jedoch kaum vor (Übersichten in 65; 68). Die Richtlinien der deutschen Ökoland- bauverbände enthalten einige allgemeine Naturschutzvorgaben, konkrete (quantitative) Mindeststandards bzw. Handlungsvorschriften für den Artenschutz bzw. speziell für den Vogelschutz fehlen jedoch (Übersicht in 17; 46; 66; 75). Der ökologische Landbau lässt für Vogelarten, die auf Ackerflächen brüten, dennoch Vorteile erwarten, da im Ökolandbau per se einige der Forderungen erfüllt werden, die aus Vogelschutzsicht an die Landwirt- schaft gestellt werden (51; 68). So bedingt der vorgeschriebene Verzicht auf chemisch- synthetisch hergestellte Pflanzenschutz- und Düngemittel (EU-Verordnung 2091/92), dass ökologische Fruchtfolgen in aller Regel eine größere Vielfalt an Ackerfrüchten aufweisen (14). Der Rückgang der Kulturartenvielfalt in der konventionellen Landwirtschaft, ins- besondere der verringerte Anbau von Sommerungen, gilt als einer der Hauptgründe für die beobachtete Abnahme der Feldvogelbestände in Europa in den letzten Jahrzehnten (29; 109; Übersicht in 68). Das Ertragsniveau ist im ökologischen Ackerbau aufgrund der genannten Einschränkungen in der Betriebsmittelzufuhr im Allgemeinen geringer als in der konventionellen Landwirtschaft (z. B. 120). Ökologische Kulturpflanzenbestände weisen je nach Kulturart und Standort zumeist eine vergleichsweise lichtere Vegetations- struktur auf, was den Habitatansprüchen von Offenlandarten, wie z. B. der Feldlerche, entgegenkommt (69; 112; 125; 130). Da im ökologischen Anbau keine Herbizide und Insektizide eingesetzt werden (EU-Verordnung 2091/92), ist die Vielfalt und Häufigkeit von Wildpflanzen und Insekten auf ökologisch bewirtschafteten Äckern vielfach höher als auf konventionellen Vergleichsflächen (Übersichten in 65; 101; 127). Es ist somit zu erwarten, dass Feldvogelarten auf ökologisch bewirtschafteten Flächen ein vergleichs- U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9080/07/8502-0272 $ 2.50/0
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 273 weise höheres Angebot an tierischer und pflanzlicher Nahrung vorfinden (22; 62; 83; Übersicht in 65). Ackerwildpflanzen sind für Feldvögel nicht nur als Nahrung (Übersicht in 85), sondern auch bei der Nestplatzwahl von Bedeutung (116). Die Siedlungsdichte von Brutvögeln wird auf Agrarflächen neben der Flächenbewirtschaftung entscheidend von der Landschaftsstruktur bestimmt (104; 111; Übersicht in 68). Entsprechende Zusammen- hänge sind besonders gut für die Feldlerche untersucht, die in Europa trotz abnehmender Bestände noch zu den weit verbreiteten Vogelarten der Agrarlandschaft zählt (15). Zum Einfluss des Oberflächenreliefs auf die Verbreitung von Feldlerchen liegen nur wenige wis- senschaftliche Untersuchungen vor. Stark geneigte Flächen scheinen jedoch von Lerchen gemieden zu werden (39; 112; 130). Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass senkrechte (Ackerrand-) Strukturen, wie Wälder, Gehölze, Hecken oder Siedlungen, sich negativ auf die Siedlungsdichte von Feldlerchen auswirken (z. B. 23; 36; 41; 85; 96; 99; 102; 130). In Agrarlandschaften, die durch Hecken gegliedert sind, können Feldlerchen entsprechend erst ab einer gewissen Mindestschlaggröße erwartet werden (128). Die Besiedlung einzel- ner Anbaufrüchte wird maßgeblich von deren Vegetationsstruktur bestimmt. Feldlerchen- reviere, die im Frühjahr in konventionell bewirtschaftetem Wintergetreide oder Winterraps gegründet werden, bleiben häufig aufgrund der rasch schließenden und aufwachsenden Pflanzenbestände nicht die gesamte Brutzeit über besetzt, während Frühjahrsansaaten erst später im Jahr, nach dem Auflaufen der Kulturpflanzen, von Feldlerchen besiedelt werden (26; 31; 40; 41; 118; 125). In der offenen Feldflur wirkt sich ein Mosaik aus kleinen, mit unterschiedlichen Kulturarten bestellten Schlägen günstig auf die Siedlungsdichte der Feldlerche aus, da so über den Brutzeitraum verteilt geeignete Vegetationsstrukturen angeboten werden (38; 71; 112; 118). Für große Schläge wurde hingegen ein negativer Einfluss auf die Feldlerchendichte nachgewiesen (37; 38; 40; 41; 112). Die Habitatqualität großer Äcker kann jedoch gesteigert werden, wenn innerhalb der Schläge Bereiche mit lückig-niedriger Vegetation oder Fehlstellen vorhanden sind (50; 90; 95; siehe auch 113; 114). Besonders hohe Feldlerchendichten wurden auf Brach- bzw. Stilllegungsflächen, die nicht mit nachwachsenden Rohstoffen bestellt wurden, festgestellt (23; 27; 36; 40; 41; 85; 99; 103; 130). (Sukzessions-) Brachen wirken sich auch auf das Vorkommen zahlreicher weiterer Feldvogelarten positiv aus (8; 9; 60; 61). Inwieweit der ökologische Landbau an bestimmte Schlaggrößen und/oder eine spezi- fische Ausstattung mit Landschaftselementen, wie z. B. Hecken, gebunden ist, lässt sich aus den Richtlinien der deutschen Ökolandbauverbände nicht eindeutig ableiten, da die Regelwerke mit der Ausnahme des Anbauverbandes Gäa e. V. (53) diesbezüglich keine konkreten Vorgaben enthalten (17; 65; 75; Übersicht in 46). Der Rahmenplan der Ge- meinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ der Bun- desrepublik Deutschland, in dem die Beihilfevoraussetzungen für die Förderung des öko- logischen Landbaus in Deutschland definiert sind, sieht vor, dass auf ökologisch wirt- schaftenden Betrieben alljährlich für mindestens drei Prozent der landwirtschaftlichen Betriebsfläche eine Agrarumweltverpflichtung bestehen muss, die über die Anforderungen der EU-Verordnung 2091/92 zum Ökolandbau hinausgeht (16). Diese Regelung kann je- doch von den Bundesländern ausgesetzt werden und wurde lediglich in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Saarland umgesetzt (Übersichten in 58; 92). Aus Deutschland liegen bisher keine wissenschaftlichen Vergleichsuntersuchungen zum Einfluss des Ökolandbaus auf die Landschaftsstruktur vor. Arbeiten, die in Nachbar- ländern durchgeführt wurden, ergeben kein einheitliches Bild (Übersicht in 81), da die Landschaftsstruktur auf ökologisch bewirtschafteten Betrieben von zahlreichen weiteren Faktoren, wie z. B. der Erwerbsform (Haupt-, Nebenerwerb), der Spezialisierung (mit/ ohne Viehhaltung) und/oder den lokalen landschaftlichen Gegebenheiten (z. B. historisch bedingte Heckendichte), beeinflusst werden kann (47; 82).
274 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube Zu Einflüssen des ökologischen Landbaus auf Brutvögel liegen aus Deutschland bisher sechs Arbeiten vor. In drei Fallstudien wurde untersucht, wie sich eine Betriebsumstellung auf ökologischen Anbau auf die Entwicklung der Vogelbestände auswirkt (Klostergut Sch- eyern/Bayern, 81; Liegenschaft Trenthorst/Schleswig-Holstein, 69; Hof Ritzerau/Schles- wig-Holstein, 92). Fuchs (49) führte eine Begleituntersuchung zur Brutvogelbesiedlung eines Landwirtschaftsbetriebes während der ersten fünf Jahre nach der Umstellung auf ökologischen Anbau durch (Ökohof Seeben/Sachsen-Anhalt). Einer Monitoringstudie von Neumann & Koop (92) (Lindhof/Schleswig-Holstein) liegt ein vergleichbarer Untersu- chungsansatz zu Grunde. Fuchs und Scharon (48 in 50) führten in Brandenburg eine spezielle Untersuchung zur Siedlungsdichte der Feldlerche auf ökologisch, integriert und konventionell bewirtschafteten Wintergetreidefeldern durch. Aussagen zu direkten Effekten des Ökolandbaus lassen sich aus den genannten Stu- dien nur mit Einschränkungen ableiten (vgl. Methodenkritik 65). So war die Betriebsum- stellung in der Studie von Laussmann und Plachter (81) an zusätzliche landschaftliche Umstrukturierungen, wie z. B. die Anlage von Hecken und Saumstreifen, gebunden. Die von Hötker et al. (69) untersuchten Betriebsflächen wurden in dem Vergleichsjahr vor der Umstellung zwar noch konventionell bestellt, die Anbaufrüchte (Winterweizen, -gerste) wurden nach der Ansaat jedoch bereits ökologisch bewirtschaftet. Zudem wurde im Zuge der Umstellung in einem Teilareal eine starke Parzellierung geschaffen, die vermutlich aus der Anlage von Versuchsfeldern resultierte (siehe Abbildung in 69), welche bei den vogelkundlichen Untersuchungen nicht gesondert berücksichtigt wurden. Die Studien von Fuchs (49) und Neumann und Koop (92) (Lindhof) beinhalten keine Erfassung des Ausgangszustandes im konventionellen Anbau, sodass beide Arbeiten keine Aussagen zu unmittelbaren Effekten der Betriebsumstellung zulassen. Die genannten Begleitstudien zur Betriebsumstellung können an Jahreseffekte gekoppelt sein, welche sich lediglich in der Arbeit von Hötker et al. (69) quantifizieren lassen, da in den beiden anderen Un- tersuchungen (81; 92, Hof Ritzerau) keine Vergleichsflächen mit konstanten (konventio- nellen) Bewirtschaftungsverhältnissen untersucht wurden. Alle genannten Studien lassen aufgrund der geringen Stichprobenumfänge keine statisch abgesicherten Aussagen zu, sodass die Autoren ihre Resultate entsprechend vorsichtig interpretieren. Hötker et al. (69) weisen im Hinblick auf den Stand der Forschung darauf hin, dass eine systematische Untersuchung der Brutvogelbesiedlung von ökologisch und konventionell bewirtschafte- ten Praxisbetrieben in Deutschland dringend erforderlich ist. In Schleswig-Holstein wurde vor dem geschilderten Hintergrund in den Jahren 2005 und 2006 ein Projekt durchgeführt, welches zum Ziel hatte, die Brutvogelgemeinschaften einer repräsentativen Stichprobe von ökologisch und konventionell bewirtschafteten Ackerflächen vergleichend zu analysieren. 2 Methoden 2.1 Probeflächenwahl Für die Vogelerfassungen standen ökologisch und konventionell bewirtschaftete Praxisbe- triebe zur Verfügung, deren pflanzliche Produktion bereits seit dem Jahr 2004 im Rahmen des Projektes „COMPASS“ der Universität Kiel untersucht wird (siehe 121). Da die öko- logische Wirtschaftsweise nicht zwingend an eine bestimmte Gestaltung der Landschaft gebunden ist (siehe Kap. 1), wurde für die vogelkundlichen Erfassungen ein Untersu- chungsdesign gewählt, welches verzerrende Einflüsse der Landschaftsstruktur ausschließt. Da es nicht möglich war, aus der Stichprobe des „COMPASS“-Projekts Betriebspaare (konventionell/ökologisch) zu bilden, die sich im Hinblick auf die Landschaftsstruktur
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 275 vollkommen gleichen (vgl. 7; 28; 30; 41), wurden die vogelkundlichen Untersuchungen auf der Ebene von Ackerschlagpaaren durchgeführt. Die Schläge eines Paares wurden so zusammengestellt, dass sie im Hinblick auf das Oberflächenrelief, die (Rand-) Aus- stattung mit Hecken und Gehölzen sowie die Flächengrößen und -zuschnitte möglichst identisch waren (Abb. 1 und 2). Während die Größen der Ackerschläge den Schlagkarteien der Landwirte entnommen werden konnten, mussten das Relief sowie die Ausstattung mit vertikalen Randstrukturen im Feld kartiert werden (topografische Karten im Maß- stab 1:5000). Das Relief wurde durch die Kategorien „eben“, „leicht kuppig“ und „stark geneigt“ klassifiziert, wobei Schläge, die der letztgenannten Gruppe zuzuordnen waren, nicht für die Untersuchungen ausgewählt wurden. Abb. 1. Flächengrößen (ha) der in den Jahren 2005 und 2006 untersuchten Ackerschlagpaare Abb. 2. Klassifizierung der vertikalen Randstrukturen der in den Jahren 2005 und 2006 unter- suchten Ackerschlagpaare (Klassen: 0: 0 – 25 % des Schlagrandes mit Hecken/Gehölzen bestan- den, 1: 26 – 50 %, 2: 51 – 75 %, 3: 76 – 100 %)
276 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube Die Klassifizierung der Randstrukturen der Äcker ist Abbildung 2 zu entnehmen. Bei der Auswahl der Paare wurde zusätzlich darauf geachtet, dass die Anbaufrüchte der Äcker jeweils repräsentativ für die Fruchtfolgen waren, die in Schleswig-Holstein im konventio- nellen und ökologischen Anbau vorherrschen (Tab. 1; vgl. 14 sowie 89). Tabelle 1. Anbaufrüchte der untersuchten Ackerschlagpaare in den Jahren 2005 und 2006 (siehe Abb. 1 und 2; Erträge der Marktfrüchte sowie Bewirtschaftungsmaßnahmen im ökologischen Anbau siehe Anhang, Tab. 7, Abb. 9) Kulturarten 2005 2006 konventionell ökologisch konventionell ökologisch n ha % n ha % n ha % n ha % Mais (GPS)1 12 80,4 26,1 1 11,0 3,7 11 53,5 17,4 2 14,1 4,8 Ackergras2 3 9,7 3,1 5 17,4 5,6 Kleegras Schnitt2 9 52,8 17,9 12 65,1 22,0 Erbsen/Gerste (GPS) 5 22,8 7,7 4 23,3 7,9 Wintergetreide 15 92,2 29,9 10 53,8 18,2 17 188,2 61,1 7 98,4 33,2 Winterraps 8 94,8 30,8 1 8,6 2,9 4 26,1 8,5 Sommergetreide 1 4,0 1,3 7 80,9 27,4 1 5,0 1,6 11 69,0 23,3 Zuckerrüben 1 27,0 8,8 2 18,0 5,8 Kartoffeln 1 5,6 1,9 Saatvermehrung3 2 13,0 4,4 1 5,1 1,7 Körnerleguminosen4 2 12,9 4,4 Kleegras Mulch5 3 39,8 13,5 2 15,5 5,2 Alle Kulturarten 40 308,1 100 40 295,6 100 40 308,1 100 40 296,1 100 Sommerungen 14 111,4 36,2 18 161,5 54,6 14 76,5 24,8 18 112,0 37,8 1 GPS: Ernte als Ganzpflanzensilage; Anbau zur Silageernte, 3 - 4 Schnitte; 2005: Ölrettich, Rot- 2 3 klee, 2006: Deutsches Weidelgras; 4Ackerbohnen, Körnererbsen; 5Aufwuchs 3 bis 4-mal gemäht und auf der Fläche belassen n: Anzahl Schläge, ha: Anbaufläche gesamt Das im ökologischen Landbau ursprünglich angestrebte Ideal eines geschlossenen Be- triebsorganismus, in dem Feldwirtschaft und Viehhaltung in einem ausgewogenem Ver- hältnis zueinander stehen (siehe 77), lässt eine besondere Assoziation des Ökolandbaus mit Gemischt- und Futterbaubetrieben erwarten (z. B. 51; 65). Der tatsächliche Anteil der beiden Betriebsformen ist in Deutschland im ökologischen Landbau jedoch nicht bedeu- tend höher als in der konventionellen Landwirtschaft (Gemischt- und Futterbau zusammen 56,1 % der Betriebe im ökologischen Anbau gegenüber 53,5 % im konventionellen An- bau, Übersicht in 14). In das Experimentdesign der Vogeluntersuchungen wurden deshalb für beide Wirtschaftsweisen sowohl Marktfrüchte als auch Futterpflanzen aufgenommen. Dauergrünland wurde nicht untersucht, da die auf den Betrieben vorhandenen Grünland- flächen im Hinblick auf die Habitatansprüche von Feldvogelarten zu klein waren (siehe Übersicht in 43). Mit dem beschriebenen Verfahren wurden insgesamt 40 „Passerpaare“ gebildet, die in den Jahren 2005 und 2006 in gleicher Weise untersucht wurden (siehe Abschn. 2.2). Im zweiten Erfassungsjahr ergaben sich die angebauten Kulturarten aus den Fruchtfolgen der Betriebe. Die Schlagpaare verteilen sich auf acht konventionell und neun ökologisch be- wirtschaftete Betriebe, die in einem Umkreis von 50 km um die Stadt Kiel in der Hecken-
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 277 bzw. „Knick“-Landschaft Schleswig-Holsteins liegen (siehe 63). Da bei der Auswahl der Betriebe für das Projekt „COMPASS“ darauf geachtet wurde, dass das Produktionsma- nagement innerhalb der Gruppe des konventionellen und ökologischen Anbaus möglichst homogen ist (121), kann für die Schlagpaare der vogelkundlichen Untersuchungen davon ausgegangen werden, dass keine systematisch verzerrenden Betriebsleitereffekte vorlagen. Die ökologisch wirtschaftenden Betriebe wurden zu Beginn der Vogelerfassungen bereits seit mindestens 10 Jahren nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus bewirtschaf- tet. Auf den Ökobetrieben wurden nur Äcker untersucht, die innerhalb von arrondierten Betriebsflächen liegen, d. h. Felder, die allseitig von konventionell genutzten Flächen um- geben sind, wurden nicht in das Untersuchungsdesign aufgenommen. Eine Übersicht über die Bewirtschaftungsmaßnahmen, die auf den ökologisch genutzten Äckern im Untersu- chungszeitraum durchgeführt wurden, findet sich im Anhang (Abb. 9). 2.2 Vogelerfassungen Es wurden alle Vogelarten erfasst, von denen bekannt ist, dass sie direkt auf Äckern brüten („Feldvögel im engeren Sinne“; 124). Arten, die Landwirtschaftsflächen zur Nahrungs- suche nutzen, jedoch ausschließlich in oder an benachbarten Gebäuden oder Sonderstruk- turen brüten („Feldvögel im weiteren Sinne“, z. B. Heckenbrüter), wurden im Hinblick auf die Fragestellung der Arbeit nicht kartiert. Die Erfassungen erfolgten in Anlehnung an die „Revierkartierungsmethode“, bei der alle Vögel notiert werden, deren (Revier anzeigendes) Verhalten auf eine Brut hindeutet (v. a. Gesang, Warnrufe) (13). Bei Vögeln, die Sing- oder Nahrungssuchflüge durchführten, wurde besonders auf die Start- und Landepunkte geachtet. Die Ackerschläge wurden im Zeitraum Anfang April bis Ende Juli/Anfang Au- gust an mindestens fünf Terminen in Transekten kontrolliert. Konventionell bewirtschaf- tete Winterrapsfelder konnten ab Mitte Mai aufgrund der dichten Kulturpflanzenbestände nicht mehr begangen werden. Die Äcker wurden daher vom Rand her mit dem Fernglas und dem Spektiv nach Revier anzeigenden Vögeln abgesucht. Der Abstand zwischen zwei Kartierungsgängen betrug zwei bis maximal vier Wochen. Die Ackerschläge eines Paares wurden vielfach am selben Tag, zumindest jedoch im Abstand von maximal einer Woche kontrolliert. Die Vogelerfassungen wurden nur unter günstigen Kartierungsbedingungen durchgeführt (kein Regen oder starker Wind). Das zweite Untersuchungsjahr war im Ver- gleich zum ersten Erfassungsjahr durch ein kühleres und feuchteres Frühjahr (März/April) sowie wärmere und trockenere Sommermonate (Juni/Juli) gekennzeichnet (Abb. 3). Die Vogelerfassungen wurden im Zeitraum des Sonnenaufganges begonnen. Wenn mehrere Probeflächen an einem Tag kartiert wurden, erstreckten sich die Erfassungen bis in die späten Morgenstunden. Es wurde daher darauf geachtet, dass alle kontrollierten Schläge im Untersuchungszeitraum anteilig zu gleichen Tageszeiten begangen wurden. Ein Vorkommen einer Vogelart wurde als „Revier“ gewertet, wenn es zur Haupt-Brut- zeit an mindestens zwei Kontrollterminen im Abstand von vier Wochen bestätigt werden konnte. Bei Arten, die vor allem in der Dämmerung gesangs- bzw. rufaktiv sind (Reb- huhn, Wachtel, Wachtelkönig), wurde der Status „Revier“ auch vergeben, wenn lediglich ein Brutzeitnachweis vorlag. „Reviere“ des Fasans und des Rebhuhns wurden mit dem Faktor 0,5 gewertet, da eine Brut in angrenzenden Ackerrandstrukturen, wie beispiels- weise Hecken, nicht ausgeschlossen werden kann (siehe z. B. 3). Die Zuordnung von Vogelrevieren zu einzelnen Schlägen erfolgte nach der Partizipationsmethode, welche die relative Häufigkeit von Nachweisen in unterschiedlichen Habitaten berücksichtigt (105; 106). Die Vorkommen der Feldlerche wurden für unterschiedliche Zeiträume ausgewertet, da die Feldlerchendichte in Abhängigkeit der Vegetationsentwicklung der Kulturpflan- zenbestände eine starke saisonale Dynamik aufweisen kann (26; 31; 40; 41; 118; 125; siehe Kap. 1). Neben der maximalen Anzahl an besetzen Feldlerchenrevieren im gesamten
278 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube Abb. 3. Monatliche Durchschnittstemperaturen (°C) und monatliche Niederschlagssummen (mm) im Brutzeitraum der Jahre 2005 und 2006 (Deutscher Wetterdienst, Wetterstation Kiel Holtenau) Untersuchungszeitraum (April – Juli) wurde die Siedlungsdichte in den Zeiträumen April/ Mai (frühe Bruten) und Juni/Juli (späte Bruten) bestimmt (vgl. 26; 71; 73). Saisonale Ver- änderungen der Siedlungsdichten wurden anhand der Differenz der Abundanz zwischen dem zweiten und ersten Auswertungszeitraum (Juni/Juli – April/Mai) überprüft. Um die Brutvogelgemeinschaften der Äcker zu charakterisieren, wurden neben der Siedlungs- dichte die Präsenz der Arten (prozentuales Vorkommen bezogen auf die Gesamtanzahl an untersuchten Schlägen) sowie die Anzahl an (Rote Liste-) Arten und der Shannon- Index berechnet (91). Da die Brutvogelgemeinschaften der Ackerschlagpaare in beiden Untersuchungsjahren stark von der Feldlerche dominiert wurden (siehe Kapitel 3), wurde zusätzlich die Gesamtsiedlungsdichte aller Arten außer der Feldlerche bestimmt. 2.3 Statistische Auswertungen Die statistischen Auswertungen erfolgten als paarweiser Vergleich (109). Um den Ein- fluss der Bewirtschaftungsart (konventionell/ökologisch) zu analysieren, wurde für die erhobenen Parameter je Schlagpaar die Differenz zwischen konventionellem und öko- logischem Anbau gebildet. Da die Paardifferenzen in vielen Fällen weder normal- noch symmetrisch verteilt waren, wurden die Auswertungen der Vergleichbarkeit halber ein- heitlich mit dem Vorzeichentest durchgeführt (110; SAS-Software Version 9.1). Für den Parameter „Siedlungsdichte“ wurde der Einfluss der Bewirtschaftungsart für alle Arten analysiert, die innerhalb der beiden Wirtschaftsweisen in einem der Jahre eine Präsenz von mindestens 10 % aufwiesen (vgl. 30). Die zeitliche Dynamik der Brutzeitvorkommen der Feldlerche (Differenzen der Siedlungsdichte zwischen den Zeiträumen Juni/Juli und April/Mai) wurde ebenfalls mit dem Vorzeichentest geprüft.
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 279 3 Ergebnisse Neben der Feldlerche, die am häufigsten auf den untersuchten Ackerschlagpaaren auftrat, wurden lediglich die Arten Schafstelze, Kiebitz und Fasan auf einer größeren Anzahl an Schlägen (Präsenz ≥ 10 %) nachgewiesen (Tab. 2). Tabelle 2. Präsenz (%) der auf den Ackerschlagpaaren (konventionell/ökologisch) nachgewiesenen Vogelarten in den Jahren 2005 und 2006 (statistische Tests erfolgten nur für Arten, die innerhalb der beiden Wirtschaftsweisen in einem der Jahre eine Präsenz von mindestens 10 % aufwiesen, siehe Tab. 3; n = 40 Schlagpaare) Vogelart¹ 2005 2006 Konv. Ökol. Konv. Ökol. Feldlerche Alauda arvensis (V; 3) 57,5 72,5 50,0 65,0 Schafstelze Motacilla flava (V; 3) 17,5 12,5 22,5 5,0 Kiebitz Vanellus vanellus (2; 3) 15,0 12,5 10,0 7,5 Fasan Phasianus colchicus (n. g.; n. g.) 10,0 22,5 10,0 17,5 Dorngrasmücke Sylvia communis (n. g.; n. g.) 7,5 Rebhuhn Perdix perdix (2; 3) 2,5 Rohrammer Emberiza schoeniclus (n. g.; n. g.) 5,0 2,5 2,5 2,5 Wachtel Coturnix coturnix (n. g.; 2) 2,5 7,5 5,0 10,0 Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula (2; V) 2,5 2,5 Sumpfrohrsänger Acrocephalus palustris (n. g.; n. g.) 2,5 Braunkehlchen Saxicola rubetra (3; 3) 2,5 7,5 Wachtelkönig Crex crex (2; 1) 2,5 ¹Angaben in Klammern: Gefährdungsstatus nach der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands (erste Angabe; 4) bzw. Schleswig-Holsteins (zweite Angabe; 76): 1: vom Aussterben bedroht, 2: stark gefährdet, 3: gefährdet, V: Vorwarnliste, n. g.: nicht gefährdet Die übrigen Feldvogelarten kamen nur auf sehr wenigen Ackerflächen vor (Präsenz < 10 %) und waren vielfach lediglich in einem der beiden Untersuchungsjahre vertreten. Die Feldlerche erreichte auf den ökologisch bewirtschafteten Äckern signifikant hö- here Siedlungsdichten als auf den konventionellen Vergleichsflächen (Tab. 3, Abb. 4). Im ersten Erfassungsjahr war dieser Unterschied im Zeitraum April/Mai (erste Brut) weniger stark ausgeprägt als im Juni/Juli (späte Bruten). Auf den konventionell genutzten Schlä- gen nahm die Siedlungsdichte der Feldlerche während der Brutzeit 2005 ab, während die Abundanz auf den ökologisch bewirtschafteten Äckern in beiden Untersuchungsjahren in der gesamten Brutperiode konstant blieb (Abb. 5, Tab. 4). Die Arten Schafstelze und Fasan zeigten im Mittel der Untersuchungsjahre ebenfalls eine signifikante Reaktion auf die unterschiedliche Bewirtschaftung. Die Effekte waren jedoch weniger stark ausgeprägt als bei der Feldlerche und ließen sich zudem nicht in beiden Einzeljahren statistisch absichern. Die Schafstelze trat im Mittel der Jahre häu- figer auf den konventionell bewirtschafteten Feldern auf, während der Fasan zahlreicher auf den ökologisch genutzten Äckern nachgewiesen wurde. Für den Kiebitz ergab die statische Analyse keinen signifikanten Einfluss der Bewirtschaftungsart. Die Gesamtsied-
280 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube lungsdichte (Summe aller Arten außer Feldlerche), die Artenvielfalt (Artenzahl, Abb. 6; Shannon-Index) und die Anzahl an Rote Liste-Arten wurden ebenfalls nicht von der Wirt- schaftsweise beeinflusst. Tabelle 3. Signifikanzniveaus der mit den Paardifferenzen „Äcker konventionell - Äcker ökologisch“ durchgeführten Vorzeichen-Tests (n = 40 Schlagpaare) Parameter1 2005 2006 Mittel 2005 & 2006 M-Wert Pr >= |M|2 M-Wert Pr >= |M| M-Wert Pr >= |M| Abundanz T1 Feldlerche -7 0,0161 -6 0,0227 -9 0,0021 Alauda arvensis * * ** Abundanz T2 Feldlerche -9,5 0,0003 -6 0,0357 -9,5 0,0013 Alauda arvensis *** * ** Abundanz Tges Feldlerche -8 0,0070 -6,5 0,0294 -8 0,0113 Alauda arvensis ** * * Abundanz Fasan ����� -3,5 0,0923 -3 0,0703 -5 0,0213 Phasianus colchicus n. s. n. s. * Abundanz Schafstelze 3 0,0703 4 0,0215 4,5 0,0225 Motacilla f. flava n. s. * * Abundanz Kiebitz 1 0,7266 0,5 1,0000 2 0,3877 Vanellus vanellus n. s. n. s. n. s. Abundanz Arten gesamt -2,5 0,4421 2 0,5034 -0,5 1,0000 außer Feldlerche n. s. n. s. n. s. Anzahl Arten -3,5 0,2478 -1,5 0,6900 -3 0,3915 n. s. n. s. n. s. Anzahl Rote Liste-Arten -2,5 0,4049 0 1,0000 -3 0,3915 (4) n. s. n. s. n. s. Shannon-Index -3,5 0,2100 0,5 1,0000 -1,5 0,7011 n. s. n. s. n. s. 1 Abundanz: Reviere/10 ha; T1: Zeitraum April/Mai (frühe Bruten), T2: Zeitraum Juni/Juli (späte Bruten), Tges; maximale Siedlungsdichte im Gesamtzeitraum (April-Juni); 2n. s.: nicht signifikant (p >= 5,0 %), *: signifikant (5,0 % > p >=1,0 %), **: hoch signifikant (1,0 % > p >= 0,1 %), ***: sehr hoch signifikant (p < 0,1 %)
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 281 Abb. 4. Siedlungsdichte (Reviere/10 ha) der Feldlerche (Alauda arvensis) (im Zeitraum Tges, siehe Tab. 3), des Fasans (Phasianus colchicus), der Schafstelze (Motacilla flava) und des Kiebitzes (Va- nellus vanellus) auf den untersuchten Ackerschlagpaaren (konventionell/ ökologisch) im Mittel der Jahre 2005 und 2006 (Box-Whisker-Plots, gestrichelte Linie: arithmetisches Mittel, durchgezogene Linie: Median; n = 40 Schlagpaare; statistische Tests siehe Tab. 3) Abb. 5. Differenz der Abundanz (Reviere/10 ha) der Feldlerche zwischen dem Zeitraum Juni/Juli (späte Bruten, T2, siehe Tab. 3) und dem Zeitraum April/Mai (frühe Bruten, T1) auf den unter- suchten konventionell und ökologisch bewirtschafteten Ackerschlägen in den Jahren 2005 und 2006 (n = 40 Schlagpaare; statistische Tests siehe Tab. 4, weitere Erklärungen siehe Abb. 4)
282 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube Tabelle 4. Signifikanzniveaus der mit den Paardifferenzen „Abundanz Feldlerche T2 - Abundanz Feldlerche T1“ durchgeführten Vorzeichen-Tests (siehe Abb. 5; n = 40 Schlagpaare; Signifikanzniveaus siehe Tab. 3) 2005 2006 konventionell ökologisch konventionell ökologisch M-Wert Pr >= |M| M-Wert Pr >= |M| M-Wert Pr >= |M| M-Wert Pr >= |M| -4,5 0,0490 0,5 1,0000 1,5 0,6476 2,5 0,3593 * n. s. n. s. n. s. Abb. 6. Anzahl an Brutvogelarten auf den untersuchten Ackerschlagpaaren (konventionell/ökolo- gisch) im Mittel der Jahre 2005 und 2006 (n = 40 Schlagpaare; statistische Tests siehe Tab. 3) 4 Diskussion 4.1 Siedlungsdichten Feldlerche: Die Feldlerche zeigte die stärkste Reaktion auf die unterschiedliche Ackerbewirtschaftung und erreichte auf den ökologisch bewirtschafteten Flächen signifikant höhere Siedlungs- dichten als auf den konventionell genutzten Äckern. Wie aus der Übersicht in Tabelle 5 ersichtlich, ergaben auch die weiteren in Europa durchgeführten Vergleichsuntersuchungen, trotz unterschiedlicher Untersuchungsansätze und Standortverhältnisse, ohne Ausnahme (tendenziell) höhere Feldlerchendichten im ökologischen Anbau. Die Ursachen hierfür sind im Detail nicht bekannt, da sich Effekte der verschiedenen Charakteristika des ökologischen Landbaus (siehe Kap. 1) in ornitho- logischen Freilandstudien nicht voneinander trennen lassen (vgl. 51; 65). Als mögliche Gründe für höhere Feldlerchendichten auf ökologisch bewirtschafteten Betrieben bzw. Ackerflächen werden ein größerer Anbauumfang von Sommerungen, lichtere Kulturpflan- zenbestände sowie eine höhere Nahrungsverfügbarkeit im ökologischen Anbau diskutiert (28; 30; 41; 47; 48 in 50; 69; 79; 100; 130; siehe Kap. 1). In der konventionell genutzten
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 283 Agrarlandschaft wurden für Frühjahrsansaaten wiederholt höhere Feldlerchendichten er- mittelt als für Kulturarten, die bereits im Herbst bestellt werden (27; 36; 40; 85). Som- merungen weisen im Frühjahr und Frühsommer geringere Vegetationshöhen und -dichten auf als Herbstansaaten (31; 71; 112; 125). In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass Feldlerchen zur Brutzeit Flächen mit niedriger und lückiger Vegetation bevorzugen, wäh- rend sehr dichte und hochwüchsige Pflanzenbestände zumeist gemieden werden (27; 31; 36; 40; 71; 95; 112; 125). Tabelle 5. Vergleichsuntersuchungen zum Einfluss der konventionellen (konv.) und ökologischen (ökol.) Landwirtschaft auf die Siedlungsdichte der Feldlerche Alauda arvensis (Literaturübersicht Europa) Quelle1 Land2 Art der Studie3 Effekt Bemerkungen Typ Methode Jahre ö. L.4 In redigierten Zeitschriften veröffentlichte Artikel 6 S VU PZ 1 (+) 6 Betriebspaare 28 GB VU RK 3 + Jahrweise 7 – 17 Betriebspaare, signifikanter Effekt nur in einem Jahr 30* DK VU PZ, RK 4 + Engl. Veröffentlichung der Studie von Braae et al. (18), s. u. 69* D BU, RK 3 (+) BU: 1. Jahr konv. bestellt, jedoch ökol. bewirt- (SH) VU schaftet, 2./3. Jahr ökol.; VU: 1 Vergleichsge- biet 81* D BU RK 5 (+) 1./2. Jahr konv., 3. – 5. Jahr konv., Umstellung (BA) inkl. landschaftliche Umstrukturierungen (z. B. Heckenanlage) 92*; D BU RK 4 (+) 1. Jahr konv., 2./3. Jahr Teilflächen ökol., 4. 122 (SH) Jahr ökol. (4. Jahr in 121) 130 GB VU RK 2 + 3 ökol. und 4 konv. bewirtschaftete Betriebe, Auswertung auf Einzelschlagebene Anderweitig veröffentlichte Arbeiten 18* DK VU PZ, 4 + 31 Vergleichsgebiete (PZ), darunter 2 Betrieb- RK spaare (RK) 41 GB VU RK 2 + 1 Betriebspaar 47* Ö VU PZ 1 + 92 Testgebiete 48 in D VU RK 1 (+) 3 ökol., 6 konv., 4 integriert bewirtschaftete 50 (BB) Wintergetreidefelder 79* NL VU RK 2 + Jahrweise 10 und 20 Betriebspaare 83 S VU RK 1 + 11 ökol. und 3 konv. bewirtschaftete Betriebe 100 DK BU PZ 5 + 1. – 3. Jahr konv., 4./5. Jahr ökol., 2 Acker- schläge eines Betriebes 1 *: Arbeit enthält Angaben zu (ausgewählten) weiteren Brutvogelarten auf Ackerflächen; 2 Anga- ben in Klammer: Bundesländer: BA: Bayern, BB: Brandenburg, SH: Schleswig-Holstein; 3 Typ: VU: Vergleichsuntersuchung ökologisch und konventionell bewirtschafteter Flächen, BU: Beglei- tuntersuchung der (Teil-) Umstellung eines Landwirtschaftsbetriebes; Methode: RK: Revierkartie- rung oder Vogelerfassung angelehnt an dieses Verfahren, PZ: Punkt-Stopp-Zählung oder Vogeler- fassung angelehnt an dieses Verfahren (siehe 13); Jahre: Anzahl Untersuchungsjahre; 4 Effekt ö. L.: Effekt des ökologischen Landbaus auf die Siedlungsdichte der Feldlerche im Vergleich zur konventionellen Bewirtschaftung: +: signifikant positiv, (+): tendenziell positiv, d. h. Ergebnisdar- stellung ohne statistische Auswertung bzw. Angaben, Trendangabe nach Interpretation der Autoren in der Originalarbeit
284 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube Als mögliche Erklärung für die Bevorzugung lichter Vegetationsstrukturen wird an- geführt, dass Feldlerchen durch sehr dichte Pflanzenbestände beim Nestan- und -abflug sowie bei der Fortbewegung und Nahrungssuche am Boden behindert werden (31; 72; 95). Diese Hypothese wird durch Untersuchungen gestützt, in denen Feldlerchen ihre Nester in konventionellen Getreidebeständen im Laufe der Vegetationszeit zunehmend in der unmittelbaren Nähe von Fahrspuren anlegten, bzw. die Fahrgassen bevorzugt zur Nahrungssuche nutzten (31; 35; 95). Die Adaption an schütter bewachsene (und offene) Agrarflächen könnte sich aus den ursprünglichen Herkunftsgebieten der Feldlerche ablei- ten, welche vermutlich in asiatischen Steppengebieten liegen (35). Der positive Einfluss des Ökolandbaus auf die Siedlungsdichte der Feldlerche war in dem ersten Untersuchungsjahr der vorliegenden Studie im Zeitraum April/Mai weniger stark ausgeprägt als im Juni/Juli. Wilson et al. (130) ermittelten in Großbritannien für kon- ventionell und ökologisch genutzte Wintergetreideäcker einen ähnlichen Effekt. So war der (positive) Einfluss des ökologischen Anbaus auf die Feldlerchedichte im Mai deutlicher ausgeprägt als im April. Eine Erklärung für den deutlicheren Effekt der Bewirtschaftung im Frühsommer könnte darin liegen, dass die Unterschiede in der Vegetationsstruktur auf ökologisch und konventionell bewirtschafteten Äckern nach dem Schließen und Schossen der Pflanzenbestände deutlicher ausgeprägt sind als zu Beginn der Vegetationszeit im Frühjahr (vgl. 27; 69). Die unterschiedlichen Ergebnisse in den beiden Untersuchungs- jahren der vorliegenden Arbeit könnten sich aus der verschiedenartigen Witterung und Bestandesentwicklung in den beiden Jahren erklären. So war die Brutzeit 2006 im Ver- gleich zum Vorjahr durch ein kühleres und feuchteres Frühjahr mit einer lange anhaltenden Schneedecke sowie einer verzögerten Vegetationsentwicklung gekennzeichnet (Abb. 3; 84), welche der Grund dafür gewesen sein könnte, dass auf den konventionell genutzten Schlägen im Vergleich zur Brutzeit 2005 keine signifikante Abnahme der Siedlungsdichte festgestellt wurde (Abb. 5; vgl. 41). Abnehmende Feldlerchendichten im Brutzeitraum sind auch für einige Kulturarten, die im ökologischen Anbau vergleichsweise dicht und/oder hoch aufwachsen (z. B. Win- terroggen, Körnererbsen), belegt (48 in 50; 92; 116). Die Revieraufgaben scheinen im ökologischen Anbau jedoch weniger stark ausgeprägt zu sein (48 in 50; 116) und der Fruchtfolgeanteil dieser Anbaufrüchte ist im Ökolandbau in aller Regel geringer als der Anbauumfang von Winterungen im konventionellen Anbau. In der vorliegenden Arbeit waren die ökologisch bewirtschafteten Schläge durch einen vergleichsweise höheren Anteil an Sommerungen gekennzeichnet (Tab. 1). Im ersten Un- tersuchungsjahr ergab sich dieser Unterschied aus dem Experimentdesign, im Folgejahr resultierte er jedoch aus den Fruchtfolgen der Betriebe. Zur Vegetationsstruktur der un- tersuchten Äcker liegen keine Ergebnisse vor, die sich in einem direkten Zusammenhang mit den Resultaten der Vogelkartierungen stellen lassen. Da sich die Fruchtfolgen im konventionellen und ökologischen Anbau stark unterscheiden (siehe Kapitel 1), beschrän- ken sich direkte Kulturartenvergleiche in Freilandstudien zumeist auf das Wintergetreide, da dieses innerhalb beider Wirtschaftsweisen im größeren Umfang angebaut wird (siehe z. B. 52; 54; 69; 107). Im Rahmen des „COMPASS“-Projektes (siehe Kapitel 1) wurde in denselben Jahren, in denen die vogelkundlichen Erfassungen durchgeführt wurden, auf mehreren Wintergetreideschlägen sowohl die Bestandesdichte des Getreides (Ähren tragende Halme/m2) als auch die Vielfalt an Ackerwildpflanzen (Arten/m2) bestimmt. Die untersuchten Flächen sind nicht in allen Fällen mit den Schlagpaaren der Stichprobe der Vogelerfassungen identisch. Die vegetationskundlichen Untersuchungen können aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe auf denselben Betrieben jedoch einen Anhaltspunkt zu Unterschieden in der Vegetationsstruktur geben. Die Getreidedichte war in beiden Unter- suchungsjahren auf den ökologisch bewirtschafteten Äckern signifikant niedriger als auf den konventionellen Schlägen (Auswertung als paarweiser Vergleich, siehe Abschn. 2.3;
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 285 Abb. 7, Tab. 6). Für die Vielfalt an Wildpflanzenarten wurden hingegen erwartungsgemäß auf den Ökobetrieben höhere Werte ermittelt (siehe Übersicht in 7; 65; 127). Abb. 7. Anzahl an Ackerwildpflanzenarten (Arten/m2) und Bestandesdichte (Anzahl Ähren tra gende Getreidehalme/m2) von konventionell und ökologisch bewirtschafteten Wintergetreidefel dern auf den untersuchten Betrieben in den Jahren 2005 (n = 12 Schlagpaare) und 2006 (n = 8 Paare) [Methode: Transektkartierung im Zentrum der Schläge, je Transekt einmalig im Juli 10 Vegetationsaufnahmen (Fläche 1 m2) nach Braun-Blanquet (20)] Tabelle 6. Signifikanzniveaus der mit den Paardifferenzen „Äcker konventionell – Äcker ökologisch“ für die Parameter Bestandesdichte (Getreidehalme/m2) und Anzahl Ackerwildpflanzenarten/m2 durchgeführten Einstichproben-t-Tests (Stichproben siehe Abb. 7; Signifikanzniveaus siehe Tab. 3) Parameter 2005 2006 t-Wert Pr > |t| t-Wert Pr > |t| Getreidehalme/m2 15,8053
286 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube Die Beziehung zwischen dem tierischen Nahrungsangebot und der Siedlungsdichte von Feldlerchen scheint weniger eng zu sein als die Abhängigkeit von der Vegetationsstruktur. Sowohl Odderskær et al. (95) als auch Petersen (100) konnten keinen direkten Zusam- menhang zwischen dem Angebot an Arthropoden auf Ackerflächen und dem Vorkommen von Feldlerchen nachweisen. Beide Autoren vermuten, dass die Habitateignung weniger vom Angebot als vielmehr von der Erreichbarkeit der Nahrung bestimmt wird, welche im ökologischen Anbau aufgrund der im Allgemeinen lichteren Vegetationsbestände größer sein dürfte (vgl. 25; 72). Auf der Basis der Kenntnisse über die Habitatansprüche der Feldlerche in der moder- nen Agrarlandschaft wurde in Großbritannien eine spezielle Artenschutzmaßnahme zur Förderung von Feldlerchen auf konventionell bewirtschafteten Wintergetreidefeldern ent- wickelt. Die Maßnahme basiert darauf, den Vögeln während der Brutzeit durchgängig Of- fenbodenstellen anzubieten, indem während der Ansaat des Getreides definierte Ackerbe- reiche ausgespart werden („Skylarkplots“, 90; 97). In den bisherigen Untersuchungen zur Effizienz dieser „Feldlerchenfenster“, wirkten sich die Fehlstellen positiv auf die Dauer der Revierbesetzung und den Bruterfolg aus (90; 97). Die Anlage von „Skylarkplots“ wird aufgrund dieser Resultate in Großbritannien seit dem Jahr 2005 im Rahmen der Agrarum- weltprogramme angeboten (32). Erste Erfahrungen aus der Schweiz, in der die Maßnahme infolge der englischen Ergebnisse ebenfalls erprobt wird, sind weniger viel versprechend. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Attraktivität der Offenbodenstellen we- niger stark ausgeprägt ist als in Großbritannien, da die Landwirtschaft in der Schweiz im Vergleich zu England durch eine größere Anbauvielfalt sowie niedrigere Weizener- träge gekennzeichnet ist (42; 56). Auch in Belgien wurden erste Versuche zur Anlage von „Feldlerchenfenstern“ durchgeführt. Systematisch erhobene Ergebnisse zum Einfluss auf Feldvögel liegen bisher jedoch nicht vor (34). Bei einem Vergleich der Wirksamkeit von „Skylarkplots“ mit den Effekten, die (als Nebenprodukt) auf ökologisch bewirtschafteten Äckern erzielt werden, ist zu bedenken, dass der ganzheitliche Bewirtschaftungsansatz des ökologischen Anbaus in vielen Fällen an weitere positive Auswirkungen auf biotische und abiotische Ressourcen gekoppelt ist (Übersichten in 65; 119). Bei der Anlage von Feldlerchenfenstern handelt es sich indessen um eine Einzelmaßnahme, die auf die Habi- tatansprüche einer Tierart abgestimmt ist, und die lediglich auf kleinen Teilarealen eines intensiv genutzten Ackers wirkt (vgl. 94). Übrige Arten: Die Schafstelze galt in der Kulturlandschaft Westeuropas ursprünglich als Charakterart der extensiv genutzten Grünlandniederungen und offenen Feuchtgebiete. In den letzten Jahrzehnten haben Schafstelzen jedoch zunehmend auch großflächige Ackerbaugebiete besiedelt (57). In Schleswig-Holstein wird die Schafstelze aufgrund des Rückganges und der Veränderungen ihrer ursprünglichen Lebensräume in der Roten Liste der Brutvögel geführt (76; siehe Tab. 2). Wegen der zunehmenden Besiedlung von Ackerflächen gelten die Bestände aktuell jedoch nicht mehr als akut gefährdet (10; 11). Zur Habitatwahl der Schafstelze in der Agrarlandschaft liegen aus dem deutschsprachigen Raum nur wenige Untersuchungsergebnisse vor. Schafstelzen bevorzugen – wie Feldlerchen – ebene und offene Landschaften (2; 117), scheinen ihre Nester auf Ackerflächen im Vergleich zur Feldlerche jedoch in höherwüchsigen Pflanzenbeständen anzulegen. In Untersuchungen von Anthes et al. (2) und Schümperlein (115) wiesen Neststandorte bzw. Reviere der Schafstelze eine Vegetationshöhe von 40 – 60 cm auf. Stiebel (117) fand im Juli noch eine größere Anzahl an Nestern (über ein Drittel der Bruten) in Wintergetreidebeständen, die bereits Wuchshöhen von 100 – 170 cm aufwiesen. Für Neststandorte der Feldlerche wurden hingegen maximale bzw. optimale Vegetationshöhen von 15 – 30 cm, in einzelnen Fällen auch bis 50 – 60 cm, ermittelt (27; 31; 71; 118; 125). Schafstelzen scheinen insbe-
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 287 sondere Äcker, die zweikeimblättrige Pflanzen aufweisen, als Bruthabitat zu bevorzugen (2; 116). Für die Nahrungssuche sind zusätzlich Bereiche mit niedriger und schütterer Vegetation wichtig (2; 19; 117). Die Besiedlung einzelner Anbaufrüchte wird maßgeblich von deren Vegetationsstruktur sowie dem Gesamtangebot an Kulturpflanzen bestimmt (2; 115; 117). Auf den Probeflächen von Anthes et al. (2) in Nordwürttemberg siedelten Schafstelzen bevorzugt in Hackfrüchten (Kartoffeln, Zuckerrüben), während Sommer- und Wintergetreidefelder gemieden wurden. Alle weiteren Feldfrüchte (v. a. Mais) wur- den entsprechend dem Angebot besiedelt. Schümperlein (115) ermittelte in der Schweiz ebenfalls eine überproportionale Besiedlung von Kartoffelfeldern. In geringerem Ausmaß wurden auch Zuckerrübenäcker bevorzugt. In der Studie von Stiebel (117) traten aus der Uckermark (Brandenburg) Schafstelzen im Mai vor allem im Winterraps auf. Im Juni/Juli lagen die Reviere hingegen bevorzugt in Mais-, Rüben- und Kartoffelfeldern, wobei sich die Präferenz für die Hackfrüchte nicht statistisch absichern ließ. Ackerflächen, die in der Uckermark von Schafstelzen gemieden wurden, wiesen eines der folgenden Merkmale auf: hoher, sperriger Wuchs (Winterraps im Sommer), fehlende Vegetation (Sommerungen im Mai), dichter Bewuchs ohne offene Bodenflächen (Grünland). Zur Situation der Schafstelze im ökologischen Anbau liegen nur wenige Studien vor. Kragten und Snoo (79) ermittelten auf konventionell und ökologisch bewirtschafteten Betrieben in den Niederlanden – in Übereinstimmung mit den eigenen Ergebnissen – in einem von zwei Untersuchungsjahren niedrigere Schafstelzendichten im ökologischen Landbau. Christensen et al. (30) konnten in Dänemark hingegen keinen signifikanten Einfluss der Wirtschaftsweise feststellen. Schafstelzen wurden auf den untersuchten Be- trieben allerdings auch generell nur sehr selten nachgewiesen. Ackerflächen scheinen in Dänemark bisher nicht in dem gleichen Umfange von Schafstelzen besiedelt worden zu sein, wie es für Schleswig-Holstein bekannt ist (55). In der Begleitstudie zur Betriebsum- stellung der Liegenschaft Trenthorst in Schleswig-Holstein kamen Schafstelzen lediglich auf der konventionell bewirtschafteten Referenzfläche vor. Auf den Betriebsflächen, die im Untersuchungszeitraum auf ökologischen Anbau umgestellt wurden, wurde die Art hin- gegen nicht nachgewiesen (69). Eine Erklärung dafür, dass Schafstelzen möglicherweise häufiger auf konventionell genutzten Ackerflächen auftreten, könnte in der unterschied- lichen Anbau- bzw. Vegetationsstruktur des konventionellen und ökologischen Anbaus liegen (79). Die Vegetation ist auf ökologisch bewirtschafteten Äckern in dem Zeitraum, in dem Schafstelzen ihre Reviere besetzen (Mai), je nach Kulturart u. U. (noch) zu niedrig, als dass die Flächen als Bruthabitat akzeptiert werden. Das für den ökologischen Anbau charakteristische Kleegras wies in den eigenen Untersuchungen vielfach eine Vegetati- onsstruktur auf, die den Pflanzenbeständen intensiv genutzter Wirtschaftsgrünlandflächen ähnelte, welche den Brutplatzansprüchen der Schafstelze in aller Regel nicht genügen (19; 24; 117). Der Fasan wurde in Westeuropa überwiegend als Jagdwild eingeführt (57). In Schles- wig-Holstein wurde die Art bereits ab dem 8. Jahrhundert in Volieren oder Menagerien ge- halten und vermutlich ab dem Jahr 1100 zur Jagd eingebürgert (74). Fasane vermögen ein breites Spektrum an Lebensräumen zu besiedeln, sofern einige höhere Büsche oder Bäume sowie ein Mindestmaß an Deckung vorhanden sind (11; 108). Da die Fasanenbestände in Schleswig-Holstein nach der Einstellung der massenhaften Aussetzungen seit Anfang der 1990er-Jahre stark abgenommen haben (11), ist zu vermuten, dass sich die Art unter den klimatischen Bedingungen Norddeutschlands ohne Hegemaßnahmen nicht eigenständig erhalten kann (11; 74; 131). Auf ökologisch bewirtschafteten Flächen könnten Fasane von einem höheren Nahrungsangebot zur Brutzeit (Wildpflanzen, Bodentiere) und/oder in den Wintermonaten (Samen auf Stoppeläckern) profitieren (vgl. 64; 70). Detailstudien, welche diese Hypothese belegen könnten, fehlen jedoch. Es liegt lediglich eine weitere Arbeit zu Brutzeitvorkommen des Fasans auf konventionell und ökologisch bewirtschafte-
288 Helge Neumann, Ralf Loges, Friedhelm Taube ten Flächen vor, in der jedoch kein signifikanter Effekt der Bewirtschaftungsart gefunden wurde (30). 4.2 Artenvielfalt Untersuchungen zu Auswirkungen des ökologischen Landbaus auf die Vielfalt von Brut- vogelarten (Acker-, Grünland- und Gebüschbrüter) wurden in Dänemark (30), Großbri- tannien (28) und Schweden (6) durchgeführt. Christensen et al. (30) geben lediglich für eines der untersuchten Betriebspaare (siehe Tab. 5) Ergebnisse zur Artenvielfalt an. Die konventionell bewirtschafteten Flächen wiesen jahrweise um 76 – 92 % weniger Brut- vogelarten auf als der ökologische Vergleichsbetrieb. Der Unterschied in der Artenviel- falt war weniger stark ausgeprägt als die Differenz in der Gesamtsiedlungsdichte aller Arten, die ebenfalls auf dem ökologischen Betrieb höher war. Chamberlain et al. (28) konnten nur in einem von drei Untersuchungsjahren einen signifikanten Effekt der Be- wirtschaftungsweise auf die Artenvielfalt (Shannon-Index) nachweisen, wobei die Anzahl der untersuchten Betriebspaare in den verschiedenen Jahren variierte. Belfrage et al. (6) untersuchten Betriebspaare, die unterschiedliche Größenklassen aufwiesen. Betriebe mit geringer Flächenausstattung (12 – 52 ha, vier ökol., zwei konv.) unterschieden sich nicht in der Anzahl an Brutvogelarten; der Vergleich großer Betriebe (135 – 300 ha, zwei ökol., vier konv.) ergab jedoch eine höhere Artenzahl im ökologischen Anbau. Die größte Dif- ferenz in der Artenvielfalt bestand zwischen kleinen Ökobetrieben und großen konventi- onellen Betrieben. In der vorliegenden Arbeit wurde die Artenvielfalt im Gegensatz zu den genannten Ver- gleichsstudien anderer Autoren nicht auf der Betriebsebene, sondern auf dem Niveau von Einzelschlägen bestimmt. Die Schlagpaare wurden zwar so ausgewählt, dass die Flächen- größen der meisten Paare oberhalb der minimalen Raumansprüche von Ackervogelarten liegen (siehe Abb. 1; vgl. Übersicht in 43). Bekannt ist jedoch, dass die Vielfalt an Brutvo- gelarten mit der Größe einer Probefläche (asymptotisch) zunimmt (12; vgl. auch 126). Die Ackerschläge waren des Weiteren wie für die Region typisch überwiegend von Hecken und/oder Gebüschen umgeben (siehe Abb. 2), welche sich auf das Vorkommen von Offen- landarten, zu denen viele Feldvogelarten zählen, negativ auswirken (siehe Übersichten in 43; 68). Auch wenn die Schlagpaare somit landschaftsbedingt nur ein begrenztes Potenzial für eine hohe Vielfalt an Ackervogelarten besitzen, so deuten doch auch die genannten Ergebnisse der weiteren bisher vorliegenden Vergleichsuntersuchungen darauf hin, dass sich konventionell und ökologisch bewirtschaftete Betriebsflächen nicht besonders stark in der Brutvogelbesiedlung unterscheiden. Da Ökobetriebe zumeist isoliert inmitten der konventionell genutzten Agrarlandschaft liegen, reagieren Vögel, die im Vergleich zu an- deren Artengruppen vergleichsweise große Raumansprüche aufweisen (21), möglicher- weise weniger deutlich auf die unterschiedliche Anbauform, als Taxa, die direkter von der Art der Flächenbewirtschaftung beeinflusst werden, wie z. B. Ackerwildpflanzen (7; 52). Vögel sind aufgrund ihrer Flugfähigkeit prinzipiell in der Lage, neu entstandene Le- bensräume rasch zu besiedeln (z. B. 67). Feldvogelarten, die nicht zu den Zug-, sondern zu den Standvögeln zählen, besitzen jedoch u. U. nur ein begrenztes Wiederbesiedlungs- vermögen, wenn die Arten lediglich kleine Reviere besetzen und großflächig nur (noch) in einer sehr geringen Dichte vorkommen (siehe z. B. Rebhuhn; 11). Fuller et al. (52) vermuten, dass positive Effekte des Ökolandbaus auf die Artenvielfalt stärker zum Tragen kommen könnten, wenn größere zusammenhängende Landschaftsausschnitte ökologisch bewirtschaftet würden.
Fördert der ökologische Landbau die Vielfalt und Häufigkeit von Brutvögeln? 289 4.3 Bruterfolg Bei der Bewertung der Auswirkungen von Flächennutzungen auf Brutvögel ist nicht nur das Vorkommen von Arten, sondern auch deren Reproduktion von Bedeutung. Das Kri- terium „Bruterfolg“ ist insbesondere auf Landwirtschaftsflächen wichtig, da Agrarflächen als besonders individuenarme Lebensräume gelten (12; 43). Ökologisch bewirtschaftete Äcker lassen negative Auswirkungen auf den Bruterfolg von Bodenbrütern erwarten, wenn mechanische Unkrautbekämpfungsmaßnahmen (Striegeln, Hacken) während der Brutzeit durchgeführt werden (51). In der vorgestellten Arbeit wurden keine Untersuchungen zum Reproduktionserfolg durchgeführt, da eine zeitaufwändige Suche nach Nestern (siehe z. B. 31; 73) aufgrund der begrenzten Arbeitskapazitäten nicht möglich war. Einen An- haltspunkt zum Einfluss der ökologischen Ackerbewirtschaftung auf den Bruterfolg der Feldlerche liefert eine Studie, die auf dem ökologisch bewirtschafteten Versuchsbetrieb Lindhof der Universität Kiel durchgeführt wurde (92; Abb. 8). Abb. 8. Zeitspannen von Ackerbewirtschaftungsmaßnahmen auf dem ökologisch bewirtschaf- teten Lindhof in den Jahren 2002 und 2003 und Brutablauf der Feldlerche Alauda arvensis (nach Literaturangaben in 31; 33; 98) [Ansaat: Pflugsaat (sofern nicht anders angegeben); mechanische Pflege: Unkrautbekämpfung durch Striegeln (Getreide, Körnerleguminosen), Hacken, Häufeln oder Schlegeln (Kartoffeln); schematische Darstellung nach Angaben in 92] In der zweijährigen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Feldlerchenreviere, die bereits im zeitigen Frühjahr besetzt worden waren, bis auf wenige Ausnahmen während der gesamten Brutzeit besetzt blieben. Eine Gegenüberstellung der Brutphänologie der Feldlerche mit den Terminen der Bewirtschaftungsmaßnahmen, die im Untersuchungs- zeitraum auf den Ackerflächen durchgeführt wurden, ergab, dass der Brutzeitbeginn der Art in den Zeitraum der Frühjahrsbestellungen fiel, sodass (potenzielle) Erstbruten, die bereits in Winterungen oder auf der Stoppel der Vorfrucht begonnen wurden, zerstört worden sein dürften. Hackfrüchte sowie Kleegrasbestände ließen wahrscheinlich in der gesamten Brutzeit keine erfolgreiche Brut zu, da die Zeitabstände zwischen den Bewirt-
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