Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein - Der Bauernverband Schleswig-Holstein
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Kurs Natur 2030 Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein Kurzfassung Arbeitspapier MELUND (Stand 02/2021) Schleswig-Holstein. Der echte Norden.
Abkürzungsverzeichnis Vorwort BIK Biologischer Klimaschutz BNUR Bildungszentrum für Natur, Umwelt und länd- Die biologische Vielfalt in Schleswig-Holstein ist über- Die Strategie zum Erhalt der Biologischen Vielfalt in liche Räume des Landes Schleswig-Holstein wiegend in keinem guten Zustand. Schleswig-Holstein – Kurs Natur 2030 – zielt deshalb darauf CAU Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Dies ist das Ergebnis nach Bewertung aller vor- ab, die Biodiversität durch einen ganzheitlichen Ansatz zu DVL Deutscher Verband für Landschaftspflege liegenden Daten und Unterlagen. Zwar gibt es im Land erhalten, indem (eingetragener Verein) lokale und regionale Ausnahmen dank der Wiederher- › Flächenbedarfe erfüllt und deren ökologische Qualitäten EWKG Energiewende- und Klimaschutzgesetz stellung von naturnahen Lebensräumen in unserer Kultur- gesichert werden, GAK Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und landschaft, engagiertem Schutzgebietsmanagement und › die Fragmentierung der Lebensräume minimiert wird, Küstenschutz (BRD, Länder) erfolgreicher Artenschutzprojekte (Seeadler, Fischotter › Aufwertungs- und Renaturierungsmaßnahmen einge- GAP Gemeinsame Agrarpolitik (EU) etc.). Der landesweite negative Trend des fortschreitenden leitet werden und GMSH Gebäudemanagement Schleswig-Holstein Arten- und Lebensraumverlustes wird dadurch jedoch › der Umkehrprozess mithilfe eines Artenschutzprogramms (Anstalt des öffentlichen Rechts) nicht aufgehalten. Dieser Prozess hat eine erodierende flankiert wird. HNV High nature value (hoher Naturwert) Wirkung auf die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur IQSH Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein. Damit verbunden ist zudem der Der integrative Prozess setzt weiterhin auf Schleswig-Holstein Verlust von wertvollen Ökosystemleistungen wie Klima-, › eine gezielte Ausrichtung und Flankierung der euro- KAR Kernaktionsräume Wasser- und Bodenfunktionen, die für die zukünftige päischen Agrarpolitik (GAP) für eine nachhaltige Land- KOM Europäische Kommission Entwicklung des Lebens und für die gesellschaftlichen nutzung und Honorierung ökologischer Leistungen, LBV Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Systeme eine existenzielle Bedeutung haben. › die konsequente Nutzung von Synergien bei der Schleswig-Holstein Die Definition der Biodiversität umfasst die Vielfalt Wiederherstellung von Ökosystemleistungen, LEP Landesentwicklungsplan Schleswig-Holstein der Ökosysteme und Arten sowie die genetische Vielfalt › eine landesweite „Bildungsinitiative Biodiversität“, LKN Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark innerhalb der Arten. Ein völkerrechtlicher Vertrag, unter- › auskömmliche Ressourcen für die Umsetzung und und Meeresschutz Schleswig-Holstein zeichnet und ratifiziert von 196 Vertragsparteien, fixiert das Weiterentwicklung sowie LLUR Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und Übereinkommen über die biologische Vielfalt mit dem › die Etablierung eines Akteurs-Netzwerks zur Unter- ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein Ziel, die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu schützen, zu stützung und Begleitung der Strategie. MELUND Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, erhalten und deren nachhaltige Nutzung so zu organi- Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes sieren, dass möglichst viele Menschen heute und auch Mit diesen Zielsetzungen kann kontinuierlich die Lebens- Schleswig-Holstein in Zukunft davon leben können. Diese grundlegende raumqualität für die Arten verbessert, der Biotopver- MILIG Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Zielsetzung ist auch Maßstab für das Handeln der Euro- bund aktiviert und ein Grün-Blaues Netzwerk für eine Integration und Gleichstellung des Landes päischen Union, der Bundesrepublik Deutschland und gesicherte Zukunft der Gesellschaft im Einklang mit der Schleswig-Holstein der Bundesländer. Natur in Schleswig-Holstein etabliert werden. Dafür ist es MWAVTT Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Für Schleswig-Holstein ist das Erreichen der europäi- notwendig, dass alle gesellschaftlichen Akteur*innen ihre Technologie und Tourismus des Landes schen und nationalen Zielvorgaben angesichts des fest- Handlungsoptionen identifizieren, ihre Aktivitäten bündeln Schleswig-Holstein gestellten Zustands und der Entwicklung der Natur nicht und ihre Strategien zum Erhalt der Biodiversität regel- MSRL Europäische Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie gesichert. Der notwendige Flächenanteil an natürlichen mäßig überprüfen. NSG Naturschutzgebiet oder renaturierten und ökoeffizient genutzten Flächen Die vorliegende, integrative und sektorenübergreifende NUN Norddeutsch und nachhaltig der für den Erhalt der Biodiversität besonders wichtigen Strategie ist der Schlüssel, mit dem ein Trendstopp und PSM Pflanzenschutzmittel Hauptlebensräume wird nicht erreicht. Darüber hinaus eine Umkehr bis 2030 gelingen kann. S+E Schutz und Entwicklung fehlt ein landesweit systemischer Verbund naturnaher öko- SBVS Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem logischer Schlüssellebensräume als Grundvoraussetzung SHLF Schleswig-Holsteinische Landesforsten für den langfristigen Erhalt der biologischen Vielfalt. SNSH Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein uNB untere Naturschutzbehörde VNS Vertragsnaturschutz WRRL Europäische Wasserrahmenrichtlinie WTSH Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH 2 3
Inhalt 1 Grundlagen und Zielsetzung 5 1.1 Politischer Rahmen 5 1.2 Vision für Schleswig-Holstein 7 1.3 Ökologische Situationsanalyse 8 1.4 Treiber für die Gefährdung der Biodiversität 12 1.5 Biodiversität und Klimawandel 12 2 Netzwerke(n) für den landesweiten Biodiversitätsschutz 14 2.1 Netzwerk Natur 15 2.2 Netzwerk Bildung 37 1 2.3 Netzwerk Akteur*innen 41 Grundlagen und Zielsetzung Schleswig-Holstein braucht eine umfassende Strategie zum Erhalt seiner biologischen Vielfalt. 1.1 Politischer Rahmen Bereits 1992 wurde vor dem Hintergrund des fort- die KOM zusammen mit der Konzeption „Vom Hof auf den schreitenden Verlusts der biologischen Vielfalt auf dem Tisch“ (Farm to Fork – F2F) – eine Strategie für ein faires, Umweltgipfel der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem2 das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Con- – einen wichtigen Baustein ihres European Green Deals vention on Biological Diversity, CBD) verabschiedet. Wie vorgelegt. Wesentliche Inhalte der europäischen Biodiver- die anderen Vertragsparteien hat sich auch Deutschland sitätsstrategie sind: im Artikel 6 des Übereinkommens1 verpflichtet, nationale › Ausweisung von Schutzflächen: 30 Prozent der Land- Strategien, Pläne oder Programme zum Erhalt und zur fläche und der Meeresgebiete sollen unter Schutz nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt aufzu- gestellt werden, davon jeweils ein Drittel mit strengen stellen. Im selben Jahr wurde auch die „Klimarahmenkon- Schutzvorschriften. vention“ verabschiedet. Aufgrund der Synergien, die sich › Wiederherstellung und Renaturierung: Lebensraum- bei einer gemeinsamen Zielverfolgung ergeben, ist sie für typen und Arten nach EU-FFH- und Vogelschutzrichtlinie den Biodiversitätsschutz ebenfalls maßgeblich. sollen einen günstigen Erhaltungszustand erreichen. Das Grundgesetz (Artikel 20a) und die Landesverfas- › Landnutzung und Wasserwirtschaft: Der Pestizidein- sung Schleswig-Holsteins (Artikel 11) definieren den Schutz satz soll um 50 Prozent, der Düngemitteleinsatz um 20 der natürlichen Lebensgrundlagen als staatliche und kom- Prozent verringert werden. Es sollen Neuwald gebildet, munale Aufgabe. Damit besteht neben einer ethischen Gewässer renaturiert sowie land-, forst- und fischerei- Verantwortung auch eine rechtliche Vorgabe, die biolo- wirtschaftliche Nutzungen extensiviert werden. gische Vielfalt zu schützen. Nach den deutlich verfehlten › Städte: Bis Ende 2021 sollen Städte mit mehr als 20.000 Zielen der EU-Biodiversitätsstrategie für das Jahr 2020 hat Einwohner*innen Pläne zur Stadtbegrünung vorlegen. die Europäische Kommission (KOM) eine neue Strategie Für die Umsetzung des Netzwerkes Natura 2000 und der vorgelegt, die die Hauptgründe für den Biodiversitätsver- EU-weiten grünen Infrastruktur kalkuliert die Kommission lust benennt und diese bis 2030 beseitigen will. Damit hat ein Budget von jährlich 20 Milliarden Euro ein. Damit 4 5
unterstützt sie die auch vom Bundesrat bestätigte Auf- Warum ist der Verlust an biologischer Vielfalt für uns 1.2 Vision für Schleswig-Holstein fassung, dass der finanzielle Bedarf für einen effektiven so bedeutsam? Naturschutz in Deutschland die bisher verfügbaren Mittel Eine lebenswerte Umwelt mit einem funktions- und um mindestens den Faktor drei übersteigt.3 Daher müssen leistungsfähigen Naturhaushalt, sauberem Wasser, Auf der Grundlage der beschriebenen internationalen und jetzt sowohl die rechtlichen als auch die budgetären produktiven Böden, einer guten Artenausstattung und nationalen Rahmenbedingungen verfolgt Kurs Natur 2030 Voraussetzungen geschaffen werden, um die geforderten „funktionierenden Ökosystemen“ ist die Grundlage für einen ressortübergreifenden, querschnittsorientierten und Maßnahmen für den notwendigen Biodiversitätsschutz zu das menschliche Leben, Wohlbefinden und die Erholung integrativen Ansatz. MELUND ergreifen. sowie für die dauerhafte Sicherstellung der Lebens- Alle Inhalte wurden durch eine interdisziplinäre 5 2017 beschloss die Landesregierung Schleswig-Holstein, grundlagen künftiger Generationen. Von den natürlichen Projektgruppe unter Beteiligung von 35 Akteur*innen LLUR Ressorts eine Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt aufzu- Prozessen profitiert der Mensch in vielerlei Hinsicht. Zu verschiedener Bereiche erstellt und federführend durch stellen. Der politische Auftrag zur Umsetzung wurde im diesen Prozessen gehören beispielsweise die Reinigung das MELUND entwickelt (Abbildung 1). Die Strategie Biodiversitäts- Koalitionsvertrag „Das Ziel verbindet“ für die Jahre 2017 des Niederschlagwassers bis zur Trinkwasserqualität durch basiert auf den erarbeiteten Bausteinen und leitet aus den bis 2022 verankert. Darin fordern die Vertragspartner* den Boden, die Speicherung klimaschutzrelevanter Gase, Bestands- und Gefährdungsbewertungen Ziele, Maß- strategie innen einen ganzheitlichen und ressortübergreifenden die Abmilderung der negativen Wirkungen durch den nahmen und Umsetzungsbedarfe für die übergeordneten SHLF Schleswig- BNUR Ansatz unter Einbindung relevanter Akteur*innen sowie Klimawandel oder die Bestäubung von Pflanzen durch Handlungsfelder ab (Abbildung 2). Holstein die Honorierung ökologischer Allgemeinleistungen: Insekten. Arten- und Lebensraumvielfalt ermöglichen und „Daher werden wir im Dialog mit relevanten Akteuren stabilisieren dabei die Basisleistungen der Ökosysteme. 35 eine Landesstrategie zur Sicherung der biologischen Akteur* LKN/ Abbildung 1 (rechts): Mitwirkung an der Entwicklung der innen Vielfalt entwickeln. In dieser Strategie wollen wir die Wo stehen wir? NPA Biodiversitätsstrategie (MELUND) SH bestehenden fachpolitischen Ziele und Maßnahmen zum Sowohl die für 2010 als auch die für 2020 vereinbarten Schutz der biologischen Vielfalt abteilungs- und ressort- Biodiversitätsziele wurden europaweit deutlich verfehlt. übergreifend zusammenführen und ergänzen. Den Schutz Absehbar werden die gesteckten Ziele bei einem „weiter Abbildung 2: Aufbau der Strategieentwicklung (MELUND) von Grünland, Mooren und Anmooren werden wir weiter so“ auch für 2030 nicht erreicht. Untersuchungsergebnisse fördern. Das Auenprogramm zur Renaturierung von Auen zu Wasserqualitäten und die Folgen des Insektensterbens entlang der prioritären Gewässer werden wir umsetzen. zeigen eindrucksvoll die fortschreitenden erheblichen Wir wollen das fast erreichte Ziel von 15 Prozent Vorrang- Beeinträchtigungen der Ökosystemdienstleistungen und flächen (derzeit 14,6 Prozent der Landesfläche) in der Ressourcen. Ein Umdenken sowie ein konsequentes und kommenden Legislaturperiode einschließlich zwei Prozent innovatives Handeln von Politik und Gesellschaft sind Wildnisgebiete erreichen.“ daher dringend erforderlich. Vision Das Land Schleswig-Holstein hat bei der Umsetzung seiner Biodiversitätsstrategie „Kurs Natur 2030“ den Anspruch: 1. die ressort- und disziplinübergreifende Zusam- 7. Wildnis zuzulassen, menarbeit für den Schutz der Natur im Land zu 8. den gesamtgesellschaftlichen Bildungsauftrag für Leitbilder/Grundsätze verbessern, nachhaltige Entwicklung als Investition in die 2. querschnittsorientiertes Handeln zu befördern, Zukunft zu implementieren, bestehende Synergien für den Schutz natürlicher 9. Akteur*innen dauerhaft einzubinden, zu vernetzen Ressourcen auszubauen und neue Kooperationen und Verantwortung zu übertragen, um das Thema Handlungsfelder zu initiieren, Biodiversität im Land zu verankern, 3. die Vernetzung von Lebensräumen zu gewähr- 10. qualitative und quantitative Zielsetzungen zu defi- leisten, indem es den Biotopverbund und die nieren und verbindliche Zielhorizonte festzulegen Akteurs-Netzwerk Grün-Blaue Infrastruktur als zentrale Säule ent- und ein Berichtswesen einzuführen, wickelt und damit die Basis für den Schutz der 11. dazu beizutragen, eine intakte Natur für die Grün-Blaue Infrastruktur – Administration/Umsetzung Artenvielfalt legt, Gesundheit und die Erholung der Bevölkerung Lebensräume – 4. Ökosystemfunktionen zu gewährleisten, wieder- sicherzustellen, Artenschutz Bildungsinitiative herzustellen und dadurch Ökosystemleistungen 12. die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand zur Biodiversität zu generieren, Förderung der Biodiversität auszufüllen und über- 5. Biodiversität und Klimawandel zusammen zu tragbare Modelle zu schaffen, „denken“, Synergien und Partnerschaften im Land 13. strukturelle, personelle und finanzielle Voraus- Ausgangs- Defizite Leitziele Synergien Akteur* Maß- Indikatoren Monitoring lage Gefähr- Quantitativ, Ressort- innen nahmen & Kenn- Dauerhafte zu ermitteln und zu bündeln, setzungen für die Umsetzung zu schaffen. Verant- Bestand dung qualitativ, übergrei- Umsetzung zahlen Überprü- 6. standortangepasste und biodiversitätskonforme wortungs- strategisch fend Prioritäten fung „ökoeffiziente“ Flächennutzungen zu befördern, bereiche 6 7
Ein Monitoringsystem gewährleistet das Erreichen der Ziele Die in Abbildung 3 dargestellten Visionen, Leitbilder nahm ihn die UNESCO als Teil der "UNESCO-Welterbe- Gleichzeitig ist Schleswig-Holstein stark durch die Land- und die Ableitung möglicher Anpassungsmaßnahmen. Über und Ziele verdeutlichen die angestrebte Situation der stätte Wattenmeer" auf. nutzung geprägt. Zurzeit befinden sich etwa 63 Prozent dessen Ergebnisse wird 2026 und 2030 berichtet. biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein. Reste ehemals weitläufiger Moorlandschaften kenn- der terrestrischen Landesfläche in landwirtschaftlicher zeichnen die großen Niederungen der Geest, wie z. B. die Nutzung. Die aktuell für die Tier- und Pflanzenvielfalt wert- Eider-Treene-Sorge-Niederung. Mit etwa neun Prozent gebenden Lebensräume wie Knicks, Kleingewässer oder der Landesfläche gehört Schleswig-Holstein neben Nie- Wertgrünland sind letzte Überbleibsel einer historischen Vision › Der Rückgang der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein dersachen und Mecklenburg-Vorpommern zu den drei moorreichsten Bundesländern. Nur 11 Prozent der Landes- Landnutzung ohne Kunstdünger, die aber gleichwohl nach damaligen Notwendigkeiten und Möglichkeiten ist gestoppt und eine Trendumkehr eingeleitet. fläche werden hingegen von Wald eingenommen. Da sie maximal betrieben wurde. Trotz der für damalige Verhält- › Die Biodiversität ist so weit in Wert gesetzt, dass sie in jedes gesellschaftliche die Waldarmut Schleswig-Holsteins ein wenig relativieren, nisse starken Nutzung wiesen die großflächigen Heiden Handeln integriert ist. stellen die oft landschaftsbildprägenden Knicks und Feld- und artenreichen Grünländer damals noch eine Vielzahl hecken wichtige Strukturelemente dar. Das ca. 55.000 von Landschaftselementen wie Kleingewässer und Bruch- › Die Nutzung der natürlichen Ressourcen und die nachhaltige gesellschaftliche Kilometer lange Knick- und Feldheckennetz schafft beson- wälder auf. Entwicklung in Schleswig-Holstein stehen im Einklang mit der Erhaltung dere ökologische Standortbedingungen (z. B. Ökotone, der biologischen Vielfalt. siehe Kapitel 2.1.8) und erhöht die Vielfalt der Lebensräume 1.3.2 Zustand der Lebensräume und Arten für viele Tier- und Pflanzenarten in der Kulturlandschaft. in Schleswig-Holstein Die Fließgewässer mit den anliegenden Auenlandschaften Leitbild › Die biologische und genetische Vielfalt in Schleswig-Holstein sind zu schützen und, wo möglich, wiederherzustellen. übernehmen Verbundfunktionen und bilden zusammen mit den zahlreichen Klein- und Binnengewässern Lebensraum Die Auswertung der Monitoringdaten des Landes macht die folgenden vier Trends deutlich. Eine nachhaltige Nutzung ist zu ermöglichen. für aquatische und amphibische Lebensgemeinschaften. Biotopentwicklung von 1978 bis 2018 › Der Schutz und die Entwicklung der Biodiversität werden als gleichrangiges Ziel Schleswig-Holstein – Daten Anthropogene Biotoptypen wie Acker, Intensivgrünland mit anderen gesellschaftlichen Ansprüchen an Natur und Umwelt definiert. › terrestrische Landesfläche: 15.636 Quadratkilometer sowie Siedlungs- und Verkehrsflächen haben in erheb- › marine Landesfläche: 9.912 Quadratkilometer lichem Umfang auf Kosten von naturnahen Biotopflächen › Naturräume: (Wattenmeer), Marsch, Vorgeest, Geest, zugenommen. Bei nahezu allen Wertbiotopen hingegen Östliches Hügelland sind trotz des rechtlichen Schutzes starke Rückgänge fest- Ziele › Eine qualitative und quantitative Verbesserung des Zustands der landestypischen schleswig-holsteinischen Hauptlebensräume, wie z. B. Küsten, Moore, Auen, › höchste Erhebung: Bungsberg (Holst. Schweiz), zustellen (Abbildung 5). Gewässer und deren Lebensgemeinschaften, wird erreicht. 167 Meter über Normalnull › tiefste Stelle (Deutschlands): Neuendorf (Wilster- marsch), 3,5 Meter unter Normalnull Abbildung 3: Grundsätze der Biodiversitätsstrategie (MELUND) 1.3 Ökologische Situationsanalyse 100.000 10.000 1.3.1 Landestypische Lebensräume und Landschaftswandel 1.000 Schleswig-Holstein gliedert sich in vier terrestrische Natur- räume sowie die Nord- und die Ostsee (Abbildung 4). Es 100 gehört sowohl der atlantischen als auch der kontinentalen Region an und bietet mehr als der Hälfte aller in Deutsch- 10 land lebenden Arten einen Lebensraum. Wie kein anderes Bundesland ist es durch Wasser geprägt: Küstenlebens- räume der Nord- und Ostsee sowie Seen, Flüsse und 1 Moore formen seine typische Landschaft, die Artenvielfalt Fe Küs ndün n en ä r Lin t. G land La sten ee ac llber der oc nera chst ium n en n ld wä Dü en grü sser Ge ze Mi bhol att au ch ch eiche Ni berg sfläc m nie ens ur Rö ried lta l H nd lzw ze ho rst Wa ode Kalk ilkü n Ru inn rmo gsm n Tro Verk ege llen Au cht e grü en Str sen t So eso er n we ngr stad st r/ oor n-/ sflä on ch Bru wald ew ss So Grü and Str ände ge Que Wä il ns r Reg gstra s-Sta um Gr Mag chen Fe Misc ald oc alzs pf r-A nta Int ogg ässe or or B Nad fors ne che Ro hsta telle e ph rm Ste chte he ste ch oor Z feife rken lfor htg hwa Ü tion diu dlu Pio bod enfl Flu re ehöl u Sa höl -/H nds Sum Wa Wald ebüs Kü nds w sch zfo se rras Ge htes dün so cht eid nla cke eh tati hri w l i ld, nsa ie sse ne d te und das Klima. Salzwiesen, Dünenlandschaften, Lagunen nl n Bin erflä lz f ch en ew e a lu ud a e ten gg m . n g t o r und Steilküsten gehören mit einer kennzeichnenden k ns siv a l rv a hs s l Ac u ns u Sti - uc ile b ea en oß Ko Me Feu i ld, a ph h Artenausstattung ebenso zu den Landesspezifika wie Wat- e uc de enl /B ed -Es s-/ r e h-/ Ho hmo mo ral tenmeer, Riffe und die Hochseeinsel Helgoland. Heraus- ng P en än B h ud ilh Ho Hoc t. H zustellen ist der Nationalpark „Schleswig-Holsteinisches o Ste Sta mo Sie m c ch So Wattenmeer“. Als größter Nationalpark Mitteleuropas und Ho Teil des Weltnaturerbes Wattenmeer ist er eines der wich- Abbildung 4: Naturräume in Schleswig-Holstein (MELUND, 2020); tigsten Vogelrastgebiete weltweit. Unter anderem wegen Hügelland, Vorgeest, Geest, Marsch, Meer Abbildung 5: Übersicht der Biotopflächen (logarithmiert) der jeweiligen Biotoptypen in Hektar (LLUR, 2020); 1978–93, 2014–18 seiner globalen Bedeutung für den Erhalt der Biodiversität 8 9
Europäisches Netzwerk Natura 2000 der Küstendünen und des Grünlands gekommen. Trotz Rote Listen negativer Trend ab. Von den 45 Süßwasserfischarten in den Anhand der FFH-Berichte ist eine Rückschau bis in das zum Teil erheblicher Schutzbemühungen und Maßnahmen Knapp 1.000 Arten gelten in Schleswig-Holstein als aus- schleswig-holsteinischen Seen, Flüssen und Bächen gelten Jahr 2001 möglich (Abbildung 6). Aus ihnen ergibt sich, vor allem in den Europäischen Vogelschutzgebieten sind gestorben oder verschollen und fast die Hälfte der in gegenwärtig 24 Arten als mehr oder minder gefährdet. Im dass sich der Erhaltungszustand nur bei einzelnen Lebens- viele Wiesenbrüter, wie Kiebitz und Uferschnepfe, aber den Roten Listen Schleswig-Holsteins bewerteten Taxa ist marinen Bereich Schleswig-Holsteins sind ebenfalls ver- raumtypen wie z. B. bei atlantischen Salzwiesen, Strand- auch das Rebhuhn aus vielen Teilen des Landes weitge- mittlerweile mindestens gefährdet. Besonders ausgeprägt schiedene Arten weitgehend verschwunden. Dies betrifft seen und eutrophen Seen verbessert hat. Befinden sich hend verschwunden. Positive Entwicklungen der Bestands- sind die Rückgänge bei den Insekten und bei den Arten z. B. riffbildende Arten wie den Borstenwurm, das Seemoos Flächen bereits im günstigen Erhaltungszustand, stag- und Artenzahlen sind fast ausnahmslos auf Flächen im der Agrarlandschaft. Auch bei den heimischen Süß- und die Europäische Auster (Abbildung 8). nieren sie dort meist auf niedrigem Niveau. Zu Verschlech- Naturschutzeigentum z. B. von Stiftungen und auf Vertrags- wasserfischarten zeichnet sich in Schleswig-Holstein ein terungen ist es unter anderem bei den Lebensraumtypen naturschutzflächen zu verzeichnen.4 Farn- und Blütenpflanzen 50 % 2007 10 11 28 3 Brombeeren 42 % Armleuchteralgen 90 % ATL 2013 4 15 30 5 Flechten 60 % 2019 11 10 29 2 Moose 64 % Großpilze 43 % 2007 7 14 26 6 Libellen 38 % KON 2013 5 17 32 1 Eintags-, Stein- und Köcherfliegen 53 % 2019 6 5 43 Heuschrecken 48 % Großschmetterlinge 36 % 0% 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100 % Wildbienen und Wespen 51 % Käfer 52 % Abbildung 6: Erhaltungszustand der Lebensraumtypen zu den FFH-Berichtszeitpunkten 2007, 2013 und 2019 in der atlantischen Spinnen 24 % (ATL) und kontinentalen (KON) Region (LLUR, 2020); günstiger Erhaltungszustand, ungünstig-unzureichender Erhaltungszustand, Land- und Süßwassermollusken 33 % ungünstig-schlechter Erhaltungszustand, keine Bewertung; Ziffern 1-43 = Anzahl Lebensraumtypen Amphibien und Reptilien 72 % Süßwasserfische und Neunaugen 45 % Säugetiere 34 % HNV-Agrar-Umweltindikator in Schleswig-Holstein Intensivierungsschub erfahren haben und die bisherigen Brutvögel (regelmäßige) 34 % Der bundesweit erhobene High Nature Value (HNV)- Anstrengungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Gesamtbestand 48 % Farmland-Indikator zeigt den Anteil von Wertbiotopen der Landwirtschaft nicht ausreichen, um eine Trendwende 0% 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % innerhalb der landwirtschaftlich genutzten Flächen an. Bis zu erreichen. Mit einem HNV-Anteil von 8,3 Prozent liegt 2015 sollte dieser auf 19 Prozent der Agrarflächen gestei- Schleswig-Holstein (Stand 2019) darüber hinaus deutlich Abbildung 8: Übersicht über die Anteile der gefährdeten Arten (RL: 0,1,2,3 und „R“) in den für Schleswig-Holstein bewerteten gert werden. Obwohl das Ziel weiterhin besteht, zeigen unter dem immer noch zu niedrigen Bundesdurchschnitt Artengruppen (insgesamt ca. 14.000 Arten, darunter endemische Brombeerarten5). (LLUR, 2020) die Kartierungsergebnisse in Schleswig-Holstein, dass von 11,6 Prozent (Abbildung 7). die Nutzflächen stattdessen in den letzten Jahren einen Zielwert von 19 % im Jahr 2015 Nach Auswertung der Monitoringdaten ist für den Zielsetzungen 20 % 18 % Großteil der Arten und Lebensräume Schleswig- Biodiversitätsschutz braucht konkrete Zielsetzungen. Für 16 % Holsteins eine fortwährende sowie zum Teil erhebliche die Entwicklung der Lebensräume wurden qualitative 14 % Bundesdurchschnitt von 11,6 % im Jahr 2019 und ungebremste Verschlechterung festzustellen. und quantitative Ziele ermittelt. Diese wurden im Rahmen 12 % der Landesstrategie auf Basis von FFH-Monitoring- und 10 % 8% Berichtsdaten erarbeitet. Zunächst wurde festgestellt, 6% welcher Defizitausgleich notwendig ist, um die von der EU 4% geforderten Flächenanteile und günstigen Erhaltungszu- 2% stände erreichen zu können. Es folgte eine fachgutachter- 0% liche Expertise, auf welchem Anteil dieser terrestrischen 2009/10 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 oder aquatischen Flächen bis 2030 durch Maßnahmen die Voraussetzungen für eine Zielerreichung geschaffen Abbildung 7: Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der Agrarlandschaftsfläche (LLUR/BfN, 2020); werden können. Die Ergebnisse, auf denen die weitere Wert I äußerst hoch, Wert II sehr hoch, Wert III mäßig hoch Maßnahmenplanung basiert, sind als lebensraumspezifi- sche Ziele tabellarisch zusammengefasst (Kapitel 2.1.3 ff.). 10 11
1.4 Treiber für die Gefährdung der Biodiversität Klimaschutzfunktionen der Natur Klimafolgenanpassung der Natur Ökosysteme erfüllen eine Reihe wichtiger Funktionen im Im Zuge der Klimawandelanpassung gilt es vor allem, Wasser-, Boden- und Naturschutz. Gleichzeitig haben sie den natürlichen Landschaftswasserhaushalt mit seinen Die Gründe für den Rückgang der Artenvielfalt sind multi- › Infolge fehlender Pufferflächen und Verbundstrukturen durch die Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern, eine große Pufferfunktionen wiederherzustellen. Mit steigendem kausal und in ihrer Wirkung häufig vielfältig. Dennoch mangelt es den Schutzgebieten an Wirkung. Mangelnde Bedeutung für den Klimaschutz. Insbesondere Moore, Meeresspiegel, zunehmenden Winterniederschlägen und lassen sich die maßgeblichen Ursachen für die Beeinträch- Pflege – auch infolge fehlender oder unzureichender Moorwälder, Sümpfe, nasses bis feuchtes Grünland, aber starker Sommertrockenheit spielt der Wasserrückhalt in tigung der Biodiversität klar benennen. Umsetzung der Pflegemaßnahmen in den Schutz- auch mineralisches Dauergrünland und naturnahe Wälder der Fläche eine immer größere Rolle. Eine Möglichkeit, die › Die Nutzungsintensivierung in der Landwirtschaft hat in gebieten – sowie die Nutzungsaufgabe (wirtschaftlich sowie die Meere stellen oftmals große Kohlenstoffdepots sowohl dem Hochwasserschutz als auch dem Naturschutz den letzten Jahrzehnten zum Verlust vieler Lebensräume unattraktiver Flächen) verändern die vorkommenden dar und dienen als Senke für das Treibhausgas CO2. Durch dient, besteht darin, den Flüssen und ihren Auen wieder gefährdeter (ehemals zahlreicher) Arten geführt. Der Ein- Lebensräume. Entwässerung werden die gespeicherten Kohlenstoffvorräte mehr Raum zu geben und Hochwasser auf diese Weise satz von Pflanzenschutzmitteln (PSM), insbesondere von › Die Intensität der Meeresnutzung (z. B. grundberüh- in Mooren freigesetzt und belasten das Klima. In Deutsch- dezentral abzupuffern. Insektiziden, und die Störung der Stoffkreisläufe (Stoff- rende Fischerei, Schifffahrt, Gewinnung von Ressourcen, land sind mehr als 95 Prozent der ehemaligen Moorflächen Wälder sind in Schleswig-Holstein enorm wichtig für einträge) in Form von überhöhten Nährstoffeinträgen Tourismus), überhöhte Nährstoff-, Schadstoff- und Müll- entwässert und stellen damit signifikante Quellen für Treib- das lokale und regionale Klima. Sie machen die Ober- vorwiegend in der Landnutzung, jedoch auch durch Pri- einträge, Unterwasserlärm, Verbau von Küsten, das Ein- hausgase dar. Die entwässerten Moorböden in Schleswig- fläche rauer und verringern die Windgeschwindigkeit. vatpersonen, wirkt negativ auf die dort lebenden Arten- schleppen nicht heimischer Arten und nicht zuletzt der Holstein emittieren jährlich schätzungsweise mehr als drei Durch ihre kühlende Funktion sind Wälder, Knicks und gemeinschaften (z. B. Insektensterben) und Ökosysteme. Klimawandel führen zu hohen Belastungen der Meere Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. sonstige Grünflächen besonders wertvoll für das Mikro- › Die Entwässerung, insbesondere organogener und und ihrer Artengemeinschaften. klima und damit für das menschliche Wohlbefinden. Insbe- grundwassergeprägter Standorte führt ebenso wie › Regionale Klimaschwankungen, die über lange Zeit- Der Schutz intakter Moore, die Wiedervernässung von sondere lange Dürreperioden und Stürme machen Wälder die Veränderung von Hydrologie und Morphologie räume stattfinden, sind Teil des natürlichen Erdsystems. Moorböden und Feuchtwäldern sowie die Neuwald- anfälliger für Brände und Schadorganismen. Ein natürlicher an Gewässern zu einer erheblichen Veränderung des Der seit der Industrialisierung anthropogen verursachte bildung sind effektive und volkswirtschaftlich effiziente Wasserhaushalt ist daher eine der wichtigsten Grundlagen Landschaftswasserhaushaltes sowie unter anderem zu Klimwandel führt jedoch global zu deutlich schnelleren Klimaschutzmaßnahmen mit erheblichem CO2-Reduk- zur Verbesserung der Resilienz von Waldökosystemen. Ihre Einschränkungen der Durchgängigkeit der Gewässer und stärkeren Veränderungen, mit denen viele Öko- tionspotenzial für Schleswig-Holstein. Zugleich profi- Anpassungsfähigkeit erhöht sich unter anderem durch die und damit zum Verlust von speziellen Habitaten und den systeme und Artengruppen nicht Schritt halten können. tiert die Biodiversität! Möglichkeit des genetischen Austauschs und der natür- daran angepassten Arten. lichen Verjüngung. › Die Versiegelung und Zerschneidung von Flächen in der Der Erfolg der Biodiversitätsstrategie hängt Landschaft führen zum Verlust der Bodenfunktionen, zu immanent mit der gleichzeitigen Reduktion Ein System verbundener, naturnaher Lebensraum- einer erheblichen Beeinträchtigung zahlreicher Lebens- maßgeblicher Belastungsfaktoren zusammen. komplexe von Wäldern, Mooren und Niederungen ist räume und Ökosystemfunktionen sowie zur Verinselung zentrale Voraussetzung für den Erhalt der Anpassungs- der Lebensräume. fähigkeit der Natur und somit für eine erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel. 1.5 Biodiversität und Klimawandel Betrachtet man die vergangenen 30 Jahre, sind auch in Jahren deutlich zugenommen. Weitere Ausführungen zu Schleswig-Holstein bereits sichtbare Folgen des Klima- den bereits messbaren Auswirkungen des Klimawandels wandels eingetreten, die sich auf Tiere, Pflanzen und und Prognosen für zukünftige klimatische Veränderungen Lebensräume auswirken. Ein Vergleich des aktuellen sind dem Klimareport Schleswig-Holstein6 zu entnehmen. Klimazustandes (1986 bis 2015) mit dem Vergleichs- Diese direkten, aber auch die indirekten Folgen des zeitraum 1961 bis 1990 zeigt in Schleswig-Holstein eine Klimawandels erfordern die konsequente Förderung der Erwärmung um etwa 0,7 °C. Anpassungsfähigkeit aller biologischen Systeme. Auf Grundlage regionaler Klimamodelle des Nord- deutschen Klimabüros ist bis 2100 sogar mit einer mitt- Arten und Lebensräume im Klimawandel leren Erwärmung um 2,9 °C zu rechnen. Damit steigt die Naturnahe Ökosysteme sind komplexe und vernetzte Gefahr von Hitzewellen mit Tagestemperaturen von mehr Systeme. Die an sie angepassten Arten sind nur in aus- als 30 °C und Tropennächten mit mehr als 20 °C signifikant. reichend großen Populationen und im Verbund über- Eis- und Frosttage werden im Winter weiter abnehmen. lebensfähig. Komplette Anpassungen der Arten an sich Für Schleswig-Holstein als Land zwischen den verändernde Lebensbedingungen erfolgen jedoch nor- Meeren sind auch die Veränderungen des Meeresspie- malerweise über lange Zeiträume. Diese sind im Kontext gels von großer Bedeutung. An der Ostseeküste stieg eines Klimawandels, der voranschreitet wie bisher, nicht der mittlere Meeresspiegel im letzten Jahrhundert um mehr gegeben. Der Schutz von Ökosystemen kann dazu etwa 15 Zentimeter, an der deutschen Nordseeküste um beitragen, klimatische Veränderungen zu verlangsamen etwa 20 Zentimeter an. Starkregenereignisse wie auch und somit Arten die Möglichkeit geben, Schritt zu halten. andauernde Trockenperioden haben in den letzten 12 13
2 Netzwerke(n) für den landes- weiten Biodiversitätsschutz Die Grundlagen für die vorliegende Biodiversitätsstrategie wurden unter Einbindung zahlreicher Akteur*innen und Netzwerk Natur Räumlich-funktional-konzeptionelle Planungen zur Fachleute aus den Bereichen Natur, Umwelt und Land- Sicherung der Arten- und Lebensraumvielfalt in Schleswig- nutzung im Rahmen eines vorgeschalteten Diskussions- Holstein prozesses entwickelt. Für dabei entworfene Visionen, Leitbilder und Ziele wurden Handlungsfelder definiert Netzwerk Bildung und zugeordnet. Daraus wurden die drei Netzwerke ent- Initiative zur kontinuierlichen Integration des Themas wickelt (Abbildung 9): Biodiversität in den Bildungsweg Netzwerk Akteur*innen Aufbau eines Netzwerkes zur Verstetigung, Integration 2.1 Netzwerk Natur und Entwicklung der Biodiversitätsmaßnahmen › Grün-Blaue Infrastruktur / Biotopverbund / Kernaktionsräume › Lebensräume › Artenschutz Umsetzung und Integration › Biodiversität und Landwirtschaft › Biodiversität und Klimawandel › Personalinitiative / Umsetzungsstrukturen 2.1.1 Die Grün-Blaue Infrastruktur › Moore und Fließgewässer einschließlich ihrer Auen und Niederungen sowie Seen, Für Schleswig-Holstein als Land zwischen den Meeren mit › Schwerpunktbereiche und Verbundachsen des Schutz- Netzwerk Netzwerk Netzwerk seinen typischen Küsten sowie ausgedehnten Seen- und gebiets- und Biotopverbundsystems (SBVS) sowie Fließgewässerlandschaften wird der Begriff der grünen „grüne Netzwerke“ in urbanen Räumen (miteinander Natur Bildung Akteur*innen Infrastruktur um die blaue Infrastruktur ergänzt. Zu dieser funktional vernetzte Landschaftselemente wie naturnahe Grün-Blauen Infrastruktur gehören folgende, sich zum Teil Grünflächen, Parks und Gründächer/-fassaden), › Grün-Blaue Infrastruktur und › Frühkindlicher Bereich › Leitstelle Biodiversität SH überschneidende Elemente: › künstliche Verbindungselemente zur Vernetzung Biotopverbund › Schulischer Bereich › Netzwerk des Ehren- und › Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, von Lebensräumen (z. B. Grünbrücken über Autobahnen). › Kernaktionsräume Hauptamtes zum Erhalt der › Biosphärenreservate, Der Fokus künftiger Bemühungen liegt auf der Sicherung › Universitärer Bereich biologischen Vielfalt in SH › HELCOM Marine Protected Areas (Ostsee) und OSPAR und Entwicklung von Verbundachsen zur Verbesserung des › Lebensräume › Informeller Bildungsbereich Marine Protected Areas (Nordsee), SBVS . Dieser ist bislang nur in geringen Teilen ökologisch- › Artenschutzprogramm › Modellprojekte und › Mulitplikator*innen › arten- und lebensraumbezogene Schutzregelungen funktional ausreichend entwickelt. Best Practice der Binnen-und Küstenfischerei-Verordnungen SH, › Breitenwirksame Initiativen › Öffentlichkeitsarbeit › Natura 2000-Gebiete (FFH-Gebiete und EU-Vogel- Übergeordnete Ziele › Barrierefreies Naturerleben schutzgebiete), › 30 Prozent Grün-Blaue Infrastruktur: Flächen im Umfang › Naturschutzgebiete (NSG), von etwa 30 Prozent der marinen und terrestrischen › dem Naturschutz gewidmete Flächenkomplexe Landesfläche inklusive Binnengewässer werden Bestand- z. B. im Besitz von Verbänden und Stiftungen oder teil einer funktional-wirksamen Grün-Blauen Infrastruktur, Ökokonten außerhalb der genannten Flächen-/ in welcher ein guter ökologisch-qualitativer Zustand Abbildung 9: Die drei Netzwerke der Biodiversitätsstrategie SH (MELUND, 2020) Schutzgebietskulissen, etabliert bzw. erhalten wird. › strukturreiche Landschaftsausschnitte (z. B. historische › 15 Prozent Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem: Knicklandschaften), Im Rahmen der Grün-Blauen Infrastruktur werden Flächen › naturnahe und nutzungsfreie Wälder, im Umfang von mindestens 15 Prozent der Landesfläche 14 15
Klimaregulation Schutzgebiets- und Biotopverbundsystem (SBVS) zept der integrativ wirkenden KAR wird im Folgenden Kohlenstoffbindung in Böden Dem SBVS kommt eine zentrale Rolle als „Rückgrat Grüner anhand eines aktuellen Beispiels, der Modellregion Schlei oder Pflanzen, Reduzierung von Infrastruktur“7 zu. Räumlich und funktional zusammenhän- – einem KAR, der sowohl terrestrische als auch marine Treibhausgasemissionen (z. B. aus gende Lebensraumnetze bilden die Basis für überlebens- Bereiche umfasst – verdeutlicht. Gewässer- und drainierten Mooren) wichtige Austausch- und Migrationsprozesse der Arten. Grundwasserschutz Erhalt der Darüber hinaus bieten sie wichtige Ökosystemleistungen Beispiel: Modellregion Schlei Verringerung des Nährstoff-/ Biodiversität und Synergiepotenziale (Abbildung 10, linke Seite). Das Projekt „Modellregion Schlei“ wird künftig drei KAR Schadstoffeintrags in Oberflächen- Bewahrung der Vielfalt an Arten darstellen. Es basiert auf einer Weiterentwicklung des gewässer und Grundwasser durch und Lebensräumen sowie der Ein funktionierendes Netz naturnaher Lebensräume von den regionalen Akteur*innen erstellten „Integrierten Verbesserung der Retentions-/ genetischen Vielfalt ist ein Schlüsselfaktor für den Erhalt der heimischen Schleiprogramms“. Träger ist der Naturpark Schlei e. V., der Filterleistung von Ökosystemen Biodiversität. Die Funktionsfähigkeit ökologischer zugleich auch Träger der Lokalen Aktion Schlei ist. Gegen- (z.B. Auen, Moore) Wechselbeziehungen und Austauschprozesse in stand sind nicht nur die Ziele des Biodiversitäts-, Wasser-, Wichtige diesem Netz ist die Basis für die Anpassungsfähigkeit der Natur an den Klimawandel. Klima- und Bodenschutzes sowie die damit in Verbindung stehenden regionalen und sozioökonomischen Belange, Verbesserte Synergie- sondern auch verschiedene Ebenen internationaler, natio- potenziale Hochwasserschutz 50 Kernaktionsräume (KAR) für die biologische Vielfalt naler, landes- und regionsspezifischer Verpflichtungen und Bestäubungsleistung Verbesserte Wasserhaltung Die Kulisse der Gebiete mit besonderer Eignung zum Interessen. Der besondere Fokus vor Ort liegt auf Syn- Sicherung der Habitate Aufbau eines SBVS wird als Grundlage für die gezielte ergieeffekten zwischen dem biologischen Klimaschutz und bei Erhalt und z. B. in Mooren und Auen und wichtiger Bestäuber dementsprechend verzögerter Umsetzung der in dieser Strategie herausgearbeiteten der Förderung der Biodiversität und des Insektenschutzes (z. B. Wild- und Honigbienen) und Entwicklung des und geringerer Abfluss Maßnahmen herangezogen. KAR stellen innerhalb dieser sowie der Verbesserung der Wasserqualität der Schlei. Die Kulisse inklusive einiger Puffer- und Verbindungsräumen Modellregion Schlei dient auch als Best-Practice-Beispiel Erhöhung der Schutzgebiets- prioritäre Umsetzungsräume für die Verbesserung der im Rahmen der HELCOM-Zusammenarbeit der Ostsee- Bestäubungsleistung und Biotop- ökologischen Funktionalität des Landesbiotopverbundes anrainerstaaten. und für die lebensraumbezogenen Zielgrößen und Maß- verbund- Bodenschutz nahmen der Strategie dar. KAR sind prioritäre Umsetzungsräume für Maß- systems Erhalt der Regulations- und Lebens- nahmen, die nicht nur dem Erhalt der Biodiversität raumfunktionen des Bodens und der Kernaktionsräume dienen, sondern weitere Synergieeffekte für das Tourismus, Erholung, Freizeit Bodenfruchtbarkeit sowie Schutz › umfassen wichtige Schlüsselbereiche des SBVS und Land realisieren. und Umweltbildung vor Bodenerosion durch Nutzungs- der Küstenmeere, die aufgrund ihrer Lebensraum- und Attraktivitätssteigerung für extensivierung/-aufgabe Artenausstattung zu den ökologisch besonders bedeut- Ziele Erholungssuchende sowie Ermög- samen und prägenden Teilbereichen des Landes zählen; Die Umsetzung erforderlicher Maßnahmen zur Lebens- lichung von Naturerlebnis und › bilden Räume ab, in denen in einem hohen Maße Syn- raumaufwertung bzw. Renaturierung in den KAR ist eine praktischer Umweltbildung Luftreinhaltung und ergieeffekte beispielweise mit den Zielen des Klima- mittel- bis langfristige Aufgabe für das Land und daher in Luftaustausch schutzes, des Gewässer- und Grundwasserschutzes und mehreren Tranchen vorgesehen. Die Zielfläche aller KAR Verbesserte Luftqualität durch des Bodenschutzes realisiert werden können; liegt bei insgesamt etwa 10 Prozent der Landfläche, also Filterleistung und Sauerstoff- › weisen das Potenzial auf, durch gezielte Maßnahmen- bei rund 160.000 Hektar. Darüber hinaus sind marine KAR produktion der Vegetation umsetzung die ökologische Funktionalität des SBVS vorgesehen. (Lebensraumvernetzung) erheblich zu stärken, wodurch › Erste Tranche mit einem vergleichsweise geringen Flächenaufwand Im Rahmen der ersten Zieltranche (Abbildung 11 fol- ein erheblicher Beitrag zum Erhalt biologischer Vielfalt gende Seite, siehe auch Kartenserie) werden bis Ende Abbildung 10: Wichtige Synergiepotenziale beim Erhalt und der Entwicklung des SBVS (LLUR, 2020) geleistet werden kann und 2022 für 23 KAR, davon 20 terrestrisch und drei marin, › weisen – unbenommen der bisherigen Erfolge langjäh- prioritäre Handlungserfordernisse erarbeitet. Bis Ende riger intensiver Naturschutzbemühungen in vielen Teil- 2030 erfolgt die Umsetzung bzw. Einleitung der Maß- bereichen – weiteres Entwicklungspotenzial zur Förde- nahmen. rung der biologischen Vielfalt auf. › Zweite Tranche als funktional wirksames SBVS hergestellt und dauerhaft Um Biodiversität zu schützen, müssen die natur- Im Rahmen der zweiten Zieltranche erfolgt bis Ende 2025 gesichert. nahen Lebensräume und gewachsenen Kulturland- Für die Umsetzung erfolgt eine Fokussierung auf insge- die Ermittlung und Lage weiterer etwa 27 KAR sowie › 2 Prozent Wildnisgebiete: Innerhalb des SBVS werden schaften erhalten, Flächennutzungen extensiviert, samt ca. 50 KAR, die für den Erhalt und die Förderung der die Analyse und Planungsgrundlage für die Umsetzung mindestens zwei Prozent der Landesfläche sowie marine Lebensräume renaturiert und vernetzt sowie die Biodiversität in Schleswig-Holstein von herausgehobener prioritärer Handlungserfordernisse. Die Umsetzung bzw. Lebensräume als Wildnisgebiete einer weitgehend eigen- anhaltende Flächeninanspruchnahme durch Sied- Bedeutung sind. Ihre räumliche Abgrenzung erfolgt auf Einleitung der Maßnahmen erfolgt analog zur ersten dynamischen und ungestörten Entwicklung überlassen. lung und Verkehr reduziert werden. Grundlage von Geofachdaten (z. B. aktuelle landesweite Zieltranche bis 2040. Biotopkartierung), Programmen und Konzepten (z. B. Bun- deskonzept Grüne Infrastruktur) sowie fachgutachtlichen Empfehlungen von Expert*innen des Landes hinsichtlich geeigneter und prioritärer Umsetzungsräume. Das Kon- 16 17
› Bis 2035 werden ca. 70 weitere Wildnisgebiete realisiert (z. B. Zugvögel, Schweinswale, Robben) orientiert, ein- oder die dafür erforderlichen und vorbereitenden Maß- gerichtet und gesichert. nahmen weitgehend durchgeführt sein. Das Wildnisziel › Ergänzend werden der Vollzug zum Schutz der Arten von mindestens zwei Prozent ist damit erreicht. und geschützten Lebensräume gegen Beeinträchti- gungen gestärkt und der Bußgeldrahmen im Bußgeld- 2.1.2 Initiative für terrestrische und katalog geprüft. aquatische Schutzgebiete › In der Nordsee existiert mit dem Nationalpark Schleswig- Holsteinisches Wattenmeer ein großflächiges Schutzge- Schutzgebiete müssen einen hohen Qualitätsstandard biet, in dem gemäß Paragraph 24 Absatz 2 Bundesnatur- aufweisen, um ihrem Schutzzweck entsprechend auch schutzgesetz in einem überwiegenden Teil des Gebietes anspruchsvollen Arten und deren Lebensräumen gerecht der möglichst ungestörte Ablauf der Naturvorgänge in werden zu können und ökologische Funktionen zu erfüllen. ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten ist. › Weitgehend ungestörte Bereiche und natürliche Pro- Ziel zesse wie die Morpho- und Hydrodynamik der Aus- Bis 2030 wird das Land den Zustand der terrestrischen gleichsküste oder aktiver Steilhänge (Ostsee) werden und aquatischen Schutzgebiete deutlich verbessern. erhalten oder wiederhergestellt. Maßnahmen 2.1.3 Gewässerinitiative Biodiversität › Der Flächenanteil der NSG im Biotopverbundsystem des Landes wird von derzeit 3,2 Prozent auf vier Prozent In Gewässern überlagern sich die Ziele der Natura der Landfläche erhöht. Lücken im Biotopverbundsystem 2000-Richtlinie mit den Zielen der Wasserrahmenricht- werden insbesondere durch die Ausweisung von NSG linie (WRRL) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie geschlossen. Zusätzlich ist ein Flächenerwerb oder (MSRL). Nur durch eine gemeinsame Umsetzung lassen -tausch ggf. im Rahmen einer Flurneuordnung möglich. sich diese erreichen. Primäres Ziel der Gewässeroffensive › Die Umsetzung und Planung von Schutz-, Pflege- und ist, als ressortübergreifende Aktivität des Gewässer- und Entwicklungsmaßnahmen (S+E) wird unter Berücksich- Naturschutzes flächenhaft wirksame Belastungen wie zu tigung von Pufferflächen unter Einbeziehung der Rand- hohe Nährstoff- und Schadstoffeinträge aus diffusen und flächen in die Schutzgebiete sowie eine entsprechende punktuellen Quellen auf ein für den Gewässerschutz ver- Regelung der dort stattfindenden Nutzungen über Ver- trägliches Maß zu reduzieren sowie die Strukturen am und ordnungen und/oder freiwillige Instrumente intensiviert. im Gewässer zu verbessern. › Zur Ergänzung der wichtigen ehrenamtlichen Schutz- gebietsbetreuung und zur Umsetzung, Planung und Ver- Übergeordnete Ziele mittlung von Biodiversitätsprojekten und Maßnahmen › Gegenüber dem aktuellen fünfjährigen mittleren Austrag (z. B. via S+E-Maßnahmen) wird schrittweise unter müssen die Phosphoreinträge in alle Gewässer landes- Nutzung von Synergien mit den Aktiven vor Ort eine weit um ein Drittel (rund 269 Tonnen) verringert werden. Abbildung 11: Übersichtskarte der für die erste Tranche ausgewählten Kernaktionsräume (LLUR 2020); Kernaktionsräume, Struktur hauptamtlicher Ranger*innen ggf. in Anbindung › Für den Meeresschutz ist es erforderlich, die Stickstoff- Schutzgebiets- und Biotopverbundsysteme (regionale Ebene), Schutzgebiete (Natura 2000, Naturschutzgebiete), Maßstab km an die Integrierten Stationen des Landes aufgebaut, die frachten aus dem Binnenland um knapp 5.000 Tonnen 0 10 20 30 40 folgende Aufgaben übernimmt: jährlich oder ein Drittel gegenüber dem aktuellen fünf- › Zusammenarbeit und Koordination des Ehrenamtes jährigen mittleren Austrag zu vermindern. unter Einbindung von Freiwilligendiensten (BFD, › Um den Artenschutz in Fließgewässern zu berücksich- Maßnahmen sogenannten Wildnisgebieten können natürliche Selbst- FÖJ) und Verbänden; tigen, ist es erforderlich, die Gewässerunterhaltung Additiv zu vorhandenen Programmen wird für die Umset- organisationsprozesse der Natur weitgehend ungestört › Professionalisierung der Besucherlenkung und landesweit artenschutzgerecht und soweit möglich, zung der Maßnahmenkonzepte in den KAR eine Förder- und unbeeinflusst ablaufen. -information; schonend oder beobachtend durchzuführen. priorität eingerichtet. Gefördert werden: › Planung, Akquise, Begleitung und Durchführung von › Struktur und Durchgängigkeit der Fließgewässer sind zu › Träger-/Umsetzungsstruktur; Ziel Pflegemaßnahmen in Abstimmung mit den zustän- verbessern. › Grunderwerb (GE)/Flächensicherung (FS); Mindestens zwei Prozent der Landesfläche, die innerhalb digen Naturschutzbehörden; › Umsetzungs- und Planungsmanagement (Kernaktions- des Biotopverbundsystems liegen, werden zu Wildnis- › Kooperation mit den Ordnungsbehörden. Lebensraumspezifische Ziele raumplanung); gebieten entwickelt. › In allen Meeresschutzgebieten sind auf Grundlage › Koordination und Begleitung der Umsetzung. wissenschaftlicher Gutachten und klar definierter Erhal- Nordsee und Wattenmeer Maßnahmen tungsziele bis 2030 die Fischereibewirtschaftungsmaß- Weite Teile der schleswig-holsteinischen Nordsee gehören Wildnisnetzwerk „Wildes SH“ › Bis 2030 werden auf 1,4 Prozent der Landesfläche Wild- nahmen zu überprüfen und ggf. anzupassen. zum UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer, der größten Um die heimische Biodiversität und insbesondere spe- nisgebiete eingerichtet sein. › Zur Vernetzung der marinen Schutzgebiete unterein- zusammenhängenden Wattlandschaft der Welt. Dabei ziell angepasste Arten langfristig zu erhalten, müssen der › Bis 2030 wird der Wildnisansatz in einem überwiegenden ander und mit terrestrischen/limnischen Schutzgebieten umfasst der schleswig-holsteinische Anteil gut 4.350 Qua- Natur Räume überlassen bzw. zurückgegeben werden, die Teil des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Watten- werden mittelfristig Verbundkorridore, deren Lage sich dratkilometer und damit mehr als ein Drittel der Welterbe- frei von anthropogenen Nutzungen sind. Nur in diesen meer umgesetzt sein. am Verlauf von Wander- und Zugrouten relevanter Arten stätte. Mit einer beeindruckenden Habitat- und Artenvielfalt 18 19
Ostsee Fließgewässer Die Ostsee ist ein salzarmes Binnenmeer, dessen Öko- Flüsse und Bäche durchziehen Schleswig-Holstein mit system durch einen stark ausgeprägten West-Ost-Gra- einem Netz von über 20.000 Kilometern Länge. Sie dienten des Salzgehaltes geprägt ist. Charakteristisch sind sind von herausragender Bedeutung für höhere Wasser- die tief in das Binnenland einschneidenden Förden, weiten pflanzen, am Boden lebende Algen, die Wirbellosenfauna Buchten, Steilküsten und Niederungsgebiete. Durch den und Fische. Darüber hinaus sind die angrenzenden Über- Abbruch von Steilküsten und die Verfrachtung des Sedi- schwemmungsflächen, Auwälder und Feuchtwiesen wich- Abbildung 15: Wittensee (Foto: LLUR) ments zu den Flachküsten unterliegen die besonders tige natürliche Retentionsräume für Hochwasserereignisse. vielgestaltigen und artenreichen Küstenlebensräume einer ständigen und wertgebenden natürlichen Dynamik. Stillgewässer Schleswig-Holstein hat etwa 300 natürliche Seen mit einer in den letzten Jahrzehnten annähernd unveränderten Tabelle 2 Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele Gesamtfläche von 28.000 Hektar. Sie erfüllen wichtige für die Ostsee Funktionen im Wasser- und Naturhaushalt und sind als Retentionsraum sowie als Lebensraum für viele Tiere und Abbildung 12: Quellerwatt (Foto: LLUR) Qualitative Ziele Pflanzen von großer ökologischer Bedeutung. Daneben › analog zu Tabelle 1 gibt es in Schleswig-Holstein eine Vielzahl von sehr arten- und der außerordentlichen Bedeutung als Drehscheibe und individuenreichen Tümpeln und Kleinge-wässern. Sie des internationalen Vogelzugs spielen das schleswig- Quantitative Ziele sind ein typisches Element vieler natürlicher und naturnaher holsteinische Wattenmeer und die küstennahe Nordsee › 50 Hektar Küstendünen aufwerten. Ökosystemkomplexe und bewirken ein besonders hohes beim Erhalt der Biodiversität eine herausragende Rolle. › 1.000 Hektar Strandseen aufwerten. Maß an Habitat- und Artenvielfalt. › 5.000 Hektar Meeresarme und -buchten aufwerten. › 95 Hektar Spülsäume, Kiesstrände, Steilküsten aufwerten. Tabelle 1 Tabelle 4 Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele › 170 Hektar Salzwiesen aufwerten und drei neue Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele für die Nordsee Binnenland-Salzstellen schaffen. für den Lebensraum Stillgewässer › Bis Ende 2024 prüfen, wo ungenutzte Rückzugs- und Qualitative Ziele Ruheräume für marine Arten gesichert werden können. Abbildung 14: Schierenseebach (Foto: LLUR) Qualitative Ziele › Managementpläne und marine KAR umsetzen. › Gesamtstickstoff-Eintrag am Übergangspunkt limnisch/ › Strukturvielfalt wiederherstellen. › Meeres- und Küstengewässer befinden sich in einem marin auf weniger als 2,6 Milligramm pro Liter › Stoffliche Einträge vermeiden und verringern. guten ökologischen und chemischen Zustand. begrenzen. › Natürlichen Wasserstand erhalten oder wiederher- Tabelle 3 › Anthropogene Stoffeinträge (z. B. Nährstoffe, Pflanzen- Zusammenfassung der qualitativen und quantitativen Ziele stellen. schutzmittel, Medikamente) und Energieeinträge (z. B. für den Lebensraum Fließgewässer › Natürliche Ufersituationen und Auenbereiche erhalten Unterwasserlärm, Licht, Wärme) begrenzen. oder wiederherstellen. › Ausreichende natürliche Nahrungsgrundlage für die Qualitative Ziele › Freizeitnutzung regulieren. marinen Arten und funktionstüchtige Nahrungsnetze. › Wiederherstellen von Strukturvielfalt, Breiten- und › Nahrungs-, Aufzucht-, Mauser- und Rastgebiete sowie Tiefenvarianz sowie Strömungsdiversität. Quantitative Ziele marine und terrestrische Bereiche sind ausreichend › Stoffliche Einträge vermeiden und verringern. › Phosphoreinträge in Seen um zwei Tonnen Phosphor vorhanden und miteinander vernetzt. › Natürlichen Wasserstand erhalten oder wiederher- mindern (enthalten in der Minderung der Gesamt- › Ökologische Voraussetzungen für den Erhalt oder die stellen. phosphoreinträge in Fließgewässer). Wiederansiedlung bestandsgefährdeter oder ausge- › Natürliche Ufersituationen, Auenbereiche und natür- › 10 Prozent der berichtspflichtigen Seen bis 2030 in storbener Arten schaffen. liche Flussläufe erhalten oder wiederherstellen. guten ökologischen Zustand bzw. gutes ökologisches › Beifangereignisse (Vögel, Meeressäuger, Nichtzielarten) › Durchgängigkeit bei Fließgewässern schaffen. Potenzial versetzen. weiter reduzieren. › Freizeitnutzung regulieren. Quantitative Ziele Quantitative Ziele Maßnahmen › Bestehende Vorkommen von Küstendünen um 13 Hektar › Hydromorphologische Verhältnisse auf ca. 380 Kilometer › Maßnahmen für die marinen Gewässer vergrößern. Fließgewässerlänge verbessern. › In einem Teil der Meere finden möglichst keine › Bis Ende 2024 prüfen, wo ungenutzte Rückzugs- und › Durchgängigkeit an ca. 300 Bauwerken wiederherstellen. extraktiven Nutzungen statt. Es können dort weit- Ruheräume für marine Arten gesichert werden können. › Gesamtphosphoreinträge um 27 Tonnen inklusive der gehend ungestörte Ruhe- und Rückzugsräume als › Gesamtstickstoffeintrag am Übergangspunkt lim- Minderungsbedarfe für Seen und Meeresgewässer Lebensräume für marine Arten gesichert werden. Abbildung 13: Ostsee bei Dänisch-Nienhof (Foto: LLUR) nisch/marin auf weniger als 2,8 Milligramm pro Liter mindern. Bis Ende 2024 wird im Dialog mit der Erwerbs- und begrenzen. › 10 Prozent der berichtspflichtigen Flüsse bis 2030 in Angelfischerei, ggf. weiteren Nutzergruppen sowie › Einschleppungsrate nicht heimischer Arten auf maximal guten ökologischen Zustand bzw. gutes ökologisches den Naturschutzverbänden geprüft, wo es in der eine Art pro MSRL-Berichtszyklus (6 Jahre) reduzieren. Potenzial versetzen. schleswig-holsteinischen Nord- und Ostsee Mee- resschutzbereiche gibt, in denen entsprechende 20 21
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