Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein

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Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
Kurs Natur 2030
Strategie zum Erhalt
der biologischen Vielfalt
in Schleswig-Holstein
Kurzfassung

Arbeitspapier
MELUND
(Stand 02/2021)

Schleswig-Holstein. Der echte Norden.
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
Abkürzungsverzeichnis
                                                         Vorwort
BIK      Biologischer Klimaschutz
BNUR     Bildungszentrum für Natur, Umwelt und länd-     Die biologische Vielfalt in Schleswig-Holstein ist über-       Die Strategie zum Erhalt der Biologischen Vielfalt in
         liche Räume des Landes Schleswig-Holstein       wiegend in keinem guten Zustand.                               Schleswig-Holstein – Kurs Natur 2030 – zielt deshalb darauf
CAU      Christian-Albrechts-Universität zu Kiel              Dies ist das Ergebnis nach Bewertung aller vor-           ab, die Biodiversität durch einen ganzheitlichen Ansatz zu
DVL      Deutscher Verband für Landschaftspflege         liegenden Daten und Unterlagen. Zwar gibt es im Land           erhalten, indem
         (eingetragener Verein)                          lokale und regionale Ausnahmen dank der Wiederher-             › Flächenbedarfe erfüllt und deren ökologische Qualitäten
EWKG     Energiewende- und Klimaschutzgesetz             stellung von naturnahen Lebensräumen in unserer Kultur-          gesichert werden,
GAK      Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und          landschaft, engagiertem Schutzgebietsmanagement und            › die Fragmentierung der Lebensräume minimiert wird,
         Küstenschutz (BRD, Länder)                      erfolgreicher Artenschutzprojekte (Seeadler, Fischotter        › Aufwertungs- und Renaturierungsmaßnahmen einge-
GAP      Gemeinsame Agrarpolitik (EU)                    etc.). Der landesweite negative Trend des fortschreitenden       leitet werden und
GMSH     Gebäudemanagement Schleswig-Holstein            Arten- und Lebensraumverlustes wird dadurch jedoch             › der Umkehrprozess mithilfe eines Artenschutzprogramms
         (Anstalt des öffentlichen Rechts)               nicht aufgehalten. Dieser Prozess hat eine erodierende           flankiert wird.
HNV      High nature value (hoher Naturwert)             Wirkung auf die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur
IQSH     Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen    in Schleswig-Holstein. Damit verbunden ist zudem der           Der integrative Prozess setzt weiterhin auf
         Schleswig-Holstein                              Verlust von wertvollen Ökosystemleistungen wie Klima-,         › eine gezielte Ausrichtung und Flankierung der euro-
KAR      Kernaktionsräume                                Wasser- und Bodenfunktionen, die für die zukünftige              päischen Agrarpolitik (GAP) für eine nachhaltige Land-
KOM      Europäische Kommission                          Entwicklung des Lebens und für die gesellschaftlichen            nutzung und Honorierung ökologischer Leistungen,
LBV      Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr            Systeme eine existenzielle Bedeutung haben.                    › die konsequente Nutzung von Synergien bei der
         Schleswig-Holstein                                   Die Definition der Biodiversität umfasst die Vielfalt        Wiederherstellung von Ökosystemleistungen,
LEP      Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein       der Ökosysteme und Arten sowie die genetische Vielfalt         › eine landesweite „Bildungsinitiative Biodiversität“,
LKN      Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark    innerhalb der Arten. Ein völkerrechtlicher Vertrag, unter-     › auskömmliche Ressourcen für die Umsetzung und
         und Meeresschutz Schleswig-Holstein             zeichnet und ratifiziert von 196 Vertragsparteien, fixiert das     Weiterentwicklung sowie
LLUR     Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und        Übereinkommen über die biologische Vielfalt mit dem            › die Etablierung eines Akteurs-Netzwerks zur Unter-
         ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein   Ziel, die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu schützen, zu       stützung und Begleitung der Strategie.
MELUND   Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft,   erhalten und deren nachhaltige Nutzung so zu organi-
         Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes    sieren, dass möglichst viele Menschen heute und auch           Mit diesen Zielsetzungen kann kontinuierlich die Lebens-
         Schleswig-Holstein                              in Zukunft davon leben können. Diese grundlegende              raumqualität für die Arten verbessert, der Biotopver-
MILIG    Ministerium für Inneres, ländliche Räume,       Zielsetzung ist auch Maßstab für das Handeln der Euro-         bund aktiviert und ein Grün-Blaues Netzwerk für eine
         Integration und Gleichstellung des Landes       päischen Union, der Bundesrepublik Deutschland und             gesicherte Zukunft der Gesellschaft im Einklang mit der
         Schleswig-Holstein                              der Bundesländer.                                              Natur in Schleswig-Holstein etabliert werden. Dafür ist es
MWAVTT   Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit,         Für Schleswig-Holstein ist das Erreichen der europäi-     notwendig, dass alle gesellschaftlichen Akteur*innen ihre
         Technologie und Tourismus des Landes            schen und nationalen Zielvorgaben angesichts des fest-         Handlungsoptionen identifizieren, ihre Aktivitäten bündeln
         Schleswig-Holstein                              gestellten Zustands und der Entwicklung der Natur nicht        und ihre Strategien zum Erhalt der Biodiversität regel-
MSRL     Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie    gesichert. Der notwendige Flächenanteil an natürlichen         mäßig überprüfen.
NSG      Naturschutzgebiet                               oder renaturierten und ökoeffizient genutzten Flächen               Die vorliegende, integrative und sektorenübergreifende
NUN      Norddeutsch und nachhaltig                      der für den Erhalt der Biodiversität besonders wichtigen       Strategie ist der Schlüssel, mit dem ein Trendstopp und
PSM      Pflanzenschutzmittel                            Hauptlebensräume wird nicht erreicht. Darüber hinaus           eine Umkehr bis 2030 gelingen kann.
S+E      Schutz und Entwicklung                          fehlt ein landesweit systemischer Verbund naturnaher öko-
SBVS     Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem          logischer Schlüssellebensräume als Grundvoraussetzung
SHLF     Schleswig-Holsteinische Landesforsten           für den langfristigen Erhalt der biologischen Vielfalt.
SNSH     Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein
uNB      untere Naturschutzbehörde
VNS      Vertragsnaturschutz
WRRL     Europäische Wasserrahmenrichtlinie
WTSH     Wirtschaftsförderung und Technologietransfer
         Schleswig-Holstein GmbH

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Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
Inhalt

  1   Grundlagen und Zielsetzung 5
1.1   Politischer Rahmen 5
1.2   Vision für Schleswig-Holstein 7
1.3   Ökologische Situationsanalyse 8
1.4   Treiber für die Gefährdung der Biodiversität 12
1.5   Biodiversität und Klimawandel 12

  2   Netzwerke(n) für den landesweiten Biodiversitätsschutz 14
2.1   Netzwerk Natur 15
2.2   Netzwerk Bildung 37

                                                                  1
2.3   Netzwerk Akteur*innen 41

                                                                              Grundlagen
                                                                              und Zielsetzung
                                                                                            Schleswig-Holstein braucht eine umfassende Strategie
                                                                                            zum Erhalt seiner biologischen Vielfalt.

                                                                  1.1 Politischer Rahmen

                                                                  Bereits 1992 wurde vor dem Hintergrund des fort-              die KOM zusammen mit der Konzeption „Vom Hof auf den
                                                                  schreitenden Verlusts der biologischen Vielfalt auf dem       Tisch“ (Farm to Fork – F2F) – eine Strategie für ein faires,
                                                                  Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro         gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem2
                                                                  das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Con-         – einen wichtigen Baustein ihres European Green Deals
                                                                  vention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet. Wie      vorgelegt. Wesentliche Inhalte der europäischen Biodiver-
                                                                  die anderen Vertragsparteien hat sich auch Deutschland        sitätsstrategie sind:
                                                                  im Artikel 6 des Übereinkommens1 verpflichtet, nationale       › Ausweisung von Schutzflächen: 30 Prozent der Land-
                                                                  Strategien, Pläne oder Programme zum Erhalt und zur             fläche und der Meeresgebiete sollen unter Schutz
                                                                  nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt aufzu-           gestellt werden, davon jeweils ein Drittel mit strengen
                                                                  stellen. Im selben Jahr wurde auch die „Klimarahmenkon-         Schutzvorschriften.
                                                                  vention“ verabschiedet. Aufgrund der Synergien, die sich      › Wiederherstellung und Renaturierung: Lebensraum-
                                                                  bei einer gemeinsamen Zielverfolgung ergeben, ist sie für       typen und Arten nach EU-FFH- und Vogelschutzrichtlinie
                                                                  den Biodiversitätsschutz ebenfalls maßgeblich.                  sollen einen günstigen Erhaltungszustand erreichen.
                                                                       Das Grundgesetz (Artikel 20a) und die Landesverfas-      › Landnutzung und Wasserwirtschaft: Der Pestizidein-
                                                                  sung Schleswig-Holsteins (Artikel 11) definieren den Schutz      satz soll um 50 Prozent, der Düngemitteleinsatz um 20
                                                                  der natürlichen Lebensgrundlagen als staatliche und kom-        Prozent verringert werden. Es sollen Neuwald gebildet,
                                                                  munale Aufgabe. Damit besteht neben einer ethischen             Gewässer renaturiert sowie land-, forst- und fischerei-
                                                                  Verantwortung auch eine rechtliche Vorgabe, die biolo-          wirtschaftliche Nutzungen extensiviert werden.
                                                                  gische Vielfalt zu schützen. Nach den deutlich verfehlten     › Städte: Bis Ende 2021 sollen Städte mit mehr als 20.000
                                                                  Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 hat     Einwohner*innen Pläne zur Stadtbegrünung vorlegen.
                                                                  die Europäische Kommission (KOM) eine neue Strategie          Für die Umsetzung des Netzwerkes Natura 2000 und der
                                                                  vorgelegt, die die Hauptgründe für den Biodiversitätsver-     EU-weiten grünen Infrastruktur kalkuliert die Kommission
                                                                  lust benennt und diese bis 2030 beseitigen will. Damit hat    ein Budget von jährlich 20 Milliarden Euro ein. Damit

4                                                                                                                                                                                         5
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
unterstützt sie die auch vom Bundesrat bestätigte Auf-             Warum ist der Verlust an biologischer Vielfalt für uns
                                                                                                                            1.2 Vision für Schleswig-Holstein
fassung, dass der finanzielle Bedarf für einen effektiven           so bedeutsam?
Naturschutz in Deutschland die bisher verfügbaren Mittel      Eine lebenswerte Umwelt mit einem funktions- und
um mindestens den Faktor drei übersteigt.3 Daher müssen       leistungsfähigen Naturhaushalt, sauberem Wasser,              Auf der Grundlage der beschriebenen internationalen und
jetzt sowohl die rechtlichen als auch die budgetären          produktiven Böden, einer guten Artenausstattung und           nationalen Rahmenbedingungen verfolgt Kurs Natur 2030
Voraussetzungen geschaffen werden, um die geforderten         „funktionierenden Ökosystemen“ ist die Grundlage für          einen ressortübergreifenden, querschnittsorientierten und
Maßnahmen für den notwendigen Biodiversitätsschutz zu         das menschliche Leben, Wohlbefinden und die Erholung           integrativen Ansatz.                                                                     MELUND
ergreifen.                                                    sowie für die dauerhafte Sicherstellung der Lebens-               Alle Inhalte wurden durch eine interdisziplinäre
                                                                                                                                                                                                                                          5
     2017 beschloss die Landesregierung Schleswig-Holstein,   grundlagen künftiger Generationen. Von den natürlichen        Projektgruppe unter Beteiligung von 35 Akteur*innen                         LLUR                           Ressorts
eine Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt aufzu-    Prozessen profitiert der Mensch in vielerlei Hinsicht. Zu      verschiedener Bereiche erstellt und federführend durch
stellen. Der politische Auftrag zur Umsetzung wurde im        diesen Prozessen gehören beispielsweise die Reinigung         das MELUND entwickelt (Abbildung 1). Die Strategie
                                                                                                                                                                                                                Biodiversitäts-
Koalitionsvertrag „Das Ziel verbindet“ für die Jahre 2017     des Niederschlagwassers bis zur Trinkwasserqualität durch     basiert auf den erarbeiteten Bausteinen und leitet aus den
bis 2022 verankert. Darin fordern die Vertragspartner*        den Boden, die Speicherung klimaschutzrelevanter Gase,        Bestands- und Gefährdungsbewertungen Ziele, Maß-
                                                                                                                                                                                                                   strategie
innen einen ganzheitlichen und ressortübergreifenden          die Abmilderung der negativen Wirkungen durch den             nahmen und Umsetzungsbedarfe für die übergeordneten                   SHLF
                                                                                                                                                                                                                  Schleswig-               BNUR
Ansatz unter Einbindung relevanter Akteur*innen sowie         Klimawandel oder die Bestäubung von Pflanzen durch             Handlungsfelder ab (Abbildung 2).                                                      Holstein
die Honorierung ökologischer Allgemeinleistungen:             Insekten. Arten- und Lebensraumvielfalt ermöglichen und
     „Daher werden wir im Dialog mit relevanten Akteuren      stabilisieren dabei die Basisleistungen der Ökosysteme.                                                                                             35
eine Landesstrategie zur Sicherung der biologischen                                                                                                                                                            Akteur*         LKN/
                                                                                                                            Abbildung 1 (rechts): Mitwirkung an der Entwicklung der                             innen
Vielfalt entwickeln. In dieser Strategie wollen wir die           Wo stehen wir?                                                                                                                                               NPA
                                                                                                                            Biodiversitätsstrategie (MELUND)                                                      SH
bestehenden fachpolitischen Ziele und Maßnahmen zum           Sowohl die für 2010 als auch die für 2020 vereinbarten
Schutz der biologischen Vielfalt abteilungs- und ressort-     Biodiversitätsziele wurden europaweit deutlich verfehlt.
übergreifend zusammenführen und ergänzen. Den Schutz          Absehbar werden die gesteckten Ziele bei einem „weiter
                                                                                                                            Abbildung 2: Aufbau der Strategieentwicklung (MELUND)
von Grünland, Mooren und Anmooren werden wir weiter           so“ auch für 2030 nicht erreicht. Untersuchungsergebnisse
fördern. Das Auenprogramm zur Renaturierung von Auen          zu Wasserqualitäten und die Folgen des Insektensterbens
entlang der prioritären Gewässer werden wir umsetzen.         zeigen eindrucksvoll die fortschreitenden erheblichen
Wir wollen das fast erreichte Ziel von 15 Prozent Vorrang-    Beeinträchtigungen der Ökosystemdienstleistungen und
flächen (derzeit 14,6 Prozent der Landesfläche) in der          Ressourcen. Ein Umdenken sowie ein konsequentes und
kommenden Legislaturperiode einschließlich zwei Prozent       innovatives Handeln von Politik und Gesellschaft sind
Wildnisgebiete erreichen.“                                    daher dringend erforderlich.

                                                                                                                                                                                      Vision
Das Land Schleswig-Holstein hat bei der Umsetzung seiner Biodiversitätsstrategie „Kurs Natur 2030“ den Anspruch:

1. die ressort- und disziplinübergreifende Zusam-              7. Wildnis zuzulassen,
   menarbeit für den Schutz der Natur im Land zu              8. den gesamtgesellschaftlichen Bildungsauftrag für                                                      Leitbilder/Grundsätze
   verbessern,                                                    nachhaltige Entwicklung als Investition in die
2. querschnittsorientiertes Handeln zu befördern,                 Zukunft zu implementieren,
   bestehende Synergien für den Schutz natürlicher            9. Akteur*innen dauerhaft einzubinden, zu vernetzen
   Ressourcen auszubauen und neue Kooperationen                   und Verantwortung zu übertragen, um das Thema                                                                Handlungsfelder
   zu initiieren,                                                 Biodiversität im Land zu verankern,
3. die Vernetzung von Lebensräumen zu gewähr-                 10. qualitative und quantitative Zielsetzungen zu defi-
   leisten, indem es den Biotopverbund und die                    nieren und verbindliche Zielhorizonte festzulegen                                                               Akteurs-Netzwerk
   Grün-Blaue Infrastruktur als zentrale Säule ent-               und ein Berichtswesen einzuführen,
   wickelt und damit die Basis für den Schutz der             11. dazu beizutragen, eine intakte Natur für die                              Grün-Blaue Infrastruktur –                                  Administration/Umsetzung
   Artenvielfalt legt,                                            Gesundheit und die Erholung der Bevölkerung                             Lebensräume –
4. Ökosystemfunktionen zu gewährleisten, wieder-                  sicherzustellen,                                                      Artenschutz
                                                                                                                                                                                  Bildungsinitiative
   herzustellen und dadurch Ökosystemleistungen               12. die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zur
                                                                                                                                                                                     Biodiversität
   zu generieren,                                                 Förderung der Biodiversität auszufüllen und über-
5. Biodiversität und Klimawandel zusammen zu                      tragbare Modelle zu schaffen,
   „denken“, Synergien und Partnerschaften im Land            13. strukturelle, personelle und finanzielle Voraus-              Ausgangs-       Defizite          Leitziele       Synergien   Akteur*        Maß-          Indikatoren      Monitoring
                                                                                                                               lage            Gefähr-          Quantitativ,    Ressort-    innen          nahmen &      Kenn-            Dauerhafte
   zu ermitteln und zu bündeln,                                   setzungen für die Umsetzung zu schaffen.                                                                                  Verant-
                                                                                                                               Bestand         dung             qualitativ,     übergrei-                  Umsetzung     zahlen           Überprü-
6. standortangepasste und biodiversitätskonforme                                                                                                                                            wortungs-
                                                                                                                                                                strategisch     fend                       Prioritäten                    fung
   „ökoeffiziente“ Flächennutzungen zu befördern,                                                                                                                                            bereiche

6                                                                                                                                                                                                                                                      7
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
Ein Monitoringsystem gewährleistet das Erreichen der Ziele          Die in Abbildung 3 dargestellten Visionen, Leitbilder          nahm ihn die UNESCO als Teil der "UNESCO-Welterbe-                 Gleichzeitig ist Schleswig-Holstein stark durch die Land-
und die Ableitung möglicher Anpassungsmaßnahmen. Über           und Ziele verdeutlichen die angestrebte Situation der              stätte Wattenmeer" auf.                                            nutzung geprägt. Zurzeit befinden sich etwa 63 Prozent
dessen Ergebnisse wird 2026 und 2030 berichtet.                 biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein.                            Reste ehemals weitläufiger Moorlandschaften kenn-              der terrestrischen Landesfläche in landwirtschaftlicher
                                                                                                                                   zeichnen die großen Niederungen der Geest, wie z. B. die           Nutzung. Die aktuell für die Tier- und Pflanzenvielfalt wert-
                                                                                                                                   Eider-Treene-Sorge-Niederung. Mit etwa neun Prozent                gebenden Lebensräume wie Knicks, Kleingewässer oder
                                                                                                                                   der Landesfläche gehört Schleswig-Holstein neben Nie-               Wertgrünland sind letzte Überbleibsel einer historischen

Vision                     › Der Rückgang der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein                                          dersachen und Mecklenburg-Vorpommern zu den drei
                                                                                                                                   moorreichsten Bundesländern. Nur 11 Prozent der Landes-
                                                                                                                                                                                                      Landnutzung ohne Kunstdünger, die aber gleichwohl
                                                                                                                                                                                                      nach damaligen Notwendigkeiten und Möglichkeiten
                             ist gestoppt und eine Trendumkehr eingeleitet.
                                                                                                                                   fläche werden hingegen von Wald eingenommen. Da sie                 maximal betrieben wurde. Trotz der für damalige Verhält-
                           › Die Biodiversität ist so weit in Wert gesetzt, dass sie in jedes gesellschaftliche                    die Waldarmut Schleswig-Holsteins ein wenig relativieren,          nisse starken Nutzung wiesen die großflächigen Heiden
                             Handeln integriert ist.                                                                               stellen die oft landschaftsbildprägenden Knicks und Feld-          und artenreichen Grünländer damals noch eine Vielzahl
                                                                                                                                   hecken wichtige Strukturelemente dar. Das ca. 55.000               von Landschaftselementen wie Kleingewässer und Bruch-
                           › Die Nutzung der natürlichen Ressourcen und die nachhaltige gesellschaftliche
                                                                                                                                   Kilometer lange Knick- und Feldheckennetz schafft beson-           wälder auf.
                             Entwicklung in Schleswig-Holstein stehen im Einklang mit der Erhaltung
                                                                                                                                   dere ökologische Standortbedingungen (z. B. Ökotone,
                             der biologischen Vielfalt.
                                                                                                                                   siehe Kapitel 2.1.8) und erhöht die Vielfalt der Lebensräume       1.3.2 Zustand der Lebensräume und Arten
                                                                                                                                   für viele Tier- und Pflanzenarten in der Kulturlandschaft.          in Schleswig-Holstein
                                                                                                                                   Die Fließgewässer mit den anliegenden Auenlandschaften

Leitbild                   › Die biologische und genetische Vielfalt in Schleswig-Holstein sind zu schützen
                             und, wo möglich, wiederherzustellen.
                                                                                                                                   übernehmen Verbundfunktionen und bilden zusammen mit
                                                                                                                                   den zahlreichen Klein- und Binnengewässern Lebensraum
                                                                                                                                                                                                      Die Auswertung der Monitoringdaten des Landes macht
                                                                                                                                                                                                      die folgenden vier Trends deutlich.
                             Eine nachhaltige Nutzung ist zu ermöglichen.                                                          für aquatische und amphibische Lebensgemeinschaften.
                                                                                                                                                                                                           Biotopentwicklung von 1978 bis 2018
                           › Der Schutz und die Entwicklung der Biodiversität werden als gleichrangiges Ziel
                                                                                                                                     Schleswig-Holstein – Daten                                       Anthropogene Biotoptypen wie Acker, Intensivgrünland
                             mit anderen gesellschaftlichen Ansprüchen an Natur und Umwelt definiert.
                                                                                                                                     › terrestrische Landesfläche: 15.636 Quadratkilometer             sowie Siedlungs- und Verkehrsflächen haben in erheb-
                                                                                                                                     › marine Landesfläche: 9.912 Quadratkilometer                     lichem Umfang auf Kosten von naturnahen Biotopflächen
                                                                                                                                     › Naturräume: (Wattenmeer), Marsch, Vorgeest, Geest,             zugenommen. Bei nahezu allen Wertbiotopen hingegen
                                                                                                                                       Östliches Hügelland                                            sind trotz des rechtlichen Schutzes starke Rückgänge fest-
Ziele                      › Eine qualitative und quantitative Verbesserung des Zustands der landestypischen
                             schleswig-holsteinischen Hauptlebensräume, wie z. B. Küsten, Moore, Auen,                               › höchste Erhebung: Bungsberg (Holst. Schweiz),                  zustellen (Abbildung 5).
                             Gewässer und deren Lebensgemeinschaften, wird erreicht.                                                   167 Meter über Normalnull
                                                                                                                                     › tiefste Stelle (Deutschlands): Neuendorf (Wilster-
                                                                                                                                       marsch), 3,5 Meter unter Normalnull

                                                                  Abbildung 3: Grundsätze der Biodiversitätsstrategie (MELUND)
1.3 Ökologische Situationsanalyse
                                                                                                                                  100.000

                                                                                                                                   10.000
1.3.1 Landestypische Lebensräume und
Landschaftswandel
                                                                                                                                    1.000

Schleswig-Holstein gliedert sich in vier terrestrische Natur-
räume sowie die Nord- und die Ostsee (Abbildung 4). Es                                                                               100
gehört sowohl der atlantischen als auch der kontinentalen
Region an und bietet mehr als der Hälfte aller in Deutsch-
                                                                                                                                      10
land lebenden Arten einen Lebensraum. Wie kein anderes
Bundesland ist es durch Wasser geprägt: Küstenlebens-
räume der Nord- und Ostsee sowie Seen, Flüsse und                                                                                      1
Moore formen seine typische Landschaft, die Artenvielfalt

                                                                                                                                                     Fe Küs ndün n
                                                                                                                                                                                    en

                                                                                                                                                                                 ä r

                                                                                                                                                         Lin t. G land

                                                                                                                                                              La sten ee

                                                                                                                                                            ac llber der
                                                                                                                                                oc nera chst ium

                                                                                                                                                                                      n

                                                                                                                                                                              en n

                                                                                                                                                                                     ld
                                                                                                                                                           wä Dü en

                                                                                                                                                                        grü sser

                                                                                                                                                                          Ge ze

                                                                                                                                                            Mi bhol att

                                                                                                                                                                          au ch

                                                                                                                                                                      ch eiche
                                                                                                                                                   Ni berg sfläc m

                                                                                                                                                            nie ens ur

                                                                                                                                                                          Rö ried
                                                                                                                                                                              lta l

                                                                                                                                                                            H nd

                                                                                                                                                                         lzw ze

                                                                                                                                                                         ho rst

                                                                                                                                                          Wa ode Kalk

                                                                                                                                                                           ilkü n
                                                                                                                                           Ru inn rmo gsm n

                                                                                                                                                 Tro Verk ege llen

                                                                                                                                                                           Au cht
                                                                                                                                                                                      e

                                                                                                                                                                        grü en

                                                                                                                                                                           Str sen

                                                                                                                                                                                      t

                                                                                                                                                             So eso er

                                                                                                                                                                                      n
                                                                                                                                                  we ngr stad st

                                                                                                                                                                          r/ oor

                                                                                                                                                            n-/ sflä on

                                                                                                                                                          ch Bru wald
                                                                                                                                                                           ew ss

                                                                                                                                                            So Grü and

                                                                                                                                                                     Str ände

                                                                                                                                                    ge Que Wä il
                                                                                                                                         ns r Reg gstra s-Sta um

                                                                                                                                                        Gr Mag chen

                                                                                                                                                           Fe Misc ald
                                                                                                                                                           oc alzs pf
                                                                                                                                                                       r-A nta

                                                                                                                                                        Int ogg ässe

                                                                                                                                               or or B Nad fors
                                                                                                                                                                    ne che

                                                                                                                                                       Ro hsta telle

                                                                                                                                                                                    e

                                                                                                                                                                                  ph
                                                                                                                                                                                  rm

                                                                                                                                                                  Ste chte
                                                                                                                                                                                  he

                                                                                                                                                                                  ste
                                                                                                                                      ch oor Z feife rken lfor

                                                                                                                                                                   htg hwa
                                                                                                                                                        Ü tion diu

                                                                                                                                            dlu Pio bod enfl
                                                                                                                                                                                 Flu

                                                                                                                                                                  re ehöl

                                                                                                                                                                                   u
                                                                                                                                                                  Sa höl

                                                                                                                                                      -/H nds Sum

                                                                                                                                                     Wa Wald ebüs
                                                                                                                                                                   Kü nds
                                                                                                                                                                                  w
                                                                                                                                                                 sch zfo

                                                                                                                                                                 se rras
                                                                                                                                                     Ge htes dün

                                                                                                                                                     so cht eid
                                                                                                                                                                                nla

                                                                                                                                                      cke eh tati

                                                                                                                                                                                hri

                                                                                                                                                                                 w

                                                                                                                                                                                  l
                                                                                                                                                                                  i

                                                                                                                                                                ld, nsa
                                                                                                                                                                                ie
                                                                                                                                                               sse ne

                                                                                                                                                                                 d

                                                                                                                                                                                te
und das Klima. Salzwiesen, Dünenlandschaften, Lagunen

                                                                                                                                                                               nl
                                                                                                                                                                                n
                                                                                                                                                              Bin erflä

                                                                                                                                                                               lz

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                                                                                                                                                                            ch
                                                                                                                                                             en ew

                                                                                                                                                                              e

                                                                                                                                                                              a

                                                                                                                                                                            lu
                                                                                                                                                                         ud
                                                                                                                                                                             a

                                                                                                                                                                            e
                                                                                                                                                                      ten

                                                                                                                                                                        gg

                                                                                                                                                                       m
                                                                                                                                                                          .
                                                                                                                                                                        n
                                                                                                                                                                        g

                                                                                                                                                                        t
                                                                                                                                                                      o

                                                                                                                                                                        r
und Steilküsten gehören mit einer kennzeichnenden
                                                                                                                                                                     k

                                                                                                                                                                  ns
                                                                                                                                                                 siv

                                                                                                                                                                    a
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                                                                                                                                                                  a

                                                                                                                                                                 hs
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                                                                                                                                                                 u
                                                                                                                                                               Sti

                                                                                                                                                                  -
                                                                                                                                                              uc
                                                                                                                                                              ile

                                                                                                                                                                b
                                                                                                                                                              ea

                                                                                                                                                             en
                                                                                                                                                             oß
                                                                                                                                                            Ko

                                                                                                                                                 Me Feu

                                                                                                                                                              i

                                                                                                                                                           ld,
                                                                                                                                                             a
                                                                                                                                                          ph

                                                                                                                                                            h
Artenausstattung ebenso zu den Landesspezifika wie Wat-

                                                                                                                                                           e
                                                                                                                                                         uc

                                                                                                                                              de enl

                                                                                                                                                         /B
                                                                                                                                                       ed

                                                                                                                                                    -Es
                                                                                                                                                     s-/
                                                                                                                                                       r
                                                                                                                                                      e
                                                                                                                                                   h-/
                                                                                                                                   Ho hmo mo

                                                                                                                                                  ral
tenmeer, Riffe und die Hochseeinsel Helgoland. Heraus-

                                                                                                                                                 ng
                                                                                                                                                   P

                                                                                                                                                 en

                                                                                                                                                 än
                                                                                                                                                 B
                                                                                                                                                h

                                                                                                                                             ud

                                                                                                                                             ilh
                                                                                                                                    Ho Hoc

                                                                                                                                           t. H
zustellen ist der Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches

                                                                                                                                            o

                                                                                                                                         Ste
                                                                                                                                         Sta
                                                                                                                                        mo

                                                                                                                                        Sie
                                                                                                                                         m
                                                                                                                                       c
                                                                                                                                      ch

                                                                                                                                      So
Wattenmeer“. Als größter Nationalpark Mitteleuropas und

                                                                                                                                   Ho
Teil des Weltnaturerbes Wattenmeer ist er eines der wich-
                                                                  Abbildung 4: Naturräume in Schleswig-Holstein (MELUND, 2020);
tigsten Vogelrastgebiete weltweit. Unter anderem wegen             Hügelland,  Vorgeest,  Geest,  Marsch,  Meer               Abbildung 5: Übersicht der Biotopflächen (logarithmiert) der jeweiligen Biotoptypen in Hektar (LLUR, 2020);  1978–93,  2014–18
seiner globalen Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität

8                                                                                                                                                                                                                                                                    9
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
Europäisches Netzwerk Natura 2000                                                     der Küstendünen und des Grünlands gekommen. Trotz                                            Rote Listen                                                   negativer Trend ab. Von den 45 Süßwasserfischarten in den
Anhand der FFH-Berichte ist eine Rückschau bis in das                                     zum Teil erheblicher Schutzbemühungen und Maßnahmen                                     Knapp 1.000 Arten gelten in Schleswig-Holstein als aus-            schleswig-holsteinischen Seen, Flüssen und Bächen gelten
Jahr 2001 möglich (Abbildung 6). Aus ihnen ergibt sich,                                   vor allem in den Europäischen Vogelschutzgebieten sind                                  gestorben oder verschollen und fast die Hälfte der in              gegenwärtig 24 Arten als mehr oder minder gefährdet. Im
dass sich der Erhaltungszustand nur bei einzelnen Lebens-                                 viele Wiesenbrüter, wie Kiebitz und Uferschnepfe, aber                                  den Roten Listen Schleswig-Holsteins bewerteten Taxa ist           marinen Bereich Schleswig-Holsteins sind ebenfalls ver-
raumtypen wie z. B. bei atlantischen Salzwiesen, Strand-                                  auch das Rebhuhn aus vielen Teilen des Landes weitge-                                   mittlerweile mindestens gefährdet. Besonders ausgeprägt            schiedene Arten weitgehend verschwunden. Dies betrifft
seen und eutrophen Seen verbessert hat. Befinden sich                                      hend verschwunden. Positive Entwicklungen der Bestands-                                 sind die Rückgänge bei den Insekten und bei den Arten              z. B. riffbildende Arten wie den Borstenwurm, das Seemoos
Flächen bereits im günstigen Erhaltungszustand, stag-                                     und Artenzahlen sind fast ausnahmslos auf Flächen im                                    der Agrarlandschaft. Auch bei den heimischen Süß-                  und die Europäische Auster (Abbildung 8).
nieren sie dort meist auf niedrigem Niveau. Zu Verschlech-                                Naturschutzeigentum z. B. von Stiftungen und auf Vertrags-                              wasserfischarten zeichnet sich in Schleswig-Holstein ein
terungen ist es unter anderem bei den Lebensraumtypen                                     naturschutzflächen zu verzeichnen.4

                                                                                                                                                                                          Farn- und Blütenpflanzen                                                          50 %
      2007                     10                             11                                                       28                                             3                               Brombeeren                                              42 %
                                                                                                                                                                                                 Armleuchteralgen                                                                                                     90 %
ATL

      2013        4                              15                                                             30                                               5
                                                                                                                                                                                                          Flechten                                                                        60 %
      2019                      11                             10                                                       29                                                2                                 Moose                                                                                64 %
                                                                                                                                                                                                         Großpilze                                                43 %
      2007                 7                             14                                                      26                                          6
                                                                                                                                                                                                           Libellen                                        38 %
KON

      2013        5                                   17                                                                    32                                                1
                                                                                                                                                                                  Eintags-, Stein- und Köcherfliegen                                                             53 %

      2019             6                   5                                                             43                                                                                          Heuschrecken                                                        48 %
                                                                                                                                                                                               Großschmetterlinge                                     36 %
             0%                10 %            20 %           30 %          40 %           50 %          60 %               70 %         80 %         90 %           100 %
                                                                                                                                                                                          Wildbienen und Wespen                                                             51 %
                                                                                                                                                                                                             Käfer                                                              52 %
Abbildung 6: Erhaltungszustand der Lebensraumtypen zu den FFH-Berichtszeitpunkten 2007, 2013 und 2019 in der atlantischen
                                                                                                                                                                                                          Spinnen                        24 %
(ATL) und kontinentalen (KON) Region (LLUR, 2020);  günstiger Erhaltungszustand,  ungünstig-unzureichender Erhaltungszustand,
                                                                                                                                                                                    Land- und Süßwassermollusken                                   33 %
 ungünstig-schlechter Erhaltungszustand,  keine Bewertung; Ziffern 1-43 = Anzahl Lebensraumtypen
                                                                                                                                                                                          Amphibien und Reptilien                                                                                       72 %
                                                                                                                                                                                  Süßwasserfische und Neunaugen                                                      45 %
                                                                                                                                                                                                        Säugetiere                                  34 %
    HNV-Agrar-Umweltindikator in Schleswig-Holstein                                       Intensivierungsschub erfahren haben und die bisherigen                                           Brutvögel (regelmäßige)                                 34 %
Der bundesweit erhobene High Nature Value (HNV)-                                          Anstrengungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt in                                                    Gesamtbestand                                                         48 %
Farmland-Indikator zeigt den Anteil von Wertbiotopen                                      der Landwirtschaft nicht ausreichen, um eine Trendwende                                                                     0%          20 %                40 %                             60 %                    80 %      100 %
innerhalb der landwirtschaftlich genutzten Flächen an. Bis                                zu erreichen. Mit einem HNV-Anteil von 8,3 Prozent liegt
2015 sollte dieser auf 19 Prozent der Agrarflächen gestei-                                 Schleswig-Holstein (Stand 2019) darüber hinaus deutlich
                                                                                                                                                                                  Abbildung 8: Übersicht über die Anteile der gefährdeten Arten (RL: 0,1,2,3 und „R“) in den für Schleswig-Holstein bewerteten
gert werden. Obwohl das Ziel weiterhin besteht, zeigen                                    unter dem immer noch zu niedrigen Bundesdurchschnitt                                    Artengruppen (insgesamt ca. 14.000 Arten, darunter endemische Brombeerarten5). (LLUR, 2020)
die Kartierungsergebnisse in Schleswig-Holstein, dass                                     von 11,6 Prozent (Abbildung 7).
die Nutzflächen stattdessen in den letzten Jahren einen

                                                                                                                                        Zielwert von 19 % im Jahr 2015            Nach Auswertung der Monitoringdaten ist für den                         Zielsetzungen
      20 %
      18 %                                                                                                                                                                        Großteil der Arten und Lebensräume Schleswig-                      Biodiversitätsschutz braucht konkrete Zielsetzungen. Für
      16 %                                                                                                                                                                        Holsteins eine fortwährende sowie zum Teil erhebliche              die Entwicklung der Lebensräume wurden qualitative
      14 %
                                                                                                                            Bundesdurchschnitt von 11,6 % im Jahr 2019
                                                                                                                                                                                  und ungebremste Verschlechterung festzustellen.                    und quantitative Ziele ermittelt. Diese wurden im Rahmen
      12 %
                                                                                                                                                                                                                                                     der Landesstrategie auf Basis von FFH-Monitoring- und
      10 %
       8%
                                                                                                                                                                                                                                                     Berichtsdaten erarbeitet. Zunächst wurde festgestellt,
       6%                                                                                                                                                                                                                                            welcher Defizitausgleich notwendig ist, um die von der EU
       4%                                                                                                                                                                                                                                            geforderten Flächenanteile und günstigen Erhaltungszu-
       2%                                                                                                                                                                                                                                            stände erreichen zu können. Es folgte eine fachgutachter-
       0%
                                                                                                                                                                                                                                                     liche Expertise, auf welchem Anteil dieser terrestrischen
             2009/10                2011          2012               2013          2014           2015               2016           2017          2018               2019
                                                                                                                                                                                                                                                     oder aquatischen Flächen bis 2030 durch Maßnahmen
                                                                                                                                                                                                                                                     die Voraussetzungen für eine Zielerreichung geschaffen
Abbildung 7: Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der Agrarlandschaftsfläche (LLUR/BfN, 2020);
                                                                                                                                                                                                                                                     werden können. Die Ergebnisse, auf denen die weitere
 Wert I äußerst hoch,  Wert II sehr hoch,  Wert III mäßig hoch
                                                                                                                                                                                                                                                     Maßnahmenplanung basiert, sind als lebensraumspezifi-
                                                                                                                                                                                                                                                     sche Ziele tabellarisch zusammengefasst (Kapitel 2.1.3 ff.).

10                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           11
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
1.4 Treiber für die Gefährdung der Biodiversität                                                                               Klimaschutzfunktionen der Natur                               Klimafolgenanpassung der Natur
                                                                                                                          Ökosysteme erfüllen eine Reihe wichtiger Funktionen im        Im Zuge der Klimawandelanpassung gilt es vor allem,
                                                                                                                          Wasser-, Boden- und Naturschutz. Gleichzeitig haben sie       den natürlichen Landschaftswasserhaushalt mit seinen
Die Gründe für den Rückgang der Artenvielfalt sind multi-     › Infolge fehlender Pufferflächen und Verbundstrukturen      durch die Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern, eine große     Pufferfunktionen wiederherzustellen. Mit steigendem
kausal und in ihrer Wirkung häufig vielfältig. Dennoch           mangelt es den Schutzgebieten an Wirkung. Mangelnde       Bedeutung für den Klimaschutz. Insbesondere Moore,            Meeresspiegel, zunehmenden Winterniederschlägen und
lassen sich die maßgeblichen Ursachen für die Beeinträch-       Pflege – auch infolge fehlender oder unzureichender        Moorwälder, Sümpfe, nasses bis feuchtes Grünland, aber        starker Sommertrockenheit spielt der Wasserrückhalt in
tigung der Biodiversität klar benennen.                         Umsetzung der Pflegemaßnahmen in den Schutz-               auch mineralisches Dauergrünland und naturnahe Wälder         der Fläche eine immer größere Rolle. Eine Möglichkeit, die
› Die Nutzungsintensivierung in der Landwirtschaft hat in       gebieten – sowie die Nutzungsaufgabe (wirtschaftlich      sowie die Meere stellen oftmals große Kohlenstoffdepots       sowohl dem Hochwasserschutz als auch dem Naturschutz
  den letzten Jahrzehnten zum Verlust vieler Lebensräume        unattraktiver Flächen) verändern die vorkommenden         dar und dienen als Senke für das Treibhausgas CO2. Durch      dient, besteht darin, den Flüssen und ihren Auen wieder
  gefährdeter (ehemals zahlreicher) Arten geführt. Der Ein-     Lebensräume.                                              Entwässerung werden die gespeicherten Kohlenstoffvorräte      mehr Raum zu geben und Hochwasser auf diese Weise
  satz von Pflanzenschutzmitteln (PSM), insbesondere von       › Die Intensität der Meeresnutzung (z. B. grundberüh-       in Mooren freigesetzt und belasten das Klima. In Deutsch-     dezentral abzupuffern.
  Insektiziden, und die Störung der Stoffkreisläufe (Stoff-     rende Fischerei, Schifffahrt, Gewinnung von Ressourcen,   land sind mehr als 95 Prozent der ehemaligen Moorflächen            Wälder sind in Schleswig-Holstein enorm wichtig für
  einträge) in Form von überhöhten Nährstoffeinträgen           Tourismus), überhöhte Nährstoff-, Schadstoff- und Müll-   entwässert und stellen damit signifikante Quellen für Treib-   das lokale und regionale Klima. Sie machen die Ober-
  vorwiegend in der Landnutzung, jedoch auch durch Pri-         einträge, Unterwasserlärm, Verbau von Küsten, das Ein-    hausgase dar. Die entwässerten Moorböden in Schleswig-        fläche rauer und verringern die Windgeschwindigkeit.
  vatpersonen, wirkt negativ auf die dort lebenden Arten-       schleppen nicht heimischer Arten und nicht zuletzt der    Holstein emittieren jährlich schätzungsweise mehr als drei    Durch ihre kühlende Funktion sind Wälder, Knicks und
  gemeinschaften (z. B. Insektensterben) und Ökosysteme.        Klimawandel führen zu hohen Belastungen der Meere         Millionen Tonnen CO2-Äquivalente.                             sonstige Grünflächen besonders wertvoll für das Mikro-
› Die Entwässerung, insbesondere organogener und                und ihrer Artengemeinschaften.                                                                                          klima und damit für das menschliche Wohlbefinden. Insbe-
  grundwassergeprägter Standorte führt ebenso wie             › Regionale Klimaschwankungen, die über lange Zeit-         Der Schutz intakter Moore, die Wiedervernässung von           sondere lange Dürreperioden und Stürme machen Wälder
  die Veränderung von Hydrologie und Morphologie                räume stattfinden, sind Teil des natürlichen Erdsystems.   Moorböden und Feuchtwäldern sowie die Neuwald-                anfälliger für Brände und Schadorganismen. Ein natürlicher
  an Gewässern zu einer erheblichen Veränderung des             Der seit der Industrialisierung anthropogen verursachte   bildung sind effektive und volkswirtschaftlich effiziente      Wasserhaushalt ist daher eine der wichtigsten Grundlagen
  Landschaftswasserhaushaltes sowie unter anderem zu            Klimwandel führt jedoch global zu deutlich schnelleren    Klimaschutzmaßnahmen mit erheblichem CO2-Reduk-               zur Verbesserung der Resilienz von Waldökosystemen. Ihre
  Einschränkungen der Durchgängigkeit der Gewässer              und stärkeren Veränderungen, mit denen viele Öko-         tionspotenzial für Schleswig-Holstein. Zugleich profi-         Anpassungsfähigkeit erhöht sich unter anderem durch die
  und damit zum Verlust von speziellen Habitaten und den        systeme und Artengruppen nicht Schritt halten können.     tiert die Biodiversität!                                      Möglichkeit des genetischen Austauschs und der natür-
  daran angepassten Arten.                                                                                                                                                              lichen Verjüngung.
› Die Versiegelung und Zerschneidung von Flächen in der        Der Erfolg der Biodiversitätsstrategie hängt
  Landschaft führen zum Verlust der Bodenfunktionen, zu        immanent mit der gleichzeitigen Reduktion                                                                                 Ein System verbundener, naturnaher Lebensraum-
  einer erheblichen Beeinträchtigung zahlreicher Lebens-       maßgeblicher Belastungsfaktoren zusammen.                                                                                 komplexe von Wäldern, Mooren und Niederungen ist
  räume und Ökosystemfunktionen sowie zur Verinselung                                                                                                                                    zentrale Voraussetzung für den Erhalt der Anpassungs-
  der Lebensräume.                                                                                                                                                                       fähigkeit der Natur und somit für eine erfolgreiche
                                                                                                                                                                                         Anpassung an den Klimawandel.

1.5 Biodiversität und Klimawandel

Betrachtet man die vergangenen 30 Jahre, sind auch in         Jahren deutlich zugenommen. Weitere Ausführungen zu
Schleswig-Holstein bereits sichtbare Folgen des Klima-        den bereits messbaren Auswirkungen des Klimawandels
wandels eingetreten, die sich auf Tiere, Pflanzen und          und Prognosen für zukünftige klimatische Veränderungen
Lebensräume auswirken. Ein Vergleich des aktuellen            sind dem Klimareport Schleswig-Holstein6 zu entnehmen.
Klimazustandes (1986 bis 2015) mit dem Vergleichs-            Diese direkten, aber auch die indirekten Folgen des
zeitraum 1961 bis 1990 zeigt in Schleswig-Holstein eine       Klimawandels erfordern die konsequente Förderung der
Erwärmung um etwa 0,7 °C.                                     Anpassungsfähigkeit aller biologischen Systeme.
     Auf Grundlage regionaler Klimamodelle des Nord-
deutschen Klimabüros ist bis 2100 sogar mit einer mitt-           Arten und Lebensräume im Klimawandel
leren Erwärmung um 2,9 °C zu rechnen. Damit steigt die        Naturnahe Ökosysteme sind komplexe und vernetzte
Gefahr von Hitzewellen mit Tagestemperaturen von mehr         Systeme. Die an sie angepassten Arten sind nur in aus-
als 30 °C und Tropennächten mit mehr als 20 °C signifikant.    reichend großen Populationen und im Verbund über-
Eis- und Frosttage werden im Winter weiter abnehmen.          lebensfähig. Komplette Anpassungen der Arten an sich
     Für Schleswig-Holstein als Land zwischen den             verändernde Lebensbedingungen erfolgen jedoch nor-
Meeren sind auch die Veränderungen des Meeresspie-            malerweise über lange Zeiträume. Diese sind im Kontext
gels von großer Bedeutung. An der Ostseeküste stieg           eines Klimawandels, der voranschreitet wie bisher, nicht
der mittlere Meeresspiegel im letzten Jahrhundert um          mehr gegeben. Der Schutz von Ökosystemen kann dazu
etwa 15 Zentimeter, an der deutschen Nordseeküste um          beitragen, klimatische Veränderungen zu verlangsamen
etwa 20 Zentimeter an. Starkregenereignisse wie auch          und somit Arten die Möglichkeit geben, Schritt zu halten.
andauernde Trockenperioden haben in den letzten

12                                                                                                                                                                                                                                              13
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
2                 Netzwerke(n) für den landes-
                  weiten Biodiversitätsschutz
Die Grundlagen für die vorliegende Biodiversitätsstrategie
wurden unter Einbindung zahlreicher Akteur*innen und
                                                                       Netzwerk Natur
                                                                   Räumlich-funktional-konzeptionelle Planungen zur
Fachleute aus den Bereichen Natur, Umwelt und Land-                Sicherung der Arten- und Lebensraumvielfalt in Schleswig-
nutzung im Rahmen eines vorgeschalteten Diskussions-               Holstein
prozesses entwickelt. Für dabei entworfene Visionen,
Leitbilder und Ziele wurden Handlungsfelder definiert                    Netzwerk Bildung
und zugeordnet. Daraus wurden die drei Netzwerke ent-              Initiative zur kontinuierlichen Integration des Themas
wickelt (Abbildung 9):                                             Biodiversität in den Bildungsweg

                                                                      Netzwerk Akteur*innen
                                                                   Aufbau eines Netzwerkes zur Verstetigung, Integration
                                                                                                                               2.1 Netzwerk Natur
                                                                   und Entwicklung der Biodiversitätsmaßnahmen
                                                                                                                                                             › Grün-Blaue Infrastruktur / Biotopverbund / Kernaktionsräume
                                                                                                                                                             › Lebensräume
                                                                                                                                                             › Artenschutz
Umsetzung und Integration                                                                                                                                    › Biodiversität und Landwirtschaft
                                                                                                                                                             › Biodiversität und Klimawandel
                                                                                                                                                             › Personalinitiative / Umsetzungsstrukturen

                                                                                                                               2.1.1 Die Grün-Blaue Infrastruktur                            › Moore und Fließgewässer einschließlich ihrer Auen und
                                                                                                                                                                                               Niederungen sowie Seen,
                                                                                                                               Für Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren mit       › Schwerpunktbereiche und Verbundachsen des Schutz-
      Netzwerk                                      Netzwerk                                 Netzwerk                          seinen typischen Küsten sowie ausgedehnten Seen- und            gebiets- und Biotopverbundsystems (SBVS) sowie
                                                                                                                               Fließgewässerlandschaften wird der Begriff der grünen           „grüne Netzwerke“ in urbanen Räumen (miteinander
      Natur                                         Bildung                                  Akteur*innen                      Infrastruktur um die blaue Infrastruktur ergänzt. Zu dieser     funktional vernetzte Landschaftselemente wie naturnahe
                                                                                                                               Grün-Blauen Infrastruktur gehören folgende, sich zum Teil       Grünflächen, Parks und Gründächer/-fassaden),
      › Grün-Blaue Infrastruktur und                › Frühkindlicher Bereich                 › Leitstelle Biodiversität SH     überschneidende Elemente:                                     › künstliche Verbindungselemente zur Vernetzung
        Biotopverbund                               › Schulischer Bereich                    › Netzwerk des Ehren- und         › Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer,             von Lebensräumen (z. B. Grünbrücken über Autobahnen).
      › Kernaktionsräume                                                                       Hauptamtes zum Erhalt der       › Biosphärenreservate,                                        Der Fokus künftiger Bemühungen liegt auf der Sicherung
                                                    › Universitärer Bereich
                                                                                               biologischen Vielfalt in SH     › HELCOM Marine Protected Areas (Ostsee) und OSPAR            und Entwicklung von Verbundachsen zur Verbesserung des
      › Lebensräume                                 › Informeller Bildungsbereich                                                Marine Protected Areas (Nordsee),                           SBVS . Dieser ist bislang nur in geringen Teilen ökologisch-
      › Artenschutzprogramm                                                                  › Modellprojekte und
                                                    › Mulitplikator*innen                                                      › arten- und lebensraumbezogene Schutzregelungen              funktional ausreichend entwickelt.
                                                                                               Best Practice
                                                                                                                                 der Binnen-und Küstenfischerei-Verordnungen SH,
                                                    › Breitenwirksame Initiativen
                                                                                             › Öffentlichkeitsarbeit           › Natura 2000-Gebiete (FFH-Gebiete und EU-Vogel-                   Übergeordnete Ziele
                                                    › Barrierefreies Naturerleben                                                schutzgebiete),                                             › 30 Prozent Grün-Blaue Infrastruktur: Flächen im Umfang
                                                                                                                               › Naturschutzgebiete (NSG),                                     von etwa 30 Prozent der marinen und terrestrischen
                                                                                                                               › dem Naturschutz gewidmete Flächenkomplexe                     Landesfläche inklusive Binnengewässer werden Bestand-
                                                                                                                                 z. B. im Besitz von Verbänden und Stiftungen oder             teil einer funktional-wirksamen Grün-Blauen Infrastruktur,
                                                                                                                                 Ökokonten außerhalb der genannten Flächen-/                   in welcher ein guter ökologisch-qualitativer Zustand
Abbildung 9: Die drei Netzwerke der Biodiversitätsstrategie SH
(MELUND, 2020)                                                                                                                   Schutzgebietskulissen,                                        etabliert bzw. erhalten wird.
                                                                                                                               › strukturreiche Landschaftsausschnitte (z. B. historische    › 15 Prozent Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem:
                                                                                                                                 Knicklandschaften),                                           Im Rahmen der Grün-Blauen Infrastruktur werden Flächen
                                                                                                                               › naturnahe und nutzungsfreie Wälder,                           im Umfang von mindestens 15 Prozent der Landesfläche

        14                                                                                                                                                                                                                                             15
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
Klimaregulation                                                             Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem (SBVS)           zept der integrativ wirkenden KAR wird im Folgenden
                                              Kohlenstoffbindung in Böden                                                  Dem SBVS kommt eine zentrale Rolle als „Rückgrat Grüner      anhand eines aktuellen Beispiels, der Modellregion Schlei
                                             oder Pflanzen, Reduzierung von                                                 Infrastruktur“7 zu. Räumlich und funktional zusammenhän-     – einem KAR, der sowohl terrestrische als auch marine
                                            Treibhausgasemissionen (z. B. aus                                              gende Lebensraumnetze bilden die Basis für überlebens-       Bereiche umfasst – verdeutlicht.
                                                                                               Gewässer- und
                                                  drainierten Mooren)                                                      wichtige Austausch- und Migrationsprozesse der Arten.
                                                                                            Grundwasserschutz
            Erhalt der                                                                                                     Darüber hinaus bieten sie wichtige Ökosystemleistungen           Beispiel: Modellregion Schlei
                                                                                       Verringerung des Nährstoff-/
           Biodiversität                                                                                                   und Synergiepotenziale (Abbildung 10, linke Seite).          Das Projekt „Modellregion Schlei“ wird künftig drei KAR
                                                                                    Schadstoffeintrags in Oberflächen-
  Bewahrung der Vielfalt an Arten                                                                                                                                                       darstellen. Es basiert auf einer Weiterentwicklung des
                                                                                    gewässer und Grundwasser durch
   und Lebensräumen sowie der                                                                                              Ein funktionierendes Netz naturnaher Lebensräume             von den regionalen Akteur*innen erstellten „Integrierten
                                                                                      Verbesserung der Retentions-/
        genetischen Vielfalt                                                                                               ist ein Schlüsselfaktor für den Erhalt der heimischen        Schleiprogramms“. Träger ist der Naturpark Schlei e. V., der
                                                                                     Filterleistung von Ökosystemen
                                                                                                                           Biodiversität. Die Funktionsfähigkeit ökologischer           zugleich auch Träger der Lokalen Aktion Schlei ist. Gegen-
                                                                                             (z.B. Auen, Moore)
                                                                                                                           Wechselbeziehungen und Austauschprozesse in                  stand sind nicht nur die Ziele des Biodiversitäts-, Wasser-,
                                                   Wichtige                                                                diesem Netz ist die Basis für die Anpassungsfähigkeit
                                                                                                                           der Natur an den Klimawandel.
                                                                                                                                                                                        Klima- und Bodenschutzes sowie die damit in Verbindung
                                                                                                                                                                                        stehenden regionalen und sozioökonomischen Belange,

        Verbesserte
                                                  Synergie-                                                                                                                             sondern auch verschiedene Ebenen internationaler, natio-

                                                  potenziale
                                                                                                 Hochwasserschutz              50 Kernaktionsräume (KAR) für die biologische Vielfalt   naler, landes- und regionsspezifischer Verpflichtungen und
   Bestäubungsleistung                                                                     Verbesserte Wasserhaltung       Die Kulisse der Gebiete mit besonderer Eignung zum           Interessen. Der besondere Fokus vor Ort liegt auf Syn-
  Sicherung der Habitate                                                                                                   Aufbau eines SBVS wird als Grundlage für die gezielte        ergieeffekten zwischen dem biologischen Klimaschutz und
                                                bei Erhalt und
                                                                                          z. B. in Mooren und Auen und
    wichtiger Bestäuber                                                                   dementsprechend verzögerter      Umsetzung der in dieser Strategie herausgearbeiteten         der Förderung der Biodiversität und des Insektenschutzes
      (z. B. Wild- und
     Honigbienen) und
                                               Entwicklung des                                und geringerer Abfluss        Maßnahmen herangezogen. KAR stellen innerhalb dieser         sowie der Verbesserung der Wasserqualität der Schlei. Die
                                                                                                                           Kulisse inklusive einiger Puffer- und Verbindungsräumen      Modellregion Schlei dient auch als Best-Practice-Beispiel
       Erhöhung der                             Schutzgebiets-                                                             prioritäre Umsetzungsräume für die Verbesserung der          im Rahmen der HELCOM-Zusammenarbeit der Ostsee-
   Bestäubungsleistung
                                                 und Biotop-                                                               ökologischen Funktionalität des Landesbiotopverbundes        anrainerstaaten.
                                                                                                                           und für die lebensraumbezogenen Zielgrößen und Maß-
                                                  verbund-                                       Bodenschutz               nahmen der Strategie dar.                                     KAR sind prioritäre Umsetzungsräume für Maß-
                                                   systems                           Erhalt der Regulations- und Lebens-                                                                 nahmen, die nicht nur dem Erhalt der Biodiversität
                                                                                    raumfunktionen des Bodens und der           Kernaktionsräume                                         dienen, sondern weitere Synergieeffekte für das
    Tourismus, Erholung, Freizeit                                                     Bodenfruchtbarkeit sowie Schutz      › umfassen wichtige Schlüsselbereiche des SBVS und            Land realisieren.
          und Umweltbildung                                                          vor Bodenerosion durch Nutzungs-        der Küstenmeere, die aufgrund ihrer Lebensraum- und
      Attraktivitätssteigerung für                                                         extensivierung/-aufgabe           Artenausstattung zu den ökologisch besonders bedeut-            Ziele
 Erholungssuchende sowie Ermög-                                                                                              samen und prägenden Teilbereichen des Landes zählen;       Die Umsetzung erforderlicher Maßnahmen zur Lebens-
   lichung von Naturerlebnis und                                                                                           › bilden Räume ab, in denen in einem hohen Maße Syn-         raumaufwertung bzw. Renaturierung in den KAR ist eine
     praktischer Umweltbildung                        Luftreinhaltung und
                                                                                                                             ergieeffekte beispielweise mit den Zielen des Klima-       mittel- bis langfristige Aufgabe für das Land und daher in
                                                          Luftaustausch
                                                                                                                             schutzes, des Gewässer- und Grundwasserschutzes und        mehreren Tranchen vorgesehen. Die Zielfläche aller KAR
                                                 Verbesserte Luftqualität durch
                                                                                                                             des Bodenschutzes realisiert werden können;                liegt bei insgesamt etwa 10 Prozent der Landfläche, also
                                                 Filterleistung und Sauerstoff-
                                                                                                                           › weisen das Potenzial auf, durch gezielte Maßnahmen-        bei rund 160.000 Hektar. Darüber hinaus sind marine KAR
                                                  produktion der Vegetation
                                                                                                                             umsetzung die ökologische Funktionalität des SBVS          vorgesehen.
                                                                                                                             (Lebensraumvernetzung) erheblich zu stärken, wodurch       › Erste Tranche
                                                                                                                             mit einem vergleichsweise geringen Flächenaufwand            Im Rahmen der ersten Zieltranche (Abbildung 11 fol-
                                                                                                                             ein erheblicher Beitrag zum Erhalt biologischer Vielfalt     gende Seite, siehe auch Kartenserie) werden bis Ende
Abbildung 10: Wichtige Synergiepotenziale beim Erhalt und der
Entwicklung des SBVS (LLUR, 2020)                                                                                            geleistet werden kann und                                    2022 für 23 KAR, davon 20 terrestrisch und drei marin,
                                                                                                                           › weisen – unbenommen der bisherigen Erfolge langjäh-          prioritäre Handlungserfordernisse erarbeitet. Bis Ende
                                                                                                                             riger intensiver Naturschutzbemühungen in vielen Teil-       2030 erfolgt die Umsetzung bzw. Einleitung der Maß-
                                                                                                                             bereichen – weiteres Entwicklungspotenzial zur Förde-        nahmen.
                                                                                                                             rung der biologischen Vielfalt auf.                        › Zweite Tranche
    als funktional wirksames SBVS hergestellt und dauerhaft       Um Biodiversität zu schützen, müssen die natur-                                                                         Im Rahmen der zweiten Zieltranche erfolgt bis Ende 2025
    gesichert.                                                    nahen Lebensräume und gewachsenen Kulturland-            Für die Umsetzung erfolgt eine Fokussierung auf insge-         die Ermittlung und Lage weiterer etwa 27 KAR sowie
  › 2 Prozent Wildnisgebiete: Innerhalb des SBVS werden           schaften erhalten, Flächennutzungen extensiviert,        samt ca. 50 KAR, die für den Erhalt und die Förderung der      die Analyse und Planungsgrundlage für die Umsetzung
    mindestens zwei Prozent der Landesfläche sowie marine          Lebensräume renaturiert und vernetzt sowie die           Biodiversität in Schleswig-Holstein von herausgehobener        prioritärer Handlungserfordernisse. Die Umsetzung bzw.
    Lebensräume als Wildnisgebiete einer weitgehend eigen-        anhaltende Flächeninanspruchnahme durch Sied-            Bedeutung sind. Ihre räumliche Abgrenzung erfolgt auf          Einleitung der Maßnahmen erfolgt analog zur ersten
    dynamischen und ungestörten Entwicklung überlassen.           lung und Verkehr reduziert werden.                       Grundlage von Geofachdaten (z. B. aktuelle landesweite         Zieltranche bis 2040.
                                                                                                                           Biotopkartierung), Programmen und Konzepten (z. B. Bun-
                                                                                                                           deskonzept Grüne Infrastruktur) sowie fachgutachtlichen
                                                                                                                           Empfehlungen von Expert*innen des Landes hinsichtlich
                                                                                                                           geeigneter und prioritärer Umsetzungsräume. Das Kon-

  16                                                                                                                                                                                                                                              17
Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
› Bis 2035 werden ca. 70 weitere Wildnisgebiete realisiert       (z. B. Zugvögel, Schweinswale, Robben) orientiert, ein-
                                                                                                                                  oder die dafür erforderlichen und vorbereitenden Maß-          gerichtet und gesichert.
                                                                                                                                  nahmen weitgehend durchgeführt sein. Das Wildnisziel         › Ergänzend werden der Vollzug zum Schutz der Arten
                                                                                                                                  von mindestens zwei Prozent ist damit erreicht.                und geschützten Lebensräume gegen Beeinträchti-
                                                                                                                                                                                                 gungen gestärkt und der Bußgeldrahmen im Bußgeld-
                                                                                                                                2.1.2 Initiative für terrestrische und                           katalog geprüft.
                                                                                                                                aquatische Schutzgebiete                                       › In der Nordsee existiert mit dem Nationalpark Schleswig-
                                                                                                                                                                                                 Holsteinisches Wattenmeer ein großflächiges Schutzge-
                                                                                                                                Schutzgebiete müssen einen hohen Qualitätsstandard               biet, in dem gemäß Paragraph 24 Absatz 2 Bundesnatur-
                                                                                                                                aufweisen, um ihrem Schutzzweck entsprechend auch                schutzgesetz in einem überwiegenden Teil des Gebietes
                                                                                                                                anspruchsvollen Arten und deren Lebensräumen gerecht             der möglichst ungestörte Ablauf der Naturvorgänge in
                                                                                                                                werden zu können und ökologische Funktionen zu erfüllen.         ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten ist.
                                                                                                                                                                                               › Weitgehend ungestörte Bereiche und natürliche Pro-
                                                                                                                                     Ziel                                                        zesse wie die Morpho- und Hydrodynamik der Aus-
                                                                                                                                Bis 2030 wird das Land den Zustand der terrestrischen            gleichsküste oder aktiver Steilhänge (Ostsee) werden
                                                                                                                                und aquatischen Schutzgebiete deutlich verbessern.               erhalten oder wiederhergestellt.

                                                                                                                                        Maßnahmen                                              2.1.3 Gewässerinitiative Biodiversität
                                                                                                                                ›   Der Flächenanteil der NSG im Biotopverbundsystem
                                                                                                                                    des Landes wird von derzeit 3,2 Prozent auf vier Prozent   In Gewässern überlagern sich die Ziele der Natura
                                                                                                                                    der Landfläche erhöht. Lücken im Biotopverbundsystem        2000-Richtlinie mit den Zielen der Wasserrahmenricht-
                                                                                                                                    werden insbesondere durch die Ausweisung von NSG           linie (WRRL) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
                                                                                                                                    geschlossen. Zusätzlich ist ein Flächenerwerb oder         (MSRL). Nur durch eine gemeinsame Umsetzung lassen
                                                                                                                                    -tausch ggf. im Rahmen einer Flurneuordnung möglich.       sich diese erreichen. Primäres Ziel der Gewässeroffensive
                                                                                                                                ›   Die Umsetzung und Planung von Schutz-, Pflege- und          ist, als ressortübergreifende Aktivität des Gewässer- und
                                                                                                                                    Entwicklungsmaßnahmen (S+E) wird unter Berücksich-         Naturschutzes flächenhaft wirksame Belastungen wie zu
                                                                                                                                    tigung von Pufferflächen unter Einbeziehung der Rand-       hohe Nährstoff- und Schadstoffeinträge aus diffusen und
                                                                                                                                    flächen in die Schutzgebiete sowie eine entsprechende       punktuellen Quellen auf ein für den Gewässerschutz ver-
                                                                                                                                    Regelung der dort stattfindenden Nutzungen über Ver-        trägliches Maß zu reduzieren sowie die Strukturen am und
                                                                                                                                    ordnungen und/oder freiwillige Instrumente intensiviert.   im Gewässer zu verbessern.
                                                                                                                                ›   Zur Ergänzung der wichtigen ehrenamtlichen Schutz-
                                                                                                                                    gebietsbetreuung und zur Umsetzung, Planung und Ver-              Übergeordnete Ziele
                                                                                                                                    mittlung von Biodiversitätsprojekten und Maßnahmen         ›   Gegenüber dem aktuellen fünfjährigen mittleren Austrag
                                                                                                                                    (z. B. via S+E-Maßnahmen) wird schrittweise unter              müssen die Phosphoreinträge in alle Gewässer landes-
                                                                                                                                    Nutzung von Synergien mit den Aktiven vor Ort eine             weit um ein Drittel (rund 269 Tonnen) verringert werden.
Abbildung 11: Übersichtskarte der für die erste Tranche ausgewählten Kernaktionsräume (LLUR 2020);  Kernaktionsräume,
                                                                                                                                    Struktur hauptamtlicher Ranger*innen ggf. in Anbindung     ›   Für den Meeresschutz ist es erforderlich, die Stickstoff-
 Schutzgebiets- und Biotopverbundsysteme (regionale Ebene),  Schutzgebiete (Natura 2000, Naturschutzgebiete),
Maßstab                            km
                                                                                                                                    an die Integrierten Stationen des Landes aufgebaut, die        frachten aus dem Binnenland um knapp 5.000 Tonnen
        0    10    20    30   40                                                                                                    folgende Aufgaben übernimmt:                                   jährlich oder ein Drittel gegenüber dem aktuellen fünf-
                                                                                                                                        › Zusammenarbeit und Koordination des Ehrenamtes           jährigen mittleren Austrag zu vermindern.
                                                                                                                                          unter Einbindung von Freiwilligendiensten (BFD,      ›   Um den Artenschutz in Fließgewässern zu berücksich-
     Maßnahmen                                                      sogenannten Wildnisgebieten können natürliche Selbst-                 FÖJ) und Verbänden;                                      tigen, ist es erforderlich, die Gewässerunterhaltung
Additiv zu vorhandenen Programmen wird für die Umset-               organisationsprozesse der Natur weitgehend ungestört                › Professionalisierung der Besucherlenkung und             landesweit artenschutzgerecht und soweit möglich,
zung der Maßnahmenkonzepte in den KAR eine Förder-                  und unbeeinflusst ablaufen.                                            -information;                                            schonend oder beobachtend durchzuführen.
priorität eingerichtet. Gefördert werden:                                                                                               › Planung, Akquise, Begleitung und Durchführung von    ›   Struktur und Durchgängigkeit der Fließgewässer sind zu
› Träger-/Umsetzungsstruktur;                                           Ziel                                                              Pflegemaßnahmen in Abstimmung mit den zustän-             verbessern.
› Grunderwerb (GE)/Flächensicherung (FS);                           Mindestens zwei Prozent der Landesfläche, die innerhalb                digen Naturschutzbehörden;
› Umsetzungs- und Planungsmanagement (Kernaktions-                  des Biotopverbundsystems liegen, werden zu Wildnis-                 › Kooperation mit den Ordnungsbehörden.                      Lebensraumspezifische Ziele
  raumplanung);                                                     gebieten entwickelt.                                        ›   In allen Meeresschutzgebieten sind auf Grundlage
› Koordination und Begleitung der Umsetzung.                                                                                        wissenschaftlicher Gutachten und klar definierter Erhal-         Nordsee und Wattenmeer
                                                                         Maßnahmen                                                  tungsziele bis 2030 die Fischereibewirtschaftungsmaß-      Weite Teile der schleswig-holsteinischen Nordsee gehören
     Wildnisnetzwerk „Wildes SH“                                    › Bis 2030 werden auf 1,4 Prozent der Landesfläche Wild-         nahmen zu überprüfen und ggf. anzupassen.                  zum UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer, der größten
Um die heimische Biodiversität und insbesondere spe-                  nisgebiete eingerichtet sein.                             ›   Zur Vernetzung der marinen Schutzgebiete unterein-         zusammenhängenden Wattlandschaft der Welt. Dabei
ziell angepasste Arten langfristig zu erhalten, müssen der          › Bis 2030 wird der Wildnisansatz in einem überwiegenden        ander und mit terrestrischen/limnischen Schutzgebieten     umfasst der schleswig-holsteinische Anteil gut 4.350 Qua-
Natur Räume überlassen bzw. zurückgegeben werden, die                 Teil des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Watten-       werden mittelfristig Verbundkorridore, deren Lage sich     dratkilometer und damit mehr als ein Drittel der Welterbe-
frei von anthropogenen Nutzungen sind. Nur in diesen                  meer umgesetzt sein.                                          am Verlauf von Wander- und Zugrouten relevanter Arten      stätte. Mit einer beeindruckenden Habitat- und Artenvielfalt

18                                                                                                                                                                                                                                                       19
Ostsee                                                        Fließgewässer
                                                            Die Ostsee ist ein salzarmes Binnenmeer, dessen Öko-          Flüsse und Bäche durchziehen Schleswig-Holstein mit
                                                            system durch einen stark ausgeprägten West-Ost-Gra-           einem Netz von über 20.000 Kilometern Länge. Sie
                                                            dienten des Salzgehaltes geprägt ist. Charakteristisch sind   sind von herausragender Bedeutung für höhere Wasser-
                                                            die tief in das Binnenland einschneidenden Förden, weiten     pflanzen, am Boden lebende Algen, die Wirbellosenfauna
                                                            Buchten, Steilküsten und Niederungsgebiete. Durch den         und Fische. Darüber hinaus sind die angrenzenden Über-
                                                            Abbruch von Steilküsten und die Verfrachtung des Sedi-        schwemmungsflächen, Auwälder und Feuchtwiesen wich-
                                                                                                                                                                                       Abbildung 15: Wittensee (Foto: LLUR)
                                                            ments zu den Flachküsten unterliegen die besonders            tige natürliche Retentionsräume für Hochwasserereignisse.
                                                            vielgestaltigen und artenreichen Küstenlebensräume einer
                                                            ständigen und wertgebenden natürlichen Dynamik.                                                                               Stillgewässer
                                                                                                                                                                                      Schleswig-Holstein hat etwa 300 natürliche Seen mit einer
                                                                                                                                                                                      in den letzten Jahrzehnten annähernd unveränderten
                                                             Tabelle 2
                                                             Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele
                                                                                                                                                                                      Gesamtfläche von 28.000 Hektar. Sie erfüllen wichtige
                                                             für die Ostsee                                                                                                           Funktionen im Wasser- und Naturhaushalt und sind als
                                                                                                                                                                                      Retentionsraum sowie als Lebensraum für viele Tiere und
Abbildung 12: Quellerwatt (Foto: LLUR)
                                                             Qualitative Ziele                                                                                                        Pflanzen von großer ökologischer Bedeutung. Daneben
                                                             › analog zu Tabelle 1                                                                                                    gibt es in Schleswig-Holstein eine Vielzahl von sehr arten-
und der außerordentlichen Bedeutung als Drehscheibe                                                                                                                                   und individuenreichen Tümpeln und Kleinge-wässern. Sie
des internationalen Vogelzugs spielen das schleswig-         Quantitative Ziele                                                                                                       sind ein typisches Element vieler natürlicher und naturnaher
holsteinische Wattenmeer und die küstennahe Nordsee          › 50 Hektar Küstendünen aufwerten.                                                                                       Ökosystemkomplexe und bewirken ein besonders hohes
beim Erhalt der Biodiversität eine herausragende Rolle.      › 1.000 Hektar Strandseen aufwerten.                                                                                     Maß an Habitat- und Artenvielfalt.
                                                             › 5.000 Hektar Meeresarme und -buchten aufwerten.
                                                             › 95 Hektar Spülsäume, Kiesstrände, Steilküsten aufwerten.
Tabelle 1                                                                                                                                                                              Tabelle 4
Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele
                                                             › 170 Hektar Salzwiesen aufwerten und drei neue                                                                           Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele
für die Nordsee                                                Binnenland-Salzstellen schaffen.                                                                                        für den Lebensraum Stillgewässer
                                                             › Bis Ende 2024 prüfen, wo ungenutzte Rückzugs- und
Qualitative Ziele                                              Ruheräume für marine Arten gesichert werden können.        Abbildung 14: Schierenseebach (Foto: LLUR)
                                                                                                                                                                                       Qualitative Ziele
› Managementpläne und marine KAR umsetzen.                   › Gesamtstickstoff-Eintrag am Übergangspunkt limnisch/                                                                    › Strukturvielfalt wiederherstellen.
› Meeres- und Küstengewässer befinden sich in einem             marin auf weniger als 2,6 Milligramm pro Liter                                                                          › Stoffliche Einträge vermeiden und verringern.
  guten ökologischen und chemischen Zustand.                   begrenzen.                                                                                                              › Natürlichen Wasserstand erhalten oder wiederher-
                                                                                                                          Tabelle 3
› Anthropogene Stoffeinträge (z. B. Nährstoffe, Pflanzen-                                                                  Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele
                                                                                                                                                                                         stellen.
  schutzmittel, Medikamente) und Energieeinträge (z. B.                                                                   für den Lebensraum Fließgewässer                             › Natürliche Ufersituationen und Auenbereiche erhalten
  Unterwasserlärm, Licht, Wärme) begrenzen.                                                                                                                                              oder wiederherstellen.
› Ausreichende natürliche Nahrungsgrundlage für die                                                                       Qualitative Ziele                                            › Freizeitnutzung regulieren.
  marinen Arten und funktionstüchtige Nahrungsnetze.                                                                      › Wiederherstellen von Strukturvielfalt, Breiten- und
› Nahrungs-, Aufzucht-, Mauser- und Rastgebiete sowie                                                                       Tiefenvarianz sowie Strömungsdiversität.                   Quantitative Ziele
  marine und terrestrische Bereiche sind ausreichend                                                                      › Stoffliche Einträge vermeiden und verringern.               › Phosphoreinträge in Seen um zwei Tonnen Phosphor
  vorhanden und miteinander vernetzt.                                                                                     › Natürlichen Wasserstand erhalten oder wiederher-             mindern (enthalten in der Minderung der Gesamt-
› Ökologische Voraussetzungen für den Erhalt oder die                                                                       stellen.                                                     phosphoreinträge in Fließgewässer).
  Wiederansiedlung bestandsgefährdeter oder ausge-                                                                        › Natürliche Ufersituationen, Auenbereiche und natür-        › 10 Prozent der berichtspflichtigen Seen bis 2030 in
  storbener Arten schaffen.                                                                                                 liche Flussläufe erhalten oder wiederherstellen.             guten ökologischen Zustand bzw. gutes ökologisches
› Beifangereignisse (Vögel, Meeressäuger, Nichtzielarten)                                                                 › Durchgängigkeit bei Fließgewässern schaffen.                 Potenzial versetzen.
  weiter reduzieren.                                                                                                      › Freizeitnutzung regulieren.

Quantitative Ziele                                                                                                        Quantitative Ziele                                             Maßnahmen
› Bestehende Vorkommen von Küstendünen um 13 Hektar                                                                       › Hydromorphologische Verhältnisse auf ca. 380 Kilometer    › Maßnahmen für die marinen Gewässer
  vergrößern.                                                                                                               Fließgewässerlänge verbessern.                               › In einem Teil der Meere finden möglichst keine
› Bis Ende 2024 prüfen, wo ungenutzte Rückzugs- und                                                                       › Durchgängigkeit an ca. 300 Bauwerken wiederherstellen.         extraktiven Nutzungen statt. Es können dort weit-
  Ruheräume für marine Arten gesichert werden können.                                                                     › Gesamtphosphoreinträge um 27 Tonnen inklusive der              gehend ungestörte Ruhe- und Rückzugsräume als
› Gesamtstickstoffeintrag am Übergangspunkt lim-                                                                            Minderungsbedarfe für Seen und Meeresgewässer                  Lebensräume für marine Arten gesichert werden.
                                                             Abbildung 13: Ostsee bei Dänisch-Nienhof (Foto: LLUR)
  nisch/marin auf weniger als 2,8 Milligramm pro Liter                                                                      mindern.                                                       Bis Ende 2024 wird im Dialog mit der Erwerbs- und
  begrenzen.                                                                                                              › 10 Prozent der berichtspflichtigen Flüsse bis 2030 in           Angelfischerei, ggf. weiteren Nutzergruppen sowie
› Einschleppungsrate nicht heimischer Arten auf maximal                                                                     guten ökologischen Zustand bzw. gutes ökologisches             den Naturschutzverbänden geprüft, wo es in der
  eine Art pro MSRL-Berichtszyklus (6 Jahre) reduzieren.                                                                    Potenzial versetzen.                                           schleswig-holsteinischen Nord- und Ostsee Mee-
                                                                                                                                                                                           resschutzbereiche gibt, in denen entsprechende

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